Oberlandesgericht Köln Urteil, 05. Sept. 2014 - 20 U 88/14
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. April 2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen ‑ 9 O 480/13 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 933,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Dezember 2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 80% und die Beklagte zu 20% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die gegnerische Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin schloss mit der Beklagten eine fondsgebundene Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Januar 2003 ab. Mit Schreiben vom 28. April 2008 kündigte die Klägerin die Versicherung. Die Beklagte kehrte einen Gesamtbetrag von 243,51 € aus (Anlage BLD 13). Bis zur Vertragsbeendigung leistete die Klägerin Beiträge in Höhe von 2.940,- €. Mit Anwaltsschreiben vom 4. März 2010 erklärte die Klägerin den Widerspruch nach § 5a VVG a.F.
4Mit der Klage beansprucht die Klägerin die verzinsliche Rückerstattung der Beiträge unter Anrechnung des ausgezahlten Betrages.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Widerspruchsbelehrung sei formal und inhaltlich fehlerhaft. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht europarechtskonform und deshalb nicht anzuwenden. Sie habe deshalb noch im Jahr 2010 widersprechen können mit der Folge, dass die Beklagte die Rückerstattung der Prämien zuzüglich Zinsen schulde. Die Beklagte sei zudem wegen fehlerhafter Belehrung schadensersatzpflichtig.
5Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.697,18 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an sie Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 596,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Widerspruchsbelehrung sei ordnungsgemäß. Eine Rückabwicklung scheitere jedenfalls daran, dass die Klägerin den Widerspruch nicht innerhalb der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erklärt habe. Diese Regelung sei auch dann weiter anzuwenden, wenn sie gegen Europarecht verstoßen sollte. Darüber hinaus sei ein Widerspruch nach Kündigung und Vertragsabwicklung nicht mehr zulässig. Etwaige Ansprüche seien zudem verwirkt. In Bezug auf etwaige Prämienrückzahlungsansprüche bis 31. Dezember 2009 hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
12Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. April 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil ein etwaiges Widerspruchsrecht im Zeitpunkt der Ausübung verwirkt gewesen und die Berufung auf ein ewiges Widerspruchsrecht treuwidrig sei.
13Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die ihr aufgrund des wirksam ausgeübten Widerspruchsrechts zustehenden Rückzahlungsansprüche nicht verwirkt. Mangels ordnungsgemäßer Belehrung habe das Widerspruchsrecht fortbestanden.
14Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil. Die Widerspruchsbelehrung sei wirksam. Das Widerspruchsrecht sei auch nicht innerhalb der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ausgeübt worden. Es sei jedenfalls verwirkt. Unabhängig davon könne der Klägerin ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nur in geringer Höhe zustehen. Von den Prämienzahlungen seien die Risikobeiträge zur Lebensversicherung, die Beiträge zur Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, die Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Ratenzahlungszuschläge in Abzug zu bringen. Unter Berücksichtigung der erzielten Erträge (insgesamt 40,68 €) könne die Klägerin nach Abzug des erstatteten Betrages von 243,51 € allenfalls noch einen Betrag von 155,71 € beanspruchen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf S. 11 der Berufungserwiderung vom 28. Juli 2014 (GA 332) verwiesen.
15Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.
18Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der von ihr auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des Prämienanteils, der auf den Risikoschutz entfallen ist; ihr stehen ferner als gezogene Nutzung im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB die von der Beklagten unter den Rahmenbedingungen einer fondsgebundenen Rentenversicherung erzielten Erträge zu.
191.
20Die Klägerin konnte dem Vertragsschluss noch mit Schreiben vom 4. März 2010 widersprechen.
21Die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der hier maßgebenden Frist von 14 Tagen erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
22Vorliegend ist die Widerspruchsbelehrung in den dem Policenbegleitschreiben vom 6. Januar 2003 beigefügten „Wichtigen Hinweisen“ (Anlage BLD 3) fehlerhaft.
23Die Belehrung lautet:
24„Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsvertrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
25Die Belehrung ist deswegen inhaltlich fehlerhaft, weil zum einen der zwingend notwendige Hinweis darauf, dass der Widerspruch in Textform zu erheben ist, fehlt (vgl. BGH, VersR 2004, 497). Dieser Hinweis war nicht deshalb entbehrlich, weil in Satz 2 der Belehrung von der „Absendung“ des Widerspruchs die Rede ist. Damit wird dem Versicherungsnehmer nicht klar vor Augen geführt, dass nur ein in Textform verfasster Widerspruch wirksam ist. Satz 2 bezieht sich lediglich auf den Fall, dass der Versicherungsnehmer den Widerspruch in dokumentierter Form erklären will, und erläutert nur, dass in diesem Fall die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung reicht. Dass ein mündlicher Widerspruch ausgeschlossen ist und in jedem Fall die Textform gewahrt werden muss, ergibt sich aus der Belehrung nicht. Zum anderen ist in der Belehrung nicht darauf hingewiesen worden, dass die Widerspruchsfrist erst dann zu laufen beginnt, wenn dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein auch die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen überlassen worden sind.
262.
27Die Klägerin war noch im Jahr 2010 zum Widerspruch berechtigt. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der vorsah, dass das Recht zum Widerruf ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - (VersR 2014, 817; bestätigt mit Urt. v. 30. Juli 2014 - IV ZR 85/12 -) im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2013 - C-209/12 - (VersR 2014, 225) entschieden. Der Senat folgt dieser Entscheidung. Er hat zwar bislang die Auffassung vertreten, eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die dazu führt, § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Bereich der Lebensversicherung nicht anzuwenden, sei nicht möglich. Der Senat hält die jetzt vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beurteilung allerdings für - auch verfassungsrechtlich - vertretbar, so dass keine durchgreifenden Bedenken bestehen, nunmehr auf der Grundlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 zu entscheiden.
28Das Widerspruchsrecht ist nicht verwirkt. Mit der Ausübung des Widerspruchs im Jahr 2010 hat die Klägerin auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Dem steht schon entgegen, dass die Beklagte es versäumt hat, die Klägerin ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht zu belehren (vgl. BGH, aaO, Rz. 38-40).
29Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (BGH, aaO, Rz. 37 unter Hinweis auf BGH, WM 2010, 34 Rn. 16). Vorliegend ist der Vertrag erst 2008 beendet worden; die vorgenannten Regelungen sind aber spätestens seit dem 1. Januar 2003 nicht mehr anzuwenden.
303.
31Die Klägerin kann somit dem Grunde nach die gezahlten Prämien aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil sie diese rechtsgrundlos geleistet hat.
32Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB allerdings nicht uneingeschränkt alle Prämien, die die Klägerin an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO) darf im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden In Rechnung zu stellen ist insbesondere, dass der Versicherungsnehmer während der Dauer der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat; diesen muss er sich im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung als erlangten Vermögensvorteil anrechnen lassen. Bei Lebensversicherungen kann, so der Bundesgerichtshof, etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (aaO).
33Ausgehend hiervon muss sich die Klägerin unter Zugrundelegung der von der Beklagten mitgeteilten Zahlenwerte bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den auf die gezahlten Prämien entfallenden Risikoanteil für die Lebensversicherung in Höhe von 122,01 € ebenso anrechnen lassen wie die Versicherungsbeiträge, die auf die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung als eine reine Risikoversicherung entfallen sind (1.682,02 €).
34Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt allerdings eine Anrechnung desjenigen Prämienanteils, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen ist, nicht in Betracht. Sie kann - insbesondere in Bezug auf in den Abschlusskosten enthaltene Provisionsansprüche der Versicherungsvermittler - insoweit vor allem nicht den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB erheben. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 folgt nicht, dass zugunsten des Versicherers sämtliche Kosten, die unmittelbar oder mittelbar mit der Gewährung von Versicherungsschutz während der Dauer der Prämienzahlung zusammen hängen, mindernd zu berücksichtigen sind. Bei der vom Bundesgerichtshof verlangten gerechten Risikoverteilung darf nicht außer Betracht bleiben, dass der Versicherer durch ein ihm zuzurechnendes Fehlverhalten (hier eine unzureichende Widerspruchsbelehrung) wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Vertrag im Zustand schwebender Unwirksamkeit verblieben ist und nicht wirksam werden konnte. Bei dieser Sachlage erscheint es nicht angemessen, den Versicherungsnehmer mit den Kosten für den (letztlich nicht wirksam zustande gekommenen) Vertragsabschluss und die Vertragsdurchführung zu belasten. Das steht im Einklang mit allgemeinen bereicherungsrechtlichen Erwägungen. Ob ein Bereicherungsschuldner Aufwendungen, die er vorgenommen hat, bereicherungsmindernd geltend machen kann, hängt maßgeblich davon ab, welcher der Parteien des Bereicherungsverhältnisses das Risiko des Entstehens dieser Aufwendungen zuzurechnen ist (BGHZ 109, 139; BGHZ 116, 251; NJW 2014, 854, Rz. 36). Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 109, 139) entschieden, dass einem Leasinggeber bei Rückabwicklung aufgrund berechtigter Wandlung des Kaufvertrags gegen den Leasingnehmer kein Anspruch auf die Vertragskosten (Kaufpreis und sonstige mit dem Abschluss des Leasingvertrags in Zusammenhang stehende Kosten) zusteht, weil der Leasingnehmer keine mangelfreie Leistung erhalten hat. Diese Wertung greift auch in der vorliegenden Konstellation. Dass es nicht zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen ist und dem Zustandekommen des Lebensversicherungsvertrags deshalb auch nach Jahren noch widersprochen werden kann, beruht hier maßgebend darauf, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt hat. Das Risiko, dass er deswegen seine Vertragskosten (in Gestalt der Abschluss- und Verwaltungskosten) unnötig aufgewandt hat, muss beim Versicherer bleiben.
35Gleiches gilt für die von der Beklagten erhobenen Ratenzahlungszuschläge.
36Danach ergibt sich folgende Berechnung: Die Klägerin hat unstreitig Prämien in einer Gesamthöhe von 2.940,- € gezahlt. Davon sind der Prämienanteil für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (1.682,02 €) in vollem Umfang und ferner der Risikoanteil der Lebensversicherungsprämien (122,01 €) abzuziehen. Das ergibt einen Betrag von 1.135,97 €.
37Die insoweit von der Beklagten angegebenen Beträge hält der Senat für zutreffend. Soweit es die Beiträge zur Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und den Risikoanteil zur Lebensversicherung, dessen grundsätzlicher Anfall nicht bestreitbar ist, angeht, hat die Klägerin deren von der Beklagten angegebene Höhe zwar bestritten. Gleichwohl legt der Senat die von der Beklagten mitgeteilten Werte gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zugrunde. Nach dieser Bestimmung kann in vermögensrechtlichen Streitigkeiten über die Höhe einer Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entschieden werden, wenn die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung der Forderung in keinem Verhältnis steht. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens wäre mit erheblichen Kosten verbunden, die in keinem Verhältnis zu der Gesamtforderung der Klägerin stehen würden. Aus den vertraglich vereinbarten Leistungen (Verrentungssumme 7.338,- €; Berufsunfähigkeitsrente 600,- € monatlich) ist bei einem anfänglichen Monatsbeitrag von 60,- € ersichtlich, dass die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung einen wesentlichen Teil des versicherten Risikos ausmacht, so dass der von der Beklagten angegebene Prämienanteil für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung von 1.682,02 € ohne weiteres nachvollziehbar ist, ebenso der eher geringe Risikoanteil für die Rentenversicherung von nur 122,01 €. Der Senat hat keinen durchgreifenden Anhalt dafür, dass die von der Beklagten angegebenen Werte fehlerhaft ermittelt worden sind, und übernimmt sie daher in Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO.
38Nutzungen stehen der Klägerin nur in Höhe von 40,68 € zu. Hierbei handelt es sich um die von der Beklagten nach ihrer eigenen Darstellung erzielten Erträge (Überschussbeteiligung, rechnungsmäßige Verzinsung, Schlussgewinn, Nutzungsbeitrag aus konventionellen Sparbeiträgen).
39Der Anspruch aus § 818 Abs. 1 BGB beschränkt sich auf die Erstattung tatsächlich gezogener Nutzungen (BGH, Beschl. v. 30. Juli 2012 – IV ZR 134/11 – m.w.N.). Hierfür ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Grundsätzlich bedarf es hierzu eines entsprechenden Tatsachenvortrags des Versicherungsnehmers (BGH, aaO). Erstinstanzlich hat die Klägerin lediglich vorgetragen, die Zinsberechnung beruhe auf einem Zinssatz von 7%, während die als Anlage K6 vorgelegte Zinsberechnung ersichtlich von einem Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ausgeht. Darüber hinaus hat die Klägerin sich zur Renditehöhe auf das Zahlenwerk in der Broschüre „Geschäftsentwicklung 2009 Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen“ berufen (GA 230); daraus ergebe sich eine Mindestrendite bis 2002 in Höhe von 7%. Soweit damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, es sei zu vermuten, dass die Beklagte mit den eingezahlten Prämien einen entsprechenden Gewinn erzielt habe, wäre diesem Ansatz bei der hier streitgegenständlichen fondsgebundenen Rentenversicherung nicht zu folgen.
40Von vornherein fehlt einer solchen Vermutung die Basis für denjenigen Prämienanteil, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfällt. Dieser Teil der Prämie wird bestimmungsgemäß nicht zur Kapitalanlage verwendet, so dass auch nicht vermutet werden kann, die Beklagte habe insoweit aus den eingezahlten Beiträgen Nutzungen gezogen.
41Eine solche Vermutung gilt bei fondsgebundenen Lebensversicherungen auch nicht in Bezug auf den Sparanteil der Prämie, denn dieser wird vereinbarungsgemäß in Fondsanteilen angelegt; dem Versicherungsnehmer steht als eine tatsächlich gezogene Nutzung im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB nur der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn, der sich hauptsächlich in der Differenz zwischen der Summe der Sparanteile der Prämien und dem Fondsguthaben bei Vertragsbeendigung widerspiegelt, zu.
42Nach den Angaben der Beklagten ist ein derartiger Gewinn vorliegend nicht erzielt worden, denn dem Sparanteil der Prämien (358,54 €) steht ein Rückkaufswert ohne Überschussbeteiligung von lediglich 187,- € gegenüber (Anlage BLD 13). Die konkret gezogenen Nutzungen hat die Beklagte mit insgesamt 40,68 € mitgeteilt. Damit hat sie ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Die Klägerin kann sich bei dieser Sachlage nicht - wie geschehen - mit einfachem Bestreiten genügen, sondern hätte ihrerseits konkret darlegen und Beweis dafür antreten müssen, dass die Angaben der Beklagten unzutreffend sind und sie tatsächlich einen höheren Ertrag erzielt hat. Daran fehlt es.
43Gemäß den vorstehenden Ausführungen ergibt sich: Zu dem von der Beklagten grundsätzlich zurückzuerstattenden Prämienanteil in Höhe von 1.135,97 € sind die von der Beklagten zugestandenen Erträge in Höhe von 40,68 € hinzuzurechnen. Unter Abzug des ausgekehrten Betrages von 243,51 € verbleibt eine Restforderung von 933,14 €. Dieser Betrag ist ab dem Tag nach der Rechts-hängigkeit der Klageforderung (17. Dezember 2013) mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Nutzungen in Höhe von 40,68 € bereits mit der Auskehrung des Betrags von 243,51 € im Jahr 2008 erhalten hat, so dass sich die Restforderung nur noch auf den Beitragsückerstattungsanspruch bezieht. Die Frage, ob Prozesszinsen auf gezogene Nutzungen zu leisten sind (verneinend BGH, NJW 1998, 2529, Rz. 29), stellt sich damit vorliegend nicht.
444.
45Die Forderungen der Klägerin sind nicht teilweise verjährt. Der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ist erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden (so in etwas anderem, aber vergleichbaren Zusammenhang: BGH, VersR 2013, 899, Rz. 16). Die gegenteilige Auffassung von Armbrüster (VersR 2012, 513, 522 f.) überzeugt nicht. Danach soll der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch bereits mit der Zahlung der jeweiligen Versicherungsprämie entstehen, weil der Vertrag schwebend unwirksam sei. Hierzu hat sich Armbrüster auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1976, 104, 105) bezogen, der jedoch eine abweichende Fallkonstellation zugrunde lag. Vorliegend ist maßgebend, dass der Vertrag erst nach der Entscheidung des Versicherungsnehmers, den Widerspruch zu erklären, endgültig unwirksam geworden ist, während er zuvor von beiden Parteien wie ein wirksamer Vertrag durchgeführt wurde. Erst mit der Ausübung des Widerspruchsrechts steht fest, dass der Vertrag rückabzuwickeln ist, so dass der Bereicherungsanspruch des Versicherungsnehmers auch erst zu diesem Zeitpunkt entsteht. Unabhängig davon wäre auch fraglich, ob schon mit der Zahlung der Prämie eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Versicherungsnehmers von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB angenommen werden könnte. Das wird wegen der Schwierigkeit der Rechtslage kaum anzunehmen sein (so auch Jacob, juris-PR-VersR 8/2014, Anm. 2).
465.
47Einen Anspruch auf Schadensersatz wegen unzureichender Widerspruchsbelehrung hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Der Bundesgerichtshof hat im Anwendungsbereich des HWiG – vorgegeben durch 2 Vorabentscheidungen des EuGH (NJW 2005, 3551 und 3555) – allerdings entschieden, dass die nach diesem Gesetz verlangte Widerrufsbelehrung eine echte Rechtspflicht darstellt, deren Verletzung bei Verschulden zu einem Schadensersatzanspruch führen kann (BGHZ 169, 109, 120; BGH, VersR 2008, 1544). Ob diese Rechtsprechung, die auf den Besonderheiten des HWiG und den insoweit maßgebenden europarechtlichen Vorgaben beruht, unbesehen auf andere Widerrufs-/ oder Widerspruchsrechte übertragen werden kann (so offenbar Ebers in: Schwintowski/ Brömmelmeyer, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 52), erscheint fraglich. Das kann hier aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn man auch im Anwendungsbereich des § 5a VVG a.F. eine Rechtspflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht annehmen wollte, kann daraus nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Schadensersatzanspruch nur dann hergeleitet werden, wenn die Schadensursächlichkeit des Belehrungsverstoßes feststeht. Dazu aber fehlt jeder Vortrag des Klägers. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens gilt insoweit nicht (so ausdrücklich BGHZ 169, 109 ff., Tz. 43). Dass die Klägerin sich bei ordnungsgemäßer Belehrung zu einem fristgerechten Widerspruch entschlossen hätte, liegt auch eher fern, denn augenscheinlich wollte sie sich vertraglich binden und hat den Vertrag dann auch mehr als 5 Jahre lang durchgeführt.
486.
49Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten zu. Einen Anspruch aus Verzug macht die Klägerin nicht geltend; sie leitet den Anspruch vielmehr ausschließlich aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung her (GA 42). Ein solcher Anspruch besteht indes – wie unter Ziff. 5. dargelegt – nicht.
507.
51Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
52Der Senat lässt die Revision zu, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Wie die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags, dem wirksam widersprochen worden ist, erfolgt, ist bislang in den Einzelheiten nicht geklärt. Soweit die Klage abgewiesen worden ist, stellen sich keine Grundsatzfragen, so dass kein Anlass zu einer Revisionszulassung besteht.
53Berufungsstreitwert: 4.697,18 €
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Annotations
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.