Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2016 - 9 A 248/14
Gericht
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Vorauszahlung von mehr als 8.042,30 € festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Vorauszahlungsbescheid der Beklagten.
- 2
Sie ist Eigentümerin des 3.356 qm großen Grundstücks Dorfstr. xx (Flur x, Flurstück xx, Gemarkung Klein Niendorf), das von der Dorfstraße über einen privaten Stichweg erreichbar und mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebaut ist.
- 3
Die Stadtvertretung der Beklagten beschloss im Juli 2008 die umfassende Erneuerung der Dorfstraße in dem Bereich zwischen der Einmündung des Kühneweges und dem Hamdorfer Weg. Fahrbahn und Gehwege sollten dabei mit einem frostsicheren tragfähigen Unterbau versehen werden. Die Gehwege sollten z.T. verbreitert werden und Betonpflaster erhalten. Die Planung sah darüber hinaus die Erneuerung der Straßenbeleuchtung mit 11 statt vorher 6 Leuchten sowie die Verlängerung des Regenwasserkanals um 130 m vor. Die Sickerschächte sollten durch neue, an den Regenwasserkanal angeschlossene Straßenabläufe ersetzt werden.
- 4
Mit den Bauarbeiten wurde im Frühjahr 2013 begonnen.
- 5
Die Beklagte entschied sich für die Erhebung von Vorauszahlungen in Höhe von 80% des voraussichtlichen Straßenbaubeitrages. Bei der Berechnung ging sie von einem beitragsfähigen Aufwand von voraussichtlich knapp 660.000,00 € aus und stufte die Dorfstraße als Haupterschließungsstraße ein, so dass der Anliegeranteil bei der Fahrbahn 60% und bei den übrigen Teileinrichtungen 70% betrug.
- 6
Mit Bescheid vom 12.07.2013 zog sie die Klägerin für ihr Grundstück zu einer Vorauszahlung in Höhe von 8.057,70 € heran. Dabei ging sie davon aus, dass die 1.753,50 qm große Grundstücksfläche zwischen der der Dorfstraße zugewandten Grenze und der Tiefenbegrenzungslinie von 50 m bebaubar und aufgrund der vorhandenen zwei Vollgeschosse mit dem Faktor 1,3 zu vervielfachen sei, so dass sich hierfür eine gewichtete Fläche von 2.279,55 qm ergab. Die hinter der Tiefenbegrenzungslinie liegende Fläche von 1.602,50 qm multiplizierte sie mit dem Faktor 0,05, so dass 80,13 qm zu addieren waren und die beitragsfähige Fläche insgesamt 2.359,68 qm betrug.
- 7
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, ihr Grundstück habe keinen Vorteil von der Maßnahme, da es nicht an dem betroffenen Teilstück zwischen Hamdorfer Weg und Kühneweg liege. Ferner wendete sie sich gegen die Flächenberechnung für ihr Grundstück. Tatsächlich stünden als Bauland nur 815 qm zur Verfügung. Die Restfläche innerhalb der Tiefenbegrenzung sei nach der Ausbaubeitragssatzung als nicht bebaubar mit dem Faktor 0,3 zu bewerten. Eine Fläche von ca. 527 qm im vorderen Bereich sei als Überweg zu dem auf dem rückwärtigen Bereich befindlichen Regenwassergraben freizuhalten. Weitere 130 qm an der rückwärtigen Grundstücksgrenze gehörten zu einem Regenwassergraben. Für diese Flächen sei sie nicht bereit, einen Beitrag zu leisten. Die beitragsfähige Fläche betrage insgesamt nur 1.328,38 qm, nämlich (815 x 1,3 =) 1.059,50 qm Bauland, (657,3 x 0,3 =) 197,19 qm unbebaubare Fläche und (1.422,7 x 0,05 =) 71,69 qm Außenbereichsfläche. Daraus ergebe sich ein Beitrag von nur 5.670,01 €.
- 8
In der Folgezeit wurde zum gleichzeitig verhandelten Verfahren 9 A 214/14 ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (9 B 39/13), dem die Kammer mit Beschluss vom 06.01.2014 mit der Begründung stattgab, die Erhebung einer Vorausleistung sei nicht mehr zulässig. Vorausleistungen dürften nur bis zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erhoben werden, dies sei die Abnahme der Bauarbeiten. Abzustellen sei dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides als der letzten Verwaltungsentscheidung. Da nach dem unwidersprochenen Vortrag in einem Parallelverfahren die Abnahme der Bauarbeiten inzwischen erfolgt und damit die sachliche Beitragspflicht entstanden, über den Widerspruch aber noch nicht entschieden sei, sei die Erhebung von Vorausleistungen nicht mehr zulässig.
- 9
Das OVG Schleswig hat diesen Beschluss mit Beschluss vom 22.04.2014 (4 MB 2/14) geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches nur hinsichtlich eines geringen Teilbetrages angeordnet. Die Erhebung einer Vorausleistung sei weiter zulässig, da entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden sei; es fehlten die Fertigstellung und Abnahme der Straßenbeleuchtung. Im Übrigen sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen. Gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden überwiegend keine ernstlichen Zweifel. Das Abrechnungsgebiet sei von der Beklagten voraussichtlich im Wesentlichen zutreffend bestimmt worden. Es sei allerdings zweifelhaft, ob das Grundstück Flurstück xx in die Abrechnung einbezogen werden müsse. Der Eigentümer des Anliegergrundstückes sei rechtlich zwar verpflichtet, eine Überwegung durch den von dem unmittelbaren Hinterliegergrundstück stammenden Verkehr zu dulden, nicht jedoch auch den vom weiteren Grundstück Flurstück xx stammenden Verkehr. Andererseits erscheine nicht ausgeschlossen, dass auch ein zunächst von diesem Flurstück stammender und dann über das Flurstück xx weitergeführter Verkehr ebenfalls von dem Überwegungsrecht mit erfasst sei. Die Beantwortung dieser Frage hänge von der in der Vergangenheit getätigten tatsächlichen Übung ab und auch davon, welche Funktion die Wegeparzelle aus den Flurstücken xx, xx und xx habe.
- 10
Die Beklagte wies danach den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 28.08.2014 zurück und führte zur Begründung aus, ihr Grundstück sei im beitragsrechtlichen Sinne bevorteilt, da es an der ausgebauten Einrichtung anliege. Auch die Beitragsfläche sei richtig berechnet. Die Tiefenbegrenzungslinie diene dazu, den bebaubaren Bereich vom grundsätzlich nicht bebaubaren Außenbereich abzugrenzen. Dass dabei auch Flächen als Bauland erfasst würden, die tatsächlich nicht bebaubar seien, sei Folge dieser Vereinfachung. Dies gelte auch für die vom Wegerecht erfasste Fläche und sei auch sachgerecht, da - außer bei Kerngebietsgrundstücken - die überbaubare Fläche eines Grundstücks immer geringer sei als die bebaubare Fläche. Da der Regenwassergraben nur eine Teilfläche des Grundstücks bedecke, schließe dies die Nutzung der Fläche nicht aus, die damit berücksichtigt werden müsste.
- 11
Dagegen hat die Klägerin fristgemäß Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren ergänzt und vertieft. Eine Tiefenbegrenzungslinie sei nur wirksam, wenn die Grundstücke im Gebiet der abzurechnenden Einrichtung typischerweise bis zu dieser Linie im Innenbereich lägen. Das sei im Abrechnungsgebiet gerade nicht der Fall. Die pauschalierte Tiefenbegrenzungslinie führe dazu, dass diverse Flächen beitragsrechtlich als Bauland herangezogen würden, obwohl sie nach § 34 BauGB nicht bebaubar seien. Im Übrigen sei nach der Satzung die Fläche bis zu einer Linie von 50 m zu berücksichtigen; dies impliziere, dass es sich um eine Höchstgrenze handele, die nicht „ausgereizt“ werden müsse.
- 12
Die Klägerin beantragt,
- 13
den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2014 insoweit aufzuheben, als eine Vorauszahlung von mehr als 4.500,00 € festgesetzt worden ist.
- 14
Die Beklagte beantragt,
- 15
die Klage abzuweisen.
- 16
Zur Begründung führt sie aus, das Grundstück der Klägerin sei beitragspflichtig, da es über die Zufahrt an die Einrichtung angrenze. Die Bestimmungen der Satzung zur Tiefenbegrenzung seien rechtmäßig. Die Bestimmung des Abstandes liege im Ermessen des Satzungsgebers. Hier entspreche der gewählte Abstand von 50 m der typischen Tiefe der baulichen Nutzung im Gemeindegebiet, auf das maßgeblich abzustellen sei. Die Nutzungsfläche sei richtig ermittelt. Es sei unbeachtlich, wenn von den 1.753,50 qm Grundstücksfläche innerhalb der Tiefenbegrenzung nur 815 qm baulich nutzbar seien. Die Tiefenbegrenzungsregelung begründe eine Vermutung dafür, dass das jeweilige Grundstück bis zur Tiefenbegrenzungslinie Baulandqualität besitze. Diese Vermutung sei nur dann widerlegt, wenn das Grundstück über die Tiefenbegrenzungslinie hinaus tatsächlich bebaut oder gewerblich genutzt sei. Auch das Wegerecht lasse die Vermutungswirkung der Tiefenbegrenzungsregelung nicht entfallen. Ein Abweichen von dem festgelegten Abstand von 50 m komme nicht in Betracht, der Gemeinde komme insoweit kein Spielraum zu. Auch die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie liegende Grabenfläche sei mit dem Faktor 0,05 zu berücksichtigen, da die Nutzung dieser Flächen nicht ausgeschlossen sei.
- 17
Die Kammer hat den Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Einzelrichterin hat die Örtlichkeiten im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge auch zum gleichzeitig verhandelten Parallelverfahren 9 A 214/14 und dem Verfahren 9 B 39/13 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
- 19
Die Klage ist zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit darin ein Ausbaubeitrag von mehr als 8.042,30 € festgesetzt ist; insoweit sind sie aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig.
- 20
Rechtsgrundlage für die Erhebung von Ausbaubeiträgen ist § 8 Abs. 1 KAG i.V.m. § 1 Abs. 1 der zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide noch gültigen Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 12.11.1996 i.d.F. der 4. Nachtragssatzung vom 24.04.2013 (Ausbaubeitragssatzung - ABS -). Danach erhebt die Beklagte für die Herstellung, den Ausbau und den Umbau sowie die Erneuerung von Einrichtungen der in ihrer Baulast stehenden öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen Beiträge für Grundstücke, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung Vorteile zuwachsen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG i.V.m. § 11 Abs. 1 ABS können Vorauszahlungen bis zu 80% der Höhe des voraussichtlichen Beitrages verlangt werden, sobald mit der Ausführung eines Vorhabens begonnen wird.
- 21
Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vorauszahlung lagen vor. Die Bescheide ergingen nach Beginn der Baumaßnahmen. Weitere Voraussetzung für die Erhebung einer Vorauszahlung ist, dass die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, denn von diesem Zeitpunkt an ist nur noch der Erlass eines endgültigen Bescheides zulässig (Habermann in Habermann/Arndt, KAG, Stand Jan. 2016, § 8 Rn. 367; Böttcher in Thiem/Böttcher, KAG, Stand Nov. 2015, § 8 Rn. 1077 jeweils m.w.N.). Die sachliche Beitragspflicht entsteht grundsätzlich mit der Abnahme der im Bauprogramm vorgesehenen Maßnahmen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheides war noch keine der vorgesehenen Maßnahmen abgenommen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 31.07.2014 waren zwar die eigentlichen Bauarbeiten abgenommen, nicht aber - wie die Beklagte im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat - die im Bauprogramm ebenfalls vorgesehene Straßenbeleuchtung. Darüber hinaus war bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides und der Fertigstellung der Straßenbeleuchtung das Bauprogramm am 01.07.2014 aufgrund der Einigung der Beteiligten über den Erwerb des Grundstücksstreifens nochmals dahingehend geändert worden, dass Gehweg im Bereich des Grundstücks des Klägers doch ausgebaut werden sollte. Damit war die sachliche Beitragspflicht auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides noch nicht entstanden. Auf die im Eilverfahren in der Sache 9 B 38/13 erörterte Frage, ob auf diesen Zeitpunkt oder aber den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides abzustellen ist, kommt es daher nicht an. Die Kammer hat sich zwischenzeitlich im Übrigen in einem Eilverfahren der Auffassung des OVG angeschlossen, wonach die Entstehung der Beitragspflicht während des Vorverfahrens unschädlich ist (Beschluss vom 26.01.2016 - 9 B 20/15 -; vgl. nunmehr auch Habermann a.a.O. Rn. 367).
- 22
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die abgerechneten Maßnahmen eine beitragspflichtige Erneuerung und z.T. auch eine beitragspflichtige Verbesserung darstellten; dass öffentliche Einrichtung die Dorfstraße zwischen der Ziegelstraße (B 432) und der Einmündung in den Hamdorfer Weg ist und dass die Dorfstraße als Haupterschließungsstraße einzustufen ist. Bedenken gegen diese Annahmen bestehen nicht; das Gleiche gilt für die Schätzung des voraussichtlichen Aufwandes.
- 23
Das Grundstück der Klägerin ist durch diese Maßnahmen bevorteilt, auch wenn es nicht an dem ausgebauten Teilstück anliegt. Denn von einer beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilt sind grundsätzlich alle Grundstücke, die zu der ausgebauten Einrichtung in einer räumlich engen Beziehung stehen, d.h. die anliegenden Grundstücke und die Hinterliegergrundstücke (OVG Schleswig, Urteil vom 28.10.1997 -, Die Gemeinde 1998 S. 98). Dazu gehört das durch eine Zufahrt zur Dorfstraße erschlossene Grundstück der Klägerin.
- 24
Entgegen der im Parallelverfahren 9 A 214/14 und dem dazugehörigen Eilverfahren geäußerten Ansicht ist auch das Abrechnungsgebiet richtig gebildet.
- 25
Die Anlieger der Straße Wischhof waren nicht einzubeziehen, denn diese Straße stellt sich als eigenständige Einrichtung und nicht nur als unselbständiges „Anhängsel“ der Dorfstraße dar.
- 26
Nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG Schleswig besteht die im Ausbaubeitragsrecht erforderliche enge räumliche Beziehung von Grundstück und Straße auch bei solchen Grundstücken, die an einer - von der ausgebauten Straße abzweigenden - Stichstraße liegen, wenn diese Stichstraße den Charakter einer Zufahrt zu Hinterliegergrundstücken hat, d.h. Grundstücke „erschließt“, die unmittelbar an die Vorderliegergrundstücke angrenzen, also gleichsam in „zweiter Baureihe“ liegen, so dass sich der Eindruck der Zugehörigkeit dieser Grundstücke zum Abrechnungsgebiet aufdrängt. Anders verhält es sich wenn die Stichstraße bei natürlicher Betrachtungsweise über eine bloße Zufahrt zu „Hinterliegern“ hinausgeht und sich als eigenständige Verkehrsanlage darstellt (vgl. z.B. OVG Schleswig, Urteil vom 30.04.2003 - 2 LB 118/01 - juris, und Beschluss vom 14.12.2007 - OVG 2 LA 23/07 -). Die Straße Wischhof ist ca. 160 m lang und erschließt außer den Eckgrundstücken noch ca. 10 weitere Grundstücke, so dass nach diesem Maßstab ein Zufahrtscharakter nicht mehr angenommen werden kann.
- 27
Zu Recht hat die Beklagte das Grundstück xx nicht in die Abrechnung mit einbezogen.
- 28
Eine vorteilsbegründende qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße kann auch für ein Hinterliegergrundstück, also für ein Grundstück, das von der ausgebauten Einrichtung durch ein Anliegergrundstück getrennt wird, bestehen. Dies ist der Fall, wenn vom Hinterliegergrundstück aus Zugang zur Straße über ein Anliegergrundstück in rechtlich zulässiger Weise und auf Dauer genommen werden kann. Dies erfordert in der Regel eine dingliche Sicherung der Überwegung etwa durch eine Grunddienstbarkeit. Sind der Eigentümer des Anlieger- und des Hinterliegergrundstücks identisch, reicht es aus, dass entweder tatsächlich ein Zugang über das Anliegergrundstück besteht oder aber die Grundstücke einheitlich genutzt werden, insbesondere weil die Grundstücksgrenze überbaut ist oder die Grundstücke einheitlich z.B. gewerblich oder als Wohngrundstück mit Gartenland genutzt werden (Habermann a.a.O. Rn. 184, 186 f. m.w.N.).
- 29
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Eine dingliche Sicherung des Zugangs besteht nur für das unmittelbar an das Anliegergrundstück angrenzende Grundstück Flst. xx; zugunsten dieses Grundstücks ist auf dem Anliegergrundstück Flst. xx ein Wegerecht eingetragen. Auf das noch dahinterliegende Flst. xx erstreckt sich das Wegerecht nicht. Das OVG hat es im Eilverfahren für nicht ausgeschlossen gehalten, dass auch ein zunächst vom Flurstück xx stammender und dann über das Flurstück xx weitergeführter Verkehr ebenfalls vom Überwegungsrecht über das Flurstück xx miterfasst sei. Die Beantwortung dieser Fragen hänge von der in der Vergangenheit getätigten tatsächlichen Übung statt. Für eine entsprechende tatsächliche Übung gibt es jedoch in der Örtlichkeit keine Anhaltspunkte. Eine irgendwie geartete wegemäßige Verbindung zwischen dem Flurstück xx und dem Flurstück xx ist nicht erkennbar. Vielmehr ist der Bereich an der Grenze zwischen den beiden Grundstücken dicht mit Brombeeren, Sträuchern etc. bewachsen, so dass tatsächlich eine Überwegung derzeit kaum möglich sein dürfte. Das Flurstück xx wird ausschließlich von Südosten, d.h. von der Moltkestraße her erschlossen (vgl. auch den Luftbildausdruck von „bing“ Bl. 79 GA 9 A 214/14 sowie den Lageplan mit Luftbild Bl. 94 GA 9 A 214/14).
- 30
Ein rechtlich gesicherter Zugang kann entgegen der Ansicht des Klägers im Parallelverfahren auch nicht deshalb angenommen werden, weil die Grundstücke Flst. xx und xx demselben Eigentümer gehören. Die Eigentümeridentität allein reicht wie oben dargelegt nicht aus. Zusätzliche Umstände, die die Vorteilslage für das Hinterliegergrundstück begründen, fehlen hier jedoch. Weder besteht zwischen den beiden Grundstücken tatsächlich eine Zufahrt oder ein Zugang noch werden sie einheitlich genutzt.
- 31
Auch die zwischen den Beteiligten hauptsächlich streitige Berechnung der Beitragsfläche des Grundstücks der Klägerin ist nicht zu beanstanden.
- 32
Die Beklagte hat den Bereich des Grundstücks bis zur Tiefenbegrenzungslinie von 50 m zu Recht insgesamt als bebaubar angesehen und entsprechend der Geschossigkeit des Wohnhauses mit dem Faktor 1,3 bewertet.
- 33
Bedenken gegen die - übliche - Tiefenbegrenzung von 50 m sind nicht ersichtlich (vgl. dazu OVG Schleswig, Beschluss vom 18.11.2015 - 4 O 49/15 -; Habermann a.a.O. Rn. 231). Soweit die Klägerin vorgetragen hat, diese Tiefe entspreche nicht der Ortsüblichkeit im Abrechnungsgebiet, kommt es darauf schon deshalb nicht an, weil auf die Verhältnisse im Gemeindegebiet abzustellen ist (Böttcher a.a.O. Rn. 593a). Dazu hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, diese Tiefe der baulichen Nutzung sei im Gemeindegebiet ortsüblich. Zweifel daran sind gerade auch im Hinblick auf den vorgelegten Verteilungsplan nicht ersichtlich, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Tiefe der baulichen Nutzung auch die „bauakzessorische Nutzung“, d.h. Hausgärten, Garagen etc. erfasst.
- 34
Entgegen der Ansicht der Klägerin und der von ihr zitierten Rechtsprechung ist die Tiefenbegrenzungsregelung hier auch nicht deshalb unwirksam, weil im Abrechnungsgebiet jedenfalls z.T. auch Grundstücke vorhanden sind, die im „zentralen Innenbereich“ liegen und bei denen sich die Frage der Abgrenzung zwischen baurechtlichem Innenbereich und Außenbereich nicht stellt (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 05.06.2014 - AN 3 K 13.01226 -, juris). Nach der Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 4 KAG ist in Schleswig-Holstein eine Tiefenbegrenzungsregelung nicht nur in baulichen Randbereichen, sondern auch in innerörtlichen Kernzonen zulässig (vgl. Habermann a.a.O. Rn. 231 und Böttcher a.a.O. Rn. 592a jeweils m.w.N.).
- 35
Aufgrund der damit wirksamen Tiefenbegrenzungsregelung ist es entgegen der Ansicht der Klägerin unerheblich, dass die Grundstücksfläche innerhalb der Tiefenbegrenzungslinie voll als bebaubar berücksichtigt wird, obwohl sie baurechtlich teilweise dem Außenbereich zuzuordnen sein dürfte. Die Tiefenbegrenzungsregelung begründet die beitragsrechtliche Vermutung dafür, dass die Grundstücke des Innenbereichs bis zur festgesetzten Grenze erschlossen sind, d.h. Baulandqualität besitzen. Sie ist nur widerlegt, wenn über die Tiefengrenze hinaus Bebauung oder gewerbliche Nutzung vorhanden ist. Es widerspräche dem Sinn und Zweck der Tiefenbegrenzungsregelung, unter Bezugnahme auf Besonderheiten im Einzelfall nur eine geringere Fläche als die anhand der Tiefenbegrenzung ermittelte zu berücksichtigen, denn die Tiefenbegrenzung soll im Interesse der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität gerade ausschließen, dass in jedem Einzelfall überprüft werden muss, bis zu welcher Tiefe ein Grundstück Baulandqualität besitzt (OVG Schleswig, Urteil vom 19.05.2010 - 2 KN 2/09 - , juris). Daher ist die Vermutung insoweit nicht durch eine Einzelfallprüfung widerlegbar. Eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung findet deshalb auch Anwendung, wenn im Einzelfall der Außenbereich bereits diesseits der durch diese Bestimmung begründeten Grenze beginnt (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Bd. II Rn. 411 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 21.09.1995 - 9 L 6639/93 - , juris). Der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verlangt nicht eine Berücksichtigung aller Besonderheiten eines Einzelfalls, sondern lässt eine typisierende Verteilungsregelung zu, um zu gewährleisten, dass das Heranziehungsverfahren praktikabel und überschaubar bleibt (Habermann a.a.O. Rn. 217 m.w.N.; Böttcher a.a.O. Rn. 1003).
- 36
Die Funktion der Tiefenbegrenzungsregelung als Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lässt es entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zu, hier im Einzelfall aufgrund der Formulierung „bis zu einer im Abstand von 50 m verlaufenden Linie“ auch eine geringere Tiefe anzunehmen. Nach § 6 Abs. 2 a) ABSwird die Fläche bis zu dieser Linie berücksichtigt, eine Abweichung ist danach nicht zulässig und widerspräche Sinn und Zweck der Regelung.
- 37
Die Fläche innerhalb der Tiefenbegrenzungslinie ist auch insoweit als bebaubar zu berücksichtigen, als darauf ein Wegerecht des Zweckverbandes lastet. Solche Flächen sind in die Verteilung mit einzubeziehen (Habermann a.a.O. Rn. 348). Sie beeinflussen zwar den Standort baulicher Anlagen, ändern aber nichts an der Eigenschaft als bebaubare Fläche. Baugrundstücke können außer in Kerngebieten generell nicht in vollem Umfang bebaut werden (OVG Schleswig, Urteil vom 08.07.2015, - 4 LB 15/14 -, juris Rn. 65 zu einem freizuhaltenden Gewässerrandstreifen).
- 38
Die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie gelegene Fläche ist nach § 6 Abs. 2 ABS mit dem Faktor 0,05 berücksichtigt. Dies ist auch insoweit gerechtfertigt, als sich darauf an der rückwärtigen Grenze ein Entwässerungsgraben befindet; auch eine solche Fläche ist nicht jeglicher Nutzung entzogen (vgl. auch OVG Schleswig, Beschluss vom 07.04.2016 - 2 LA 8/16 - zur Einbeziehung eines Regenrückhaltebeckens mit dem Faktor 0,03).
- 39
Die Berechnung der Beklagten ist nur hinsichtlich des insgesamt 5376 qm unbebauten Grundstücks Flurstück xx (Verteilungsplan Nr. xx) zu korrigieren, das die Beklagte hinsichtlich der vor der Tiefenbegrenzungslinie liegenden Grundstücksfläche (645 qm) als eingeschossig bebaubar angesehen hat. Es handelt sich um ein Eckgrundstück, das gleichzeitig an die Straße Glindenberg angrenzt und im vorderen Bereich an der Dorfstraße nur ca. 13 - 14 m breit ist. Östlich benachbart liegt das zweigeschossig bebaute Grundstück Dorfstraße xx; das auf der gegenüberliegenden Seite der Straße Glindenberg liegende Gebäude ist ebenfalls zweigeschossig. Im rückwärtigen südlichen Bereich wird das Flurstück xx deutlich breiter und grenzt an das eingeschossig bebaute Grundstück Dorfstr. xx an, dessen Zufahrt zum Glindenberg über das Flurstück xx führt. Dieses Grundstück sowie die Grundstücke Glindenberg Nr. xx und xx hat die Beklagte als die maßgeblichen Grundstücke in der näheren Umgebung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS angesehen und dies damit begründet, dass der vordere Grundstücksteil für eine Bebauung zu schmal und daher auf den rückwärtigen Grundstücksteil abzustellen sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen.
- 40
Denn nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ABS wird für die Ermittlung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung die nach § 6 ermittelte Grundstücksflächeohne die mit dem Faktor 0,05 berücksichtigten Flächen mit den sich aus Abs. 2 Nr. 1 aus der Zahl der Vollgeschosse ergebenden Faktoren vervielfacht. Daher ist der rückwärtige Bereich jenseits der Tiefenbegrenzungslinie, dessen Fläche mit dem Faktor 0,05 vervielfacht wurde, hier außer Betracht zu lassen. Maßgeblich ist auf die bebaubare vordere Grundstücksfläche innerhalb der Tiefenbegrenzungslinie abzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese nicht bebaubar wäre; bei einer Breite von mindestens 13 m verblieben bei Berücksichtigung der Grenzabstände für ein Gebäude noch 7 m; dies reicht aus. Bezogen auf diesen Grundstücksteil sind in der näheren Umgebung überwiegend zwei Vollgeschosse vorhanden. Der Begriff der „näheren Umgebung“ in § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS ist in gleicher Weise auszulegen wie in § 34 BauGB, da sich die Bemessung des Vorteils an der zulässigen Bebauung orientiert (vgl. Böttcher a.a.O. Rn. 648). Für den vorderen Grundstücksteil sind prägend die jeweils zweigeschossigen Gebäude links und rechts. Es kann offen bleiben, ob auch das rückwärtig gelegene Gebäude Dorfstr. xx zur „näheren Umgebung“ zu zählen ist, denn auch in diesem Fall sind überwiegend zwei Vollgeschosse vorhanden. Die eingeschossigen Grundstücke Glindenberg xx und xx prägen den vorderen Grundstücksbereich nicht mehr.
- 41
Daher sind die 645 qm vor der Tiefenbegrenzungslinie mit dem Faktor 1,3 zu vervielfachen, so dass für das Grundstück (645 x 1,3 =) 838,50 qm zuzüglich 237 qm nicht baulich nutzbarer Fläche und damit insgesamt 1075,50 qm und nicht wie von der Beklagten angenommen 882 qm zu berücksichtigen sind. Die Gesamtbeitragsfläche im Abrechnungsgebiet vergrößert sich dadurch um 193,50 qm auf 101.215,17 qm; der Beitragssatz verringert sich von 4,268431 €/qm auf 4,260271 €/qm. Damit ergibt sich für das Grundstück der Klägerin ein voraussichtlicher Beitrag von (2359,68 qm x 4,260271 =) 10.052,88 €, wovon 80% und damit 8.042,30 € als Vorausleistung zu zahlen sind.
- 42
Die Klage war daher nur in Höhe des Differenzbetrages von 15,40 € stattzugeben; im Übrigen ist sie unbegründet.
- 43
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin insgesamt auferlegt, da sie nur in sehr geringem Umfang obsiegt hat (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
- 44
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
moreResultsText
Annotations
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.