Anfechtung wegen kongruenter Deckung, § 130 InsO

Anfechtung wegen kongruenter Deckung, § 130 InsO

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26/11/2010 10:34

Rechtsanwalt für Insolvenzrecht - Insolvenzanfechtungsrecht - BSP Rechtsanwälte in Berlin Mitte

Anfechtung wegen kongruenter Deckung, § 130 InsO

originally published: 25/06/2021 16:47, updated: 25/06/2021 16:47

- 3.2.1. Anfechtung wegen kongruenter Deckung, § 130 InsO

originally published: 26/11/2010 10:34, updated: 26/11/2010 10:34
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Rechtsanwalt für Insolvenzrecht - Insolvenzanfechtungsrecht - BSP Rechtsanwälte in Berlin Mitte



Die Anfechtung nach § 130 InsO ist ein Fall der sogenannten Deckungsanfechtung, die eingreift, wenn einem Insolvenzgläubiger genau die geschuldete Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht worden ist.


3.2.1.1. Anwendbarkeit

§ 130 InsO hat als besonderer Insolvenzanfechtungsgrund Vorrang gegenüber den allgemeinen Insolvenzanfechtungsgründen. Innerhalb der besonderen Insolvenzanfechtungsgründe geht § 130 InsO dem des § 132 InsO vor. Eine Anfechtung nach § 130 InsO schließt denklogisch die nach § 131 InsO aus. Werden kongruente Rechtshandlungen außerhalb der Anfechtungsfrist vorgenommen, kommt u.U. die Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO in Betracht.


3.2.1.2. Voraussetzungen

 

§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO

§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO

1)

dem Insolvenzgläubiger

- Sicherungen und Befriedigungen von Ab- und Aussonderungsberechtigten sind nicht nach § 130 InsO anfechtbar

2)

Rechtshandlung gewährt oder ermöglicht Sicherung oder Befriedigung

- (vertragliche / gesetzliche) Sicherung: Rechtsposition, die ihm die Durchsetzung seines nach wie vor bestehenden Anspruchs erleichtert

- Befriedigung: z.B. Erfüllung (§ 362 BGB), schuldbefreiende Hinterlegung (§ 378 BGB), Erlass (§ 397 Abs. 1 BGB)

3)

kongruente Rechtshandlung

= Rechtshandlung, auf die der Gläubiger einen Anspruch hat

4)

Vornahme frühestens drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Vornahme nach dem Insolvenzeröffnungsantrag

5)

mindestens mittelbare Gläubigerbenachteiligung / kein Bargeschäft

6)

(objektive) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners i.S.v. § 17 InsO bei Vornahme der Rechtshandlung

 

7)

(subjektive) Kenntnis des Insolvenzgläubigers der Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlung

(subjektive) Kenntnis des Insolvenzgläubigers der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags bei Vornahme der Rechtshandlung

Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis solcher Umstände gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Antrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO).

Steht die Person dem Schuldner nahe, wird die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags vermutet (§ 130 Abs. 3 InsO).

8)

kein Ausschluss: § 137 InsO: Wechsel- und Scheckzahlungen



3.2.1.3. Zahlungseinstellung / Zahlungsunfähigkeit - Zahlungsstockung / drohende Zahlungsunfähigkeit

Gem. § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dabei Zahlungsunfähigkeit vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.

BGH, Urteil vom 27.04.1995, IX ZR 147/94:
Die Nichtzahlung gegenüber einem einzigen Gläubiger kann ausreichen, wenn dessen Forderung von insgesamt nicht unerheblicher Höhe ist. Für eine erfolgreiche Anfechtung muss diese Person dann allerdings gerade der Anfechtungsgegner sein.

BGH, Urteil vom 11.02.2010, IX ZR 104/07:
Dabei wird die Feststellung der Zahlungseinstellung als äußerlich in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit objektiv unter Berücksichtigung aller Einzelumstände getroffen, wobei die Erkennbarkeit gegenüber dem Anfechtungsgegner genügt. Die Zahlungseinstellung braucht also nicht vom Willen des Schuldners getragen zu sein und es ist auch nicht erforderlich, dass er selbst seine Zahlungsunfähigkeit kennt, sofern diese nur objektiv vorliegt. Es kommt lediglich auf die Frage an, ob die vorliegenden Tatsachen den Schluss rechtfertigen, dass die Zahlungen eingestellt sind.

IX ZR 17/01">BGH, 25.10.2001, IX ZR 17/01:
Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung wird grundsätzlich erst beseitigt, wenn die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im allgemeinen wieder aufgenommen werden; dies hat grundsätzlich derjenige zu beweisen, der sich auf einen nachträglichen Wegfall der Zahlungseinstellung beruft. Ein Gläubiger, der nach einem eigenen Eröffnungsantrag von dem betroffenen Schuldner Zahlungen erhält, darf deswegen allein grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass auch die anderen, nicht antragstellenden Gläubiger in vergleichbarer Weise Zahlungen erhalten.
IX ZR 48/01">
IX ZR 48/01">BGH, 20.11.2001, IX ZR 48/01:
Die gilt jedenfalls uneingeschränkt dann, wenn zwischen der festgestellten Zahlungseinstellung und den angefochtenen Zahlungen ein relativ kurzer Zeitraum liegt.

IX ZR 228/03">BGH, 12.10.2006, IX ZR 228/03:

Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Dies gilt auch dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Der Schuldner kann also trotz vereinzelter Leistungen in beachtlicher Höhe seine Zahlungen im Rechtssinne eingestellt haben.

Sofern eine Zahlungseinstellung gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO nicht festgestellt werden kann, ist zu prüfen, ob der Schuldner gem. § 17 Abs. 2 S. 1 InsOzahlungsunfähig war oder ob nur eine einfache Zahlungsstockung vorlag.
IX ZR 123/04">
BGH, Urteil vom 24.05.2005, IX ZR 123/04:

Ist die Schuldnerin nicht in der Lage, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen, handelt es sich nicht mehr um eine rechtlich unerhebliche Zahlungsstockung. Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke der Schuldnerin weniger als 10 % ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke der Schuldnerin 10 % oder mehr, ist dagegen regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist. Je näher die konkret festgestellte Unterdeckung dem Schwellenwert kommt, desto geringere Anforderungen sind an das Gewicht der besonderen Umstände zu richten, mit denen die Vermutung entkräftet werden kann. Umgekehrt müssen umso schwerer wiegende Umstände vorliegen, je größer der Abstand der tatsächlichen Unterdeckung von dem Schwellenwert ist.

Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer (endgültigen) Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, muss allein auf Grund der objektiven Umstände beantwortet werden. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufzustellen sein. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten. Eine solche Liquiditätsbilanz ist nicht erforderlich, wenn anderweitig festgestellt werden kann, dass der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte. Die Liquiditätsbilanz ist nur nötig, wenn eine Prognose erforderlich ist, also etwa im Rahmen der Frage, ob Insolvenzantrag zu stellen oder ein Insolvenzverfahren zu eröffnen ist. Im Anfechtungsprozess lässt sich auch auf andere Weise feststellen, ob und was der Schuldner zahlen konnte. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von der Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn auf Grund konkreter Umstände, die sich nachträglich geändert haben, damals angenommen werden konnte, der Schuldner werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dass nicht lediglich eine Zahlungsstockung vorlag, ist im Nachhinein ohne weiteres feststellbar. Es bedarf insoweit keiner Prognose.

Zur drohenden Zahlungsunfähigkeit hat sich der BGH ebenfalls positioniert.

BGH, 13.08.2009, IX ZR 159/06:
Zahlungsunfähigkeit droht, wenn eine i.S.v. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO erhebliche Liquiditätslücke unter Berücksichtigung der bestehenden, aber erst künftig fällig werdenden Verbindlichkeiten und der im entsprechenden Zeitraum verfügbaren Zahlungsmittel voraussichtlich eintreten wird.


3.2.1.4. Problemfeld: Abführung der Lohnsteuer in den letzten drei Monaten vor Insolvenzeröffnungsantrag


Im Hinblick auf in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzantrages abgeführte Lohnsteuern stellt sich die Frage, ob dies gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar oder als Bargeschäft gem. § 142 InsO anfechtungsfest ist. Während der BGH erste Ansicht vertritt, tendiert der BFH zu letzterer.

IX ZR 39/03">BGH, Urteil vom 22.01.2004, IX ZR 39/03:
Die Abführung von Lohnsteuer an das Finanzamt wirkt in der Insolvenz des Arbeitgebers regelmäßig gläubigerbenachteiligend. [...]
Zwar sind Schuldner der Steuer allein die Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 S. 1 EStG). Diese Steuer hat der Arbeitgeber für Rechnung der Arbeitnehmer bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG) und sie spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums - in der Regel der Kalendermonat - an das Finanzamt weiterzuleiten (§ 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Diese Beträge sind nach bürgerlichem Recht (§ 611 BGB) Teil des dem Arbeitnehmer zustehenden Lohns, auf den er einen arbeitsvertraglichen Anspruch hat. Die Leistung der Lohnanteile an das Finanzamt erfolgt jedoch [...] aus dem Vermögen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung des ihm rechtlich zustehenden Arbeitslohns sowie auf Abführung des gesetzlich vorgeschriebenen Anteils an das Finanzamt. Vor der vom Arbeitgeber an das Finanzamt zu erbringenden Zahlung ist keine treuhänderische Berechtigung des Arbeitnehmers, die in der Insolvenz ein Aussonderungsrecht gewährt, an diesen Lohnanteilen begründet worden. Die steuerrechtliche Verpflichtung zur Führung von Lohnkonten (§ 41 Abs. 1 EStG, § 4 LStDV) dient allein dem Zweck, die Erfüllung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht zu belegen und dadurch die Nachprüfung zu erleichtern. Sie bewirkt zu Gunsten der Arbeitnehmer kein in der Insolvenz zu beachtendes Aussonderungsrecht. [...]
Ohne die erhaltene Befriedigung hätte der Beklagte [das Finanzamt] die Haftungsschuld nur als Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO geltend machen können. Die Vorschrift des § 41 Abs. 1 EStG ist auch nicht geeignet, für ihn ein Vorzugsrecht in der Insolvenz des Schuldners zu begründen. Die angefochtene Zahlung hat daher in jedem Falle die der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehende Masse gemindert. [...]
Der vom Bundesfinanzhof im Beschluss vom 21. Dezember 1998 (BFH NV 1999, 745, 746 f) vertretenen gegenteiligen Auffassung vermag der Senat daher nicht zuzustimmen. Der Bundesfinanzhof hatte dort eine Gläubigerbenachteiligung auch mit der Erwägung verneint, die Abführung der Lohnanteile sei Teil eines Bargeschäfts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dabei ist nicht beachtet worden, dass nur Leistungen des Schuldners, für die dieser auf Grund einer Parteivereinbarung mit dem anderen Teil, also dem Anfechtungsgegner, eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen erhalten hat, als Bargeschäfte gelten (§ 142 InsO). Der Schuldner hat mit dem Beklagten weder eine Vereinbarung getroffen noch von ihm eine Gegenleistung erhalten. Im Übrigen würde es selbst in der [...] Rechtsbeziehung zum Arbeitnehmer an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang fehlen, wenn eine Arbeitsleistung erst Monate später vergütet wird.

VII B 244/04:">BFH, Beschluss vom 11.08.2005, VII B 244/04:
Es bestehen ernstliche Zweifel, ob die Abführung von Lohnsteuern in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung darstellt, oder ob ein sog. Bargeschäft nach § 142 InsO vorliegt, das nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden kann. [...]
Eine Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO könnte dennoch nicht in Betracht kommen, wenn es sich bei der Abführung der geschuldeten Lohnsteuer um ein Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO handeln würde und eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung nach § 133 InsO ausgeschlossen werden könnte. [...] Die Frage, ob die Abführung von Lohnsteuer in der Insolvenz des Steuerschuldners gläubigerbenachteiligend wirkt oder ob ein nur unter den Voraussetzungen des § 133 InsO und damit nahezu anfechtungsfestes Bargeschäft vorliegt, wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Nach einer Entscheidung des Senats (Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 745), die im summarischen Verfahren zu § 10 Abs. 1 Nr. 1 der Gesamtvollstreckungsordnung ergangen ist, liegt deshalb ein Bargeschäft vor, weil die Abzugsbeträge zum Arbeitslohn gehören, auf den die Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch haben. Die Lohnsteuer stellt somit ein aufgrund der steuerrechtlichen Vorschriften nicht direkt an die Arbeitnehmer auszuzahlendes Entgelt für die von ihnen erbrachte Arbeitsleistung dar, so dass die Entrichtung an das F[inanzamt] ebenso wenig wie die Auszahlung des Nettolohnes an die Arbeitnehmer als eine objektive Benachteiligung der übrigen Gläubiger der GmbH hätte angesehen werden können.
Dieser Rechtsansicht ist der BGH in seinem Urteil vom 22.01.2004, IX ZR 39/03 entgegengetreten [...]. Der Auffassung des BGH haben sich die Finanzgerichte teilweise angeschlossen [...].
Im Rahmen der summarischen Überprüfung der Entscheidung des FG hält es der beschließende Senat nicht für geboten, über die aufgeworfenen Rechtsfragen abschließend zu entscheiden.


3.2.1.5. Problemfeld: Kontokorrentverrechnung

Problematisch ist die Rückführung "debitorischer" Konten. In der Krise ist eine Verrechnung (ebenso wie eine Aufrechnung) unzulässig, wenn die Bank als spätere Insolvenzgläubigerin aufgrund einer anfechtbaren Handlung (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) verrechnet. Ob die Rechtshandlung, d.h. die Verrechnung, anfechtbar ist, hängt davon ab, ob die Bank im Zeitpunkt, als der spätere Insolvenzschuldner die Gutschrift erhält, einen fälligen Anspruch auf Rückführung des debitorischen Saldos hat. Wenn ja, ist die Deckung kongruent und die Handlung nicht anfechtbar. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Bank einen Anspruch aus Überziehungskredit, gekündigtem Kredit oder Kredit mit beendeter Laufzeit hat. Andernfalls ist die Deckung inkongruent und die Verrechnung damit anfechtbar. Sofern die Bank ihrem Kunden eine Kreditlinie einräumt, in deren Rahmen er nach Belieben - inklusive die gutgeschriebenen - Beträge verfügen kann, ist zu beachten, dass der Anspruch auf Rückführung des Schuldsaldos erst bei Kündigung der Kreditlinie fällig wird. Allein die Giro- oder Kontokorrentabrede stellt den in diesem Rahmen gewährten Kredit noch nicht zur Rückzahlung fällig. In dieser Fallgestaltung differenziert der BGH bei der Bewertung, ob eine inkongruente Deckung vorliegt oder nicht.

IX ZR 223/01">BGH, Urteil vom 07.03.2002, IX ZR 223/01:
  • Ein Pfandrecht des Kreditinstituts, das aufgrund Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken an Zahlungseingängen für einen Kunden in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag gegen diesen entsteht, ist als inkongruente Sicherung anfechtbar.
  • Verrechnungen im Kontokorrent sind kongruent, soweit die Bank ihren Kunden (späteren Insolvenzschuldner) vereinbarungsgemäß wieder über die Eingänge verfügen lässt, insbesondere eine Kreditlinie offen hält. Ob der Kunde sie voll ausnutzt, ist unerheblich.
  • Die Rückführung eines von der Bank bewilligten, ungekündigten Kredits in der Zeit der wirtschaftlichen Krise des Schuldners (Kunden) ist auch dann inkongruent, wenn sie durch Saldierung im Kontokorrent erfolgt.
  • Stellt eine Bank Zahlungseingänge ins Kontokorrent ein, kann in dem Umfang ein unanfechtbares Bargeschäft vorliegen, in dem sie ihren Kunden (Schuldner) wieder über den Gegenwert verfügen lässt. Ob der Schuldner den vereinbarten Kreditrahmen voll ausnutzt, ist grundsätzlich unerheblich.
IX ZR 140/08">BGH, Urteil vom 07.05.2009, IX ZR 140/08:
  • Hat der Schuldner einen ungekündigten Kontokorrentkredit nicht ausgeschöpft, führen in kritischer Zeit eingehende, dem Konto gutgeschriebene Zahlungen, denen keine Abbuchungen gegenüberstehen, infolge der damit verbundenen Kredittilgung zu einer inkongruenten Deckung zugunsten des Kreditinstituts.

IX ZR 42/08">BGH, Beschluss vom 11.02.2010, IX ZR 42/08:
  • Verrechnet eine Bank für den Kunden eingehende Zahlungen mit ihrem noch nicht fälligen Anspruch auf Darlehensrückzahlung, ist die dadurch erlangte Befriedigung nicht inkongruent, wenn die Verrechnung mit dem Kunden vereinbart war.


3.2.1.6. Problemfeld: Globalzession
IX ZR 30/07">
IX ZR 30/07">BGH, Urteil vom 29.11.2007, IX ZR 30/07:
Erlangt der Insolvenzgläubiger in der Krise eine Sicherung, wenn in unkritischer Zeit nur ein allgemeiner Anspruch auf Sicherheitenbestellung bestand, so ist diese erlangte Sicherung inkongruent. Anders gestaltet sich die Situation, wenn bereits beim Abschluss des Globalzessionsvertrages das dingliche Geschäft vollzogen und die schuldrechtliche Seite in dem vertragsrechtlich möglichen Maße zugleich derart konkretisiert wurde, dass die abgetretenen Forderungen zumindest bestimmbar waren.

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