Oberlandesgericht München Beschluss, 15. März 2019 - 24 W 278/19

published on 15/03/2019 00:00
Oberlandesgericht München Beschluss, 15. März 2019 - 24 W 278/19
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Landgericht Memmingen, 33 O 1435/12, 02/01/2019

Gericht

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Tenor

1. Auf die Streitwertbeschwerde des Klägers vom 18.01.2019 wird Nr. II des Beschlusses des Landgerichts Memmingen vom 02.01.2019, Az. 33 O 1435/12, dahingehend abgeändert, dass der Vergleichsmehrwert auf 226.041,00 € festgesetzt wird.

2. Im Übrigen wird die Streitwertbeschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1. Die Parteien stritten vor dem Landgericht um Schadensersatz für bereits eingetretenen Verdienstausfall und bereits fällig gewordene Versicherungsbeiträge (vgl. die Klageanträge aus dem Schriftsatz vom 28.06.2016 [Bl. 220 f. d. A.], die in der letzten mündlichen Verhandlung vom 28.08.2018 [Protokoll Bl. 283/285 d. A.] gestellt worden sind).

2. Mit Beschluss vom 02.01.2019 (Bl. 301/304 d. A.), den Klägervertretern zugestellt am 08.01.2019, stellte das Landgericht gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Vergleichs fest. Durch diesen Vergleich wurden nicht nur die streitgegenständlichen Forderungen erledigt, sondern auch nicht rechtshängig gewesene Ansprüche des Klägers auf Ersatz künftigen Verdienstausfalls und künftiger Krankenversicherungsbeiträge sowie auf Ersatz einer Steuerbelastung aus der im Vergleich vereinbarten Abfindungszahlung und diesbezüglicher Steuerberaterkosten.

3. Einem Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 17.12.2018 (Bl. 299 f. d. A.) folgend, setze das Landgericht in der angegriffenen Nr. II des Beschlusses vom 02.01.2019 den Vergleichsmehrwert auf 798.841,00 € fest. Dieser berechnete sich aus einem künftigen Verdienstausfall bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres des Klägers in Höhe von 520.000,- € (400 Monate à 1.300,00 €), bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres vom Kläger zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 120.000,00 € (400 Monate à 300,00 €), einer angenommenen Steuerbelastung des Klägers aus der vereinbarten Abfindung in Höhe von 153.841,00 € sowie angenommenen diesbezüglichen Steuerberaterkosten in Höhe von 5.000,00 €.

4. Hiergegen richtet sich die am 18.01.2019 eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers vom selben Tag (Bl. 307 d. A.), mit welcher dieser geltend macht, gemäß § 9 ZPO sei für künftigen Verdienstentgang und künftige Krankenversicherungsbeiträge jeweils nur der 42-fache Monatsbeitrag anzusetzen; die Steuerbelastung durch die Abfindungszahlung sei mit 70.000,00 € anzusetzen.

5. Die Beklagtenvertreter äußerten sich zur sofortigen Beschwerde mit Schriftsatz vom 25.02.2019 (Bl. 312 f. d. A.), mit dem sie im Wesentlichen geltend machten, eine Anwendung des § 9 ZPO käme nur in Betracht bezüglich geltend gemachter wiederkehrender Leistungen; es sei jedoch weder eine künftige Rentenzahlung beantragt noch ein diesbezüglicher Feststellungsantrag gestellt worden.

6. Mit Beschluss vom 28.02.2019 (Bl. 314 f. d. A.) half das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab.

II.

Die zulässige Streitwertbeschwerde ist hinsichtlich des Wertansatzes für künftigen Verdienstausfall und für künftige Krankenversicherungsbeiträge begründet, im Übrigen unbegründet.

1. Der Umstand, dass die oben zu Nr. I. 3 genannten klägerischen Ansprüche vor Abschluss des Vergleichs nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren, ist Voraussetzung dafür, dass der Vergleich überhaupt einen Mehrwert gegenüber dem Streitwert hat (OLG Rostock vom 08.11.2018 - 4 W 27/18 - juris Rn. 19 m. w. N.; OLG Stuttgart vom 03.08.2009 - 7 W 48/09 - juris Rn. 9; Kurpat in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl. 2016, Rn. 5473), besagt aber noch nichts über die zur Bestimmung dieses Mehrwerts anwendbaren Vorschriften.

2. Die Bemessung des Vergleichs(mehr) werts richtet sich nicht danach, worauf sich die Parteien geeinigt haben, sondern danach, worüber sie sich geeinigt haben (vgl. nur OLG Karlsruhe vom 31.03.2015 - 12 W 7/15 - juris Rn. 7; Kurpat, a. a. O., Rn. 5485). Der Umstand, dass die Parteien hinsichtlich des künftigen Verdienstentgangs und der künftigen Krankenversicherungsbeiträge eine Einmalzahlung vereinbart haben, ist daher (entgegen dem Nichtabhilfebeschluss vom 28.02.2019) für die Bemessung des Vergleichswerts, insbesondere für die Frage der Anwendbarkeit des § 9 ZPO, ohne Bedeutung. Relevant ist also, dass die Parteien sich über künftige wiederkehrende Leistungen geeinigt haben, die weder über einen Leistungs- noch über einen Feststellungsantrag Gegenstand des Rechtsstreits waren.

3. Werden solche künftigen wiederkehrenden Leistungen rechtshängig gemacht, werden sie im Rahmen der Streitwertfestsetzung gemäß § 9 ZPO i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag (entspricht dem zweiundvierzigfachen Monatsbetrag) bewertet. Es gibt keinen Grund dafür, diese Bestimmungen im Rahmen der Festsetzung eines Vergleichs(mehr) wertes nicht anzuwenden. Dem entsprechend herrscht auch (soweit ersichtlich) Einigkeit darüber, dass bei der Bemessung eines Vergleichs(mehr) werts die allgemeinen Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO (einschließlich § 9 ZPO) Anwendung finden (vgl. OLG Düsseldorf vom 11.05.2009 - I-24 W 16/09 - juris Rn. 10; OLG Karlsruhe vom 31.03.2015 - 12 W 7/15 - juris Rn. 11; vom 21.10.2014 - 9 W 33/14 - juris Rn. 12; Kurpat, a. a. O., Rn. 5483 und 5522). Damit sind für die Einigung über den künftigen Verdienstausfall 42 Monatsbeträge à 1.300,00 €, insgesamt also 54.600,00 €, und für die Einigung über die künftigen Krankenversicherungsbeiträge 42 Monatsbeträge à 300,00 €, insgesamt also 12.600,00 €, anzusetzen.

4. Hinsichtlich der voraussichtlichen Steuerbelastung des Klägers aus der vereinbarten Abfindung und der diesbezüglichen voraussichtlichen Steuerberaterkosten verbleibt es hingegen bei den vom Landgericht vorgenommenen Ansätzen. In der sofortigen Beschwerde wird nicht ansatzweise dargelegt, weshalb diese unzutreffend sein sollten.

5. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 68 Abs. 3 GKG).

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(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere
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Annotations

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.