Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 22. Okt. 2014 - 1 K 2995/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Die Kläger begehren eine Entschädigung nach § 63 a des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) für ihre im September 2008 verstorbene Tochter K. .
3Die am 5. September 1989 geborene Tochter der Kläger bewarb sich im Juli 2007 bei der Marine der Bundeswehr für eine Einstellung in die Laufbahngruppe der Offiziere des Sanitätsdienstes mit einer Verpflichtungszeit von 17 Jahren. Mit Bescheid vom 9. April 2008 wurde sie zum 1. Juli 2008 in die Marineschule in Flensburg aufgenommen, zum 1. Oktober 2008 sollte sie zum Medizinstudium beurlaubt werden. In seinem Beurteilungsbeitrag zum Abschluss der Basisausbildung vom 14. August 2008 konnte ihr beurteilender Vorgesetzter ihre Eignung zum Offizier nicht erkennen.
4Mit Kommandierungsverfügung vom 18. Juli 2008 wurde K. für die Zeit vom 16. August 2008 bis zum 27. September 2008 zur Seebasis-Ausbildung auf das Segelschulschiff "Gorch Fock" kommandiert. Das Schiff lief am 28. August 2008 aus dem Hafen in Kiel aus und sollte am 5. September 2008 in Hamburg einlaufen. Die Ausbildungsfahrt sollte am 24. September 2008 in Dublin enden.
5Die Besatzung von 235 Personen war in drei Divisionen eingeteilt. Die Stammsoldaten zählten zur Division III, in den Divisionen I und II versahen die Lehrgangsteilnehmer ihren Dienst. K. wurde der 35 Personen umfassenden Seewache II. Division Steuerbord II zugeteilt. Die vier Seewachen Steuerbord I, Steuerbord II, Backbord I und Backbord II hatten immer abwechselnd für jeweils 4 Stunden Wachdienst auf dem Schiff.
6Einer der Wachposten war der Posten Ausguck, der allein und ohne unmittelbare Aufsicht durch einen Dienstvorgesetzten von den Lehrgangsteilnehmern wahrgenommen werden musste. Der Posten hatte seinen Tätigkeitsbereich auf der so genannten Back, dem vorderen Teil des Schiffes zum Bug hin. Von dort aus hatte er sämtliche Sichtungen wie Schiffe, Treibgut und Ähnliches dem wachhabenden Offizier nach einem festen Meldeschema umgehend zu melden. Daneben war zur Nachtzeit im Halbstundentakt eine Standardmeldung in Form eines Ansingens abzugeben; die Meldung lautete: "Auf der Back ist alles wohl, die Laternen brennen". Hierfür und für die anderen Meldungen war der Posten mit einer Flüstertüte ausgestattet sowie mit einem Fernglas. Der jeweilige Dienstanzug für den Posten wurde durch den wachhabenden Offizier befohlen.
7Am 1. September 2008 suchte K. vormittags mit Unterleibsbeschwerden das Schiffslazarett auf. Ausweislich der schiffsärztlichen Stellungnahme vom 9. September 2008 sei von Seiten des Schiffarztes mit K. vereinbart worden, dass diese sich am Tag ihres Sonderurlaubs, dem 5. September 2008, zur Abklärung der Schmerzen zu ihrem Gynäkologen in H. begeben solle. Bis dahin habe sie nur Arbeiten an Deck auszuführen und nicht in die Takelage zu gehen. Auf Nachfrage am 2. und 3. September 2008 habe K. erklärt, dass sie keine Beschwerden habe.
8K. übernahm erstmals am Montag, dem 2. September 2008, für die Zeit von 18:00 Uhr bis 20:00 Uhr den Dienst auf dem Posten Ausguck. Zuvor hatte sie Dienst auf den Posten Rettungsboje, Rudergänger und Läufer Deck verrichtet. Für Mittwoch, den 3. September 2008, hatte die Seewache Steuerbord II von 20:00 Uhr bis Mitternacht Wachdienst. K. war als 2. Rudergänger für die Zeit von 22:00 Uhr bis Mitternacht vorgesehen. Eine andere Offiziersanwärterin bat K. , den Dienst mit ihr zu tauschen, weil sie erkältet sei. K. erklärte sich bereit, für ihre Kameradin den Posten Ausguck für die Zeit von 22:00 Uhr bis Mitternacht zu besetzen. Das Tragen von Rettungsmitteln wie Schwimmweste oder Gurt war nicht angeordnet worden. Während ihrer Wache gab K. zunächst Sichtungsmeldungen und um 23:00 Uhr die Standardmeldung ab. Ihre um 23:30 Uhr abzugebende Standardmeldung blieb hingegen aus. Der zuständige Wachoffizier hatte das Fehlen der Meldung bemerkt, begab sich aber entgegen der üblichen Vorgehensweise nicht zur Kontrolle auf die Back, weil nach seinen Angaben K. in der Zeit nach 23:30 Uhr noch zwei oder drei Schiffsmeldungen abgegeben habe.
9Am 3. September 2008 gegen 23:43 Uhr wurde bemerkt, dass K. über Bord gegangen war. Das Schiff befand sich zu der Zeit etwa 15 km nördlich von Norderney in der Nordsee bei Windstärke 7 und einer Wassertemperatur von 15 Grad. Trotz unmittelbar eingeleiteter Suchmaßnahmen unter Einbindung anderer Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber konnte sie nicht mehr lebend geborgen werden. Erst am 15. September 2008 wurde der Leichnam nordwestlich von Helgoland entdeckt. Am 16. September 2008 wurde im Universitätsklinikum Kiel eine Obduktion vorgenommen. In dem Sektionsprotokoll heißt es, in Anbetracht der Gesamtumstände sei davon auszugehen, dass die Verstorbene von Bord geraten sei, ohne sich hierbei verletzt zu haben, und dann im Wasser ertrunken sei.
10Die Staatsanwaltschaft Kiel leitete noch am 4. September 2008 ein Vorermittlungsverfahren ein. Die Gorch Fock war nach Abbruch ihrer Suchmaßnahmen am 5. September 2008 in den Marinestützpunkt Wilhelmshaven eingelaufen, am 6. September 2008 nahm die Polizei Wilhelmshaven die Ermittlungen auf dem Schiff auf. Am 8. September 2008 meldete sich Rechtsanwältin O. für die Kläger telefonisch bei der Staatsanwaltschaft Kiel und teilte am selben Tag per Fax mit, dass sie von den Klägern Informationen über K. erhalten habe. K. habe per E-Mail über massive Schmerzen im rechten Unterbauch geklagt. Daher stelle sich die Frage, warum sie gleichwohl als Wache auf dem nicht gerade ungefährlichen Posten auf der Back eingeteilt worden sei. Auf dem Posten Ausguck sei es durchaus möglich, über Bord zu fallen, wenn ein Soldat nicht angegurtet sei.
11Die Bezirkskriminalinspektion Kiel, Kommissariat I, kam in ihrem Schlussbericht vom 17. November 2008 zu dem Ergebnis, dass K. kurz vor 23:43 Uhr in Wahrnehmung des Postens Ausguck an der Steuerbordseite des Vorschiffes von der Gorch Fock gestürzt sei. Insgesamt sei von einem tragischen Unglücksgeschehen auszugehen. K. sei häufig eingeschlafen und habe in ihrem Tagebuch von einer Schlafkrankheit gesprochen. Der Schiffsarzt habe hierzu ausgeführt, sämtliche Untersuchungen hätten keine Einschränkung im Hinblick auf die Borddienstverwendungsfähigkeit belegt. Der Umstand, dass K. häufig auch tagsüber eingeschlafen sei, sei ihm nicht bekannt gewesen. In dem Bericht heißt es weiter, dass andere Zeugen das mehrmalige Einschlafen von K. durchaus bemerkt hätten. Hinweise auf ein krankheitsbedingtes Einschlafen hätten sich jedoch nicht ergeben. Vielmehr könne die Umstellung von der Schulzeit auf unregelmäßige und kurze Schlafzeiten sowie die harte körperliche Arbeit die Ursache sein. Auch wenn insbesondere durch die Stammmannschaft der Aufenthalt an Bord als sicher angesehen werde, beweise dieser Fall das Gegenteil. Insbesondere Auszubildende, die sich nur für sechs Wochen an Bord befänden und größtenteils über keinerlei Segelerfahrung verfügten, sollten gegebenenfalls besser ausgestattet werden, insbesondere in Wahrnehmung der Wachposten zur Nachtzeit, damit im Falle eines Überbordgehens die Wahrscheinlichkeit der Rettung erhöht werden könne. Der Kommandant der Gorch Fock habe mittlerweile angeordnet, dass sowohl der Posten Rettungsboje im hinteren Teil des Schiffes als auch der Posten Ausguck auf der Back verpflichtet sei, sich anzugurten.
12Die Staatsanwaltschaft Kiel verfügte unter dem 16. Januar 2009 gemäß §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 2 StPO das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Ermangelung zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten. Weil die damalige Rechtsanwältin der Kläger umfangreich Akteneinsicht genommen hatte, verzichtete sie zunächst auf die Erteilung eines gesonderten Nichteinleitungsbescheides. Nachdem sie jedoch in der Folgezeit die Aufnahme weiterer Ermittlungen gefordert hatte, wurde den Klägern unter dem 16. September 2010 ein förmlicher Bescheid über die Nichteinleitung erteilt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde von der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein mit Bescheid vom 30. Dezember 2010 als unbegründet zurückgewiesen.
13Nach Beauftragung der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten durch die Kläger beantragten diese im Februar 2011 Akteneinsicht und stellten am 1. September 2011 einen Wiederaufnahmeantrag sowie Strafanzeigen gegen den Wachoffizier und seinen Stellvertreter sowie den Kommandanten und den Schiffsarzt der Gorch Fock. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde von der Staatsanwaltschaft Kiel mit Bescheid vom 18. Oktober 2011 abgelehnt, weil neue relevante Tatsachen oder neue Beweismittel, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen könnten, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich seien. Auch wurde mit Verfügungen vom 17. Oktober 2011 vom Einleiten eines Ermittlungsverfahrens gegen die vier Beschuldigten abgesehen. Die Kläger legten hiergegen, soweit es den Kommandanten und den Schiffsarzt betraf, Beschwerden ein, welche mit Bescheiden der Generalstaatsanwaltschaft vom 8. März 2012 abgewiesen wurden. Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung wurden vom OLG Schleswig mit Beschlüssen vom 12. Juni 2012 bezüglich des Kommandanten als unzulässig und bezüglich des Schiffsarztes als unbegründet verworfen. Die Kläger haben unter dem 12. Juli 2012 gegen die Beschlüsse Verfassungsbeschwerde erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
14Mit Schreiben vom 24. Juli 2013 beantragten die Kläger die Gewährung einer Entschädigung nach § 63 a SVG und erläuterten, dass sie erst vor einigen Wochen von ihrem Anwalt auf den Entschädigungsanspruch hingewiesen worden seien. Von Amts wegen habe die Bundeswehr nach dem Tod ihrer Tochter Ansprüche wegen Wehrdienstbeschädigung geprüft und abgelehnt. Hierüber hätten sie aber erst durch ihre Nachfrage beim Sozialdienst der Bundeswehr am 22. Juli 2013 erfahren, ein förmlicher Ablehnungsbescheid sei nie ergangen.
15Mit Bescheid vom 7. August 2013 wurde der Antrag abgelehnt. Eine besondere Lebensgefahr sei mit der Teilnahme am allgemeinen Wachdienst der Gorch Fock nicht verbunden. Auch habe es keinen rechtswidrigen Angriff gegeben. Schließlich sei ein möglicher Anspruch verjährt. Der Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2013 zurückgewiesen. Ungeachtet der Verjährungsfrage lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 63 a SVG nicht vor.
16Die Kläger haben am 6. Dezember 2013 Klage erhoben und ausgeführt, dass K. zur Nachtzeit bei nahezu völliger Dunkelheit frei auf der Back habe stehen müssen. Die Reling sei nicht umlaufend und weise nicht die erforderliche Mindesthöhe auf. Die konkrete Gefahr des Überbordgehens habe bestanden. Es habe Windstärke 7 geherrscht. Von besten Segelbedingungen, wie die Beklagte erläutert habe, könne nicht ausgegangen werden. Auch könne die Gorch Fock bei diesem Wetter nicht ruhig und stabil in der See gelegen haben. Neue Sicherheitsvorkehrungen seien erst nach dem Vorfall eingeführt worden. Nunmehr sei die Wache mit einem Gurt ausgestattet.
17Ein möglicher Anspruch sei auch nicht verjährt. Sie hätten vor dem 1. Januar 2010 keine Kenntnis von den den Tatbestandsvoraussetzungen des § 63 a SVG zu Grunde liegenden Umstände gehabt. Umfangreiche Ablichtungen aus den Ermittlungsakten hätten sie erst über ihre nunmehrigen Prozessbevollmächtigten erhalten. Die damalige Rechtsanwältin habe zwar ihrerseits im Jahr 2008 Akteneinsicht genommen, ihnen aber keine Kopien zur Verfügung gestellt. Die aus der Presseberichterstattung folgenden Erkenntnisse seien lückenhaft und nicht geeignet gewesen, auf die tatsächliche Lebensgefährlichkeit der Dienstausübung zu schließen. Die damalige Rechtsanwältin könne auch nicht als Wissensvertreter gelten, weil sie nur zur Wahrnehmung der Rechte im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und nicht zur Verfolgung von Ansprüchen nach dem SVG mandatiert gewesen sei. Selbst wenn sie, die Kläger, bereits vor dem Jahre 2010 Kenntnis der relevanten Tatsachen gehabt hätten, wäre zu diesem Zeitpunkt kein Verjährungsbeginn anzunehmen, weil bei einer unübersichtlichen Rechtslage wie hier die Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifende Voraussetzung für den Verjährungsbeginn entfalle. Erst mit dem Abschlussvermerk der Staatsanwaltschaft vom 16. Januar 2009, den ihre ehemalige Anwältin im März 2010 erhalten und ihnen zugeleitet habe, habe sich das Bild eines kausalen Unfallgeschehens verdichtet.
18Abgesehen davon sei die Berufung der Beklagten auf die Einrede der Verjährung ohnehin rechtsmissbräuchlich, weil sie selbst Ansprüche nach dem SVG geprüft habe, so dass man auch bei dem Entschädigungsanspruch von einer eigenständigen Prüfung durch die Beklagte habe ausgehen können.
19Auch habe die Beklagte aktiv auf sie eingewirkt, nicht von einer besonderen Gefährdung ihrer Tochter auszugehen. So sei behauptet worden, dass K. schon häufiger den Posten Ausguck besetzt gehabt habe, obwohl dies nur ein Mal bei Tage der Fall gewesen sei. Im Rahmen des Ortstermins sei zudem festgestellt worden, dass entgegen den Angaben der Beklagten keine ausreichende Sicherung durch die Reling im Bereich der Back existiert habe. Es habe Stellen gegeben, an denen man ungeschützt über Bord habe fallen können. Der Seegang habe auch nicht, wie von der Beklagten vorgetragen, bis zwei Meter betragen, vielmehr sei von einer Wellenhöhe bis zu drei Metern auszugehen.
20Schließlich sei K. nicht diensttauglich gewesen. Bereits im Rahmen der Erstausbildung habe man ihr die Eignung zum Offizier abgesprochen. Auch sei bei der Musterung zunächst der Ausschluss der Verwendung für den Dienst an Bord festgestellt worden. Diese Feststellung habe man in den Krankenakten anscheinend nachträglich geändert. Hätte der Schiffsarzt die ihm zur Verfügung gestandenen Krankenakten sorgfältig studiert, hätte ihm in Verbindung mit den ihm von K. am 1. September 2008 geschilderten Beschwerden auffallen müssen, dass K. von Anfang an nicht borddienstverwendungsfähig gewesen sei. Am 5. September 2008 habe ein Arzt der damaligen Offizierbewerberprüfzentrale von seinem Kollegen, Herrn Dr. N. , erfahren, dass dessen Tochter, die Zeugin N. , die ebenfalls als Offiziersanwärterin auf dem Schiff gewesen sei, telefonisch von dem Vorfall berichtet und die Ausbildungsfahrt abgebrochen habe. Herr Dr. N. habe sich verwundert gezeigt, weil es vor dem Auslaufen der Gorch Fock bei einer Personalkonferenz Zweifel an der Einsatzfähigkeit von K. gegeben habe.
21Im Nachgang zum Ortstermin habe sich eine Unteroffizierin bei ihren Prozessbevollmächtigten gemeldet, die als Sanitätsmeisterin im September 2008 Dienst auf der Gorch Fock verrichtet und angegeben habe, K. sei beinahe mehrmals täglich bei ihr und dem Schiffsarzt mit gesundheitlichen Problemen, insbesondere Schlafproblemen, vorstellig geworden und behandelt worden. Deshalb habe der Schiffsarzt entgegen seinen Ausführungen Kenntnis von den Schlafproblemen bei K. gehabt. Die Krankenakte weise nicht mehr alle Unterlagen auf, die sie, die Sanitätsmeisterin, anlässlich der Untersuchungen von K. verfasst habe.
22Die Kläger beantragen,
23die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2013 zu verpflichten, ihnen eine einmalige Entschädigung in Höhe von 40.000,- Euro zu bewilligen,
24sowie die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Sie verweist auf ihre Bescheide und trägt ergänzend vor, dass die Einrede der Verjährung aufrecht erhalten werde. Den Klägern hätten alle Erkenntnisse frühzeitig vorgelegen. Dem Kläger zu 2. sei die an die Staatsanwaltschaft Kiel adressierte Erläuterung des Bundesverteidigungsministeriums vom 8. Januar 2009 zur Verfügung gestellt worden, die auf seinen Fragen beruhe, und in der ausführlich zu den Wind- und Wetterverhältnissen Stellung genommen worden sei. Der Kläger zu 2. habe sich mit Fax vom 20. Februar 2009 für diese Stellungnahmen bedankt und Nachfragen gehabt.
28Ein materieller Anspruch bestehe zudem nicht. Die Vorschrift des § 63 a SVG entspreche dem § 37 BeamtVG, so dass man auf die Kommentierungen zu dieser Norm zurückgreifen könne. Die Durchführung der Nachtwache auf dem Posten Ausguck begründe selbst bei widrigen Witterungsbedingungen keine gegenüber dem allgemeinen Berufsrisiko eines Matrosen gesteigerte Gefährdungslage. Aufgrund der Marinevorschriften sei es nicht geboten gewesen, am 3. September 2008 den Befehl zum Anlegen von Schwimmwesten oder zum Angurten zu geben, weil es keine schwere See gegeben habe. Bei Windstärke 7 hätten Zeugen ausgesagt, dass das Schiff sehr ruhig gelegen hätte, weil der Wind von hinten gekommen sei. Es sei von einem Wellengang von zwei Metern auszugehen. K. habe vor dem Unfall zweimal die Aufgaben eines Ausgucks wahrgenommen. Einmal am 1. September 2008 als Posten Rettungsboje auf dem hinteren Teil des Schiffs, und einmal am 2. September 2008 als Ausguck auf der Back. Für diesen Dienst habe sie sich sogar freiwillig gemeldet. Nachts sei das Schiff abgedunkelt, damit der Posten Ausguck seinen Aufgaben nachgehen könne. Die Höhe der Reling sei ausreichend gewesen. Die feste Reling werde auf Steuerbordseite zweimal unterbrochen, einmal durch die kardanische Aufhängung einer schwergängigen Platte mit Positionslaterne, und einmal durch Drahtseile, um einen weiteren Ab- und Zugang von Bord zu ermöglichen. Der Zwischenraum bei den Königspollern sei zu schmal, um dort hindurch zu geraten. Auch sei dies nicht der Bereich, in dem sich der Posten Ausguck normalerweise aufhalte. Seit 1958 gebe es den Posten Ausguck für angehende Marineoffiziere. Die nach dem Vorfall ausgegebene Anordnung, sich dort anzugurten, entspringe aus der Fürsorgepflicht, bedeute aber nicht, dass der Dienst dort lebensgefährlich sei. Schließlich sei K. auch diensttauglich gewesen. Eine Personalkonferenz zur Einsatzfähigkeit habe es nicht gegeben. Dem Schiffsarzt seien die Schlafprobleme nicht bekannt gewesen. Hierfür könne auf dessen dienstliche Erklärung vom 16. Oktober 2014 verwiesen werden, in der auch dargelegt werde, dass es bereits im Frühjahr 2008 zu einem massiven Zerwürfnis zwischen ihm und der von der Klägerseite erwähnten Sanitätsmeisterin gekommen sei.
29Das Gericht hat über die Verhältnisse an Bord der Gorch Fock im Wege des Augenscheins und über die Umstände der Wachablösung am 3. September 2008 zwischen 23:30 Uhr und 23:45 Uhr im Wege der Zeugenvernehmung Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 6. August 2014 und auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
31Die zulässige Klage ist unbegründet.
32Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Bewilligung einer einmaligen Entschädigung. Die Tatbestandvoraussetzungen des § 63 a SVG in der hier allein in Frage kommenden Variante des § 63 a Abs. 3 Nr. 2 SVG in Verbindung mit § 63 a Abs. 1 SVG sind nicht erfüllt. Nach Maßgabe dieser Vorschriften erhalten Eltern eines Soldaten eine einmalige Entschädigung in Höhe von 40.000,- Euro, wenn sich der Soldat bei Ausübung einer Diensthandlung einer besonderen Lebensgefahr aussetzt und infolge dieser Gefährdung einen Unfall erleidet und an den Folgen dieses Unfalls verstirbt.
33Ein Fall des § 63 a Abs. 2 SVG, nachdem die einmalige Entschädigung auch gewährt wird, wenn der Soldat den Unfall durch einen rechtswidrigen Angriff erleidet, liegt offenkundig nicht vor, weil der Begriff des rechtswidrigen Angriffs voraussetzt, dass der Angreifer den Soldaten wegen dieser Eigenschaft oder der dienstlichen Tätigkeit objektiv schädigt. Zwischen dem Angriff und der Dienstausübung muss ein innerer Zusammenhang bestehen.
34Vgl. zu dem wortgleichen § 37 BeamtVG BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 41/11 -, NVwZ-RR 2013, 320; OVG NRW, Urteil vom 4. April 2011 - 1 A 3037/08 -, ZBR 2012, 52.
35Den vorliegenden Akten lassen sich bereits keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Tochter der Kläger Opfer eines rechtswidrigen Angriffs geworden ist. Darüber hinaus gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass sie wegen ihrer Eigenschaft als Soldatin oder der konkreten Tätigkeit als Wachposten auf der Back angegriffen worden sein soll und infolge dessen über Bord gegangen ist.
36Der Anspruch nach § 63 a Abs. 3 Nr. 2 SVG in Verbindung mit § 63 a Abs. 1 SVG setzt voraus, dass sich ein Soldat bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aussetzt. Es handelt sich um ein objektiv gegebenes spezifisches Merkmal der Diensthandlung; diese muss typischerweise mit einer besonderen, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehenden Lebensgefahr verbunden sein.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 C 51/11 -, NVwZ-RR 2013, 522; Wilhelm in: Fürst, GKÖD, Teil 3 b, BeamtVG, § 37, Rnr. 8; jeweils zum wortgleichen § 37 BeamtVG.
38Die Gewährung einer Entschädigung setzt damit eine Dienstverrichtung voraus, die bei typischem Verlauf das Risiko entsprechender Verletzungen in sich birgt, so dass deren Eintritt als Realisierung der gesteigerten Gefährdungslage und nicht als Verwirklichung eines allgemeinen Berufsrisikos erscheint. Ob die Diensthandlung für das Leben des Soldaten eine solche Gefahr begründet hat, erfordert eine wertende Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls. Maßgeblich ist damit auf die objektive Diensthandlung und deren typischen Verlauf abzustellen. Hier ist der Wachdienst einer Auszubildenden auf dem Posten Ausguck der Gorch Fock unter Betrachtung des Einzelfalls, dass die Wache nachts auf dem unbeleuchteten Vorderschiff bei Windstärke 7 und einem Wellengang von zwei bis drei Metern stattgefunden hat, in den Blick zu nehmen. Nicht zu berücksichtigen ist dagegen die subjektive Situation des Soldaten, also die Frage von Erkrankungen oder einer Dienstunfähigkeit, weil allein auf die Diensthandlung - Wachdienst eines Offiziersanwärter auf dem Segelschulschiff - abzustellen ist.
39Nach diesen Maßgaben stuft das Gericht den nächtlichen Wachdienst auf der Gorch Fock bei Auszubildenden ohne Sicherungsmaßnahmen auf dem Posten Ausguck auch bei einer Wellenhöhe von zwei Metern als lebensgefährlich ein. Nach den Erkenntnissen des Ortstermins teilt die Kammer die Ansicht der Bezirkskriminalinspektion Kiel, welche in ihrem Schlussbericht vom 17. November 2008 darauf verweist, dass Auszubildende, die sich nur für sechs Wochen an Bord befänden und - anders als die Stammbesatzung - größtenteils über keinerlei Segelerfahrung verfügten, insbesondere in Wahrnehmung der Wachposten zur Nachtzeit besser ausgestattet werden sollten, damit die Wahrscheinlichkeit der Rettung erhöht werden könne. Entsprechende Maßnahmen wurden nach den Erklärungen der Vertreter der Beklagten im Ortstermin am 6. August 2014 mittlerweile umgesetzt. Eine Schwimmweste mit Peilsystem und Kälteschutzanzüge seien marineweit eingeführt worden, auch Suchscheinwerfer seien nunmehr an Bord der Gorch Fock vorhanden. Zusätzlich gebe es Leuchtraketen, die nachts die See beleuchten könnten.
40Ohne diese neuen Sicherungsmaßnahmen liegt es auf der Hand, dass die Rettung eines nachts über Bord gegangenen Soldaten bei entsprechendem Seegang so gut wie unmöglich ist und der Soldat verstirbt. Dass man trotz der Reling und des Schutznetzes am Bug über Bord gehen konnte, hat die Augenscheinseinnahme ergeben. Im Bereich der Königspoller gab es Lücken im Schutz, die durch die gefertigten Fotos dokumentiert sind, und durch die ein Überbordgehen entgegen den Angaben der Beklagten sehr wohl möglich war. Auch die kardanisch aufgehängten Platten waren - ohne die mittlerweile angebrachten Sicherungsseile - gefährliche Stellen. Berücksichtigt man zudem, dass ein Segelschulschiff Zeit braucht, um in voller Fahrt an die Stelle zurückzukehren, an der jemand über Bord gegangen ist, hätte von vornherein jedes Risiko des Überbordgehens minimiert werden müssen. Dies ist erst nach dem Vorfall am 3. September 2008 durch die Anordnung, den Wachdienst auf dem Posten Ausguck anzugurten, geschehen.
41Die so gegebene Lebensgefahr für die Tochter der Kläger war jedoch keine besondere im Sinne der maßgeblichen Vorschriften. Eine besondere Lebensgefahr ist mit einer Diensthandlung verbunden, wenn bei ihrer Vornahme die Wahrscheinlichkeit, einen Körperschaden oder den Verlust des Lebens zu erleiden, höher ist als die Möglichkeit, unversehrt zu bleiben.
42Vgl. Bauer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2014, § 37, Erläuterung 2, Nr. 2.
43Dass der Verlust des Lebens wahrscheinlich oder doch sehr nahe liegend ist, oder dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, bei der Dienstausübung umzukommen,
44vgl. zu diesen Anforderungen noch Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 5 LA 280/09 -, DÖD 2011, 21, m.w.N.,
45dürfte nach den Änderungen des § 37 Absatz 1 BeamtVG und des § 63 a SVG durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3926) nicht mehr zu fordern sein.
46Vgl. Bauer, a.a.O., § 37, Erläuterung 2, Nr. 2.
47Die damaligen Vorschriften sahen vor, dass der Soldat oder Beamte sich bei der Ausübung einer Diensthandlung nicht nur der für ihn besonderen Lebensgefahr bewusst ist, sondern er sein Leben einsetzt. Nunmehr wird für die Durchführung der Diensthandlung nicht mehr der bewusste Einsatz des Lebens verlangt. Gleichwohl ist zu prüfen, ob der Beamte oder Soldat unverändert das Bewusstsein der seinem Leben drohenden Gefahren besitzt. Dabei folgt das Bewusstsein, bei der Dienstverrichtung das eigene Leben zu gefährden, in aller Regel bereits aus dem Wissen um die die Gefahr begründen objektiven Umstände. Sind diese Umstände dem Beamten oder Soldaten bei der Vornahme der Diensthandlung bekannt, so handelt er in dem erforderlichen Bewusstsein der Gefährdung seines Lebens.
48Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 C 51/11 -, a.a.O.
49Die hierin liegende Herabsenkung der Anforderung eines subjektiven Merkmals entspricht dem Sinn und Zweck der Neuregelung, die ausweislich der Gesetzesmaterialien der Erleichterung der Rechtsanwendung dienen sollte.
50Angesichts der Historie der Ausbildung auf der Gorch Fock, die mittlerweile ihr fünfzigjähriges Jubiläum als Schulschiff feiert und dabei nach Presseberichten mehr als 14.000 Kadetten als Segelschulschiff gedient hat, ohne dass es zu einer Vielzahl an Unglücksfällen gekommen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass beim nächtlichen Wachdienst von Auszubildenden auf dem Posten Ausguck eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Körperverletzung oder einen Todesfall gegenüber der Unversehrtheit spricht. In der Kommentarliteratur werden Entschädigungsansprüche in Fällen bejaht, bei denen die Gefährdung über das normale Maß hinaus besteht, und die sich mit dem nächtlichen Wachdienst auch bei Windstärke 7 - ungeachtet der Frage, ob der Wellengang zwei oder drei Meter hoch war - nicht vergleichen lassen. So nimmt man die besondere Lebensgefahr an, wenn Polizeibeamte bewaffnete Verbrecher verfolgen oder die Fahrbahn einer Autobahn bei fließendem Verkehr betreten müssen, oder wenn Feuerwerker Sprengkörper zu entschärfen haben.
51Vgl. Wilhelm, in: Fürst, GKÖD, a.a.O., § 37, Rnr. 8; Bauer, a.a.O., § 37, Erläuterung 2, Nr. 4.
52Zudem gibt es gerichtliche Entscheidungen, dass Rettungsmaßnahmen durch Feuerwehrbeamte zur Befreiung von durch Feuer eingeschlossenen Personen besonders gefährlich sind, ebenso die nächtliche Aufnahme eines Unfalls auf einer Autobahn an einer unbeleuchteten Stelle oder ein Fallschirmsprung beim Mannschaftsspringen, wenn dabei ein Flugmanöver zur Verhinderung eines Zusammenstoßes durchgeführt wird.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 C 51/11 -, a.a.O.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 5 LA 280/09 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 2. Oktober 2002 - 1 A 49564/00 -, juris.
54Mit diesen Beispielen aus der Rechtsprechung ist der Wachdienst von Auszubildenden auf der Back der Gorch Fock nicht zu vergleichen. Die Zeugin gab in der mündlichen Verhandlung an, sie habe den Dienst als normalen Wachdienst empfunden, auch wenn sie nicht mehr sagen könne, ob sie nachts diesen Wachposten bekleidet habe. Berücksichtigt man zudem, dass der betreffende Soldat auf dem Posten Ausguck nicht unmittelbar am Rand des Schiffes stehen musste, sondern auch einige Schritte zur Mitte der Back machen konnte, ohne dass dies die Beobachtung des Schiffsverkehrs eingeschränkt hätte, er aber damit vor dem Überbordgehen an den ungesicherten Stellen einigermaßen geschützt war, ist die Annahme einer besonderen Lebensgefahr im Sinne des § 63 a SVG ausgeschlossen.
55Offen lassen kann die Kammer daher die angerissene Frage, ob ein möglicher Anspruch verjährt wäre. Nach der auch für öffentlich-rechtliche Besoldungs- und Versorgungsansprüche anwendbaren Vorschrift des § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus. Der Gläubiger muss den Hergang in seinen Grundzügen kennen und wissen, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung des Anspruchs bietet. Maßgebend und entscheidend ist dabei, ob der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person Klage erheben kann, d. h. dem Anspruchsberechtigten muss die Erhebung einer entsprechenden Klage erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos möglich, mithin zumutbar sein.
56Vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 10. März 2010 - 14 BV 08.2444 -, juris, m.w.N.
57Hingegen ist es aus Gründen der Rechtssicherheit und der Billigkeit in der Regel nicht erforderlich, dass der Anspruchsberechtigte aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht.
58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2014 - 6 A 755/13 -, nrwe.de.
59Danach ist davon auszugehen, dass die Kläger spätestens im Frühjahr 2009 aufgrund der ausführlichen Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Kiel vom 23. Januar 2009 und der Beantwortung von Fragen durch das Bundesverteidigungsministerium Kenntnis von den maßgeblichen Umständen des Überbordgehens hatten, so dass die Antragstellung im Juli 2013 außerhalb der Dreijahresfrist liegt. Bereits am 8. September 2008 hatte Rechtsanwältin O. nach Mandatierung durch die Kläger per Fax der Staatsanwaltschaft Kiel mitgeteilt, dass K. als Wache eingeteilt worden sei und es auf dem Posten Ausguck durchaus möglich sei, über Bord zu fallen, wenn ein Soldat nicht angegurtet sei. Den damaligen Presseberichten ließen sich die Wind- und Wetterverhältnisse entnehmen; es wurde von rauer See, zwei Meter hohen Wellen und Windstärke 7 berichtet. Die Staatsanwaltschaft Kiel hat am 23. Januar 2009 in einer ausführlichen Presseerklärung die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft vom 16. Januar 2009 zusammengefasst. Schließlich hat die Beklagte im Januar 2009 einen umfangreichen Fragenkatalog der Kläger beantwortet und sich auch zu den Nachfragen des Klägers zu 2. geäußert.
60Die Berufung der Beklagten auf Verjährung dürfte jedoch rechtsmissbräuchlich gewesen sein. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und diese auch nicht in der mündlichen Verhandlung fallen gelassen, sondern auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich daran festgehalten.
61Vgl. für eine Einrede: BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2006 - 2 C 14/05 -, a.a.O.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 53 Rnr. 6; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 53 Rnr. 4; dagegen für eine im öffentlichen Recht von Amts wegen zu prüfende Einwendung OVG NRW, Urteil vom 28. Oktober 2010 ‑ 11 A 1648/06 -, juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005 - 4 ZB 05.740 -, juris.
62Die Beklagte muss sich jedoch entgegen halten lassen, dass sie durch ihre eigenständige Prüfung von Ansprüchen wegen einer Wehrdienstbeschädigung die Kläger veranlasst hat, keine verjährungsunterbrechenden Schritte zu unternehmen. Die Kläger wurden über den Ausgang der Prüfung nicht unterrichtet, so dass sie erst aufgrund ihrer Nachfrage im Juli 2013 erfuhren, dass das Verfahren eingestellt worden sei. Wenn die Kläger im Nachgang hierzu den Entschädigungsanspruch nach § 63 a SVG geltend machen, kann ihnen nach Treu und Glauben bei dem Vorverhalten der Beklagten die Einrede der Verjährung nicht vorgehalten werden.
63Mangels positiver Kostengrundentscheidung bedarf es keines Ausspruchs über die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Bevollmächtigten für das Vorverfahren.
64Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
65Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 22. Okt. 2014 - 1 K 2995/13
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Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 22. Okt. 2014 - 1 K 2995/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Setzt sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aus und erleidet er infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall, so sind bei der Bemessung des Unfallruhegehalts 80 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe zugrunde zu legen, wenn er infolge dieses Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass sich für Beamte der Laufbahngruppe des einfachen Dienstes die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge mindestens nach der Besoldungsgruppe A 6, für Beamte der Laufbahngruppe des mittleren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 9, für Beamte der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 12 und für Beamte der Laufbahngruppe des höheren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 16 bemessen; die Einteilung in Laufbahngruppen gilt für die Polizeivollzugsbeamten, die sonstigen Beamten des Vollzugsdienstes und die Beamten des Einsatzdienstes der Berufsfeuerwehr entsprechend.
(2) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn der Beamte
- 1.
in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff oder - 2.
außerhalb seines Dienstes durch einen Angriff im Sinne des § 31 Abs. 4
(3) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn ein Beamter einen Einsatzunfall oder ein diesem gleichstehendes Ereignis im Sinne des § 31a erleidet und er infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist.
(4) (weggefallen)
Tatbestand
- 1
-
Der 1958 geborene Kläger, der als Hauptbrandmeister im Dienst der Beklagten stand, wurde im Dezember 2008 bei einem Feuerwehreinsatz so schwer verletzt, dass er keinen Dienst mehr leisten konnte und schließlich zum 1. Juni 2011 in den Ruhestand versetzt wurde. Nachdem ein Brand in einer mehrgeschossigen Lagerhalle gelöscht war, wurde festgestellt, dass im Dachgeschoss der Halle aus den Fugen der Bodendielen im Bereich unmittelbar über dem im Obergeschoss gelegenen Brandherd noch Rauchfahnen aufstiegen. Um ein erneutes Ausbrechen des Feuers zu verhindern, beauftragte der Einsatzleiter den Kläger, die Decke mit einer Kettensäge zu öffnen. Beim Ansetzen des zweiten Schnitts brach die Decke ein, so dass der Kläger in das Obergeschoss stürzte. Die Beklagte erkannte den Unfall als Dienstunfall an.
- 2
-
Den Antrag des Klägers, ihm die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten sowie die Wechselschichtzulage weiterhin zu zahlen, fasste die Beklagte als Antrag auf Anerkennung des Dienstunfalls als qualifizierten Dienstunfall auf und lehnte ihn ab.
- 3
-
Das nach erfolglosem Widerspruch angerufene Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, den Dienstunfall des Klägers als qualifizierten Dienstunfall anzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Erfordernis der besonderen Lebensgefahr sei im Gegensatz zur früheren Regelung nur noch ein objektives Merkmal. Der Beamte müsse sich dieser Gefahr nicht mehr bewusst sein.
- 4
-
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, mit dem Aufsägen der Decke sei objektiv eine besondere Lebensgefahr verbunden gewesen. Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid selbst eingeräumt, dass die Diensthandlung des Klägers ungeachtet seiner Einsatzerfahrung möglicherweise risikobehaftet gewesen sei. Nach dem aktuellen Wortlaut der Vorschrift sei es unerheblich, ob sich der Beamte der objektiv bestehenden Gefahr bewusst gewesen sei.
- 5
-
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sie beantragt,
-
den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2011 und das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 6
-
Der Kläger beantragt,
-
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 7
-
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt zwar revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Er erweist sich aber aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beklagte verpflichtet, den Dienstunfall des Klägers vom 12. Dezember 2008 als qualifizierten Dienstunfall im Sinne des § 37 BeamtVG anzuerkennen. Denn es besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung dieses Umstands, der für mehrere Ansprüche bedeutsam ist.
- 8
-
1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt § 37 BeamtVG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2004 (BGBl I S. 3592), der mangels einer landesgesetzlichen Regelung nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG auf das Unfallereignis von Anfang Dezember 2008 anzuwenden ist. Für die Unfallfürsorge ist das Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst (vgl. Urteile vom 16. Mai 1963 - BVerwG 2 C 27.60 - BVerwGE 16, 103 <104> und - BVerwG 2 C 153.60 - Buchholz 237.7 § 142 LBG NRW Nr. 2 S. 5, vom 6. Januar 1969 - BVerwG 6 C 38.66 - BVerwGE 31, 170 <172> = Buchholz 232 § 141a BBG Nr. 1 S. 2 und vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 2 C 41.11 - Rn. 8
).
- 9
-
§ 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG setzt voraus, dass sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aussetzt und infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall erleidet.
- 10
-
In objektiver Hinsicht erfordert § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG eine Diensthandlung, mit der für den Beamten typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden ist. Die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts setzt damit eine Dienstverrichtung voraus, die bei typischem Verlauf das Risiko entsprechender Verletzungen in sich birgt, so dass deren Eintritt als Realisierung der gesteigerten Gefährdungslage und nicht als Verwirklichung eines allgemeinen Berufsrisikos erscheint (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 2 C 17.98 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 2 S. 2).
- 11
-
Ob die Diensthandlung für das Leben des Beamten eine solche Gefahr begründet hat, erfordert eine wertende Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls (Urteil vom 12. April 1978 - BVerwG 6 C 59.76 - Buchholz 232 § 141a BBG Nr. 4 S. 4 und Beschluss vom 30. August 1993 - BVerwG 2 B 67.93 - juris Rn. 6). Danach ist das Vorbringen der Beklagten, der Unfall habe sich während der Nachlöscharbeiten ereignet und in dieser Phase befänden sich Feuerwehrleute grundsätzlich nicht in Lebensgefahr, unbeachtlich, weil es nicht auf die tatsächliche Lage zur Zeit des Unfallereignisses abstellt.
- 12
-
Aus den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts folgt, dass sich der Kläger durch das vom Einsatzleiter angeordnete Öffnen der Decke mittels einer Kettensäge einer solchen besonderen Lebensgefahr ausgesetzt hat. Der Raum im Dachgeschoss, in dem der Kläger, der noch sein Atemschutzgerät trug, eingesetzt war, war noch nicht vollständig rauchfrei. Auf den Grad der Verrauchung dieses Bereichs des Dachgeschosses kommt es dabei nicht an. Denn die besondere Lebensgefahr resultiert bereits daraus, dass der Kläger in einer Höhe von 6 m über dem Fußboden des Obergeschosses (Fallhöhe) unmittelbar am Aufschlagpunkt der ursprünglich vom Obergeschoss ausgegangenen Flammen auf der Unterseite des Fußbodens des Dachgeschosses diese Decke mittels einer Kettensäge aufsägte. Beim Einsatz der Säge war ihm weder die genaue Konstruktion der Decke bekannt noch konnte er einschätzen, inwieweit die Tragkraft der Decke durch den Brand beeinträchtigt war.
- 13
-
Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, es sei für die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG unerheblich, ob sich der Beamte der für ihn bestehenden besonderen Lebensgefahr bewusst war, verletzt allerdings revisibles Recht. Denn auch nach der Änderung des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926) erfordert die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls beim Beamten das Bewusstsein der Gefährdung seines Lebens (OVG Weimar, Urteil vom 19. November 2009 - 2 KO 559/08 - ThürVBl 2010, 203; Wilhelm, in: Fürst, GKÖD, Bd. I, Teil 3b Versorgungsrecht, § 37 Rn. 10; Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Band 3, § 37 BeamtVG, Rn. 20; Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Hauptband I, § 37 Anm. 3.3).
- 14
-
Hinsichtlich der früheren Fassung des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG und auch der Vorgängerregelung des § 141a BBG war anerkannt, dass diese das Bewusstsein der besonderen Lebensgefahr voraussetzten. Der Beamte musste die besondere Lebensgefahr bei der Vornahme einer als lebensgefährlich erkannten Diensthandlung bewusst in Kauf nehmen. Er musste sich darüber im Klaren sein, dass er dabei sein Leben verlieren könnte (Urteile vom 12. April 1978 a.a.O. S. 2 und vom 8. Oktober 1998 a.a.O. S. 2; Beschluss vom 10. Mai 1991 - BVerwG 2 B 48.91 - Schütz BeamtR ES/C II 3.5 Nr. 3).
- 15
-
Mit der nunmehr geltenden Formulierung "Setzt sich ein Beamter...einer... besonderen Lebensgefahr aus" verlangt das Gesetz zwar nicht mehr, dass der Beamte in dem Bewusstsein handelt, bei der Dienstverrichtung sein Leben einzusetzen. Mit dieser Neufassung des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 hat der Gesetzgeber aber auf ein subjektives Merkmal des Bewusstseins der Gefährdungslage nicht verzichtet (Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Beschlussempfehlung und Bericht, BTDrucks 14/7681, S. 73). Anträge im Gesetzgebungsverfahren, auf das subjektive Merkmal ("bewusster Lebenseinsatz") vollständig zu verzichten und ausschließlich auf den objektiven Umstand der Lebensgefahr abzustellen, lehnte der federführende Innenausschuss des Deutschen Bundestages ab und nahm sie nicht in seine Beschlussempfehlung auf (BTDrucks 14/7681, S. 64, 66 bis 69). Auch der wortgleiche Änderungsantrag (BTDrucks 14/7694, S. 2 und 6) blieb im Deutschen Bundestag ohne Erfolg (Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, 206. Sitzung vom 30. November 2001, S. 20365, 20416).
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Neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte spricht auch die Systematik der Vorschriften der Unfallfürsorge (§§ 30 ff. BeamtVG) dafür, dass § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG beim Beamten unverändert das Bewusstsein der seinem Leben drohenden Gefahr voraussetzt. Andernfalls wäre der Anwendungsbereich des § 37 BeamtVG nicht sinnvoll von dem des § 36 BeamtVG abzugrenzen. Neben den besonderen Folgen des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG setzte der entsprechende Anspruch dann lediglich noch voraus, dass unabhängig vom Bewusstsein des Beamten objektiv eine sein Leben gefährdende Lage bestand. Dies entspräche nicht mehr dem Normzweck des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG. Dieser liegt in der Förderung der Bereitschaft des Beamten, trotz des Bewusstseins der für ihn bestehenden Lebensgefahr seine Dienstpflichten zu erfüllen. Der erhöhte versorgungsrechtliche Schutz dient dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verwaltungstätigkeit, weil der Beamte damit rechnen kann, die Folgen dienstlich bedingter Körperschäden in Fällen einer gesteigerten Gefährdung nicht allein tragen zu müssen (Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 2 C 134.07 - BVerwGE 135, 176 = Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 22, jeweils Rn. 21).
- 17
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Dem Erfordernis des Bewusstseins der Lebensgefahr bei § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG steht auch nicht entgegen, dass die gleichgestellten Tatbestände der Absätze 2 und 3 keine Anforderungen in subjektiver Hinsicht stellen. Den verschiedenen tatbestandlichen Voraussetzungen des qualifizierten Dienstunfalls ist gemeinsam eine gesteigerte Gefährdungslage, der der Beamte wegen seiner Dienstausübung oder seines Amtes ausgesetzt ist. Aber lediglich der Fall des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erfordert ein entsprechendes Bewusstsein des betroffenen Beamten. Grund der Privilegierung nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG ist demgegenüber eine Verletzungshandlung, die vom Schädiger mit Wissen und Wollen der zu erwartenden Rechtsgutbeeinträchtigung ausgeführt wird und die in einem inneren Zusammenhang mit der Dienstverrichtung des Amtsträgers steht (Urteile vom 8. Oktober 1998 a.a.O. S. 2 und vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 2 C 41.11 - Rn. 16).
- 18
-
2. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts erweist sich aber aus anderen als den vom ihm genannten Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
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Aus den insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich, dass sich der Kläger bei der Diensthandlung, die zu seinen schweren Verletzungen geführt hat, der konkreten Gefährdung seines Lebens bewusst war.
- 20
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Die Anforderungen an das subjektive Merkmal müssen der Änderung des Wortlauts des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 sowie dem Sinn und Zweck der Neuregelung Rechnung tragen. Hiernach muss der Beamte zwar nicht mehr in dem Bewusstsein handeln, bei der Dienstverrichtung sein Leben einzusetzen. Der Beamte muss sich aber der Gefahr für sein Leben im Allgemeinen bewusst sein. Er muss die Gefahr aber nicht in allen Einzelheiten erkannt und richtig bewertet haben. Dabei folgt das Bewusstsein, bei der Dienstverrichtung das eigene Leben zu gefährden, in aller Regel bereits aus dem Wissen um die die Gefahr begründenden objektiven Umstände. Sind dem Beamten bei der Vornahme der Diensthandlung die Aspekte bekannt, aus denen sich die konkrete Gefahr für sein Leben ergibt, so handelt er in dem für § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erforderlichen Bewusstsein der Gefährdung seines Lebens. Die hierin liegende Herabsenkung der Anforderungen an das subjektive Merkmal entspricht auch dem Sinn und Zweck der Neuregelung, die ausweislich der Gesetzesmaterialien der Erleichterung der Rechtsanwendung diente (vgl. BTDrucks 14/7681 S. 73 l. Sp.)
- 21
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Die objektiven Umstände, aus denen die konkrete Gefahr resultierte, durch das Öffnen der Decke mittels einer Kettensäge das eigene Leben zu gefährden, waren dem Kläger nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bekannt.
- 22
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Auf die mit der Revision geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es danach nicht an. Sie beziehen sich auf Umstände, die aus Gründen des materiellen Rechts nicht entscheidungserheblich sind.
(1) Setzt sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aus und erleidet er infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall, so sind bei der Bemessung des Unfallruhegehalts 80 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe zugrunde zu legen, wenn er infolge dieses Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass sich für Beamte der Laufbahngruppe des einfachen Dienstes die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge mindestens nach der Besoldungsgruppe A 6, für Beamte der Laufbahngruppe des mittleren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 9, für Beamte der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 12 und für Beamte der Laufbahngruppe des höheren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 16 bemessen; die Einteilung in Laufbahngruppen gilt für die Polizeivollzugsbeamten, die sonstigen Beamten des Vollzugsdienstes und die Beamten des Einsatzdienstes der Berufsfeuerwehr entsprechend.
(2) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn der Beamte
- 1.
in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff oder - 2.
außerhalb seines Dienstes durch einen Angriff im Sinne des § 31 Abs. 4
(3) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn ein Beamter einen Einsatzunfall oder ein diesem gleichstehendes Ereignis im Sinne des § 31a erleidet und er infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist.
(4) (weggefallen)
Für die Anwendung dieses Abschnitts gelten
- 1.
ein Unterhaltsbeitrag nach § 15 als Ruhegehalt, - 2.
ein Unterhaltsbeitrag nach § 38 als Ruhegehalt, außer für die Anwendung des § 59, - 3.
ein Unterhaltsbeitrag nach § 26 als Witwen- oder Waisengeld, - 4.
ein Unterhaltsbeitrag nach den §§ 41 und 61 Abs. 1 Satz 3 als Witwen- oder Waisengeld, außer für die Anwendung des § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2, - 5.
ein Unterhaltsbeitrag nach § 22 Abs. 1 und § 40 als Witwengeld, - 6.
ein Unterhaltsbeitrag nach § 22 Abs. 2 oder 3 als Witwengeld, außer für die Anwendung des § 57, - 7.
ein Unterhaltsbeitrag nach § 23 Abs. 2 als Waisengeld, - 7a.
ein Unterhaltsbeitrag nach § 38a als Waisengeld, - 8.
ein Unterhaltsbeitrag nach § 43 des Bundesbeamtengesetzes, den §§ 59 und 61 Abs. 1 Satz 4 und § 68 als Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, - 9.
die Bezüge der nach § 32 des Deutschen Richtergesetzes oder einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift nicht im Amt befindlichen Richter und Mitglieder einer obersten Rechnungsprüfungsbehörde als Ruhegehalt, - 10.
die Bezüge, die nach oder entsprechend § 4 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbesoldungsgesetzes gewährt werden, als Ruhegehalt;
Tatbestand
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Der 1958 geborene Kläger, der als Hauptbrandmeister im Dienst der Beklagten stand, wurde im Dezember 2008 bei einem Feuerwehreinsatz so schwer verletzt, dass er keinen Dienst mehr leisten konnte und schließlich zum 1. Juni 2011 in den Ruhestand versetzt wurde. Nachdem ein Brand in einer mehrgeschossigen Lagerhalle gelöscht war, wurde festgestellt, dass im Dachgeschoss der Halle aus den Fugen der Bodendielen im Bereich unmittelbar über dem im Obergeschoss gelegenen Brandherd noch Rauchfahnen aufstiegen. Um ein erneutes Ausbrechen des Feuers zu verhindern, beauftragte der Einsatzleiter den Kläger, die Decke mit einer Kettensäge zu öffnen. Beim Ansetzen des zweiten Schnitts brach die Decke ein, so dass der Kläger in das Obergeschoss stürzte. Die Beklagte erkannte den Unfall als Dienstunfall an.
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Den Antrag des Klägers, ihm die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten sowie die Wechselschichtzulage weiterhin zu zahlen, fasste die Beklagte als Antrag auf Anerkennung des Dienstunfalls als qualifizierten Dienstunfall auf und lehnte ihn ab.
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Das nach erfolglosem Widerspruch angerufene Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, den Dienstunfall des Klägers als qualifizierten Dienstunfall anzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Erfordernis der besonderen Lebensgefahr sei im Gegensatz zur früheren Regelung nur noch ein objektives Merkmal. Der Beamte müsse sich dieser Gefahr nicht mehr bewusst sein.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, mit dem Aufsägen der Decke sei objektiv eine besondere Lebensgefahr verbunden gewesen. Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid selbst eingeräumt, dass die Diensthandlung des Klägers ungeachtet seiner Einsatzerfahrung möglicherweise risikobehaftet gewesen sei. Nach dem aktuellen Wortlaut der Vorschrift sei es unerheblich, ob sich der Beamte der objektiv bestehenden Gefahr bewusst gewesen sei.
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Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sie beantragt,
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den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2011 und das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt zwar revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Er erweist sich aber aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beklagte verpflichtet, den Dienstunfall des Klägers vom 12. Dezember 2008 als qualifizierten Dienstunfall im Sinne des § 37 BeamtVG anzuerkennen. Denn es besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung dieses Umstands, der für mehrere Ansprüche bedeutsam ist.
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1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt § 37 BeamtVG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2004 (BGBl I S. 3592), der mangels einer landesgesetzlichen Regelung nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG auf das Unfallereignis von Anfang Dezember 2008 anzuwenden ist. Für die Unfallfürsorge ist das Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst (vgl. Urteile vom 16. Mai 1963 - BVerwG 2 C 27.60 - BVerwGE 16, 103 <104> und - BVerwG 2 C 153.60 - Buchholz 237.7 § 142 LBG NRW Nr. 2 S. 5, vom 6. Januar 1969 - BVerwG 6 C 38.66 - BVerwGE 31, 170 <172> = Buchholz 232 § 141a BBG Nr. 1 S. 2 und vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 2 C 41.11 - Rn. 8
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§ 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG setzt voraus, dass sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aussetzt und infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall erleidet.
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In objektiver Hinsicht erfordert § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG eine Diensthandlung, mit der für den Beamten typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden ist. Die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts setzt damit eine Dienstverrichtung voraus, die bei typischem Verlauf das Risiko entsprechender Verletzungen in sich birgt, so dass deren Eintritt als Realisierung der gesteigerten Gefährdungslage und nicht als Verwirklichung eines allgemeinen Berufsrisikos erscheint (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 2 C 17.98 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 2 S. 2).
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Ob die Diensthandlung für das Leben des Beamten eine solche Gefahr begründet hat, erfordert eine wertende Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls (Urteil vom 12. April 1978 - BVerwG 6 C 59.76 - Buchholz 232 § 141a BBG Nr. 4 S. 4 und Beschluss vom 30. August 1993 - BVerwG 2 B 67.93 - juris Rn. 6). Danach ist das Vorbringen der Beklagten, der Unfall habe sich während der Nachlöscharbeiten ereignet und in dieser Phase befänden sich Feuerwehrleute grundsätzlich nicht in Lebensgefahr, unbeachtlich, weil es nicht auf die tatsächliche Lage zur Zeit des Unfallereignisses abstellt.
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Aus den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts folgt, dass sich der Kläger durch das vom Einsatzleiter angeordnete Öffnen der Decke mittels einer Kettensäge einer solchen besonderen Lebensgefahr ausgesetzt hat. Der Raum im Dachgeschoss, in dem der Kläger, der noch sein Atemschutzgerät trug, eingesetzt war, war noch nicht vollständig rauchfrei. Auf den Grad der Verrauchung dieses Bereichs des Dachgeschosses kommt es dabei nicht an. Denn die besondere Lebensgefahr resultiert bereits daraus, dass der Kläger in einer Höhe von 6 m über dem Fußboden des Obergeschosses (Fallhöhe) unmittelbar am Aufschlagpunkt der ursprünglich vom Obergeschoss ausgegangenen Flammen auf der Unterseite des Fußbodens des Dachgeschosses diese Decke mittels einer Kettensäge aufsägte. Beim Einsatz der Säge war ihm weder die genaue Konstruktion der Decke bekannt noch konnte er einschätzen, inwieweit die Tragkraft der Decke durch den Brand beeinträchtigt war.
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Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, es sei für die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG unerheblich, ob sich der Beamte der für ihn bestehenden besonderen Lebensgefahr bewusst war, verletzt allerdings revisibles Recht. Denn auch nach der Änderung des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926) erfordert die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls beim Beamten das Bewusstsein der Gefährdung seines Lebens (OVG Weimar, Urteil vom 19. November 2009 - 2 KO 559/08 - ThürVBl 2010, 203; Wilhelm, in: Fürst, GKÖD, Bd. I, Teil 3b Versorgungsrecht, § 37 Rn. 10; Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Band 3, § 37 BeamtVG, Rn. 20; Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Hauptband I, § 37 Anm. 3.3).
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Hinsichtlich der früheren Fassung des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG und auch der Vorgängerregelung des § 141a BBG war anerkannt, dass diese das Bewusstsein der besonderen Lebensgefahr voraussetzten. Der Beamte musste die besondere Lebensgefahr bei der Vornahme einer als lebensgefährlich erkannten Diensthandlung bewusst in Kauf nehmen. Er musste sich darüber im Klaren sein, dass er dabei sein Leben verlieren könnte (Urteile vom 12. April 1978 a.a.O. S. 2 und vom 8. Oktober 1998 a.a.O. S. 2; Beschluss vom 10. Mai 1991 - BVerwG 2 B 48.91 - Schütz BeamtR ES/C II 3.5 Nr. 3).
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Mit der nunmehr geltenden Formulierung "Setzt sich ein Beamter...einer... besonderen Lebensgefahr aus" verlangt das Gesetz zwar nicht mehr, dass der Beamte in dem Bewusstsein handelt, bei der Dienstverrichtung sein Leben einzusetzen. Mit dieser Neufassung des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 hat der Gesetzgeber aber auf ein subjektives Merkmal des Bewusstseins der Gefährdungslage nicht verzichtet (Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Beschlussempfehlung und Bericht, BTDrucks 14/7681, S. 73). Anträge im Gesetzgebungsverfahren, auf das subjektive Merkmal ("bewusster Lebenseinsatz") vollständig zu verzichten und ausschließlich auf den objektiven Umstand der Lebensgefahr abzustellen, lehnte der federführende Innenausschuss des Deutschen Bundestages ab und nahm sie nicht in seine Beschlussempfehlung auf (BTDrucks 14/7681, S. 64, 66 bis 69). Auch der wortgleiche Änderungsantrag (BTDrucks 14/7694, S. 2 und 6) blieb im Deutschen Bundestag ohne Erfolg (Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, 206. Sitzung vom 30. November 2001, S. 20365, 20416).
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Neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte spricht auch die Systematik der Vorschriften der Unfallfürsorge (§§ 30 ff. BeamtVG) dafür, dass § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG beim Beamten unverändert das Bewusstsein der seinem Leben drohenden Gefahr voraussetzt. Andernfalls wäre der Anwendungsbereich des § 37 BeamtVG nicht sinnvoll von dem des § 36 BeamtVG abzugrenzen. Neben den besonderen Folgen des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG setzte der entsprechende Anspruch dann lediglich noch voraus, dass unabhängig vom Bewusstsein des Beamten objektiv eine sein Leben gefährdende Lage bestand. Dies entspräche nicht mehr dem Normzweck des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG. Dieser liegt in der Förderung der Bereitschaft des Beamten, trotz des Bewusstseins der für ihn bestehenden Lebensgefahr seine Dienstpflichten zu erfüllen. Der erhöhte versorgungsrechtliche Schutz dient dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verwaltungstätigkeit, weil der Beamte damit rechnen kann, die Folgen dienstlich bedingter Körperschäden in Fällen einer gesteigerten Gefährdung nicht allein tragen zu müssen (Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 2 C 134.07 - BVerwGE 135, 176 = Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 22, jeweils Rn. 21).
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Dem Erfordernis des Bewusstseins der Lebensgefahr bei § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG steht auch nicht entgegen, dass die gleichgestellten Tatbestände der Absätze 2 und 3 keine Anforderungen in subjektiver Hinsicht stellen. Den verschiedenen tatbestandlichen Voraussetzungen des qualifizierten Dienstunfalls ist gemeinsam eine gesteigerte Gefährdungslage, der der Beamte wegen seiner Dienstausübung oder seines Amtes ausgesetzt ist. Aber lediglich der Fall des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erfordert ein entsprechendes Bewusstsein des betroffenen Beamten. Grund der Privilegierung nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG ist demgegenüber eine Verletzungshandlung, die vom Schädiger mit Wissen und Wollen der zu erwartenden Rechtsgutbeeinträchtigung ausgeführt wird und die in einem inneren Zusammenhang mit der Dienstverrichtung des Amtsträgers steht (Urteile vom 8. Oktober 1998 a.a.O. S. 2 und vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 2 C 41.11 - Rn. 16).
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2. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts erweist sich aber aus anderen als den vom ihm genannten Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
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Aus den insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich, dass sich der Kläger bei der Diensthandlung, die zu seinen schweren Verletzungen geführt hat, der konkreten Gefährdung seines Lebens bewusst war.
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Die Anforderungen an das subjektive Merkmal müssen der Änderung des Wortlauts des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 sowie dem Sinn und Zweck der Neuregelung Rechnung tragen. Hiernach muss der Beamte zwar nicht mehr in dem Bewusstsein handeln, bei der Dienstverrichtung sein Leben einzusetzen. Der Beamte muss sich aber der Gefahr für sein Leben im Allgemeinen bewusst sein. Er muss die Gefahr aber nicht in allen Einzelheiten erkannt und richtig bewertet haben. Dabei folgt das Bewusstsein, bei der Dienstverrichtung das eigene Leben zu gefährden, in aller Regel bereits aus dem Wissen um die die Gefahr begründenden objektiven Umstände. Sind dem Beamten bei der Vornahme der Diensthandlung die Aspekte bekannt, aus denen sich die konkrete Gefahr für sein Leben ergibt, so handelt er in dem für § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erforderlichen Bewusstsein der Gefährdung seines Lebens. Die hierin liegende Herabsenkung der Anforderungen an das subjektive Merkmal entspricht auch dem Sinn und Zweck der Neuregelung, die ausweislich der Gesetzesmaterialien der Erleichterung der Rechtsanwendung diente (vgl. BTDrucks 14/7681 S. 73 l. Sp.)
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Die objektiven Umstände, aus denen die konkrete Gefahr resultierte, durch das Öffnen der Decke mittels einer Kettensäge das eigene Leben zu gefährden, waren dem Kläger nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bekannt.
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Auf die mit der Revision geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es danach nicht an. Sie beziehen sich auf Umstände, die aus Gründen des materiellen Rechts nicht entscheidungserheblich sind.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
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der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
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ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 52.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
4Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. Vergütung der von ihm über die zulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleisteten Mehrarbeit habe. Zwar sei ein Ausgleichsanspruch wegen Verletzung der Richtlinien 93/104/EG und 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung entstanden und wegen des in § 25 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbsatz LBG NRW konzipierten Modells der Rechtsnachfolge auch gegen den Beklagten zu richten. Dieser sei jedoch durch die Einrede der Verjährung untergegangen. Die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB für die für den Zeitraum von 1996 bis 2006 geltend gemachten Ansprüche habe spätestens am 31. Dezember 2006 begonnen und somit mit Ablauf des 31. Dezember 2009 geendet. Die Verjährung sei nicht unterbrochen worden, weil der Kläger erst am 24. November 2010 Widerspruch eingelegt und am 14. Januar 2011 Klage erhoben habe. Der Beklagte habe auch nicht auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede bis zur Widerspruchseinlegung bzw. Klageerhebung verzichtet. Der ihm zurechenbare Verzicht des früheren Dienstherrn, der Stadt T. , habe – wie sich aus dem Schreiben der Stadt T. vom 6. April 2001 ergebe – zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung bzw. Klageerhebung nicht mehr gegolten. Danach sei auf die Einrede der Verjährung nur bis zum Abschluss der bereits laufenden Musterverfahren vor deutschen Gerichten verzichtet worden. Gerichtsverfahren, die bereits 2001 anhängig und bis November 2010 oder Januar 2011 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen seien, seien weder dem erkennenden Gericht bekannt noch vom Kläger benannt worden. Die Erklärung der Stadt T. lasse sich nicht dahin auslegen, dass der Verzicht bis zu einer höchstrichterlichen Letztentscheidung des unionsrechtlichen Ausgleichsanspruchs habe gelten sollen. Schließlich sei die Erhebung der Verjährungseinrede nicht rechtsmissbräuchlich oder ermessensfehlerhaft erfolgt.
5Die gegen diese näher begründeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
6Der Kläger meint, sein Anspruch sei nicht durch die Einrede der Verjährung einem Leistungsverweigerungsrecht ausgesetzt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe die Verjährung nicht spätestens am 31. Dezember 2006 begonnen, sondern erst mit Ablauf des 31. Dezember 2012 (hilfsweise des 31. Dezember 2010), weil für ihn aufgrund seiner Versetzung von der Stadt T. zum Beklagten der richtige Schuldner nicht erkennbar gewesen sei und die den Anspruch begründenden Umstände erst mit der Veröffentlichung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 – 2 C 70.11 – (bzw. des Urteils des EuGH vom 25. November 2011 – C-429/09 –) bekannt gewesen seien. Eine – wie hier – unübersichtliche und verworrene Rechtslage könne den Verjährungsbeginn bis zur Klärung ausschließen.
7Mit diesem Vorbringen verkennt der Kläger, dass der Gläubiger (lediglich) von der Person des Schuldners und den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt haben muss oder diese ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Dass er aus dieser Kenntnis auch die richtigen Rechtsfolgerungen zieht, wird hingegen nicht vorausgesetzt.
8Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 70.11 –, juris, mit weiteren Nachweisen; OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2013 – 6 A 1122/09 –, nrwe.de.
9In Anwendung dieser Grundsätze war dem Kläger – schon zur Zeit des Schreibens vom 6. April 2001 und ebenso im Zeitpunkt des Dienstherrnwechsels am 1. August 2005 – der Schuldner (sein jeweiliger Dienstherr) bekannt. Dabei kann offen bleiben, ob mit dem Verwaltungsgericht ein Übergang der Verpflichtung zur Kompensation der Zuvielarbeit von dem früheren auf den neuen Dienstherrn zu bejahen ist. Denn eine im Zusammenhang mit dem Dienstherrnwechsel insoweit im Nachhinein möglicherweise entstandene Unsicherheit konnte an dem Lauf einer bereits begonnenen Verjährung nichts ändern und war überdies durch Befragung der betroffenen Dienstherrn leicht auszuräumen. Ebenso besaß er hinreichende Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich von der von ihm in der Vergangenheit geleisteten, über 48 Stunden hinausgehenden wöchentlichen Arbeitszeit. Aber auch wenn man mit der zivilrechtlichen Rechtsprechung bei einer verworrenen Rechtslage die Verjährungsfrist ausnahmsweise erst mit einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage beginnen ließe, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der EuGH hatte bereits 1991 den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch entwickelt (EuGH, Urteil vom 19. November 1991 – Rs. C-6/90und C 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991, I 5357 Rn. 35; vgl. auch Urteil vom 25. November 2010 - Fuß - a.a.O. Rn. 45). Ein hinreichend qualifizierter Verstoß des Beklagten gegen Unionsrecht ist zudem seit dem Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 – Rs. C-303/98, Simap - (Slg. 2000, I-7997) anzunehmen, so dass spätestens seitdem hinreichende Anhaltspunkte dafür bestanden, dass ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch wegen der Zuvielarbeit erfolgversprechend sein könnte.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2013, a.a.O.
11Ebenso ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Erhebung der Einrede der Verjährung sei ausgeschlossen, weil die Stadt T. darauf mehrfach, erstmals mit Schreiben vom 6. April 2001, verzichtet habe und der Beklagte sich dies zurechnen lassen müsse. Zunächst geht auch das Verwaltungsgericht ohnehin mit dem Kläger von einer Zurechnung des Einredeverzichts aus. Der Kläger geht aber fehl, soweit er weiter annimmt, der in dem Schreiben vom 6. April 2001 ausgesprochene Verzicht auf die Einrede der Verjährung habe eine bis zum Zeitpunkt des Schreibens vom 24. November 2010 (an die Stadt T. ), in welchem das Verwaltungsgericht eine Widerspruchserhebung gesehen hat, bzw. der Klageerhebung am 14. Januar 2011 andauernde Wirkung gehabt. Das Verwaltungsgericht ist bei der Auslegung der in diesem Schreiben von der Stadt T. abgegebenen Erklärung zutreffend von den in den §§ 133 und 157 BGB enthaltenen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, wonach es darauf ankommt, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist (so genannter objektiver Empfängerhorizont), nicht dagegen auf den inneren Willen der erklärenden Partei. Es ist auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gekommen, dass „der Verzicht auf die Einrede der Verjährung so lange gelten sollte, wie die bereits laufenden Verfahren [vor deutschen Gerichten] noch nicht rechtskräftig abgeschlossen waren“. Dagegen ist im Hinblick auf die Formulierung der Erklärung „bis dahin“ sowie den Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Satz („bis die bereits laufenden Musterverfahren von deutschen Gerichten abgeschlossen sind“) nichts zu erinnern. Ebenso wenig bestehen Bedenken hinsichtlich der weiter getroffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts, es seien keine Gerichtsverfahren bekannt, die bereits 2001 anhängig und bis November 2010 oder Januar 2011 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen seien.
12Soweit der Kläger dagegen einwendet, die Stadt T. sei „zum Zeitpunkt der am 6. April 2001 abgegebenen Erklärung und auch darüber hinaus fest davon ausgegangen“, dass auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde „bis überhaupt (auch zukünftige) Musterverfahren vor deutschen Gerichten abgeschlossen seien“, findet dies keine Stütze in der – eindeutig anders lautenden – Formulierung der fraglichen Erklärung. Etwas Abweichendes ergibt sich weder unter Berücksichtigung des vom Kläger zum Beleg angeführten Schreibens der Stadt T. vom 11. Dezember 2012 noch aus der gegenüber dem Verwaltungsgericht unter dem 6. Februar 2013 abgegebenen Erklärung einer Mitarbeiterin der Stadt T. . Auch wenn daraus möglicherweise folgt, dass die Stadt T. die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 als „abschließendes Musterverfahren an deutschen Gerichten“ ansieht, wird das vom Verwaltungsgericht gewonnene Auslegungsergebnis dadurch nicht in Frage gestellt. Denn dem in diesen Erklärungen aus den Jahren 2012 und 2013 zum Ausdruck kommenden Verständnis kann bereits im Hinblick darauf, dass sie über zehn Jahre nach der auszulegenden Erklärung vom 6. April 2001 abgegeben worden sind, keine wesentliche Bedeutung für den maßgeblichen Empfängerhorizont im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung beigemessen werden. Soweit die späteren Erklärungen möglicherweise Rückschlüsse auf einen bei der Stadt T. im Jahr 2001 vorhandenen anderweitigen „inneren Willen“ in Bezug auf den zeitlichen Umfang des Einredeverzichts zulassen, ist dies für die Auslegung der empfangsbedürftigen Willenserklärung unbeachtlich.
13Schließlich zieht das Zulassungsvorbringen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Erhebung der Verjährungseinrede sei weder rechtsmissbräuchlich noch ermessensfehlerhaft, nicht durchgreifend in Zweifel. Der Kläger wendet ein, der Beklagte habe bereits seit dem Dienstherrenwechsel im Jahr 2005 Kenntnis von dem Antrag auf Ausgleich der Zuvielarbeit sowie dem Verzicht auf die Einrede der Verjährung durch den früheren Dienstherrn gehabt. Diese Umstände – als zutreffend unterstellt – geben nichts für die Rechtsmissbräuchlichkeit oder Ermessensfehlerhaftigkeit der Erhebung der Verjährungseinrede her. Denn der Verzicht auf die Einrede der Verjährung erstreckte sich in zeitlicher Hinsicht – wie oben dargestellt – ohnehin nicht bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Einrede vom Beklagten erhoben worden ist. Mit dem pauschalen Hinweis auf die „Gesamtumstände (Dienstherrenwechsel, über einen langen Zeitraum komplizierte und unübersichtliche Rechtslage)“ ist ebenfalls nicht aufgezeigt, dass die Erhebung der Einrede entgegen der verwaltungsgerichtlichen Einschätzung rechtsmissbräuchlich oder ermessensfehlerhaft wäre. Wie oben dargestellt waren die anspruchsbegründenden Tatsachen spätestens seit dem Jahr 2000 bekannt und konnte der Verzichtserklärung nicht der ihr vom Kläger beigemessene weitgehende Inhalt entnommen werden.
14Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
15Dies wäre anzunehmen, wenn die Angriffe des Klägers gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden.
16Das ist nicht der Fall. Der Kläger benennt – wie oben festgestellt – keine durchgreifenden Gründe für die Unrichtigkeit des Urteils.
17Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
18Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
19Mit dem Vorbringen, die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich daraus, dass „auch andere Feuerwehrbeamte, die einen Dienstherrenwechsel vollzogen haben, bereits bei ihrem alten Dienstherrn einen entsprechenden Antrag auf Ausgleich gestellt hatten, über den noch entschieden werden muss“ und es ferner „auch in anderen Konstellationen so [ist], dass ein Verjährungsverzicht von dem alten Dienstherrn erklärt worden ist“, ist bereits keine hinreichend konkrete Rechtsfrage formuliert. Unabhängig davon ist die Entscheidungserheblichkeit der aufgezeigten Umstände weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
21Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
22Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
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Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.