Oberlandesgericht München Endurteil, 26. Feb. 2016 - 10 U 579/15
Gericht
Gründe
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN
Aktenzeichen: 10 U 579/15
Im Namen des Volkes
Verkündet am
19 O 10527/14 LG München I
Die Urkundsbeamtin …
In dem Rechtsstreit
…
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
gegen
…
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wegen Schadensersatzes
erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … und die Richter am Oberlandesgericht … und … im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 05.02.2016 folgendes
Endurteil
1. Auf die Berufung des Klägers vom 16.02.2015 wird das Endurteil des LG München I
I.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 216,97 € nebst vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.06.2014 zu bezahlen.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 85%, die Beklagte 15%. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Beklagte wird verurteilt, 216,97 € sowie 729,23 € vorgerichtliche Anwaltskosten jeweils nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.05.2014 an die klägerische Partei zu zahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
aa) Hat der Sachverständige ordnungsgemäß aufgeklärt, kann sich der Geschädigte selbst in Fällen subjektiver Schadensbetrachtung (vgl. hierzu Hinweis des Senats vom 12.03.2015 Ziff. II 2, SP 2015, 200) nicht mehr darauf berufen, er habe nicht erkennen können, dass unübliche Sätze verlangt werden. In diesem Fall kann der Geschädigte deshalb vom Schädiger/dessen Versicherung maximal nur die üblichen Sätze (§ 632 II BGB) verlangen.
bb) Falls der Geschädigte vom Sachverständigen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wurde (bzw. der Sachverständige dies im Streitfall nicht nachzuweisen vermag), bekommt der Geschädigte (nicht aber der klagende Sachverständige, § 242 BGB) in Fällen subjektiver Schadensbetrachtung die volle Kostenrechnung des Sachverständigen (bis zur Grenze der Evidenz überhöhter Kosten, vgl. Hinweis vom 12.03.2015, Ziff. II 6, a. a. O.) erstattet, ist aber verpflichtet, seine Rückforderungsansprüche gegenüber dem Sachverständigen an die Versicherung/den Schädiger abzutreten (vgl. hierzu Hinweis vom 12.03.2015, a. a. O., Ziff. II 8).
cc) Handelt es sich um keinen Fall der subjektiven Schadensbetrachtung (vgl. hierzu Hinweis vom 12.03.2015
aa) Das angemessene Grundhonorar (ohne Mehrwertsteuer) bestimmt sich nach dem BVSK 2015 HB V Korridor, wobei grundsätzlich der untere Betrag des Korridors anzuwenden ist, dazu kommen 50% Aufschlag des oberen Betrags minus des unteren Betrags des Korridors, wenn der Sachverständige öffentlich bestellt und allgemein vereidigt ist, und/oder 50% Aufschlag des oberen Betrags minus des unteren Betrags des Korridors, wenn der Sachverständige seinen Sitz in München oder im Landkreis München hat (diese örtliche Differenzierung kann auch in weiteren Städten und/oder Regionen veranlasst sein). Dies rechtfertigt sich darin, dass in diesem Korridor die Mehrheit der BVSK-Mitglieder (50 bis 60%) je nach Schadenhöhe abrechnen und es sich daher um die übliche Vergütung eines Sachverständigen für ein Standardschadensgutachten handelt. Bei dieser Honorarbefragung handelt es sich - soweit ersichtlich - um die einzige überhaupt vorhandene Liste über die Abrechnungspraxis von Schadensgutachtern auf breiterer Tatsachengrundlage. Die Entscheidung des BGH vom 22.07.2014 (Az. VI ZR 357/13) hat die BVSK-Umfrage 2013 lediglich hinsichtlich der Nebenkostenumfrage für nicht tragfähig erachtet. Die BVSK-Umfrage 2015 hat dem ausdrücklich im Hinblick auf die Entscheidung des BGH Rechnung getragen, so dass eine Verwertbarkeit der Honorarbefragung 2015 des BVSK jedenfalls im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des BGH nicht ausgeschlossen ist. Da weder Sachverständige noch die Versicherungswirtschaft belastbare anderslautende Erhebungen vorgelegt haben und die Abrechnungstableaus einzelner Versicherungen naturgemäß keine verlässlichen Zahlenwerke beinhalten, da sie ausschließlich von der Interessenlage der jeweiligen Versicherung geprägt sind, ist eine alternative tragfähige Schätzgrundlage nicht ersichtlich.
bb) Dementsprechend und auch inhaltlich vertretbar sind Nebenkosten (ohne Mehrwertsteuer) entsprechend der BVSK 2015-Vorgabe als angemessen anzusehen, erstattungsfähig sind die für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Gutachtens erforderlichen Nebenkosten deshalb nur bis zu:
- Fahrtkosten: 0,70 €/km
- Fotokosten mit 2,00 €/Lichtbild und 0,50 € je Lichtbild des zweiten Fotosatzes
- Porto/Telefon pauschal 15,00 €
- Schreibkosten mit 1,80 €/Seite und 0,50 €/Kopie.
aa) In den Fällen, in denen dem Geschädigten die Vorteile der subjektiven Schadensbetrachtung zuzubilligen sind, hat der Schädiger die Kosten des Sachverständigen (falls er diesen wegen der Höhe des Schadens beauftragen durfte) voll zu übernehmen (außer der Sachverständige macht auch für den Laien ersichtlich überhöhte Kosten geltend, siehe hierzu Beschluss des Senats vom 12.03.2015, Ziff. II 8, a. a. O.).
bb) In allen anderen Fällen erhält der Geschädigte/der Sachverständige die vollen Kosten nur dann, wenn der Gesamtbetrag die obigen Sätze einschließlich eines Schätzbonuses von 15% des Gesamtbetrags einhält (§ 287 ZPO), in allen anderen Fällen ist auf diesen zu kürzen. Eine Verwendung der obigen Sätze ist jedenfalls für den Zeitraum 2014 bis 2015 sachgerecht, da die Honorarumfrage in dieser Zeit durchgeführt wurde.
cc) Im vorliegenden Fall führt dies bezüglich der Sachverständigenkostenrechnung des Sachverständigen Unfug vom
Der Gesamtbetrag der Abrechnung des Sachverständigen (779,00 € netto, 927,01 € brutto) liegt unter dem Gesamtbetrag des potentiell Berechtigten nach BVSK 2015 plus eines Schätzbonuses von 15% (jeweils netto: Grundhonorar 665,- € [der Sachverständige ist öffentlich bestellt und hat seinen Sitz in München], Fahrtkosten 28 x 0,70 € = 19,60 € [der Geschädigte ist nicht verpflichtet, nur den ortsnächsten Sachverständigen auszusuchen], Lichtbilder 18 x 2,- € = 36,- € und Kopien 66 x 0,50 €, ergibt insgesamt 866,64 € netto, 1.031,30 € brutto). Das Landgericht hat zwar grundsätzlich zutreffend, weil es sich insoweit um unübliche Nebenkostenarten handelt, (jeweils netto) Kosten für die AUDATEX-Datenbank in Höhe von 14,50 €, Kosten für den Ausdruck des Gutachtens in Höhe von 61,60 € und 37,50 € bezüglich der Fahrtzeitkosten als unbegründet angesehen. Wie oben ausgeführt wurde, scheidet eine Kürzung der Sachverständigenkosten jedoch aus, wenn sich der Sachverständige insgesamt mit seiner Abrechnung noch in einem üblichen Rahmen bewegt. Dies ist hier der Fall, so dass der Kläger über die von der Beklagten bezahlten 715,04 € hinaus einen begründeten Anspruch von 211,97 € hat.
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(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.
(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.
Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, dass er die Herstellung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Nach dem Ablauf der Frist kann der Gläubiger den Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung rechtzeitig erfolgt; der Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen.
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.