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| Der Antragsteller begehrt die Rückführung des beteiligten Kindes nach Italien. |
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| Das Kind L., geb. am ...2012, ist aus der nichtehelichen Beziehung seiner Eltern hervorgegangen. Die Antragsgegnerin, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und seit 2005 in Italien lebt, und der Antragsgegner, der italienischer Staatsangehöriger ist, lernten sich im Oktober 2009 kennen. Von Juli 2011 bis September 2013 lebten sie in einer Wohnung in P., in den Abruzzen (Italien), zusammen. Im September 2013 mieteten die Beteiligten eine weitere Wohnung in der Ortschaft A. an, die sie während der Woche bewohnten. Die Wohnung in P. nutzten die Beteiligten bis zu ihrer Trennung im April/ Mai 2014 weiterhin am Wochenende. Im Mai 2014 verzog die Antragsgegnerin mit dem gemeinsamen Sohn in eine kleine Ortschaft namens M., ebenfalls in den Abruzzen. Von da an hielt sich der gemeinsame Sohn drei Tage pro Woche bei dem Antragsteller und vier Tage pro Woche bei der Antragsgegnerin auf. Die letzte Augustwoche verbrachte das Kind bei dem Antragsteller. Am 01.09.2014 flog die Antragsgegnerin mit dem Kind für einen Urlaubsaufenthalt nach Sylt, von dem sie am 07.09.2014 nach Italien zurückkehrte. Am 14.09.2014 zog die Antragsgegnerin mit dem gemeinsamen Sohn zu ihren Eltern nach Deutschland um, ohne den Antragsteller hierüber zu informieren. Der Antragsteller ist mit dem Verbleib des Kindes in Deutschland nicht einverstanden. |
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| Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt, |
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| 1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Kind L., geb. am ...2012, derzeitige Anschrift …, innerhalb einer angemessenen Frist nach Italien zurückzuführen; |
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| 2. sofern die Antragsgegnerin der Verpflichtung zu 1. nicht nachkommt, die Herausgabe des Kindes L. an den Antragsteller zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Italien anzuordnen. |
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| Die Antragsgegnerin hat - unter Zurücknahme ihres weiteren Antrags auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind auf sich - beantragt, |
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| den Antrag zurückzuweisen. |
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| Mit Beschluss vom 22.12.2014 hat das Familiengericht dem beteiligten Kind einen Verfahrensbeistand, Frau K., bestellt und diesen, sowie die Eltern des Kindes in einem Erörterungstermin persönlich angehört. |
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| Mit Beschluss vom 26.01.2015 hat das Familiengericht die Antragsgegnerin verpflichtet, das beteiligte Kind innerhalb von zwei Wochen nach Rechtskraft des Beschlusses nach Italien zurückzuführen. Für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wurde sie oder jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, darüber hinaus verpflichtet, das Kind an den Antragsteller oder eine von ihm zu benennende Person zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Italien herauszugeben. Für die zwangsweise Durchsetzung dieser Verpflichtung hat das Familiengericht weitere Anordnungen erlassen. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Rückführung des Kindes nach Italien gemäß Art. 12 Abs. 1 Alt. 1 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ) seien erfüllt. Die Antragsgegnerin habe das Kind widerrechtlich nach Deutschland verbracht. Versagungsgründe gemäß Artikel 13 HKÜ lägen nicht vor. Die Rückführung sei schließlich mit Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vereinbar. |
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| Gegen diesen Beschluss, der ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 02.02.2015 zugestellt wurde, hat die Antragsgegnerin mit Beschwerdeschriftsatz vom 16.02.2015, der am selben Tag per Fax bei dem Amtsgericht Stuttgart einging, Beschwerde eingelegt. |
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| Zuvor, am 09.02.2015, hatte das Tribunale di Teramo, Italien, nach Anhörung der Beteiligten einen Beschluss mit folgendem Inhalt erlassen (die Wiedergabe folgt einer von der Antragsgegnerin vorgelegten Übersetzung): |
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| Das Gericht von Teramo als Kollegialgericht: |
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| I) verfügt vorläufig und vordringlich das gemeinsame Sorgerecht des minderjährigen L. für beide Elternteile und verfügt, dass dieser den gewöhnlichen Aufenthalt bei der Mutter hat und dass der Vater umfassend berechtigt ist, den Minderjährigen zu sehen und bei sich zu behalten, sofern dies mindestens 24 Stunden zuvor mitgeteilt wurde. |
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| II) [Regelung zum Umgangsrecht des Vaters während der Osterfeiertage 2015] |
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| III) ersucht die internationale Rechtshilfe beim Gericht von Stuttgart für einen Bericht über Frau W., geboren […] am …, deren Beziehung mit dem minderjährigen Sohn L. und die Lebensbedingungen und Wohnsituation der beiden; |
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| IV) beauftragt das Jugendamt der Gemeinde P. mit der eiligen Abfassung eines Berichts über die Person I., dessen Beziehung mit dem minderjährigen L., die Lebensbedingungen und die Möglichkeit, sich um den minderjährigen Sohn in angemessener Weise zu kümmern; |
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| V) verweist auf das persönliche Erscheinen der Parteien zur Anhörung am … 2015, … Uhr. |
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| Zur Begründung führt das Tribunale di Teramo aus, vorrangiges Ziel des dortigen Verfahrens sei der Interessenschutz des minderjährigen L.. Das Verhalten der Mutter, die ohne die Zustimmung des Vaters des Minderjährigen nach Deutschland zu ihrer eigenen Familie gezogen ist und den Sohn mitgenommen hat, sei höchst tadelnswert. Im Interesse des Minderjährigen sei jedoch hervorzuheben, dass dieser ab Mai 2014 hauptsächlich von der Mutter betreut worden sei, immer mit der Mutter gelebt habe und anerkanntermaßen als Minderjähriger von gerade zwei Jahren hauptsächlich der mütterlichen Fürsorge bedürfe. Es gebe andererseits keinen Beweis dafür, dass der Vater gegenwärtig in der Lage sei, sich angemessen und fortdauernd um den Minderjährigen zu kümmern. Das gemeinsame Sorgerecht für den Minderjährigen müsse daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorläufig und vordringlich für beide Elternteile angeordnet werden und es müsse verfügt werden, dass der Minderjährige den gewöhnlichen Aufenthalt bei der Mutter in Deutschland habe, wobei dem Vater umfassende Befugnis erteilt werde, den Minderjährigen zu sehen und bei sich zu behalten, sofern dies mindestens 24 Stunden zuvor mitgeteilt werde. Für eine Entscheidung über die Unterbringung des Minderjährigen sei es dringend notwendig, durch das Jugendamt einen Bericht sowohl über die Person der Mutter und deren Beziehung mit dem Minderjährigen anzuordnen, als auch einen Bericht über die Person des Vaters und dessen Lebensbedingungen sowie über die Möglichkeit des letzteren, sich angemessen um den minderjährigen Sohn kümmern zu können. |
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| Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, mit seiner Entscheidung vom 09.02.2015 habe ihr das Gericht in Teramo das vorläufige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zugesprochen. Es sei fraglich, ob für eine Rückführungsanordnung noch ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Das Verfahren sei zumindest bis zu einer endgültigen Entscheidung des Tribunale di Teramo auszusetzen. Der Antragsgegnerin könne es im Übrigen nicht zugemutet werden, den Sohn in Italien zu betreuen. |
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| Die Antragsgegnerin beantragt, |
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| den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 26.01.2015 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers abzuweisen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen, bis eine endgültige Entscheidung durch das Tribunale di Teramo zum Aktenzeichen 1219/2014 r.g.v.g. über das Aufenthaltsbestimmungsrecht erfolgt ist. |
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| Der Antragsteller beantragt, |
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| die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. |
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| Der Antragsteller ist der Ansicht, das Gericht in Teramo habe der Mutter nicht das vorläufige Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen. Es habe nur bestimmt, dass das Kind vorläufig seine Hauptwohnung bei der Mutter haben solle. Darüber hinaus habe es die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge für beide Elternteile angeordnet. Dies sei nur möglich, wenn sich das Kind in räumlicher Nähe zum Vater befinde. Einer Aussetzung des Verfahrens tritt der Antragsteller entgegen. |
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| Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 26.01.2015 ist zulässig und begründet. |
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| In der Sache hat die Beschwerde Erfolg. Nach dem Erlass der Verfügung des Tribunale di Teramo vom 09.02.2015 (Az. 1219/2014) würde das Kind durch eine Rückgabeanordnung in eine unzumutbare Lage gebracht (Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ). |
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| 1. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Familiengerichts lagen die Voraussetzungen für eine Rückgabeanordnung gemäß Art. 12 Abs. 1, Art. 3 HKÜ, Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vom 27.11.2003 (im Folgenden: Brüssel IIa-VO) vor. Indem sie mit dem gemeinsamen Sohn, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hatte, nach Deutschland umgezogen ist, hat die Antragsgegnerin das Mitsorgerecht des Antragstellers verletzt. |
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| a) Wie das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat, hatte L. vor seinem Umzug nach Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt, d.h. seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt und den Schwerpunkt seiner sozialen Beziehungen in Italien (zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts vgl. Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, 2013, Teil N Rn. 105). Das folgt aus dem Umstand, dass er seit seiner Geburt mit seinen Eltern dort gelebt hat. |
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| b) Im Zeitpunkt des Verbringens von L. nach Deutschland durch die Antragsgegnerin stand den beteiligten Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für ihren Sohn zu. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese durch die große Kindschaftsreform aufgrund des Gesetzes Nr. 219 vom 10.12.2012 und das Decreto legislativo Nr. 154 vom 28.12.2013 entstanden ist oder bereits zuvor bestand. |
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| Die zum 01.01.2013 bzw. zum 07.02.2014 in Kraft getretene große Kindschaftsreform hat die Ungleichheit zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern in Italien beseitigt (s. hierzu Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Italien, bearbeitet von Henrich, Stand: 10.11.2014, S. 42). Nach Art. 315 ff. Codice civile (Cciv) steht nunmehr beiden Elternteilen die elterliche Verantwortung zu, ohne dass zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschieden wird, auch wenn die Eltern niemals zusammengelebt haben (Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 44). Ob dies auch für vor Inkrafttreten der Reform geborene Kinder wie L. gilt, kann im Ergebnis dahinstehen. |
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| Bereits nach früherer Rechtslage stand die Ausübung der elterliche Sorge nichtehelicher Kinder beiden Elternteilen zu, wenn sie das Kind anerkannt hatten und zusammenlebten (Art. 317bis Abs. 2 S. 1 Cciv). Im Falle einer späterer Trennung der Eltern galt nach wohl herrschender Meinung dasselbe wie im Fall einer gerichtlichen Trennung von Eheleuten, d.h. die gemeinsame elterlichen Sorge bestand grundsätzlich fort (Bergmann/Ferid, a.a.O., Stand: 01.12.2010, S. 45). Da die beteiligten Eltern bei L. Geburt zusammenlebten, haben sie die gemeinsame elterliche Sorge erworben und durch ihre spätere Trennung nicht wieder verloren. |
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| c) Der Antragsteller hat das Sorgerecht für seinen Sohn auch tatsächlich ausgeübt (Art. 3 Abs. 1 lit. b HKÜ), da er ihn vor der Verbringung nach Deutschland zuletzt an drei Tagen pro Woche und darüber hinaus in der letzten Augustwoche 2014 betreut hat. |
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| d) Mit dem Verbringen von L. nach Deutschland hat die Antragsgegnerin das Sorgerecht des Antragstellers verletzt (Art. 3 Abs. 1 lit. a HKÜ). Die Verletzung des Mitsorgerechts genügt hierfür (OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.04.2012, 17 UF 35/12, FamRZ 2013, 51 Tz. 21; Hausmann, a.a.O., Rn. 78 m.w.N.). |
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| Die Widerrechtlichkeit des Verbringens ist durch die Verfügung des Tribunale di Teramo vom 09.02.2015 auch nicht entfallen, denn für die Widerrechtlichkeit im Sinne des Art. 3 HKÜ ist auf den Zeitpunkt des Verbringens des Kindes abzustellen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.12.2014, 2 UF 266/14, Tz. 46, zit. nach Juris; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.02.2009, 1 UF 162/08, ZKJ 2009, 373). |
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| e) Der Antragsteller hat seinen Rückführungsantrag schließlich innerhalb der Jahresfrist des Art. 12 Abs. 1 HKÜ seit dem widerrechtlichen Verbringen des Kindes durch die Antragsgegnerin nach Deutschland am 14.09.2014 gestellt, nämlich am 18.12.2014 (Eingang des Antragsschriftsatzes bei dem Amtsgericht Stuttgart). |
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| 2. Der Antragsteller als (mit-)sorgeberechtigte Person hat der Verbringung des Kindes nach Deutschland zu keinen Zeitpunkt zugestimmt oder diese nachträglich genehmigt (Art. 13 Abs. 1 lit. a HKÜ). Wie das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Antragsteller durchgängig deutlich gemacht, dass er mit dem (dauerhaften) Aufenthalt von L. in Deutschland nicht einverstanden ist. |
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| 3. Einer Rückgabeanordnung steht jedoch die nach Erlass der angefochtenen Entscheidung des Familiengerichts vom 26.01.2015 ergangene Verfügung des Tribunale di Teramo vom 09.02.2015 entgegen. Eine gleichwohl angeordnete Rückführung von L. nach Italien brächte das Kind in eine unzumutbare Lage (Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ). |
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| a) Nach der Rechtsprechung des Senats steht eine vorläufig vollstreckbare Entscheidung eines Gerichts des Herkunftsstaates des Kindes, mit der dieses den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes am Wohnsitz des entführenden Elternteils festgelegt hat, einer Rückgabeanordnung entgegen, da sie das Kind gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ in eine unzumutbare Lage bringen würde (OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.02.2003, 17 UF 277/02, FamRZ 2003, 959 Tz. 19). Aufgrund einer solchen Entscheidung hätte der entführende Elternteil jederzeit die Möglichkeit, das Kind nach einer Rückführung in den Herkunftsstaat wieder zu sich nach Deutschland zu nehmen. Ein solches Hin- und Her-Verbringen des Kindes ist auch durch den präventiven Zweck des HKÜ nicht zu rechtfertigen; das Kind würde ohne Rücksicht auf seine Bedürfnisse als bloßes Streitobjekt behandelt (OLG Stuttgart, a.a.O.; zustimmend OLG Karlsruhe, a.a.O., Tz. 57; Palandt-Thorn, BGB, 70. Aufl. 2011, Anh zu EGBGB 24 (IPR), Art. 17 HKÜ Rn. 43; Hausmann, a.a.O., Rn. 221). |
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| Art. 17 HKÜ, nach dessen Wortlaut auch Entscheidungen über das Sorgerecht im Herkunftsstaat, die im Zufluchtsstaat anerkennbar sind, die Ablehnung der Rückgabe des Kindes nicht rechtfertigen können, steht der Berücksichtigung der Gründe solcher Entscheidungen nicht entgegen. Lediglich Entscheidungen, die nicht wirksam sind, die auf der Grundlage von Zuständigkeitsmissbrauch ergangen sind oder bei deren Erlass nicht die Verteidigungsrechte aller Beteiligten beachtet wurden, sind von den Behörden des ersuchten Staates in Frage zu stellen (OLG Stuttgart, a.a.O., Tz. 17). |
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| b) Eine Entscheidung eines Gerichts des italienischen Herkunftsstaates des Kindes, mit der dieses seinen gewöhnlichen Aufenthalt vorläufig bei seiner Mutter im Zufluchtsstaat angeordnet hat, liegt mit der Verfügung des Tribunale di Teramo vom 09.02.2015 vor. Ob man den dort verwandten Begriff „abitazione principale“ im Sinne des gewöhnlichen Aufenthalts oder der Hauptwohnung - so der Antragsteller - versteht, ist unerheblich. Mit seiner Entscheidung hat das Tribunale di Teramo jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass es eine Rückführung des Kindes nach Italien derzeit nicht für geboten erachtet. |
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| c) Der Annahme, dass das Kind im Falle einer Rückführung in den Herkunftsstaat in eine unzumutbare Lage im Sinne des Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ geraten würde, steht nicht entgegen, dass die Vollstreckbarkeit der Entscheidung des Gerichts des Herkunftsstaates nicht positiv festgestellt werden kann. |
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| Dafür spricht zunächst der Sinn und Zweck des HKÜ, der darin besteht, entführte Kinder umgehend in ihren Herkunftsstaat zurückzuführen (Art. 1 lit. a HKÜ), um den dortigen Gerichten eine Entscheidung über das Sorgerecht zu ermöglichen. Ordnet ein Gericht oder eine zuständige Behörde in dem Herkunftsstaat zumindest vorläufig den Hauptaufenthalt des Kindes bei dem entführenden Elternteil im Zufluchtsstaat an, bedarf es einer Rückführung zum Zwecke der Sorgerechtsregelung nicht (OLG Karlsruhe, a.a.O., Tz. 57). Durch sie würde sich das Gericht im ersuchten Staat vielmehr in Widerspruch zu dem Gericht im Herkunftsstaat setzen. |
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| Aus Art. 17 HKÜ ergibt sich darüber hinaus, dass nicht die ausländische Entscheidung als solche, sondern ihre Gründe von den Gerichten des ersuchten Staates berücksichtigt werden können (OLG Stuttgart, a.a.O., Tz. 14). Jedenfalls solange keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Entscheidung oder einen Zuständigkeitsmissbrauch vorliegen, können die Erwägungen des Gerichts herangezogen werden. |
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| Schließlich ist davon auszugehen, dass der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Billigung des ausländischen Gerichts aufhält, kurzfristig eine vollstreckbare Entscheidung dieses Gerichts über die Herausgabe des Kindes erwirken könnte, sofern der bereits vorliegenden Entscheidung - hier der Verfügung vom 09.02.2015 - diese Eigenschaft fehlen sollte. Ein Hin- und Her-Verbringen, bei dem es als bloßes Streitobjekt seiner Eltern behandelt würde, drohte dem Kind in einem solchen Fall daher in gleicher Weise. |
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| d) Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Verfügung des Tribunale di Teramo vom 09.02.2015, die ihrer Berücksichtigung nach Art. 17 HKÜ entgegen stünden, sind im Übrigen nicht ersichtlich. Solche hat auch der Antragsteller nicht vorgebracht. |
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| Die italienischen Gerichte sind für Entscheidungen über die elterlichen Verantwortung für das beteiligte Kind international zuständig, wie sich aus Art. 10 Brüssel IIa-VO ergibt. Danach bleiben die italienischen Gerichte jedenfalls solange zuständig, bis das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat erlangt hat und entweder jede sorgeberechtigte Person dem Verbringen zugestimmt hat oder das Kind sich in dem anderen Mitgliedstaat mindestens ein Jahr aufgehalten hat. Diese Voraussetzungen sind bislang nicht erfüllt. |
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| Indem es die Beteiligten angehört hat, hat das Tribunale di Teramo ihre Verteidigungsrechte beachtet. Die Anhörung des Kindes kam aufgrund seines Alters von zwei Jahren nicht in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht seiner Verfügung vom 09.02.2015 einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat, sind ebenfalls nicht erkennbar. Dem Gericht war insbesondere bewusst, dass die Antragsgegnerin das Kind ohne die Zustimmung des Vaters nach Deutschland verbracht hat. |
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| e) Art. 11 Abs. 4 Brüssel IIa-VO steht der Ablehnung einer Rückgabeanordnung nicht entgegen. Das unzumutbare Hin- und Her-Verbringen des Kindes lässt sich durch Vorkehrungen im früheren Aufenthaltsstaat des Kindes (vgl. hierzu Hausmann, a.a.O., Teil B Rn. 121) nicht verhindern. |
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| 4. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens (Art. 12 Abs. 3 HKÜ) liegen nicht vor. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 14 Nr. 2, 11, 43 IntFamRVG, § 26 Abs. 2, 3 HKÜ, § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG. Die hälftige Kostentragung der beteiligten Eltern erscheint gerechtfertigt, da die Antragsgegnerin erst aufgrund einer veränderten Sachlage in zweiter Instanz obsiegt hat. |
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