Bundesgerichtshof Urteil, 05. Mai 2015 - X ZR 60/13

bei uns veröffentlicht am05.05.2015
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 20/11, 20.11.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 6 0 / 1 3 Verkündet am:
5. Mai 2015
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verdickerpolymer I
EPÜ Art. 54
Werden als Bestandteile einer Stoffzusammensetzung mehrere Stoffe oder
Stoffgruppen alternativ beansprucht, fehlt es dem Gegenstand des Patents bereits
dann an der erforderlichen Neuheit in der gesamten beanspruchten Bandbreite
, wenn einer dieser Stoffe oder eine dieser Stoffgruppen als Bestandteil
einer solchen Zusammensetzung bekannt war.
BGH, Urteil vom 5. Mai 2015 - X ZR 60/13 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Mai 2015 durch die Richter Gröning, Dr. Grabinski, Hoffmann und
Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 20. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 10. Mai 1995 angemeldeten , auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 682 094 (Streitpatents). Das Streitpatent nimmt eine Priorität vom 12. Mai 1994 in Anspruch. Von den insgesamt acht Patentansprüchen hat Patentanspruch 1 nach Durchführung eines Einspruchsverfahrens in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut: "1. A pourable water dispersible associative thickener composition for aqueous systems having a viscosity less than 15,000 mPa.s (centipoise) at 25°C consisting of:
a) from 15 to 40% by weight of an associative thickener polymer selected from polyurethanes, polyesters, modified cel- lulosics, poIyester-urethanes, polyether-alpha olefins and polyether-polyols;
b) at least 30% by weight water;
c) from 1 to 30% by weight of one or more surfactants selected from anionic and non-ionic surfactants and mixtures thereof; and
d) optionally one or more additional components selected from binders, clays, neutralization chemicals, buffering agents, inorganic salts, chelating agents and pH adjusting agents, except a thickener preparation for thickening aqueous systems consisting of a mixture of (i) a water-soluble or water-dispersible thickener containing urethane groups, (ii) a non-ionic emulsifier, and (iii) at least one compound of the formula (I)

(I)

wherein in this formula R1 and R3 denote identical or different hydrocarbon residues and R2 and R4 denote hydrogen or identical or different hydrocarbon residues, Q denotes alkylene oxide units, as are obtained from alkoxylating alcohols with alkylene oxides having 2 to 4 carbon atoms, and n denotes numbers from 0 to 120, wherein the thickener preparation is in the form of an aqueous solution or dispersion."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig; er sei nicht neu, beruhe jedenfalls aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zudem gehe der Gegenstand von Patentanspruch 1 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinaus.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten , mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung von drei beschränkten Anspruchssätzen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
I. Das Streitpatent betrifft Verdickerzusammensetzungen zur Kontrolle der Viskosität und anderer rheologischer Eigenschaften (Fließeigenschaften) von wässrigen Systemen.
5
1. Nach der Beschreibung des Streitpatents sind solche Verdickerzusammensetzungen für eine Anwendung insbesondere bei Latexfarben, Beschichtungen , Tinten, Baumaterialien, Kosmetika und Holzbeizen bekannt. Hierfür würden zunehmend synthetische Eindicker verwendet, zu denen unter anderem auch Polyurethaneindicker zählten. Solche rheologischen Additive würden oftmals auch als Eindicker oder Assoziativverdicker bezeichnet. Zu dem Mechanismus , durch den sie eindickten, gehörten hydrophobe Assoziationen zwischen den hydrophoben Komponenten in den Eindickermolekülen und anderen hydrophoben Oberflächen. Handelsübliche Assoziativverdicker seien gewöhnlich gießbare Flüssigkeiten, wobei die Verdickerzusammensetzung üblicherweise durch Vermischen des assoziativen Polymers mit Wasser und einem organischen Lösungsmittel hergestellt würden. Diese organischen Lösungsmittel würden zugesetzt, um die Viskosität der Polymere in Wasser zu senken. Da die flüchtigen organischen Lösungsmittel oder deren flüchtige organischen Komponenten ein Risiko für Mensch und Umwelt darstellten, würden in vielen Ländern die Toleranzwerte für diese Gase sukzessiv gesenkt oder bestimmte Anwendungen dieser Lösungsmittel verboten.
6
2. Dem Streitpatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe zugrunde, eine flüssige, in Wasser dispergierbare Verdickerzusammensetzung mit einer zur weiteren Verarbeitung passenden Viskosität bereitzustellen, ohne dabei Umweltprobleme zu verursachen.
7
Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Verdickerzusammensetzung mit folgenden Merkmalen vor: 1. Assoziative Verdickerzusammensetzung für wässrige Systeme , 1.1 die gießbar und in Wasser dispergierbar ist und 1.2 die eine Viskosität von weniger als 15.000 mPa·s bei 25°C aufweist, bestehend aus 2. 15 bis 40 Gew.-% eines assoziativen Verdickerpolymers, 2.1 ausgewählt aus Polyurethanen, Polyestern, modifizierten Cellulosederivaten, Polyesterurethanen, Polyether- α-Olefinen und Polyetherpolyolen; 3. mindestens 30 Gew.-% Wasser; 4. 1 bis 30 Gew.-% eines oder mehrerer oberflächenaktiver Mittel , 4.1 ausgewählt aus anionischen und nicht-ionischen oberflächenaktiven Mitteln und deren Gemischen; 5. optional einem oder mehreren zusätzlichen Bestandteilen, 5.1 ausgewählt aus Bindemitteln, Tonen, Neutralisationschemikalien , Pufferungsmitteln, anorganischen Salzen, Chelatbildnern und pH-Wert-Einstellungsmitteln; 6. ausgenommen einer Verdickungsmittelzubereitung zum Verdicken wässriger Systeme, bestehend aus einem Gemisch 6.1 eines wasserlöslichen oder in Wasser dispergierbaren Verdickungsmittels, das Urethangruppen enthält, 6.2 eines nicht-ionischen Emulgators und 6.3 mindestens einer Verbindung gemäß der Formel (I)

(I)

wobei in dieser Formel R1 und R3 identische oder unterschiedliche Kohlenwasserstoffe bezeichnen, R2 und R4 Wasserstoff oder identische oder unterschiedliche Kohlenwasserstoffreste bezeichnen, Q Alkenoxideinheiten bezeichnet, wie sie aus dem Alkoxylieren von Alkoholen mit Alkenoxiden erhalten werden , die 2 bis 4 Kohlenstoffatome aufweisen, und n Zahlen von 0 bis 120 bezeichnet, 6.4 in Form einer wässrigen Lösung oder Dispersion.
8
3. Dies bedarf in zweierlei Hinsicht der näheren Erläuterung:
9
a) Die Wendung "bestehend aus" ("consisting of") deutet in Patentansprüchen , die chemische Zusammensetzungen oder Gemische zum Gegenstand haben, in der Regel auf eine abschließende Aufzählung der in Bezug genommenen Bestandteile hin (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - X ZR 75/08, GRUR 2011, 1109 Rn. 37 - Reifenabdichtmittel; EPA, Prüfungsrichtlinien Teil F, Kap. IV Nr. 4.21; EPA, Entscheidung vom 15. September 1993 - T 711/90 unter 2.).
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Von der Frage der Bestandteile einer Stoffzusammensetzung zu trennen ist die Frage des Reinheitsgrades der dazu eingesetzten Stoffe. Insbesondere wenn, wie für die hier interessierenden Verdickerzusammensetzungen, handelsübliche Chemikalien benutzt werden, wird aus fachlicher Sicht nicht notgedrungen immer vollständige Reinheit der Bestandteile oder Zutaten vorausgesetzt , sondern gegebenenfalls nur ein dem jeweiligen Bedarf angepasster Reinheitsgrad. Da sich vorliegend aus Patentanspruch 1 oder der Beschreibung keine besonderen Anforderungen an die Reinheit der herzustellenden Zusammensetzung ergeben, schließt die Vorgabe "bestehend aus" ("consisting of") aus fachlicher Sicht nicht aus, dass die dafür zu verwendenden Polymere Mittel und gegebenenfalls fakultativen Zusätze in geringem Umfang auch Rückstände der für ihre Herstellung verwendeten Ausgangsstoffe und restliches Wasser enthalten können.
11
b) Der Begriff des oberflächenaktiven Mittels in Merkmal 4 ist eine Übersetzung des englischen Worts "surfactant", das für die Worte "surface active agent" steht. Es ist zugleich ein Synonym für Tenside, die wiederum synonym auch als Emulgatoren bezeichnet werden.
12
II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des Streitpatents sei in der - nachveröffentlichten (Art. 54 Abs. 3 EPÜ) - europäi- schen Patentanmeldung 618 243 (NiK6) vorweggenommen und habe ausgehend von einer anderen Entgegenhaltung (NiK10e) auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Gegenstände der Hilfsanträge beruhten ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
13
1. Die NiK6 betreffe eine Zubereitung auf Polyurethanbasis zur Verdickung wässriger Systeme, die wegen ihrer Löslichkeit und Dispergierbarkeit in Wasser zwangsläufig auch gießbar sei und bei der es sich um eine assoziativ wirkende Verdickerzusammensetzung mit besonders niedriger Eigenviskosität handele. Darüber hinaus zeige das Dokument weitere Verdickerzusammensetzungen mit den Merkmalen 3 bis 4.1 sowie der ohnehin lediglich optionalen Merkmalsgruppe 5 und ohne die vom Streitpatent durch Disclaimer ausgenommenen Zusatzstoffe gemäß Merkmalsgruppe 6. Eine entsprechende Zusammensetzung werde in den Vergleichsbeispielen 21 und 24 der NiK6 mit jeweils 25 Gewichtsprozent eines aus Polyurethanen ausgewählten assoziativen Verdickerpolymers und eines nicht-ionischen oberflächenaktiven Mittels sowie mit einem Restwasseranteil von 50 Gewichtsprozent offenbart. Die in den Vergleichsbeispielen verwendeten Produkte COATEX BR 900 und COATEX BR 910 seien zweifelsfrei trockene, nicht-ionische, wasserlösliche Assoziativverdicker vom Polyurethan-Typ. Dem stehe nicht entgegen, dass in der Tabelle 13 für die Vergleichsbeispiele 21 und 24 die Komponenten für zwei Spalten falsch bezeichnet seien. Der fachkundige Leser werde diesen Schreibfehler und die richtige Bedeutung zweifelsfrei erkennen.
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2. Zudem beruhe der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
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In der vorveröffentlichten Produktbeschreibung für COAPUR 5035 (NiK10e) werde unter dieser Bezeichnung ein flüssiger, zweifelsfrei assoziativ wirkender, nicht-ionischer Polyurethanverdicker mit einer niedrigen Viskosität von 4000 cP beschrieben, der zu 35 % in Wasser gelöst und völlig frei von flüchtigen organischen Lösungsmitteln sei. Dieses Produkt unterscheide sich vom Gegenstand des Streitpatents lediglich durch das Fehlen eines anionischen oder nicht-ionischen oberflächenaktiven Mittels gemäß Merkmalsgruppe 4.
16
Dem Fachmann, bei dem es sich um einen regelmäßig in einem Team arbeitenden Diplom-Chemiker der Fachrichtung organische Chemie mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Polymerchemie, der Rheologie und Grenzflächenchemie von polymerbasierten, wässrigen Systemen sowie der assoziativen Verdicker und oberflächenaktiven Mitteln handele, sei geläufig gewesen, dass durch den Zusatz von oberflächenaktiven Stoffen aufgrund ihrer Wechselwirkung mit den Assoziativverdickerpolymeren bei der Anwendung in Farben und Beschichtungsmitteln deren rheologische Eigenschaften noch weiter günstig beeinflusst werden könnten. Er werde deshalb einen solchen Zusatz zu dem Produkt COAPUR 5035 in Betracht ziehen, und dabei insbesondere oberflächenaktive Mittel vom anionischen und nichtionischen Typ experimentell untersuchen, denn aus dem Lehrbuch von M. Hulden - Colloides and Surfaces A: Physicochemical and Engineering Aspects , 82 (1994) S. 263 bis 277 - (NiK18) sei der vorteilhafte Einfluss von oberflächenaktiven Mitteln gemäß der Merkmalsgruppe 4 auf wässrige Assoziativverdickerzusammensetzungen bekannt gewesen. Durch routinemäßiges Optimieren gelange er zwanglos zu Anteilen von 1 bis 30 Gewichtsprozenten und somit ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Streitpatents.
17
Ebenso habe ein Entwicklungsansatz ausgehend von dem Aufsatz von E. J. Schaller - Rheology Modifiers in Surface Coatings Australia, Vol. 22, Nr. 10, Okt. 1985 S. 6 bis 13 - (NiK12) zusammen mit dem allgemeinen Fach- wissen sowie mit den in der japanischen Offenlegungsschrift 60-49022 (NiK14) ohne erfinderische Tätigkeit zu dem Gegenstand des Streitpatents geführt.
18
Schließlich beruhe der Gegenstand des Streitpatents auch in der Fassung eines der Hilfsanträge nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
19
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
20
1. Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass NiK6, die als europäische Patentanmeldung aufgrund ihrer vor dem Prioritätstag erfolgten Anmeldung zum Stand der Technik gehört (Art. 54 Abs. 3 EPÜ), den Gegenstand von Patentanspruch 1 vorwegnimmt.
21
a) NiK6 betrifft eine Verdickungsmittelzubereitung aus einem Urethangruppen aufweisenden, in Wasser dispergierbaren Verdickungsmittel, einem - als Komponente b bezeichneten - nicht-inonischen Emulgator und einer als "c1" benannten Komponente, deren Definition dem Disclaimermerkmal 6.3 in Patentanspruch 1 entspricht. Mit der Erfindung gemäß NiK6 sollte das Problem gelöst werden, eine neue Verdickungsmittelzubereitung auf Polyurethanbasis für wässrige Systeme zu finden, die bei zumindest gleich guter Verdickerwirkung eine deutlich geringere Eigenviskosität aufweist. Die Lösung bestand darin , einem Polyurethanverdicker neben den größtenteils bereits bekannten Emulgatoren eine c1-Komponente beizumischen (NiK6, S. 2 Z. 42 bis 55).
22
Zum Beleg der vorteilhaften Wirkung einer solchen Komponente dokumentiert NiK6 in der nachfolgend eingefügten Tabelle 13 vergleichend Messergebnisse der Viskosität und Verdickerwirkung von Zusammensetzungen gemäß der dortigen Erfindung (Beispiele 44, 45) und Mischungen, denen ein nichtionischer Emulgator und/oder die Komponente c1 fehlt (Vergleichsbeispiele 20, 21, 23, 24) und die deshalb zum Teil (Vergleichsbeispiele 21 und 24) die vom Streitpatent vorgeschlagene stoffliche Zusammensetzung aufweisen:
23
Soweit in dieser Tabelle Spalten für "Komponente A" bzw. "Komponente B" vorgesehen sind, hat das Patentgericht festgestellt, dass der Fachmann darin ein Versehen erkennt und die "Komponente A" für die Vergleichsbeispiele 21 und 24 als "Komponente b" und "Komponente B" als "Komponente c1" interpretiert. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Durchgreifende konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellung begründen und eine neue Feststellung gebieten würden (§§ 117 PatG, 529 Abs. 1 ZPO), vermag die Berufung , die insoweit im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten vertiefend wiederholt, nicht aufzuzeigen. Ihre Erklärungsversuche, warum der Fachmann den Schreibfehler nicht erkennen und eine andere Erkenntnis aus der NiK6 gewinnen werde, sind nicht plausibel. In der Beschreibung der NiK6 finden sich keine Definitionen für Komponenten A und B, wohl aber für Komponenten b und c1 usw. (Beschreibung ab S. 2 Zeile 46 ff.). Ohne eine Er- klärung, um was es sich bei "Komponente A" in der NiK6 handelt, müsste der Fachmann die Beispiele 44 und 45 sowie die Vergleichsbeispiele 20 bis 25 als nicht ausführbar oder unklar ansehen, während eine Betrachtung des Dokuments in seiner Gesamtheit ihn zum richtigen Verständnis führt. Die Tabellen darin weisen ganz überwiegend die Komponentenbezeichnungen "b", "c1" usw. auf. Soweit in Tabelle 9 Ethyloxid abweichend davon als "Komponente B" bezeichnet ist, ergibt sich aus den der Tabelle unmittelbar vorangestellten Erläuterungen , dass "c1" gemeint ist. Die Bezeichnung und Zuordnung der Komponenten sowohl in NiK6 selbst als auch in der US-amerikanischen Parallelanmeldung ist somit zwar uneinheitlich, insgesamt ist jedoch die vom Patentgericht gefundene Erklärung allein plausibel.
24
b) Auch hinsichtlich der Feststellung des Patentgerichts, dass es sich bei den in den Vergleichsbeispielen 21 und 24 eingesetzten, auf dem Markt bereits eingeführten Produkten COATEX BR 900 und COATEX BR 910 um trockene, nicht-ionische, wasserlösliche Assoziativverdicker vom Polyurethantyp entsprechend der Merkmalsgruppe 2 handelt, hat die Berufung keine konkreten Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht, die Zweifel an dieser Feststellung des Patentgerichts begründen und neue Feststellungen gebieten könnten.
25
Das Produktblatt für COATEX BR 900 (NiK9a) weist dieses Erzeugnis als einen lösungsmittelfreien, nicht-ionischen und wasserlöslichen Eindicker vom Polyurethantyp aus. Dass es sich bei dem aktiven Wirkstoff der genannten Produkte um ein Verdickerpolymer im Sinne der Merkmalsgruppe 2 handelt, stand in erster Instanz außer Streit und ist von der Klägerin zudem anhand der Anlage NiK27 eingehend erläutert worden. Die Berufung hat dies nicht zu erschüttern vermocht. Dass NiK27 nachveröffentlicht ist, ist unbedenklich, weil damit kein Stand der Technik dokumentiert werden soll, sondern chemische Zusammenhänge, die unverändert bestehen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 24. Juli 2012 - X ZR 126/09, GRUR 2012, 1130 Rn. 24 f. - Leflunomid).
26
Soweit für COATEX BR 900 ein aktiver Inhalt von mindestens 97 % angegeben wird, haben das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten und die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung weder Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dem als Verdickungsmittel angegebenen Polyurethan andere aktive Stoffe beigemischt gewesen sein könnten, noch dass es sich bei dem Rest um etwas anderes als Rückstände der Ausgangssubstanzen und gegebenenfalls Wasser handelt. Soweit die Berufung die Verwendung von Polyurethan mit dem Hinweis auf den deutlich abweichenden Viskositätswert von 29.500 mPas.s/23°C im Vergleichsbeispiel 2 der Tabelle 2 gegenüber dem entsprechenden Wert in den Vergleichsbeispielen 21 und 24 der Tabelle 13 anzweifelt, übersieht sie zum einen, dass die Viskosität in breiten Grenzen variieren kann (vgl. NiK6 S. 5 Z. 25 ff.), und zum anderen, dass bei den Vergleichsbeispielen in Tabelle 2 nicht zwangsläufig ebenfalls mit COATEX BR 900 bzw. 910 gearbeitet worden sein muss.
27
In den Vergleichsbeispielen 21 und 24 in Tabelle 13 wird dem Assoziativverdicker auf Polyurethanbasis lediglich als Komponente b (fälschlich als "Komponente A" bezeichnet) ein mit der nebenstehenden Strukturformel definiertes nichtionisches Tensid sowie Wasser jeweils in Mengen hinzugefügt, die den Merkmalen 3 und 4 entsprechen. Die Vergleichsbeispiele 21 und 24 entsprechen mit den für sie angegebenen Viskositätswerten dem Merkmal 1.2. Mit dem Fehlen einer Komponente gemäß Merkmal 6.3 erfüllen die Vergleichsmerkmale die Disclaimermerkmalsgruppe 6.
28
c) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 wird damit zumindest von dem Vergleichsbeispiel 21 der NiK6 neuheitsschädlich vorweggenommen.
29
aa) Dass das Produktblatt NiK9a für eine Verwendung von COATEX BR 900 nur Beimischungen dieses Produkts in Wasser mit einem Gehalt von bis zu 10 % - bei Fehlen weiterer Zusatzstoffe - vorsieht, steht dem nicht entgegen, weil die Verwendung des Produkts in den NiK6 zugrunde liegenden Versuchen nicht an die Herstellerhinweise für eine leichte Handhabung gebunden waren und die dort gezeigten Vergleichsbeispiele 20 und 21 deutlich zeigen, dass es eines Tensids als weiteren Zusatzstoff bedarf, um eine hinreichend niedrige Viskosität zu erreichen.
30
bb) Entgegen der Ansicht der Berufung verstößt es nicht gegen das für die Neuheitsprüfung geltende Gebot des Einzelvergleichs, im Rahmen der Ermittlung des Offenbarungsgehalts von NiK6 die Produktinformationen aus NiK9a zu berücksichtigen. Es ist anerkannt, dass Verweise in Dokumenten wie etwa auf "herkömmliche Verfahren" durch Heranziehen von Nachschlagewerken konkretisiert werden können (Busse/Keukenschrijver, 7. Aufl., § 3 Rn. 83 mN in Fn. 329). Entsprechend verhält es sich hier. Die Bezugnahme auf COATEX BR 900 in NiK6 als auf einen handelsüblichen Polyurethanverdicker deutet darauf hin, dass es sich um ein so marktgängiges Erzeugnis handelt, dass dem Fachmann seine Zusammensetzung ohne Weiteres bekannt ist oder er sich die entsprechenden Produktinformationen ohne Hindernisse beschaffen kann.
31
cc) NiK6 trifft Patentanspruch 1 des Streitpatents entgegen der Auffassung der Berufung insgesamt neuheitsschädlich, obwohl die Vergleichsbeispiele 21 und 24 in NiK6 in Bezug auf die Merkmalsgruppe 2 lediglich ein Polyurethan gemäß COATEX BR 900 bzw. 910 und in Bezug auf die Merkmals- gruppe 4 nur ein nicht-ionisches Tensid offenbaren. Patentschutz kann nur für eine insgesamt neue Erfindung beansprucht werden. Wird ihr Gegenstand im Stand der Technik auch nur mit einer erfassten Ausführungsform vorweggenommen , fehlt es an dieser Voraussetzung (vgl. Benkard/Melullis, PatG, 10. Aufl., § 3 Rn. 12). Andernfalls würde ein Exklusivrecht für schon im Stand der Technik Bekanntes verliehen. Das gilt auch, wenn, wie hier, als Bestandteile einer Stoffzusammensetzung mehrere Stoffe oder Stoffgruppen alternativ beansprucht werden, obwohl einige dieser Stoffe oder Stoffgruppen als Bestandteil einer solchen Zusammensetzung bekannt waren. Dies steht zu der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere zum Offenbarungsgehalt von Strukturformeln (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 - Olanzapin) nicht in Widerspruch. Denn es geht nicht darum, ob mit Polyurethanen auch die anderen in Patentanspruch 1 beanspruchten Verdickerpolymere offenbart sind, sondern, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, darum, dass ein solcher Anspruch nicht in seiner Gesamtheit gewährt werden kann.
32
dd) Für die Vorwegnahme der Merkmalsgruppe 2 reicht es im Übrigen aus, dass COATEX BR 900 - am Prioritätstag - auf dem Markt erhältlich war. Damit war der Fachmann in der Lage, eine der Merkmalsgruppe 2 entsprechende Zusammensetzung herzustellen. Für eine die Neuheit eines Erzeugnisses ausschließende Offenbarung reicht es aus, wenn ein auf dem Markt erhältliches Produkt die Merkmale dieses Erzeugnisses tatsächlich aufweist. Es ist nicht erforderlich, dass der Fachmann die konkreten Eigenschaften des Produkts kannte oder in der Lage war, diese analytisch zu bestimmen und danach das Produkt herzustellen (vgl. BGH, Urteile vom 13. Juli 2010 - Xa ZR 10/07, juris Rn. 48 f.; vom 18. November 2010 - Xa ZR 149/07, GRUR 2011, 129 Rn. 45 - Fentanyl-TTS).
33
2. Patentanspruch 1 ist auch in der Fassung der Hilfsanträge nicht patentfähig. Die in diesen Fassungen beschriebenen Gegenstände beruhen nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Frage der Zulässigkeit der gestellten Hilfsanträge kann daher offen bleiben.
34
a) Im Hilfsantrag I wird Patentanspruch 1 folgendes zusätzliches Merkmal als Ausschlusskriterium hinzugefügt: "7. ausgenommen einer Verdickungsmittelzubereitung bestehend aus einem Gemisch zu 25 Gew.-% COATEX BR 900 oder zu 25 Gew.-% COATEX BR 910 sowie zu 25 Gew.-% eines Stoffes der folgenden Formel: und Wasser im Übrigen."
35
Die in diesem Merkmal als Disclaimer beschriebene Stoffzusammensetzung entspricht den Vergleichsbeispielen 21 und 24 der NiK6.
36
Hilfsantrag II entspricht Hilfsantrag I mit der Abweichung, dass in Merkmal 2.1 die Worte "Polyester, modifizierte Cellulosederivate, Polyesterurethane" fehlen.
37
Hilfsantrag III entspricht Hilfsantrag II mit der Abweichung, dass Merkmal 2.1 nur noch Polyurethane als Auswahl für das Verdickerpolymer vorsieht und Unteranspruch 3 wegfällt.
38
b) Gegen die Zulässigkeit der Hilfsanträge können unter dem Gesichtspunkt des Klarheitsgebots Bedenken bestehen. Ein europäisches Patent kann im Nichtigkeitsverfahren nicht mit Patentansprüchen beschränkt verteidigt werden , die dem Erfordernis einer deutlichen (klaren) Anspruchsfassung nicht genügen (BGH, Urteil vom 18. März 2010 - Xa ZR 54/06, GRUR 2010, 709 - Proxiserversystem). Das schließt ein, dass die beschränkten Ansprüche in sich widerspruchsfrei sind. Ob es daran, unbeschadet der Frage der generellen Zulässigkeit von Disclaimern, bereits deshalb fehlt, weil hier Verdickungsmittelzubereitungen von den Ansprüchen ausgenommen sein sollen, die COATEX BR 900 bzw. 910 enthalten, deren Aktivstoff ein Polyurethan ist (oben III 1 b), Polyurethan gleichzeitig aber als Verdickerpolymer in der Fassung aller Hilfsanträge beansprucht wird und damit unklar sein könnte, was beansprucht wird und was nicht, bedarf im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit keiner abschließenden Entscheidung.
39
c) Jedenfalls war eine den Gegenständen der jeweiligen Patentansprüche 1 aus den Hilfsanträgen I bis III entsprechende Verdickerzusammensetzung dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt.
40
aa) Bereits vor dem Prioritätstag war für das Produkt COAPUR 5035 ein Produktblatt (Anl. NiK10e) der Öffentlichkeit zugänglich. Soweit die Beklagte dessen Vorveröffentlichung erstmals in der Berufungsinstanz bestreitet, ist dies gemäß §§ 117 PatG, 531 Abs. 2 ZPO nicht zu beachten; die Beklagte zeigt aber auch keine tatsächlichen Umstände auf, die Zweifel daran begründen könnten, dass COAPUR 5035 vor dem Prioritätstag tatsächlich vertrieben und mit dem Produktblatt NiK10e beworben worden ist. Dass in einzelnen zu den Akten gereichten Dokumenten von einem COAPUR-Gel die Rede ist, rechtfertigt entgegen der Berufung nicht die Annahme oder den begründeten Verdacht, dass es dieses Erzeugnis als leicht viskose Flüssigkeit gar nicht gegeben hätte.
Das Produktblatt (NiK10e) offenbart, dass es mit COAPUR 5035 ein Produkt auf der Basis eines lösungsmittelfreien, in Wasser löslichen, flüssigen Polyurethanverdickers gab, dessen aktive Stoffe darin einen Anteil von 35 % aufweisen. Die Brookfield-Viskosität wird bei einer Spindeldrehzahl von 100 U/min mit 4.000 cP angegeben (NiK10e S. 1 re. Sp.). Gegen die Feststellung des Patentgerichts , dass sich daraus eine Viskosität von weniger als 15.000 mPa·s entsprechend der Maßeinheit von Merkmal 1.2 ergibt, sind keine konkrete Zweifel begründenden Anhaltspunkte ersichtlich.
41
bb) Aufgrund der in diesem Produktblatt beschriebenen vorteilhaften Eigenschaften, nämlich einer lösungsmittelfreien und gleichwohl entsprechend dem Merkmal 1.2 gießbaren Verdickerzusammensetzung, hatte der Fachmann Anlass, Überlegungen zur Herstellbarkeit eines solchen oder ähnlichen Produkts mit gleichen Eigenschaften anzustellen.
42
Aus dem Produktblatt erfuhr er, dass eine solche Zusammensetzung mit einem Polyurethan zu erzielen war. Ihm war bekannt, dass die bloße Mischung eines für einen Assoziativverdicker geeigneten Polyurethans mit Wasser nicht zu der gewünschten Viskosität führen würde, jedenfalls wenn der aktive Anteil bei 35 % liegt. Da das in NiK10e beschriebene Produkt keine organischen Lösungsmittel enthielt, drängte sich ihm auf, dass ein anderer Zusatzstoff erforderlich ist, um die gewünschte Viskosität zu erzielen. Hierzu war aus NiK12 und dem Aufsatz von Thibeault u.a. "Effect of Surfactants and Cosolvents on the Behavior of Associative Thickeners in Latex Systems" in Adv.Chem.Series 213 (1986) S. 375 (NiK13) bekannt, dass neben organischen Lösungsmitteln auch oberflächenaktive Stoffe entsprechende Auswirkungen auf die assoziativen Bindungen und somit auf die Viskosität eines Verdickers haben. Dem Aufsatz "Hydrophobically modified urethane-ethoxylate (HEUR) associative thickeners" von Huldén in Colloids and Surfaces A, 82 (1994), S. 263 (NiK18) entnahm er entsprechend den Feststellungen des Patentgerichts, die nicht infolge konkreter Anhaltspunkte zweifelhaft erscheinen, dass diese Wirkungen von oberflächenaktiven Stoffen nicht erst im Endprodukt sondern bereits in den dem Endprodukt beigemischten, wässrigen Verdickerzusammensetzungen wirksam werden.
43
Die durch diese neueren Veröffentlichungen in NiK12, 13 und 18 vermittelten Erkenntnisse wurden durch die in der älteren australischen Patentanmeldung 32174/78 (NiK15) mitgeteilten Beobachtungen, die Hinzufügung von oberflächenaktiven Stoffen zu Polyurethan bewirke eine erhebliche Steigerung der Viskosität (S. 5 Abs. 2), aus fachlicher Sicht nicht entscheidend erschüttert. NiK18 beschreibt hierzu klar, dass die Zugabe solcher Stoffe zwar zunächst zu einer Steigerung, nach Überschreiten eines Maximums aber wieder zu einer Senkung der Viskosität führe (NiK18, Zusammenfassung).
44
Auch wenn NiK12 sich, wie die Berufung es darstellt, vorrangig mit dem Endprodukt befasst, womit ausweislich der Titelzeile Farben auf Wasserbasis angesprochen sind, stellt diese Veröffentlichung für den Gegenstand des Streitpatents unmittelbar einschlägiges, dem Fachmann zuzurechnendes Fachwissen dar. Die vom Streitpatent unter Schutz gestellten Zusammensetzungen sind für die Verwendung in wässrigen Systemen vorgesehen, welche nach den weiteren Ausführungen in der Beschreibung u.a. auf Wasser oder Latex basierende Farben und Beschichtungen, Baumaterialien oder Kosmetika einschließen. Aus fachlicher Sicht betreffen die durch einen wissenschaftlichen Beitrag mit diesem Thema vermittelten Erkenntnisse direkt die Weiterentwicklung des Stands der Technik am Prioritätstag. NiK12 spricht im Übrigen auch, worauf bereits das Patentgericht hingewiesen hat, den Umweltaspekt an. Es werden die Vorzüge der verschiedenen oberflächenaktiven Stoffe geschildert und in diesem Zusammenhang wird bemerkt, dass Butylcarbitol als wasserlösliches Hilfslösungsmittel (scil: nur) die beste Auswahl sei, wenn die Konzentrationen unter den gesetzlich festgelegten Höchstwerten gehalten werden können (vgl. NiK12 S. 12).
45
Hiervon ausgehend hatte der Fachmann Anlass, Assoziativverdicker aus der Gruppe der Polyurethane im Wege von Versuchen mit oberflächenaktiven Stoffen in Wasser zu mischen und dabei jeweils Anteile gemäß den Merkmalen 2 bis 4.1 in Betracht zu ziehen. Entsprechend den Feststellungen des Patentgerichts , die auch insoweit nicht durch konkrete Anhaltspunkte infrage stehen , war zu erwarten, mit solchen Versuchen auch zu Zusammensetzungen entsprechend diesen Merkmalen außerhalb der durch die Disclaimer der Hilfsanträge ausgenommenen Stoffe zu gelangen und dabei eine Gießbarkeit, Dispergierbarkeit und Viskosität entsprechend der Merkmalsgruppe 1 zu erzielen, ohne eine Mischung entsprechend den Merkmalen 6 und 7 verwenden zu müssen. Die Entwicklung einer Verdickerzusammensetzung entsprechend dem Gegenstand des Patentsanspruchs 1 in der Fassung eines der Hilfsanträge hatte daher für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt nahegelegen.
46
3. Hinsichtlich der Patentfähigkeit der Unteransprüche sowohl in der Fassung des Hauptantrags als auch in den Fassungen der Hilfsanträge der Beklagten wird auf die zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts verwiesen, gegen die mit der Berufung auch keine durchgreifenden Bedenken erhoben wurden.
47
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO. Gröning Grabinski Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 20.11.2012 - 3 Ni 20/11 (EP) -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 05. Mai 2015 - X ZR 60/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 05. Mai 2015 - X ZR 60/13

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 117


Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle de
Bundesgerichtshof Urteil, 05. Mai 2015 - X ZR 60/13 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 117


Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle de

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Mai 2015 - X ZR 60/13 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Mai 2015 - X ZR 60/13 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2011 - X ZR 75/08

bei uns veröffentlicht am 12.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 75/08 Verkündet am: 12. Juli 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juli 2012 - X ZR 126/09

bei uns veröffentlicht am 24.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 126/09 Verkündet am: 24. Juli 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2008 - X ZR 89/07

bei uns veröffentlicht am 16.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 89/07 Verkündetam: 16. Dezember 2008 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 05. Mai 2015 - X ZR 60/13.

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2017 - X ZR 65/15

bei uns veröffentlicht am 03.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XZR 65/15 Verkündet am: 3. Mai 2017 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2017:030517UXZR65.15.0 Der X. Zivilse

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2016 - X ZR 81/14

bei uns veröffentlicht am 23.08.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 81/14 vom 23. August 2016 in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Photokatalytische Titandioxidschicht PatG § 83 Verteidigt der Beklagte in der mündlichen Verhandlung

Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 29. Okt. 2015 - I-15 U 25/14

bei uns veröffentlicht am 29.10.2015

Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.07.2013 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (Az. 4a O 106/11) wird zurückgewiesen. II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Das Urteil und

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2015 - X ZB 4/14

bei uns veröffentlicht am 07.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X Z B 4 / 1 4 vom 7. Juli 2015 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren betreffend das europäische Patent 682 094 Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Verdickerpolymer II PatG § 123 An einem einseitigen .

Referenzen

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von selbigem in der Fassung des Hauptantrags dadurch, dass nicht mehr nur vorgesehen ist, dass das Abdichtmittel, dessen Verwendung im Pannenfall un- ter Schutz gestellt werden soll, einen (Natur-)Kautschuklatex und ein mit diesem kompatibles Klebstoffharz "enthält", sondern dass das Abdichtmittel aus einem (Natur-)Kautschuklatex, einem pH-Regulator, einem mit dem Kautschuklatex kompatiblen Klebstoffharz und optional einem Dispergiermittel "besteht". Dies ist - wie auch die Beklagte in der Verhandlung ausgeführt hat - aus fachlicher Sicht dahin zu verstehen, dass das erfindungsgemäße Abdichtmittel ausschließlich aus den genannten Bestandteilen bestehen darf, wobei lediglich das Dispergiermittel nicht zwingend enthalten sein muss. Insbesondere dürfen dem erfindungsgemäßen Abdichtmittel damit auch keine Füllstoffe, wie etwa faserige Materialien, zugesetzt worden sein. Gerade auf das Fehlen solcher faserigen Materialien, auf das im ursprünglich formulierten Hilfsantrag IV ausdrücklich abgestellt worden war, zielt erklärtermaßen die von der Beklagten gewählte Anspruchsfassung. Die Verwendung eines Abdichtmittels im Pannenfall, das ausschließlich

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

24
Diese Angaben können bei der Entscheidung des Streitfalls unbeschadet des Umstands berücksichtigt werden, dass der für die Anmeldung maßgebliche Prioritätstag von NiK5 eine Woche nach dem für das Streitpatent in Anspruch genommenen liegt. Mit Art. 54 EPÜ unvereinbar wäre allerdings, die Neuheit der Lehre des Streitpatents an der später veröffentlichten, prioritätsjüngeren Schrift zu messen. Das geschieht aber nicht, wenn lediglich die in jener Patentanmeldung mitgeteilten Messergebnisse zur prozentualen Umwandlung von Leflunomid zu Teriflunomid verwertet werden. Diese Daten spiegeln lediglich die dem Wirkstoff Leflunomid immanente und, wie ausgeführt, in seiner chemischen Struktur begründete Eigenschaft wider, sich ohne Weiteres zu Teriflunomid umzuwandeln. Dieser Prozess vollzog sich vor dem Prioritätstag des Streitpatents nicht anders als danach, und auch wenn ein Beleg für konkrete Werte erst nach dem Prioritätstag des Streitpatents, in NiK5, veröffentlicht wurde, sieht der Senat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass diese Werte bei früherer Veröffentlichung entsprechend ausgefallen wären. Das gilt umso mehr, als die in NiK5 beschriebenen Versuche infolge der Lagerzeit von sechs Monaten ohnehin geraume Zeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents angelegt waren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 89/07 Verkündetam:
16. Dezember 2008
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Olanzapin
EPÜ Art. 54; PatG § 3
a) Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung
neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts
der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information
dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein
anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (Fortführung
des Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 407 - Fahrzeugleitsystem
).
b) Offenbart kann auch dasjenige sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung
nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch
für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich
ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern "mitgelesen"
wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine
Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient, nicht
anders als die Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs, lediglich
der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen
Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines
Fachwissens entnimmt (Fortführung von BGHZ 128, 270 - Elektrische
Steckverbindung).
c) Mit der Offenbarung einer chemischen Strukturformel sind die unter diese
Formel fallenden Einzelverbindungen grundsätzlich noch nicht offenbart
(Fortführung von BGHZ 103, 150 - Fluoran).
BGH, Urt. v. 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und
Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 4. Juni 2007 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsstreits und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Klägerinnen und die Streithelferinnen der Klägerin zu 1 zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerinnen und die Streithelferinnen jeweils selbst. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 24. April 1991 unter Inanspruchnahme einer britischen Priorität vom 25. April 1990 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 454 436, das 22 Patentansprüche umfasst, von denen die Ansprüche 2, 6, 8, 20 und 21 wie folgt lauten: 2. 2-Methyl-10-(4-methyl-1-piperazinyl)-4H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepine or a pharmaceutically acceptable acid addition salt thereof.
6. The use of a compound according to claim 2 or 3 for the manufacture of a medicament for the treatment of schizophrenia.
8. The use of a compound according to claim 2 or 3 for the manufacture of a medicament for the treatment of acute mania.
20. A process for producing a compound according to claim 1, which comprises
(a) reacting N-methylpiperazine with a compound of the formula
in which Q is a radical capable of being split off, or
(b) ring-closing a compound of the formula

21. A compound of the formula

in which Q is -NH2, -OH or -SH, and when Q is -NH2 salts thereof.
2
Wegen des Wortlauts der übrigen Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
3
Die Klägerinnen machen geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie den Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
6
Die Klägerinnen sowie die Streithelferinnen der Klägerin zu 1, die dem Verfahren im zweiten Rechtszug beigetreten sind, treten dem Rechtsmittel entgegen.
7
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr. Michael Müller, Inhaber des Lehrstuhls für Pharmazeutische und Medizinische Chemie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, in der mündlichen Verhandlung ein Gutachten erstattet.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Das Patentgericht hat das Streitpatent zu Unrecht für nichtig erklärt.
9
I. Das Streitpatent betrifft (in der vom Patentgericht und den Parteien verwendeten Nomenklatur) die Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl )-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin mit dem Freinamen Olanzapin, ihre Verwendung als Arzneimittel insbesondere als Antipsychotikum zur Behandlung von Schizophrenie und akuter Manie und ein Verfahren zur Herstellung dieser Verbindung.
10
Die Streitpatentschrift schildert, dass seit der Einführung von Antipsychotika zur Behandlung von Störungen des Zentralnervensystems therapiebedingte extrapyramidale Symptome (Störungen der extrapyramidalen motorischen Nebenbahnen des zentralen Nervensystems) beobachtet würden, zu denen Parkinsonismus , akute dystonische Reaktionen, Akathisie, tardive Dyskenisie und tardive Dystonie gehörten. Starke extrapyramidale Symptome träten etwa bei dem häufig angewandten Haloperidol auf.
11
Aus der großen Gruppe trizyklischer Verbindungen sei Clozapin mit dem Anspruch eingeführt worden, frei von solchen extrapyramidalen Wirkungen zu sein. Die Verbindung verursache jedoch bei einigen Patienten Agranulozytose, eine lebensbedrohliche Verringerung der Zahl weißer Blutkörperchen. Die Strukturformel von Clozapin ist die Folgende:
12
Die Streitpatentschrift erörtert sodann eine Gruppe von Thienobenzodiazepinen , die im britischen Patent 1 533 235 (Anl. K 2) beschrieben sei. Die Verbindung 7-Fluor-2-methyl-10-(4-methyl-a-piperazinyl)-4H-thieno[2,3-b][1,5]- benzodiazepin (Flumezapin) aus dieser Gruppe sei bis zur klinischen Anwendung an Schizophreniepatienten entwickelt worden. Jedoch habe die klinische Phase wegen mögliche Toxizität anzeigender erhöhter Enzymgehalte beendet werden müssen. Hinsichtlich der Tendenz zu einem erhöhten Leberenzymgehalt ähnele Flumezapin dem Antipsychotikum Chlorpromazin, das seit längerem verwandt werde, dessen Sicherheit jedoch in Frage gestellt sei.
13
Flumezapin hat die Strukturformel:
14
Aus dieser Kritik am Stand der Technik und der vorgeschlagenen Lösung ergibt sich als das mit den Mitteln des Streitpatents zu lösende technische Problem, eine weitere Verbindung zur Verfügung zu stellen, die als Antipsychotikum wirksam ist, keine extrapyramidalen Symptome erzeugt und in möglichst wenigen Fällen andere gravierende Nebenwirkungen hat.
15
Dieses Problem soll durch die Verbindung Olanzapin mit der folgenden Strukturformel gelöst werden:
16
Olanzapin hat somit wie Clozapin und Flumezapin eine trizyklische Grundstruktur mit einem zentralen Diazepinring (B) und einem ("linken") Phenylring (A); der dritte ("rechte") Ring (C), der bei Clozapin wie der linke ein Phenylring ist, wird bei Olanzapin wie bei Flumezapin durch einen Thiophenring mit einem Methylrest (Thienylring) gebildet. Wie bei Clozapin und Flumezapin ist an den Diazepinring in Position 4 ein Piperazinring mit einem an das Stickstoffatom bindenden Methylrest (Piperazinylring) angebunden. Anders als Clozapin und Flumezapin ist der Phenylring (A) bei Olanzapin weder in Position 7 noch in Position 8 halogeniert.
17
Nach den Angaben der Streitpatentschrift hat Olanzapin überraschende und exzellente Ergebnisse bei Screeningtests zur Untersuchung der Aktivität im zentralen Nervensystem gezeigt. Die Verbindung habe sich als wirksamer Dopamin -Antagonist erwiesen und bei der klinischen Evaluierung bei - mit geringerem Nebenwirkungsrisiko verbundenen - niedrigen Dosierungen hohe antipsychotische Wirkung gezeigt.
18
II. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 9 sei nicht neu, da durch den Aufsatz "4-Piperaninyl-10Hthieno [2,3-b][1,5]benzodiazepines as Potential Neuroleptics" von Chakrabarti et al in Journal of Medicinal Chemistry (J. Med. Chem.) 1980, 878 (Anl. K 4, Chakrabarti 1980) vorweggenommen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Gegenstand der (Olanzapin und seine Säureadditionssalze betreffenden ) Patentansprüche 1 bis 3 ist weder durch die Entgegenhaltung Chakrabarti 1980 noch sonst im Stand der Technik offenbart.
19
1. Zur Begründung seiner Auffassung hat das Patentgericht ausgeführt :
20
Die chemische Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10Hthieno [2,3-b][1,5]benzodiazepin sei in K 4 zwar nicht expressis verbis beschrieben. Der Offenbarungsgehalt einer vorveröffentlichten Druckschrift umfasse aber auch solche Abwandlungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer , weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne weiteres erschließen, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich mitliest , auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Diese Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHZ 128, 270, 276 f. - Elektrische Steckverbindung ) seien auch im Bereich der Stoffchemie mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine chemische Verbindung dann offenbart sei, wenn dem Fachmann ein konkreter Hinweis auf die betreffende Verbindung vermittelt werde, er also diese Verbindung in Gedanken ohne weiteres mitlese und aufgrund dieses Hinweises ohne weiteres in die Lage versetzt werde, den betreffenden Stoff in die Hand zu bekommen (BGHZ 103, 150 - Fluoran; Sen.Urt. v. 30.5.1978 - X ZR 16/76, GRUR 1978, 696 - α-Aminobenzylpenicillin).
21
Bei der Druckschrift K 4 handele es sich um eine wissenschaftliche Abhandlung , die sich ausweislich ihres Titels mit 4-Piperazinyl-10H-thieno[2,3-b] [1,5]benzodiazepinen als potentiellen Neuroleptika befasse. Das Potential dieser Titelverbindungen zur Anwendung als neuroleptische Wirkstoffe werde exemplarisch anhand von Versuchen mit insgesamt 45 Verbindungen am Tier aufgezeigt und außerdem mit Verbindungen davon zum Teil erheblich abweichender Struktur sowie mit als therapeutisch wirksam anerkannten Standardverbindungen verglichen. Im Textteil setze sich die Druckschrift im Wesentlichen mit der Beziehung zwischen Struktur und Wirkung (structure-activity relationship , SAR) von 4-Piperazinyl-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepinen auseinander ; daneben werde auch deren chemische Synthese beschrieben.
22
Ausgehend von der bereits im Titel benannten Verbindungsgruppe werde der Leser zu der erheblich enger gefassten, besonders bevorzugten pharmakologischen Leitstruktur der Formel I mit ihren beiden variablen Resten R1 und R2, dem eigentlichen Ziel der Studie, hingeführt (S. 878 re. Sp. unten i. V. m. S. 879 re. Sp. "4'-(N-Methylpiperazinyl) compounds are most active"). Tatsächlich stünden damit nicht 4-Piperazinyl-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepine allgemein , sondern speziell die 4'-(N-Methylpiperazinyl)-10H-thieno[2,3b] [1,5]benzodiazepine der Formel I mit den beiden variablen Resten R1 und R2 im Fokus der SAR-Studie. Der aufmerksame Leser könne deshalb auch nicht diejenigen Textstellen übersehen, in denen ausgehend von der vorangestellten Textstelle "4'-(N-Methylpiperazinyl) compounds are most active" zum Rest R1 der Formel I festgestellt werde, dass die Substitution des Phenylrings in Position 7, d.h. der Ersatz des Wasserstoffatoms in 7-Position durch ein Halogenatom (Cl, F) die Aktivität verbessere. Zum variablen Rest R2 werde des Weiteren ausgeführt, dass ein kurzkettiger Alkylrest (Me, Et, i-Pr) als Substituent in Position 2 des Thiophenrings die Aktivität zu erhöhen scheine. Diese Aussagen zur Relation zwischen Struktur und Wirkung (SAR) innerhalb der Gruppe der 4' (N-Methylpiperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepine der Formel I ba- sierten auf den Messwerten am Tier betreffend die Verbindungen der Tabelle 1, soweit sich diese auf die Formel I bezögen (Verbindungen 6 bis 30), in denen für R1 in 7-Position u.a. H, Cl, F und für R2 in 2-Position H, Me, Et, i-Pr stünden.
23
Die Offenbarung zu den Verbindungen der Formel I beschränke sich damit ersichtlich nicht auf die expressis verbis genannten Verbindungen 6 bis 30. Vielmehr stünden die aufgelisteten Verbindungen lediglich exemplarisch für sämtliche, unter Berücksichtigung der verschiedenen Bedeutungen der Reste R1 und R2 unter die allgemeine Formel I fallenden Verbindungen mit der Konsequenz , dass die stoffliche Lehre der K 4 sämtliche Verbindungen der Formel I einbeziehe, die sich aus der Kombination von in der Beschreibung oder in der Tabelle explizit genannten Substituenten R1 und R2 zwanglos ergäben, und zwar davon insbesondere diejenigen, die den exemplarisch tatsächlich hergestellten und auf ihre neuroleptische Aktivität hin untersuchten Verbindungen strukturell unmittelbar benachbart seien. Darüber hinaus werde anhand der Beschreibung aus dem stofflich und zahlenmäßig überschaubaren Kollektiv von Verbindungen der Formel I mit den beiden variablen Resten R1 und R2, das in der Tabelle 1 exemplarisch anhand der Verbindungen 6 bis 30 dargestellt sei, insbesondere jene sehr kleine Gruppe von Verbindungen näher identifiziert, deren Gruppenmitglieder in 7-Position Wasserstoff, Fluor oder Chlor und in 2Position Wasserstoff, Methyl, Ethyl oder Isopropyl aufwiesen, und dadurch gegenüber anderen Verbindungen der Formel I sowie der Tabelle 1 deutlich hervorgehoben. Aus dieser sehr kleinen Gruppe von lediglich zwölf Verbindungen stelle 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin damit eine bereits aus der K 4 unmittelbar zu entnehmende Ausführungsform der pharmakologischen Leitstruktur der allgemeinen Formel I mit der Bedeutung R1 = Wasserstoff in 7-Position und R2 = Methyl in 2-Position dar. Beide Substituenten seien als individuelle Substituenten expressis verbis genannt und in der Kombination 7-H, 2-CH3 als unmittelbar benachbart zu gleich drei expressis verbis beschriebenen Verbindungen, nämlich Nr. 6 (7-H, 2-C2H5), Nr. 8 (7-F, 2-
H) sowie Nr. 9 (7-F, 2-CH3) ohne Weiteres mitzulesen. Zwischen diesen drei unmittelbar benachbarten Verbindungen finde sich quasi eine durch die Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin aufzufüllende Lücke oder, photographisch betrachtet, das "Negativ" dieser Verbindung , welches es lediglich zu kopieren gelte.
24
Damit hat das Patentgericht den Bereich des durch Chakrabarti 1980 Offenbarten verkannt.
25
2. Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 407, 411 - Fahrzeugleitsystem; Benkard /Melullis, EPÜ, Art. 54 Rdn. 54; PatG, 10. Aufl., § 3 Rdn. 20 f.). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. In der Rechtsprechung des Senats und der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts wird dies auch dahin ausgedrückt, dass maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist (BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit; Sen.Urt. v. 30.1.2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597 Tz. 17 - Betonstraßenfertiger; EPA (GrBK) Amtsbl. 2001, 413 = GRUR Int. 2002, 80; EPA GRUR Int. 2008, 511 - Traction sheave elevator/KONE; s. dazu auch Benkard/Melullis, EPÜ aaO Rdn. 59; Rogge, GRUR 1996, 931, 934).
26
Hierzu steht es nicht in Widerspruch, dass der Senat insbesondere im Hinblick auf den Zweck der (gesonderten) Neuheitsprüfung, Doppelpatentierungen zu vermeiden, eine Ausdehnung des neuheitsschädlich Offenbarten über den "reinen Wortlaut" hinaus für unabdingbar gehalten hat (BGHZ 128, 270, 277 - Elektrische Steckverbindung). Die Erfassung desjenigen, was in den Merkmalen des Patentanspruchs und im Wortlaut der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der Sicht des Fachmanns jedoch nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich oder unerlässlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf (BGHZ 128, 270, 276), zielt nicht auf eine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern, nicht anders als bei der Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs, auf die Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (Benkard/Melullis aaO Rdn. 75). Nichts anderes gilt für die in der Entscheidung "Elektrische Steckverbindung" weiterhin in den Offenbarungsgehalt einbezogenen Abwandlungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen , dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne weiteres erschließen, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist (BGHZ 128, 270, 276 f.). Das Wort "naheliegen" mag in diesem Zusammenhang vordergründig auf den Äquivalenzbereich hinweisen. Der Begriff des Mitlesens macht jedoch deutlich, dass es nicht um die Einbeziehung von Austauschmitteln geht, sondern darum, die technische Information, die der Fachmann durch eine Schrift erhält, in ihrer Gesamtheit zu erfassen (vgl. Rogge , GRUR 1996, 931, 935). Abwandlungen und Weiterentwicklungen dieser Information gehören ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen Schlussfolgerungen , die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhaltenen technischen Information ziehen mag (Benkard/Melullis, EPÜ, aaO Rdn. 68, 71, 77; PatG, aaO Rdn. 35 f.; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 3 Rdn. 100).
27
Diese Grundsätze gelten, wie das Patentgericht insoweit zutreffend angenommen hat, auch im Bereich der Stoffchemie und insbesondere auch bei der Beurteilung des Informationsgehalts einer Strukturformel. Dass eine chemische Verbindung unter eine vorveröffentlichte Formel fällt, besagt deshalb für die Offenbarung der konkreten Verbindung ebenso wenig wie der Umstand, dass die konkrete Ausführungsform einer Vorrichtung unter einen allgemein formulierten Vorrichtungsanspruch fällt, etwas über die Offenbarung dieser konkreten Ausführungsform aussagt (BGHZ 103, 150, 157 - Fluoran). Maßgeblich ist vielmehr, ob die konkrete Verbindung offenbart wird. Dazu bedarf es Angaben , die den Fachmann ohne weiteres in die Lage versetzen, die eben diese chemische Verbindung betreffende Erfindung auszuführen, d.h. den betreffenden Stoff in die Hand zu bekommen (BGH aaO).
28
Hierbei darf, wiederum nicht anders als bei Vorrichtungspatenten, die Fähigkeit des Fachmanns, mit Hilfe bekannter Verfahren und seines sonstigen Fachwissens eine mehr oder weniger große Anzahl von Einzelverbindungen herzustellen, die unter eine offenbarte Strukturformel fallen, nicht mit der Offenbarung dieser Einzelverbindungen gleichgesetzt werden (Sen.Urt. v. 30.9.1999 - X ZR 168/96, GRUR 2000, 296, 297 - Schmierfettzusammensetzung). Vielmehr stellen die Einzelverbindungen, jedenfalls regelmäßig, Nutzanwendungen der technischen Information dar, die dem Fachmann durch die Offenbarung der Strukturformel oder sonst einer allgemeineren Formel gegeben wird. Durch deren Mitteilung sind die darunter fallenden einzelnen Verbindungen als solche nicht offenbart; um sie dem Fachmann im Sinne der Neuheitsprüfung "in die Hand zu geben", bedarf es in der Regel weitergehender Informationen insbesondere zu ihrer Individualisierung. Soweit der noch zum Patentgesetz 1968 ergangenen Entscheidung "Fluoran", in der der Senat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren an die Feststellung des Patentgerichts gebunden gesehen hat, dem Fachmann seien durch eine allgemeine Formel fast 2000 unter die betreffende Formel fallende Einzelverbindungen als herstellbar offenbart, etwas an- deres zu entnehmen sein sollte, wird daran für das geltende Recht nicht festgehalten. Als offenbart kann eine nicht ausdrücklich genannte Einzelverbindung vielmehr nur dann gelten, wenn der Fachmann sie im vorstehend ausgeführten Sinne "mitliest", etwa weil sie ihm als die übliche Verwirklichungsform der genannten allgemeinen Formel geläufig ist und sich ihm daher sofort als jedenfalls auch gemeint aufdrängt, wenn er die allgemeine Formel liest.
29
Der Senat sieht sich mit dieser allgemeinen Beurteilung des Offenbarungsgehalts chemischer Formeln im Wesentlichen in Einklang mit der - auch vom High Court für England und Wales (Floyd J.) in dem das Streitpatent betreffenden Nichtigkeitsverfahren zugrunde gelegten ([2008] EWHC 2345 (Pat)) - Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts , nach der nur solche technische Lehren neuheitsschädlich sind, die einen Stoff als zwangsläufiges Ergebnis eines vorbeschriebenen Verfahrens oder in spezifischer, d.h. individualisierter, Form offenbaren (Amtsbl. 1982, 296 - Diastereomere/BAYER; Amtsbl. 1984, 401 - Spiroverbindungen/CIBA GEIGY; Amtsbl. 1988, 381 - Xanthines/DRACO; Amtsbl. 1990, 195 - Enantiomere /HOECHST; Entscheidung vom 19.2.2003 - T 940/98 - Diastereomere des 3Cephem -4-carbonsäure-1-(isopropoxycarbonyloxy)ethylesters/HOECHST).
30
3. Für den Streitfall folgt hieraus:
31
Chakrabarti 1980 gibt mit der nachfolgend wiedergegebenen Formel I auf S. 878 unten eine Strukturformel für 4'-(N-Methylpiperazinyl)-10H-thieno[2,3b ][1,5]benzodiazepine mit den Substituenten R1 und R2 an.
Es kann offenbleiben, ob diese Formel, obwohl die Schrift keine aus32 drücklichen Substituentenlisten enthält, aufgrund der in Tabelle 1 aufgeführten, von den Verfassern tatsächlich verwendeten Substituenten als sogenannte Markush-Formel gelesen werden kann, bei der R1 Wasserstoff, Fluor oder Chlor und R2 Wasserstoff, Methyl, Ethyl oder Isopropyl sein kann. Denn die erfindungsgemäße Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno [2,3b ][1,5]benzodiazepin, bei der R1 Wasserstoff und R2 Methyl ist, ist damit noch nicht offenbart. Sie ist lediglich eine von zwölf Verbindungen, die der Fachmann , ein mit Pharmakologen und Medizinern zusammenarbeitender erfahrener organischer oder pharmazeutischer Chemiker, bei der gedanklichen Aufstellung der Substituentenlisten als unter die allgemeine Formel fallend erkennen kann. Sie ist aber weder in Tabelle 1 der Schrift als von den Verfassern hergestellte Einzelverbindung aufgeführt, noch im Text der Abhandlung an irgendeiner Stelle erwähnt.
33
Es lässt sich auch nicht sagen, dass der Fachmann die individuelle Verbindung gleichwohl "mitlese". Das würde voraussetzen, dass sich dem Fachmann beim Lesen der Strukturformel und der (gedachten) Substituentenlisten sogleich die Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b] [1,5]benzodiazepin als gemeint aufdrängt. Dafür gibt es weder im Vorbringen der Parteien einen Anhalt, noch haben hierfür die erst- und die zweitinstanzliche Beweisaufnahme etwas erbracht.
34
Die Erwägungen des Patentgerichts tragen diese Annahme ebenfalls nicht. Sie befassen sich, ausgehend von der Formel I und dem Hinweis "4'-(NMethylpiperazinyl ) compounds are most active" mit der Frage, inwieweit der Fachmann Veranlassung hat, sich außer den hergestellten und diskutierten Einzelverbindungen auch mit 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno [2,3-b][1,5]benzodiazepin zu befassen. Das Patentgericht sieht dies deshalb als veranlasst an, weil die Substituenten R1 = H in 7-Position und R2 = CH3 in 2- Position als individuelle Substituenten expressis verbis genannt und in der Kombination 7-H, 2-CH3 unmittelbar benachbart zu gleich drei ausdrücklich beschriebenen Verbindungen, nämlich Nr. 6 (7-H, 2-C2H5), Nr. 8 (7-F, 2-H) sowie Nr. 9 (7-F, 2-CH3) seien. Damit hat das Patentgericht jedoch den Bereich der Ermittlung der Offenbarung der Vorveröffentlichung verlassen und sich der Frage zugewandt, was den Fachmann dazu veranlassen (oder möglicherweise auch drängen) könnte, eine weitere "Ausführungsform" der in Formel I definierten Gruppe von 4'-(N-Methylpiperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepinen in den Blick zu nehmen und damit, wie es das Patentgericht ausgedrückt hat, eine "Lücke" in der Tabelle 1 der Schrift zu füllen. Eine solche Untersuchung ist indessen der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit vorbehalten.
35
Dass sich das Patentgericht bei seiner Untersuchung außerhalb des Offenbarungsgehalts der Veröffentlichung bewegt, wird auch daran deutlich, dass sich die Füllung der vermeintlichen Lücke in Tabelle 1 gar nicht bewerkstelligen ließe, ohne die Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3b ][1,5]benzodiazepin zunächst herzustellen und sodann mit ihr diejenigen Versuche auszuführen, die die Verfasser der Abhandlung mit den von ihnen synthetisierten Verbindungen durchgeführt haben. Denn über die in der Tabelle ausgewiesenen experimentellen Werte wie die CAR- und CAT-Werte für Olanzapin könnte der Fachmann nur spekulieren.
36
4. Ebenso wenig ist Olanzapin in der britischen Patentschrift 1 533 235 (Anl. K 2), der dieser Patentschrift zugrunde liegenden Anmeldung 51 240 (Anl. K 35) oder einer der weiteren, auf diese Prioritätsanmeldung zurückgehenden Patentanmeldungen und Patentschriften (der deutschen Offenlegungsschrift 25 52 403 [Anl. RA 1], dem deutschen Patent 25 52 403 [Anl. RA 2 = Anl. N 10] und dem US-Patent 4 115 574 [Anl. K 10]) offenbart. Die in diesen Vorveröffentlichungen enthaltenen allgemeinen Formeln sind jeweils noch weit breiter gefasst als in der Abhandlung Chakrabarti 1980; 2-Methyl-4-(4- methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin ist weder hergestellt noch sonst erwähnt worden.
37
Nichts anderes gilt, soweit die britische Patentanmeldung als "preferred compounds falling within the scope of compounds defined in any of formulae (I) - (VII) above … those having one or more of the following charakterictics" erwähnt und unter den insgesamt 14 "Charakteristika" unter (J) die Strukturformeln II oder V, von denen die Formel II das Ringsystem von Olanzapin mit den Substituenten R1 und R2 des Benzolrings und den Substituenten R5 des Diazepinrings aufweist, (E) R1 und R2 mit Wasserstoff,
(I)
R5 als eine Gruppe der Formel N N – R6 wobei R6 Methyl, Carbothoxy oder Phenyl, insbesondere oMethoxyphenyl ist, (K) den Thiophenring als durch eine C1-4-Alkylgruppe wie Ethyl substituiert angibt. Kombiniert man diese "Charakteristika", ist zwar Olanzapin eine der unter diese Kombination fallenden Verbindungen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Verbindung als solche nicht offenbart ist und erst erhalten wird, wenn nicht nur die "Charakteristika" J, E, I und K kombiniert werden, sondern auch bei I und K jeweils Methyl ausgewählt wird. Entsprechend verhält es sich bei den Patentansprüchen 2 und 3 des deutschen Patents 25 52 403, die auf Thieno [1,5]benzodiazepine der allgemeinen Formel I' nach Anspruch 1 gerichtet sind, worin R1 und R2 unabhängig voneinander jeweils Wasserstoff, Halogen oder C1-4-Halogenalkyl bedeuten und Y (richtig: R5) eine Gruppe der Formel N N – R6 ist, wobei R6 Methyl bedeutet, und der Thiophenring durch eine C1-4-Alkylgruppe substituiert ist.
38
Auch die Erwähnung von 2-Ethyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10Hthieno [2,3-b][1,5]benzodiazepin ("Ethyl-Olanzapin") als erste der für "besonders bevorzugte Verbindungen" genannten mehr als 70 Beispiele (GB 51 240 A, S. 8 Z. 20; DE 25 52 403 C2 S. 7 Z. 15-17) ändert daran nichts. Ein EthylSubstituent ist aus fachmännischer Sicht kein Methyl-Substituent; der Austausch einer Alkylgruppe gegen eine andere ist vielmehr eine Abwandlung der Verbindung, die gegebenenfalls naheliegen oder sich auch geradezu aufdrängen mag, aber nicht Inhalt der Offenbarung einer bestimmten Alkylverbindung ist. Dies gilt zumal im pharmazeutischen Kontext, in dem dem Fachmann, wie der Gutachter Prof. Dr. Dannhardt der Beklagten unwidersprochen dargelegt hat (Anl. B 51, S. 4) und das Gutachten bestätigt, das Prof. Dr. Dr. Mutschler für die Streithelferin zu 2 der Klägerin zu 1 erstattet hat (Anl. RA 3, S. 2 f.), eine Reihe von Verbindungen bekannt sind, die trotz identischer Struktur aufgrund ihrer unterschiedlichen Methyl- bzw. Ethylseitenketten deutlich unterschiedliche biologische Aktivität zeigen.
39
5. Schließlich ist Olanzapin auch nicht in der Abhandlung "A FreeWilson Study of 4-Piperazinyl-10H-thienobenzodiazepine Analogues" von Schauzu und Mager (Pharmazie 38 [1983], 562, Anl. K 6) offenbart.
40
Bei einer Free-Wilson-Analyse handelt es sich um ein mathematisches Verfahren zur Ermittlung des quantitativen Gewichts, das ein einzelner Substituent einer Verbindung an einer gegebenen biologischen Aktivität dieser Verbindung hat.
41
In Tabelle 1 der Abhandlung sind zwar für die analysierte Verbindung 11 als Substituenten R1 und R2 Wasserstoff und Methyl genannt. Die der Tabelle vorangestellte Strukturformel zeigt jedoch keine Piperazinyl-, sondern Piperidinylverbindungen. Es besteht somit ein Widerspruch zwischen Strukturformel und Titel der Arbeit. Der Fachmann wird zumindest aus diesem Grund die in der Arbeit von Schauzu und Mager zitierte Referenz für die zugrunde gelegten experimentellen Daten zu Rate ziehen. Dabei handelt es sich um die Arbeit "Effects of Conformationally Restricted 4-Piperazinyl-10H-thienobenzodiazepine Neuroleptics on Central Dopaminergic and Cholinergic Systems" von Chakrabarti et al. in J. Med. Chem. 1982, 1133 (Anl. B 41, Chakrabarti 1982). Dieser Abhandlung ist auf S. 1135 die - dem Titel der Arbeit von Schauzu entsprechende - Strukturformel für die untersuchten 4-Piperazinyl-10H-thienobenzodiazepine zu entnehmen. Die Verbindungen 1 bis 12 sowie die Vergleichsverbindungen Clozapin und Haloperidol sind - in anderer Reihenfolge - identisch mit den von Schauzu analysierten; die experimentellen IC50-Werte bei Chakrabarti 1982 entsprechen, wie die Beklagte unwidersprochen dargetan hat, (bis auf zwei Rundungsfehler) umgerechnet den Werten in der Spalte "log I50 obtd." bei Schauzu. Aus fachmännischer Sicht ergibt sich somit, dass die fehlerhafte Strukturformel bei Schauzu in Übereinstimmung mit der Strukturformel bei Chakrabarti 1982 zu korrigieren ist.
42
Die Strukturformel in Tabelle 1 bei Chakrabarti 1982 zeigt aber auch, dass der linke Phenylring einen Halogensubstituenten in Gestalt eines 7-Fluorrestes trägt, der bei der ohnehin fehlerhaften Darstellung bei Schauzu am linken Rand der Textspalte "abgeschnitten" ist. Die als Nr. 11 bei Schauzu offenbarte Verbindung ist somit nicht Olanzapin, sondern Flumezapin.
43
III. Verhandlung und Beweisaufnahme haben auch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Gegenstand des Streitpatents dem Fachmann am Prioritätstag durch die Schrift Chakrabarti 1980 oder auf andere Weise nahegelegt war.
44
1. Von Chakrabarti und seinen Mitautoren wird dargelegt, dass bis vor kurzem angenommen worden sei, das Auftreten extrapyramidaler Nebenwirkungen stehe in engem Zusammenhang mit der therapeutischen Wirksamkeit von Neuroleptika. Inzwischen gehe man jedoch davon aus, dass die extrapyramidalen Symptome durch eine Blockade der Dopaminrezeptoren im Striatum hervorgerufen werde, während die antipsychotische Wirkung durch eine ähnliche Interaktion in der mesolimbischen Hirnregion bedingt sei. Daraus wird die Erwartung abgeleitet, dass eine Verbindung mit einer spezifischeren Wirkung auf die dopaminergen Rezeptoren im mesolimbischen System eine geringere Katalepsie bei Tieren bewirken und auch beim Menschen weniger extrapyramidale Symptome hervorrufen werde.
45
Es werden sodann die mit Clozapin gemachten Erfahrungen erörtert. In diesem Zusammenhang heißt es, jüngste Studien deuteten darauf hin, dass Clozapin - wie nach dem Vorstehenden wünschenswert - im mesolimbischen System aktiver als im striatalen sei. Clozapin unterscheide sich chemisch von anderen Neuroleptika der Dibenzozepinreihe durch eine Substitution mit einem Chloratom in Position 8 (Ring A), jedoch nicht in Position 2 (Ring C). Hingegen verhalte sich sein Ring-C-substituiertes 2-Chlor-Isomer wie ein klassisches Neuroleptikum. Ähnliche Veränderungen des Aktivitätsprofils seien auch für Oc- toclothepin und Doclothepin berichtet worden. Für die tiefgreifende Veränderung der Aktivität durch die Transposition der Halogensubstitution gebe es keine eindeutige Erklärung.
46
Die Autoren bilden vor diesem Hintergrund die Hypothese, dass die Ursache für die unterschiedliche Aktivität darin liegen könne, dass die Verschiebung der nuklearen Substitution zu einem elektronischen Ungleichgewicht zwischen den beiden Benzolringen des asymmetrischen trizyklischen Systems führe. Da ähnliche Effekte durch geeignete Heteroarengruppen an Stelle eines Benzolrings erzielt werden könnten, sei es interessant zu untersuchen, ob Verbindungen wie diejenigen der Formel I, bei der der Benzolring C durch einen relativ elektronenreichen Thiophenring ersetzt werde, zu einer ähnlichen biologischen Reaktion wie nicht-klassische Neuroleptika (wie Clozapin) führten.
47
Diesem Ziel dient die Synthese einer Reihe von 4-substituierten 10HThieno [2,3-b][1,5]benzodiazepinen und deren Vergleich mit bekannten Antipsychotika , über die nachfolgend berichtet wird. Dazu wird einleitend weiter erläutert , dass bei den synthetisierten Verbindungen Modifikationen an den Substituenten des Phenylrings und des Thiophenrings sowie geeignete Veränderungen der basischen Seitenkette vorgenommen worden seien, um den Zusammenhang zwischen Struktur und Aktivität zu untersuchen. Die neuroleptische Aktivität sei anhand der Fähigkeit beurteilt worden, bei Mäusen eine Hypothermie zu produzieren und bei Ratten eine konditionierte Vermeidungsreaktion (conditioned avoidance response, CAR) zu blockieren und eine Katalepsie (CAT) hervorzurufen.
48
Die insgesamt 59 synthetisierten Verbindungen und die für diese ermittelten CAR- und CAT-Werte werden in Tabelle 1 wiedergegeben und in dem Kapitel "Structure-Activity Relationships" diskutiert. Es wird dabei als (aufgrund der ermittelten Daten) evident bezeichnet, dass ein basischer und in Position 4 mit dem Thienobenzodiazepinring verbundener Piperanzinring unerlässlich sei.
Am aktivsten seien 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen. Eine höhere Alkylsubstitution (Et, n-Pr) (Verbindungen 31 bis 33) bewirke eine Reduktion der Aktivität. Dagegen behielten die Verbindungen 34 bis 36 mit 4'-[N-(Hydroxyalkyl)]- gruppen (2-Hydroxyethyl, 3-Hydroxypropyl) eine gute Aktivität. Die Substitution des Phenylrings mit einem Halogenatom (Cl, F) in Position 7 verstärkte die Aktivität. Obwohl die 7,8-Difluorverbindung (Verbindung 29) eine gute Aktivität behalten habe, zeigten die 8-Fluor- und 6,8-Difluor-Positionsisomerverbindungen (27 und 30) eine verminderte Aktivität. Das 8-Methyl-Derivat (28) weise eine mittlere Aktivität auf, wohingegen die Substitution in Position 7 mit NO2, SCH3, SO2CH3 und SO2N(CH3)2 (23 bis 26) keinen Vorteil ergeben habe. Eine kurze Alkylsubstitution (Me, Et, i-Pr) in Position 2 des Thiophenrings scheine die Aktivität zu erhöhen. Verbindungen mit einer sperrigen t-Bu-Gruppe oder einer langen n-Hexankette in dieser Position oder mit 3-Methyl- oder 2,3Dialkylsubstituenten zeigten nur eine minimale Aktivität. Von den beiden Umsetzungsprodukten , die durch Oxidation der Ethylseitenkette von Verbindung 12 entstanden seien, habe Verbindung 15 mit einer 1'-Hydroxylethylkette eine mittelmäßige Aktivität behalten, während die andere Verbindung (16) mit einer elektronenziehenden Acetylgruppe inaktiv gewesen sei.
49
Die berichteten Tests korrelierten mit der Fähigkeit der Verbindung, Dopaminrezeptoren zu blockieren. Einige Verbindungen, z.B. 9, 12, 17, 29 und 34, hätten sich als aktiver als Clozapin erwiesen und eine ähnliche, wenn auch weniger deutliche Trennung der Aktivität im CAR- und CAT-Test gezeigt. Dieses Aktivitätsprofil erfordere, so resümieren die Autoren, eine weitere Entwicklung dieser Klasse von Verbindungen.
50
2. Die Autoren finden somit grundsätzlich die Hypothese bestätigt oder jedenfalls nicht widerlegt, sondern eine weitere Untersuchung rechtfertigend , dass Verbindungen wie diejenigen der Formel I, bei der der Benzolring C durch einen relativ elektronenreichen Thiophenring ersetzt ist, zu einer ähnli- chen biologischen Reaktion wie Clozapin oder andere nicht-klassische Neuroleptika führen (können). Die Verbindungen 9 (= Flumezapin), 12, 17, 29 und 34 werden dafür ausdrücklich nur als Beispiele genannt. Da 4'-(N-Methylpiperazinyl )-Verbindungen als die aktivsten bezeichnet werden, mag dem Patentgericht in der Annahme gefolgt werden, dass der Fachmann, der der Frage nach einer Clozapin-Alternative weiter nachgehen will, Veranlassung hat, sich insbesondere diesen Verbindungen zuzuwenden. Gleichwohl liegt hierin ein erster nicht ganz selbstverständlicher Schritt, da er zum einen voraussetzt, dass der Fachmann überhaupt Chakrabarti 1980 zum Ausgangspunkt weiterer Bemühungen wählt, und zum anderen die Formel I auf S. 878 unten nur beispielhaft genannt wird ("such as I") und die linke Strukturformel in der Oberzeile der Tabelle 1 (zu der die synthetisierten Verbindungen 1-45 gehören) erheblich weiter ist und insgesamt 1.452 Verbindungen umfasst.
51
Diese erste Auswahlentscheidung kann auch nicht mit der Erwägung vernachlässigt werden, dass der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit stets der nächstkommende Stand der Technik zugrunde zu legen wäre und dieser hier in den von Chakrabarti beschriebenen 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen oder gar einer bestimmten Verbindung aus dieser Gruppe läge. Ein solcher Vorrang des "nächstkommenden Standes der Technik" besteht nicht. Erst aus rückschauender Sicht wird erkennbar, welche Vorveröffentlichung der Erfindung am nächsten kommt und wie der Entwickler hätte ansetzen können, um zu der erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen. Die Wahl des Ausgangspunktes bedarf daher der Rechtfertigung, die in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns liegt, für einen bestimmten Zweck eine bessere Lösung zu finden, als sie der bekannte Stand der Technik zur Verfügung stellt.
52
Bei den 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen handelt es sich immer noch um eine relativ große Gruppe von Verbindungen, von denen 24 synthetisiert worden sind (Verbindungen 6 bis 30), die jedoch, schon wenn nur die in Tabelle 1 aufgeführten Substituenten berücksichtigt werden, insgesamt (11 x 11 =) 121 Verbindungen umfasst (vgl. Gutachten Prof. Dr. Kleemann [Anl. RA 5, S. 2] und Gutachten Prof. Dr. Ritter [Anl. RA 8, S. 3 f.]). Um 2-Methyl-4-(4-methyl1 -piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin als einen Kandidaten für die Synthetisierung und weitere CAR- und CAT-Tests nahezulegen, bedürfte es daher zusätzlicher Hinweise, die dem Fachmann innerhalb der Gruppe der 4' (N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen eine Eingrenzung der Kandidaten nach Kriterien erlauben, die 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3b ][1,5]benzodiazepin einschließen. Solche Hinweise zur Eingrenzung einer engeren Gruppe interessanter Verbindungen sind Chakrabarti 1980 auch zu entnehmen. Sie schließen jedoch Olanzapin nicht ein.
53
Die maßgeblichen Hinweise hat das Patentgericht bereits herausgearbeitet : Sie ergeben sich aus der Bewertung, dass die Substitution des Phenylrings mit einem Halogenatom (Cl, F) in Position 7 die Aktivität verstärkt habe, sowie aus dem vorsichtiger formulierten Hinweis, dass eine kurze Alkylsubstitution (Me, Et, i-Pr) in Position 2 des Thiophenrings die Aktivität zu erhöhen scheine. Der Fachmann wird damit zu den Verbindungen mit einem Halogenatom, namentlich einem Fluoratom, in Position 7 hingelenkt. Andere Substituenten in Position 7 werden als ungünstiger bezeichnet, lediglich von der Verbindung 29 mit dem Substituenten 7,8-F2 heißt es, dass er eine gute Aktivität behalten habe (CAR 3 [10], CAT 3 [25]; in eckigen Klammern ist die Dosierung in Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht angegeben: der CAT-Wert wird somit erst bei dem 2,5 fachen der für den CAR-Wert 3 notwendigen Dosierung erreicht). Die Verbindungen mit nicht halogeniertem Benzolring (6 und 7) werden gar nicht erst erwähnt. Dass sie ähnlich der 7,8-Difluorverbindung wenigstens eine gute Aktivität zeigen, erschließt sich dem Fachmann nicht. Chakrabarti 1980 setzt dafür einen CAR-Wert von 3 voraus, wie sich außer an der Verbindung 29 auch daran zeigt, dass die als beispielhaft für mögliche interessante Verbindungen genannten sämtlich einen CAR-Wert von 3 oder 4 (sowie ein günstiges CARCAT -Verhältnis) aufweisen. Für die nicht-halogenierte (im Übrigen aber mit einem Ehthylrest am Thiophen der fluorsubstituierten Verbindung 12 entsprechende ) Verbindung 6 ist jedoch lediglich ein CAR-Wert von 2 [10] (bei CAT 1 [16]) angegeben, der CAR-Wert für die Verbindung 7 ist 0 [10]; sie ist daher auf den CAT-Wert nicht getestet worden.
54
Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der CAR-Wert ein relativ grobes Raster darstelle. Ein Wert von 2 bedeutet, wie Chakrabarti et al. in Fußnote d erläutern, eine Hemmung von 31 bis 50 % des erlernten Verhaltens zur Vermeidung eines unangenehmen Reizes, ein Wert von 3 entspricht einer Hemmung von 51 bis 75 %. Wenn daher, wie die Gutachter Dr. Ellenbroek (Anl. B 53, S. 8), Prof. Dr. Greksch (Anl. B 55, S. 3) und Prof. Dr. Hiemke (Anl. B 56, S. 2 f.) unwidersprochen ausgeführt haben, eine Hemmung von 70 bis 80 % für wichtig gehalten worden ist, lag ein CAR-Wert von 2 deutlich außerhalb desjenigen Bereichs, der dem nacharbeitenden Fachmann nach den gegebenen Informationen für weitergehende Forschungen interessant und erfolgversprechend erscheinen musste.
55
An diesem Befund ändert es auch nichts, dass Chakrabarti et al. die kurze Alkylsubstitution in Position 2 des Thiophenrings, die die Aktivität zu erhöhen "scheine", nicht ausdrücklich zu der Halogenierung des Aromaten in Beziehung setzen. Denn da von den 48 synthetisierten 4-Piperazinylthieno[2,3-b][1,5]benzodiazepinen in Tabelle 1 überhaupt nur zehn keinen Substituenten am Aromaten haben und bei acht von diesen zehn wiederum der Substituent in Position 2 des Thiophenrings Ethyl ist, wird, wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen bestätigt hat, aufgrund der durchweg schlechten Aktivität dieser Verbindungen und mangels Vergleichswerten zu nicht alkylsubstituierten Verbindungen ersichtlich, dass die Vermutung von der günstigen Wirkung der kurzen Alkylsubstitution in Position 2 des Thiophenrings auf die Testergebnisse der halogenierten Verbindungen gestützt ist (vgl. auch Gutachten Prof. Dr. Dannhardt, Anl. B 51, S. 5).
56
So zutreffend daher der Hinweis der Klägerinnen und ihrer Streithelferinnen ist, dass die Untersuchung primär nicht auf die Auswirkung der Halogenierung des Benzolrings, sondern auf die Auswirkung eines elektronenreichen Rings wie des Thiophenrings auf das Aktivitätsprofil angelegt ist, so wenig kann außer Betracht bleiben, dass die Ergebnisse der Untersuchung die halogensubstituierten Verbindungen - in Übereinstimmung mit der Bedeutung, die im Prioritätszeitpunkt auch sonst elektronenziehenden Substituenten, wie sie Chlorpromazin , Haloperidol und auch Clozapin haben, häufig beigemessen worden ist (vgl. Kaiser/Setler in Burger's Medicinal Chemistry, 4. Aufl. [Anl. E 16], S. 912; gutachtliche Äußerung Dr. Ellenbroek [Anl. E 18], S. 5 mit Literaturzitaten; gutachtliche Äußerung Prof. Dr. Hippius [Anl. B 52], S. 3; gutachtliche Äußerung Prof. Nichols [Anl. E 12] Tz. 26 ff.; gutachtliche Äußerung Prof. Dr. Oßwald [Anl. K 25], S. 4) - als diejenigen ausweisen, die vornehmlich weitere Aufmerksamkeit verdienen.
57
Zwar mag der Fachmann einen solchen Fokus nicht für zwingend halten. Sieht man von ihm ab, gibt es aber auch keinen zureichenden Grund, sich auf 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen zu beschränken. Denn auch diese werden zwar als die aktivsten bezeichnet, Alternativen sind deswegen jedoch nicht von vornherein zu verwerfen. Dies wird schon dadurch deutlich, dass die Verbindung 34, bei der R = (CH2)2OH und R1 wiederum Wasserstoff ist und die einen CAR-Wert von 4 [20] bei einem CAT-Wert von 2 [20] aufweist, ebenfalls zu den von den Autoren im Resümee als ein Beispiel für die weiterer Entwicklung bedürftige Stoffgruppe bezeichnet wird.
58
3. Auch unter Berücksichtigung der übrigen in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen ist der Gegenstand des Streitpatents nicht nahegelegt. Was Hinweise anbelangt, die den Fachmann dazu veranlassen könnten, insbesondere der Gruppe der 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen weiter nachzugehen und diese Gruppe nach Kriterien einzugrenzen, die 2-Methyl-4-(4methyl -1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin einschließen, gehen die britische Patentschrift 1 533 235 (K 2) und die weiteren, auf die dieser Patentschrift zugrunde liegende Prioritätsanmeldung zurückgehenden Schriften (die deutsche Offenlegungsschrift 25 52 403 [Anl. RA 1], das deutsche Patent 25 52 403 [Anl. RA 2 = Anl. N 10] und das US-Patent 4 115 574 [Anl. K 10]) über Chakrabarti 1980 nicht hinaus. Auch der gerichtliche Sachverständige hat hierfür keinen Anhaltspunkt gesehen. Der europäischen Patentanmeldung 354 781 (Anl. K 30), die keine Thieno-, sondern Thiazolobenzodiazepine betrifft, und der US-Patentschrift 4 216 148 (Anl. K 34), bei deren Verbindungen der Thienoring nicht substituiert ist, ist dazu ebenfalls nichts Weiterführendes zu entnehmen.
59
4. Die Patentansprüche 4 bis 19 werden von der Patentfähigkeit des Gegenstands der Patentansprüche 1 bis 3 getragen.
60
IV. Auch im Umfang der Patentansprüche 20 bis 22 liegen die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung des Streitpatents nicht vor.
61
1. Das Patentgericht hat hierzu ausgeführt: Die Herstellung von 2Methyl -4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin erschließe sich dem fachkundigen Leser unmittelbar aus dem in Anl. K 4 (Chakrabarti 1980) angegebenen Syntheseschema I in Verbindung mit Tabelle II sowie den Ausführungen in den Abschnitten "Chemistry" und "Experimental Section". Demnach sei auch eine Zwischenverbindung mit R1 = H in Position 7 des Phenylrings sowie mit R2 = CH3 in Position 2 des Thienylrings als 4-Ketobzw. in tautomerer Form als 4-Hydroxy-Zwischenverbindung in der Tabelle II mitzulesen. Dass anstelle der 4-Keto-Zwischenverbindungen ebenso deren 4Thio -Derivate herstellbar und als Zwischenverbindungen geeignet seien, lasse sich dem experimentellen Teil der K 4 direkt entnehmen. Entsprechendes gelte für ein über diese Zwischenverbindungen führendes Verfahren. In der Bedeutung Q = NH2 sei die 4-Amino-Zwischenverbindung gemäß Patentansprüchen 21 und 22 zwar aus der K 4 nicht expressis verbis zu entnehmen. Sie sei jedoch dem Fachmann als offensichtliche Vorstufe einer 4-Keto-Verbindung ohnehin geläufig. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Herstellbarkeit des 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepins mit den angegebenen Arbeitsweisen nicht ohne Weiteres gegeben sein sollte. Denn die nicht fluorierte Verbindung Nr. 60 aus Tabelle II weise in Position 2 des Thienylrings anstelle der Methylgruppe die strukturell nächstkommende homologe Ethylgruppe auf, so dass in Analogie dazu weder an der Verfügbarkeit der erforderlichen unsubstituierten bzw. anstelle von Ethyl durch Methyl substituierten Edukte noch an dem Gelingen der chemischen Synthese zu den entsprechenden Endprodukten gemäß dem in K 4 angegebenen Syntheseverfahren A auch nur der geringste Zweifel bestehe.
62
2. Diese Ausführungen tragen aus den zu II 3 ausgeführten Gründen nicht die Annahme, das erfindungsgemäße Verfahren sei durch Chakrabarti 1980 vorweggenommen. Sie rechtfertigen aber auch nicht die Annahme, das Verfahren habe für den Fachmann nahegelegen. Ihm mag zwar die theoretische Möglichkeit zur Verfügung gestanden haben, mit den Angaben bei Chakrabarti zum Herstellungsverfahren und zu den dabei erhältlichen Zwischenprodukten auch 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b] [1,5]benzodiazepin herzustellen. Nahegelegt war das Verfahren aber erst dann, wenn für den Fachmann auch Veranlassung zu der Herstellung von 2-Methyl-4 (4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin bestand. Dies war, wie ausgeführt, im Prioritätszeitpunkt nicht der Fall.
63
Für die Zwischenprodukte des Verfahrens gilt Entsprechendes.
64
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 2 ZPO (vgl. Sen.Urt. v. 16.10.2007 - X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 Tz. 44 - Sammelhefter II).
Melullis Mühlens Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.06.2007 - 3 Ni 21/04 (EU) -

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)