Insolvenzanfechtungsrecht
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Insolvenzanfechtungsrecht
Insolvenzanfechtungsrecht
Die Insolvenzgläubiger sind zwar ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Insolvenzschuldners geschützt. Jedoch kann dieser noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sein Vermögen verschenkt, verschleudert und/oder verschoben und dadurch die Insolvenzmasse in durchaus beträchtlichem Maße verringert haben. Damit die Insolvenzgläubiger dem nicht schutzlos ausgesetzt sind, gibt es das in der Insolvenzordnung (InsO) geregelte Institut der Insolvenzanfechtung. Der Insolvenzverwalter kann bis zu zwei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 146 InsO) im Vorfeld der Insolvenzeröffnung vorgenommene gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen vor den ordentlichen Gerichten (nicht vor dem Insolvenzgericht) anfechten. Denn der Anfechtungsstreit ist eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit i.S.v. § 13 GVG, auch wenn die anfechtbare Rechtshandlung anderen Rechtsgebieten zuzurechnen ist. Die Anfechtung hat weitreichende Wirkungen (§ 143 f. InsO): Die angefochtenen Rechtshandlungen werden im Ergebnis rückgängig gemacht. Mit anderen Worten: Die Insolvenzmasse wird um das zuvor verschenkte, verschleuderte und/oder verschobene Vermögen wieder angereichert und steht nach dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung allen Insolvenzgläubigern zu gleichen Teilen zur Verfügung.
Alle Anfechtungstatbestände - egal ob die allgemeinen (§§ 133, 134 InsO) oder die besonderen (§§ 130-132, 135, 136 InsO) - erfordern im Wesentlichen das Vorliegen der in § 129 InsO genannten Voraussetzungen.
Zu beachten ist, dass Bargeschäfte i.S.v. § 142 InsO insolvenzfest sind.
Anfechtungsgegner ist regelmäßig derjenige, der von der anfechtbaren Rechtshandlung profitiert hat. Unter Umständen können auch mittelbar Begünstigte Anfechtungsgegner sein. Anfechten kann der Insolvenzverwalter gem. § 145 InsO auch gegenüber Gesamt- und Einzelrechtsnachfolger.
Grundsätzlich muss der Insolvenzverwalter das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen beweisen. Da er hierbei nicht selten auf Schwierigkeiten stößt - sei es weil die Beteiligten aus eigenem Interesse schweigen, sei es weil die Unterlagen des Insolvenzschuldners nicht weiterhelfen -, sieht die InsO Beweiserleichterungen und Beweislastumkehrungen vor. So wird die Anfechtung bzw. der Beweis gegenüber Personen, die dem Insolvenzschuldner gem. § 138 InsO nahestehen, generell erleichtert.
Die Insolvenzanfechtung ist von der Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB und nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) abzugrenzen.
Inhalt
I. Grundvoraussetzungen, § 129 InsO
1. Rechtshandlung
a) Grundlegendes
b) Problemfeld: Übergabe eines Schecks an einen Vollziehungsbeamten
2.Gläubigerbenachteiligung
a) Grundlegendes
b) Problemfeld: Zahlung durch den Schuldner nach begonnener Zwangsvollstreckung
3. Kausalität zwischen Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung
4. Rechtshandlung vor Insolvenzeröffnung
II. Anfechtungsgründe
1. Anfechtung wegen kongruenter Deckung, § 130 InsO
a) Anwendbarkeit
b) Voraussetzungen
c) Zahlungseinstellung / Zahlungsunfähigkeit - Zahlungsstockung / drohende Zahlungsunfähigkeit
d) Problemfeld: Abführung der Lohnsteuer in den letzten drei Monaten vor Insolvenzeröffnungsantrag
e) Problemfeld: Kontokorrentverrechnung
f) Problemfeld: Globalzession
2. Anfechtung wegen inkongruenter Deckung, § 131 InsO
a) Anwendbarkeit
b) Voraussetzungen
c) Problemfeld: Einzelzwangsvollstreckung innerhalb der Krise
d) Problemfeld: Druckzahlung
e) Problemfeld: Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen
3. Anfechtung wegen unmittelbar nachteiliger Rechtshandlung, § 132 InsO
a) Anwendbarkeit
b) Voraussetzungen
c) Problemfeld: Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters
4. Vorsatzanfechtung, § 133 InsO
a) Anwendbarkeit
b) Voraussetzungen
c) Rechtsprechung zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners
d) Rechtsprechung zur Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners
5. Anfechtung bei unentgeltlichen Leistungen, § 134 InsO
a) Anwendbarkeit
b) Voraussetzungen
c) Problemfeld: Cash-Pooling
d) Problemfeld: Einlagen des Anlegers bei Schneeballsystem
6. Anfechtung im Zusammenhang mit Darlehen für die Gesellschaft, § 135 InsO
a) Anwendbarkeit
b) Voraussetzungen
7. Anfechtung bei stillem Gesellschafter, § 136 InsO
a) Anwendbarkeit
b) Voraussetzungen
III. Bargeschäft, § 142 InsO
IV. Mittelbare Zuwendungen / Insolvenzanfechgung im Mehrpersonenverhältnis
V. Aktuelle Rechtsprechung
VI. Abgrenzung zur Insolvenzanfechtung
1. Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB
2. Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz
I. Grundvoraussetzungen, § 129 InsO
Jede vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung, sofern sie sich benachteiligend auf die Befriedigungsquote der Insolvenzgläubiger i.S.v. § 38 InsO auswirkt, unterliegt der Insolvenzanfechtung.
1. Rechtshandlung
a) Grundlegendes
Der Begriff "Rechtshandlung" wird weit ausgelegt. Darunter ist jedes vom Willen getragene Tun oder Unterlassen des Schuldners oder eines Dritten (soweit nicht die InsO etwas anderes vorsieht), das Rechtswirkungen auslösen kann, zu verstehen.
Beispiele für aktives Tun: Verpflichtungs- und Verfügungsverträge, Willenserklärungen, einseitige Rechtsgeschäfte wie Kündigungen oder Verzichtserklärungen, rechtsgeschäftsähnliche Handlungen wie Mahnungen oder Fristsetzungen, Realakte wie die Verarbeitung i.S.d. §§ 946, 950 BGB, Prozesshandlungen, Lastschriftzahlungen, wegen § 141 InsO auch Vollstreckungshandlungen sowie die Vollziehung eines Arrests und/oder einer einstweiligen Verfügung
Beispiele für Unterlassen: Verstreichenlassen einer Verjährungsfrist, Nichtbestreiten im Prozess, versäumtes Einlegen eines Rechtsbehelfs
b) Problemfeld: Übergabe eines Schecks an einen Vollziehungsbeamten
KG, 16.10.2009, 14 U 18/09
Nach Auffassung des Kammergerichts kann eine Rechtshandlung i.S.d. §§ 129 ff. InsO nicht allein darin gesehen werden, dass der Insolvenzschuldner in eine Durchsuchung einwilligt und nicht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 758, 758a ZPO besteht.
BGH, 10.02.2005, IX ZR 211/02:
Es liegt keine Rechtshandlung liegt vor, wenn der Insolvenzschuldner nur noch die Wahl zwischen sofortiger Erfüllung der Forderung oder Duldung der Vollstreckung hat, wenn selbstbestimmtes Handeln de facto ausgeschaltet ist.
BGH, Urteil vom 06.10.2009, IX ZR 191/05:
Dagegen stellt die Übergabe eines Schecks des Insolvenzschuldners an einen Vollziehungsbeamten (z.B. Gerichtsvollzieher) eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners dar. Denn wenn
der Insolvenzschuldner der anwesenden Vollziehungsperson zur Vermeidung eines - mangels pfändbarer Gegenstände voraussichtlich erfolglosen - Pfändungsversuchs einen Scheck über den geforderten Betrag übergibt, besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit zu einem anderweitigen Verhalten.
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.08.2005, 16 U 11/05,
OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.06.2008, 8 U 186/07:
Zwar vertraten sowohl das OLG Frankfurt a.M. als auch das OLG Karlsruhe die Auffassung, wonach eine während der Zwangsvollstreckung getätigte Zahlung keine Rechtshandlung des Schuldners darstelle - unabhängig davon, ob der Gerichtsvollzieher vor Ort gewesen sei oder nicht, ob der Schuldner aufgrund einer mit dem Gerichtsvollzieher getroffenen Ratenvereinbarung und in welcher Weise - in bar, per Überweisung oder Scheck - gezahlt habe.
BGH, Urteil vom 10.12.2009, IX ZR 128/08 (Revision zum o.g. Urteil des OLG Karlsruhe):
Der BGH bewertet aber die verfahrensrechtliche Abgrenzung der Oberlandesgerichte nicht mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO vereinbar:
Im Lichte seiner vorangegangenen Rechtsprechung betont er, dass eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO in Abgrenzung zu unanfechtbaren einseitigen Gläubigerhandlungen nur in Betracht komme, wenn ein willensgesteuertes Handeln des Schuldners zur Befriedigung beigetragen habe. Denn nur wer darüber entscheiden könne, ob er die angeforderte Leistung erbringe oder verweigere, nehme selbst eine Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO vor. Dabei sei dem Schuldner die Möglichkeit zu eigenem willensgesteuerten Handeln nicht allein dadurch genommen, dass die Einzelzwangsvollstreckung bereits begonnen habe.
Zum einen unterscheide sich die Situation, dass eine einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahme erfolglos geblieben sei und deshalb demnächst weitere Maßnahmen drohten, nicht wesentlich von derjenigen, in welcher der Beginn der Zwangsvollstreckung noch bevorstehe. Nach wie vor könne der Schuldner frei entscheiden, ob er Vermögenswerte, die das Vollstreckungsorgan bislang nicht aufgefunden hätten oder die er noch von dritter Seite bekommen könnte, zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers einsetze oder statt dessen die Fortsetzung des Zwangsvollstreckungsverfahrens hinnehme und die Konsequenz ziehe, selbst Insolvenzantrag zu stellen.
Zum anderen beruhe die gegenteilige Auffassung des OLG Karlsruhe auf der unzutreffenden Prämisse, dass in der Einzelzwangsvollstreckung ratenweise Leistungen des Vollstreckungsschuldners auf einen einheitlichen hoheitlichen Zugriff zurückgeführt würden. Bleibe ein Pfändungsversuch ganz oder teilweise fruchtlos, setze sich dieser am Beginn des Verfahrens stehende hoheitliche Zugriff nicht fort, wenn der Schuldner einige Zeit später doch Leistungen an den Gerichtsvollzieher erbringe. Die Entscheidungsfreiheit sei nicht dadurch aufgehoben, dass der Schuldner bei fortgesetzter Fruchtlosigkeit die eidesstattliche Versicherung abgeben müsse. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stelle seine Dispositionsfreiheit über etwaige verbliebene Vermögenswerte nicht in Frage.
Auch die vom OLG Karlsruhe angestellten praktischen Erwägungen gäben keine Veranlassung, die am Regelungszweck ausgerichtete Auslegung des § 133 InsO im Falle von Ratenzahlungen nach § 806b ZPO aufzugeben.
Zum einen erschwere der bargeldlose Zahlungsverkehr, dessen sich Schuldner häufig auch im Rahmen des § 806b ZPO zur Erfüllung von Ratenzahlungsvereinbarungen bedienten, nicht die Abgrenzung zwischen anfechtbaren eigenverantwortlichen Leistungen des Schuldners und unanfechtbaren einseitigen Vollstreckungshandlungen. Denn die Abgrenzung sei bei einer bargeldlosen Zahlung einfacher als bei Hingabe von Bargeld an den Gerichtsvollzieher, da Überweisungen, Lastschriften und Scheckbegebungen zwingend erforderten, dass der Schuldner noch freien Zugriff auf sein Girokonto habe. Sei das Konto wegen Überziehung gesperrt oder unterliege es einer Pfändung, werde der vom Schuldner veranlasste Zahlungsvorgang erfolglos bleiben. Akzeptiere die Bank die Kontobelastung, beruhe die Zahlung auf der eigenverantwortlichen Verfügung des Schuldners über sein Konto und sei daher anfechtbar.
Zum anderen trage der bargeldlose Zahlungsverkehr nicht zur Beeinträchtigung der Rechtssicherheit des Vollstreckungsgläubigers bei, weil dieser etwaige zusätzlich eröffnete Anfechtungsrisiken vermeiden könne. Der Vollstreckungsgläubiger könne die Anfechtung vermeiden, indem er - ebenso wie er gemäß §§ 808 ff. ZPO anfechtungsfrei auf körperliche Sachen und Bargeld des Schuldners zugreifen könne - gemäß §§ 828 ff. ZPO auf dessen Kontoguthaben zugreife und den Auszahlungsanspruch des Schuldners pfänden und sich zur Einziehung überweisen lasse. Bareinzahlungen des Schuldners bei einer Bank mit anschließender Überweisung des eingezahlten Betrages auf das Dienstkonto des Gerichtsvollziehers qualifiziert der BGH als willensgetragene Leistungen des Schuldners wie Ratenzahlungen, die er in bar am Dienstsitz des Gerichtsvollziehers erbringe. Mithin seien sie der Vorsatzanfechtung zugänglich.
2. Gläubigerbenachteiligung
a) Grundlegendes
Gläubigerbenachteiligung führt zu einer Beeinträchtigung der haftenden Masse, d.h. einer Minderung der Aktivmasse oder Vergrößerung der Passivmasse bzw. wenn die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger aus der Insolvenzmasse ohne die anfechtbare Rechtshandlung günstiger wären und durch sie verkürzt, vereitelt, erschwert oder verzögert sind.
Die Rechtshandlung muss einen Bezug zur Insolvenzmasse haben. Denn die Gläubigerforderungen können nur mit der Insolvenzmasse befriedigt werden. Deshalb können die Insolvenzgläubiger nicht auf das insolvenzfreie Schuldnervermögen zurückgreifen, höchstpersönliche Ansprüche geltend machen oder die Arbeitskraft des Schuldners einfordern.
Beispiele für fehlende Gläubigerbenachteiligung: Veräußerung eines wertausschöpfend belasteten Gegenstands; Erfüllung einer Verbindlichkeit durch den Schuldner, wenn der Gläubiger Sicherheiten in entsprechender Höhe innehatte
b) Problemfeld: Zahlung durch den Schuldner nach begonnener Zwangsvollstreckung
Die Zahlung aus einem Überziehungskredit bewirkt eine Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 InsO. Damit muss der Insolvenzverwalter für eine schlüssige Anfechtungsklage wegen einer vom Schuldnerkonto geleisteten Zahlung nicht (mehr) dartun, dass die Mittel aus einem Guthaben oder Kreditrahmen stammen.
BGH, Urteil vom 06.10.2009, IX ZR 191/05:
Aufgrund der Insolvenzanfechtung soll vornehmlich dasjenige, was aus dem Vermögen des Schuldners unter Benachteiligung der Insolvenzmasse veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist, zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§ 129 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO). [...]
Anerkannt ist ferner, dass die nach § 143 Abs. 1 InsO zurückzugewährenden Werte nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen müssen. Anfechtbar können vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt, ohne notwendigerweise mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten (mittelbare Zuwendungen [...]). Für den Dritten muss hierbei erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine Leistung des Schuldners gehandelt hat [...]. Die mittelbare Zuwendung kann [...] infolge und nach Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt werden. Dieser unmittelbar aus dem Vermögen der Bank herrührende Zahlungsfluss ist deshalb dem Schuldner zuzurechnen [...]. In anfechtungsrechtlicher Wertung kann eine solche Direktzahlung grundsätzlich nicht anders behandelt werden als wenn Geldmittel, auf die der Schuldner keinen Anspruch hatte, ihm durch ein neu gewährtes Darlehen zunächst überlassen und sodann zur Deckung von Verbindlichkeiten verwendet werden [...]. Im Streitfall war der Schuldner der Bank für die Überziehung "gut". Er konnte insofern seine Bonität, die letztlich auch einen Vermögenswert darstellen kann, in die Waagschale werfen; da diese Bonität aus der Sicht der Bank nicht unbeschränkt weitere Überziehungen rechtfertigte, hat der Schuldner sie teilweise zugunsten der Beklagten "verbraucht" und somit auch einen zumindest "potentiellen" Vermögenswert geopfert.
Werden Darlehensmittel an einen Gläubiger des Kreditnehmers durch den Kreditgeber direkt ausgezahlt, ist dieser Gläubiger anfechtungsrechtlich nicht stärker schutzwürdig, als wenn er die so bereit gestellten Gelder nach vorausgegangenem Empfang durch den Schuldner erst im zweiten Schritt von diesem erhalten hätte, sofern für den Gläubiger nur erkennbar ist, dass es sich bei der Direktzahlung des Kreditgebers um eine Leistung des Schuldners handelte. Darauf, ob die Bank zur Einlösung der begebenen Schecks verpflichtet war, kommt es im Verhältnis der Pateien nicht an [...]. Die Gläubigerbenachteiligung der Direktauszahlung des Überziehungskredits von der Bank an den begünstigten Gläubiger liegt gerade darin, dass die Kreditmittel nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt und dort für den Zugriff der Gläubigergesamtheit verblieben sind.
3. Kausalität zwischen Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung
Grundsätzlich reicht es aus, dass die Rechtshandlung mittelbar kausal für die Gläubigerbenachteiligung war, d.h. wenn nicht das anzufechtende Rechtsgeschäft selbst, sondern weitere Umstände (z.B. die Uneinbringlichkeit der Gegenleistung) zur Beeinträchtigung der Gläubiger geführt haben. Dieser die Gläubigerbenachteiligung auslösende Umstand muss jedoch durch die angefochtene Rechtshandlung verursacht worden sein.
Beispiele für mittelbare Gläubigerbenachteiligung: Stundung / Erlass einer massebezogenen Forderung, Verstreichenlassen der Verjährungsfrist, Veräußerung einer Sache unter Verkehrswert, Schuldner erhält keine oder keine angemessene Gegenleistung, Schuldner hat bei einer unentgeltlich zu erbringenden Leistung eine Gegenleistung versprochen
Bei den Anfechtungstatbeständen der §§ 132, 133 Abs. 2 InsO reicht mittelbare Kausalität nicht aus, vielmehr wird unmittelbare Kausalität verlangt. Die Rechtshandlung muss das Schuldnervermögen sofort bzw. im wirtschaftlichen Rahmen des Gesamtgeschäfts gemindert haben.
4. Rechtshandlung vor Insolvenzeröffnung
Die Rechtshandlung muss vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sein. Eine Ausnahme ist in § 147 InsO normiert.
Gem. § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung erst in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Soll beispielsweise ein Vertrag angefochten werden, der erst in der Krisensituation des Schuldners in Kraft tritt, ist nicht auf den Abschluss, sondern auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens abzustellen.
Sofern für das Wirksamwerden der Rechtsgeschäfts eine Eintragung z.B. im Grundbuch erforderlich ist, gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind (§ 140 Abs. 2 S. 1 InsO), d.h. die Willenserklärung des Schuldners für ihn gem. § 873 Abs. 2 BGB bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch gestellt hat. Entsprechend gilt dies für Anträge auf Eintragung einer Vormerkung (vgl. § 140 Abs. 2 S. 2 InsO).
Bei bedingten oder befristeten Rechtshandlungen bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht (§ 140 Abs. 3 InsO). Es kommt auf den Zeitpunkt an, in dem die bedingte Handlung erfolgte. Wird eine Sache beispielsweise unter Eigentumsvorbehalt veräußert, ist der Austausch der Willenserklärungen maßgeblich, selbst wenn die letzte Rate erst viel später gezahlt wird. Erfasst werden nur rechtsgeschäftliche Bedingungen.
Die Berechnung der Frist vor dem Eröffnungsantrag richtet sich nach § 139 Abs. 1 InsO. Bei mehreren Eröffnungsanträgen ist gem. § 139 Abs. 2 S. 1 InsO der erste zulässige und begründete Antrag maßgeblich, auch wenn die Eröffnung aufgrund eines späteren Antrags erfolgt.
II. Anfechtungsgründe
1. Anfechtung wegen kongruenter Deckung, § 130 InsO
Die Anfechtung nach § 130 InsO ist ein Fall der sogenannten Deckungsanfechtung, die eingreift, wenn einem Insolvenzgläubiger genau die geschuldete Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht worden ist.
a) Anwendbarkeit
§ 130 InsO hat als besonderer Insolvenzanfechtungsgrund Vorrang gegenüber den allgemeinen Insolvenzanfechtungsgründen. Innerhalb der besonderen Insolvenzanfechtungsgründe geht § 130 InsO dem des § 132 InsO vor. Eine Anfechtung nach § 130 InsO schließt denklogisch die nach § 131 InsO aus. Werden kongruente Rechtshandlungen außerhalb der Anfechtungsfrist vorgenommen, kommt u.U. die Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO in Betracht.
b) Voraussetzungen
§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO | ||
1) | dem Insolvenzgläubiger | dem Insolvenzgläubiger |
- Sicherungen und Befriedigungen von Ab- und Aussonderungsberechtigten sind nicht nach § 130 InsO anfechtbar | - Sicherungen und Befriedigungen von Ab- und Aussonderungsberechtigten sind nicht nach § 130 InsO anfechtbar | |
2) | Rechtshandlung gewährt oder ermöglicht Sicherung oder Befriedigung | Rechtshandlung gewährt oder ermöglicht Sicherung oder Befriedigung |
- (vertragliche / gesetzliche) Sicherung: Rechtsposition, die ihm die Durchsetzung seines nach wie vor bestehenden Anspruchs erleichtert - Befriedigung: z.B. Erfüllung (§ 362 BGB), schuldbefreiende Hinterlegung (§ 378 BGB), Erlass (§ 397 Abs. 1 BGB) |
- (vertragliche / gesetzliche) Sicherung: Rechtsposition, die ihm die Durchsetzung seines nach wie vor bestehenden Anspruchs erleichtert - Befriedigung: z.B. Erfüllung (§ 362 BGB), schuldbefreiende Hinterlegung (§ 378 BGB), Erlass (§ 397 Abs. 1 BGB) |
|
3) | kongruente Rechtshandlung | kongruente Rechtshandlung |
= Rechtshandlung, auf die der Gläubiger einen Anspruch hat | = Rechtshandlung, auf die der Gläubiger einen Anspruch hat | |
4) | Vornahme frühestens drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens | Vornahme nach dem Insolvenzeröffnungsantrag |
5) | mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung / kein Bargeschäft | mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung / kein Bargeschäft |
6) | (objektive) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners i.S.v. § 17 InsO bei Vornahme der Rechtshandlung | |
7) | (subjektive) Kenntnis des Insolvenzgläubigers der Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlung | (subjektive) Kenntnis des Insolvenzgläubigers der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags bei Vornahme der Rechtshandlung |
Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis solcher Umstände gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Antrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO). | Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis solcher Umstände gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Antrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO). | |
Steht die Person dem Schuldner nahe, wird die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags vermutet (§ 130 Abs. 3 InsO). | Steht die Person dem Schuldner nahe, wird die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags vermutet (§ 130 Abs. 3 InsO). | |
8) | kein Ausschluss: § 137 InsO: Wechsel- und Scheckzahlungen | kein Ausschluss: § 137 InsO: Wechsel- und Scheckzahlungen |
c) Zahlungseinstellung / Zahlungsunfähigkeit - Zahlungsstockung / drohende Zahlungsunfähigkeit
Gem. § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dabei Zahlungsunfähigkeit vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.
BGH, Urteil vom 27.04.1995, IX ZR 147/94:
Die Nichtzahlung gegenüber einem einzigen Gläubiger kann ausreichen, wenn dessen Forderung von insgesamt nicht unerheblicher Höhe ist. Für eine erfolgreiche Anfechtung muss diese Person dann allerdings gerade der Anfechtungsgegner sein.
BGH, Urteil vom 11.02.2010, IX ZR 104/07:
Dabei wird die Feststellung der Zahlungseinstellung als äußerlich in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit objektiv unter Berücksichtigung aller Einzelumstände getroffen, wobei die Erkennbarkeit gegenüber dem Anfechtungsgegner genügt. Die Zahlungseinstellung braucht also nicht vom Willen des Schuldners getragen zu sein und es ist auch nicht erforderlich, dass er selbst seine Zahlungsunfähigkeit kennt, sofern diese nur objektiv vorliegt. Es kommt lediglich auf die Frage an, ob die vorliegenden Tatsachen den Schluss rechtfertigen, dass die Zahlungen eingestellt sind.
BGH, 25.10.2001, IX ZR 17/01:
Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung wird grundsätzlich erst beseitigt, wenn die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im allgemeinen wieder aufgenommen werden; dies hat grundsätzlich derjenige zu beweisen, der sich auf einen nachträglichen Wegfall der Zahlungseinstellung beruft. Ein Gläubiger, der nach einem eigenen Eröffnungsantrag von dem betroffenen Schuldner Zahlungen erhält, darf deswegen allein grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass auch die anderen, nicht antragstellenden Gläubiger in vergleichbarer Weise Zahlungen erhalten.
BGH, 20.11.2001, IX ZR 48/01:
Die gilt jedenfalls uneingeschränkt dann, wenn zwischen der festgestellten Zahlungseinstellung und den angefochtenen Zahlungen ein relativ kurzer Zeitraum liegt.
BGH, 12.10.2006, IX ZR 228/03:
Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Dies gilt auch dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Der Schuldner kann also trotz vereinzelter Leistungen in beachtlicher Höhe seine Zahlungen im Rechtssinne eingestellt haben.
Sofern eine Zahlungseinstellung gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO nicht festgestellt werden kann, ist zu prüfen, ob der Schuldner gem. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO zahlungsunfähig war oder ob nur eine einfache Zahlungsstockung vorlag.
BGH, Urteil vom 24.05.2005, IX ZR 123/04:
Ist die Schuldnerin nicht in der Lage, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen, handelt es sich nicht mehr um eine rechtlich unerhebliche Zahlungsstockung. Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke der Schuldnerin weniger als 10 % ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke der Schuldnerin 10 % oder mehr, ist dagegen regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist. Je näher die konkret festgestellte Unterdeckung dem Schwellenwert kommt, desto geringere Anforderungen sind an das Gewicht der besonderen Umstände zu richten, mit denen die Vermutung entkräftet werden kann. Umgekehrt müssen umso schwerer wiegende Umstände vorliegen, je größer der Abstand der tatsächlichen Unterdeckung von dem Schwellenwert ist.
Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer (endgültigen) Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, muss allein auf Grund der objektiven Umstände beantwortet werden. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufzustellen sein. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten. Eine solche Liquiditätsbilanz ist nicht erforderlich, wenn anderweitig festgestellt werden kann, dass der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte. Die Liquiditätsbilanz ist nur nötig, wenn eine Prognose erforderlich ist, also etwa im Rahmen der Frage, ob Insolvenzantrag zu stellen oder ein Insolvenzverfahren zu eröffnen ist. Im Anfechtungsprozess lässt sich auch auf andere Weise feststellen, ob und was der Schuldner zahlen konnte. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von der Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn auf Grund konkreter Umstände, die sich nachträglich geändert haben, damals angenommen werden konnte, der Schuldner werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dass nicht lediglich eine Zahlungsstockung vorlag, ist im Nachhinein ohne weiteres feststellbar. Es bedarf insoweit keiner Prognose.
Zur drohenden Zahlungsunfähigkeit hat sich der BGH ebenfalls positioniert.
BGH, 13.08.2009, IX ZR 159/06:
Zahlungsunfähigkeit droht, wenn eine i.S.v. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO erhebliche Liquiditätslücke unter Berücksichtigung der bestehenden, aber erst künftig fällig werdenden Verbindlichkeiten und der im entsprechenden Zeitraum verfügbaren Zahlungsmittel voraussichtlich eintreten wird.
d) Problemfeld: Abführung der Lohnsteuer in den letzten drei Monaten vor Insolvenzeröffnungsantrag
Im Hinblick auf in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzantrages abgeführte Lohnsteuern stellt sich die Frage, ob dies gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar oder als Bargeschäft gem. § 142 InsO anfechtungsfest ist. Während der BGH erste Ansicht vertritt, tendiert der BFH zu letzterer.
BGH, Urteil vom 22.01.2004, IX ZR 39/03:
Die Abführung von Lohnsteuer an das Finanzamt wirkt in der Insolvenz des Arbeitgebers regelmäßig gläubigerbenachteiligend. [...]
Zwar sind Schuldner der Steuer allein die Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 S. 1 EStG). Diese Steuer hat der Arbeitgeber für Rechnung der Arbeitnehmer bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG) und sie spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums - in der Regel der Kalendermonat - an das Finanzamt weiterzuleiten (§ 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Diese Beträge sind nach bürgerlichem Recht (§ 611 BGB) Teil des dem Arbeitnehmer zustehenden Lohns, auf den er einen arbeitsvertraglichen Anspruch hat. Die Leistung der Lohnanteile an das Finanzamt erfolgt jedoch [...] aus dem Vermögen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung des ihm rechtlich zustehenden Arbeitslohns sowie auf Abführung des gesetzlich vorgeschriebenen Anteils an das Finanzamt. Vor der vom Arbeitgeber an das Finanzamt zu erbringenden Zahlung ist keine treuhänderische Berechtigung des Arbeitnehmers, die in der Insolvenz ein Aussonderungsrecht gewährt, an diesen Lohnanteilen begründet worden. Die steuerrechtliche Verpflichtung zur Führung von Lohnkonten (§ 41 Abs. 1 EStG, § 4 LStDV) dient allein dem Zweck, die Erfüllung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht zu belegen und dadurch die Nachprüfung zu erleichtern. Sie bewirkt zu Gunsten der Arbeitnehmer kein in der Insolvenz zu beachtendes Aussonderungsrecht. [...]
Ohne die erhaltene Befriedigung hätte der Beklagte [das Finanzamt] die Haftungsschuld nur als Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO geltend machen können. Die Vorschrift des § 41 Abs. 1 EStG ist auch nicht geeignet, für ihn ein Vorzugsrecht in der Insolvenz des Schuldners zu begründen. Die angefochtene Zahlung hat daher in jedem Falle die der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehende Masse gemindert. [...]
Der vom Bundesfinanzhof im Beschluss vom 21. Dezember 1998 (BFH NV 1999, 745, 746 f) vertretenen gegenteiligen Auffassung vermag der Senat daher nicht zuzustimmen. Der Bundesfinanzhof hatte dort eine Gläubigerbenachteiligung auch mit der Erwägung verneint, die Abführung der Lohnanteile sei Teil eines Bargeschäfts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dabei ist nicht beachtet worden, dass nur Leistungen des Schuldners, für die dieser auf Grund einer Parteivereinbarung mit dem anderen Teil, also dem Anfechtungsgegner, eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen erhalten hat, als Bargeschäfte gelten (§ 142 InsO). Der Schuldner hat mit dem Beklagten weder eine Vereinbarung getroffen noch von ihm eine Gegenleistung erhalten. Im Übrigen würde es selbst in der [...] Rechtsbeziehung zum Arbeitnehmer an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang fehlen, wenn eine Arbeitsleistung erst Monate später vergütet wird.
BFH, Beschluss vom 11.08.2005, VII B 244/04:
Es bestehen ernstliche Zweifel, ob die Abführung von Lohnsteuern in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung darstellt, oder ob ein sog. Bargeschäft nach § 142 InsO vorliegt, das nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden kann. [...]
Eine Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO könnte dennoch nicht in Betracht kommen, wenn es sich bei der Abführung der geschuldeten Lohnsteuer um ein Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO handeln würde und eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung nach § 133 InsO ausgeschlossen werden könnte. [...] Die Frage, ob die Abführung von Lohnsteuer in der Insolvenz des Steuerschuldners gläubigerbenachteiligend wirkt oder ob ein nur unter den Voraussetzungen des § 133 InsO und damit nahezu anfechtungsfestes Bargeschäft vorliegt, wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Nach einer Entscheidung des Senats (Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 745), die im summarischen Verfahren zu § 10 Abs. 1 Nr. 1 der Gesamtvollstreckungsordnung ergangen ist, liegt deshalb ein Bargeschäft vor, weil die Abzugsbeträge zum Arbeitslohn gehören, auf den die Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch haben. Die Lohnsteuer stellt somit ein aufgrund der steuerrechtlichen Vorschriften nicht direkt an die Arbeitnehmer auszuzahlendes Entgelt für die von ihnen erbrachte Arbeitsleistung dar, so dass die Entrichtung an das F[inanzamt] ebenso wenig wie die Auszahlung des Nettolohnes an die Arbeitnehmer als eine objektive Benachteiligung der übrigen Gläubiger der GmbH hätte angesehen werden können.
Dieser Rechtsansicht ist der BGH in seinem Urteil vom 22.01.2004, IX ZR 39/03 entgegengetreten [...]. Der Auffassung des BGH haben sich die Finanzgerichte teilweise angeschlossen [...].
Im Rahmen der summarischen Überprüfung der Entscheidung des FG hält es der beschließende Senat nicht für geboten, über die aufgeworfenen Rechtsfragen abschließend zu entscheiden.
e) Problemfeld: Kontokorrentverrechnung
Problematisch ist die Rückführung "debitorischer" Konten. In der Krise ist eine Verrechnung (ebenso wie eine Aufrechnung) unzulässig, wenn die Bank als spätere Insolvenzgläubigerin aufgrund einer anfechtbaren Handlung (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) verrechnet. Ob die Rechtshandlung, d.h. die Verrechnung, anfechtbar ist, hängt davon ab, ob die Bank im Zeitpunkt, als der spätere Insolvenzschuldner die Gutschrift erhält, einen fälligen Anspruch auf Rückführung des debitorischen Saldos hat. Wenn ja, ist die Deckung kongruent und die Handlung nicht anfechtbar. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Bank einen Anspruch aus Überziehungskredit, gekündigtem Kredit oder Kredit mit beendeter Laufzeit hat. Andernfalls ist die Deckung inkongruent und die Verrechnung damit anfechtbar. Sofern die Bank ihrem Kunden eine Kreditlinie einräumt, in deren Rahmen er nach Belieben - inklusive die gutgeschriebenen - Beträge verfügen kann, ist zu beachten, dass der Anspruch auf Rückführung des Schuldsaldos erst bei Kündigung der Kreditlinie fällig wird. Allein die Giro- oder Kontokorrentabrede stellt den in diesem Rahmen gewährten Kredit noch nicht zur Rückzahlung fällig. In dieser Fallgestaltung differenziert der BGH bei der Bewertung, ob eine inkongruente Deckung vorliegt oder nicht.
BGH, Urteil vom 07.03.2002, IX ZR 223/01:
- Ein Pfandrecht des Kreditinstituts, das aufgrund Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken an Zahlungseingängen für einen Kunden in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag gegen diesen entsteht, ist als inkongruente Sicherung anfechtbar.
- Verrechnungen im Kontokorrent sind kongruent, soweit die Bank ihren Kunden (späteren Insolvenzschuldner) vereinbarungsgemäß wieder über die Eingänge verfügen lässt, insbesondere eine Kreditlinie offen hält. Ob der Kunde sie voll ausnutzt, ist unerheblich.
- Die Rückführung eines von der Bank bewilligten, ungekündigten Kredits in der Zeit der wirtschaftlichen Krise des Schuldners (Kunden) ist auch dann inkongruent, wenn sie durch Saldierung im Kontokorrent erfolgt.
- Stellt eine Bank Zahlungseingänge ins Kontokorrent ein, kann in dem Umfang ein unanfechtbares Bargeschäft vorliegen, in dem sie ihren Kunden (Schuldner) wieder über den Gegenwert verfügen lässt. Ob der Schuldner den vereinbarten Kreditrahmen voll ausnutzt, ist grundsätzlich unerheblich.
BGH, Urteil vom 07.05.2009, IX ZR 140/08:
Hat der Schuldner einen ungekündigten Kontokorrentkredit nicht ausgeschöpft, führen in kritischer Zeit eingehende, dem Konto gutgeschriebene Zahlungen, denen keine Abbuchungen gegenüberstehen, infolge der damit verbundenen Kredittilgung zu einer inkongruenten Deckung zugunsten des Kreditinstituts.
BGH, Beschluss vom 11.02.2010, IX ZR 42/08:
- Verrechnet eine Bank für den Kunden eingehende Zahlungen mit ihrem noch nicht fälligen Anspruch auf Darlehensrückzahlung, ist die dadurch erlangte Befriedigung nicht inkongruent, wenn die Verrechnung mit dem Kunden vereinbart war.
f) Problemfeld: Globalzession
BGH, Urteil vom 29.11.2007, IX ZR 30/07:
Erlangt der Insolvenzgläubiger in der Krise eine Sicherung, wenn in unkritischer Zeit nur ein allgemeiner Anspruch auf Sicherheitenbestellung bestand, so ist diese erlangte Sicherung inkongruent. Anders gestaltet sich die Situation, wenn bereits beim Abschluss des Globalzessionsvertrages das dingliche Geschäft vollzogen und die schuldrechtliche Seite in dem vertragsrechtlich möglichen Maße zugleich derart konkretisiert wurde, dass die abgetretenen Forderungen zumindest bestimmbar waren.
2. Anfechtung wegen inkongruenter Deckung, § 131 InsO
Die Anfechtung nach § 131 InsO ist der zweite Fall der sogenannten Deckungsanfechtung. Er greift, wenn der Insolvenzgläubiger etwas erhält, was er nicht oder nicht derart oder nicht zu dieser Zeit hätte verlangen können.
a) Anwendbarkeit
§ 131 InsO hat als besonderer Insolvenzanfechtungsgrund Vorrang gegenüber den allgemeinen Insolvenzanfechtungsgründen. Innerhalb der besonderen Insolvenzanfechtungsgründe geht § 131 InsO dem Anfechtungsgrund des § 132 InsO vor. Eine Anfechtung nach § 131 InsO schließt die Anfechtung nach § 130 InsO aus. Werden inkongruente Rechtshandlungen außerhalb der Anfechtungsfrist vorgenommen, kommt die Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO in Betracht.
b) Problemfeld: Einzelzwangsvollstreckung innerhalb der Krise
BGH, 26.06.2008, IX ZR 87/07:
Während der "kritischen" Zeit [ist] im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen (BGH, Urteil vom 09.09.1997, IX ZR 14/97 [...]). Das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip wird durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen fälligen Forderungen zu verschaffen, hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück. Diese schon im früheren Recht angelegte Ordnung ist durch § 131 InsO zeitlich deutlich nach vorn verlagert worden. Die Vorschrift verdrängt in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag und in der Zeit nach dem Eröffnungsantrag bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Prioritätsgrundsatz zugunsten der Gleichbehandlung der Gläubiger [...]. Daher begründet ein nicht früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag wirksam gewordenes Pfandrecht in der Insolvenz kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO, wenn der Schuldner zur Zeit der Rechtshandlung zahlungsunfähig war (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO). Sofern das Pfandrecht dagegen vorher entstanden und auch aus sonstigen Gründen nicht anfechtbar ist, kann die anschließende Befriedigung durch Zahlung nicht mehr angefochten werden, weil sie die Gläubiger nicht benachteiligt.
c) Problemfeld: Druckzahlung
Von einer Druckzahlung spricht man, wenn der spätere Insolvenzschuldner "freiwillig" nach der Drohung mit Zwangsmitteln zahlt. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der Gläubiger zum Ausdruck gebracht hat, dass er alsbald die Mittel der Vollstreckung einsetzen werde, sofern der Schuldner die Forderung nicht erfüllt und wenn der Schuldner zur Zeit seiner Leistung damit rechnen muss, dass der Gläubiger ohne sie mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnen werde. Hierbei muss differenziert werden, ob die Zahlung innerhalb oder außerhalb der Krise erfolgt.
BGH, 15.05.2003, IX ZR 194/02:
Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung [innerhalb der Krise] ist eine inkongruente Deckung, wenn der Schuldner zurzeit seiner Leistung damit rechnen muss, dass ohne sie der Gläubiger nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnt. Ob der Schuldner auf Grund eines unmittelbaren Vollstreckungsdrucks geleistet hat, beurteilt sich aus der objektivierten Sicht des Schuldners.
BGH, 27.05.2003, IX ZR 169/02:
Gewährt der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung eine Leistung früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag, so stellt sie sich nicht bereits deshalb als inkongruente Deckung dar, weil sie zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt. Vielmehr kann es sich auch um eine kongruente Deckung handeln. Unabhängig von der Einordnung als inkongruente oder kongruente Deckung ist die Anfechtung nicht ausgeschlossen. In Betracht kommt die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO.
BGH, 18.12.2003, IX ZR 199/02:
Die Leistung zur Abwendung eines angekündigten Insolvenzantrags, den der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Forderung angedroht hat, ist ebenfalls inkongruent - unabhängig davon, ob der Insolvenzschuldner innerhalb oder außerhalb der Krise leistet. Der für eine Inkongruenz erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen Drohung mit dem Insolvenzantrag und der Leistung des Schuldners endet abhängig von den Umständen des Einzelfalls nicht mit dem Ablauf der vom Gläubiger mit der Androhung gesetzten Zahlungsfrist. Hält der Gläubiger an der Drohung mit dem Insolvenzantrag fest und verlangt fortlaufend Zahlung vom Schuldner, kann der Leistungsdruck über mehrere Monate bestehen.
d) Problemfeld: Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen
Der BGH nimmt eine inkongruente Deckung an, wenn Beitragsüberweisungen unter dem Druck einer Kontenpfändung oder sonstiger Druckmittel erfolgt sind; Sozialversicherungsträger werden insofern bei der insolvenzrechtlichen Anfechtung nicht privilegiert.
BGH, 08.12.2005, IX ZR 182/01:
Die Sozialversicherungsbeiträge sind hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile kein zugunsten der Sozialversicherungsträger aussonderungsfähiges Treugut. Sie werden in vollem Umfang aus dem Vermögen des Arbeitgebers geleistet. Die Strafvorschrift des § 266a StGB schafft keine unmittelbare Berechtigung an den für den Arbeitnehmer zu entrichtenden Beiträgen [...], deren Abfluss mithin die Gläubiger benachteiligt [...]. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob umgekehrt die Erfüllung anderer Verbindlichkeiten die Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen in der Krise rechtfertigt (verneinend BGHSt 47, 318, 321 [...]). Denn dem anfechtungsrechtlichen Prinzip der Gläubigergleichbehandlung liefe auch die bevorzugte Befriedigung anderer Gläubiger in der Krise zum Nachteil der Beitragseinzugstellen zuwider.
Für einen besonderen Schutz der Sozialversicherungsträger gegen Insolvenzanfechtungen gibt auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Beschl. v. 7. März 2001 - GS 1/00[...]) nichts her, dass Zahlungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung entfallen, wirtschaftlich als Leistungen aus dem Vermögen des Arbeitnehmers anzusehen seien. Zwar mag es sein, dass Beiträge nach § 28e Abs. 4 SGB IV direkt vom Arbeitgeber abzuführen sind, weil dies die Versicherungsträger schützt. Auch kann die Vorschrift des § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV, wonach der Arbeitgeber alleiniger Schuldner der Krankenkasse ist, lediglich dem Schutz des Arbeitnehmers vor Inanspruchnahme dienen, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig die Beiträge nicht abgeführt hat. Dies ändert aber nichts daran, dass insolvenzrechtlich der Arbeitgeber die gesamten Sozialversicherungsbeiträge ebenso wie den Lohn selbst grundsätzlich aus seinem eigenen Vermögen bezahlt. Dafür sorgt gerade der doppelte Sicherungsmechanismus des § 28e Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGB IV. [...]
[Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen stellt kein Bargeschäft nach § 142 InsO dar, das] eine objektive Gläubigerbenachteiligung ausschließen könnte [...]. Dass der Einsatz der Arbeitnehmer unter Abführung der Versicherungsbeiträge dem Schuldner die Möglichkeit gibt, seine unter Umständen auch für die Gläubigergesamtheit vorteilhaften Geschäfte fortzuführen, reicht dafür ebenso wenig aus wie die Tatsache, dass die Beklagte den Arbeitnehmern der Schuldnerin Versicherungsschutz gewährt, der nicht mehr entzogen werden kann. Ein Bargeschäft liegt nur vor, wenn der Schuldner in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhält [...]. Der Bundesfinanzhof hat sich dieser Ansicht im Zusammenhang mit der Abführung von Lohnsteuern innerhalb des Dreimonatszeitraums [...] bisher nicht angeschlossen [...] (vgl. BFH, Beschluss vom 11.08.2005, VII B 244/04). [...]
Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin weder eine Vereinbarung mit der Beklagten getroffen noch eine Gegenleistung von ihr erhalten. Die sozialversicherungsrechtliche Pflicht der Schuldnerin, die Beiträge an die Einzugsstelle zu entrichten (§ 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV), ersetzt die notwendige Vereinbarung nicht. Außerdem ist keine dem Zugriff der übrigen Gläubiger offen stehende Gegenleistung der Beklagten in das Vermögen der Schuldnerin gelangt. Stellt man auf den gewährten Versicherungsschutz für die Arbeitnehmer ab, fehlt es an einer Bereicherung der Masse. Sieht man die Gegenleistung in der Arbeitsleistung der bei der Beklagten versicherten Arbeitnehmer, so rührt diese nicht von der Beklagten her [...].
Um die Sozialversicherungsträger nach gelungener Vollstreckung möglichst vor der Insolvenzanfechtung zu schützen, ist mit Wirkung zum 01.01.2008 der § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV eingeführt worden. Dieser legt fest, dass Sozialversicherungsbeiträge, die vom Beschäftigten zu tragen sind (aber vom Arbeitgeber abgeführt werden müssen), "als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht" gelten.
BGH, Beschluss vom 27.03.2008, IX ZR 210/07:
Die Vorschrift des § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 19.12.2007 findet keine Anwendung auf Fälle, in denen das Insolvenzverfahren vor dem 01.01.2008 eröffnet worden ist.
Trotz der Regelung des § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV hält der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.
BGH, Urteil vom 05.11.2009, IX ZR 233/08:
Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen kann als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden.
Diese Entscheidung ist z.T. stark kritisiert worden (vgl. z.B. Kasseler Kommentar - Sozialversicherungsrecht, 65. EL, Bd. I, § 28e SGB IV, Rn. 17d): Der BGH habe damit erkennbar die ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Kompetenzen und somit die Grenzen der Gerichtsbarkeit überschritten, indem er an die Stelle einer gesetzlichen Vorschrift inhaltlich eine andere Regelung gesetzt habe (BVerfGE 78, 20 (24)); eine restriktive Auslegung sei unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung unzulässig, wenn ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers vorliege (BVerfGE 9, (89, 102, 104f.)); zugleich missachte der BGH das Demokratieprinzip und verstoße gegen den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Vorrang des Gesetzes (BVerfGE 8, 155 (169)).
Das LG Köln ist dieser Entscheidung des BGH mit Urteil vom 09.12.2009 -13 S 230/09 - mit treffender Begründung - insbesondere im Hinblick auf dessen verfassungswidriges Handeln - entgegengetreten. Ungeachtet dessen hat der BGH mit Urteil vom 30.09.2010 - IX ZR 237/09 - das Urteil des LG Köln aufgehoben.
3. Anfechtung wegen unmittelbar nachteiliger Rechtshandlung, § 132 InsO
Der Anfechtungstatbestand erfasst insbesondere sogenannte Verschleuderungsgeschäfte. Damit sind v.a. solche Handlungen des zukünftigen Insolvenzschuldners erfasst, die er angesichts der Krise schnell und mitunter unüberlegt vornimmt und dabei Vermögensgegenstände weit unter Wert veräußert, um mit Hilfe der rasch gewonnenen Geldmittel den Zusammenbruch abzuwenden.
a) Anwendbarkeit
§ 132 Abs. 1 und Abs. 2 InsO stellen zwei separate Auffangtatbestände zu §§ 130, 131 InsO dar, so dass § 132 InsO nicht zur Anwendung kommt, sofern es sich um Deckungsgeschäfte i.S.v. der vorgenannten Normen handelt. § 132 Abs. 2 InsO ist hierbei Auffangtatbestand zu § 132 Abs. 1 InsO.
b) Voraussetzungen
§ 132 Abs. 1 Nr. 2 InsO | ||
1) |
unmittelbare Gläubigerbenachteiligung - dies ist nicht der Fall, wenn der erzielte Preis gerade der marktübliche ist |
unmittelbare Gläubigerbenachteiligung - dies ist nicht der Fall, wenn der erzielte Preis gerade der marktübliche ist |
2) | durch Rechtsgeschäft des Schuldners | durch Rechtsgeschäft des Schuldners |
= wenn es dem anderen Teil keine Deckung (d.h. keine Sicherheit oder Befriedigung) gewährt (andernfalls wäre § 130 oder § 131 InsO einschlägig) = gegenseitige Verträge, wenn der Schuldner sie noch nicht vollständig erfüllt hat = einseitige Rechtsgeschäfte (z.B. Kündigung eines für den Schuldner günstigen Vertrages; einseitiger Verzicht; Einverständnis mit einer den Insolvenzgläubigern nachteiligen Verwertungsarten) - Das Rechtsgeschäft muss nicht notwendigerweise gegenüber dem Insolvenzgläubiger vorgenommen worden sein. |
= wenn es dem anderen Teil keine Deckung (d.h. keine Sicherheit oder Befriedigung) gewährt (andernfalls wäre § 130 oder § 131 InsO einschlägig) = gegenseitige Verträge, wenn der Schuldner sie noch nicht vollständig erfüllt hat = einseitige Rechtsgeschäfte (z.B. Kündigung eines für den Schuldner günstigen Vertrages; einseitiger Verzicht; Einverständnis mit einer den Insolvenzgläubigern nachteiligen Verwertungsarten) - Das Rechtsgeschäft muss nicht notwendigerweise gegenüber dem Insolvenzgläubiger vorgenommen worden sein. |
|
3) | in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag des Insolvenzverfahrens | nach dem Eröffnungsantrag des Insolvenzverfahrens |
4) | bei Vornahme des Rechtsgeschäfts (objektive) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners | |
5) | bei Vornahme des Rechtsgeschäfts (subjektive) Kenntnis des anderen Teils der Zahlungsunfähigkeit | bei Vornahme des Rechtsgeschäfts (subjektive) Kenntnis des anderen Teils der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags |
Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis solcher Umstände gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Antrag schließen lassen (§§ 132 Abs. 3, 130 Abs. 2 InsO). | Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis solcher Umstände gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Antrag schließen lassen (§§ 132 Abs. 3, 130 Abs. 2 InsO). | |
Steht die Person dem Schuldner nahe, wir die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags vermutet (§§ 132 Abs. 3, 130 Abs. 3 InsO). | Steht die Person dem Schuldner nahe, wir die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags vermutet (§§ 132 Abs. 3, 130 Abs. 3 InsO). |
1) | mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung |
2) |
andere (im Vergleich zu § 132 Abs. 1 InsO) Rechtshandlung des Schuldners, durch die * der Schuldner ein Recht verliert oder nicht mehr geltend machen kann oder * ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen ihn erhalten oder durchsetzbar wird |
- praktisch kommen nur Prozesshandlungen und Unterlassungen in Betracht - z.B. unterlassener Wechselprotest, Verstreichenlassen der Verjährungsfrist, Unterlassen der Herbeiführung einer Verjährungshemmung, Unterlassen einer Irrtumsanfechtung nach §§ 119 ff. BGB, Nichteinlegung von Rechtsbehelfen |
|
3) | wie § 132 Abs. 1 InsO |
4) | wie § 132 Abs. 1 InsO |
5) | wie § 132 Abs. 1 InsO |
c) Problemfeld: Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters
Problematisch sind Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters i.S.v. § 21 Abs. 2 InsO, da dieser vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tätig wird. Nach dem Wortlaut des § 129 InsO wären dessen Rechtshandlungen nach der InsO anfechtbar. Handelt der Insolvenzverwalter jedoch innerhalb seiner Kompetenzen bzw. im Rahmen seiner Ermächtigung sind dessen Geschäftspartner grds. vor der Insolvenzanfechtung geschützt.
BGH, 15.12.2005, IX ZR 156/04:
Der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter schafft für den Gläubiger grundsätzlich einen anfechtungsfesten Vertrauenstatbestand, wenn er der Erfüllung einer Altverbindlichkeit zustimmt, die auf einer vertraglichen Vereinbarung beruht, welche den Gläubiger zugleich verpflichtet, neue Leistungen an das Schuldnerunternehmen zu erbringen.
Hat der vorläufige Insolvenzverwalter den gegen die Zustimmung zunächst erklärten Widerstand aufgegeben, weil dies infolge der Marktmacht des Gläubigers zur Fortführung des Unternehmens erforderlich war, so ist er nach Verfahrenseröffnung nicht gehindert, die Tilgung der Altverbindlichkeiten anzufechten.
4. Vorsatzanfechtung, § 133 InsO
Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO umfasst in Abs. 1 und Abs. 2 unabhängige Anspruchsgrundlagen. Es werden Rechtshandlungen des Schuldners angefochten, die er mit dem Vorsatz, Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat.
§ 133 InsO entspricht im Grundsatz § 31 KO. Aufgrund der neueren Rechtsprechung des BGH hat er mehr Bedeutung erlangt als sein Vorgänger.
a) Anwendbarkeit
Sollten die Voraussetzungen des § 133 Abs. 2 InsO nicht vorliegen, ist der Rückgriff auf § 133 Abs. 1 InsO möglich.
b) Voraussetzungen
1) | Rechtshandlung |
2) |
* frühestens zehn Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder * nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens |
3) | mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung |
4) | wenigstens bedingter Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners |
5) | Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners |
= gesetzliche Vermutung gem. § 133 Abs. 1 S. 2 InsO, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte |
1) | Vertrag zwischen Insolvenzschuldner und Anfechtungsgegner |
2) | entgeltlich |
3) | Anfechtungsgegner = Nahestehender i.S.v. § 138 InsO |
4) | frühestens zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag |
5) | unmittelbare Gläubigerbenachteiligung |
6) | Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners |
- wird vermutet | |
7) | Kenntnis des Anfechtungsgegners bei Vertragsschluss des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners |
- wird vermutet |
c) Rechtsprechung zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners
BGH, 24.05.2007, IX ZR 97/06:
Die Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO bewirkt eine Umkehr der Beweislast. Während die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes des § 133 Abs. 1 S. 1 InsO vom Insolvenzverwalter zu beweisen sind, obliegt dem Anfechtungsgegner dann, wenn der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO gegeben ist, der Gegenbeweis. Dieser hat sich auf die Vermutungsfolge zu beziehen, also die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung. Der Anfechtungsgegner muss darlegen und beweisen, dass entweder der Schuldner nicht mit Benachteiligungsvorsatz handelte oder dass er, der Anfechtungsgegner, nichts von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wusste.
Der Schuldner handelt dann mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt [...]. Er muss also entweder wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann, oder aber sich diese Folge als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen haben, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen. Ist der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bereits zahlungsunfähig, handelt er folglich nur dann nicht mit dem Vorsatz, die Gesamtheit der Gläubiger zu benachteiligen, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann.
LG Stendal, Urteil vom 27.10.2008, 21 O 246/07:
Die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eine Benachteiligung der Gläubiger schließen lassen, rechtfertigen dabei in der Regel auch die Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners, wobei insoweit eine widerlegliche Vermutung besteht.
BGH, 08.12.2005, IX ZR 182/01:
Zur Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes hat die Rechtsprechung im Laufe der Zeit bestimmte Grundsätze entwickelt, die aus der Lebenserfahrung abgeleitet sind. Hat der Schuldner einem Gläubiger eine inkongruente Deckung gewährt, auf die der Begünstigte keinen Anspruch hat, so liegt darin regelmäßig ein starkes Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz [...]. [Dieses kann durch besondere Umstände entkräftet werden.] Inkongruent ist stets die aufgrund eines Insolvenzantrages von dem Gläubiger erzielte Deckung. Der Insolvenzantrag dient im Gegensatz zur Einzelzwangsvollstreckung nach seinem gesetzlichen Zweck nicht dazu, dem einzelnen Gläubiger zur vollen Durchsetzung seiner Ansprüche zu verhelfen. Der antragstellende Gläubiger hat daher regelmäßig kein rechtlich geschütztes Interesse daran, mit dem Ziel der Antragsrücknahme erbrachte Zahlungen des Schuldners als Erfüllung anzunehmen [...]. Dem Schuldner, der einem Gläubiger nach gestelltem Insolvenzantrag Teilzahlungen leistet und weitere Raten verspricht, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten an, sondern er will diesen Gläubiger zur Rücknahme des Insolvenzantrages bewegen. Zu diesem Zweck bevorzugt er den antragstellenden Gläubiger und nimmt die Benachteiligung derzeit weniger gefährlicher Gläubiger im Allgemeinen in Kauf [...].
BGH, 01.04.2004, IX ZR 305/00:
Die Rechtsprechung zu § 31 KO hat [...] der Gewährung einer inkongruenten Deckung regelmäßig ein (starkes) Beweisanzeichen (Indiz) für eine Benachteiligungsabsicht im Sinne eines Benachteiligungsvorsatzes entnommen [...]. Die Indizwirkung kann jedoch entfallen, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung zweifelsfrei liquide war [...] oder davon ausging, mit Sicherheit sämtliche Gläubiger befriedigen zu können [...]. Ferner darf aus der Inkongruenz eine Benachteiligungsabsicht auch in Form des bedingten Vorsatzes dann nicht gefolgert werden, wenn Umstände vorliegen, die den Benachteiligungswillen in Frage stellen, weil die angefochtene Rechtshandlung von einem anderen, anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet war und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger in den Hintergrund getreten ist [...]. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Gewährung einer inkongruenten Sicherung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuches ist.
BGH, 05.03.2009, IX ZR 85/07:
Die "Entziehung" von Haftungsmasse durch die Gestellung von Sicherheiten kann für sich allein einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz noch nicht begründen. Andernfalls wären Sicherungsgeschäfte durchweg zehn Jahre lang nach § 133 InsO anfechtbar, wenn der Erhalt eines Kredites unter Einsatz des gesamten Vermögens des Kreditnehmers besichert wird und der Kreditgeber das erkennt. Die Finanzierung von Unternehmensgründungen würde zu einem unkalkulierbaren Risiko, weil damit gerechnet werden müsste, dass die Sicherheitenbestellung auch dann noch anfechtbar ist, wenn die Krise weitab von der in der Gründungsphase geleisteten Anschubfinanzierung eintritt. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die angeblich "entzogene" Haftungsmasse mit den von der Beklagten ausgereichten Kreditmitteln erst geschaffen werden sollte.
[Für § 133 InsO reicht es nicht aus,] dass das Gründungskonzept "ersichtlich nicht das Überleben des Unternehmens [gewährleistet]" ha[t] und der Gründungsgesellschafter [...] keine berechtigte Hoffnung auf eine dauerhafte Marktteilnahme der Schuldnerin gehabt [hat]oder [hätte] haben dürfen. [...] Vorsatz [i.S.v. § 133 InsO] scheidet - auch in Gestalt des bedingten Vorsatzes - aus, wenn der Gründer tatsächlich davon ausging, er habe gute Chancen, sein Unternehmen am Markt zu etablieren. War diese Hoffnung unberechtigt, begründet das nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Gewiss konnte der Gründer umgekehrt auch nicht sicher sein, dass sein Konzept tragen würde. Das ist im Gründungsstadium fast nie der Fall. Diese Unsicherheit begründet aber noch kein "Wissen und Wollen" im Sinne eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes. Das sich daraus ergebende Begründungsdefizit kann [...] nicht durch Übertragung der für Sanierungskredite geltenden Grundsätze auf die Unternehmensgründung überspielt werden. [Denn d]iese Grundsätze sind von der Rechtsprechung für den umgekehrten Fall entwickelt worden, dass in der Krise eine inkongruente Deckung gewährt wird [...].
d) Rechtsprechung zur Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners
BGH, Urteil vom 10.02.2005, IX ZR 211/02:
Kennt der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin kennt ein solcher Gläubiger zugleich die Gläubigerbenachteiligung.
BGH, Urteil vom 12.10.2006, IX ZR 228/03:
Die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners setzt voraus, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Schuldners bei natürlicher Betrachtungsweise den zutreffenden Schluss zieht, dass jener wesentliche Teile, also 10 % oder mehr, seiner ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten im Zeitraum der nächsten drei Wochen nicht wird tilgen können.
BGH, Urteil vom 19.02.2009, IX ZR 62/08:
Kennt der Gläubiger die Zahlungseinstellung, ist gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO auch seine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. [...] Kenntnis bedeutet im Allgemeinen ein für sicher gehaltenes Wissen. Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder die Zahlungseinstellung als komplexe Rechtsbegriffe nur, wenn er die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft bewerten kann. Nach § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. [...] [D]iese Formulierung [will] die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht genügen lassen [...].Vorausgesetzt wird demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dann vermag er sich nicht mit Erfolg darauf zu berufen, dass er den an sich zwingenden Schluss von den Tatsachen auf den Rechtsbegriff selbst nicht gezogen habe [...] Die Kenntnis einzelner Tatsachen, die für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit sprechen, kann deshalb nicht genügen, wenn sie nur die ungewisse Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit befürchten lassen [...]. Der zwingende Schluss aus den Indiztatsachen auf die Zahlungsunfähigkeit kann vielmehr nur gezogen werden, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig [...]. Mischen sich in die Vorstellungen des Gläubigers - wenngleich möglicherweise irrtümlich - Tatsachen, die bei einer Gesamtbetrachtung den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zwingend nahe legen, fehlt dem Gläubiger die entsprechende Kenntnis. Bewertet er hingegen das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild, das objektiv die Annahme der Zahlungsunfähigkeit gebietet, falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen habe [...].
BGH, Urteil vom 13.08.2009, IX ZR 159/06:
Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Kenntnis des Gläubigers von drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und von einer Gläubigerbenachteiligung i.S.v. § 133 Abs. 1 S. 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt [...]. Bei entsprechender Kenntnis handelt es sich jedoch nicht um eine widerlegliche Vermutung, sondern nur um ein Beweisanzeichen im Sinne eines Erfahrungssatzes. Soweit es um die Kenntnis des Gläubigers von einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geht, muss deshalb darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende, möglicherweise erst unter dem Druck einer angedrohten Zwangsvollstreckung erfolgende oder auch ganz ausbleibende Tilgung der Forderung des Gläubigers bei einer Gesamtbetrachtung der ihm bekannten Umstände, insbesondere der Art der Forderung, der Person des Schuldners und des Zuschnitts seines Geschäftsbetriebs als ausreichendes Indiz für eine solche Kenntnis darstellt.
Sofern der Anfechtungsgegner – trotz Titulierung seiner Forderungen und der Entfaltung erheblichen Vollstreckungsdrucks – nur schleppend geringe Teilzahlungen auf ihre Gesamtforderungen erhält, liegt es aus seiner Sicht fern, dass andere Gläubiger, die keinen Titel haben, pünktlich und vollständig befriedigt werden.
BGH, Beschluss vom 11.10.2007, IX ZR 9/06:
In diesem Beschluss geht der BGH von der Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes aus, weil die Verbindlichkeiten der Schuldnerin bei der Beklagten über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen wurden und der Beklagten den Umständen nach bekannt war, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gab.
BGH, Urteil vom 24.05.2007, IX ZR 97/06:
Eine solche Kenntnis von der Existenz anderer Gläubiger (insbesondere der Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger) wurde der Sachbearbeiterin eines Finanzamtes unterstellt, die die Größenordnung der Lohn- und Umsatzsteueranmeldungen der Schuldnerin kannte.
BGH, Urteil vom 09.01.2003, IX ZR 175/02:
In diesem Urteil geht der BGH davon aus, dass die Finanzbeamten von den Umständen wussten, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen. Zum einen kannten sie den Betrag der offenstehenden Steuerforderungen; sie wussten, dass die Schuldnerin mit den Zahlungen von Anfang an und in ständig zunehmendem Umfang in Rückstand war. Daher war eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen worden. Allerdings stellte die erhaltene Zahlung lediglich eine Teilleistung dar, die sich auf einen drei bis vier Monate zurückliegenden Zeitraum bezog. Auf die innerhalb dieser drei bis vier Monate fällig gewordenen Steueransprüche hatte die Schuldnerin noch nichts geleistet, als die angefochtene Überweisung einging. Zum anderen bestanden keinerlei Anzeichen dafür, dass die Schuldnerin in Zukunft in der Lage sein werde, ihre Steuerverbindlichkeiten fristgerecht zu erfüllen.
LG Stendal, Urteil vom 27.10.2008, 21 O 246/07:
Das LG Stendal bejaht in seinem Urteil, dass das beklagte Land vermittelt durch das vertretende Finanzamt nach § 166 Abs. 1 BGB zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gekannt habe. Dies begründet es damit, dass die Schuldnerin wiederholt nicht pünktlich ihre Steuerschulden beglichen und das beklagte Land Empfänger der verspäteten Zahlungen der Insolvenzschuldnerin gewesen sei. Mahnungen seien von dem für das Land handelnde Finanzamt aus gegangen und von diesem seien auch die Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen übermittelt worden. Darüber hinaus sei das Finanzamt auch Empfänger der wiederholten Stundungsanträge der Insolvenzschuldnerin gewesen, in denen insbesondere in einem Schreiben auf die fehlende Liquidität ausdrücklich hingewiesen worden sei. Ferner merkt das LG an, dass aus der Nichtstellung eines Insolvenzantrages keine Schlüsse hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Krise gezogen werden dürften. Auch komme es auch nicht darauf an, dass dem beklagten Land im Einzelnen die Kontovorgänge der Insolvenzschuldnerin nicht bekannt gewesen seien. Schließlich sei es für die Anwendbarkeit von §§ 129, 133 InsO unbeachtlich, ob das beklagte Land möglicherweise die Entgegennahme der Zahlungen nicht hätte verweigern können.
5. Anfechtung bei unentgeltlichen Leistungen, § 134 InsO
Die Anfechtung nach § 134 InsO betrifft unentgeltliche Leistungen des Schuldners. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Beschenkte wenig schutzwürdig ist (vgl. auch §§ 528, 816 Abs. 1, 822 BGB).
a) Anwendbarkeit
Die §§ 130, 131 InsO sind Spezialregelungen zu § 134 InsO. Bedeutung erlangt die Anfechtung nach § 134 InsO insbesondere bei Handschenkungen.
b) Voraussetzungen
1) |
unentgeltliche Leistung des Schuldners |
Der Begriff der "Leistung" wird weit ausgelegt. Er umfasst alle Schenkungen i.S.v. § 516 BGB sowie alle sonstigen vermögensmindernden Rechtshandlungen des Schuldners, z.B. Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte, Unterlassungen wie die Protesterhebung oder die nicht erfolgte Hemmung der Verjährungsfrist. Nicht hierunter fallen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. |
|
"Unentgeltlich" ist die Leistung, wenn der Schuldner als "Verfügender" oder ein Dritter für die Leistung keine angemessene Gegenleistung erhält. Dies wird objektiv beurteilt. Es wird geschaut, ob sich die Rechtshandlung des Schuldners vermögensmindernd auswirkt. - nicht erforderlich: Einigung der Parteien über Unentgeltlichkeit, nichtsdestotrotz können subjektive Vorstellungen über die (Un-)Entgeltlichkeit Bedeutung erlangen, wenn der Schuldner vom anderen Teil eine Gegenleistung erlangt hat, die aber objektiv nicht gleichwertig ist. Dies wird beim sog. Notverkauf relevant, wo der Schuldner Gegenstände aus seinem Vermögen unter Wert verkauft, die Parteien die Gegenleistung aber als angemessen ansehen - z.B. Schenkungen (auch unter Auflagen), unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten, ein vom Schuldner gewährter Schulderlass, Verzicht auf eine ihm eingeräumte Sicherheit |
|
2) |
frühestens vier Jahre vor Insolvenzantrag |
Der Anfechtungsgegner muss beweisen, dass die Leistung früher als vier Jahre vor dem Insolvenzeröffnungsantrag vorgenommen wurde. |
|
3) |
mittelbare Gläubigerbenachteiligung |
4) |
kein Anfechtungsausschluss nach § 134 Abs. 2 InsO |
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn es sich lediglich um ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Wertes handelt. Das sind solche Gelegenheitsgeschenke, die nach der Verkehrssitte zu bestimmten Anlässen üblich sind, z.B. Weihnachts-, Geburtstags- und Hochzeitsgeschenke. Sie dürfen nicht die Geringwertigkeitsschwelle übersteigen. |
c) Problemfeld: Cash-Pooling
Ein praktisch bedeutender Fall der Insolvenzanfechtung einer unentgeltlichen Leistung gem. § 134 InsO ist der Fall des Cash-Pooling.
Von Cash Pooling spricht man, wenn Verbindlichkeiten innerhalb einer Unternehmensgruppe jeweils von dem Unternehmen beglichen werden, das gerade über die erforderliche Liquidität verfügt oder wenn die gesamte Liquidität des Konzerns auf einem Konto zusammengefasst wird.
Der Gesetzgeber hat mit dem am 01.11.2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen das Cash-Pooling ausdrücklich gebilligt, wenn der Rückgewähranspruch der Tochtergesellschaft vollwertig und liquide (jederzeit fällig) ist (§ 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG).
Problematisch ist, wenn das Unternehmen 1 eine Verbindlichkeit des ebenfalls zur Gruppe gehörenden Unternehmens 2, das nicht mehr solvent ist, tilgt und im Anschluss das Unternehmen 1 Insolvenz anmelden muss. Dann stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter des Unternehmens 1 diese Tilgung gegenüber dem Leistungsempfänger (d.h. dem ehemaligen Gläubiger des Unternehmens 2) unter dem Gesichtspunkt einer unentgeltlichen Leistung anfechten kann.
BGH, Urteil vom 03.03.2005, IX ZR 441/00:
Im "Zwei-Personenverhältnis" ist eine Vergütung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine - dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende - Gegenleistung zufließen soll [...]. Wird jedoch eine dritte Person in den Zuwendungs- oder Gegenleistungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Gemeinschuldner selbst einen Ausgleich für seine Verfügung erhalten hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hatte. Dies entspricht der in § 32 KO ebenso wie in § 134 InsO zum Ausdruck kommenden Wertung, dass der Empfänger einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat [...]. Die Gegenleistung des Empfängers, dessen gegen einen Dritten gerichtete Forderung bezahlt wird, liegt in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner verliert. Grundsätzlich ist deshalb nicht der Leistungsempfänger, sondern dessen Schuldner der richtige Beklagte für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Zuwendung [...], oder für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung [...]. Das gilt indessen nicht, wenn [...] die Forderung des Zuwendungsempfängers gegenüber seinem Schuldner wertlos war. [...] Die Beklagte hat deshalb [...] wirtschaftlich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung der Gemeinschuldnerin angesehen werden kann. In solchen Fällen ist die Leistung auf eine fremde Schuld als unentgeltliche Verfügung anfechtbar [...]. Eine Kenntnis des Leistungsempfängers von der Wertlosigkeit seiner Forderung ist [...] nicht ausschlaggebend. Der anfechtungsrechtliche Begriff der unentgeltlichen Verfügung ist wegen der Belange des Gläubigerschutzes weit auszulegen und setzt eine Einigung über die Unentgeltlichkeit als solche nicht voraus [...]. Maßgebend ist in erster Linie der objektive Sachverhalt [...]. Erst wenn feststeht, dass der Zuwendungsempfänger einen Gegenwert für seine Zuwendung erbracht hat, ist zu prüfen, ob gleichwohl der Hauptzweck des Geschäftes Freigiebigkeit gewesen ist [...]. Da es hier schon objektiv an einem Gegenwert fehlt, kommt es auf die subjektiven Vorstellungen nicht an.
Ob der Leistungsempfänger im Valutaverhältnis seinem Schuldner zu einem früheren Zeitpunkt eine Leistung erbracht hat, ist für die Anfechtung nach § 32 Nr. 1 KO [§ 134 InsO] nicht von Bedeutung. [...] Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Leistungsempfänger eine werthaltige Gegenleistung erbringt, ist der Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs [...]. Hat er vertragliche Leistungen oder Versicherungsschutz bereits erbracht, kann eine ausgleichende Gegenleistung nur nach dem Wert seiner bestehenden, aber noch nicht beglichenen Forderung bemessen werden. Ist diese im Zeitpunkt der Leistung durch den Gemeinschuldner nicht werthaltig, liegt eine unentgeltliche Zuwendung vor. Der Leistungsempfänger, der lediglich eine nicht werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner verliert, ist gegenüber den Konkursgläubigern des Gemeinschuldners nicht schutzwürdig, denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können.
Die Leistung des Gemeinschuldners ist auch nicht deshalb entgeltlich, weil er sich gegenüber dem Schuldner der Forderung zu deren Tilgung verpflichtet hat. Maßgeblich ist allein das Rechtsverhältnis zwischen dem verfügenden Gemeinschuldner und dem Zuwendungsempfänger [...]; nur in diesem Verhältnis kann ausgehend von dem Schutzzweck des § 32 Nr. 1 KO die Unentgeltlichkeit beurteilt werden. Ob daneben auch eine Verbindlichkeit erfüllt wird, ist unerheblich [...]. Selbst wenn zwischen dem Schuldner der getilgten Forderung und dem leistenden Gemeinschuldner eine wirksame Vereinbarung über die Erbringung der Leistung an den Gläubiger bestand, macht dies den Leistungsempfänger gegenüber den Konkursgläubigern des Gemeinschuldners nicht schutzwürdig [...].
Die Zuwendung der Gemeinschuldnerin wäre nur dann entgeltlich, wenn die Beklagte hierauf gegen die Gemeinschuldnerin einen Anspruch gehabt hätte. Das hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. [...]
Die Gläubigerbenachteiligung folgt bereits aus der Unentgeltlichkeit, wenn die Verfügung das den Gläubigern haftende Vermögen betrifft [...]. Eingehende Zahlungen für die [Schuldnerin] standen mit der unentgeltlichen Verfügung zugunsten der Beklagten in keinem rechtlichen Zusammenhang. Anderes könnte allenfalls gelten, wenn Geld gerade für die Zahlung an die Beklagte eingegangen wäre.
BGH, Urteil vom 16.11.2007, IX ZR 194/04:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen im Verhältnis zwischen den Prozessparteien die Voraussetzungen für eine Schenkungsanfechtung gemäß § 134 InsO vor.
[Im Rahmen des § 134 InsO ist es] unerheblich, ob die Schuldnerin gegenüber [dem Drittschuldner] verpflichtet war, de[ss]en Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten zu tilgen oder ob sie ein eigenes Interesse an der Leistungserbringung hatte. Selbst wenn davon auszugehen wäre, erschiene dadurch die Beklagte als Leistungsempfängerin gegenüber den Insolvenzgläubigern der Schuldnerin nicht schutzwürdig. [...] Unerheblich ist nach alledem auch, ob es - etwa im Rahmen eines von den Parteien diskutierten "Cash-Pools" - eine verpflichtende Abrede zwischen den am Konzern beteiligten Unternehmen gegeben hat, Verbindlichkeiten anderer Konzernunternehmen im Falle von Liquiditätsengpässen zu begleichen.
Vergeblich [wird] geltend [gemacht], die Beklagte habe gegen die Schuldnerin einen eigenen Anspruch auf Bezahlung der Beitragsschulden [des Drittschuldners] gehabt, weil die Voraussetzungen einer gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung vorlägen. Die Beteiligten seien gesellschaftsrechtlich "eng verzahnt", und der Haftungsfonds [des Drittschuldners] sei planmäßig auf die Schuldnerin verlagert, mithin der Beklagten entzogen worden. Darin liege ein existenzvernichtender Eingriff.
Den selbstständigen Haftungstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs im Sinne einer Durchgriffshaftung gegen die Gesellschafter hat der Bundesgerichtshof inzwischen aufgegeben [...]. Statt dessen knüpft er die Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens an und ordnet sie - in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft - allein in § 826 BGB als eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ein.
Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB kommt [...] in Betracht, wenn der Schuldner planmäßig mit eingeweihten Helfern zusammenwirkt, um sein wesentliches Vermögen dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen. [...]
Es fehlt auch nicht an einer [...] objektiven Gläubigerbenachteiligung. [...]
Überträgt der Schuldner als Leistungsmittler einen ihm zu diesem Zweck zugewendeten, in sein Vermögen übergegangenen und somit für seine Gläubiger pfändbaren Gegenstand an einen Dritten (Leistungsempfänger), so erbringt er eine Leistung aus seinem haftenden Vermögen und benachteiligt dadurch die Gläubigergesamtheit. Dass er auf Anweisung dessen handelt, der dem Schuldner den Gegenstand zuvor zugewendet hat, und der Anweisende den Zweck verfolgt, eigene Verbindlichkeiten gegenüber dem Leistungsempfänger zu tilgen, ist insoweit unerheblich. Dies gilt jedenfalls so lange, wie die Zweckvereinbarung nicht aus Gründen treuhänderischer Bindung zur Unpfändbarkeit des zugewendeten Gegenstands geführt hat [...].
Obwohl danach im Verhältnis zwischen den Prozessparteien die Voraussetzungen für eine Schenkungsanfechtung gemäß § 134 InsO vorliegen, konnte der Senat nicht der Revision stattgeben.
Denn veranlasst ein Schuldner einen Drittschuldner, seine Leistung nicht an ihn, sondern an einen seiner Gläubiger zu erbringen, oder überträgt der Schuldner die zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit erforderlichen Mittel in das Vermögen des Dritten, der sodann die Verbindlichkeit erfüllt, und fechten, nachdem sowohl der Schuldner als auch der Dritte in die Insolvenz geraten sind, die Insolvenzverwalter beider - jeder für sich mit Recht - die Erfüllungshandlung an, schließt die auf die mittelbare Zuwendung gestützte Deckungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter des Schuldners eine Schenkungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter des Dritten aus.
Für die Anfechtbarkeit einer mittelbaren Zuwendung reicht aus, dass der Gegenwert für das, was über die Mittelsperson an den Gläubiger gelangt ist, aus dem Vermögen des Schuldners stammt.
d) Problemfeld: Einlagen des Anlegers bei Schneeballsystem
Unter Schneeballsystem versteht man ein Geschäftsmodell, das eine ständig wachsende Zahl von Teilnehmern zum Funktionieren benötigt. Dabei wird das von den neuen Teilnehmern investierte Geld v.a. zur Auszahlung der Gewinne, die den bereits Teilnehmenden versprochen wurde, eingesetzt. Wenn das System zusammenbricht, stellt sich die Frage, ob die ausgezahlten Scheingewinne vom Insolvenzverwalter angefochten werden können.
BGH, Urteil vom 11.12.2008, IX ZR 195/07:
Der Insolvenzverwalter kann die Auszahlung von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten, da die Schuldnerin nur vorgespiegelt hatte, aus Termingeschäften Gewinne erzielt zu haben. Einseitige Vorstellungen des Leistungsempfängers über eine Entgeltlichkeit der Leistung haben selbst dann keine Bedeutung, wenn der Irrtum durch den Schuldner hervorgerufen worden ist.
6. Anfechtung im Zusammenhang mit Darlehen für die Gesellschaft, § 135 InsO
Auch wenn Gesellschafterdarlehen als Finanzierungsmittel eines Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll und geboten sein können, unterlaufen sie den allgemeinen Gläubigerschutz. Denn der Gesellschafter tritt seiner Gesellschaft gleichzeitig als Gläubiger gegenüber und steht im Falle einer späteren Insolvenz grundsätzlich gleichberechtigt neben den anderen Gläubiger. Da die Gläubiger aber nicht am Gewinn des Unternehmens beteiligt sind, muss ihr Schutz dem des Gesellschafters vorgehen. Deshalb hat die Rechtsprechung es dem Gesellschafter schon früh verwehrt, Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz geltend zu machen, indem es diese als haftendes Eigenkapital qualifizierte (§§ 30, 31 GmbHG analog). Diese Rechtsprechung wurde zum Teil vom Gesetzgeber im Rahmen der GmbH-Novelle 1980 mit der Einführung der §§ 32a, 32b GmbHG aufgegriffen. Da die Rechtsprechung noch weiter ging, entschied der BGH, dass der Schutz gem. §§ 32a, 32b GmbHG neben den bereits existierenden von der Rechtsprechung entwickelten Schutz gem. §§ 30, 31 GmbHG analog tritt. Dieser Praxis hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen mit Wirkung ab dem 01.11.2008 einen Riegel vorgeschoben.
Der Gesellschafter ist zwar in der Insolvenz gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO "nur" nachrangiger Insolvenzgläubiger, aber im Vergleich zur vorherigen Rechtsprechung ist er nicht mehr ganz von der Teilnahme am Insolvenzverfahren ausgeschlossen. Auch stellen Tilgungsleistungen auf Darlehensforderungen von Gesellschaftern keine verbotene Auszahlungen i.S.v. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG mehr dar.
Über § 135 Abs. 4 InsO greifen auch die Vorschriften über den persönlichen Anwendungsbereich in § 39 Abs. 4 S. 1 InsO, über das Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 S. 2 InsO und das Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO.
a) Anwendbarkeit
Neben § 135 InsO ist § 133 InsO anwendbar. Hinsichtlich der Befriedigung oder Sicherung der Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 oder für eine gleichgestellte Forderung hat § 135 InsO Vorrang vor der Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO.
b) Voraussetzungen
§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO | ||
1) |
* die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder * eine gleichgestellte Forderung |
* die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder * eine gleichgestellte Forderung |
- nicht erfasst: Forderungen Dritter (einschlägig ist aber u.U. die Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO) - auf den kapitalersetzenden Charakter kommt es nicht (mehr) an - auch erfasst: Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen - nicht erfasst: Vereinbarung eines Rangrücktritts (es kommt aber u.U. eine Anfechtung nach §§ 130,131 InsO oder § 136 Abs. 2 InsO in Betracht) |
- nicht erfasst: Forderungen Dritter (einschlägig ist aber u.U. die Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO) - auf den kapitalersetzenden Charakter kommt es nicht (mehr) an - auch erfasst: Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen - nicht erfasst: Vereinbarung eines Rangrücktritts (es kommt aber u.U. eine Anfechtung nach §§ 130,131 InsO oder § 136 Abs. 2 InsO in Betracht) |
|
2) | Rechtshandlung, | Rechtshandlung, |
die für die o.g. Forderung Sicherung gewährt hat | die für die o.g. Forderung Befriedigung gewährt hat | |
- Begriff der Sicherheitsleistung entspricht dem im Rahmen von §§ 130, 131 InsO - auch Sicherungen für Regressforderungen des Gesellschafters - ausreichend: besicherter Kredit erfüllt im Zeitpunkt der Anfechtung die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, d.h. die Voraussetzungen müssen noch nicht im Zeitpunkt der Sicherung vorgelegen haben |
- Rückzahlung des Darlehens, Befriedigung von Nebenforderungen wie Zinsen, Erfüllungssurrogate (z.B. Leistung an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber, Hinterlegung, Aufrechnung, Verrechnung), Befriedigung durch Zwangsvollstreckung, Verrechnung von "aufsteigenden" Gesellschafterdarlehen im Rahmen des Cash Pooling | |
3) |
Vornahme der Handlung * in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder * nach diesem Antrag |
Vornahme der Handlung * im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder * nach diesem Antrag |
4) | mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung | mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung |
- scheidet aus, wenn der befriedigte Gesellschafter voll besichert war (dann muss geprüft werden, ob die Sicherung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar ist) - in den Fällen des Cash-Pooling dürften die Voraussetzungen eines Bargeschäft gem. § 142 InsO vorliegen, wenn dem von einer Mutter- an die Tochtergesellschaft gewährten Darlehen die Möglichkeit gegenübersteht, dass umgekehrt die Mutter- bei der Tochtergesellschaft Kredit aufnimmt |
- scheidet aus, wenn der befriedigte Gesellschafter voll besichert war (dann muss geprüft werden, ob die Sicherung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar ist) - in den Fällen des Cash-Pooling dürften die Voraussetzungen eines Bargeschäft gem. § 142 InsO vorliegen, wenn dem von einer Mutter- an die Tochtergesellschaft gewährten Darlehen die Möglichkeit gegenübersteht, dass umgekehrt die Mutter- bei der Tochtergesellschaft Kredit aufnimmt |
1) | Darlehen oder darlehensähnliche Leistungen |
- Begriff wie bei § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO - Schmälerung des Gesellschaftsvermögens liegt im Freiwerden einer Sicherheit des Gesellschafters durch Leistung an den dritten Gläubiger |
|
2) | eines Dritten |
- darf nicht zum Personenkreis des § 39 Abs. 5 Nr. 1 InsO gehören | |
3) | Gesellschafter hat für diese Forderung eine Sicherheit bestellt oder sich verbürgt |
4) | Rückgewähr des Darlehens durch die Gesellschaft |
= jede wirtschaftlich zu Lasten der Gesellschaft gehende Befriedigung des Kreditgebers - auch per Zwangsvollstreckung, Erfüllungssurrogate zu Lasten des Gesellschaftsvermögens - nicht ausreichend: Bestellung einer weiteren Sicherheit durch die Gesellschaft oder Austausch einer Gesellschafter- gegen eine Gesellschaftssicherheit, da die Sicherheit durch die Leistung der Gesellschaft frei geworden sein muss (u.U. aber Anfechtung nach den allgemeinen Vorschriften) |
|
5) | in Form einer Rechtshandlung |
- keine Anfechtung mangels Rechtshandlung des Insolvenzschuldners, wenn der Dritte vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Sicherheit verzichtet hat | |
6) |
* im letzten Jahr vor dem Insolvenzeröffnungsantrag oder * nach diesem Antrag |
7. Anfechtung bei stillem Gesellschafter, § 136 InsO
Der stille Gesellschafter i.S.v. § 230 HGB, d.h. eine natürliche oder juristische Person, die sich am Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage beteiligt, ohne dass dies i.d.R. für einen Außenstehenden erkennbar ist, muss sein Stammkapital grundsätzlich nicht erhalten. Hat er gem. § 231 Abs. 1 HGB den Verlust der Gesellschaft nicht mitzutragen, kann er sogar bei Insolvenz des Geschäftsinhabers als Insolvenzgläubiger seine Einlage gem. § 236 Abs. 1 HGB zurückfordern. Eine Einschränkung erfährt dies durch den Anfechtungstatbestand des § 136 InsO. Danach ist die Rückgewähr der Einlage eines stillen Gesellschafters oder der Erlass seines Anteils am entstandenen Verlust anfechtbar, wenn Entsprechende im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder danach vereinbart wurde. Hierfür bedarf es keines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes. Hintergrund der Norm ist der Eigenkapitalcharakter der Einlage des stillen Gesellschafters.
§ 136 InsO kann nicht im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden.
a) Anwendbarkeit
Neben § 136 InsO kann der Insolvenzverwalter auch nach den sonstigen Anfechtungstatbeständen vorgehen.
b) Voraussetzungen
§ 136 Abs. 1 S. 1 F. 1 InsO |
§ 136 Abs. 1 S. 1 F. 2 InsO |
|
1) | stille Gesellschaft (im Anfechtungszeitraum) | stille Gesellschaft (im Anfechtungszeitraum) |
- bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Geschäftsinhabers muss die stille Gesellschaft nicht mehr bestehen = über die fehlerhafte Gesellschaft (noch) wirksame stille Gesellschaft ≠ nichtige Gesellschaft |
- bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Geschäftsinhabers muss die stille Gesellschaft nicht mehr bestehen = über die fehlerhafte Gesellschaft (noch) wirksame stille Gesellschaft ≠ nichtige Gesellschaft |
|
2) | Rechtshandlung, durch die einem stillen Gesellschafter die Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt wird | Rechtshandlung, durch die der Anteil des stillen Gesellschafters an dem entstandenen Verlust ganz oder teilweise erlassen wird |
= z.B. Sicherung durch Verpfändung, Sicherungsübereignung, sonstige Bestellung von Sicherheiten, die dem Dritten ein Absonderungsrecht gewähren ≠ z.B. Auszahlung eines Gewinnanteils, auf den der stille Gesellschafter grundsätzlich einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch hat; Umwandlung der Einlage in ein (normales) Darlehen; wenn eine noch nicht geleistete Einlage erlassen wird |
||
- unerheblich: Rückgewähr oder Erlass vor oder bei Auflösung der stillen Gesellschaft (§ 136 Abs. 1 S. 2 InsO) | - unerheblich: Rückgewähr oder Erlass vor oder bei Auflösung der stillen Gesellschaft (§ 136 Abs. 1 S. 2 InsO) | |
3) | den anfechtbaren Maßnahmen liegt eine im Anfechtungszeitraum geschlossene Vereinbarung zugrunde | den anfechtbaren Maßnahmen liegt eine im Anfechtungszeitraum geschlossene Vereinbarung zugrunde |
- unerheblich: Auflösung der stillen Gesellschaft im Zusammenhang mit der Vereinbarung - entscheidend: Zeitpunkt der Vereinbarung (nicht der Rechtshandlung) - nicht, wenn die Rückgewähr auf Grund des Gesellschaftsvertrages selbst erfolgt, da dann eine zusätzliche „Vereinbarung“ fehlt - Vereinbarung fehlt, wenn die Einlage unabhängig vom freien Willen des Geschäftsinhabers zurückgewährt wird |
- unerheblich: Auflösung der stillen Gesellschaft im Zusammenhang mit der Vereinbarung - entscheidend: Zeitpunkt der Vereinbarung (nicht der Rechtshandlung) - nicht, wenn die Rückgewähr auf Grund des Gesellschaftsvertrages selbst erfolgt, da dann eine zusätzliche „Vereinbarung“ fehlt - Vereinbarung fehlt, wenn die Einlage unabhängig vom freien Willen des Geschäftsinhabers zurückgewährt wird |
|
* im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts oder *nach diesem Antrag |
* im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts oder *nach diesem Antrag |
|
4) | mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung | mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung |
5) |
Unanfechtbarkeit: Eintritt des Eröffnungsgrundes (nicht des Eröffnungsantrags) erst nach Abschluss der Vereinbarung, § 136 Abs. 2 InsO |
Unanfechtbarkeit: Eintritt des Eröffnungsgrundes (nicht des Eröffnungsantrags) erst nach Abschluss der Vereinbarung, § 136 Abs. 2 InsO |
- beweispflichtig: stiller Gesellschafter | - beweispflichtig: stiller Gesellschafter |
III. Bargeschäft, § 142 InsO
Bargeschäfte sind grundsätzlich insolvenzfest, d.h. der Insolvenzverwalter kann diese nicht anfechten. Dies ist allerdings dann nicht der Fall, wenn der Insolvenzschuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz leistete.
Von einem Bargeschäft spricht man, wenn der Schuldner in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung auf Grund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhält, so dass im Ergebnis lediglich eine Vermögensumschichtung erfolgt.
Die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung wird nach objektiv-wirtschaftlichen Maßstäben beurteilt. Nicht erforderlich ist, dass die Leistungen gleichartig sind. Verlangt wird allerdings, dass der Schuldner die gleichwertige Gegenleistung in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner erhält. Dies heißt allerdings nicht, dass der Austausch Zug-um-Zug zu erfolgen hat. Es kann eine gewisse Zeitspanne zwischen Leistung und Gegenleistung liegen, solange das Geschäft dadurch nicht den Charakter eines Kreditgeschäfts annimmt. Die Leistung und die "für sie" erbrachte Gegenleistung müssen durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft sein. Die spätere Leistung muss dieser Abrede exakt entsprechen. Dies ist nur bei Rechtsgeschäften zur kongruenten Deckung der Fall.
BGH, 06.12.2007, IX ZR 113/06:
Dienstleistungen eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts können Bargeschäfte sein. Bei länger währenden Vertragsbeziehungen ist dafür zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar und zeitnah - entweder in Teilen oder abschnittsweise - ausgetauscht werden. Wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen, ist ein Bargeschäft zu verneinen. Rechtsanwälte werden dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Denn sie können jederzeit Vorschüsse verlangen. Allerdings sind die Voraussetzungen eines Bargeschäfts nicht erfüllt, wenn der Rechtsanwalt einen Vorschuss in einer Höhe geltend macht, der die wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage überschreitet. Es ist einem Rechtsanwalt, der in den Genuss der anfechtungsrechtlichen Bargeschäftsausnahme kommen will, möglich und zumutbar, in regelmäßigen Abständen Vorschüsse einzufordern, die in etwa dem Wert seiner inzwischen entfalteten oder der in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Tätigkeit entsprechen. Ferner kann vereinbart werden, Teilleistungen gegen entsprechende Vergütung zu erbringen.
BGH, 18.07.2002, IX ZR 480/00:
Die Zahlung eines der Höhe nach angemessenen Honorars für ernsthafte und nicht von vornherein als aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen kann selbst dann, wenn diese letztlich gescheitert sind, entsprechend den Grundsätzen über das Bargeschäft einer Deckungsanfechtung entzogen sein.
Kein Bargeschäft liegt beispielsweise in folgenden Fällen vor: lediglich Verlängerung einer ausgelaufenen Kreditlinie ohne Zufluss neuer Kreditmittel, außer Kredit war zum Stichtag vollständig zurückzuführen und stand so dem Gläubiger zur Neuvalutierung offen; Schuldner wird neuer Kredit gewährt und die bestellten Sicherheiten sollen gleichrangig auch einen alten Kredit absichern
IV. Mittelbare Zuwendungen / Insolvenzanfechgung im Mehrpersonenverhältnis
Von einer mittelbaren Zuwendung spricht man, wenn der Anweisende den Angewiesenen anweist, nicht an ihn (den Anweisenden), sondern an einen seiner (des Anweisenden) Gläubiger zu zahlen.
Sofern der Anweisende gegen den Angewiesenen eine Forderung hat, ermächtigt er den Angewiesenen ihm gegenüber gem. §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB schuldbefreiend an seinen (des Anweisenden) Gläubiger zu zahlen. Dies entspricht dem Fall der Anweisung auf Schuld.
Sofern der Anweisende gegen den Angewiesenen keine eigene Forderung hat und der Angewiesene einfach so zahlt, handelt es sich um den Fall der Anweisung auf Kredit. Der Angewiesene erwirbt dann gegen den Anweisenden i.d.R. einen Regressanspruch. Er tritt de facto als neuer Gläubiger an die Stelle des vormaligen Gläubigers des Anweisenden. Es findet ein schlichter Gläubigerwechsel statt.
Insolvenzanfechtungsrechtlich sind im Falle der mittelbaren Zuwendung mehrere Konstellationen zu unterscheiden. Von der Insolvenz kann einerseits der Anweisende, andererseits auch der Angewiesene betroffen sein. In dem Falle stellt sich für den Gläubiger des Anweisenden, der vom Angewiesenen auf seine Forderung die Zahlung erhalten hat, die Frage, inwiefern, d.h. vorrangig oder gleichrangig, er neben dem Angewiesenen (im Fall der Insolvenz des Anweisenden) bzw. dem Anweisenden (im Fall der Insolvenz des Angewiesenen) haftet. Sollten sowohl Angewiesener als auch Anweisender in die Insolvenz gehen, besteht die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme des Zahlungsempfängers. Außerdem stellt sich ihm die Frage, an wen er zu zahlen hat.
V. Abgrenzung zur Insolvenzanfechtung
Die Insolvenzanfechtung ist von der materiell-rechtlichen Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB und der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz zu unterscheiden.
1. Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB
Die Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB stellt ein materiell-rechtliches Anfechtungsrecht dar. Durch die einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung der Anfechtung gem. § 143 BGB wird eine nicht ordnungsgemäß zustande gekommene Willenserklärung beseitigt. Als Rechtsfolge sieht § 142 BGB vor, dass das Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist.
2. Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz
Schuldner übertragen nicht selten bei drohenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder sich abzeichnendem Vermögensverfall ihre Vermögenswerte auf Dritte, um sie dadurch dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger zu entziehen. Hätten solche Übertragungen Bestand, führte dies zu einer Benachteiligung der Gläubiger, denen der Vollstreckungszugriff verwehrt wäre. Mit der Anfechtung solcher Rechtshandlungen nach dem AnfG soll außerhalb des Insolvenzverfahrens der Einzelzwangsvollstreckungszugriff ermöglicht werden.
Der Anfechtungsanspruch richtet sich grundsätzlich auf Duldung der Zwangsvollstreckung (§ 11 Abs. 1 S. 1 AnfG). Sofern die Zwangsvollstreckung in den Gegenstand nicht (mehr) möglich ist, richtet sich der Anspruch gem. § 11 Abs. 1 S. 2 AnfG i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989, 990 BGB auf Wertersatz. Eine Beschränkung gilt im Falle unentgeltlicher Leistungen (§ 11 Abs. 2 AnfG). Der Anfechtungsanspruch ist durch einstweilige Verfügung oder Arrest sicherungsfähig.
Das Anfechtungsrecht kann nur gerichtlich entweder durch Anfechtungsklage gem. § 13 AnfG oder im Wege der Anfechtungseinrede gem. § 9 AnfG geltend gemacht werden.
Die Anfechtungsberechtigung richtet sich nach § 2 AnfG. Hierbei handelt es sich um besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage, d.h.sie müssen bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz vorliegen.
Anfechtungsgegner ist grundsätzlich der Empfänger der anfechtbaren Leistung bzw. die in § 15 AnfG genannten Personen.
Das Anfechtungsrecht setzt eine Rechtshandlung des Schuldners, die kausal für eine Gläubigerbenachteiligung ist, voraus (§ 1 AnfG). Ferner muss sich der Anspruchsberechtigte auf einen der Anfechtungsgründe berufen können, die inhaltlich im Wesentlichen mit den in der InsO vorgesehenen Anfechtungsgründen übereinstimmen:
AnfG | InsO | AnfG | |
§ 130 InsO | § 134 InsO | § 4 AnfG | |
§ 131 InsO | § 5 AnfG | ||
§ 134 Abs. 1 InsO | § 3 Abs. 1 AnfG | § 135 InsO | §§ 6, 6a AnfG |
§ 134 Abs. 2 InsO | § 3 Abs. 2 AnfG | § 136 InsO |
Das Insolvenzverfahren darf nicht eröffnet sein. Die Rechtsfolgen der Insolvenzeröffnung für die Verfolgung von Anfechtungsansprüchen einzelner Gläubiger regeln die §§ 16-18 AnfG.
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3. Insolvenz-Anfechtungsrecht
Die Insolvenzgläubiger sind zwar ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Insolvenzschuldners geschützt. Jedoch kann dieser noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sein Vermögen verschenkt, verschleudert und/oder verschoben und dadurch die Insolvenzmasse in durchaus beträchtlichem Maße verringert haben. Damit die Insolvenzgläubiger dem nicht schutzlos ausgesetzt sind, gibt es das in der Insolvenzordnung (InsO) geregelte Institut der Insolvenzanfechtung. Der Insolvenzverwalter kann bis zu zwei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 146 InsO) im Vorfeld der Insolvenzeröffnung vorgenommene gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen vor den ordentlichen Gerichten (nicht vor dem Insolvenzgericht) anfechten. Denn der Anfechtungsstreit ist eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit i.S.v. § 13 GVG, auch wenn die anfechtbare Rechtshandlung anderen Rechtsgebieten zuzurechnen ist. Die Anfechtung hat weitreichende Wirkungen (§ 143 f. InsO): Die angefochtenen Rechtshandlungen werden im Ergebnis rückgängig gemacht. Mit anderen Worten: Die Insolvenzmasse wird um das zuvor verschenkte, verschleuderte und/oder verschobene Vermögen wieder angereichert und steht nach dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung allen Insolvenzgläubigern zu gleichen Teilen zur Verfügung.
Alle Anfechtungstatbestände - egal ob die allgemeinen (§§ 133, 134 InsO) oder die besonderen (§§ 130-132, 135, 136 InsO) - erfordern im Wesentlichen das Vorliegen der in § 129 InsO genannten Voraussetzungen.
Zu beachten ist, dass Bargeschäfte i.S.v. § 142 InsO insolvenzfest sind.
Anfechtungsgegner ist regelmäßig derjenige, der von der anfechtbaren Rechtshandlung profitiert hat. Unter Umständen können auch mittelbar Begünstigte Anfechtungsgegner sein. Anfechten kann der Insolvenzverwalter gem. § 145 InsO auch gegenüber Gesamt- und Einzelrechtsnachfolger.
Grundsätzlich muss der Insolvenzverwalter das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen beweisen. Da er hierbei nicht selten auf Schwierigkeiten stößt - sei es weil die Beteiligten aus eigenem Interesse schweigen, sei es weil die Unterlagen des Insolvenzschuldners nicht weiterhelfen -, sieht die InsO Beweiserleichterungen und Beweislastumkehrungen vor. So wird die Anfechtung bzw. der Beweis gegenüber Personen, die dem Insolvenzschuldner gem. § 138 InsO nahestehen, generell erleichtert.
Die Insolvenzanfechtung ist von der Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB und nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) abzugrenzen.
Inhalt
3.1. Grundvoraussetzungen, § 129 InsO
3.1.2.2. Problemfeld: Zahlung durch den Schuldner nach begonnener Zwangsvollstreckung
3.1.4. Rechtshandlung vor Insolvenzeröffnung
3.2.1.3. Zahlungseinstellung / Zahlungsunfähigkeit - Zahlungsstockung / drohende Zahlungsunfähigkeit
3.2.1.5. Problemfeld: Kontokorrentverrechnung
3.2.2.4. Problemfeld: Druckzahlung
3.2.4.4. Rechtsprechung zur Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners
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