Themenseite: Die Folgen einer unterlassenen Belehrung gemäß § 136 StPO; die Problematik der sog. „Hörfälle“ und der verdeckten Ermittler





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§ 136 StPO regelt die Anforderungen, die an die erste Vernehmung des Beschuldigten gestellt werden. So ist ihm u.a. mitzuteilen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird sowie welche Straftatbestände in Betracht kommen. Im Fokus steht vor allem, dem Beschuldigten bekannt zu machen, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Vielmehr steht es ihm jederzeit frei, einen Verteidiger zu kontaktieren.
Dem Beschuldigten kommt in einem Verfahren die Rolle eines Verfahrensbeteiligten zu, der mit gewissen prozessualen Rechten und Pflichten ausgestattet ist. Er soll an der Findung von Wahrheit und Gerechtigkeit mitwirken. Dennoch gilt im Strafprozess der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit, sog. „nemo tenetur se ipsum accusare“.
Der Grundsatz der Belehrungspflicht aus § 136 verkörpert den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit:
Dieses Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung ist im Rechtsstaatsprinzip verankert und hat Verfassungsrang. Es umfasst das Recht des Beschuldigten auf Aussage-und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Ein Beschuldigter muss demnach im Strafverfahren nicht aktiv bei seiner eigenen Überführung mitwirken. Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit im Strafverfahren mitwirkt. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass er über seine Aussagefreiheit in Kenntnis gesetzt wird -
§ 136 I 2 kommt dem nach und legt dem Ermittlungsrichter die Pflicht auf, den Beschuldigten über seine Aussagefreiheit zu informieren. Entsprechendes gilt für die Staatsanwaltschaft und der Polizei gemäß § 163 II 2 i. V. m. § 163 IV 2 StPO.
Beweisverwertungsverbot mit Einschränkungen
Grundsätzlich hat ein Verstoß gegen die genannten Normen, d. h. namentlich der Belehrung über die Aussagefreiheit, ein Beweisverwertungsverbot zur Folge – der Beschuldigte wird in seinen essentiellen Rechten tangiert, wenn er nicht darüber informiert wird, dass er zur seiner Beschuldigung nicht aussagen muss.
Ein solches Beweisverwertungsverbot gilt jedoch nicht ausschließlich und kennt gewisse Ausnahmen:
1.Kenntnis des Beschuldigten
Ein Beweisverwertungsverbot wird infolge einer unterlassenen Belehrung dann nicht angenommen, wenn der Beschuldigte über seine Aussagefreiheit positiv weiß.
2.Widerspruchslösung gemäß § 257 StPO
Ein nicht ergangener Widerspruch begründet die Verwertung von Aussagen, obwohl der Beschuldigte nicht im Ermittlungsverfahrenüber seine Aussagefreiheit informiert worden ist. Widerspricht der verteidigte Angeklagte nicht rechtzeitig, so können seine Aussagen dennoch in der Hauptverhandlung verwertet werden. Rechtzeitig heißt bis zum Abschluss der jeweiligen Beweisaufnahme i. S. d. § 257 StPO.
3.Die qualifizierte Belehrung
Eine erfolgte qualifizierte Belehrung schließt ebenfalls ein Beweisverwertungsverbot aus. Dies stellt etwa eine Konstellation dar, in der der Beschuldigte während der zweiten Vernehmung darauf aufmerksam gemacht wird, dass die erste Vernehmung unter einem formellen Verstoß zustande gekommen ist. So wurde der Beschuldigte irrtümlich nur als Zeuge und nicht als Beschuldigter belehrt – Solche Aussagen sind unverwertbar.
In der Folge wird der Beschuldigte dann über seine Aussagefreiheit sowie darüber, dass seine vorangegangene Vernehmung nicht verwertet werden kann, belehrt (= Qualifizierte Belehrung). Wenn der Beschuldigte dem zustimmt, kann seine vorherige Aussage dennoch verwertet werden. Ein Beweisverwertungsverbot besteht demzufolge nicht.
Im Folgenden werden Fälle aus der Rechtsprechung angeführt, um das Thema „Beweisverwertungsverbote“ praktisch zu vertiefen. Dies ist auch notwendig – da sich der StPO kaum gesetzlich normierte Beweisverwertungsverbote entnehmen lassen, ist die Materie zunehmend zum Gewohnheitsrecht („Case-Law“) geworden.
1 „Aus einer unterlassenen Belehrung folgt ein Verwertungsverbot, mit folgenden Ausnahmen..“
BGH – Beschluss vom 27. Februar 1992 (5 StR 190/91)
In dieser grundlegenden Entscheidung begründete der Bundesgerichtshof zum ersten Mal, dass aus einer unterlassenen Belehrungspflicht in der Vernehmung ein Verwertungsverbot folge. Die Annahme eines Verwertungsverbotes brauchte Jahrzehnte in der Geschichte unserer Rechtsprechung. Der Grund hierfür ist, dass unsere Strafprozessordnung kaum Beweisverwertungsverbote kennt und es demzufolge auch kaum Anhaltspunkte bot, um solche anzunehmen.
Die eben genannten Voraussetzungen zur Begründung eines Verwertungsverbotes sowie dessen Ausnahmen legte er fest:
Setzt das Gericht den Angeklagten also nicht in Kenntnis, dass es dem Beschuldigten freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, können seine Aussagen im weiteren Verfahren nicht beachtet werden. Ein Verwertungsverbot trete hingegen dann nicht ein, wenn feststeht, dass der Beschuldigte sein Recht zu schweigen ohne Belehrung gekannt hat oder etwa wenn er in der Hauptverhandlung einer solchen Verwertung ausdrücklich zugestimmt hat.
Widerspricht der Angeklagte der Vernehmung nicht, so können seine Aussagen verwertet werden. Dem verteidigten Angeklagten steht ein Angeklagter gleich, der vom Vorsitzenden über die Möglichkeit des Widerspruchs unterrichtet worden ist.
2. Der Wahrsagerfall (5 StR 302-97)
In diesem Fall verwies der BGH die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Das Landgericht verurteilte ein Ehepaar wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit einer besonderen Schwere der Schuld. Zwar bestritten die beiden Angeklagten die Tat, aber dem Gericht kam in der Hauptverhandlung eine Zeugin, eine Mitgefangene der Angeklagten, zu Gute:
Diese gab stets vor, inhaftierten Frauen die Zukunft lesen zu können. Ihrer Ansicht nach nahm sie die Rolle einer Wahrsagerin ein und versprach den Gefangenen, durch ihre übernatürlichen Kräfte die Prozessbeteiligten in einer Art zu beeinflussen, dass diese ein mildes Urteil erhalten oder gar freigesprochen werden. Die Zeugin hat nach ihren Angaben im Ermittlungsverfahren bereits seit sieben Jahren mit der Kriminalpolizei zusammengearbeitet. Den Einsatz ihrer „Wahrsagerkräfte“ machte sie allerdings davon abhängig, dass ihre Geschäftspartner sich ihr offenbaren sowie den Tathergang schriftlich niederlegen– so auch die Angeklagte im strittigen Fall. In Ihren Sitzungen mit den beiden Angeklagten verabreichte sie ihnen Haschisch und Marihuana und drohte mit der Rache Allahs.
Das LG schloss die Zusammenarbeit der Zeugin mit der Polizei zwar nicht aus, sah dafür allerdings keine Anhaltspunkte. Vielmehr habe sich die Zeugin aus eigenem Entschluss den Ermittlungsbehörden angedient. Das LG stützte seine Überzeugung von der Täterschaft der beiden Angeklagten auf die Aussage der Zeugin über die ihr von der Angeklagten mitgeteilten Angaben zum Tatgeschehen. Aus der besonderen Schwere der Tat sprach es dem staatlichen Verfolgungsinteresse den Vorrang zu und sah sich nicht dazu veranlasst, weitere Sachverhaltsaufklärungen zu vollziehen.
Der BGH hob das Urteil auf und lehnte vielmehr eine Abwägung zwischen der Aufklärungsinteresse des Staates gegenüber dem Interesse des Einzelnen, zu seiner eigenen Strafverfolgung nichts aktiv beizutragen ab. Es kritisierte, dass das Landgericht die durch die Zeugin in der Hauptverhandlung eingeführten Angaben ohne hinreichende Aufklärung verwertet hat. § 136 a sei aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten und genieße Verfassungsrang. Zwar richte sich die Vorschrift unmittelbar an die staatlichen Strafverfolgungsorgane. Eine analoge Anwendung dieser Norm bejahte es aber aus dem Grunde, dass sich die staatlichen Behörden das in § 136 a beschriebene Verhalten zurechnen lassen müssen. Zur Heimlichkeit der Ausforschung traten zusätzliche Beeinträchtigungen des Beschuldigten zu, sich über seine Tat zu äußern. Der BGH verwies die Sache mit dem Vorbehalt zurück, weitere Aufklärungsarbeiten zu tätigen.
3. Über die Zulässigkeit sog. „Hörfälle“, sog. "Hörfallen-Entscheidung" (BGH, Beschluß vom 13. 05 1996)
Diese – noch immer bedeutende – Entscheidung unterrichtet uns über die Zulässigkeit sog. „Hörfälle“.
Im strittigen Fall verurteilte das Landgericht den Angeklagten wegen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren. Dieser überfiel nach den Feststellungen des Gerichts zusammen mit anderen das Tatopfer in seiner Wohnung und entwendete unter Einsatz von Waffen ca. 80 000 DM.
Das Überzeugungsbild des Landgerichtes erstreckte sich maßgeblich auf den Inhalt des Telefongespräches: Nachdem ein Zeuge die Polizei darüber informierte, dass der Angeklagte ihm gegenüber in einem Telefonat seine Täterschaft zugegeben hat, veranlasste die Polizei ein weiteres Telefongespräch zwischen dem Zeugen und Angeklagten. Den Dolmetscher ließ sie dieses Gespräch an einem Zweithörer mithören. Seine Bekundungen über den Inhalt des weiteren Telefonats zwischen dem Zeugen und Angeklagten hat das LG dem Urteil zugrunde gelegt.
Der Angeklagte legte Revision in Form einer Verfahrensrüge ein aus dem Grund, dass er die Zeugenaussage des Dolmetschers für unverwertbar hielt.
Der 5. Strafsenat des BGH hob das Urteil auf, da auch er die Zeugenaussage für unverwertbar einordnete. Zwar wurde der Beschuldigte nicht i. S. v. § 136 a StPO getäuscht. Nach Ansicht des BGH wiedersprach es der gesetzlichen Regelung der §§ 136, 163 – als Absicherung des Schweigerechts des Beschuldigten gegenüber Ermittlungsbehörden - dass auf Veranlassung der Ermittlungsbehörde eine Privatperson die gezielte Befragung des Beschuldigten mit einer Vertrauensperson mitgehört habe. Wenn die Vertrauensperson, wie hier, geführt und überwacht unmittelbar auf Weisung der Ermittlungsbehörden tätig werde, handele die Polizei in Wahrheit selbst. Außerdem könne der Beschuldigte von seinem Recht, gegenüber Ermittlungsbehörden zu einem strafrechtlichen Vorwurf schweigen zu dürfen, keinen Gebrauch machen.
Da die anderen Senate des BGH ein Verwertungsverbot in vorherigen Fällen an solcher Stelle verneint haben, legte der 5. Senat dem Großen Senat gemäß § 132 IV GVG gewisse Vorlagefragen zur Aufklärung dieser Rechtsproblematik zu.
Dieser beantwortete die Problematik damit, dass dem Einsatz von Personen, um den Beschuldigten zu Äußerungen zu veranlassen, nicht per se unzulässig sei – dem Einsatz von solchen Vertrauenspersonen seien jedoch Grenzen gesetzt, welche er im Folgenden setzte:
Der heimliche Einsatz von Personen, um den Beschuldigten zu belastenden Äußerungen zu veranlassen, sei demnach dann zulässig, wenn es sich bei der den Gegenstand der Verfolgung bildenden Tat um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt. Außerdem dürfen andere Ermittlungsmethoden nicht erheblich weniger erfolgsversprechend oder wesentlich erschwert sein. Eine Straftat von erheblicher Bedeutung stellen u. a. die Kataloge in §§ 98a, 100 a, 110 a StPO dar.
Demnach seien die Interessen des Beschuldigten (hier: Allgemeines Persönlichkeitsrecht und fair trial) ins Verhältnis zu setzen mit den staatlichen Interessen an der Strafverfolgung. Daraus ergibt sich folglich, dass die staatlichen Interessen dann überwiegen sollen, wenn: 1. Eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt und 2. Der Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert ist.
Die Hörfallen-Entscheidung des Großen Senats aus 1997 hat in der Literatur eine Diskussion ausgelöst. Sie enthält insbesondere formalistische Interpretationen bezüglich der Begriffe „Vernehmung“, der Täuschung oder der Überwachung der Telekommunikation. Darüber hinaus enthält sie eine eher „lose Gesamtabwägung“ im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip.
a)Überleitung: Ist die Hörfallen – Entscheidung des BGH mittlerweile überholt?
Zu beachten ist, dass sich in der Folge der EGMR zu ähnlichen Fallkonstellationen abweichend geäußert haben – es ist demnach fraglich, ob der BGH an den hier vertretenen Vorgaben noch festhält.
Der BGH hat in einem anderen Fall (BGHSt 53, 294) bei heimlichen Abhören des Gesprächs des Beschuldigten mit seiner Ehefrau in einem separaten Besuchsraum in der U-Haft einen Verstoß gegen den Fair-Trial Prinzip angenommen.
Diese Urteile werden im Folgenden wiedergegeben:
aa)Über die Zulässigkeit der „Hörfälle“ nach Ansicht des EGMR (EMR StV 2003, 257)
In einer Fallkonstellation, in der sich der Beschuldigte vorher ausdrücklich auf seine Aussagefreiheit berufen hat, legte der EGMR folgendes fest:
Das Schweigerecht und der Schutz vor Selbstbelastung dient zwar vor allem dazu, den Beschuldigten gegen unzulässigen Zwang der Behörden und die Erlangung von Beweisen durch Methoden des Drucks zu schützen (so auch die Hörfallen-Entscheidung),“ jedoch sei der Anwendungsbereich des Rechts nicht auf alle Fälle begrenzt, in denen der Beschuldigte Zwang widerstehen müsste.“ – das heißt, der Schutz gehe darüber hinaus.
Der EGMR betonte vielmehr, dass das Schweigerecht zum Kernbereich des fairen Verfahrens gehöre und damit auch die Freiheit von verdächtigten Personen umfasst, selbst zu entscheiden, ob sie sie in Polizeibefragungen aussagen oder schweigen möchten. Aus diesem Grunde erweitert der EGMR den Anwendungsbereich des Schweigerecht auch auf Fälle der Täuschung– der Schutz des Schweigerechts und der Selbstbelastungsfreiheit greife demnach auch bei funktionalen Äquivalenten zu förmlichen Beschuldigtenvernehmungen ein.
bb)Über die Zulässigkeit der sog. „Hörfälle“ nach Ansicht des BGH (1StR 701/08)
Im vorliegenden Urteil befand der Bundesgerichtshof über die Frage der Zulässigkeit einer heimlichen Überwachung von Ehegattengesprächen in einem eigens dafür zugewiesenen separaten Besuchsraum in der Untersuchungshaft ohne die übliche erkennbare Überwachung. Er kam zu der Erkenntnis, dass ein solches Vorgehen der Ermittlungsbehörden gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen - Einem Verwertungsverbot unterliegen deshalb heimlich gewonnene Informationen. Im vorliegenden Fall ging es um die Aufdeckung einer schweren Straftat (Mord), mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
Maßgeblich für den Verstoß gegen Artikel 6 EMRK sei das besondere Vorgehen der Ermittlungsbehörden:
Da Besuche in der Regel erkennbar zu überwachen sind, musste aufgrund der getroffenen Maßnahmen beim Angeklagten den Eindruck entstehen, sich frei gegenüber seiner Ehefrau äußern zu können. Dabei hätte er grundsätzlich keine Angst haben müssen, dass er überwacht werde und konnte sich offen über die Beschuldigung äußern.
cc)Rechtsprechung legt eine „beschuldigtenfreundlichere Richtung“ ein
Aktuelle Urteile bezüglich solcher „Hörfälle“ lenken folglich in eine „beschuldigtenfreundlichere“ Richtung ein, welche dem heimlichen Abhören von Beschuldigtengesprächen Grenzen setzt.
Ob der BGH den Fall „Hörfälle“ mit einem ähnlichen Ergebnis entscheiden würde, erscheint deshalb eher unwahrscheinlich.
6. Selbstbelastungsfreiheit und vernehmungsähnliche Befragung durch einen verdeckten Ermittler (3 StR 104/07)
In einer weiteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Befugnisse des verdeckten Ermittlers/V-Person präzisiert. Er betonte, dass der Einsatz verdeckter Ermittler grundsätzlich zulässig sei.
Ein Beweisverwertungsverbot begründete er im strittigen Fall aber dahingehend, weil ein verdeckter Ermittler den Beschuldigten, der sich zuvor auf sein Schweigerecht berufen hat, unter Ausnutzung eines geschaffenen Vertrauensverhältnisses beharrlich zu einer Aussage gedrängt hat, um ihn zu selbstbelastenden Äußerungen zur Tat zu bewegen. Ein solches Gespräch stellt eine „vernehmungsähnliche Befragung“ dar. Eine solche Beweisgewinnung verstoße nach Ansicht des Gerichtes gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit.
7. Fazit
Die Entscheidungen geben uns einen Überblick, unter welchen Voraussetzungen die höchstrichterliche Rechtsprechung ein Beweisverwertungsverbot infolge einer unterlassenen Belehrung, eines verdeckten Ermittlers oder einer heimlichen Abhörungsmaßnahmen angenommen hat.
Auch wenn die Fälle unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben, finden sie Zusammenhänge, denn der Grundsatz der Belehrungspflicht verkörpert die Selbstbelastungsfreiheit. Die Selbstbelastungsfreiheit genießt Verfassungsrang; hiernach muss niemand zu seiner eigenen Überführung aktiv beitragen. Um dies gewährleisten zu können, muss der Beschuldigte darüber informiert werden, dass er keine Aussagen zu seiner Beschuldigung machen muss. Sog. Hörfälle oder das Einsetzen von verdeckten Ermittlern würden diesen Grundsatz durchbrechen, wenn sie grenzenlos zulässig sein würden.
Diese Grenzen gibt uns die bereits ergangene und noch folgende Rechtsprechung vor. Sie bietet uns eine Orientierung für die Behandlung solcher Rechtsproblematiken, denn im Gesetz finden sich nur wenige Normen bezüglich der Verwendung solcher Beweis für das folgende Verfahren.
Auch beim Handeln durch eine Privatperson, wie beispielsweise durch einen verdeckten Ermittler, darf die Belehrungspflicht nach § 136 nicht allzu schnell außer Acht gelassen werden, obwohl sich diese Norm grundsätzlich nur gegen den Staat, also gegen Ihre Ermittlungsbehörden richtet:
Das Handeln des V-Mannes könnte schließlich den Ermittlungsbehörden zugerechnet werden. Eine vernehmungsähnliche Situation könnte vielmehr auch ein Beweisverwertungsverbot begründen.
Auch durch eine Privatperson darf der Beschuldigte nicht auf Zwang zu einer selbstbelastenden Aussage gedrängt werden – Ein Beweisverwertungsverbot ist dann stets anzunehmen.
Haben Sie Fragen zu dem Thema Strafrecht? Nehmen Sie Kontakt zu Dirk Streifler auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.
[E.K.]




Rechtsanwalt


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Annotations
(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.
(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.
(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.
(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn
- 1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder - 2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
(5) § 58b gilt entsprechend.
(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.
(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.
(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.