Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 13. Aug. 2015 - B 3 K 15.30135
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der am ... 1993 in ..., Afghanistan geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am ... 2012 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am ... 2012 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am ... 2014 gab der Kläger insbesondere an, er sei jetzt (nicht mehr Religionszugehöriger des Islam), sondern evangelischer Christ. Getauft sei er noch nicht. Seit ca. drei Monaten besuche er den Bibel-Treff, seit ca. einem Jahr habe er Kontakt mit ihnen und habe den Bibel-Treff ab und zu besucht. Seit drei Monaten gehe er regelmäßig hin. Vorgelegt wurde eine Bestätigung vom ... 2014 der evangelisch-lutherischen ... in ..., wonach der Kläger einmal wöchentlich am Bibel-Treff im Gemeindehaus in der Zeit von 17:00 Uhr bis ca. 19:00 Uhr teilnimmt (Beiakte I S. 43). Er sei Analphabet und könne sein afghanisches Geburtsdatum nicht nennen. Erst in Europa habe er die Jahre und Monate gelernt.
In Griechenland sei er von ... 2008 bis zum ... 2012 gewesen. Es treffe zu, dass er am ... 2010 in Italien einen Asylantrag gestellt habe. Dort seien sie erwischt und wieder nach Griechenland zurückgebracht worden. In Griechenland habe er sich auf verschiedenen Inseln aufgehalten und Saisonarbeit verrichtet.
Er gehöre zum Volk der Hazara. Er habe sich bis zur Ausreise in der Provinz Ghazni, Bezirk Quarabagh, Dorf ... aufgehalten. Eine Woche vor seiner Ausreise sei er in der Stadt Ghazni gewesen. Er habe im Dorf ... mit den Eltern, einer Schwester und einem Burder gelebt. 2008 habe er gemeinsam mit der Familie Afghanistan verlassen und sei in den Iran gegangen. Die Familie lebe jetzt in ... Vor ca. vier Monaten habe er einmal Kontakt zu den Eltern gehabt, sie hätten kein Telefon und riefen ab und zu aus einer Telefonzelle an. Ihre wirtschaftliche Situation sei nicht sehr gut. Er habe in Afghanistan einen Onkel mütterlicherseits, zu dem er seit 2008 keinen Kontakt habe. Er habe als Automechaniker gearbeitet.
Er sei von Afghanistan in den Iran gereist und dann über die Türkei weiter mit dem Schlauchboot nach Griechenland. Dann sei er mit einem falschen Pass nach Italien gebracht worden und von dort aus von einem anderen Schleuser mit einem Pkw nach Deutschland. Von Afghanistan in den Iran hätten sie pro Person 145.000,00 Tuman bezahlt. Die Reise bis in die Türkei habe 800,00 Dollar gekostet, weiter bis nach Griechenland weitere 400 Dollar. Das erste Mal habe er dem Schleuser 2.800,00 EUR gegeben, als er von Italien zurückgeschickt worden sei. Die Reise nach Deutschland habe weitere 4.200,00 EUR gekostet. Bis nach Griechenland habe der Vater die Reise finanziert. In Griechenland habe er als Tagelöhner gearbeitet, um die Reise zu finanzieren. In Afghanistan hätten sie noch viel mehr Geld durch Grundstücke, Häuser und Bäume gehabt. Sie hätten aber nur ein Teil des Geldes mitnehmen können. Die politische Situation in Afghanistan sei ja bekannt. Er habe in der Provinz Ghazni gelebt und die Nachbarn seien auch Paschtunen. Als die Taliban an die Macht gekommen seien, hätten die Taliban und die Paschtunen ihre Grundstücke, Bäume und Häuser in Besitz genommen, sie hätten dort nicht mehr leben können. Bis 2003 hätten sie in der Stadt Ghazni gelebt. Ein Machthaber habe dann dafür gesorgt, dass sie zu ihren Häusern zurückkehren könnten. Dieser sei 2008 ums Leben gekommen und die Taliban seien zurückgekehrt und sie seien wieder vertrieben worden. Sie hätten in der Stadt Ghazni bleiben und wie zuvor Leben wollen. Die Taliban hätten dies verhindern und sie deshalb töten wollen. Im Dorf hätten neun Familien gewohnt und die seien alle betroffen. In der Stadt hätten sie sie nicht erwischt. Drei Familien seien in die Stadt Ghazni gegangen. Zwei Familienmitglieder anderer Familien seien umgebracht worden. Von seiner Familie habe es niemanden erwischt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan müsse er auf sein Leben verzichten. Wenn sie ihn erwischten, würden sie ihn töten.
Befragt danach, wie es dazu gekommen sei, dass er den Glaubenswechsel wolle, gab der Kläger an, er habe in Afghanistan gesehen, was die Taliban machten. Er habe von Religion wenig Ahnung. Er habe sich nicht damit zufrieden geben wollen, dass das seine Religion sei. Er habe von einer Kirche wie Orgel gehört und das habe ihm sehr gefallen und das habe ihn beruhigt. Als er dann in die Kirche gegangen und gesehen habe, dass die Leute dort friedlich säßen und beteten, habe ihn das sehr beeindruckt. Das sei ein Unterschied zu seiner bisherigen Religion. Er fühle sich in der Kirche leichter. Es tue ihm gut, wenn er etwas über diese Religion erfahre. In Griechenland habe er noch nicht über einen Glaubenswechsel nachgedacht. Wenn die Familie von seinem Glaubenswechsel erfahre, würden sie ihn entweder hassen oder sie ließen sich überzeugen. Beim Bibel-Treff säßen sie dort und die Leute redeten über Gott. Einiges verstehe er, einiges aber auch nicht. Er sei mit den Gedanken dabei. Er selbst beschäftige sich nur wenig mit dem Glauben. Er sei früher nicht so gläubig gewesen, obwohl er in einer islamischen Familie aufgewachsen sei. In Deutschland habe er einen Kurden getroffen, der ihm vom Christentum erzählt habe. Er sei selbst zum Christ geworden. Es habe keinen genauen Zeitpunkt gegeben, an dem er festgestellt habe, dass er den Glauben wechseln wolle. Der Glaube habe ihn angezogen, die christliche Gemeinschaft gefalle ihm. Einige Leute hätten ihn die Bibel auf Dari und Farsi gegeben. Er könne aber nicht lesen, er sei mit dem Herzen dabei und nehme regelmäßig am Bibel-Treff teil. An weiteren Aktivitäten der christlichen Gemeinschaft nehme er nicht teil. Gottesdienste besuche er jede Woche am Freitagnachmittag und am Sonntag alle zwei Woche in einer anderen Kirche in ... Er wisse nicht wie die heiße. Er spreche ein bisschen Deutsch. Er verstehe nicht viel, aber er sei mit dem Herzen beim Bibel-Treff dabei. Der christliche Glaube spiele in seinem privaten Leben die Rolle, dass es ihm gut gehe, wenn er zur Kirche gehe. Er sei dabei, einiges aus der Bibel zu lernen. Er habe große Schwierigkeiten beim Lesen. Viele Informationen über die Bibel habe er nicht. Ihm sei gesagt worden, er könne sich einen Film über Jesus ansehen. Dadurch habe er ein wenig gelernt, wo Jesus geboren und gestorben sei. Jesus sei in Israel geboren worden und er sei knapp über 30 gewesen, als er als Sohn Gottes bezeichnet worden sei. Christliche Feste könne er nicht nennen. Er könne nicht lesen. Er wolle mehr über den Glauben erfahren und sich danach taufen lassen. Um einen anderen zu überzeugen, müsse er erst noch viel mehr über den Glauben erfahren.
Mit Bescheid vom
Es sei schon nicht nachvollziehbar, wie der angebliche Glaubenswandel zustande gekommen sei. Der vom Kläger geschilderte Anlass für den Glaubenswechsel erscheine als eher nebensächlich und lasse in keiner Weise erkennen, dass dieser Schritt für ihn als existentiell anzusehen sei. Seine Angaben blieben unbestimmt, oberflächlich und beschränken sich darauf, dass die Orgel in der Kirche ihn beruhigt habe, die christliche Gemeinschaft habe ihn beeindruckt. Zudem lassen die Teilnahmen am Bibel-Treff im Gemeindehaus nicht erkennen, dass sich der Kläger tatsächlich intensiv mit dem christlichen Glauben beschäftigte und diesen für sein weiteres Leben verinnerlicht habe. Die Kirche, die er besuche, habe er nicht einmal namentlich benennen können.
Auf Nachfrage seines Prozessbevollmächtigten wurde diesem der Bescheid vom
Mit Schriftsatz vom 02.03.2015, bei Gericht eingegangen am 05.03.2015, wandte sich der Kläger vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth mit folgenden Anträgen:
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
2. Dem Kläger wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
3. Der Antrag auf Asylanerkennung wird stattgegeben.
4. Der subsidiäre Schutzstatus wird zuerkannt.
Vorsorglich wurde wegen Versäumnis der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Der Bescheid vom
Mit Schriftsatz vom
Mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Mit weiterem Schriftsatz vom
Mit gerichtlichen Schreiben vom
Mit Beschluss der Kammer vom
Für den Ablauf der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger zwei Gemeindebestätigungen (eine undatiert, die andere vom ...) vorlegte, wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen.
Gründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG sowie subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 AsylVfG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in seiner Person vor. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.
Die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Asylberechtigter sind nicht gegeben, Art. 16a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG. Der Kläger selbst hat angegeben, auf dem Landweg - und damit über einen sicheren Drittstaat - in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, was seine Asylberechtigung ausschließt (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).
2.
Nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylVfG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylVfG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylVfG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylVfG).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
a)
In der mündlichen Verhandlung bezog sich der Kläger als Fluchtgrund insbesondere auf die Bedrohung durch nomadisierende Paschtunen (Kuchi/Kutschi), die den Hazara in seiner Heimat das Land und das Wasser streitig machen. Er gab dabei zwei Vertreibungsvorfälle betreffend die Bewohner seines Heimatortes (2003 und insbesondere 2008) an, und ergänzte, durch die Paschtunen nicht direkt und persönlich bedroht worden zu sein (Niederschrift S. 4).
Flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylVfG lassen sich darin indessen nicht erkennen. Dabei kommt es auf die Glaubhaftigkeit der Schilderungen des Klägers, sie hätten ihr Heimatdorf in der Provinz Ghazni verlassen, weil nomadische Paschtunen (Kuchi) dieses nach 2003 dann 2008 zum zweiten Mal überfallen hätten, schon nicht an. Zweifel daran, dass er den Übergriff 2008 persönlich erlebt hat, ergeben sich schon aus dem Widerspruch der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach die Dorfbevölkerung bei dem Überfall der Paschtunen zunächst „auf den Feldern“ (Niederschrift S. 3), dann aber in Dunkelheit am Abend „auf einem Berg“ (Niederschrift S. 5) gewesen sein soll. Selbst Wahrunterstellung dieses Vortrags liegen jedoch die Voraussetzungen einer konkreten, an der Zugehörigkeit zur Gruppe der Hazara anknüpfenden Verfolgung durch die Paschtunen/Kuchi nicht vor; vielmehr handelte es sich dabei um nicht flüchtlingsrelevantes kriminelles Unrecht. Die in Art. 3a Abs. 3 geforderte Verknüpfung zwischen der als Verfolgung anzusehenden Handlung und den in § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylVfG genannten Verfolgungsgründen ist gerade nicht auszumachen.
Nach den vorliegenden Informationen ist dem Gericht zwar bekannt, dass Nomaden mit paschtunischer Volkszugehörigkeit alljährlich in den Sommermonaten in die Weidegebiete der sesshaften Hazara, insbesondere in der Provinz Wardak, einwandern. In den Jahren 2008 und 2010 kam es dabei zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien (vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 9.2.2011 u. 10.1.2012). Von den Konflikten zwischen Kuchi und Hazara berichtet auch das Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) in seiner Anfragebeantwortung vom 05.02.2013: „Afghanistan: Provinz Wardak bzw. Beshud: Informationen zu Auseinandersetzungen zwischen Kuchi und Hazara; Maßnahmen staatlicher Behörden“. Die Geschichte des Klägers über die Auseinandersetzungen der Bewohner des Dorfes mit den Kuchi stimmt somit mit der Auskunftslage überein, beinhaltet aber keine konkrete individuelle Bedrohung seiner Person durch diese Nomaden. Die beschriebenen Konflikte zwischen den Volksgruppen finde ihre Ursache auch nicht in der jeweiligen Gruppenzugehörigkeit. Es geht bei den saisonal auftretenden Auseinandersetzungen zwischen den zwei ethnischen Gruppen um Eigentums- und Besitzansprüche an lokalen Ressourcen, die bis in das Jahr 1887 zurückreichen. Der jährlich, meist in den Sommermonaten, erneut aufkommende Streit um Land knüpft nur mittelbar an die Volkszugehörigkeit der betroffenen Parteien an. Die Kuchi, die in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten leiden (s. Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 2.3.2015, S. 10), versuchen durch Überfälle, Vertreibung und Brandstiftungen Weideland für sich zu gewinnen und zwar unabhängig davon, wem dieses Weideland gehört. Die Angriffe sind somit nicht ethnisch motiviert, sondern erfolgen aus rein wirtschaftlichen Gründen. Die Hazara, deren Lage sich grundsätzlich gebessert hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 2.3.2015, S. 10), sind nicht an sich im Sinne einer Volksgruppe Ziel der Angriffe, sondern die sesshaften Weidelandbesitzer der jeweiligen Region (s. insbesondere VG Köln, U. v. 3.2.2015 - 14 K 1202/14.A).
Unabhängig von der danach nicht vorliegenden, anlassgeprägten Einzelverfolgung durch die Kuchi, droht dem Kläger auch wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 03.07.2012 (Az. 13a B 11.30064 - juris Rn. 20 ff.) aufgrund eingehender Prüfung festgestellt hat, sind nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung durch die Taliban oder andere nichtstaatliche Akteure wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara zu erkennen. Die Verfolgungshandlungen denen die Hazara ausgesetzt sind, weisen weder in ganz Afghanistan noch in der Heimatprovinz des Klägers, Ghazni, die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf (a. a. O. Rn. 21). Hazara sind zwar in Afghanistan weiterhin einer gewissen Diskriminierung ausgesetzt (s. a. Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 2.3.2015, S. 10), „derzeit und in überschaubarer Zukunft aber keiner an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung“ (BayVGH
b)
Auch auf den Nachfluchtgrund des Religionswechsels kann sich der Kläger zur Begründung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht mit Erfolg berufen.
Die Konversion zum Christentum kann bezüglich des Herkunftslandes Afghanistan für einen geborenen Moslem zwar unter bestimmten Umständen eine flüchtlingsrelevante Verfolgungsgefahr begründen. Da der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) aber noch nicht einmal christlich getauft war, bietet sich dem Gericht kein hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkt für die Prüfung, ob dem Kläger wegen Konversion zum Christentum bei einer Rückkehr nach Afghanistan religiöse Verfolgung droht bzw. drohen könnte (s. BVerwG, B. v. 25.8.2015 - 1 B 40.15). Die erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegte, handschriftliche und undatierte Bestätigung, deren Urheber mangels Briefkopf, Unterschrift oder Stempel im Übrigen völlig unklar ist, mit der Taufankündigung für den ... 2015, ist ersichtlich insofern nicht ausreichend. Abgesehen davon, wirft die Bestätigungspraxis von Mitgliedern der Kirchengemeinde ... in ... doch einige Zweifel auf, wenn am ... 2014 vom Prediger i. R. ... bestätigt wird, dass der Kläger am Bibel-Treff im Gemeindehaus in der Zeit von 17.00 bis ca. 19.00 Uhr „ab und zu“ teilnimmt, während die Bestätigung vom selben Tag durch ... (Beiakte I S. 43) dokumentiert, der Kläger habe „einmal wöchentlich“ am Bibel-Treff im Gemeindehaus teilgenommen.
3.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylVfG zur Seite. Das Gericht teilt die - auch - auf der Auswertung jüngerer Erkenntnisse beruhende Würdigung des OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 20.07.2015, dass Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3e AsylVfG einen Anspruch eines alleinstehenden, gesunden Mannes auf Anerkennung als Subsidiärschutzberechtigter ausschließt (Az. 13 A 1531/15.A - juris Rn. 8 ff.).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung dieser Entscheidung vollumfänglich auf die Ausführungen im vorgenannten Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen verwiesen (s. a. Sächsisches OVG, B. v. 23.1.2015 - A 1140/13 - juris Rn. 7 ff.).
a)
Soweit sich der Kläger auf eine Bedrohung durch die Paschtunen/Kuchi aus seinem Heimatort auch in Kabul beruft (Niederschrift S. 6), § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG, besteht zur Überzeugung des Gerichts kein persönliches Risikoprofil, dass es für den Kläger unzumutbar erscheinen ließe, sich nach einer Rückführung, die ohnehin nach Kabul erfolgte, auch dort nieder zu lassen. Angesichts der Tatsache, dass Kabul nach einer Schätzung von 2011 mittlerweile 4,5 Mio. Einwohner hat (www.auswärtiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laender...), der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen nie persönlich und individuell mit diesen Paschtunen konfrontiert war oder sogar von ihnen in irgendeiner Weise registriert worden wäre und der nunmehr 22-jährige Kläger sich in den vergangenen sieben Jahren seit dem geschilderten Überfall der Kuchi auf sein Dorf auch äußerlich durch das Erwachsenwerden nicht unerheblich verändert haben dürfte, ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger durch diese Paschtunen/Kuchi in Kabul ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG drohte. Hinzu kommt, dass das Interesse der Paschtunen/Kuchi gerade darauf gerichtet ist, Weideland der Hazara zu vereinnahmen, und schon von daher ein Verfolgungsinteresse an dem Kläger in Kabul selbst nicht nachvollziehbar ist.
b)
Auch sofern in der Provinz Ghazni, aus der der Kläger stammt, eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG zu unterstellen wäre (verneinend insofern BayVGH, U. v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris Rn. 23 ff.), kann vom Kläger vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul - wohin er ohnehin zurückgeführt würde - niederlässt.
Zwar ist die humanitäre Lage in Kabul im Allgemeinen weiterhin äußerst schwierig. Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen weicht indes stark voneinander ab. Jedenfalls für den Kläger als arbeitsfähigem jungen Mann besteht es allerdings in geringfügigem Maße, denn es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Wiedereingliederungsphase auch ohne familiären Rückhalt zumindest auf einem - nach westlichen Maßstäben - niedrigen Niveau wird sicherstellen können (s. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 20.7.2015 - 13 A 1531/15.A - Rn. 10). Da der Kläger sich in Griechenland über vier Jahre ohne familiären Rückhalt als Tagelöhner bzw. Erntehelfer „durchgeschlagen“ und damit auch die 7.200,00 EUR für den Schleuser verdient hat, besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Kläger - entsprechend auf sich alleine gestellt - auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan/Kabul für sich selbst im Sinne einer bescheidenen Lebensgrundlage sorgen kann.
Auch die von ihm seit der Ausreise aus seinem Heimatland erworbenen Sprachkenntnisse (etwa Deutsch, s. Niederschrift S. 6) dürften seine Erwerbschancen eher begünstigen. Ergänzend wird insofern auf die nachfolgenden Ausführungen unter Nr. 4 verwiesen.
4.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen ebenfalls nicht. Ergänzend zu den Erwägungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylVfG) wird noch ausgeführt:
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. Die Einzelrichterin schließt sich der begründeten Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 12.02.2015 an, wonach in Afghanistan die Lage jedoch nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (Az. 13a B 14.30309 - juris Rn. 12).
Besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung geböten, hat der Kläger nicht vorgetragen und sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
Auf eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei einer Rückkehr nach Afghanistan kann sich der Kläger auch nicht berufen. Wie bereits vorangehend unter Nrn. 2. und 3. ausgeführt, ergibt sich für den Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland weder aus dem Vorfluchtgeschehen, noch unter dem Aspekt des Nachfluchtgrundes einer - möglichen - Konversion mit identitätsprägender religiöser Praxis eine erhebliche konkrete Gefährdung bzw. ansonsten die Bedrohung mit einem ernsthaften konkreten Schaden (§§ 3, 4 AsylVfG).
Im Hinblick auf die unzureichende Versorgungslage hat sich die allgemeine Gefahr in Afghanistan für den Kläger auch nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten wäre. Wie sich der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - der sich die Einzelrichterin angeschlossen hat - entnehmen lässt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe (BayVGH, U. v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris Rn. 17 ff., erneut bestätigt etwa durch
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass etwaige Zwangsrekrutierungsversuche durch Aufständische die Chance in Kabul als Tagelöhner zu arbeiten, vereiteln würden. Gemäß den Erkenntnissen von UNHCR (Bericht v. August 2014, 3. Potentielle Risikoprofile von Schutzsuchenden, S. 45) kommen Rekrutierungsversuche regierungsfeindlicher Kräfte in Gebieten vor, welche ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen oder die zwischen der Regierung und den Aufständischen umkämpft sind. Dies ist in Kabul nicht der Fall (so BayVGH, B. v. 10.8.2015 - 13a ZB 15.30050 - juris Rn. 11). Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger als Angehöriger der Minderheit der Hazara keine Chance hätte, sich als Tagelöhner oder als Gelegenheitsarbeiter zu verdingen (so BayVGH, U. v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - Rn. 24). Der mit den Gegebenheiten in seinem Heimatland bis zu seiner Ausreise Ende 2012 wohl vertraute Kläger ist handwerklich begabt und hat seit Kindesbeinen an in einer Werkstatt an der Reparatur von Autos mitgearbeitet. Eine solche Fertigkeit ist auf dem Arbeitsmarkt auch in Kabul mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgefragt. Zudem hat sich der Kläger etwa viereinhalb Jahre von ... 2008 bis ... 2012 in Griechenland als Tagelöhner bzw. Erntehelfer verdingt, damit seinen Lebensunterhalt verdient und zusätzlich die 7.200,00 EUR für seinen Schleuser erarbeitet (Niederschrift S. 6). Schließlich hat der Kläger, wovon sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung überzeugen konnte, mittlerweile durchaus praktisch einsetzbare Deutschkenntnisse erworben, so dass insgesamt mit vorgenannten Erfahrungen und Kenntnissen davon auszugehen ist, dass er auch (weiterhin) ohne familiären Rückhalt bei einer Rückkehr nach Afghanistan durch Erwerbstätigkeiten für seinen - bescheidenen - Unterhalt sorgen kann.
5.
Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziffer 5, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert worden ist, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn er ist, wie oben ausgeführt, weder als Asylberechtigter und Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 AsylVfG).
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 13. Aug. 2015 - B 3 K 15.30135
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Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 13. Aug. 2015 - B 3 K 15.30135 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, im Fall des § 5 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Empfänger das Empfangsbekenntnis zurückgesendet hat.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es in Bezug auf die Klägerin zu 2. betreffend die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wir die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben werden, tragen die Kläger zu 23/24 und die Beklagte zu 1/24.
Das Urteil hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der im Jahr 1976 in Kabul geborene Kläger zu 1. und die im Jahr 1986 in Kabul geborenen Klägerin zu 2. sind afghanische Staatsangehörige, schiitischen Glaubens. Sie gehören dem Volk der Hazara an. Die am 00.00.2005 geborene Klägerin zu 3. und die am 00.00.2008 geborene Klägerin zu 4. sind die Kinder der Kläger zu 1. und 2. Der am 00.00.2012 in Menden geborene Kläger im Verfahren 14 K 1203/14.A ist das jüngste Kind der Familie. Die Kläger reisten eigenen Angaben zufolge im September von Ungarn kommend über den Landweg in das Bundesgebiet ein. Sie beantragten am 18. September 2012 die Anerkennung als Asylberechtigte.
3In ihrer Anhörung am 9. Oktober 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger zu 1. an, er sei gelernter Autolackierer und habe zunächst 15 Jahr lang im Iran gelebt und dort gearbeitet. Die Kläger zu 1. und 2. gaben zudem an, die Klägerin zu 2. habe ihren Cousin heiraten sollen und habe das nicht gewollt. Sie habe im Jahr 2004/2005 dann den Kläger geheiratet und sie seien nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 1386 (2007) habe der Cousin der Klägerin zu 2. diese dann in Afghanistan aufgespürt, ihr die Zähne ausgeschlagen und versucht, sie zu vergewaltigen. Die Schwester des Klägers zu 1. sei dazwischen gegangen und dann habe er von ihr abgelassen. Der Kläger zu 1. gab weiter an, er habe den Cousin dann zur Rede stellen wollen. Davon habe ihn die Klägerin zu 2. abgehalten, weil „sie Brüder seien“, und stattdessen vorgeschlagen, umzuziehen. Sie seien dann von Kabul ins Hasarejad umgezogen, wo sie ca. ein Jahr bis 2008 geblieben seien. Dort hätten alle Bekannten und Verwandten gelebt. Der Cousin habe sie daher dort nicht mehr aufgesucht. Dann sei der Krieg gekommen und sie hätten weggemusst. Der Kläger zu 1. gab weiterhin an, eine Gruppe von Leuten hätte ihre Grundstücke haben wollen. Es sei ihnen um alle Grundstücke gegangen, die dort waren. Diese Leute hätten viele Häuser verbrannt und Schafe gestohlen. Die Klägerin zu 2. sei damals schwanger gewesen und sie seien dann wieder in den Iran gegangen. Heutzutage solle die Lage in der Heimatregion zwar wieder besser sein; diese Leute würden diese Aktionen aber ab und zu wiederholen. In Afghanistan lebten noch drei Cousins des Klägers zu 1. bei seinem Onkel.
4Mit Bescheid vom 14. Februar 2014 lehnte das Bundesamt den Antrag der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte ab (Ziffer 1.) und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2.) sowie Abschiebungsverbote (Ziffer 3.) nicht vorliegen. Die Kläger wurden zudem unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens (Ziffer 4.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen nicht vor, weil sie bereits keine Probleme vorgetragen hätten, die an asylerhebliche Persönlichkeitsmerkmale anknüpften. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes lägen nicht vor. Die Kläger hätten selbst vorgetragen, dass sie vor den Nachstellungen des Cousins andernorts in Afghanistan sichere Zuflucht gefunden hätten. Die Probleme wegen der Landstreitigkeiten hätten sich nach Angaben der Kläger inzwischen erledigt, weil sich die Personen inzwischen des Landes bemächtigt hätten und deshalb keine weiteren Schwierigkeiten zu erwarten gewesen wären. Schließlich hätten sie ihren bestehenden Eigentums- und Besitzanspruch durch die Ausreise nach Europa faktisch aufgegeben. Es sei auch keine erhebliche individuelle Gefährdung aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ersichtlich. Abschiebungsverbote lägen im Übrigen nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass die Kläger nach ihrer Rückkehr mittellos und auf sich alleine gestellt seien. Die Kläger seien schließlich auch in der Lage gewesen, erhebliche Mittel für die Ausreise aufzubringen. Mit Bescheid vom selben Tag wurde auch der Asylantrag des jüngsten Kindes, Kläger im Verfahren 14 K 1203/14.A abgelehnt.
5Die Kläger haben am 26. Februar 2014 Klage erhoben.
6Die Kläger haben die Klage im Einzelnen umfangreich begründet. Auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Kläger wird insoweit Bezug genommen. Zum Sachverhalt tragen sie insbesondere vor, sie seien nach dem Übergriff des Cousins auf die Klägerin zu 2. in die Provinz Wardak, in das sogenannte Hazarajat (Gebiet, in dem die Hazara leben), gegangen, weil dort noch Bekannte und Verwandte lebten. Sie hätten dort bis ca. Juni 2008 gelebt, bis dort der Krieg gegen die Hazara ausgebrochen sei. Der Kläger zu 1. habe eines Tages auf dem Feld gearbeitet, als er Schüsse gehört habe. Die Kutschis seien in das Dorf eingedrungen und hätten mit automatischen Waffen geschossen und die Häuser angesteckt. Ca. 10 Dorfbewohner seien getötet worden, u.a. ein Verwandter der Kläger. Die Kläger seien zuerst ins Nachbardorf in eine Moschee und von dort aus nach Ghazni.
7Aufgrund einer psychischen Erkrankung der Klägerin zu 2. stellte das BAMF mit Bescheid vom 6. Januar 2015 das Vorliegen eines Abschiebeverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG fest. Das Verfahren wurde insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Auch hinsichtlich des Klägers im Verfahren 14 K 1203/14.A wurde im laufenden Gerichtsverfahren ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt und die Klage daraufhin zurückgenommen bzw. das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
8Die Kläger beantragen nunmehr,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Februar 2014 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen,
10ihnen den Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
11hilfsweise den Klägern subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
12hilfsweise festzustellen, dass für die Kläger zu 1., 3. und 4. ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegt.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
16Das Gericht hat den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. in der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2015 informatorisch zu ihren Fluchtgründen angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 14 K 1203/14.A und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
20Soweit die Beteiligten das Verfahren in Bezug auf die Klägerin zu 2. betreffend die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
21Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf die begehrte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG oder subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG für die Kläger zu 1., 3. und 4. nicht vor.
22Die Kläger haben nach der im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte
23Nach Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Durch Anlage I zu § 26a AsylVfG sind Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten bestimmt worden. Da somit alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften oder aufgrund der Anlage I zu § 26a AsylVfG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 1995 - 9 C 73/95 -, BVerwGE 100, 23 ff.
25Die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 GG greift immer dann ein, wenn feststeht, dass der Ausländer nur über (irgend-)einen der durch die Verfassung oder durch Gesetz bestimmten sicheren Drittstaaten in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein kann; es muss nicht geklärt werden, um welchen sicheren Drittstaat es sich dabei handelt. Da nach der derzeit geltenden Rechtslage alle an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sichere Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisender Ausländer von der Berufung aus Art. 16a Abs. 1 GG ausgeschlossen, auch wenn sein Reiseweg nicht im einzelnen bekannt ist.
26Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 -, Rn. 177, juris.
27Nach dem Vorstehenden haben die unstreitig auf dem Landweg in die Bundesrepublik eingereisten Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Ein Fall von § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG liegt nicht vor.
28Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Demnach muss zunächst eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG durch einen Verfolgungsakteur (§ 3c AsylVfG) vorliegen, die eine Verfolgungsprognose zulässt. Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung solche Handlungen, welche aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Insbesondere sind dabei Verletzungen der absoluten Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, zu berücksichtigen.
29Vgl. EuGH, Urteile vom 7. November 2013 – Rs. C – 199/12 bis 201/12 – X, Y und Z-, Rn. 51, und vom 5. September 2012 – Rs. C - 71/11 und C – 99/11 -Y und Z-, Rn. 53, juris.
30Nach Ziffer 2 kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1. Die nach Ziffer 2 zu berücksichtigende Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen dabei für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzungen aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nach Ziffer 1 entspricht.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23/12 –, juris, Rn 36.
32Die Verfolgungshandlung muss weiter mit einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylVfG verknüpft sein, § 3a Abs. 3 AsylVfG, und es muss an einem effektiven Schutz im Herkunftsland fehlen (§§ 3d, e AsylVfG). Bzgl. der Verfolgungsgründe ist zu beachten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylVfG auch Nachfluchtgründe insoweit zu berücksichtigen sind. Abschließend dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG vorliegen.
33Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylVfG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifizierungsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 QRL, der sich mit der Voraussetzung, dass der Antragsteller „tatsächlich Gefahr läuft“, an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur tatsächlichen Gefahr („real risk“) orientiert,
34vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 - Saadi - NVwZ 2008, 1330, juris.
35und somit der Sache nach den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit übernimmt.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 19, 32.
37Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 36.
39Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftendenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 –10 C 5/09 –, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
41Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24/08 –, juris, Rn. 14.
43Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden,
44Vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 – 9 B 239/89 –, InfAuslR 1989, 349, vom 26. Oktober 1989 – 9 B 405.89 –, InfAuslR 1990, 38 (39), und vom 3. August 1990 – 9 B 45.90 –, InfAuslR 1990, 344.
45Dies zugrunde gelegt konnte das Gericht auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass die Kläger vor der Ausreise Verfolgungsmaßnahmen i.S.v. § 3 AsylVfG erlitten haben, oder von solchen Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar bedroht waren. Die Kläger befinden sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb ihres Heimatlandes.
46Der beschriebene Angriff des Cousins auf die Klägerin zu 2. knüpft zunächst nicht an die in § 3 Abs. 1 AsylVfG genannten flüchtlingsrelevanten Merkmale an. Soweit die Kläger davon berichten, dass der Cousin die Klägerin zu 2. aufgesucht habe und es dabei zu einem körperlichen Übergriff auf die Klägerin zu 2. gekommen sei, stellt dies lediglich eine kriminelle Handlung des Cousins dar, die wohl durch verletzten Stolz hervorgerufen wurde. Nach dem Vortrag der Kläger wollte die Klägerin zu 2. ihren Cousin nicht heiraten und hat stattdessen 2004 bzw. 2005 den Kläger zu 1. geheiratet. Dagegen hat es von Seiten der Familien offenbar keinerlei Widerstände gegeben und dies hat auch zunächst zu keinerlei Bedrohungen von Seiten der Familie der Klägerin zu 2. geführt. Erst nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan 1386 (2007) und damit 3 Jahre später soll der Cousin sie schließlich aufgesucht und angegriffen haben. Als der Kläger zu 1. den Cousin nach dem Übergriff habe zur Rede stellen wollen, soll seine Frau ihn davon abgehalten, weil „sie Brüder seien“. Eine geschlechtsbezogene Verfolgung kann in dieser familieninternen Auseinandersetzung zwischen dem Cousin und der Klägerin zu 2. daher nicht erkannt werden. Der Kläger zu 1. selbst ist zudem weder im Iran noch später in Afghanistan von dem Cousin angegriffen worden. Die Auseinandersetzung mit dem Cousin wird von den Klägern auch vor allem selbst nicht als fluchtauslösend beschrieben. Vielmehr hat die Klägerin zu 2. dem Kläger zu 1. nach dem Ereignis zunächst von einer unmittelbaren Konfrontation mit dem Cousin abgeraten und stattdessen vorgeschlagen, umzuziehen. Erst einen Monat später, in dem es offenbar nicht zu weiteren Zwischenfällen gekommen ist, hätten sie sich dann auf den Weg ins Hazarejad gemacht. Nach ihrem Weggang aus Kabul hat der Cousin sie auch nicht erneut aufgesucht. Die Flucht aus dem Hazerejad stand schließlich nach dem Vortrag der Kläger in keinem Zusammenhang zu den Übergriffen des Cousins. Dass nun die Kläger im Fall einer Rückkehr nach Kabul ohne Weiteres mit einer jederzeitigen Bedrohung durch den Cousin rechnen müssen, ist danach nicht ersichtlich. Es ist ihnen schließlich auch zuzumuten, in die Anonymität einer Großstadt wie Kabul abzutauchen und somit Verfolgungssicherheit zu erhalten.
47Dementsprechend sieht das Gericht auch keine Veranlassung, dem Hilfsbeweisantrag Nr. 1 des Prozessbevollmächtigten der Kläger nachzugehen und ein Sachverständigengutachten zu der behaupteten Tatsache einzuholen, dass in Afghanistan die gesamte Familie den Ehrenmord zu befürchten hat, wenn Frauen einen frei gewählten Ehemann heiraten und damit die Ehre desjenigen verletzen, dem sie versprochen wurden.
48Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Annahme erlittener Verfolgungsmaßnahmen nicht vor. Dabei kommt es auf die Glaubhaftigkeit der Schilderungen der Kläger zu 1. und 2., sie hätten ihr Heimatdorf in der Provinz Wardak verlassen, weil Nomadenvölker (Kuchi/Kutschi) dieses überfallen hätten, schon nicht an. Zweifel daran, dass sie den Übergriff persönlich erlebt haben, sind durch den Vortrag in der mündlichen Verhandlung begründet worden, wonach die Kläger lediglich von anderen Leuten vor dem Eintreffen der Nomaden gewarnt worden und dann geflohen seien. Selbst bei Wahrunterstellung dieses Vortrags liegen die Voraussetzungen einer konkreten, an die Zugehörigkeit zur Gruppe der Hazara anknüpfenden Verfolgung durch die Kuchi nicht vor; vielmehr handelt es sich dabei um nicht flüchtlingsrelevantes kriminelles Unrecht, welches die Kläger erlitten haben wollen.
49Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 07. November 2013 – Au 6 K 13.30270 –, juris; VG Köln, Urteil vom 20. Mai 2014 – 14 K 4357/12.A –, juris.
50Es fehlt insoweit nämlich jedenfalls an der nach § 3a Abs. 3 AsylVfG erforderlichen Verknüpfung zwischen der als Verfolgung anzusehenden Handlung und den in §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylVfG genannten Verfolgungsgründen. Zwar ist anhand der Erkenntnislage,
51vgl. allein Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) Anfragebeantwortung: „Afghanistan: Provinz Wardak bzw. Behsud: Informationen zu Auseinandersetzungen zwischen Kuchi und Hazara; Maßnahmen staatlicher Behörden“ vom 5. Februar 2013; Norwegisches Herkunftsländerinformationszentrum LandInfo “Afghanistan: The conflict between Hazaras and Kuchis in the Beshud Districts of Wardak Province“ vom 1. November 2011,
52dem Gericht bekannt, dass es auch in der Provinz, in der die Kläger sich ein Jahr vor ihrer Abreise aufgehalten haben, in den vergangenen Jahren regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der Hazara und der Kuchi gekommen ist, so dass die Schilderungen der Kläger in diesen Zusammenhang passen. Die beschriebenen Konflikte zwischen den Volksgruppen finden jedoch ihre Ursache nicht in der jeweiligen Gruppenzugehörigkeit. Es geht bei den saisonal auftretenden Auseinandersetzungen zwischen den zwei ethnischen Gruppen um Eigentums- und Besitzansprüche an lokalen Ressourcen, die bis in das Jahr 1887 zurückreichen. Es mangelt insofern an der erforderlichen spezifischen Zielrichtung, da nicht erkennbar ist, dass die Verfolgungshandlung „wegen“ eines in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten Merkmals erfolgt. Der jährlich – meist in den Sommermonaten – erneut aufkommende Streit um Land knüpft nur mittelbar an die Volkzugehörigkeit der betroffenen Parteien an. Die Kuchi versuchen durch Überfälle, Vertreibung und Brandstiftungen Weideland für sich zu gewinnen unabhängig davon, wem dieses Weideland gehört. Die Angriffe sind damit nicht ethnisch motiviert, sondern erfolgen aus rein wirtschaftlichen Gründen. Die Hazara (und damit bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags auch die Kläger) waren und sind nicht als Volksgruppe Ziel der Angriffe, sondern als die sesshaften Weidelandbesitzer der jeweiligen Region.
53vgl. schon VG Köln, Urteil vom 20. Mai 2014 – 14 K 4357/12.A –, juris
54Unabhängig von der danach nicht vorliegenden, anlassgeprägten Einzelverfolgung durch die Kuchi scheidet auch eine allgemeine Gefahr einer Gruppenverfolgung aus. Eine solche allgemeine Gruppenverfolgung kann sich aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines flüchtlingsrelevanten Merkmals verfolgt werden, das der Ausländer mit ihnen teilt, wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Im Rahmen der Gruppenverfolgung verlangt die Rechtsprechung des BVerwG weiter in ständiger Rechtsprechung eine bestimmte Verfolgungsdichte.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 – 10 C 11.08 –, Rn. 13, m.w.N., juris.
56Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Allgemeinen und auch konkret in der Region Wardak, in der die Kläger zuletzt ihren Aufenthalt hatten, nicht vor. Hinsichtlich der Verfolgungsdichte verlangt das BVerwG von den Tatsachengerichten eine wertende Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3d AsylVfG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann.
57Vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 15, juris.
58Gemessen an diesen Kriterien liegt eine Gruppenverfolgung der Hazara nicht vor. Zum einen gilt es nämlich auch insoweit zu berücksichtigen, dass eine Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund i.S.d. § 3a Abs. 3 AsylVfG vorliegen muss. Davon ist nach den oben stehenden Ausführungen schon nicht auszugehen. Zum anderen geht die Kammer – im Anschluss an ihre bisherige Rechtsprechung und der auch ansonsten herrschenden bundesweiten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – davon aus, dass eine bestimmte Verfolgungsdichte hinsichtlich einer Verfolgung der Hazara in Afghanistan oder in Wardak nicht gegeben ist.
59Vgl. Urteile der Kammer vom 23. Oktober 2012 – 14 K 5476/11.A, 14 K 14 K 6157/11.A. –, Rn. 36 ff. und Rn. 40 ff., vom 4. September 2012 – 14 K 6744/10.A –, Rn. 35 ff.; Urteil vom 20. Mai 2014 – 14 K 4357/12.A –, Rn. 49; Bayerischer VGH, Urteil vom 3. Juli 2012 - 13a B 11.30064 –, Rn. 20 ff. selbst unter der unrealistischen Annahme, dass 50% aller Toten und Verletzten in Gesamtafghanistan zur Volksgruppe der Hazara gehören würden; VG Ansbach, Urteil vom 11. Dezember 2013 - AN 11 K 13.30901 -, Rn. 22 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Mai 2013 - 5a K 1907/11.A -, Rn. 37 ff.; zitiert jeweils nach juris.
60Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG. Danach ist ein Ausländer ein subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG). Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens muss von einem Verfolgungsakteur i.S.d. §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c AsylVfG ausgehen. Weiter muss es an einem effektiven Schutz im Herkunftsstaat fehlen, §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3d, 3e AsylVfG und es dürfen keine Ausschlussgründe (§ 4 Abs. 2 AsylVfG) vorliegen. Der Verweis auf einen effektiven Schutz in einem anderen Teil des Herkunftslandes (§ 3e AsylVfG) setzt jedenfalls voraus, dass von dem Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt. Zur Frage, wann von ihm „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil niederlässt, wird vorausgesetzt, dass der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 19 f.; Beschluss vom 14. November 2012 – 10 B 22.12 –, Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 –, jeweils juris.
62Anhaltspunkte, dass die Kläger wegen einer Straftat gesucht werden und bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr einer Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht, können schon ihrem eigenen Vorbringen im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung nicht entnommen werden.
63Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG liegen nicht vor. Danach gilt Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung als ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. In diesem Zusammenhang ist vor allem Art. 3 EMRK sowie die Rechtsprechung des EGMR zu berücksichtigen.
64Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – Rs. C - 465/07 -Elgafaji-, Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 -, unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte der zugrunde liegenden Richtlinienregelung des Art. 15 lit. b QRL, Rn. 22, zitiert jeweils nach juris.
65Bestehen danach ernsthafte und stichhaltige Gründe, dass der Ausländer im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden, ergibt sich hieraus die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben.
66Vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 – Saadi - NVwZ 2008, 1330; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 23 juris.
67Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss dabei jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG i.V.m. Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird.
68Vgl. Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 60 AufenthG Rn. 35.
69Dies gilt gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylVfG auch dann, wenn die Leiden von nichtstaatlichen Akteuren zugefügt werden und kein ausreichender staatlicher oder quasistaatlicher Schutz zur Verfügung steht.
70Der Ausländer kann jedoch kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Insoweit verpflichtet Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 23; EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 Nr. 2656505, N. / Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334, und Beschluss vom 25. Oktober 2012 – 10 B 16.12 –, Rn. 8, zitiert jeweils nach juris.
72Diese Rechtsprechung des BVerwG steht auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung der Großen Kammer des EGMR,
73vgl. Urteil vom 21. Januar 2011 – Nr. 30696/09 – M.S.S. ./. Belgien und Griechenland, NVwZ 2011, 413,
74da diese Entscheidung keine Feststellung hinsichtlich der für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung im Herkunftsland trifft, sondern allein den Schutz der Menschenwürde von Personen betrifft, die - in einem ihnen insgesamt fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden.
75So auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 24, und Beschluss vom 25. Oktober 2012 – 10 B 16.12 –, Rn. 9, zitiert jeweils nach juris.
76Demnach können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen schlechte humanitäre Verhältnisse für sich isoliert zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen. Bzgl. Afghanistans ist unter Einbeziehung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht davon auszugehen, dass diese Schwelle überschritten ist.
77Vgl. EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 – Nr. 10611/09, Husseini / Schweden –; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 26 juris.
78Dabei geht die Kammer bezüglich Kabul als demjenigen Ort, an dem eine Abschiebung enden würde, davon aus, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten jedenfalls ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten.
79Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2013 –A 11 S 697/13 –, Rn. 84, 105 ff. unter Auswertung der vorliegenden Erkenntnismittel, juris.
80Eine Abschiebung der Kläger nach Afghanistan/Kabul verstößt daher nicht gegen Art. 3 EMRK.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 27 juris.
82Der Kammer liegen insoweit keine aktuelleren Erkenntnisse vor, die auf eine deutliche Verschlechterung der humanitären Bedingungen in Kabul schließen lassen.
83Darüber hinaus können dem Vortrag der Kläger auch keine sonstigen Anhaltspunkte entnommen werden, die zu einer Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG führen. Die Kammer hat insoweit bereits bzgl. der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt, dass sie nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Kläger als Hazara bei einer Rückkehr einer ernsthaften Gefährdungssituation ausgesetzt sind.
84Die Kläger haben mit dem Angriff des Cousins der Klägerin zu 2. vorliegend auch keine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure vorgetragen, die das o.g. Maß erreicht. Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags über den Angriff des Cousins der Klägerin zu 2. liegt damit, wenn überhaupt, eine Bedrohung der Klägerin zu 2. und keine Schlechtbehandlung des Klägers zu 1. oder der Kläger zu 3. und 4. vor. Im Übrigen ist damit aber auch keine fluchtauslösende Bedrohung geltend gemacht worden. Da der Cousin innerhalb des gesamten Jahres, in dem die Kläger in Wardak gelebt haben, nicht versucht hat, sie ausfindig zu machen, ist auch aktuell nicht mehr mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt und damit mit einer ernsthaften Gefährdungssituation zu rechnen.
85Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG. Danach ist von einem ersthaften Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen, wenn für den Ausländer eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht. Die Schutzgewährung greift auch dann ein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt nur auf ein Teil des Staatsgebietes erstreckt.
86Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 12, juris; vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, BVerwGE 131, 198.
87Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, ist bzgl. der anzustellenden Gefahrenprognose auf den Zielort der Abschiebung abzustellen. Dabei kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer seinem subjektiven Blickwinkel nach strebt. Vielmehr ist in der Regel auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ein Abweichen von dieser Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG ihm Schutz gewähren soll.
88Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 13, juris; Beschluss vom 14. November 2012 – 10 B 22.12 –; zur Frage der „tatsächlichen Zielregion“ OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – 13 A 2010/12.A –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 –, juris.
89Allerdings ist dann nicht auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit der Absicht niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 –10 C 15.12 –, Rn. 14, juris.
91Der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist in Bezug auf seinen Regelungszusammenhangs dahingehend auszulegen, dass eine Situation vorliegen muss, in der die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen.
92Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 – Rs. C – 285/12 -Diakite- Rn. 35, juris.
93Eine Orientierung an Regelungen des Humanitären Völkerrechts,
94so noch BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, a.a.O. und vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, BVerwGE 136, 360 (bereits einschränkend, wenn eine solche Orientierung dem Zweck der Schutzgewährung von Zivilpersonen entgegensteht),
95scheidet aus, da das Humanitäre Völkerrecht andere Regelungszwecke beinhaltet. Das Humanitäre Völkerrecht richtet sich an die Konfliktparteien, Schutzvorschriften im Kriegsgebiet zu beachten. Bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG geht es um den Schutzbedarf des Einzelnen im Aufnahmeland. Dieser Zweckvergleich wird auch durch die mangelnde Begriffskongruenz bestätigt.
96Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 – Rs. C - 285/12 – Diakite- Rn. 20 ff., juris.
97Damit sind bei der Ermittlung des erforderlichen Niveaus willkürlicher Gewalt in einem bestimmten Gebiet alle Gewaltakte der Konfliktparteien zu berücksichtigen, durch die Leib oder Leben von Zivilpersonen wahllos und unbeachtet ihrer persönlichen Situation verletzt werden („willkürlich“).
98Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – Rs. C – 465/07 -Elgafaji-, Rn. 43, juris; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 – 10 C 9.08 –, BVerwGE 134, 188; Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, a.a.O.
99Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Personen ausgeht, individuell so verdichten kann, dass sie die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG erfüllt.
100Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, juris.
101Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG kann eine solche individuelle Verdichtung ausnahmsweise dann angenommen werde, wenn der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dies ist der Fall, wenn praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann.
102Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – Rs. C – 465/07 -Elgafaji-, Rn. 35, juris; BVerwG, vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 –, juris.
103Eine weitere Verdichtung bzw. Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen sei, sich nahe an der Gefahrenquelle aufzuhalten. Es können aber auch persönliche Umstände sein, aufgrund derer der Antragsteller als Zielperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt.
104Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – Rs. C – 465/07 -Elgafaji-, Rn. 39, juris.
105Ob die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllt sind, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinn der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden.
106Vgl. zu diesen Kriterien auch Bayerischer VGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 13a B 10.30394 –, Rn. 20 ff.; juris.
107Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers europarechtliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Definition des Grades des willkürlichen Gewalt bzw. zur notwendigen Gefährdungsdichte seitens des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27. April 2010 äußert, sieht das Gericht im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens – eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht – davon ab, den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Das Gericht teilt nicht die Bedenken des Prozessbevollmächtigten des Klägers, sondern hält an den vom Bundesverwaltungsgericht insbesondere auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Februar 2009 entwickelten Grundsätzen fest.
108Gemessen an den danach maßgeblichen Kriterien besteht für die Kläger bezogen auf ihre Herkunftsregion in Afghanistan keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG.
109Selbst bei der Annahme eines bewaffneten Konflikts in Wardak liegt keine ausreichende allgemeine oder individuelle Gefährdungslage bzgl. der Kläger vor.
110Die ausgewerteten Quellen berichten übereinstimmend, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan nach dem Sturz des Taliban‐Regimes 2001 und einer anfänglichen Stabilisierung in den Jahren 2001‐2005 seit 2006 stetig verschlechtert hat. Sie ist jedoch durch große regionale wie saisonale Unterschiede geprägt. Seit 2006 ist unter anderem aufgrund verstärkter militärischer Aktionen der afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte eine stete Zunahme sicherheitsrelevanter Vorfälle zu beobachten, die ihren vorläufigen Höhepunkt im Jahr 2011 erreichte.
111Vgl. Berichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Lagebericht) vom 9. Februar 2011, 10. Januar 2012, 4. Juni 2013 und 31. März 2014.
112Nach dem Jahr 2012, welches gemessen an den reinen Zahlen einen Rückgang von Anschlägen, Todesopfern und Verletzten aufwies, ist für 2013 festzustellen, dass sich die Gefährdungslage eher wieder derjenigen des Jahres 2011 annähert.
113Vgl. Fortschrittsbericht Afghanistan der Bundesregierung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages von Januar 2014 (Fortschrittsbericht 2014); UN Security Council: Report of the Secretary-General of the protection of civilian in armed conflict - S 2013/689 - vom 22. November 2013; UNHCR: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (deutsche Fassung der UNHCR Guidelines 2013), S. 14 ff.
114Laut United Nations Mission in Afghanistan (UNAMA) ist die Anzahl der zivilen Opfer und Verwundeten im ersten Halbjahr 2013 um 14 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum angestiegen. Die Anzahl der Toten überstieg die Werte der ersten sechs Monate der Jahre 2010 und 2012; die Anzahl der Verletzten lag gar über denjenigen des Jahres 2011. Dieser Anstieg geht vor allem auf die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppen zurück. Für 74 Prozent der zivilen Opfer waren laut UNAMA regierungsfeindliche Elemente, für 9 Prozent regierungstreue Kräfte und für 12 Prozent Bodenkämpfe zwischen beiden Seiten verantwortlich. Die restlichen 4 Prozent konnten keiner Konfliktpartei zugeordnet werden. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude.
115Vgl. UNAMA, Mid-Year Report 2013 protection of civilians in armed conflicts, von Juli 2013, S. 3.
116Die Anzahl der durch die ausländischen Truppen oder durch die afghanischen Sicherheitskräfte getöteten Personen hat gleichzeitig den niedrigsten Wert seit Beginn des ISAF-Einsatzes erreicht.
117Vgl. Fortschrittsbericht 2014, Seite 10.
118In den Bevölkerungszentren und entlang der bedeutsamen Verkehrsinfrastruktur besteht eine „ausreichend kontrollierbare Sicherheitslage“; in den südlichen und östlichen, ländlich geprägten Gebieten und Distrikten herrscht hingegen eine „überwiegend nicht“ oder sogar eine „nicht kontrollierbare Sicherheitslage“.
119Vgl. Fortschrittsbericht 2014, Seite 10.
120Für das gesamte Jahr 2013 dokumentierte UNAMA 2.959 Tote und 5.656 Verwundete. Die Zahlen der Todesopfer entsprechen in etwa den bisher höchsten Werten aus dem Jahr 2011; die Zahl der Verletzten stellen gar den bisherigen Höchstwert dar. Im Vergleich zu 2012 stieg die Anzahl der Toten um 7 % und die der Verletzten um 17 %.
121Vgl. UNAMA: Annual Report 2013 protection of civilians in armed conflicts, von Februar 2014, S. 9.
122Weiter berichtet die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH),
123vgl. SFH, Afghanistan: Update „Die aktuelle Sicherheitslage“ vom 30. September 2013, S. 4 ff., 10,
124dass die Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 bei sehr hoch bleibendem Gewaltlevel um 25 % zurückgegangen sind. Dies resultiert jedoch aus einem Strategiewechsel der regierungsfeindlichen Gruppen, die das Niveau ihrer Anschläge den verbleibenden internationalen Sicherheitskräften angepasst und ihre Anstrengungen dafür in andere Bereiche (Schaffung parallelstaatlicher Einrichtungen) intensiviert haben. 2013 hat es dann eine erneute Trendwende gegeben, wonach die Anzahl der Anschläge um 47 % angestiegen ist und leicht die Werte aus 2011 und 2009 erreichen kann. Diese Gewaltakte gehen weiterhin von vier Quellen aus: von den regierungsfeindlich eingestellten, bewaffneten Gruppierungen wie Taliban, Hezb-e-Islami von Gulbuddin Hekamatyar, Haqqani-Netzwerk und anderen, von regionalen Kriegsherren und Kommandierenden der Milizen, von kriminellen Gruppierungen und von Reaktionen der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen regierungsfeindliche Gruppierungen (insbesondere Bombardierungen).
125Wie den genannten Auskünfte weiter zu entnehmen ist, halten sich die Konfliktparteien mit Ausnahme der internationalen Truppen nicht an die Regeln des humanitären Völkerrechts. Sie unterscheiden nicht zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten. Die unterschiedlichen Milizen sowie die Taliban suchen gerade nicht den Kampf mit den regulären Truppen. Vielmehr agieren sie z.B. mit Sprengstoffanschlägen gerade gegen die Zivilbevölkerung, um hier ihre Opfer zu finden. Zudem tarnen sie sich als Zivilisten und provozieren hierdurch Angriffe der Gegenseite, die als Folge auch Unschuldige treffen. Damit liegen unterschiedslose Angriffe vor. Die fehlende Zielgerichtetheit der Angriffe ergibt sich daraus, dass gerade Angriffe auf Zivilpersonen und humanitäre Organisationen ein allgemeines Klima der Angst hervorrufen sollen. Hierzu werden Attentate eingesetzt, die möglichst viele Opfer zur Folge haben sollen.
126Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 1. Oktober 2013 – 5 A 95/13 –, Rn. 37, juris.
127Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass die Gefährdungslage regional deutlich differenziert zu bewerten ist. So berichtet ACCORD,
128vgl. ACCORD, Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul vom 12. Dezember 2013,
129unter Berufung auf Berichte der UNO und ANSO, dass sich die meisten Vorfälle (70 % aller landesweit dokumentierten Vorfälle) in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes ereigneten. Die größte Zahl sei in der Provinz Nangarhar verzeichnet worden. Nach UNAMA konzentrierte sich das Gros der dokumentierten Vorfälle auch 2013 in den südlichen und südöstlichen Provinzen. Gerade in den Südprovinzen (Kandahar, Helmand, Nimroz, Zabul und Uruzgan) fanden fast 40% aller Vorfälle statt, dort waren mit Abstand die meisten Todesopfer und Verwundeten zu beklagen.
130Die Kläger lebten nach ihren Angaben bis zu ihrer Flucht in der Provinz Wardak, welche nicht zu den zuvor genannten Provinzen zählt. Zuvor lebten sie nach der Rückkehr aus dem Iran für einige Jahre in Kabul, wo die Kläger zu 1. und 2. auch geboren worden sind. Die Provinz Wardak hat eine Fläche von rund 8.938 qm2 und eine Einwohnerzahl von rund 577.100.
131Vgl. Daten vom Central Statistics Office Afghanistan, abrufbar unter: http://www.geohive.com/cntry/afghanistan.aspx?.
132Für die Provinz Wardak selbst sind konkrete Opferzahlen den Erkenntnisquellen zwar nicht zu entnehmen. Anhand der wenig belastbaren Datenlage kann die Kammer sich nur annäherungsweise der verlangten quantitativen Ermittlung der Gesamtzahl der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, nähern. Anhand der jüngsten vorliegenden Auskünfte der sachverständigen Quellen geht die Kammer auch davon aus, dass konkrete Opferzahlen für die Provinz nicht zu ermitteln sind, da ein solches Unterfangen bereits für zugänglichere Regionen keinen Erfolg hatte.
133Vgl. Dr. Danesch: Stellungnahme an VGH Kassel (8 A 119/12.A) vom 3. September 2013 zu Kabul.
134Nach den Quartalsberichten des Afghanistan NGO Safety Office (ANSO),
135vgl. ANSO, Quartalsberichte 1/2011 (April 2011), 2/2011 (Juli 2011), 1/2012 (April 2012), 2/2012 (Juli 2012), 3/2012 (Oktober 2012), 4/2012 (Januar 2013) und 1/2013 (April 2013),
136wurden in der Provinz Wardak im Jahr 2010 512 und im Jahr 2011 383 Vorfälle von aufständischen Gruppierungen registriert. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies im Jahr 2011 eine deutliche Reduzierung um 25 %. Dieses Niveau blieb 2012 konstant. So wurden 378 Vorfälle der bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppen (Taliban etc.) registriert. Seit 2013 stiegen die registrierten Vorfälle – wie nahezu in allen anderen Provinzen auch – wieder an und erreichten das Niveaus von 2011. Landesweit betrachtet lag die Zahl der Anschläge bezogen auf das gesamte Jahr in der Provinz Wardak damit im Mittelfeld. ANSO klassifiziert die Provinz Wardak im Rahmen ihrer fünfstufigen Eingruppierung dem folgend auch auf der mittleren Ebene als „moderately insecure“.
137Vgl. ANSO, Quartalsbericht 1/2013 (April 2013).
138Um der geforderten quantitativen Betrachtung der Gefährdungslage gerecht zu werden, ist zunächst die Anzahl der Vorfälle in Wardak (643) in ein Verhältnis zu den landesweiten Zahlen (ca. 22.000) stellen. Danach fanden knapp 3 % aller Vorfälle in Wardak statt. Für das gesamte Jahr 2013 dokumentierte UNAMA 2.959 Tote und 5.656 Verwundete.
139Vgl. UNAMA: Annual Report 2013, von Februar 2014, S. 9.
140Unter Bezugnahme auf die errechneten 3 % dürften demnach in Wardak ca. 89 Tote und 170 Verletzte zu beklagen sein (insgesamt 259 Opfer).
141Bezogen auf die Zahl der Gesamtbevölkerung von Wardak (577.100) liegt die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines willkürlichen Anschlags zu werden, bei einem Verhältnis von 1:2.228. Ein derartiges Verhältnis reicht nach der Rechtsprechung des BVerwG,
142vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 –10 C 13/10 –, juris,
143nicht aus, um eine ausreichend hohe Gefahrendichte willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung zu dokumentieren. Auch bei der über die reine Berechnung hinaus anzustellenden wertenden Gesamtbetrachtung aller Gesichtspunkte der dortigen Sicherheitslage kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Konflikt in der Provinz Wardak keine so hohe Gefahrendichte willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung erreicht, dass jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region jederzeit mit einer nicht mehr zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Dabei hat die Kammer die Schwierigkeiten beachtet, vorhandene Zahlen für Gesamtafghanistan (UNAMA) auf Provinzen - oder gar Distrikte innerhalb von Provinzen - allein anhand von mathematischen Rechenoperationen zu übertragen. Weiter ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist. Dabei dürfte durchaus ein Faktor von 1:3 nicht unrealistisch sein.
144Vgl. Dr. Danesch: Stellungnahme an VGH Kassel (8 A 119/12.A) vom 3. September 2013 unter Hinweis auf den Sprecher des „Bundesausschusses Friedensforschung“ in Berlin, Herr Lühr Henken, S. 11.
145Dennoch liegt die Gefahrendichte unter Einbeziehung all dieser Aspekte im Promillebereich.
146Vgl. ebenso für die Provinz Wardak: Urteil der Kammer vom 23. Oktober 2012 – 14 K 6157/11.A –, Rn. 58 ff.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 16. April 2014 – 13a ZB 14.30069 –, Rn. 4 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 11. Dezember 2013 – AN 11 K 13.30901 –, Rn. 40 f.; VG München, Urteile vom 5. Dezember 2013 – M 23 K 11.30432 –, Rn. 29 ff., und vom 19. November 2013 – M 25 K 11.30742 –, Rn. 31 ff.; zitiert jeweils nach juris.
147Dass die Kläger wegen ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit zusätzlich der Gefahr gezielter Anschläge ausgesetzt wären, ist zudem nicht ersichtlich. Für die Annahme gefahrerhöhender persönlicher Umstände genügt die Zugehörigkeit der Kläger zur Volksgruppe der Hazara nicht, weil wie bereits ausgeführt wurde, eine Gruppenverfolgung der Hazara ausgeschlossen ist.
148Vgl. dazu VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Juli 2014 – 5a K 1857/13.A –, juris.
149Die Kläger zu 1., 3. und 4. haben auch keinen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG.
150Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Dabei ist zu beachten, dass die Berücksichtigung des Art. 3 EMRK im Rahmen des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG nicht dazu führt, dass § 60 Abs. 5 AufenthG insoweit verdrängt wird.
151Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 34 ff., und vom 13. Juni 2013 – 10 C 13.12 –, Rn.24, jeweils juris.
152Dennoch scheidet in Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus.
153Ein Abschiebungsverbot kann sich in der vorliegenden Situation für die Kläger zu 1., 3. und 4. auch nicht gem. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK daraus ergeben, dass für die Ehefrau und Mutter der Kinder, die Klägerin zu 2., von Seiten des BAMF ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans festgestellt wurde. § 60 Abs. 5 AufenthG verweist auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten lediglich insoweit, als sich daraus Abschiebungsverbote ergeben, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen (sog. zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Konsequenterweise kann das BAMF im verwaltungsgerichtlichen Asylrechtsstreit auch nur im Hinblick auf zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote zur Feststellung verpflichtet werden.
154Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 – 9 C 13.96 –, BVerwGE 105, 322 zur Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 4 AuslG.
155Die Ausländerbehörde bleibt demgegenüber für die Durchführung der Abschiebung und dabei auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse zuständig. Zu den ausschließlich von der Ausländerbehörde zu prüfenden Vollstreckungshindernissen zählen beispielsweise fehlende Ausweise oder Ersatzpapiere, krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit, aber auch das – hier wohl einschlägige - Verbot, durch die Abschiebung eine mit Art. 6 GG nicht vereinbare Trennung von Familienmitgliedern zu bewirken.
156Vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 10 B 39.12 –, juris.
157Die Folgen einer Abschiebung für eine tatsächlich bestehende familiäre Beziehung können daher grundsätzlich nur von den Ausländerbehörden durch Zuerkennung eines entsprechenden aufenthaltsrechtlichen Status berücksichtigt werden und sind daher im Asylverfahren weder für das BAMF noch für die Gerichte zu beachten.
158vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 10 B 65.07 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2012 – A 2 S 1995/12 –, juris.
159Die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Kläger zum Erlass des Bundesinnenministeriums vom 14. November 2013 sind im Übrigen nicht zielführend, weil es vorliegend nicht um eine Rückführung unbegleiteter Minderjähriger geht, sondern die Kläger zu 3. und 4. zusammen mit ihrem Vater nach Afghanistan zurückkehren würden.
160Schließlich können auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht festgestellt werden. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
161Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 – 1 C 2.01 –, BVerwGE 114, 379.
162Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde”. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren.
163Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, Rn. 38 unter Hinweis auf die st. Rspr., juris.
164Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
165So BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, NVwZ 2011, 48, 49, und vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 -, juris.
166Dabei können aber Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche für sich nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen.
167Dies vorangestellt ist nicht davon auszugehen, dass den Klägern zu 1., 3. und 4. bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage droht.
168Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass der Kläger zu 1. und seine Töchter im Falle der Rückkehr auf Unterstützung – zumindest durch die engsten Familienmitglieder – hoffen können. Allerdings leben noch Cousins und die Stiefbrüder des Klägers zu 1. und Onkel, Tanten und eine Schwester der Klägerin zu 2. in Kabul, so dass die Kläger zumindest familiären Anschluss in Afghanistan vorfinden. Der Kläger zu 1. verfügt auch über eine gute Ausbildung. Er ist gelernter Lackierer und hat sich bereits mehrfach auf dem afghanischen Arbeitsmarkt behauptet. Er hat auch im Iran offenbar über eine gute Stellung verfügt, die das Überleben der vierköpfigen Familie über Jahre sicherstellen konnte. Es wird dem Kläger daher trotz seines längeren Aufenthaltes außer Landes voraussichtlich möglich sein, eine existenzsichernde Erwerbsmöglichkeit für seine Familie zu finden. Zudem hat der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung angegeben, zusammen mit seinen Stiefbrüdern über Ländereien im Hazarejad zu verfügen, die verkauft werden könnten, um so in der ersten Zeit nach der Rückkehr das Überleben sicherzustellen. Dementsprechend ist man schließlich bereits bei dem Verkauf des Hauses verfahren, mit der die Flucht aus Afghanistan finanziert worden sein soll. Der Besorgnis des Prozessbevollmächtigten der Kläger, die Kinder würden nicht versorgt werden können, wenn der Vater einer Erwerbstätigkeit nachgehe, führt daher hier nicht zu einer anderen Beurteilung. Bei den Kindern handelt es sich schließlich auch nicht mehr um Kleinstkinder, die rund um die Uhr Fürsorge und Betreuung erhalten müssen. Sie sind 6 und 9 Jahre alt und können sich daher tagsüber alleine beschäftigen. Zudem ist davon auszugehen, dass die sich noch in Afghanistan befindlichen Verwandten und Bekannten den Kläger zu 1. zumindest bei der Beaufsichtigung der Kinder unterstützen werden, auch wenn diese nach Angaben der Kläger eigene finanzielle Probleme haben. Der Kammer ist durchaus bewusst, dass mit der Trennung von ihrer Mutter den Kindern die für ihre Entwicklung elementare Betreuung und Fürsorge durch die Mutter entzogen wird. Doch dieser Entzug betrifft im Kern die vorrangig zu prüfende Frage, ob die mit einer Durchführung der Abschiebung einhergehende Trennung der Klägerinnen zu 3. und 4. von ihrer Mutter zulässig ist. Über diese Frage ist aber ausschließlich von der Ausländerbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung etwaiger Vollstreckungshindernisse zu entscheiden und darf im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden.
169vgl. BVerwG, Urt. v. 21. September 1999 – 9 C 12.99 – BVerwGE 109, 305; Urteil vom 23. Mai 2000 – 9 C 2.00 –, juris.
170Das von den Klägern geltend gemachte Risiko des Erfrierens oder Verhungerns begründet die Annahme einer extremen Gefahr ebenfalls nicht. Aus dem offenen Brief von amnesty international vom 19. Oktober 2012,
171vgl. www.amnesty.org/en/news/afghanistan-urgent-assistance-needed-avoid-deaths,
172geht zwar hervor, dass in den Flüchtlingslagern Afghanistans infolge des außerordentlich strengen Winters 2011/2012 über 100 Menschen, meistens Kinder, an Kälte oder Krankheiten starben. Auch gemäß den UNHCR-Richtlinien,
173vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 (HCR/EG/AFG/13/01 - deutsche Fassung der UNHCR Guidelines 2013),
174besteht hinsichtlich der provisorischen und notdürftigen Unterkünfte für Binnenvertriebene sowie zurückkehrende Flüchtlinge folgende Situation: Die Betroffenen – in Kabul ca. 35.000 Personen –, die angesichts begrenzter Unterkunftsmöglichkeiten in informellen Siedlungen (Slums) leben müssten, seien dem strengen Winter schutzlos ausgeliefert. Infolge dessen seien in Kabul Anfang 2012 zehn Personen und Anfang 2013 17 Personen an der Kälte gestorben.
175Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts,
176vgl. Auskunft vom 2. Juli 2013 an den Hess. VGH zum Verfahren 8 A 2344/11.A,
177dürfte es aber unwahrscheinlich sein, dass besonders in der Hauptstadt Kabul Personen verhungern oder verdursten. In Kabul komme es im Winter gelegentlich vor, dass Personen, die keine winterfeste Bleibe haben, erfrieren. Hierbei handle es sich zumeist um Säuglinge. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Lutze vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz unter den registrierten 3.000 Rückkehrern im Zeitraum der vorangegangenen zehn Jahre keine Todesfälle infolge von Hunger oder Unterernährung bekannt geworden sind.
178Vgl. Dr. Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 12.
179Danach stellt sich die Lage für die Kläger zu 1., 3. und 4. nach ihrer Rückkehr auch nicht wegen drohender Kälte oder Hunger als lebensbedrohlich dar. Zum einen handelt es sich bei den Klägerinnen zu 3. und 4. nicht um Säuglinge oder Kleinstkinder. Zudem ist angesichts der finanziellen Mittel des Klägers zu 1. und der noch in Kabul lebenden Verwandtschaft nicht davon auszugehen, dass die Kläger in Notunterkünften wohnen werden, wo sie der Gefahr des Erfrierens ausgesetzt sein könnten. Weil daher ausreichende Erkenntnisse zur Lage im Hinblick auf drohende Kälte und Hunger vorliegen und anzunehmen ist, dass die Kläger insoweit nicht in Gefahr sind, muss auch dem Hilfsbeweisantrag Nr. 2 nicht nachgegangen werden. Auf die Vernehmung eines Zeugen zur Lage in Kabul im Hinblick auf Gefahren durch Hunger und Kälte kann verzichtet werden.
180Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 161 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt die Feststellung des Abschiebeverbotes für die Klägerin zu 2. Gerichtskosten werden gem. § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 28. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
3Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 ‑ 13 A 727/10.A -, vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A -, juris und vom 24. Februar 2011 ‑ 13 A 2839/10.A -.
5Ob die vom Kläger aufgeworfene Frage,
6„ob in der afghanischen Provinz Wardak von einem bewaffneten Konflikt auszugehen ist, der unabhängig vom Vorliegen individueller gefahrerhöhender Umstände bei einer Person, die nach Wardak zurückkehrt, zu einer Gefährdung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG führt“,
7gemessen daran von grundsätzlicher Bedeutung ist, kann dahin stehen, weil sie in einem Berufungsverfahren – ihre Grundsatzbedeutung unterstellt – nicht beantwortet werden würde und deswegen nicht entscheidungserheblich ist. In entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 144 Abs. 4 VwGO ist eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dann nicht geboten, wenn mit Sicherheit auszuschließen ist, dass sich der – bei Zugrundelegung der Tatsachenfeststellungen und Rechtsansichten des Berufungsgerichts – entscheidungserhebliche, zulassungsrechtlich beachtliche Rechtsfehler auf das endgültige Entscheidungsergebnis auswirken kann. Das ist der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen, nach Aktenlage vertretbaren und von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Bewertung des Sachverhalts in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. November 2014 – 13 A 1631/14.A –, juris.
9So liegt es hier. Denn unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylVfG angesichts der derzeitigen Situation in der Provinz Wardak erfüllt sind, schließt Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylVfG einen Anspruch des Klägers auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter aus. Denn mit Blick auf die dortige Versorgungs- und Sicherheitslage,
10vgl. dazu ausführlich OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris,
11kann von ihm angesichts seines persönlichen Risikoprofils vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich dort niederlässt. Zwar ist die humanitäre Lage in Kabul im Allgemeinen weiterhin äußerst schwierig. Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen weicht indes stark voneinander ab. Jedenfalls für den Kläger als arbeitsfähigen jungen Mann besteht es allenfalls in geringfügigem Maße, denn es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Wiedereingliederungsphase auch ohne familiären Rückhalt zumindest auf einem - nach westlichen Maßstäben - niedrigen Niveau wird sicherstellen können. Diese Einschätzung der Lage in Kabul gilt im Ergebnis – trotz gewisser Veränderungen – bis heute.
12Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats vom 26. August 2014 befand sich die als Transition bezeichnete Übergabe der Sicherheitsverantwortung von der in der ISAF repräsentierten internationalen Gemeinschaft an die afghanischen Sicherheitskräfte bereits seit Mitte 2013 im Gange. Die zuvor in erheblichen Umfang in Afghanistan stationierten Kräfte der ISAF-Mission waren bereits deutlich reduziert, von ca. 130.000 Soldaten Anfang 2012 auf ca. 35.000 Soldaten (etwas später, im Oktober 2014),
13Wikipedia, Artikel „International Security Assistance Force”, http://de.wikipedia.org/wiki/International_Security_Assistance_Force, abgerufen am 5. Mai 2015.
14Dieser – unvollständige – Truppenabzug der internationalen Streitkräfte setzte sich bis zum Jahresende 2014 fort. Ab Anfang 2015 befinden sich planerisch noch internationale Streitkräfte im Umfang von etwa 13.000 Soldaten in Afghanistan, die im Rahmen der ISAF-Nachfolgemission „Resolute Support“ die afghanischen Sicherheitskräfte beraten, ausbilden und unterstützen sollen. Die vom Kläger angeführte und auch aktuellen Erkenntnissen zu entnehmende negative Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan im Zusammenhang mit dem überwiegenden Abzug der internationalen Streitkräfte war zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung vom 26. August 2014 bereits erkennbar. Der fortgesetzte Abzug der internationalen Streitkräfte im zweiten Halbjahr 2014 und das Ende der ISAF-Mission gebieten keine veränderte Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan in Bezug auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder die Feststellung von Abschiebungsverboten.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 13 A 1201/12.A –, juris Rn. 46 f.; Sächs. OVG, Beschluss vom 23. Januar 2015 – A 1 A 140/13 –, juris Rn. 9; BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 13a B 14.30309 –, juris Rn. 17 ff., insbesondere Rn. 23.
16Bei Auswertung jüngerer Erkenntnisse (u.a. Schweizerische Flüchtlingshilfe – SFH – vom 5. Oktober 2014: Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage; EASO, Country of Origin Information Report von Januar 2015: Afghanistan – Security Situation; UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs – OCHA – von November 2014: 2015 – Humanitarian Needs Overview: Afghanistan; Integrated Regional Information Network – IRIN – vom 19. Januar 2015: Aid at risk as Afghanistan’s war splinters) sowie des jüngsten Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 2. März 2015 (Stand Oktober 2014) gelangt der Senat zur aktuellen Einschätzung, dass sich im Zeitverlauf mit dem fortschreitenden Truppenabzug gewisse Veränderungen der Sicherheitslage in Afghanistan ergeben haben mögen, diese jedoch kein hinreichendes Gewicht besitzen, um das Bedürfnis für eine erneute grundsätzliche Klärung zu begründen. Es bleibt bei der Bewertung, dass Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 e AsylVfG einen Anspruch eines alleinstehenden, gesunden Mannes auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter ausschließt.
17Auch die Situation in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen aus dem Frühjahr 2014 hat keine gesonderten Auswirkungen von einigem Gewicht auf die für den Senat entscheidende Sicherheitslage. Zum Zeitpunkt des Urteils vom 26. August 2014 – 13 A 2998/11.A – befand sich Afghanistan in der instabilen „Hänge-Phase“ zwischen den Präsidentschaftswahlen und der Einigung zwischen Ashraf Ghani Ahmadzai und Abdullah Abdullah über die Regierungsbildung. Diese Situation lag jener Entscheidung zugrunde. Die dann Ende September 2014 erfolgte Bildung der Einheitsregierung unter Beteiligung beider Männer an der Macht hat die politisch schwierige und mit Instabilität und unklaren Zukunftsaussichten verbundene Situation jedenfalls nicht verschlechtert.
18Ebenso OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2015 – 13 A 751/15.A – und 8. Mai 2015 – 13 A 949/15.A –.
19Der Kläger ist volljährig. Hieraus folgt die durch das Zulassungsvorbringen nicht widerlegte Vermutung, dass er für sich selbst sorgen kann. Die Erfahrungen, die er in Deutschland gesammelt hat, dürften ebenso wie die seit der Ausreise aus dem Heimatland erworbenen Sprachkenntnisse seine Erwerbsperspektive in Afghanistan nicht beeinträchtigen, sondern vielmehr begünstigen, ebenso wie der Umstand, dass er in Pakistan und Afghanistan jedenfalls für fünf, eventuell sechs Jahre die Schule besucht hat. Zudem kann er in Kabul auf familiären Rückhalt durch seine Tante und seine Eltern hoffen; die dort lebenden Eltern leisten seiner Tante und seiner Ehefrau nach seinen Angaben beim Bundesamt finanzielle Unterstützung. Dies dürfte auch ihm zuteil werden. Da er trotz seiner vorgetragenen psychischen Beeinträchtigungen aufgrund von Erlebnissen vor der Ausreise den Weg von Afghanistan bis in die Bundesrepublik geschafft hat, ist nicht davon auszugehen, dass er in Kabul mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Rückkehr in seiner Existenz bedroht ist. Das Zulassungsvorbringen enthält hierzu nichts.
20Damit einhergehend kann der Kläger auch keinen nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen. Vielmehr muss er sich aus den vorstehenden Gründen auf Kabul als inländische Fluchtalternative verweisen lassen.
21Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris.
22Die obige Einschätzung gilt auch unverändert für die Bewertung der Lage in der Hauptstadt Kabul. Die wohl verminderte Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte über die Hauptstadt Kabul, die Region Kabul oder andere Teile Afghanistans erweitert zwar die Möglichkeiten der regierungsfeindlichen Kräfte zu Anschlägen, Ausübung von Gewalt oder anderen Aktionen. Dies führt jedoch für sich genommen nicht zu einer extremen Gefahrenlage. Auch die Auswirkungen auf die humanitäre Situation, besonders die Infrastruktur oder die Versorgungslage in Bezug auf alle lebensnotwendigen Bereiche, sind für die afghanische Bevölkerung im Allgemeinen bzw. einen Rückkehrer wie den Kläger nicht erheblich.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
24Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.