Oberlandesgericht Köln Urteil, 22. Dez. 2015 - 20 U 146/15
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19. August 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 59/15 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit dem Vertrag Nr. xx-xxxxxx23 zurückgewiesen worden sind. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit Rechtsvorgängerinnen der Beklagten vier fondsgebundene Lebensversicherungen (Verträge Endz. -51, 02, -87 und -23) mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 1999, 1. Juni 2000 bzw. 1 Dezember 2004 ab. Mit Anwaltsschreiben vom 28. Februar 2014 erklärte er zu allen Verträgen den Widerspruch nach § 5a VVG und vorsorglich den Rücktritt nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 14. März 2014 kündigte er die Verträge hilfsweise. Die Beklagte akzeptierte die Kündigungen und zahlte die von ihr ermittelten Rückkaufswerte aus.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich der ausgekehrten Beträge.
Der Kläger hat behauptet, bei Antragstellung seien ihm keinerlei weitere Unterlagen überlassen worden. Mangels ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. sei er noch im Jahr 2014 zum Widerspruch berechtigt gewesen. Nachdem die Beklagte zu den Verträgen -51, -02 und -87 die Versicherungsanträge vorgelegt hat, hat die Klägerin einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell unstreitig gestellt (GA 193, 195) und den Standpunkt vertreten, die Rücktrittsbelehrungen seien unzureichend.
5Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.662,47 € nebst 5 Prozent-punkten hieraus über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die D-GmbH außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.952,55 € nebst 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dass der Kläger noch zum Rücktritt nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. bzw. zum Widerspruch nach § 5a VVG a.F. berechtigt ist.
12Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. August 2015, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen.
13Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt Er hält die Rücktrittsbelehrungen, soweit die Verträge im Antragsmodell geschlossen wurden, sowie die Widerspruchsbelehrung zum Vertrag mit der Endz. -23 weiterhin für unzureichend.
14Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
15Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
18A.
19Verträge Endziff. -51, -02 und -87
201.
21Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf die Versicherungsverträge geleisteten Prämien abzüglich der ausgekehrten Beträge gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Die Versicherungsverträge sind auf der Grundlage des insoweit auch nach Auffassung des Klägers zur Anwendung kommenden Antragsmodells wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 1999 bzw. zum 1. Juni 2000 zustande gekommen. Der Kläger ist nicht innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss der Verträge von diesen zurückgetreten (§ 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F.). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 28. Februar 2014 (GA 70) erklärte Rücktritt war verfristet.
22Die Rücktrittsbelehrung, die sich gleichlautend in den Versicherungsanträgen vom 1. Dezember 1999 (GA 130, 148) und vom 14. Mai 2000 (GA 152) findet, ist seitlich neben dem Text mit dem Wort „Rücktrittsrecht“ versehen und lautet:
23„Sofern mir alle gesetzlichen Verbraucherinformationen und alle für diesen Antrag geltenden Versicherungsbedingungen ausgehändigt werden, steht mir folgendes Rücktrittsrecht vom Vertrag zu: Ich kann innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluß des Vertrages vom Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung an den Versicherer. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat. Unterbleibt die Belehrung, so erlischt das Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung des ersten Beitrages. Sofern ich nicht die oben genannten Verbraucherinformationen bei Antragstellung alle erhalten habe, gilt nicht das Rücktrittsrecht, sondern das Widerspruchsrecht, über das ich mit Erhalt des Versicherungsscheines belehrt werde.“
24Diese Belehrung genügt formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen. § 8 Abs. 5 Satz 2 VVG a.F. verlangt lediglich eine Belehrung über das Rücktrittsrecht, ohne näher zu beschreiben, welche Form und welchen Inhalt die Belehrung haben muss. Gleichwohl ist zu verlangen, dass die Belehrung inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss; sie muss ferner so gestaltet sein, dass sie dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH, VersR 2015, 224 und VersR 2013, 1513).
25An einer ausreichenden drucktechnischen Hervorhebung kann es fehlen, wenn die Belehrung inmitten eines Textblocks abgedruckt ist, der weitere Informationen, etwa über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält, und der Hinweis auf das Rücktrittsrecht innerhalb des Textblocks in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben wird (so im Fall BGH, VersR 2015, 224).
26Die vorliegende Belehrung im Antragsformular genügt in formaler Hinsicht noch den Anforderungen. Der gesamte Belehrungstext ist in einer ausreichend großen Schrifttype gehalten und zudem durch die seitlich angebrachte Überschrift „Rücktrittsrecht“ hervorgehoben. Die Beklagte arbeitet zwar auch in einer anderen Passage des Antrags mit diesem Hervorhebungsmittel („Gesetzliche Verbraucherinformationen“). Gleichwohl geht die Belehrung über das Rücktrittsrecht nicht in dem Gesamttext des Antrags unter, sondern ist dadurch, dass sie in einem gesonderten Absatz enthalten und mit dem seitlich neben dem Text angebrachten Wort „Rücktrittsrecht“ gekennzeichnet ist und sich schließlich nahe der Unterschriftszeile befindet, noch so hervorgehoben, dass sie bei aufmerksamem Durchlesen des jeweils nur aus einer Seite bestehenden Antrags zur Kenntnis genommen werden kann.
27Der Kläger hat die Rücktrittsbelehrung auch, wie es § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. verlangt, durch seine Unterschrift bestätigt. Dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. ist nicht zu entnehmen, dass die Rücktrittsbelehrung durch eine gesonderte Unterschrift zu bestätigen ist. Sie muss vielmehr nur „durch Unterschrift“ bestätigt werden. Hierzu reicht die Unterschrift unter den Antrag, in dem die Belehrung enthalten ist, aus (OLG Köln - 20. Zivilsenat -, Urt. v. 1. August 2014 - 20 U 21/14 -; Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8, Rn. 54 mit Rn. 46; Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 64). Soweit das OLG Düsseldorf in dem vom Kläger herangezogenen Urteil vom 24. März 2015 - 4 U 99/13 - zu dem dort verwendeten Antragsformular die Auffassung vertreten hat, es liege keine hinreichende Bestätigung der dortigen Belehrung durch Unterschrift vor, ist zu bemerken, dass es sich vorliegend um ein anderes Antragsformular handelt. Vorliegend ist die Belehrung - wie ausgeführt - hinreichend deutlich hervorgehoben und findet sich auch nahe der Unterschriftszeile, so dass hier kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Unterschrift auch die Belehrung bestätigt.
28Die Rücktrittsbelehrung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Belehrung weist zutreffend darauf hin, dass die Rücktrittsfrist nach Abschluss des Vertrags beginnt. Das entspricht dem Gesetzestext des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. und muss nicht näher erläutert werden. Auch bedarf es keines Hinweises auf die Rechtsfolgen des ausgeübten Rücktritts; das verlangt § § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. nicht.
29Die Belehrung ist auch nicht deshalb intransparent, weil auch auf ein eventuell bestehendes Widerspruchsrecht hingewiesen wird. Die Belehrung trennt deutlich zwischen Rücktritts- und Widerspruchsrecht. Ob die Belehrung über das Widerspruchsrecht ausreichend wäre, ist unerheblich, weil es vorliegend alleine um das Recht zum Rücktritt geht.
30Die Rücktrittsfrist von 14 Tagen ab Vertragsschluss ist somit wirksam in Gang gesetzt worden, so dass der erst 2014 erklärte Rücktritt verfristet ist. Auf die Monatsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. kommt es vorliegend nicht an.
31B. Vertrag Endziff. -23
321.
33Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrages gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Policenmodells gemäß § 5a Abs. 1 VVG a.F. wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 zustande gekommen. Der Kläger hat dem Vertragsschluss nicht binnen der vorliegend maßgebenden Frist von 30 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprochen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 28. Februar 2014 (GA 70) erklärte Widerspruch war verfristet.
34Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
35Dass dem Kläger mit dem Versicherungsschein auch die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformationen überlassen worden sind, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Der Kläger hat dies ausdrücklich zugestanden (S. 3 der Klageschrift; GA 3).
36Die Widerspruchsbelehrung, die in dem 2-seitigen Policenbegleitschreiben vom 3. Dezember 2004 (GA 18R) enthalten ist, ist formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie lautet:
37Widerspruchsrecht
38Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheines, insbesondere der Versicherungsbedingungen, als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
39Im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben macht die Belehrung dem Versicherungsnehmer noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Allerdings erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. beginnt. Der Senat hält dies aber für unschädlich. Die Belehrung stellt klar, dass die Widerspruchsfrist erst nach „Überlassung der Unterlagen“ beginnt. Damit ist verdeutlicht, dass weder alleine die Überlassung des Versicherungsscheins noch die Überlassung der Versicherungsbedingungen ausreichen, um die Frist in Gang zu setzen, sondern dass es vielmehr noch der Überlassung weiterer Unterlagen bedarf. Welche Unterlagen dies sind, erschließt sich dem Versicherungsnehmer aber ohne weiteres aus dem weiteren Text des Policenbegleitschreibens, auf das die Belehrung mit der Formulierung „Überlassung der Unterlagen“ ersichtlich Bezug nimmt. In dem Policenbegleitschreiben heißt es einleitend:
40„wir überreichen Ihnen als Anlage die Unterlagen zu der abgeschlossenen
41H Variable Fondspolice.“
42Bei diesen Unterlagen handelt es sich im Wesentlichen um den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen (vgl. GA 19 ff.). Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer mithin unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des Policenbegleitschreibens noch hinreichend klar, dass der Lauf der Widerspruchsfrist auch die Überlassung der Verbraucherinformationen voraussetzt.
43Diese vom Senat bereits zu einer im Wortlaut identischen Belehrung vertretene Auffassung (Senatsurt. v. 6. Dezember 2013 - 20 U 144/13 -) hat der Bundesgerichtshof mit Hinweisbeschluss vom 30. Juni 2015 - IV ZR 16/14 - bestätigt, indem dort angeführt ist, der Senat habe mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung die Ansicht vertreten, dass die Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Policenbegleitschreibens dem Versicherungsnehmer noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Der abweichenden Auffassung des OLG Hamm (Beschl. v. 24. Juli 2013 - 20 U 106/13 -) folgt der Senat nicht, zumal in dem dortigen Fall auch im Versicherungsschein die Verbraucherinformationen nicht erwähnt wurden, während vorliegend die „Verbraucherinformationen zu den Anlagemöglichkeiten“ im Versicherungsschein als „Beilagen zum Versicherungsschein“ angeführt worden sind (GA 20; Bl. 3 des Versicherungsscheins). Entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe (Urt. v. 11. August 2015 - 12 U 41/15 -) wird trotz der Verwendung des Begriffs „Beilagen“ im Versicherungsschein hinreichend klar, dass es sich auch bei den unter diesem Begriff angeführten Verbraucherinformationen um Unterlagen im Sinne der Widerspruchsbelehrung handelt. Die Formulierung in der Belehrung und im Policenbegleitschreiben grenzt den Kreis der Unterlagen nicht ein, so dass für den Versicherungsnehmer nicht der Eindruck entstehen kann, die Verbraucherinformationen gehörten nicht zu den für den Fristbeginn maßgebenden Unterlagen.
44Weitere Einwände gegen die inhaltliche Richtigkeit der Belehrung erhebt der Kläger mit der Berufung nicht mehr. Wegen der erstinstanzlich insoweit noch erhobenen weiteren Bedenken wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
45Da die Beklagte den Kläger mithin über sein Widerspruchsrecht wirksam belehrt und ihm die notwendigen Vertragsunterlagen mit Zusendung des Versicherungsscheins überlassen hat, hätte der Kläger das Widerspruchsrecht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen, was vorliegend nicht geschehen ist.
462.
47Ob § 5a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 S. 1 VVG a.F. gegen europäisches Recht verstößt, bedarf keiner Entscheidung. Der Senat ist auch nicht gehalten, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob das Policenmodell im Einklang steht mit den Bestimmungen in Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang II Buchstabe A der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 bzw. Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang III Buchstabe A der die erstgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 sowie mit Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 90/619/EWG vom 8. November 1990) bzw. Art. 35 der die vorgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002. Einer Vorlage bedarf es deshalb nicht, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist, nicht entscheidungserheblich ankommt (vgl. dazu BVerfG, VersR 2015, 693).
48Hierzu hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es einem Versicherungsnehmer, der mit Überlassung der Versicherungspolice die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformationen und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. erhalten hat, auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach nationalem Recht gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (BGH, VersR 2014, 1065). Dem schließt sich der Senat an.
49Es bedarf auch keiner Vorlage an den EuGH zur Entscheidung darüber, ob das Recht zur Lösung vom Vertrag verwirkt sein kann. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht. Die generellen Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt (BGH, aaO, Rz. 42; BVerfG, aaO, Rz. 43 ff.). Danach ist eine missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (zuletzt etwa EuGH, ZfZ 2014, 100, Rz. 29). Rechtsmissbräuchliches Verhalten kann sich auf der Grundlage lediglich objektiver Kriterien ergeben, soweit die mit der einschlägigen Bestimmung verfolgten Zwecke beachtet werden (so insbes. EuGH, Slg. 2000, I-1705, Rz. 34). Wenn – wie vorliegend – der Versicherungsnehmer über sein Vertragslösungsrecht vor Wirksamwerden des Vertrags ordnungsgemäß belehrt wird und er die notwendigen Vertragsunterlagen rechtzeitig erhalten hat, dann sind die mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung angestrebten Ziele erreicht worden (s. BGH, aaO, Rz. 42; BVerfG, aaO, Rz. 47). Demgemäß ist es treuwidrig, wenn sich der solchermaßen belehrte und informierte Versicherungsnehmer unter Berufung auf ein (unterstelltes) gemeinschaftswidriges Zustandekommen des Vertrags von diesem nach Jahren wieder lösen will. Er würde sich dadurch gegenüber den vertragstreuen Versicherungsnehmern einen objektiv widerrechtlichen Vorteil verschaffen.
50Die Treuwidrigkeit des Verhaltens des Klägers ergibt sich vorliegend daraus, dass er den Vertrag bis zur Widerspruchserklärung mehr als 9 Jahre lang durch Zahlung der Prämien durchgeführt und dadurch bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrags begründet hat.
51C.
52Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
53Der Senat lässt die Revision in Bezug auf Ansprüche des Klägers zum Vertrag End. -23 zu, weil er - bei identischer Widerspruchsbelehrung und gleichem Text („Beilagen“) im Versicherungsschein - von der Rechtsauffassung des OLG Karlsruhe (aaO), das die Belehrung für unzureichend gehalten hat, abweicht. Soweit es die nach dem Antragsmodell geschlossenen Verträge angeht, besteht kein Anlass zur Zulassung der Revision.
54Berufungsstreitwert: 16.662,47 €
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Annotations
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)