Verwaltungsgericht Köln Urteil, 03. Feb. 2015 - 14 K 1202/14.A
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es in Bezug auf die Klägerin zu 2. betreffend die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wir die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben werden, tragen die Kläger zu 23/24 und die Beklagte zu 1/24.
Das Urteil hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der im Jahr 1976 in Kabul geborene Kläger zu 1. und die im Jahr 1986 in Kabul geborenen Klägerin zu 2. sind afghanische Staatsangehörige, schiitischen Glaubens. Sie gehören dem Volk der Hazara an. Die am 00.00.2005 geborene Klägerin zu 3. und die am 00.00.2008 geborene Klägerin zu 4. sind die Kinder der Kläger zu 1. und 2. Der am 00.00.2012 in Menden geborene Kläger im Verfahren 14 K 1203/14.A ist das jüngste Kind der Familie. Die Kläger reisten eigenen Angaben zufolge im September von Ungarn kommend über den Landweg in das Bundesgebiet ein. Sie beantragten am 18. September 2012 die Anerkennung als Asylberechtigte.
3In ihrer Anhörung am 9. Oktober 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger zu 1. an, er sei gelernter Autolackierer und habe zunächst 15 Jahr lang im Iran gelebt und dort gearbeitet. Die Kläger zu 1. und 2. gaben zudem an, die Klägerin zu 2. habe ihren Cousin heiraten sollen und habe das nicht gewollt. Sie habe im Jahr 2004/2005 dann den Kläger geheiratet und sie seien nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 1386 (2007) habe der Cousin der Klägerin zu 2. diese dann in Afghanistan aufgespürt, ihr die Zähne ausgeschlagen und versucht, sie zu vergewaltigen. Die Schwester des Klägers zu 1. sei dazwischen gegangen und dann habe er von ihr abgelassen. Der Kläger zu 1. gab weiter an, er habe den Cousin dann zur Rede stellen wollen. Davon habe ihn die Klägerin zu 2. abgehalten, weil „sie Brüder seien“, und stattdessen vorgeschlagen, umzuziehen. Sie seien dann von Kabul ins Hasarejad umgezogen, wo sie ca. ein Jahr bis 2008 geblieben seien. Dort hätten alle Bekannten und Verwandten gelebt. Der Cousin habe sie daher dort nicht mehr aufgesucht. Dann sei der Krieg gekommen und sie hätten weggemusst. Der Kläger zu 1. gab weiterhin an, eine Gruppe von Leuten hätte ihre Grundstücke haben wollen. Es sei ihnen um alle Grundstücke gegangen, die dort waren. Diese Leute hätten viele Häuser verbrannt und Schafe gestohlen. Die Klägerin zu 2. sei damals schwanger gewesen und sie seien dann wieder in den Iran gegangen. Heutzutage solle die Lage in der Heimatregion zwar wieder besser sein; diese Leute würden diese Aktionen aber ab und zu wiederholen. In Afghanistan lebten noch drei Cousins des Klägers zu 1. bei seinem Onkel.
4Mit Bescheid vom 14. Februar 2014 lehnte das Bundesamt den Antrag der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte ab (Ziffer 1.) und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2.) sowie Abschiebungsverbote (Ziffer 3.) nicht vorliegen. Die Kläger wurden zudem unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens (Ziffer 4.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen nicht vor, weil sie bereits keine Probleme vorgetragen hätten, die an asylerhebliche Persönlichkeitsmerkmale anknüpften. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes lägen nicht vor. Die Kläger hätten selbst vorgetragen, dass sie vor den Nachstellungen des Cousins andernorts in Afghanistan sichere Zuflucht gefunden hätten. Die Probleme wegen der Landstreitigkeiten hätten sich nach Angaben der Kläger inzwischen erledigt, weil sich die Personen inzwischen des Landes bemächtigt hätten und deshalb keine weiteren Schwierigkeiten zu erwarten gewesen wären. Schließlich hätten sie ihren bestehenden Eigentums- und Besitzanspruch durch die Ausreise nach Europa faktisch aufgegeben. Es sei auch keine erhebliche individuelle Gefährdung aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ersichtlich. Abschiebungsverbote lägen im Übrigen nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass die Kläger nach ihrer Rückkehr mittellos und auf sich alleine gestellt seien. Die Kläger seien schließlich auch in der Lage gewesen, erhebliche Mittel für die Ausreise aufzubringen. Mit Bescheid vom selben Tag wurde auch der Asylantrag des jüngsten Kindes, Kläger im Verfahren 14 K 1203/14.A abgelehnt.
5Die Kläger haben am 26. Februar 2014 Klage erhoben.
6Die Kläger haben die Klage im Einzelnen umfangreich begründet. Auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Kläger wird insoweit Bezug genommen. Zum Sachverhalt tragen sie insbesondere vor, sie seien nach dem Übergriff des Cousins auf die Klägerin zu 2. in die Provinz Wardak, in das sogenannte Hazarajat (Gebiet, in dem die Hazara leben), gegangen, weil dort noch Bekannte und Verwandte lebten. Sie hätten dort bis ca. Juni 2008 gelebt, bis dort der Krieg gegen die Hazara ausgebrochen sei. Der Kläger zu 1. habe eines Tages auf dem Feld gearbeitet, als er Schüsse gehört habe. Die Kutschis seien in das Dorf eingedrungen und hätten mit automatischen Waffen geschossen und die Häuser angesteckt. Ca. 10 Dorfbewohner seien getötet worden, u.a. ein Verwandter der Kläger. Die Kläger seien zuerst ins Nachbardorf in eine Moschee und von dort aus nach Ghazni.
7Aufgrund einer psychischen Erkrankung der Klägerin zu 2. stellte das BAMF mit Bescheid vom 6. Januar 2015 das Vorliegen eines Abschiebeverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG fest. Das Verfahren wurde insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Auch hinsichtlich des Klägers im Verfahren 14 K 1203/14.A wurde im laufenden Gerichtsverfahren ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt und die Klage daraufhin zurückgenommen bzw. das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
8Die Kläger beantragen nunmehr,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Februar 2014 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen,
10ihnen den Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
11hilfsweise den Klägern subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
12hilfsweise festzustellen, dass für die Kläger zu 1., 3. und 4. ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegt.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
16Das Gericht hat den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. in der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2015 informatorisch zu ihren Fluchtgründen angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 14 K 1203/14.A und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
20Soweit die Beteiligten das Verfahren in Bezug auf die Klägerin zu 2. betreffend die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
21Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf die begehrte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG oder subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG für die Kläger zu 1., 3. und 4. nicht vor.
22Die Kläger haben nach der im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte
23Nach Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Durch Anlage I zu § 26a AsylVfG sind Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten bestimmt worden. Da somit alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften oder aufgrund der Anlage I zu § 26a AsylVfG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 1995 - 9 C 73/95 -, BVerwGE 100, 23 ff.
25Die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 GG greift immer dann ein, wenn feststeht, dass der Ausländer nur über (irgend-)einen der durch die Verfassung oder durch Gesetz bestimmten sicheren Drittstaaten in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein kann; es muss nicht geklärt werden, um welchen sicheren Drittstaat es sich dabei handelt. Da nach der derzeit geltenden Rechtslage alle an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sichere Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisender Ausländer von der Berufung aus Art. 16a Abs. 1 GG ausgeschlossen, auch wenn sein Reiseweg nicht im einzelnen bekannt ist.
26Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 -, Rn. 177, juris.
27Nach dem Vorstehenden haben die unstreitig auf dem Landweg in die Bundesrepublik eingereisten Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Ein Fall von § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG liegt nicht vor.
28Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Demnach muss zunächst eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG durch einen Verfolgungsakteur (§ 3c AsylVfG) vorliegen, die eine Verfolgungsprognose zulässt. Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung solche Handlungen, welche aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Insbesondere sind dabei Verletzungen der absoluten Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, zu berücksichtigen.
29Vgl. EuGH, Urteile vom 7. November 2013 – Rs. C – 199/12 bis 201/12 – X, Y und Z-, Rn. 51, und vom 5. September 2012 – Rs. C - 71/11 und C – 99/11 -Y und Z-, Rn. 53, juris.
30Nach Ziffer 2 kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1. Die nach Ziffer 2 zu berücksichtigende Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen dabei für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzungen aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nach Ziffer 1 entspricht.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23/12 –, juris, Rn 36.
32Die Verfolgungshandlung muss weiter mit einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylVfG verknüpft sein, § 3a Abs. 3 AsylVfG, und es muss an einem effektiven Schutz im Herkunftsland fehlen (§§ 3d, e AsylVfG). Bzgl. der Verfolgungsgründe ist zu beachten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylVfG auch Nachfluchtgründe insoweit zu berücksichtigen sind. Abschließend dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG vorliegen.
33Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylVfG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifizierungsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 QRL, der sich mit der Voraussetzung, dass der Antragsteller „tatsächlich Gefahr läuft“, an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur tatsächlichen Gefahr („real risk“) orientiert,
34vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 - Saadi - NVwZ 2008, 1330, juris.
35und somit der Sache nach den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit übernimmt.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 19, 32.
37Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 36.
39Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftendenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 –10 C 5/09 –, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
41Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24/08 –, juris, Rn. 14.
43Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden,
44Vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 – 9 B 239/89 –, InfAuslR 1989, 349, vom 26. Oktober 1989 – 9 B 405.89 –, InfAuslR 1990, 38 (39), und vom 3. August 1990 – 9 B 45.90 –, InfAuslR 1990, 344.
45Dies zugrunde gelegt konnte das Gericht auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass die Kläger vor der Ausreise Verfolgungsmaßnahmen i.S.v. § 3 AsylVfG erlitten haben, oder von solchen Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar bedroht waren. Die Kläger befinden sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb ihres Heimatlandes.
46Der beschriebene Angriff des Cousins auf die Klägerin zu 2. knüpft zunächst nicht an die in § 3 Abs. 1 AsylVfG genannten flüchtlingsrelevanten Merkmale an. Soweit die Kläger davon berichten, dass der Cousin die Klägerin zu 2. aufgesucht habe und es dabei zu einem körperlichen Übergriff auf die Klägerin zu 2. gekommen sei, stellt dies lediglich eine kriminelle Handlung des Cousins dar, die wohl durch verletzten Stolz hervorgerufen wurde. Nach dem Vortrag der Kläger wollte die Klägerin zu 2. ihren Cousin nicht heiraten und hat stattdessen 2004 bzw. 2005 den Kläger zu 1. geheiratet. Dagegen hat es von Seiten der Familien offenbar keinerlei Widerstände gegeben und dies hat auch zunächst zu keinerlei Bedrohungen von Seiten der Familie der Klägerin zu 2. geführt. Erst nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan 1386 (2007) und damit 3 Jahre später soll der Cousin sie schließlich aufgesucht und angegriffen haben. Als der Kläger zu 1. den Cousin nach dem Übergriff habe zur Rede stellen wollen, soll seine Frau ihn davon abgehalten, weil „sie Brüder seien“. Eine geschlechtsbezogene Verfolgung kann in dieser familieninternen Auseinandersetzung zwischen dem Cousin und der Klägerin zu 2. daher nicht erkannt werden. Der Kläger zu 1. selbst ist zudem weder im Iran noch später in Afghanistan von dem Cousin angegriffen worden. Die Auseinandersetzung mit dem Cousin wird von den Klägern auch vor allem selbst nicht als fluchtauslösend beschrieben. Vielmehr hat die Klägerin zu 2. dem Kläger zu 1. nach dem Ereignis zunächst von einer unmittelbaren Konfrontation mit dem Cousin abgeraten und stattdessen vorgeschlagen, umzuziehen. Erst einen Monat später, in dem es offenbar nicht zu weiteren Zwischenfällen gekommen ist, hätten sie sich dann auf den Weg ins Hazarejad gemacht. Nach ihrem Weggang aus Kabul hat der Cousin sie auch nicht erneut aufgesucht. Die Flucht aus dem Hazerejad stand schließlich nach dem Vortrag der Kläger in keinem Zusammenhang zu den Übergriffen des Cousins. Dass nun die Kläger im Fall einer Rückkehr nach Kabul ohne Weiteres mit einer jederzeitigen Bedrohung durch den Cousin rechnen müssen, ist danach nicht ersichtlich. Es ist ihnen schließlich auch zuzumuten, in die Anonymität einer Großstadt wie Kabul abzutauchen und somit Verfolgungssicherheit zu erhalten.
47Dementsprechend sieht das Gericht auch keine Veranlassung, dem Hilfsbeweisantrag Nr. 1 des Prozessbevollmächtigten der Kläger nachzugehen und ein Sachverständigengutachten zu der behaupteten Tatsache einzuholen, dass in Afghanistan die gesamte Familie den Ehrenmord zu befürchten hat, wenn Frauen einen frei gewählten Ehemann heiraten und damit die Ehre desjenigen verletzen, dem sie versprochen wurden.
48Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Annahme erlittener Verfolgungsmaßnahmen nicht vor. Dabei kommt es auf die Glaubhaftigkeit der Schilderungen der Kläger zu 1. und 2., sie hätten ihr Heimatdorf in der Provinz Wardak verlassen, weil Nomadenvölker (Kuchi/Kutschi) dieses überfallen hätten, schon nicht an. Zweifel daran, dass sie den Übergriff persönlich erlebt haben, sind durch den Vortrag in der mündlichen Verhandlung begründet worden, wonach die Kläger lediglich von anderen Leuten vor dem Eintreffen der Nomaden gewarnt worden und dann geflohen seien. Selbst bei Wahrunterstellung dieses Vortrags liegen die Voraussetzungen einer konkreten, an die Zugehörigkeit zur Gruppe der Hazara anknüpfenden Verfolgung durch die Kuchi nicht vor; vielmehr handelt es sich dabei um nicht flüchtlingsrelevantes kriminelles Unrecht, welches die Kläger erlitten haben wollen.
49Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 07. November 2013 – Au 6 K 13.30270 –, juris; VG Köln, Urteil vom 20. Mai 2014 – 14 K 4357/12.A –, juris.
50Es fehlt insoweit nämlich jedenfalls an der nach § 3a Abs. 3 AsylVfG erforderlichen Verknüpfung zwischen der als Verfolgung anzusehenden Handlung und den in §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylVfG genannten Verfolgungsgründen. Zwar ist anhand der Erkenntnislage,
51vgl. allein Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) Anfragebeantwortung: „Afghanistan: Provinz Wardak bzw. Behsud: Informationen zu Auseinandersetzungen zwischen Kuchi und Hazara; Maßnahmen staatlicher Behörden“ vom 5. Februar 2013; Norwegisches Herkunftsländerinformationszentrum LandInfo “Afghanistan: The conflict between Hazaras and Kuchis in the Beshud Districts of Wardak Province“ vom 1. November 2011,
52dem Gericht bekannt, dass es auch in der Provinz, in der die Kläger sich ein Jahr vor ihrer Abreise aufgehalten haben, in den vergangenen Jahren regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der Hazara und der Kuchi gekommen ist, so dass die Schilderungen der Kläger in diesen Zusammenhang passen. Die beschriebenen Konflikte zwischen den Volksgruppen finden jedoch ihre Ursache nicht in der jeweiligen Gruppenzugehörigkeit. Es geht bei den saisonal auftretenden Auseinandersetzungen zwischen den zwei ethnischen Gruppen um Eigentums- und Besitzansprüche an lokalen Ressourcen, die bis in das Jahr 1887 zurückreichen. Es mangelt insofern an der erforderlichen spezifischen Zielrichtung, da nicht erkennbar ist, dass die Verfolgungshandlung „wegen“ eines in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten Merkmals erfolgt. Der jährlich – meist in den Sommermonaten – erneut aufkommende Streit um Land knüpft nur mittelbar an die Volkzugehörigkeit der betroffenen Parteien an. Die Kuchi versuchen durch Überfälle, Vertreibung und Brandstiftungen Weideland für sich zu gewinnen unabhängig davon, wem dieses Weideland gehört. Die Angriffe sind damit nicht ethnisch motiviert, sondern erfolgen aus rein wirtschaftlichen Gründen. Die Hazara (und damit bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags auch die Kläger) waren und sind nicht als Volksgruppe Ziel der Angriffe, sondern als die sesshaften Weidelandbesitzer der jeweiligen Region.
53vgl. schon VG Köln, Urteil vom 20. Mai 2014 – 14 K 4357/12.A –, juris
54Unabhängig von der danach nicht vorliegenden, anlassgeprägten Einzelverfolgung durch die Kuchi scheidet auch eine allgemeine Gefahr einer Gruppenverfolgung aus. Eine solche allgemeine Gruppenverfolgung kann sich aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines flüchtlingsrelevanten Merkmals verfolgt werden, das der Ausländer mit ihnen teilt, wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Im Rahmen der Gruppenverfolgung verlangt die Rechtsprechung des BVerwG weiter in ständiger Rechtsprechung eine bestimmte Verfolgungsdichte.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 – 10 C 11.08 –, Rn. 13, m.w.N., juris.
56Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Allgemeinen und auch konkret in der Region Wardak, in der die Kläger zuletzt ihren Aufenthalt hatten, nicht vor. Hinsichtlich der Verfolgungsdichte verlangt das BVerwG von den Tatsachengerichten eine wertende Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3d AsylVfG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann.
57Vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 15, juris.
58Gemessen an diesen Kriterien liegt eine Gruppenverfolgung der Hazara nicht vor. Zum einen gilt es nämlich auch insoweit zu berücksichtigen, dass eine Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund i.S.d. § 3a Abs. 3 AsylVfG vorliegen muss. Davon ist nach den oben stehenden Ausführungen schon nicht auszugehen. Zum anderen geht die Kammer – im Anschluss an ihre bisherige Rechtsprechung und der auch ansonsten herrschenden bundesweiten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – davon aus, dass eine bestimmte Verfolgungsdichte hinsichtlich einer Verfolgung der Hazara in Afghanistan oder in Wardak nicht gegeben ist.
59Vgl. Urteile der Kammer vom 23. Oktober 2012 – 14 K 5476/11.A, 14 K 14 K 6157/11.A. –, Rn. 36 ff. und Rn. 40 ff., vom 4. September 2012 – 14 K 6744/10.A –, Rn. 35 ff.; Urteil vom 20. Mai 2014 – 14 K 4357/12.A –, Rn. 49; Bayerischer VGH, Urteil vom 3. Juli 2012 - 13a B 11.30064 –, Rn. 20 ff. selbst unter der unrealistischen Annahme, dass 50% aller Toten und Verletzten in Gesamtafghanistan zur Volksgruppe der Hazara gehören würden; VG Ansbach, Urteil vom 11. Dezember 2013 - AN 11 K 13.30901 -, Rn. 22 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Mai 2013 - 5a K 1907/11.A -, Rn. 37 ff.; zitiert jeweils nach juris.
60Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG. Danach ist ein Ausländer ein subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG). Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens muss von einem Verfolgungsakteur i.S.d. §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c AsylVfG ausgehen. Weiter muss es an einem effektiven Schutz im Herkunftsstaat fehlen, §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3d, 3e AsylVfG und es dürfen keine Ausschlussgründe (§ 4 Abs. 2 AsylVfG) vorliegen. Der Verweis auf einen effektiven Schutz in einem anderen Teil des Herkunftslandes (§ 3e AsylVfG) setzt jedenfalls voraus, dass von dem Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt. Zur Frage, wann von ihm „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil niederlässt, wird vorausgesetzt, dass der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 19 f.; Beschluss vom 14. November 2012 – 10 B 22.12 –, Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 –, jeweils juris.
62Anhaltspunkte, dass die Kläger wegen einer Straftat gesucht werden und bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr einer Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht, können schon ihrem eigenen Vorbringen im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung nicht entnommen werden.
63Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG liegen nicht vor. Danach gilt Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung als ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. In diesem Zusammenhang ist vor allem Art. 3 EMRK sowie die Rechtsprechung des EGMR zu berücksichtigen.
64Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – Rs. C - 465/07 -Elgafaji-, Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 -, unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte der zugrunde liegenden Richtlinienregelung des Art. 15 lit. b QRL, Rn. 22, zitiert jeweils nach juris.
65Bestehen danach ernsthafte und stichhaltige Gründe, dass der Ausländer im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden, ergibt sich hieraus die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben.
66Vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 – Saadi - NVwZ 2008, 1330; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 23 juris.
67Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss dabei jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG i.V.m. Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird.
68Vgl. Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 60 AufenthG Rn. 35.
69Dies gilt gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylVfG auch dann, wenn die Leiden von nichtstaatlichen Akteuren zugefügt werden und kein ausreichender staatlicher oder quasistaatlicher Schutz zur Verfügung steht.
70Der Ausländer kann jedoch kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Insoweit verpflichtet Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 23; EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 Nr. 2656505, N. / Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334, und Beschluss vom 25. Oktober 2012 – 10 B 16.12 –, Rn. 8, zitiert jeweils nach juris.
72Diese Rechtsprechung des BVerwG steht auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung der Großen Kammer des EGMR,
73vgl. Urteil vom 21. Januar 2011 – Nr. 30696/09 – M.S.S. ./. Belgien und Griechenland, NVwZ 2011, 413,
74da diese Entscheidung keine Feststellung hinsichtlich der für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung im Herkunftsland trifft, sondern allein den Schutz der Menschenwürde von Personen betrifft, die - in einem ihnen insgesamt fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden.
75So auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 24, und Beschluss vom 25. Oktober 2012 – 10 B 16.12 –, Rn. 9, zitiert jeweils nach juris.
76Demnach können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen schlechte humanitäre Verhältnisse für sich isoliert zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen. Bzgl. Afghanistans ist unter Einbeziehung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht davon auszugehen, dass diese Schwelle überschritten ist.
77Vgl. EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 – Nr. 10611/09, Husseini / Schweden –; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 26 juris.
78Dabei geht die Kammer bezüglich Kabul als demjenigen Ort, an dem eine Abschiebung enden würde, davon aus, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten jedenfalls ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten.
79Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2013 –A 11 S 697/13 –, Rn. 84, 105 ff. unter Auswertung der vorliegenden Erkenntnismittel, juris.
80Eine Abschiebung der Kläger nach Afghanistan/Kabul verstößt daher nicht gegen Art. 3 EMRK.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 27 juris.
82Der Kammer liegen insoweit keine aktuelleren Erkenntnisse vor, die auf eine deutliche Verschlechterung der humanitären Bedingungen in Kabul schließen lassen.
83Darüber hinaus können dem Vortrag der Kläger auch keine sonstigen Anhaltspunkte entnommen werden, die zu einer Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG führen. Die Kammer hat insoweit bereits bzgl. der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt, dass sie nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Kläger als Hazara bei einer Rückkehr einer ernsthaften Gefährdungssituation ausgesetzt sind.
84Die Kläger haben mit dem Angriff des Cousins der Klägerin zu 2. vorliegend auch keine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure vorgetragen, die das o.g. Maß erreicht. Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags über den Angriff des Cousins der Klägerin zu 2. liegt damit, wenn überhaupt, eine Bedrohung der Klägerin zu 2. und keine Schlechtbehandlung des Klägers zu 1. oder der Kläger zu 3. und 4. vor. Im Übrigen ist damit aber auch keine fluchtauslösende Bedrohung geltend gemacht worden. Da der Cousin innerhalb des gesamten Jahres, in dem die Kläger in Wardak gelebt haben, nicht versucht hat, sie ausfindig zu machen, ist auch aktuell nicht mehr mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt und damit mit einer ernsthaften Gefährdungssituation zu rechnen.
85Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG. Danach ist von einem ersthaften Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen, wenn für den Ausländer eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht. Die Schutzgewährung greift auch dann ein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt nur auf ein Teil des Staatsgebietes erstreckt.
86Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 12, juris; vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, BVerwGE 131, 198.
87Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, ist bzgl. der anzustellenden Gefahrenprognose auf den Zielort der Abschiebung abzustellen. Dabei kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer seinem subjektiven Blickwinkel nach strebt. Vielmehr ist in der Regel auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ein Abweichen von dieser Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG ihm Schutz gewähren soll.
88Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 13, juris; Beschluss vom 14. November 2012 – 10 B 22.12 –; zur Frage der „tatsächlichen Zielregion“ OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – 13 A 2010/12.A –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 –, juris.
89Allerdings ist dann nicht auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit der Absicht niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 –10 C 15.12 –, Rn. 14, juris.
91Der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist in Bezug auf seinen Regelungszusammenhangs dahingehend auszulegen, dass eine Situation vorliegen muss, in der die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen.
92Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 – Rs. C – 285/12 -Diakite- Rn. 35, juris.
93Eine Orientierung an Regelungen des Humanitären Völkerrechts,
94so noch BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, a.a.O. und vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, BVerwGE 136, 360 (bereits einschränkend, wenn eine solche Orientierung dem Zweck der Schutzgewährung von Zivilpersonen entgegensteht),
95scheidet aus, da das Humanitäre Völkerrecht andere Regelungszwecke beinhaltet. Das Humanitäre Völkerrecht richtet sich an die Konfliktparteien, Schutzvorschriften im Kriegsgebiet zu beachten. Bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG geht es um den Schutzbedarf des Einzelnen im Aufnahmeland. Dieser Zweckvergleich wird auch durch die mangelnde Begriffskongruenz bestätigt.
96Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 – Rs. C - 285/12 – Diakite- Rn. 20 ff., juris.
97Damit sind bei der Ermittlung des erforderlichen Niveaus willkürlicher Gewalt in einem bestimmten Gebiet alle Gewaltakte der Konfliktparteien zu berücksichtigen, durch die Leib oder Leben von Zivilpersonen wahllos und unbeachtet ihrer persönlichen Situation verletzt werden („willkürlich“).
98Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – Rs. C – 465/07 -Elgafaji-, Rn. 43, juris; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 – 10 C 9.08 –, BVerwGE 134, 188; Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, a.a.O.
99Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Personen ausgeht, individuell so verdichten kann, dass sie die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG erfüllt.
100Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, juris.
101Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG kann eine solche individuelle Verdichtung ausnahmsweise dann angenommen werde, wenn der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dies ist der Fall, wenn praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann.
102Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – Rs. C – 465/07 -Elgafaji-, Rn. 35, juris; BVerwG, vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 –, juris.
103Eine weitere Verdichtung bzw. Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen sei, sich nahe an der Gefahrenquelle aufzuhalten. Es können aber auch persönliche Umstände sein, aufgrund derer der Antragsteller als Zielperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt.
104Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – Rs. C – 465/07 -Elgafaji-, Rn. 39, juris.
105Ob die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllt sind, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinn der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden.
106Vgl. zu diesen Kriterien auch Bayerischer VGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 13a B 10.30394 –, Rn. 20 ff.; juris.
107Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers europarechtliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Definition des Grades des willkürlichen Gewalt bzw. zur notwendigen Gefährdungsdichte seitens des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27. April 2010 äußert, sieht das Gericht im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens – eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht – davon ab, den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Das Gericht teilt nicht die Bedenken des Prozessbevollmächtigten des Klägers, sondern hält an den vom Bundesverwaltungsgericht insbesondere auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Februar 2009 entwickelten Grundsätzen fest.
108Gemessen an den danach maßgeblichen Kriterien besteht für die Kläger bezogen auf ihre Herkunftsregion in Afghanistan keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG.
109Selbst bei der Annahme eines bewaffneten Konflikts in Wardak liegt keine ausreichende allgemeine oder individuelle Gefährdungslage bzgl. der Kläger vor.
110Die ausgewerteten Quellen berichten übereinstimmend, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan nach dem Sturz des Taliban‐Regimes 2001 und einer anfänglichen Stabilisierung in den Jahren 2001‐2005 seit 2006 stetig verschlechtert hat. Sie ist jedoch durch große regionale wie saisonale Unterschiede geprägt. Seit 2006 ist unter anderem aufgrund verstärkter militärischer Aktionen der afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte eine stete Zunahme sicherheitsrelevanter Vorfälle zu beobachten, die ihren vorläufigen Höhepunkt im Jahr 2011 erreichte.
111Vgl. Berichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Lagebericht) vom 9. Februar 2011, 10. Januar 2012, 4. Juni 2013 und 31. März 2014.
112Nach dem Jahr 2012, welches gemessen an den reinen Zahlen einen Rückgang von Anschlägen, Todesopfern und Verletzten aufwies, ist für 2013 festzustellen, dass sich die Gefährdungslage eher wieder derjenigen des Jahres 2011 annähert.
113Vgl. Fortschrittsbericht Afghanistan der Bundesregierung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages von Januar 2014 (Fortschrittsbericht 2014); UN Security Council: Report of the Secretary-General of the protection of civilian in armed conflict - S 2013/689 - vom 22. November 2013; UNHCR: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (deutsche Fassung der UNHCR Guidelines 2013), S. 14 ff.
114Laut United Nations Mission in Afghanistan (UNAMA) ist die Anzahl der zivilen Opfer und Verwundeten im ersten Halbjahr 2013 um 14 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum angestiegen. Die Anzahl der Toten überstieg die Werte der ersten sechs Monate der Jahre 2010 und 2012; die Anzahl der Verletzten lag gar über denjenigen des Jahres 2011. Dieser Anstieg geht vor allem auf die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppen zurück. Für 74 Prozent der zivilen Opfer waren laut UNAMA regierungsfeindliche Elemente, für 9 Prozent regierungstreue Kräfte und für 12 Prozent Bodenkämpfe zwischen beiden Seiten verantwortlich. Die restlichen 4 Prozent konnten keiner Konfliktpartei zugeordnet werden. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude.
115Vgl. UNAMA, Mid-Year Report 2013 protection of civilians in armed conflicts, von Juli 2013, S. 3.
116Die Anzahl der durch die ausländischen Truppen oder durch die afghanischen Sicherheitskräfte getöteten Personen hat gleichzeitig den niedrigsten Wert seit Beginn des ISAF-Einsatzes erreicht.
117Vgl. Fortschrittsbericht 2014, Seite 10.
118In den Bevölkerungszentren und entlang der bedeutsamen Verkehrsinfrastruktur besteht eine „ausreichend kontrollierbare Sicherheitslage“; in den südlichen und östlichen, ländlich geprägten Gebieten und Distrikten herrscht hingegen eine „überwiegend nicht“ oder sogar eine „nicht kontrollierbare Sicherheitslage“.
119Vgl. Fortschrittsbericht 2014, Seite 10.
120Für das gesamte Jahr 2013 dokumentierte UNAMA 2.959 Tote und 5.656 Verwundete. Die Zahlen der Todesopfer entsprechen in etwa den bisher höchsten Werten aus dem Jahr 2011; die Zahl der Verletzten stellen gar den bisherigen Höchstwert dar. Im Vergleich zu 2012 stieg die Anzahl der Toten um 7 % und die der Verletzten um 17 %.
121Vgl. UNAMA: Annual Report 2013 protection of civilians in armed conflicts, von Februar 2014, S. 9.
122Weiter berichtet die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH),
123vgl. SFH, Afghanistan: Update „Die aktuelle Sicherheitslage“ vom 30. September 2013, S. 4 ff., 10,
124dass die Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 bei sehr hoch bleibendem Gewaltlevel um 25 % zurückgegangen sind. Dies resultiert jedoch aus einem Strategiewechsel der regierungsfeindlichen Gruppen, die das Niveau ihrer Anschläge den verbleibenden internationalen Sicherheitskräften angepasst und ihre Anstrengungen dafür in andere Bereiche (Schaffung parallelstaatlicher Einrichtungen) intensiviert haben. 2013 hat es dann eine erneute Trendwende gegeben, wonach die Anzahl der Anschläge um 47 % angestiegen ist und leicht die Werte aus 2011 und 2009 erreichen kann. Diese Gewaltakte gehen weiterhin von vier Quellen aus: von den regierungsfeindlich eingestellten, bewaffneten Gruppierungen wie Taliban, Hezb-e-Islami von Gulbuddin Hekamatyar, Haqqani-Netzwerk und anderen, von regionalen Kriegsherren und Kommandierenden der Milizen, von kriminellen Gruppierungen und von Reaktionen der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen regierungsfeindliche Gruppierungen (insbesondere Bombardierungen).
125Wie den genannten Auskünfte weiter zu entnehmen ist, halten sich die Konfliktparteien mit Ausnahme der internationalen Truppen nicht an die Regeln des humanitären Völkerrechts. Sie unterscheiden nicht zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten. Die unterschiedlichen Milizen sowie die Taliban suchen gerade nicht den Kampf mit den regulären Truppen. Vielmehr agieren sie z.B. mit Sprengstoffanschlägen gerade gegen die Zivilbevölkerung, um hier ihre Opfer zu finden. Zudem tarnen sie sich als Zivilisten und provozieren hierdurch Angriffe der Gegenseite, die als Folge auch Unschuldige treffen. Damit liegen unterschiedslose Angriffe vor. Die fehlende Zielgerichtetheit der Angriffe ergibt sich daraus, dass gerade Angriffe auf Zivilpersonen und humanitäre Organisationen ein allgemeines Klima der Angst hervorrufen sollen. Hierzu werden Attentate eingesetzt, die möglichst viele Opfer zur Folge haben sollen.
126Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 1. Oktober 2013 – 5 A 95/13 –, Rn. 37, juris.
127Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass die Gefährdungslage regional deutlich differenziert zu bewerten ist. So berichtet ACCORD,
128vgl. ACCORD, Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul vom 12. Dezember 2013,
129unter Berufung auf Berichte der UNO und ANSO, dass sich die meisten Vorfälle (70 % aller landesweit dokumentierten Vorfälle) in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes ereigneten. Die größte Zahl sei in der Provinz Nangarhar verzeichnet worden. Nach UNAMA konzentrierte sich das Gros der dokumentierten Vorfälle auch 2013 in den südlichen und südöstlichen Provinzen. Gerade in den Südprovinzen (Kandahar, Helmand, Nimroz, Zabul und Uruzgan) fanden fast 40% aller Vorfälle statt, dort waren mit Abstand die meisten Todesopfer und Verwundeten zu beklagen.
130Die Kläger lebten nach ihren Angaben bis zu ihrer Flucht in der Provinz Wardak, welche nicht zu den zuvor genannten Provinzen zählt. Zuvor lebten sie nach der Rückkehr aus dem Iran für einige Jahre in Kabul, wo die Kläger zu 1. und 2. auch geboren worden sind. Die Provinz Wardak hat eine Fläche von rund 8.938 qm2 und eine Einwohnerzahl von rund 577.100.
131Vgl. Daten vom Central Statistics Office Afghanistan, abrufbar unter: http://www.geohive.com/cntry/afghanistan.aspx?.
132Für die Provinz Wardak selbst sind konkrete Opferzahlen den Erkenntnisquellen zwar nicht zu entnehmen. Anhand der wenig belastbaren Datenlage kann die Kammer sich nur annäherungsweise der verlangten quantitativen Ermittlung der Gesamtzahl der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, nähern. Anhand der jüngsten vorliegenden Auskünfte der sachverständigen Quellen geht die Kammer auch davon aus, dass konkrete Opferzahlen für die Provinz nicht zu ermitteln sind, da ein solches Unterfangen bereits für zugänglichere Regionen keinen Erfolg hatte.
133Vgl. Dr. Danesch: Stellungnahme an VGH Kassel (8 A 119/12.A) vom 3. September 2013 zu Kabul.
134Nach den Quartalsberichten des Afghanistan NGO Safety Office (ANSO),
135vgl. ANSO, Quartalsberichte 1/2011 (April 2011), 2/2011 (Juli 2011), 1/2012 (April 2012), 2/2012 (Juli 2012), 3/2012 (Oktober 2012), 4/2012 (Januar 2013) und 1/2013 (April 2013),
136wurden in der Provinz Wardak im Jahr 2010 512 und im Jahr 2011 383 Vorfälle von aufständischen Gruppierungen registriert. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies im Jahr 2011 eine deutliche Reduzierung um 25 %. Dieses Niveau blieb 2012 konstant. So wurden 378 Vorfälle der bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppen (Taliban etc.) registriert. Seit 2013 stiegen die registrierten Vorfälle – wie nahezu in allen anderen Provinzen auch – wieder an und erreichten das Niveaus von 2011. Landesweit betrachtet lag die Zahl der Anschläge bezogen auf das gesamte Jahr in der Provinz Wardak damit im Mittelfeld. ANSO klassifiziert die Provinz Wardak im Rahmen ihrer fünfstufigen Eingruppierung dem folgend auch auf der mittleren Ebene als „moderately insecure“.
137Vgl. ANSO, Quartalsbericht 1/2013 (April 2013).
138Um der geforderten quantitativen Betrachtung der Gefährdungslage gerecht zu werden, ist zunächst die Anzahl der Vorfälle in Wardak (643) in ein Verhältnis zu den landesweiten Zahlen (ca. 22.000) stellen. Danach fanden knapp 3 % aller Vorfälle in Wardak statt. Für das gesamte Jahr 2013 dokumentierte UNAMA 2.959 Tote und 5.656 Verwundete.
139Vgl. UNAMA: Annual Report 2013, von Februar 2014, S. 9.
140Unter Bezugnahme auf die errechneten 3 % dürften demnach in Wardak ca. 89 Tote und 170 Verletzte zu beklagen sein (insgesamt 259 Opfer).
141Bezogen auf die Zahl der Gesamtbevölkerung von Wardak (577.100) liegt die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines willkürlichen Anschlags zu werden, bei einem Verhältnis von 1:2.228. Ein derartiges Verhältnis reicht nach der Rechtsprechung des BVerwG,
142vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 –10 C 13/10 –, juris,
143nicht aus, um eine ausreichend hohe Gefahrendichte willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung zu dokumentieren. Auch bei der über die reine Berechnung hinaus anzustellenden wertenden Gesamtbetrachtung aller Gesichtspunkte der dortigen Sicherheitslage kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Konflikt in der Provinz Wardak keine so hohe Gefahrendichte willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung erreicht, dass jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region jederzeit mit einer nicht mehr zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Dabei hat die Kammer die Schwierigkeiten beachtet, vorhandene Zahlen für Gesamtafghanistan (UNAMA) auf Provinzen - oder gar Distrikte innerhalb von Provinzen - allein anhand von mathematischen Rechenoperationen zu übertragen. Weiter ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist. Dabei dürfte durchaus ein Faktor von 1:3 nicht unrealistisch sein.
144Vgl. Dr. Danesch: Stellungnahme an VGH Kassel (8 A 119/12.A) vom 3. September 2013 unter Hinweis auf den Sprecher des „Bundesausschusses Friedensforschung“ in Berlin, Herr Lühr Henken, S. 11.
145Dennoch liegt die Gefahrendichte unter Einbeziehung all dieser Aspekte im Promillebereich.
146Vgl. ebenso für die Provinz Wardak: Urteil der Kammer vom 23. Oktober 2012 – 14 K 6157/11.A –, Rn. 58 ff.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 16. April 2014 – 13a ZB 14.30069 –, Rn. 4 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 11. Dezember 2013 – AN 11 K 13.30901 –, Rn. 40 f.; VG München, Urteile vom 5. Dezember 2013 – M 23 K 11.30432 –, Rn. 29 ff., und vom 19. November 2013 – M 25 K 11.30742 –, Rn. 31 ff.; zitiert jeweils nach juris.
147Dass die Kläger wegen ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit zusätzlich der Gefahr gezielter Anschläge ausgesetzt wären, ist zudem nicht ersichtlich. Für die Annahme gefahrerhöhender persönlicher Umstände genügt die Zugehörigkeit der Kläger zur Volksgruppe der Hazara nicht, weil wie bereits ausgeführt wurde, eine Gruppenverfolgung der Hazara ausgeschlossen ist.
148Vgl. dazu VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Juli 2014 – 5a K 1857/13.A –, juris.
149Die Kläger zu 1., 3. und 4. haben auch keinen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG.
150Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Dabei ist zu beachten, dass die Berücksichtigung des Art. 3 EMRK im Rahmen des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG nicht dazu führt, dass § 60 Abs. 5 AufenthG insoweit verdrängt wird.
151Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 34 ff., und vom 13. Juni 2013 – 10 C 13.12 –, Rn.24, jeweils juris.
152Dennoch scheidet in Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus.
153Ein Abschiebungsverbot kann sich in der vorliegenden Situation für die Kläger zu 1., 3. und 4. auch nicht gem. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK daraus ergeben, dass für die Ehefrau und Mutter der Kinder, die Klägerin zu 2., von Seiten des BAMF ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans festgestellt wurde. § 60 Abs. 5 AufenthG verweist auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten lediglich insoweit, als sich daraus Abschiebungsverbote ergeben, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen (sog. zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Konsequenterweise kann das BAMF im verwaltungsgerichtlichen Asylrechtsstreit auch nur im Hinblick auf zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote zur Feststellung verpflichtet werden.
154Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 – 9 C 13.96 –, BVerwGE 105, 322 zur Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 4 AuslG.
155Die Ausländerbehörde bleibt demgegenüber für die Durchführung der Abschiebung und dabei auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse zuständig. Zu den ausschließlich von der Ausländerbehörde zu prüfenden Vollstreckungshindernissen zählen beispielsweise fehlende Ausweise oder Ersatzpapiere, krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit, aber auch das – hier wohl einschlägige - Verbot, durch die Abschiebung eine mit Art. 6 GG nicht vereinbare Trennung von Familienmitgliedern zu bewirken.
156Vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 10 B 39.12 –, juris.
157Die Folgen einer Abschiebung für eine tatsächlich bestehende familiäre Beziehung können daher grundsätzlich nur von den Ausländerbehörden durch Zuerkennung eines entsprechenden aufenthaltsrechtlichen Status berücksichtigt werden und sind daher im Asylverfahren weder für das BAMF noch für die Gerichte zu beachten.
158vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 10 B 65.07 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2012 – A 2 S 1995/12 –, juris.
159Die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Kläger zum Erlass des Bundesinnenministeriums vom 14. November 2013 sind im Übrigen nicht zielführend, weil es vorliegend nicht um eine Rückführung unbegleiteter Minderjähriger geht, sondern die Kläger zu 3. und 4. zusammen mit ihrem Vater nach Afghanistan zurückkehren würden.
160Schließlich können auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht festgestellt werden. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
161Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 – 1 C 2.01 –, BVerwGE 114, 379.
162Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde”. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren.
163Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 38 unter Hinweis auf die st. Rspr., juris.
164Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
165So BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, NVwZ 2011, 48, 49, und vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 -, juris.
166Dabei können aber Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche für sich nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen.
167Dies vorangestellt ist nicht davon auszugehen, dass den Klägern zu 1., 3. und 4. bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage droht.
168Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass der Kläger zu 1. und seine Töchter im Falle der Rückkehr auf Unterstützung – zumindest durch die engsten Familienmitglieder – hoffen können. Allerdings leben noch Cousins und die Stiefbrüder des Klägers zu 1. und Onkel, Tanten und eine Schwester der Klägerin zu 2. in Kabul, so dass die Kläger zumindest familiären Anschluss in Afghanistan vorfinden. Der Kläger zu 1. verfügt auch über eine gute Ausbildung. Er ist gelernter Lackierer und hat sich bereits mehrfach auf dem afghanischen Arbeitsmarkt behauptet. Er hat auch im Iran offenbar über eine gute Stellung verfügt, die das Überleben der vierköpfigen Familie über Jahre sicherstellen konnte. Es wird dem Kläger daher trotz seines längeren Aufenthaltes außer Landes voraussichtlich möglich sein, eine existenzsichernde Erwerbsmöglichkeit für seine Familie zu finden. Zudem hat der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung angegeben, zusammen mit seinen Stiefbrüdern über Ländereien im Hazarejad zu verfügen, die verkauft werden könnten, um so in der ersten Zeit nach der Rückkehr das Überleben sicherzustellen. Dementsprechend ist man schließlich bereits bei dem Verkauf des Hauses verfahren, mit der die Flucht aus Afghanistan finanziert worden sein soll. Der Besorgnis des Prozessbevollmächtigten der Kläger, die Kinder würden nicht versorgt werden können, wenn der Vater einer Erwerbstätigkeit nachgehe, führt daher hier nicht zu einer anderen Beurteilung. Bei den Kindern handelt es sich schließlich auch nicht mehr um Kleinstkinder, die rund um die Uhr Fürsorge und Betreuung erhalten müssen. Sie sind 6 und 9 Jahre alt und können sich daher tagsüber alleine beschäftigen. Zudem ist davon auszugehen, dass die sich noch in Afghanistan befindlichen Verwandten und Bekannten den Kläger zu 1. zumindest bei der Beaufsichtigung der Kinder unterstützen werden, auch wenn diese nach Angaben der Kläger eigene finanzielle Probleme haben. Der Kammer ist durchaus bewusst, dass mit der Trennung von ihrer Mutter den Kindern die für ihre Entwicklung elementare Betreuung und Fürsorge durch die Mutter entzogen wird. Doch dieser Entzug betrifft im Kern die vorrangig zu prüfende Frage, ob die mit einer Durchführung der Abschiebung einhergehende Trennung der Klägerinnen zu 3. und 4. von ihrer Mutter zulässig ist. Über diese Frage ist aber ausschließlich von der Ausländerbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung etwaiger Vollstreckungshindernisse zu entscheiden und darf im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden.
169vgl. BVerwG, Urt. v. 21. September 1999 – 9 C 12.99 – BVerwGE 109, 305; Urteil vom 23. Mai 2000 – 9 C 2.00 –, juris.
170Das von den Klägern geltend gemachte Risiko des Erfrierens oder Verhungerns begründet die Annahme einer extremen Gefahr ebenfalls nicht. Aus dem offenen Brief von amnesty international vom 19. Oktober 2012,
171vgl. www.amnesty.org/en/news/afghanistan-urgent-assistance-needed-avoid-deaths,
172geht zwar hervor, dass in den Flüchtlingslagern Afghanistans infolge des außerordentlich strengen Winters 2011/2012 über 100 Menschen, meistens Kinder, an Kälte oder Krankheiten starben. Auch gemäß den UNHCR-Richtlinien,
173vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 (HCR/EG/AFG/13/01 - deutsche Fassung der UNHCR Guidelines 2013),
174besteht hinsichtlich der provisorischen und notdürftigen Unterkünfte für Binnenvertriebene sowie zurückkehrende Flüchtlinge folgende Situation: Die Betroffenen – in Kabul ca. 35.000 Personen –, die angesichts begrenzter Unterkunftsmöglichkeiten in informellen Siedlungen (Slums) leben müssten, seien dem strengen Winter schutzlos ausgeliefert. Infolge dessen seien in Kabul Anfang 2012 zehn Personen und Anfang 2013 17 Personen an der Kälte gestorben.
175Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts,
176vgl. Auskunft vom 2. Juli 2013 an den Hess. VGH zum Verfahren 8 A 2344/11.A,
177dürfte es aber unwahrscheinlich sein, dass besonders in der Hauptstadt Kabul Personen verhungern oder verdursten. In Kabul komme es im Winter gelegentlich vor, dass Personen, die keine winterfeste Bleibe haben, erfrieren. Hierbei handle es sich zumeist um Säuglinge. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Lutze vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz unter den registrierten 3.000 Rückkehrern im Zeitraum der vorangegangenen zehn Jahre keine Todesfälle infolge von Hunger oder Unterernährung bekannt geworden sind.
178Vgl. Dr. Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 12.
179Danach stellt sich die Lage für die Kläger zu 1., 3. und 4. nach ihrer Rückkehr auch nicht wegen drohender Kälte oder Hunger als lebensbedrohlich dar. Zum einen handelt es sich bei den Klägerinnen zu 3. und 4. nicht um Säuglinge oder Kleinstkinder. Zudem ist angesichts der finanziellen Mittel des Klägers zu 1. und der noch in Kabul lebenden Verwandtschaft nicht davon auszugehen, dass die Kläger in Notunterkünften wohnen werden, wo sie der Gefahr des Erfrierens ausgesetzt sein könnten. Weil daher ausreichende Erkenntnisse zur Lage im Hinblick auf drohende Kälte und Hunger vorliegen und anzunehmen ist, dass die Kläger insoweit nicht in Gefahr sind, muss auch dem Hilfsbeweisantrag Nr. 2 nicht nachgegangen werden. Auf die Vernehmung eines Zeugen zur Lage in Kabul im Hinblick auf Gefahren durch Hunger und Kälte kann verzichtet werden.
180Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 161 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt die Feststellung des Abschiebeverbotes für die Klägerin zu 2. Gerichtskosten werden gem. § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 03. Feb. 2015 - 14 K 1202/14.A
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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 03. Feb. 2015 - 14 K 1202/14.A zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.
- 2
-
Der 1972 geborene Kläger wurde im November 2004 in M. aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung gab der Kläger an, er habe sich am bewaffneten Kampf der PKK beteiligt. Im Juni 1991 sei er festgenommen und einen Monat lang von türkischen Sicherheitskräften unter Folter verhört worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölfeinhalb Jahren Haft sei er bis Dezember 2000 weiter im Gefängnis gewesen und dann vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Anschließend habe er sich erneut der PKK angeschlossen. Später habe er an deren politischer Linie gezweifelt und sich im Juli 2004 von der PKK getrennt. In der Türkei sei sein Leben trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen, da er keinen Wehrdienst abgeleistet und deswegen gesucht worden sei. Zudem hätten die Sicherheitskräfte erfahren, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Haft wieder der PKK angeschlossen habe.
- 3
-
Der Kläger hat dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) unter anderem die Kopie eines Urteils des Staatssicherheitsgerichts D. vom 24. Januar 1992 übergeben, wonach er u.a. wegen "Mitgliedschaft in der illegalen Organisation PKK" gemäß § 168/2 tStGB zu einer Haftstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Das Auswärtige Amt bestätigte die Echtheit der Urkunden und teilte mit, dass nach dem Kläger in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet werde. Sein Bruder habe ausgesagt, dass der Kläger sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen habe. Außerdem sei bekannt, dass er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Würde er wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt, würde zusätzlich die auf Bewährung ausgesetzte Reststrafe vollstreckt werden.
- 4
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Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG offensichtlich unbegründet, da der Kläger eine schwere nichtpolitische Straftat begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt habe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.
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Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet. Im Berufungsverfahren hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, der Kläger sei im Bundesgebiet für die Nachfolgeorganisation der PKK, den KONGRA-GEL aktiv und habe im Januar 2005 an einer Aktivistenversammlung in N. teilgenommen. Er habe im Jahr 2006 als Leiter des KONGRA-GEL in Offenbach fungiert und ab diesem Zeitpunkt eine Kontrollfunktion innerhalb des KONGRA-GEL in A. ausgeübt. Der Kläger hat das bestritten.
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Mit Urteil vom 21. Oktober 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach Rückkehr in die Türkei gemäß § 314 Abs. 2 tStGB 2005 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests widerrufen würde. Auch wenn dies politische Verfolgung darstellen sollte, stünde § 3 Abs. 2 AsylVfG der Flüchtlingsanerkennung entgegen. Die terroristischen Taten der PKK seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, stellten schwere nichtpolitische Straftaten dar und stünden in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Kläger habe sich daran zumindest "in sonstiger Weise" beteiligt. Selbst wenn für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehen müsse, sei das beim Kläger der Fall. Denn er habe sich weder äußerlich von der PKK abgewandt noch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Dahinstehen könne, ob § 3 Abs. 2 AsylVfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetze, denn der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung bedeute keine unbillige Härte für den Kläger.
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Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in der Türkei vollständig abgeschafft. Wegen der dem Kläger in der Türkei drohenden langjährigen Haftstrafe sei ausgeschlossen, dass er im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Zwar greife zugunsten des Klägers, der im Anschluss an seine Festnahme im Juni 1991 Folter erlitten habe, die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Dennoch sprächen aufgrund der Angaben des Auswärtigen Amtes sowie türkischer Menschenrechtsorganisationen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten habe. Misshandlungen durch türkische Sicherheitskräfte lägen ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht offiziell in Gewahrsam befunden habe; das wäre beim Kläger jedoch der Fall. Angesichts bereits vorhandener Beweise bestünde auch keine Notwendigkeit, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen. Schließlich lebten in seiner Heimat zahlreiche Personen, die sich seiner annehmen und ihm bereits bei seiner Ankunft anwaltlichen Beistand verschaffen könnten. Zudem würden die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers verfolgen und etwaige Übergriffe auf seine Person publik machen. Ein Schutz durch "Herstellen von Öffentlichkeit" lasse sich zwar nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten. Aber auch für diese Zeitspanne sprächen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger, der in einem Gefängnis des Typs F untergebracht würde, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein würde, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen könnten. Dahinstehen könne, ob das auch für unter dieser Schwelle liegende Maßnahmen gelte, denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in die Türkei als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 3 EMRK stehe bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund. Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes bestehe nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohten und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Diese Voraussetzungen lägen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht vor. Da sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG an Art. 3 EMRK orientiere, beanspruchten diese Grundsätze auch im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG Geltung. Stünden im Herkunftsland ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Abwehr drohender Gefahren zur Verfügung, benötige der Betreffende keinen internationalen Schutz. Auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greife nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision - beschränkt auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - zugelassen.
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Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 60 Abs. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Quellen selektiv ausgewertet und zu Lasten des Klägers ohne Aufklärung unterstellt, dass seine Familie einen Rechtsanwalt besorgen könne und die Nachfolgeorganisationen der PKK für ihn Öffentlichkeitsarbeit machen würden. Angesichts der umfassenden Geltung des Art. 3 EMRK reiche die Erkenntnislage nicht aus, um ein Abschiebungshindernis auszuschließen. Insofern werde auch eine Gehörsverletzung gerügt, denn wenn das Gericht zu erkennen gegeben hätte, dass es aus tatsächlichen Gründen für den Kläger keine Gefahr einer Misshandlung sehe, hätte der Kläger dazu weiter vorgetragen und Beweisanträge gestellt. Schließlich sei die Auslegung der in Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgründe ungeklärt.
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Innerhalb der bis einschließlich 4. Juni 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist der Begründungsschriftsatz nicht vollständig per Fax eingegangen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat Wiedereinsetzung beantragt und zur Begründung Probleme bei der Faxübertragung geltend gemacht.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts seien einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts der tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Schutz seines Heimatlandes durch Anrufung türkischer Gerichte bzw. eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Anspruch nehmen könne.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da er bei der Prüfung des in § 60 Abs. 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbots diejenigen erniedrigenden Behandlungsmaßnahmen übergangen hat, die keine irreparablen oder sonst schweren körperlichen und seelischen Folgen hinterlassen. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend selbst entscheiden. Daher ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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1. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Diese durfte nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Versuchen einer Faxübertragung infolge der fernmündlich erteilten unrichtigen Auskunft des Gerichtspförtners, es seien alle Seiten angekommen, davon ausgehen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz innerhalb der Frist vollständig eingegangen sei.
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2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen Streitgegenstand bzw. selbständigen Streitgegenstandsteil (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198
). Die Revisionszulassung kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1976 - BVerwG 2 C 39.73 - BVerwGE 50, 292 <295>; BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04 - NJW-RR 2007, 182 <183>).
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Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, das auf Feststellung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 15. Oktober 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) von Bedeutung, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.
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3. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685 - EMRK) enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM(2001) 510 endgültig S. 6, 30).
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Die Vorschriften zum subsidiären Schutz sind im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt worden, als die in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet worden sind. Denn die in Art. 17 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe greifen nach nationalem Recht gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erst auf einer nachgelagerten Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Daher kommt es entgegen der Annahme der Revision auf die Interpretation der Ausschlussgründe gemäß Art. 17 der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht an.
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Bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG ist der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 389 - GR-Charta) als verbindlicher Teil des primären Unionsrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV) zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Die Vorschrift gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch diese Bestimmung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen.
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a) Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Prüfung des § 60 Abs. 2 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei gefoltert worden ist. Dennoch hat das Berufungsgericht seiner Prognose den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht den sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinreichender Sicherheit zugrunde gelegt. Es hat aber zugunsten des Klägers die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltene Beweiserleichterung angewendet (UA Rn. 90). Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
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Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
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Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Das ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.
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Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 - BVerfGE 54, 341 <360 f.>; dem folgend Urteil vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 237.80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; stRspr). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97 <101 ff.>), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (Urteil vom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250 <252>). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - a.a.O. S. 99). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend Urteile vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 <170 f.> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 <154 f.>), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330> zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).
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Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Zum einen wird ihr Anwendungsbereich über den Flüchtlingsschutz hinaus auf alle Tatbestände des unionsrechtlich geregelten subsidiären Schutzes ausgeweitet. Sie erfasst demzufolge auch das im vorliegenden Fall zu prüfende Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG. Zum anderen bleibt der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 84 ff. zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung). Der in dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330
); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 stRspr).
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Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 92 ff.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. Rn. 128 m.w.N.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung (mehr).
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b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während der Strafhaft erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, den Maßstab des § 60 Abs. 2 AufenthG auf diejenigen tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen verengt, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können, zur Verursachung bleibender Schäden geeignet oder aus sonstigen Gründen als gravierend anzusehen sind (UA Rn. 106). Erniedrigende Behandlungsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 EMRK, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen, hat es bei der Prognoseerstellung ausdrücklich nicht geprüft (UA Rn. 111). Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof die eigene Verantwortung der Türkei als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention betont und daraus gefolgert, dass sich der Kläger darauf verweisen lassen müsse, seine Rechte gegen diese Arten von Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus selbst zu verfolgen (UA Rn. 112). Diese Annahme verletzt Bundesrecht.
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Die Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG hat sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben - wie oben bereits ausgeführt - an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu orientieren. Dieser betont in seinen Entscheidungen zur Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die mittelbaren Folgen einer Abschiebung, wenn dem Betroffenen im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, immer wieder den absoluten und ausnahmslosen Schutz des Art. 3 EMRK (EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering - NJW 1990, 2183
; vom 15. November 1996 - Nr. 70/1995/576/662, Chahal - NVwZ 1997, 1093 und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. ). Damit erweist es sich als unvereinbar, den Schutzbereich des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu verengen, und bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat der Konvention erniedrigende Behandlungsmaßnahmen von vornherein auszunehmen, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Sonst käme Rechtsschutz durch türkische Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu spät und könnte eine bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht ungeschehen machen. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG gilt mithin uneingeschränkt auch bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention.
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Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 (nunmehr: § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK. Der damals für die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass eine Mitverantwortung des abschiebenden Vertragsstaates, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einem anderen Signatarstaat als Zielstaat der Abschiebung zu wahren, nur dann besteht, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 <277>). Dieser Rechtssatz schränkt jedoch nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ein. Vielmehr werden - insbesondere mit Blick auf die von dem damaligen Kläger angeführten Haftbedingungen in der Türkei - nur Maßnahmen erfasst, die erst durch Zeitablauf oder Wiederholung in den Tatbestand einer erniedrigenden Behandlung und damit den Schutzbereich des Art. 3 EMRK hineinwachsen. Nur in derartigen Fällen kann der Betroffene auf Rechtsschutz im Abschiebezielstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen werden.
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4. Das Berufungsgericht hat die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG geprüft und aus tatsächlichen Gründen abgelehnt (UA Rn. 86 f.). Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.
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5. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder zugunsten noch zulasten des Klägers abschließend entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die Gehörsrüge. Der Senat bemerkt aber dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen hat. Denn grundsätzlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, die abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; stRspr). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, da der Kläger selbst in der Berufungsbegründung zur Gefahr der Folter in der Türkei vorgetragen hatte.
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Der Verwaltungsgerichtshof wird in dem neuen Berufungsverfahren die Prognose, ob die konkrete Gefahr besteht, dass der Kläger in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird, auf aktueller tatsächlicher Grundlage erneut stellen müssen. Dabei besteht auch Gelegenheit, dem Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen, dass die ihn belastende Aussage seines Bruders die Gefahr von Folter nicht ausschließe. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG widerlegt ist, kann das Berufungsgericht auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten. Die Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der Prognose entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (Entscheidungen vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan - NVwZ 2005, 1043 <1045> und vom 15. Dezember 2009 - Nr. 43212/05, Kaplan -
) und ist durch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG mit dem darin enthaltenen Kriterium ausreichender Schutzgewährleistung abgedeckt.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tatbestand
- 1
Der Kläger, afghanischer Staatsangehöriger schiitischer Religionszugehörigkeit aus der Provinz Kandahar, begehrt die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Feststellung von Abschiebungshindernissen.
- 2
Der Kläger reiste nach eigenen Angaben auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragte am 11.10.2012 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Bei seiner persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für (Bundesamt) am 18.02.2013 führte er zur Begründung seines Antrags im Wesentlichen aus, er habe sein Heimatland gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Schwester und seiner Nichte verlassen, da er von den Taliban erpresst worden sei. In Afghanistan habe er eine Konditorei betrieben. Eines Tages habe er einen Erpresserbrief von den Taliban erhalten, in dem er zur Zahlung von 100.000 US-Dollar aufgefordert worden sei. Da bereits sein Vater mehrfach derartige Briefe erhalten habe, mithin ebenfalls erpresst worden sei, und schließlich spurlos verschwunden sei, habe er keine andere Möglichkeit gesehen, als sich in Sicherheit zu bringen und das Land zu verlassen.
- 3
Mit Bescheid vom 21.02.2013 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Afghanistan angedroht. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Kläger habe keine politische Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure glaubhaft gemacht. Im Übrigen seien seine Ausführungen unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei nicht einsichtig, weshalb sich die Taliban mit einer derart hohen Summe gerade an den Kläger – als Inhaber einer Konditorei – gewandt hätten, während sein wohlhabender Onkel unbehelligt geblieben sei.
- 4
Am 25.02.2013 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung ließ er im Wesentlichen vortragen, die Ablehnung der (finanziellen) Unterstützung der Taliban stelle eine politische Überzeugung dar. Zudem sei er aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von staatlicher und nichtstaatlicher Verfolgung bedroht.
- 5
Der Kläger beantragt,
- 6
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 21.02.2013 zu verpflichten, dem Kläger unter Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
- 7
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 21.02.2013 zu verpflichten, das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG festzustellen,
- 8
weiter hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 21.02.2013 zu verpflichten, das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
- 9
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
- 10
die Klage abzuweisen.
- 11
Sie tritt der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 21.02.2013 entgegen.
- 12
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
- 13
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, da in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
- 14
Die zulässige Klage, über die auch in Abwesenheit der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zum Teil begründet. Hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG war die Klage abzuweisen. Soweit der Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geltend macht, war der Klage unter entsprechender Aufhebung des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes vom 21.02.2013 stattzugeben.
- 15
Die Klage musste hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfolglos bleiben.
- 16
Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 AsylVfG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Abs. 1 der Vorschrift ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG kann eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Eine derartige Verfolgung kann nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG sind die Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU (zuvor: Richtlinie 2004/83/EG) – im Folgenden: QRL – für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, ergänzend anzuwenden. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, die Schutzakteure, internen Schutz, Verfolgungshandlungen und -gründe für anwendbar erklärt.
- 17
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger vor seiner Ausreise keine solche Verfolgung erlitten, insbesondere befindet er sich nicht in asylerheblicher Weise aus Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Heimatlandes.
- 18
Zwar glaubt der Einzelrichter dem Kläger, dass er in Kandahar in einer Konditorei gearbeitet und dort einen Erpresserbrief erhalten hat. Der etwas schüchtern und in sich gekehrt wirkende Kläger hat das Rand- und Kerngeschehen im Verfahren vor dem Bundesamt wie auch vor Gericht in einer strukturgleichen und mit individuellen Merkmalen durchsetzten Aussage geschildert. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat er detailreich und ohne Widersprüche von der Konditorei in Kandahar und den näheren Umständen zu den erhaltenen Briefen berichtet. Was insbesondere die Frage anbelangt, warum gerade er bzw. sein Vater von den Taliban erpresst worden sei, so hat er die (nachvollziehbare) Vermutung geäußert, dass dies mit der schiitischen Religionszugehörigkeit seiner Familie zusammenhängen könne. Der überwiegende Bevölkerungsteil in Kandahar sei sunnitischen Glaubens. Dies habe auch für sein Wohnviertel und die Einkaufstraße gegolten, in der er bzw. sein Vater die Konditorei betrieben hätten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch im Einzelnen dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Konditorei „gut gelaufen“ sei und täglich Einnahmen von ca. 2.000 US-Dollar eingebracht habe. Selbst wenn diese Mittel nicht ausgereicht hätten, um den Forderungen der Taliban i.H.v. 100.000 US-Dollar nachkommen zu können, so erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Forderung der Taliban nur ein Druckmittel war, um die schiitische Familie des Klägers unter Druck zu setzen und ggf. aus Kandahar zu vertreiben.
- 19
Gleichwohl konnte der Kläger eine konkrete asylrelevante Bedrohung durch die Taliban nicht glaubhaft machen.
- 20
Soweit der Kläger vorgetragen hat, er sei aufgrund seiner schiitischen Religionszugehörigkeit ins Visier der Taliban geraten, so hat er eine diesbezügliche Bedrohungslage nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft machen können. Die Frage des Einzelrichters im Rahmen der mündlichen Verhandlung, ob ihm die Taliban in den Erpresserbriefen vorgehalten hätten, dass er bzw. seine Familie Schiiten bzw. „Gottlose“ seien, hat der Kläger ausdrücklich verneint. Stattdessen meinte er lediglich, es sei „allgemein bekannt“, dass Schiiten in Kandahar von den Taliban verfolgt bzw. benachteiligt würden. Damit fehlt der Nachweis einer konkreten Verknüpfung der Verfolgungshandlungen der Taliban mit der schiitischen Religionszugehörigkeit des Klägers. Auch im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt hat der Kläger mit Blick auf den Inhalt des Briefes lediglich davon gesprochen, dass die Taliban ihn bzw. seine Familie aufgefordert hätten, sie in ihrem Kampf gegen die Ungläubigen zu unterstützen.
- 21
Auch eine asylrelevante Bedrohung aufgrund seiner politischen Überzeugung hat der Kläger nicht glaubhaft machen können. Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. e) QRL insbesondere zu verstehen, dass der Antragsteller in einer Angelegenheit, die die in Art. 6 der Richtlinie genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Antragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Was unter einer Verfolgungshandlung zu verstehen ist, definieren Art. 9 Abs. 1 und 2 QRL, wobei nach Art. 9 Abs. 3 eine Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen bestehen muss.
- 22
Soweit der Kläger diesbezüglich vorträgt, die Ablehnung der (finanziellen) Unterstützung der Taliban sei als politische Überzeugung anzusehen, so vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar kann etwa die Ablehnung des „Djihad“ eine politische Überzeugung i.S.v. Art. 10 Abs. 1 Buchst. e) QRL darstellen (vgl. hierzu das seitens der Prozessbevollmächtigten des Klägers in Bezug genommene Urteil des VG Göttingen vom 04.12.2012 – 4 A 125/10, zu finden unter asyl.net). So liegt der Fall hier indes nicht. Die Flucht vor dem „Djihad“ – die seitens der Taliban als todeswürdiges Verbrechen angesehen wird – kann mit der Weigerung, die Taliban finanziell zu unterstützen, nicht ohne Weiteres gleichgesetzt werden. Dies gilt vorliegend jedenfalls deshalb, weil der Kläger die (finanzielle) Unterstützung der Taliban nicht ausdrücklich abgelehnt, sondern auf die Forderung der Taliban (lediglich) geflüchtet ist. Er hat die Konditorei bereits zwei Tage nach dem Erhalt des Erpresserbriefes geschlossen, um einige Monate später aus Afghanistan zu fliehen. Es ist vom Kläger nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass dieses Verhalten des Klägers zu weiteren Verfolgungshandlungen seitens der Taliban geführt hat, zumal auch der Vater des Klägers in der Vergangenheit mehrere Briefe erhalten hat, ohne dass dies (zunächst) mit konkreten Bedrohungen oder Nachstellungen seitens der Taliban verbunden gewesen wäre. Sofern Ziel des Erpresserbriefes die Vertreibung des Klägers bzw. seiner Familie zum Ziel gehabt haben sollte, so hätten die Taliban dieses Ziel mit der Flucht des Klägers erreicht. Soweit der Kläger sich gleichwohl in einer Bedrohungslage gesehen hat bzw. immer noch sieht, so ist dies letztlich auch auf entsprechende Äußerungen in seinem Bekanntenkreis zurückzuführen. Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt hat er hierzu angegeben, dass seine Bekannten die Vermutung geäußert hätten, dass er in Gefahr sei und das Land verlassen müsse. Von konkreten Bedrohungen oder Übergriffen seitens der Taliban hat der Kläger indes nichts berichtet. Soweit er das spurlose Verschwinden seines Vaters mit den Erpresserbriefen in Zusammenhang bringt, so handelt es sich auch insoweit um Spekulation. Welche Hintergründe das Verschwinden des Vaters wirklich hatte, lässt sich nicht sagen.
- 23
Damit ist ein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht gegeben. Insoweit erweist sich der angegriffene Bescheid als rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
- 24
Demgegenüber hat die Klage mit dem hilfsweise geltend gemachten Begehren, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des angegriffenen Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt, Erfolg.
- 25
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Vorschrift setzt die sich aus Art. 18 i.V.m. Art. 15 Buchst. c QRL ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht um.
- 26
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts i.S. von Art. 15 Buchst. c QRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher „innerstaatlicher bewaffneter Konflikt“ kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 – 10 C 43/07 – juris).
- 27
Kann ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zumindest im tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat festgestellt werden, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiter zu fragen, ob ihm dort infolgedessen auch eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt droht. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. (1.) eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und (2.) der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie (3.) eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (ausführlich: BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32 ff.).
- 28
Bei der Prüfung, ob dem Ausländer zumindest in seiner Herkunftsregion aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben droht, sind gegebenenfalls gefahrerhöhende persönliche Umstände zu berücksichtigen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Liegen hingegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Allerdings kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18 ff.).
- 29
Auf dieser Grundlage gestaltet sich die Situation in Afghanistan wie folgt:
- 30
Nach den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (vom 09.02.2011, 10.01.2012 und 04.06.2013) finden in weiten Teilen des Landes mit Schwerpunkt Süden, Südwesten, Südosten, Osten und Teilen des Nordens gewalttätige Auseinandersetzungen statt. Die Lage ist weder sicher noch stabil. In den letzten Jahren war ein deutlicher Anstieg sicherheitsrelevanter Zwischenfälle zu verzeichnen. Dabei wird die Sicherheitslage in den einzelnen Regionen unterschiedlich dargestellt. Zwar heißt es im Bericht vom 04.06.2013, dass die Zahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Berichtszeitraum (2012) im Vergleich zum Vorjahr leicht abgenommen habe. Insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten sei eine weitere wetterbedingte Abschwächung der Kampfhandlungen zu beobachten gewesen. Andererseits finden sich Pressemitteilungen, wonach die internationalen Streitkräfte einen eigenen Bericht, wonach die Zahl der Angriffe der Taliban im Jahr 2012 zurückgegangen sei, korrigiert hätten. Laut neuen Angaben sei die Zahl gegenüber dem Vorjahr praktisch unverändert gewesen (BBC News vom 26.02.2013, zu finden unter http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-21594010).
- 31
Das Afghanistan NGO Safety Office (ANSO) führt in einem Bericht vom April 2013 an, dass die Anzahl der von bewaffneten Oppositionsgruppen in den ersten 3 Monaten des Jahres 2013 verübten Angriffe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 47 Prozent angestiegen ist. Nach Einschätzung des ANSO ist angesichts der Stabilität der saisonalen Konflikttrends (geringe Konfliktintensität im Winter und starker Anstieg im Sommer) davon auszugehen, dass die erneute Eskalation des Konflikts während der gesamten Saison anhält und die Gewalt im Jahr 2013 das zweithöchste Niveau nach 2010 erreicht. Die Anzahl der Angriffe bestätigt außerdem, dass der Rückgang der Gewalt im vergangenen Jahr kein Anzeichen einer dauerhaft verminderten Kampffähigkeit der bewaffneten Oppositionsgruppen gewesen ist. Vielmehr handelte es sich um eine operationelle Pause, die möglicherweise durch den strengen Winter 2011/12 bedingt war und mittlerweile beendet wurde. Das ANSO berichtet weiters, dass die bewaffneten Oppositionsgruppen weiterhin zunehmend afghanische Ziele angreifen. So haben in den ersten 3 Monaten des Jahres 2013 insgesamt 73 Prozent aller von den bewaffneten Oppositionsgruppen verursachten sicherheitsrelevanten Vorfälle auf die afghanischen Sicherheitskräfte abgezielt. Weitere 10 Prozent zielten auf Zivilisten, die mit der Regierung in Verbindung standen bzw. denen eine solche Verbindung vorgeworfen wurde (ANSO, April 2013, S. 9). In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16.02. bis 15.05.2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 Prozent der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes (UNGA, 13.06.2013, S. 5)
- 32
Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) schreibt in ihrem Halbjahresbericht zum Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt vom Juli 2013, dass sie im Zeitraum von Januar bis Juni 2013 insgesamt 3.852 zivile Opfer (1.319 Tote und 2.533 Verletzte) dokumentiert hat und dies einen 23-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum darstellt. Für 74 Prozent der zivilen Opfer waren laut UNAMA regierungsfeindliche Elemente, für 9 Prozent regierungstreue Kräfte und für 12 Prozent Bodenkämpfe zwischen beiden Seiten verantwortlich. Die restlichen 4 Prozent konnten keiner Konfliktpartei zugeordnet werden. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude (UNAMA, Juli 2013, S. 1-2).
- 33
Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel von AlertNet bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 Polizisten getötet worden seien – die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben. Die gleiche Anzahl an Polizisten sei in den 12 vorangegangenen Monaten ums Leben gekommen (AlertNet, 02.09.2013).
- 34
In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 01.07.2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (UNGA, 6. September 2013, S. 5).
- 35
Eine Analyse der Aktivitäten von Aufständischen seit Dezember 2012 habe eine Zunahme von größeren Angriffen der Taliban ergeben, bei denen strategisch wichtige Ortschaften vorübergehend besetzt worden seien. Es gebe Anzeichen für Verstärkung der Aktivitäten im Hinblick auf den Abzug ausländischer Truppen im Jahr 2014 (Ruttig, Thomas: After the ‘operational pause’: How big is the insurgents’ 2013 spring offensive?, 02.06.2013, veröffentlicht von AAN, verfügbar auf ecoi.net).
- 36
Die Bewertung dieser Auskunftslage ergibt, dass in erheblichen Teilen Afghanistans von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ausgegangen werden muss. Die in diesem Rahmen stattfindenden Auseinandersetzungen sind als willkürliche Gewalt einzustufen. Hierbei ist es unerheblich, wie dieser Begriff zu verstehen ist (vgl. BVerwG vom 24.06.2008 – 10 C 43/07 – juris Rn. 36; EuGH vom 17.02.2009 - Rs C-465/07 Abl. EU vom 18.04.2009 C 90/4 Rn. 35). Einerseits wird er verstanden als nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheidende unterschiedslose Angriffe sowie als Anschläge, die nicht auf die bekämpfte Konfliktpartei gerichtet sind, sondern die Zivilbevölkerung treffen sollen, ferner als Gewaltakte, bei denen die Mittel und Methoden in unverhältnismäßiger Weise die Zivilbevölkerung treffen. Nach anderer Ansicht soll das Merkmal der willkürlichen Gewalt definiert werden als wahllos stattfindende Gewalt gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität.
- 37
Wie die genannten Auskünfte ergeben, halten sich die Konfliktparteien mit Ausnahme der internationalen Truppen nicht an die Regeln des humanitären Völkerrechts. Sie unterscheiden nicht zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten. Die unterschiedlichen Milizen sowie die Taliban suchen gerade nicht den Kampf mit den regulären Truppen. Vielmehr agieren sie z.B. mit Sprengstoffanschlägen gerade gegen die Zivilbevölkerung, um hier ihre Opfer zu finden. Zudem tarnen sie sich als Zivilisten und provozieren hierdurch Angriffe der Gegenseite, die als Folge auch Unschuldige treffen. Damit liegen unterschiedslose Angriffe vor. Die fehlende Zielgerichtetheit der Angriffe ergibt sich daraus, dass gerade Angriffe auf Zivilpersonen und humanitäre Organisationen ein allgemeines Klima der Angst hervorrufen sollen. Hierzu werden Attentate eingesetzt, die möglichst viele Opfer zur Folge haben sollen.
- 38
Allerdings ist die Lage hinsichtlich der unterschiedlichen Provinzen differenziert zu sehen. Nicht in allen Teilen Afghanistans ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in diesem Sinne auszugehen, bei denen wahllos stattfindende Gewalt insbesondere die Zivilbevölkerung stark in Mitleidenschaft zieht (bejahend: HessVGH vom 11.12.2008 - 8 A 611/08.A - juris für die Provinz Paktia; VG Kassel vom 01.07.2009 - 3 K 206/09.KS.A - juris für den Süden und Südosten des Landes; VG Ansbach vom 03.03.2011 - AN 11 K 10.30505 - juris für die Provinz Helmand; VG Augsburg vom 10.06.2011 - AU 6 K 10.30644 - juris für die Provinz Kandahar; VG Gießen vom 20.06.2011 - 2 K 499/11.GI.A, Asylmagazin 2011, 235 insbesondere für die Provinz Maidan-Wardak, aber auch allgemein für das ganze Land; VG Köln vom 24.01.2012 - 14 K 4279/10.A Asylmagazin 2012, 74 für die Provinz Kunar; verneinend: VG Osnabrück vom 16.06.2009 - 5 A 48/09 - juris für die Stadt Herat; VG Kassel vom 01.07.2009 - 3 K 206/09.KS.A - juris für den Großraum Kabul; VG des Saarlandes vom 26.11.2009 - 5 K 623/08 - juris für den Großraum Kabul; VG Ansbach vom 16.12.2009 - AN 11 K 09.30327 - juris für Stadt und Distrikt Kabul; VG Regensburg vom 15.04.2010 - RN 9 K 09.30075 - juris ohne regionale Differenzierung; BayVGH vom 03.02.2011 - 13a B 10.30394 - juris für die Provinzen Parwan und Kabul; VG Augsburg vom 24.02.2011 - AU 6 K 09.30134 - juris für den Großraum Kabul; VG Ansbach vom 04.08.2011 - AN 11 K 11.30262 - juris für die Provinz Herat; BayVGH vom 07.10.2011 - 13a ZB 11.30347 - juris für die Provinz Wardak; BayVGH vom 08.12.2011 - 13a B 11.30276 - juris für die Provinz Ghazni; BayVGH vom 20.01.2012 - 13a B 11.30427 - juris für die Provinz Kunar; BayVGH vom 20.01.2012 - 13a B 11.30425 - juris für die Zentralregion [Maydan-Wardak]; VGH Baden-Württemberg vom 06.03.2012 - A 11 S 3177/11 - juris für Kabul; BayVGH vom 15.03.2012 - 13a B 11.30438 - juris für die Provinz Kandahar).
- 39
Auf der Grundlage dieser Auskunftslage unter Berücksichtigung der obergerichtlichen Rechtsprechung muss davon ausgegangen werden, dass in der Provinz Kandahar ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht, der jedenfalls für den Kläger zu einer erheblichen individuellen Gefahr führt.
- 40
Die Provinz Kandahar liegt im Süden Afghanistans. Sie grenzt im Norden an die Provinz Uruzgan, im Nordwesten an Zabul, im Westen und Süden an Pakistan (Provinz Balochistan) und im Osten an die Provinz Helmand. Die Provinz umfasst ca. 54.000 km2 (fast doppelt so groß wie Brandenburg). Die Einwohnerzahl wird auf rund 1,11 Mio. Einwohner geschätzt (Central Statistics Organization, Afghanistan, „Settled Population by Province – 2010-11” aus http://cso.gov.af), von denen ca. ein Drittel in ländlichen Gebieten leben. In der Hauptstadt Kandahar leben rund 369.000 Einwohner (zweitgrößte Stadt nach Kabul).
- 41
Kandahar galt seit je her als Hochburg der Taliban. Mullah Omar stammt aus Kandahar und hatte hier sein Hauptquartier. Die Stammesgesellschaft ist in Kandahar sehr ausgeprägt. Sicherheit und Ordnung liegen vielfach in Händen der Clanchefs, die entscheiden, ob sie die Anwesenheit von Taliban- oder Regierungstruppen in ihrem Gebiet zulassen. Die Ring-Road (Afghanistans Hauptverkehrsader) läuft durch drei Distrikte und bietet den Taliban sowohl Mobilität als auch Gelegenheiten zu Überfällen auf Militär- und Zivilkonvois. Durch die nördlichen Distrikte Ghorak, Khakrez, Shah Wali Kot und Miya Nishin laufen Transit- und Versorgungsrouten für Operationen der Aufständischen in den benachbarten Provinzen Helmand, Uruzgan und Zabul.
- 42
Das Bundesamt ging in einem Informationspapier aus April 2009 zur Sicherheitslage in bestimmten Provinzen Afghanistans (Kabul, Herat, Kandahar, Balkh, Parwan, Ghazni, Paktia, Nangarhar, Laghman, Kunar, Uruzgan) vom 01.04.2009 davon aus, dass aufgrund der Vielzahl der Vorfälle vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Kandahar auszugehen ist (BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration: Afghanistan, Zur Sicherheitslage in ausgewählten Provinzen (Kabul, Herat, Kandahar, Balkh, Parwan, Ghazni, Paktia, Nangarhar, Laghman, Kunar, Uruzgan), S. 43).
- 43
ANSO stellt auf Seite 10 seines Vierteljahresberichts zur Sicherheitslage vom April 2013 (Berichtszeitraum Januar bis März 2013) eine Tabelle zur Verfügung, aus der hervorgeht, dass es im Berichtszeitraum in der Provinz Kandahar 188 sicherheitsrelevante Vorfälle gegeben habe, für die bewaffnete Oppositionsgruppen verantwortlich gewesen seien. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stelle dies einen 17-prozentigen Anstieg dar (ANSO, April 2013, S. 10). Auf einer im selben Bericht enthaltenen Landkarte ist die Provinz Ghazni als „extrem unsicher“ gekennzeichnet.
- 44
In seinem Vierteljahresbericht zur Sicherheitslage vom Januar 2013 (Berichtszeitraum Januar bis Dezember 2012) schreibt das ANSO, dass die Provinzen Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni die am meisten umkämpften Gebiete im Jahr 2012 gewesen seien (ANSO, Januar 2013, S. 13). Laut einer im selben Bericht enthaltenen Tabelle ereigneten sich im Jahr 2012 insgesamt 2.065 sicherheitsrelevante Vorfälle in der Provinz Kandahar. Für 1.098 dieser Vorfälle seien bewaffnete Oppositionsgruppen, für 152 die internationalen Truppen und für 773 die afghanischen Sicherheitskräfte verantwortlich gewesen (ANSO, Januar 2013, S. 13). Weiter enthält der ANSO-Bericht eine Tabelle, aus der hervorgeht, dass die Anzahl der im Jahr 2012 von bewaffneten Oppositionsgruppen verübten Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent gesunken sei (von 1.290 auf 1.097) (ANSO, Januar 2013, S. 16).
- 45
In seinem Länderbericht zu Terrorismus vom Mai 2013 (Berichtszeitraum 2012) erwähnt das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) in Zusammenhang mit terroristischen Angriffen im Jahr 2012, dass Helmand, Kandahar, Ghazni und Kunar die gefährlichsten Provinzen für die afghanischen Sicherheitskräfte und die Koalitionstruppen gewesen seien (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Allgemeine Sicherheitslage; 2) Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle in Ghazni, [a-8497], 14.08.2013, verfügbar auf ecoi.net).
- 46
Auf dieser Grundlage ist anzunehmen, dass in der Provinz Kandahar ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht (so z.B. auch VG Köln, Urteil vom 13.12.2011 - 14 K 4389/10 – juris; VG B-Stadt, Urteil vom 16.04.2013 – 7 K 4308/12 – juris – Rn. 18).
- 47
Ob dieser bewaffnete Konflikt ein so hohes Niveau willkürlicher Gewalt erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson bei einer Rückkehr nach Helmand allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein, ob also eine außergewöhnliche Situation vorliegt, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Zwar hat die (obergerichtliche) Rechtsprechung unter Auswertung der zur Verfügung stehenden Opferzahlen darauf hingewiesen, dass das Risiko, Opfer eines Anschlages in der Provinz Kandahar zu werden, lediglich ca. 1:1.200 oder 0,1% pro Jahr betrage (so etwa VG München, Urteil vom 04.04.2013 - M 12 K 12.30449 – juris unter Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 15.03.2013 – 13a B 11.30438 – Rn 22). Auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen geht in einem Beschluss vom 28.03.2013 (13 A 1117/12.A – juris Rn. 21) davon aus, dass die statistische Gefahr, in der Provinz Kandahar bei einem Anschlag getötet zu werden, „erheblich unterhalb von 5 Promille“ liege.
- 48
Zum einen sind diese Entscheidungen jedoch noch maßgeblich auf der für das Jahr 2012 geltenden Auskunftslage ergangen. Zum anderen ergibt sich im vorliegenden Fall eine Individualisierung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Klägers.
- 49
Diese gefahrerhöhenden Umstände sind vorliegend zum einen in der schiitischen Religionszugehörigkeit des Klägers zu sehen, zugleich jedoch auch in dem Umstand, dass er sich in einem Lebensalter von 29 bzw. 30 Jahren befindet und aufgrund dieser Gesamtumstände von einem deutlich erhöhten Rekrutierungsinteresse der, wie dargelegt, nach wie vor in der Provinz Kandahar sehr präsenten Taliban auszugehen ist.
- 50
Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Länderbericht vom April 2011 (Berichtsjahr 2010) in Bezug auf Hazara und andere Schiiten, dass diese in bestimmten Gebieten Afghanistans weiterhin von Diskriminierung in Form von Gelderpressung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, körperlicher Misshandlung und Inhaftierung betroffen seien. Der UN High Commissioner for Refugees (UNHCR) berichtet im Mai 2011, dass es in verschiedenen Gebieten Afghanistans zur Zwangsrekrutierung von Männern zwischen 18 und 40 Jahren durch „regierungsfeindliche Elemente“ („Anti Government Elements“) gekommen sei. In einigen Fällen hätten Älteste in Zusammenhang mit Mobilisierungstätigkeiten der Taliban Familien dazu gezwungen, einen Mann für „lashkar“ (Tradition, einen Mann im kampffähigen Alter zur Verfügung zu stellen) zur Verfügung zu stellen (zum Ganzen: ACCORD: Zwangsrekrutierung von erwachsenen Männern durch die Taliban [a-7895], 08.02.2012, verfügbar auf ecoi.net; Bundesasylamt, Rekrutierung durch die Taliban, 02.04.2012).
- 51
Der UNHCR weist im Zusammenhang mit einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) von Juli 2012 darauf hin, dass es neben der Anwendung und Androhung unmittelbarer Gewalt weitere Druckmittel gebe, um Personen zu drängen, sich den Taliban anzuschließen. Dazu würden die Verbreitung von Angst, Einschüchterungen und die Nutzung von Stammesmechanismen zählen (ACCORD: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Zwangsrekrutierung junger Afghanen durch die Taliban [a-8093-5 (8085)], 13.08.2012, verfügbar auf ecoi.net). In einer aktuellen Stellungnahme des UNHCR vom 16.08.2013 wird festgestellt, dass insbesondere Männer und Jungen im wehrfähigen Alter einer besonderen Verfolgungsgefahr ausgesetzt seien, da diese häufig als Kämpfer rekrutiert würden. Dabei werde auch auf Zwangsrekrutierungen zurückgegriffen. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind Berichten zufolge dem Risiko ausgesetzt, als vermeintliche Regierungsspione getötet oder auf andere Weise bestraft zu werden (UNHCR-Stellungnahme zu Fragen der potentiellen Rückkehrgefährdung von jungen männlichen afghanischen Staatsangehörigen, 16.08.2013).
- 52
Mit Blick darauf, dass der Kläger in seiner Heimatprovinz Kandahar bereits ins Visier der Taliban geraten ist, liegt es für den Einzelrichter auf der Hand, dass im Fall seiner Rückkehr ein besonderes Rekrutierungsinteresse seitens der Taliban bestehen wird, zumal der Betroffene keine familiären Verpflichtungen zu erfüllen hat und er aufgrund seiner schiitischen Religionszugehörigkeit ein erhöhtes Misstrauen gegenüber dieser Person seitens der Taliban besteht. Was die besondere Gefährdungslage von Afghanen schiitischer Glaubenszugehörigkeit anbelangt, so berichtet das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 04.06.2013 zwar davon, dass Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten im Alltagsleben in Afghanistan selten seien. Allerdings heißt es in diesem Bericht ebenfalls, dass zum Schiitischen Aschura-Fest am 06.12.2011 eine der schwersten Anschlagsserien der letzten Jahre stattgefunden habe. In Kabul, Masar-e-Scharif und Kandahar seien bei Angriffen auf schiitische religiöse Stätten etwa 60 Menschen gestorben, ca. 200 seien verletzt worden. Auch in den aktuellen Richtlinien des UNHCR zur Beurteilung internationaler Schutzbedürftigkeit von afghanischen Asylsuchenden vom 06.08.2013 wird davon berichtet, dass Diskriminierungen schiitischer Glaubenszugehöriger zugenommen hätten, wobei der Umfang der Diskriminierungen von Region zu Region unterschiedlich sei (UNHRC, a.a.O., S. 45 Fn. 276). Diese Auskunftslage deckt sich mit den Angaben des Klägers zur Gefährdungslage von Schiiten in der Stadt Kandahar. Danach wird die Minderheit der schiitischen Glaubensbrüder als fremd und andersartig betrachtet.
- 53
Der Kläger hat auch keine interne Schutzmöglichkeit. In Betracht käme hier lediglich der Großraum Kabul.
- 54
Nach Art. 8 Abs. 1 QRL können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Zur Frage, wann von dem Ausländer „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die Begründung zum Regierungsentwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes (BT-Drs. 16/5065 S. 185). Hier wird ausgeführt, dass dies dann der Fall sei, wenn der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet sei. Ausdrücklich offen gelassen wurde, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen. Allerdings spreche einiges dafür, dass die gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftslandes -oberhalb (Hervorhebung durch den Einzelrichter) der Schwelle des Existenzminimums - auch den Zumutbarkeitsmaßstab prägen (BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 20). Nach diesen Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine wirtschaftliche Lebensgrundlage etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können (hierzu ausführlich: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.03.2012 – A 11 S 3070/11 – juris).
- 55
Auf dieser Grundlage stellt sich die Situation in Afghanistan, insbesondere im Großraum Kabul, wie folgt dar:
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Die Versorgungslage in Afghanistan ist schlecht. Das Auswärtige Amt teilt in seinen Lageberichten zu Afghanistan vom 10.01.2012 und 04.06.2013 mit, dass der Staat, einer der ärmsten der Welt, in extremem Maß von Geberunterstützung abhängig sei. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für Rückkehrer gelte dies naturgemäß verstärkt. Eine hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten des Landes hätten zur Folge, dass ca. 1 Mio. oder 29,5% aller Kinder als akut unterernährt gelten. Problematisch bleibe die Lage der Menschen insbesondere in den ländlichen Gebieten des zentralen Hochlands. Staatliche soziale Sicherungssysteme existierten praktisch nicht. Die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in Städten sei nach wie vor schwierig. Die medizinische Versorgung sei - trotz erkennbarer Verbesserungen - immer noch unzureichend. Rund 36% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze und die Analphabetenrate liege bei 70%. Auch das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere besondere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar.
- 57
Der Fortschrittsbericht der Bundesregierung (Juni 2013, S. 20 ff.) weist darauf hin, dass weitere Herausforderungen für die Wirtschaftsentwicklung in Afghanistan im hohen Konsum durch die internationale Gemeinschaft zu sehen seien, der sich im Zuge des Truppenabzugs stark verringern werde, während das natürliche Binnenwachstum vergleichsweise schwach bleiben werde. Hinzu komme im regionalen Vergleich das – durch die internationale Präsenz verursachte – hohe Lohnniveau bei gleichzeitiger Abwertung der Währungen der Nachbarstaaten. Dieser Wettbewerbsnachteil werde durch geringe Investitionen in mangelhafte Produktionsstätten, schlecht ausgebildete Arbeitskräfte, korruptionsanfällige Verwaltung sowie fehlende Voraussetzungen zur besseren Nutzung des agrarischen Charakters der afghanischen Wirtschaft (Zertifizierungssysteme, Verpackungsindustrie, Kühlketten) verschärft.
- 58
Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update: Die aktuelle Sicherheitslage vom 23.08.2011, S. 19 f.; Update vom 03.09.2012, S. 19 f., 21) sieht mangels sozialer Sicherungssysteme für eine sichere und wirtschaftliche Existenz eines Rückkehrers ein gutes Familiennetz und zuverlässige Stammes- und Dorfstrukturen als wichtigste Voraussetzung an. Die vorhandene medizinische Versorgung wird als völlig unzureichend eingestuft. Weite Teile der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen. Viele Menschen würden sterben, weil sie auf dem Weg zu Gesundheitseinrichtungen an Checkpoints lange aufgehalten würden. In Afghanistan, einem der ärmsten Länder der Welt, würde etwa ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Aufgrund der andauernden Gewalt, der politischen Instabilität sowie der extremen Armut und den zahlreichen Naturkatastrophen befinde sich das Land in einer humanitären Notlage. Die Arbeitslosenrate betrage rund 40%. Die durch die Landflucht rasant angewachsene städtische Bevölkerung, die vielen durch den Krieg zerstörten Wohngegenden sowie internationale Organisationen, welche horrende Mieten bezahlen können, haben die Mietpreise in Kabul stark in die Höhe getrieben. Über 40 Prozent der Rückkehrenden konnten sich in ihren Heimatorten nicht integrieren, und zahlreiche Flüchtlinge waren nach ihrer Rückkehr auf Unterstützung angewiesen. Für Rückkehrende ist es oft unmöglich, ihr Land zurückzufordern und zudem schwierig, ohne soziales und wirtschaftliches Netzwerk eine Arbeitsstelle zu finden.
- 59
Dr. Mostafa Danesch berichtet in seinen Stellungnahmen an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (vom 23.01.2006, 04.12.2006, 03.12.2008 und 07.10.2010), dass alleinstehende Rückkehrer in Afghanistan keinerlei Aussicht haben, sich aus eigener Kraft eine Existenz zu schaffen. Ein soziales Netz in Form der Großfamilie ist überlebensnotwendig.
- 60
Auf dieser Grundlage gelangt das Gericht zu der Erkenntnis, dass Personen ohne familiäre oder verwandtschaftliche Strukturen bzw. ohne soziales Netzwerk und mit besonderem Schutzbedarf wie z.B. ältere oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kindern, Familien und Personen mit besonderen ethischen oder religiösen Merkmalen in der Regel keine Möglichkeit haben, sich in Afghanistan eine neue Existenz aufzubauen.
- 61
Dies zugrunde gelegt, muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Möglichkeit hat, sich im Großraum Kabul eine neue - wenn auch kümmerliche - Existenz aufzubauen. Er hat nachvollziehbar vorgetragen, dass er im Großraum Kabul nicht auf verwandtschaftliche Strukturen zurückgreifen kann. Sein einziger Verwandter ist sein in Kandahar lebender Onkel, der ihm bei der Gründung einer eigenen Existenz in der Millionenstadt Kabul kaum behilflich sein kann. Zwar war der Kläger bereits als Lebensmittelverkäufer tätig. Allerdings hat er dieses Geschäft nicht selbständig aufgebaut, sondern war lediglich als Angestellter tätig. Er ist auch Zeit seines Lebens in Kandahar gewesen. Mit den gesellschaftlichen und örtlichen Strukturen in Kabul ist er daher nicht vertraut. Seine finanziellen Mittel sind aufgebraucht. Erschwerend kommt seine schiitische Religionszugehörigkeit hinzu. Aufgrund des Eindrucks, den das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnen hat, ist zudem davon auszugehen, dass der Kläger nicht die Energie aufzubringen vermag, um in Kabul ohne familiäre Unterstützung eine eigene Existenz aufzubauen.
- 62
Hieraus ergibt sich, dass der Kläger für sich geltend machen kann, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG besteht. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 AufenthG und nach § 60 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sind nicht erkennbar.
- 63
Da es sich bei dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz auf der Grundlage der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7Satz 2 AufenthG als auch bei dem nationalen Abschiebungsschutz auf der Grundlage der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG sich jeweils um einen Streitgegenstand handelt, ist wegen der Feststellung des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Feststellung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen, aufzuheben.
- 64
Nach § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist in der Abschiebungsandrohung der Staat zu bezeichnen, in den der Schutzsuchende nicht abgeschoben werden darf, wenn ein Abschiebungsverbot besteht. Daraus folgt, dass die positive Bezeichnung des fraglichen Staates als Zielstaat in der Abschiebungsandrohung rechtswidrig ist und zwar - wie Satz 3 dieser Vorschrift zeigt - auch dann, wenn das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes feststellt. Dann bleibt zwar die Abschiebungsandrohung nach Satz 3 dieser Vorschrift im Übrigen unberührt, die Zielstaatsbezeichnung ist aber als rechtswidrig aufzuheben. Wann ein Schutzsuchender i.S. von § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht in einen bestimmten Zielstaat abgeschoben werden darf, ist den Bestimmungen über die zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote in § 60 Abs. 2 bis Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG zu entnehmen. Bei den sog. zwingenden Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 5 und Abs. 7 Satz 2 führt eine positive Entscheidung über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich eines Staates demnach zur Rechtswidrigkeit der Zielstaatsbezeichnung dieses Staates in der Abschiebungsandrohung (BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 – 10 C 8.07 – juris).
- 65
Nach diesen Grundsätzen ist hier wegen der vorgenannten Verpflichtung zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die im angefochtenen Bescheid unter Ziffer 4 erfolgte Zielstaatsbezeichnung Afghanistan in der Abschiebungsandrohung aufzuheben.
- 66
Nach alledem ist der Klage teilweise stattzugeben, im Übrigen ist sie abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.
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Der 1976 in Mosul geborene Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger sunnitischen Glaubens. Zur Begründung des im Juli 2001 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) gestellten Asylantrags gab er an, dass er in Mosul ein Lebensmittelgeschäft betrieben habe. Eine von einem Kunden in seinem Laden abgestellte Tasche, die Flugblätter von Schiiten enthalten habe, sei von einem Unbekannten inspiziert worden. Sein Vater habe ihm daraufhin zur Flucht geraten und sei seinetwegen später verhaftet worden. Er befürchte, wegen des Vorfalls getötet oder lebenslang inhaftiert zu werden. Mit Bescheid vom 14. September 2001 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (inzwischen § 60 Abs. 1 AufenthG) hinsichtlich des Irak vorliegen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung verfolgt werde.
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Wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak widerrief das Bundesamt am 16. März 2006 die Flüchtlingsanerkennung und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.
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Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. Februar 2007 im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil der Kläger im Irak nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein keine Verfolgung mehr zu befürchten habe. Er könne auch keine Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bzw. subsidiären Schutz gemäß Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG beanspruchen. Im Irak liege kein landesweiter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit, in Teilen des Irak internen Schutz zu finden. Im Übrigen stehe die Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, die bei allgemeinen Gefahren vergleichbaren Abschiebungsschutz biete, der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegen.
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Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger seine Revision hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung zurückgenommen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 44.07 - das Revisionsverfahren insoweit eingestellt. Im Übrigen hat er, soweit die Verpflichtung zur Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise nationalen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er darauf abgestellt, dass § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keinen landesweiten bewaffneten Konflikt voraussetze. Die zusätzliche Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne innerhalb des Irak internen Schutz finden, beruhe auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Schließlich verletze der Verweis auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ministerielle Erlasse revisibles Recht. Denn § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Sperrwirkung nicht greife, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt seien.
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Während des neuen Berufungsverfahrens hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei. Damit sei sein Aufenthalt gesichert und es komme auf subsidiären Schutz nicht mehr an.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 21. Januar 2010 zurückgewiesen, soweit sie sich auf das noch anhängige Begehren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezieht. Die Berufung sei zulässig, denn für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger mittlerweile im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG sei. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG könne dem Kläger eine zusätzliche Rechtsposition vermitteln. Die Berufung sei aber unbegründet. Mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führt das Berufungsgericht aus, es könne dahinstehen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren seien. Jedenfalls sei der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. An seinem Herkunftsort in Mosul bestehe keine so hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Dies ergebe sich aus der Zahl der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, habe 2009 ca. 0,12 % oder ca. 1:800 pro Jahr betragen. Für eine Verschärfung der Sicherheitslage gebe es keine Anhaltspunkte. Gefahrerhöhende individuelle Umstände seien bei dem Kläger nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 7 Satz 1 und § 60 Abs. 5 AufenthG) lägen ebenfalls nicht vor.
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Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision wendet sich der Kläger allein gegen die Ablehnung der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Er rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Ermittlung der Gefahrendichte auf die im Rahmen der Gruppenverfolgung entwickelten Kriterien der Verfolgungsdichte abgestellt, ohne zwischen den Schutzsystemen zu differenzieren und die Besonderheiten des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen. Auch seien die in das Verfahren eingeführten Quellen zur Häufigkeit von Anschlägen im Irak und zur Zahl der Toten und Verletzten nicht interpretiert und bewertet worden.
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Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die begehrte Verpflichtung zur Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Die darüber hinausgehende Beschränkung des Revisionsantrags auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 16). Eine Revision kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13).
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Für diesen Verpflichtungsantrag ist, obwohl der Kläger mittlerweile eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG besitzt, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Dieses Interesse fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>). Der Beklagten ist einzuräumen, dass sich nach nationalem Aufenthaltsrecht die Rechtsstellung eines Ausländers in der Situation des Klägers, der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG ist, durch die Zuerkennung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes derzeit nicht verbessern kann. Diese Betrachtung greift aber zu kurz. Denn aus dem Umsetzungsdefizit des deutschen Gesetzgebers, der - entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG im 5. Erwägungsgrund, in Art. 2 Buchst. f und in Art. 18 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten im nationalen Recht nicht explizit ausgeformt hat, darf für den Kläger kein Nachteil entstehen (vgl. auch Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Er hat daher ein legitimes Interesse, dass trotz seiner gesicherten aufenthaltsrechtlichen Stellung mit Blick auf diesen Schutzstatus und die damit einhergehenden Vergünstigungen über das Bestehen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots entschieden wird.
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Die zulässige Klage ist aber unbegründet. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und das Revisionsgericht daher bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) greift keines der auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG).
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1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17 und Rn. 36).
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Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzusprechen sind, weil der Kläger auch bei Annahme eines derartigen Konflikts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären. Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
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a) Für seine Prognose, ob der Kläger bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht auf die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Herkunftsregion Mosul abgestellt. Dort hat der Kläger zuletzt gelebt, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass er dorthin zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17).
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b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend geprüft, ob von dem - zugunsten des Klägers unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region von Mosul für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllen (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).
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Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Gefahrerhöhende individuelle Umstände hat das Berufungsgericht bei dem Kläger nicht festgestellt (UA S. 12); dem ist der Kläger mit der Revision auch nicht entgegengetreten.
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Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (Urteil vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33).
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In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG. Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330
); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG).
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Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 31).
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Eine für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichende Gefahrendichte hat das Berufungsgericht für den Bereich der Stadt Mosul verneint. Es hat - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Provinz Ninive und deren Hauptstadt Mosul lebenden Zivilpersonen annäherungsweise ermittelt und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung gesetzt. Dabei hat es festgestellt, dass das Risiko, in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, für das gesamte Jahr 2009 ungefähr 1:800 betrug. Einen Trend zur Verschlechterung der Sicherheitslage vermochte es nicht festzustellen (UA S. 12). Seine auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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Zwar bedarf es - wie die Revision im Ansatz zu Recht rügt - neben dieser quantitativen Ermittlung auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Der Mangel in der Vorgehensweise des Berufungsgerichts bleibt aber im vorliegenden Fall ohne Folgen. Denn die Höhe des vom Berufungsgericht festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens ist so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich der Mangel im Ergebnis nicht auszuwirken vermag.
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Auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG eingegangen ist, verhilft der Revision nicht zum Erfolg, denn das Vorfluchtschicksal des Klägers gab dazu keinen Anlass. Dieses lässt keine Beeinträchtigung erkennen, die auch unter dem Blickwinkel des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG die Qualität einer Vorschädigung erreichen könnte. Zudem bestünde kein sachlicher Zusammenhang mit den nunmehr im Irak drohenden Gefahren.
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2. Das Berufungsgericht hat auch die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG in den Blick genommen, sie aber nicht als durchgreifend angesehen. Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2013 wird zu Ziffer 3 Satz 1 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung seitens des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 31. Dezember 1991 in Helmand geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischen Glaubens.
3Er reiste zunächst über den J. in die U. . Von dort aus gelangte er über H. , J1. und G. in die Bundesrepublik Deutschland, wo er am 28. April 2010 Asyl beantragte.
4Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt -am 4. Mai 2010 in Düsseldorf gab er im Wesentlichen an, er sei etwa zwölf Jahre alt gewesen, als seine Eltern verstorben seien. Diese seien gemeinsam mit seiner kleineren Schwester in der Stadt unterwegs gewesen, als es zu einem gegen die ISAF-Truppen gerichteten Selbstmordanschlag gekommen sei. Die Eltern seien gestorben und die Schwester sei am Bein verletzt worden. Nachdem diese in I. behandelt worden sei, sei sie nach Afghanistan zurückgekehrt. Er selbst habe weiterhin in seinem Elternhaus gelebt und dort auf dem Grund und Boden der Eltern weiter gewirtschaftet. Nachdem der Volksvertreter im Parlament der Ortschaft im Jahr 2006 entführt worden sei, habe sich die Lage sehr verschlechtert. Die Schule sei komplett durch die Taliban zerstört worden. Es sei zu Unruhen gekommen, infolgedessen er das Haus habe verlassen müssen. Nachdem sich die Lage beruhigt habe, hätte er wieder zurück in das Haus kehren können. Im Jahr 2009 sei er von Personen, die zu den Taliban gehören, entführt worden. Ein Geländewagen habe angehalten und er sei dort hineingezerrt worden. Man habe ihm Hände und Füße zusammengebunden und den Mund zugebunden. Er sei in einen Nachbarort gebracht worden. Den Entführern sei es dabei hauptsächlich um Geld gegangen. Man versuche die Leute dazu zu zwingen, das Grundstück zu verkaufen, um dann in den Genuss des Verkaufserlöses zu kommen. Er sei etwa zwei Wochen lang entführt gewesen. Die Entführer hätten auf seinem Handy Telefonnummern seiner Bekannten vorgefunden und hätten diese dann erpresst. Unter Beibringung von Schlägen sei er aufgefordert worden, den Bekannten zu sagen, sie sollten sein Land verkaufen. Die Hälfte seines Grundstückes sei durch die Dorfälteren verkauft worden, damit er wieder freikomme. Man habe ihn dann an einem anderen Ort freigelassen. Während der Gefangenschaft sei er geschlagen worden. Die Entführer hätten ihn mit einer Zange an den Ohren, an den Fingernägeln und am Oberarm gezogen. Nach der Freilassung habe er sich entschlossen, den Rest des Grundstücks zu verkaufen, da er keine Zukunft mehr gesehen und in Angst gelebt habe. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei nicht möglich, da die Gegend sehr unsicher sei und er kein Land mehr habe, auf dem er leben könne.
5Im Laufe des Verfahrens legte der Kläger einen Bericht des Klinikums E. vom 17. August 2012, ein fachärztliches Attest vom 8. Oktober 2012, einen Entlassungsbrief der Universitätsklinik N. vom 22. Oktober 2012 sowie ein weiteres Attest vom 5. November 2012 vor. Aus den Berichten geht jeweils hervor, dass der Kläger mehrfach - auch über längere Zeiträume - stationär behandelt worden sei und unter anderem an dem so genannten „familiären Mittelmeer-Fieber“ sowie schwerwiegenden Thrombosen leide.
6Die Beklagte lehnte am 25. März 2013 den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 S. 2 AufenthG a.F. nicht vorliegen. Ferner stellte sie fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG a.F. hinsichtlich Afghanistans vorliege. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller habe eine ihm in Afghanistan drohende politische Verfolgung nicht schlüssig dargelegt. Dem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass er in der Heimat einer staatlichen oder dem afghanischen Staat zurechenbare mittelbare Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Allein aus der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara folge nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung. Den Entführern, über deren Identität der Kläger nur mutmaßen könne, sei es allein um die Zahlung eines Lösegeldes gegangen. Dies lasse den Schluss auf einen rein kriminellen Hintergrund zu. Es sei auch nicht ersichtlich, dass für den Fall einer Rückkehr eine konkrete Wiederholungsgefahr bestehen könnte, zumal der Kläger in den Monaten nach der Entführung bis zur Ausreise nicht weiter belangt worden sei und eigenen Angaben nach auch nicht mehr vermögend sei. Für den Kläger bestehe jedoch ein medizinisches Abschiebungsverbot, da er an rezidivierenden Thrombosen leide und einer Marcumartherapie sowie regelmäßigen Überprüfung des Blutbildes bedürfe. Die medizinische Versorgungslage in Afghanistan sei immer noch unzureichend, so dass davon auszugehen sein, dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt sein würde.
7Der Kläger hat am 3. April 2013 Klage erhoben.
8Er trägt vor, er gehöre zur Minderheit der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Die Taliban-Gruppierungen würden sich an einer orthodox sunnitischen Glaubensrichtung des Islam orientieren und würden Mitglieder der schiitischen Glaubensrichtung als Ungläubige, die vom wahren Glauben abgefallen seien, betrachten. In der Vergangenheit habe es Drohungen von führenden Taliban-Mitgliedern gegeben, wonach alle Hazara damit rechnen müssten, getötet zu werden. Der Kläger sei aufgrund seiner Volks- und Glaubenszugehörigkeit bedroht worden. Auch die Entführung durch Personen, die den Taliban-Gruppierungen nahe stünden, habe ihren Hintergrund in der Volks- und Glaubenszugehörigkeit des Klägers gehabt. Es sei ihm gesagt worden, dass er kein Moslem und auch kein Afghane sei. Die Mitglieder der Hazara würden nicht zu Afghanistan gehören. Dies sei auch der Grund für die Entführung gewesen. Bei der Freilassung habe man ihm gesagt, dass man ihn nicht mehr sehen wolle. Sollte man ihn noch einmal sehen, würde man ihn nicht entführen, sondern töten. Die staatlichen Organe würden Hazara vor derartigen Übergriffen nicht schützen. Der Kläger sei daher zumindest als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Andere sichere Landesteile für schiitischen Hazara gebe es nicht. Der Kläger sei in der Gefangenschaft auch misshandelt worden. Er habe heute noch Narben an seinen Händen.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1, 2, 3 Satz 1 und Satz 2, 2. Halbsatz des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2013 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
11hilfsweise,
12unter Aufhebung der Ziffern 1, 2, 3 Satz 1 und Satz 2, 2. Halbsatz des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2013 zu verpflichten, festzustellen, dass dem Kläger subsidiärer Schutz zu gewähren ist,
13äußerst hilfsweise,
14unter Aufhebung der Ziffern 1, 2, 3 Satz 1 und Satz 2, 2. Halbsatz des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2013 die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz vorliegt.
15Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den angefochtenen Bescheid.
18Die Kammer hat durch Beschluss vom 15. August 2013 das Verfahren auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
20Entscheidungsgründe:
21Über die Klage entscheidet die nach § 76 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) zuständige Einzelrichterin trotz des Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung, da diese in der ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
22Die Klage hat im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nur teilweise Erfolg. Sie ist zwar insgesamt zulässig, aber nur insoweit begründet, als dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG zukommt. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, da der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2013 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
23Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
24Zwar ist der Anspruch nicht bereits gemäß Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG ausgeschlossen, da die Drittstaatenregelung gemäß Art. 16a Abs. 5 GG i.V.m. § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG keine Anwendung findet. Denn die Beklagte ist infolge Ablaufs der Dreimonatsfrist hinsichtlich der Überstellung des Klägers nach H. gemäß Art. 17 Abs. 1 der Dublin-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden.
25Ob der Anspruch des Klägers auf Asylanerkennung gemäß § 27 Abs. 1 AsylVfG ausgeschlossen ist, weil er bereits in einem sonstigen (außereuropäischen) Staat, namentlich im J. , vor der geltend gemachten Verfolgung sicher war, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG nicht vor.
26Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (sog. asylerhebliche Merkmale), gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in diesem Sinne spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmales erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe – und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit – gelten.
27Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 ff., vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 (333 ff.) und vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515 u. 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 ff. = InfAuslR 1991, 200 ff.; Bergmann/Dienelt/Röseler, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, Art. 16a GG RdNrn. 40 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, RdNrn. 1625 f., 1629 ff.; Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2009, § 1 RdNrn. 12 ff., 52 ff.
28Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist dabei grundsätzlich staatliche Verfolgung. Die Verfolgung muss daher von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist („unmittelbare staatliche Verfolgung“). Asylrechtsrelevante Verfolgung kann allerdings auch von Vereinigungen ausgehen, die Machtbefugnisse und Einflüsse in einem Umfang ausüben, die letztendlich hoheitlicher Gewaltausübung entsprechen („quasi-staatliche“ oder „staatsähnliche“ Stellung). Darüber hinaus kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung in Betracht, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind („mittelbare staatliche Verfolgung“). Eine von nichtstaatlicher Seite, also insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen, ausgehende Verfolgung wird dabei dem Staat zugerechnet, wenn er die Verfolgung billigt oder fördert, ferner, wenn er nicht willens oder – trotz vorhandener Gebietsgewalt – nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe zu schützen.
29Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 177; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 34 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1627 f.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 21 ff.
30Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt es ferner grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus („Vorverfolgung“). Nachfluchtgründe können demgemäß nur eingeschränkt Berücksichtigung finden, vgl. § 28 Abs. 1 AsylVfG.
31Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O., und vom 1. Dezember 1993 - 2 BvR 1119/93 -; Bergmann/ Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 49 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1634 f.
32Selbst bei Vorliegen sämtlicher der vorgenannten Voraussetzungen ist der Anspruch auf Schutzgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG allerdings ausgeschlossen, wenn dem Asylbewerber eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Zumutbar ist eine Fluchtalternative dabei dann, wenn der Asylsuchende an dem betreffenden Ort verfolgungssicher ist und ihm dort auch ansonsten keine Gefahren drohen. Insbesondere muss dort sein wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet sein. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums.
33Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 1 B 128.02, 1 PKH 24.02 -, InfAuslR 2002, 455 f.; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 66 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1641 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 60 ff.
34Die vom Gericht anzustellenden Prognoseerwägungen haben sich dabei an folgenden Maßstäben zu orientieren: Hat der Asylsuchende das Schicksal politischer Verfolgung schon einmal erlitten, besteht Anspruch auf Asyl bereits dann, wenn an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernstliche Zweifel bestehen, d. h. die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt erscheint („herabgestufter Prognosemaßstab“). Ist der Asylbewerber hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Anerkennung nur, wenn ihm auf Grund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht („gewöhnlicher Prognosemaßstab“). Dazu reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung nur im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr müssen bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die für eine landesweite politische Verfolgung bei Rückkehr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen besitzen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei ist die Schwere des befürchteten Eingriffs in die Betrachtung einzubeziehen.
35Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 467, 992/86 -, BVerfGE 76, 143, 167, und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/87 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 333 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 (53); Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1636 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 67 ff.
36Die asylbegründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. Dazu reicht auch in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit aus, der Zweifeln schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Insoweit kommt naturgemäß dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Der Asylbewerber ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine substantiierte, im Wesentlichen widerspruchsfreie und nicht wechselnde Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch zu tragen.
37Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. März 1983, - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG, Nr. 44, vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, InfAuslR 1985, 244 (245 f.), und vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, InfAuslR 1986, 79, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379 (380).
38Gemessen an diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall eine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG nicht festzustellen. Zwar bewertet das Gericht den Vortrag des Klägers insgesamt als glaubhaft. Aus dem klägerischen Vorbringen ergibt sich aber keine asylrelevante Verfolgung. Aus den Schilderungen des Klägers im Verwaltungsverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung lässt sich entnehmen, dass der Kläger bei seiner Rückkehr eine erneute Entführung befürchtet, da er zur Volksgruppe der Hazara gehört und schiitischen Glaubens ist. Weitere Asylgründe hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.
39Im Hinblick auf die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara hat der Kläger keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter. Zwar sind die Hazara als ethnische Minderheit in Afghanistan weiterhin einem gewissen Grad an Diskriminierung ausgesetzt. Angehörigen der Volksgruppe der Hazara droht in Afghanistan jedoch keine Gruppenverfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure. Denn die Verfolgungshandlungen, denen die Hazara ausgesetzt sind, weisen jedenfalls nicht die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf.
40Vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2006 - 1 C 15.05 -, BVerwGE 126, 243 ff., und vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237 ff.
41Dass in Bezug auf die Minderheit der Hazara eine Gruppenverfolgung nicht anzunehmen ist, entspricht der Rechtsprechung der Kammer,
42vgl. bereits Urteil der Kammer vom 12. Dezember 2005 - 5a K 5701/03.A -, unveröffentlicht (nachfolgend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 16. März 2007 - 20 A 111/06.A -, juris), sowie Urteile vom 23. Mai 2013 - 5a K 1907/11.A – und – 5a K 3603/11.A,
43sowie der herrschenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bundesweit,
44vgl. zuletzt etwa BayVGH, Urteile vom 3. Juli 2012 - 13a B 11.30064 -, juris (RdNrn. 20 ff.), vom 29. Januar 2013 - 13a B 11.30510 -, juris (RdNr. 24), und vom 1. Februar 2013 - 13a B 12.30045 -, juris (RdNr. 18), sowie Beschluss vom 25. Januar 2013 - 13a ZB 12.30153 -, juris (RdNrn. 7 f); OVG NRW, Beschlüsse vom 29. August 2012 - 13 A 1101/11.A -, juris (RdNrn. 20 ff.), vom 21. Februar 2013 - 13 A 1411/12.A -, juris (RdNrn. 25 ff.) und vom 25. Februar 2013 - 13 A 180/12.A -, juris (RdNrn. 10 f.); s. auch VG Berlin, Urteil vom 10. August 2012 - 33 K 114.12 A -, juris (RdNr. 25); VG Bayreuth, Urteil vom 1. Oktober 2012 - B 3 K 11.30220 -, juris (RdNr. 23); VG Köln, Urteile vom 23. Oktober 2012 - 14 K 5476/11.A - und - 14 K 6157/11.A -, juris (RdNrn. 36 ff. bzw. 40 ff.); VG Arnsberg, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 6 K 2482/11.A -; VG Göttingen, Urteil vom 4. Dezember 2012 - 4 A 49/10 -; VG München, Urteile vom 8. April 2014 – M 23 K 11.30431 - und vom 7. März 2013 - M 15 K 12.30965 -, juris (RdNr. 18 bzw. 38); VG Augsburg, Urteil vom 2. April 2013 - Au 6 K 12.30379 -, juris (RdNr. 19).
45Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG.
46Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich (Nr. 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 2) außerhalb des Landes befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. In den Fällen der §§ 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG ist der Flüchtlingsschutz dagegen ausgeschlossen.
47Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die (Nr. 1) auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist oder (Nr. 2) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Nach § 3 Abs. 2 AsylVfG gelten unter anderem als Verfolgungshandlung (Nr. 1) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (Nr. 2) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (Nr. 3) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (Nr. 4) die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (Nr. 5) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, (Nr. 6) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
48Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3c AsylVfG (Nr. 1) von dem Staat, (Nr. 2) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder (Nr. 3) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
49Nach § 3d Abs. 2 AsylVfG muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Nach Satz 2 ist generell ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG.
50Schließlich muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
51Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
52Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -.
53Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
54Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -.
55Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Kläger im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG nicht zu. Nach dem insgesamt glaubhaften Vortrag des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung wird der Kläger nicht wegen eines flüchtlingsrelevanten Merkmals verfolgt. Soweit der Kläger vorträgt, ihm drohe aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, erneut verfolgt zu werden, kann auf die bereits gemachten Ausführungen zur Asylberechtigung verwiesen werden. Weitere Gründe, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
56Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG.
57Nach § 4 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG). Für die Gewährung subsidiären Schutzes gelten nach Absatz 3 der Vorschrift die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über die Verfolgungs- und Schutzakteure und den internen Schutz für anwendbar erklärt.
58Hinsichtlich der Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG müssen ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schutzsuchende konkret wegen einer Straftat gesucht wird, derentwegen individuell die Todesstrafe verhängt werden kann.
59Vgl. zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. März 2014 – 5a K 4464/11.A.-.
60Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG entspricht dem Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II Seite 685), deshalb kann zur Auslegung grundsätzlich auf die diesbezügliche Rechtsprechung, insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und auf die Literatur verwiesen werden. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.
61Vgl. zum Ganzen etwa BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C5.09 - und vom 7. Dezember 2010 - 10 C 11.09 -; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2012 - 14 A 2708/10.A -.
62Ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1. und 2 AsylVfG hat, kann vorliegend dahinstehen, da jedenfalls zugunsten des Klägers die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG vorliegen.
63Der Begriff des internationalen und des innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung von Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 (GK) und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 (ZP II) auszulegen. Einerseits liegt danach ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen können. Andererseits liegt ein Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG nicht vor bei bloßen Fällen innerer Unruhen oder Spannungen wie Tumulten oder vereinzelt auftretenden Gewalttaten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes zwar nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss dann aber ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerilla-Kämpfen vorherrschen.
64Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - und vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 6. März 2012 - A 11 S 3070/11 - und - A 11 S 3177/11 -.
65Der innerstaatliche Konflikt muss sich dabei – unabhängig von seiner Erscheinungsform – nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken; es genügt vielmehr, dass bewaffnete Gruppen Kampfhandlungen in einem Teil des Hoheitsgebiets durchführen. Für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG ist grundsätzlich auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die der Ausländer typischerweise zurückkehren wird.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -; HessVGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 8 A 611/08.A -.
67Kann ein innerstaatlicher Konflikt in der Herkunftsregion des Ausländers festgestellt werden, ist weiter danach zu fragen, ob ihm dort infolgedessen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche „individuelle“ Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt droht. Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann schließlich auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Betroffenen fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13.10 -; OVG NRW, Beschluss vom 9. August 2012 – 13 A 1471/12.A -; zitiert nach juris.
69Zudem darf für den Ausländer auch hier nicht die Möglichkeit einer internen Schutzalternative bestehen, vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylVfG.
70Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Kläger ein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG zu.
71Für die Provinz Helmand, der Heimatprovinz des Klägers, kann zunächst nach der Erkenntnislage des Gerichts das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden. In der Provinz Helmand ist nach wie vor die höchste Zahl ziviler Opfer zu verzeichnen. Der Einfluss der Taliban in weiten Gebieten Afghanistans, vor allem aber in den Provinzen Kandahar und Helmand, ist nach Auskunft von „Freedom House“ (abrufbar unter http://freedomhouse.org) wieder gewachsen. Nach einem Bericht des UNO-Generalsekretärs vom Juni 2014 ereigneten sich im Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai 2014 3.917 Sicherheitsvorfälle von insgesamt 5.864 Vorfällen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Zudem wird die Provinz Helmand in dem Quarterly Data Report Q.1 2013 der ANSO der höchsten Stufe als „extremely insecure“ zugeordnet.
72Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. August 2012 – 13 A 1471/12.A -; VG Ansbach, Urteile vom 11. Oktober 2013 – AN 11 K 13.30527 – und vom 3. März 2011 – AN 11 K. 10.30515 -; jeweils zitiert nach juris; Lageberichte des ANSO sowie eine Zusammenfassung der Allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan abrufbar unter http://www.ecoi.net
73Ob das Vorliegen eines innerstaatlichen Konfliktes in der Provinz Helmand einen solchen Gefahrengrad erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson, unabhängig vom Vorliegen gefahrerhöhender persönlicher Umstände, allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre,
74Vgl. insofern bejahend: VG Ansbach, Urteil vom 11. Oktober 2013 – AN 11 K 13.30527 -; verneinend: BayVGH, Urteil vom 29. Januar 2013 – 13a B 11.30510 -; VG München, Urteile vom 6. November 2013 – M 25 K 11.30756 – und vom 8. April 2014 – M 23 K 11.30431 -; jeweils zitiert nach juris.
75kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn in der Person des Klägers liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer individuellen Gefahr infolge willkürlicher Gewalt führen. Dabei genügt für die Annahme gefahrerhöhender persönlicher Umstände nicht bereits die Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara. Wie bereits ausgeführt wurde, ist eine Gruppenverfolgung der Hazara ausgeschlossen. Auch der Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31. März 2014 geht davon aus, dass sich die Lage für Hazara insgesamt verbessert habe. Entscheidungserheblich ist dagegen, dass der Kläger bereits vor seiner Ausreise individuell bedroht wurde. Aufgrund seines insgesamt als glaubhaft zu bewertenden Vortrags im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner Volkszugehörigkeit bereits einmal Opfer einer Entführung geworden ist. Zwar sei es den Tätern, die Mitglied der Taliban-Gruppierungen seien, vorwiegend um die Erpressung von Lösegeld gegangen, so dass, nachdem der Kläger sein Grundstück verkauft hat, nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut aus diesem Grund entführt werden würde. Allerdings hat der Kläger ebenfalls dargelegt, dass es den Tätern darum ginge, die Angehörige der Hazara insgesamt aus dem Dorf zu vertreiben. Obwohl der Kläger also kein Geld mehr hat, was von den Taliban erpresst werden könnte, ist aufgrund der anschaulichen Beschreibung des Umgangs der Entführer mit ihren Opfern nicht auszuschließen, dass der Kläger bei einer Rückkehr erneut aufgegriffen werden würde und die Drohung, ihn umzubringen, in die Tat umgesetzt würde.
76Der Kläger kann auch nicht auf eine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylVfG verwiesen werden. Der Verweis auf einen effektiven Schutz in einem anderen Teil des Herkunftslandes setzt jedenfalls voraus, dass von dem Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt. Zur Frage, wann von ihn „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil niederlässt, wird vorausgesetzt, dass der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, das heißt, dort das Existenzminimum gewährleistet ist.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15/12 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 -; VG Köln, Urteil vom 25. Februar 2014 – 14 K 2512/12.A-; jeweils zitiert nach juris.
78Aufgrund der Erkrankung des Klägers, die einer ständigen medikamentösen Behandlung sowie regelmäßiger Blutkontrollen bedarf, steht zwischen den Beteiligten bestandskräftig fest, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger in irgendeiner Region Afghanistans eine ausreichende Lebensgrundlage und entsprechende Versorgung vorfinden könnte. Es kann von dem Kläger demnach nicht vernünftigerweise erwartet werden, sich in anderen Teilen des Landes aufzuhalten.
79Nach alledem ist der Klage mit dem ersten Hilfsantrag stattzugeben und im Übrigen abzuweisen. Auf den weiteren Hilfsantrag kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.
80Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
81Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.