Landgericht München I Endurteil, 26. Feb. 2016 - 22 O 380/14

bei uns veröffentlicht am26.02.2016

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf ... € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klagepartei verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher Pflichten und aus Delikt.

Die Klagepartei betreibt einen Online-Stellenmarkt für ... Die Beklagte zu 1) erbringt Dienstleistungen im EDV-Bereich; der Beklagte zu 2) ist seit Januar ... deren Mit-Geschäftsführer.

Die Klagepartei - vormals firmierend als ... - schloss am 6.9.2010 mit der Beklagten zu 1) einen „Rahmenvertrag über EDV-Dienstleistungen“ (K 1). Auf den Vertragswortlaut wird Bezug genommen. Die Beklagte zu 1) erbrachte im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses IT-Leistungen für die Klägerin, die sie in der Regel mit monatlichen Abrechnungen, aber auch durch Abrechnung von bestimmten Einzelaufträgen (vgl. Anlagekonvolute K 46/K 50) in Rechnung stellte.

Im Jahre 2012 kam es zu mehreren Ausfällen des Servers der Klagepartei.

Mit Rechnung vom 7.11.2012 rechnete die Beklagte zu 1) für ... Stunden IT-Dienstleistungen für den Monat Oktober 2012 ... € brutto ab (K 6); mit Rechnung vom 25 4.12.2012 in Höhe von ... € (K 9) reduzierte die Beklagte zu 1) die Stundenanzahl auf ...Stunden, nachdem der Geschäftsführer der Klägerin verlangt hatte, die für die Wiederherstellung des Servers aufgewandten Zeiten aus der Rechnung zu streichen (K 7/K 8).

Die Klagepartei trägt vor, aufgrund der Serverausfälle seien ihre Internet-Angebote temporär jeweils vollständig vernichtet worden und das Kerngeschäft der Klägerin dadurch massiv behindert und beinahe vollständig zum Erliegen gebracht worden. Dies hätten die Beklagten zu verantworten, da nach den Serverausfällen weder Backups hätten eingespielt noch das „Desaster Recovery“ habe vorgenommen werden können, obwohl die Beklagte zu 1) zu deren Erstellung vertraglich verpflichtet gewesen sei. Zudem sei der Beklagte zu 2) weder am 8.10.2013 noch am 19./20.11.2013 für eine Problembehebung erreichbar gewesen, sondern habe die Klagepartei lediglich an die ... als seine Vertreterin verwiesen.

Im Einzelnen:

- Ein erster Serverausfall in der 41. KW 2012, vom 8. bis 11.10.2012, sei auf einen Ausfall beider Festplatten zurückzuführen gewesen. Als Ersatz habe beim Provider der Klägerin ... lediglich ein unvollständiges Backup vorgelegen, so dass Inhalte außerhalb der Datenbanken unwiederbringlich verloren gegangen seien. Der kritische Status der Festplatten habe auch nicht rechtzeitig bemerkt werden können, da das Benachrichtigungssystem (SmartDetect) fehlerhaft konfiguriert gewesen sei und eine falsche Email-Adresse hinterlegt gewesen sei. Emails mit Fehlermeldungen seien deshalb an eine Email-Adresse versandt worden, die keinem Empfänger zugeordnet gewesen sei.

- Der zweite Serverausfall am 19./20.11.2012 sei durch eine fehlerhafte Konfiguration des physischen Servers der Klägerin als öffentlicher Proxy aufgrund einer fehlerhaften Einstellung des Apache Webservers - die die Beklagte zu 1) vorgenommen habe - entstanden. Der dadurch verursachte erhebliche Datenzufluss habe den Server der Klägerin überlastet, so dass er nicht erreichbar gewesen sei. Auf eine Support-Anfrage der Klägerin vom 20.11.2012 habe der Beklagte zu 2), der als einziger technischer Mitarbeiter der Beklagten zu 1) in der Lage gewesen sei, die Serverprobleme zu lösen, erst am 22.11.2012 geantwortet.

- Kurz nach einem dritten Teilausfall am 10.12.2012, bei dem das Programm OEMPro nicht erreichbar gewesen sei, sei der Server vom 13.12.2012 bis zum 17.12.2012 ausgefallen. Trotzdem habe die beklagte Partei mit Schreiben vom 11.12.2012 (K 16) den Rahmenvertrag zur Unzeit gekündigt.

Der Klagepartei sei ein Schaden in Höhe von ... € entstanden, u.z. ... € für den Entwurf des Werbemittels „Lesezeichen“, ... € für die Produktion des „Werbemittels“ Lesezeichen, ... € für Portokosten, ... € für Farbdruck und Lettershop, ... für unnötig aufgewendete Gehälter für 4 Verkäufer während des einwöchigen Serverstillstandes (K 41/K 42), ... € für aufgewendete Arbeitszeit zur Koordination der Arbeiten der Beklagten zu 1), der ... und der internen Mitarbeitern während des Serverstillstandes, ... € für aufgewendete Arbeitszeit für das Wiederherstellen der Inhalte aufgrund Datenverlustes des Servers, ... € Schadensersatz für die Beschädigung der Marke ... € und ... € für den Arbeitsaufwand der ... (K 42/K 43) und 1.062,08 für den Arbeitsaufwand der ... (K 44/K 45/K 46). Hiervon entfielen auf den Schaden vom Oktober 2012 insgesamt ... €, auf den Schaden Vom November 2012 ... € und auf den Schaden vom Dezember 2012 ... € (Aufschlüsselung im Schriftsatz vom 18.2.2016). Vom behaupteten Gesamtschaden wird ein Teilbetrag bestehend aus ... € aus dem Gesamtanspruch wegen Beschädigung der Marke in Höhe von ... € und sämtlichen übrigen Schadenspositionen geltend gemacht.

In der Reduzierung der Rechnung für Oktober 2012 sei ein Schuldanerkenntnis der Beklagten zu sehen.

Die Klagepartei beantragt:

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin ... € zu bezahlen, nebst einem Verzugszins von 8% über dem Basiszinssatz seit dem 19.3.2013.

Die Beklagten beantragen:

Klageabweisung.

Die Beklagten sind der Ansicht, die Teilklage sei mangels Bestimmtheit bereits unzulässig.

Sie bestreiten die Aktivlegitimation der Klagepartei, da der Rahmenvertrag mit der ... geschlossen worden sei.

Aufgrund des Rahmenvertrages seien jeweils konkrete schriftliche Einzelaufträge zu erteilen gewesen, wobei die Beklagte zu 1) auch berechtigt gewesen sei, Aufträge abzulehnen. Ein Service- oder Wartungsauftrag für die dauerhafte Betreuung des Online-Portals bzw. für die ständige Durchführung von Programmierarbeiten sei nicht erteilt worden. Insbesondere sei die Beklagte zu 1) nicht für den ständigen reibungslosen Betrieb des Servers zuständig gewesen sondern nur „auf Abruf“ tätig geworden. Der Geschäftsführer der Klägerin habe den Server selbst verwaltet und als Administrator fungiert.

Der Sachvortrag zu den Serverausfällen sei unsubstantiiert.

- Als sich der Geschäftsführer der Klägerin am 8.10.2012 wegen eines Serverausfalls an den Beklagten zu 2) gewandt habe, habe dieser den Auftrag ablehnen müssen, da er bereits in ein anderes Projekt eingebunden gewesen sei. Er habe jedoch der ... den Fall geschildert, die sich bereits erklärt habe, ihn zu übernehmen. Dies habe der Beklagte zu 2) dem Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt und ihm empfohlen, sich direkt an die ... als Drittfirma zu wenden. Diese sei weder als Vertreterin noch als Subunternehmerin der Beklagten zu 1) tätig geworden. Für den Serverausfall am 8.10.2012 seien die Beklagten jedenfalls nicht verantwortlich.

- Grund für den Serverausfall am 19./20.11.2012 sei offenbar eine DoS-Attacke unbekannter Dritter gewesen. Der Beklagte zu 2) sei im Urlaub in ... gewesen, so dass ihn die Anfrage des Geschäftsführers der Klägerin erst am 22.12.2012 erreicht habe, als dieser bereits die ... eingeschaltet gehabt habe. Auch für den Serverausfall am 19./20.2012 seien die Beklagten nicht verantwortlich.

- Einen Serverausfall vom 13. bis 17.12.2012 bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen. Es sei auch kein Einzelauftrag zur Unzeit gekündigt worden, sondern die Beklagte zu 1) habe sich lediglich geweigert, einen neuen Auftrag der Klagepartei anzunehmen.

Die Reduzierung der Rechnung für Oktober 2012 stelle einen Vergleich zwischen den Parteien dar, in dem die Klagepartei auf die Geltendmachung weiterer Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten verzichtet habe.

Die Sachvortrag zum eingetretenen Schaden sei unsubstantiiert; Kausalität und Höhe der einzelnen Schadenspositionen werden bestritten.

Der Geschäftsführer der Klagepartei habe sich wiederholt beim Beklagten zu 2) darüber beschwert gehabt, dass ihn immer wieder Statusmeldungen einer Überwachungssoftware erreichten, die er habe abstellen wollen. Die Beklagten hätten indes keine solchen Änderungen vorgenommen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe hingegen über die Zugangsdaten verfügt und hätte jederzeit selbstständig Änderungen an den Einstellungen der Überwachungssoftware vornehmen können.

Die Email der Klagepartei vom 8.2.2011 (K 28) belege, dass es die Klagepartei selber gewesen sei, die sich um die Backups gekümmert habe. Die Beklagten seien damit nicht betraut gewesen.

Die Klagepartei repliziert, mit mündlichem Einzelauftrag vom 23.3.2011 sei die Beklagte zu 1) beauftragt worden, den einwandfreien Betrieb des Webservers der Klägerin durch vierzehntägige, jeweils zehnminütige Funktionsüberwachung sicherzustellen. Dies ergebe sich z. B. aus den entsprechenden Erledigungsbestätigungen des Beklagten zu 2) in seinen Emails vom 23.3.2011 (K 18/K 19). Diese Serviceleistung habe die Beklagte zu 1) auch abgerechnet, so bspw. in der Rechnung vom 4.11.2012 (K 17).

Dass die Erstellung von Backups, Backup Desaster Recovery und Smart Detection-Funktionen zu den vertraglichen Pflichten der Beklagten gehört habe, ergebe sich im Übrigen aus dem Email-Verkehr zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten zu 2) (K 4/K 5/K 30).

Mit Email vom 17.9.2012 habe der Geschäftsführer der Klägerin die Beklagten zudem explizit mit der Behebung eines Fehlers im Zusammenhang mit dem Backup beauftragt; die Erledigung des Auftrags sei vom Beklagten zu 2) bestätigt worden (K 22). Zudem habe der Beklagte zu 2) bereits mit Email vom 30.8.2012 (K 23) bestätigt, das Backup-NAS zur Datensicherung des Datenservers der Klägerin eingerichtet zu haben.

In seiner Email vom 29.8.2011 (K 29) habe der Beklagte zu 2) selbst sogar angegeben, die Fehlermeldung könne abgeschaltet werden, da die Daten hinreichend gesichert seien.

Zur Ergänzung des Sachvortrags wird auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Terminprotokolle Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben mit Beschluss vom 26.9.2014 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige ... hat unter dem 17.3.2015 sein Gutachten (Bl. 205/221 d. A.) und unter dem 16.11.2015 sein schriftliches Ergänzungsgutachten (Bl. 267/276 d. A.) erstellt. Diese wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Im Termin vom 29.1.2016 hat das Gericht die Geschäftsführer der Klagepartei und der Beklagten zu 1) formlos angehört. Auf das Terminprotokoll wird Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Teilklage ist zulässig, da die Klagepartei eine Zuordnung der behaupteten einzelnen Schadenspositionen zu dem geltend gemachten Teilbetrag vorgenommen hat (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 253, Rdnr. 9 m. w. N.).

II.

Die Teilklage erweist sich jedoch als unbegründet.

1. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist unbegründet.

1.1. Der Beklagte zu 2) ist nicht Vertragspartner der Klägerin. Vertragspartner des Rahmenvertrages (RV) vom 6.9.2010 - aus dem die Klagepartei ihre vertraglichen Schadensersatzansprüche herleitet - waren die Klagepartei unter ihrer vormaligen Firma und die Beklagte zu 1), vertreten durch Herrn ..., dem damaligen einzigen Geschäftsführer, wie sich aus dem vom Gericht eingesehenen Handelsregisterauszug der Beklagten zu 1) ergibt.

1.2. Ausweislich § 1 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 4 S. 3.1. HS RV war die Beklagte zu 1) zwar als Auftragnehmerin befugt, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter - in erster Linie des Beklagten zu 2) - als Erfüllungsgehilfen zu bedienen. Nach §§ 280 ff. BGB haftet für den Erfüllungsgehilfen aber grundsätzlich der Schuldner; der Erfüllungsgehilfe selbst haftet grundsätzlich nicht aus Vertrag.

1.3. Zwar ist eine vertragliche Haftung des Erfüllungsgehilfen i. S. d. § 278 BGB ausnahmsweise analog den für die culpa in contrahendo geltenden Grundsätzen zu bejahen, wenn die Pflichtverletzung nicht in einer Schlechtleitung liegt, sondern in der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten besteht und wenn der Erfüllungsgehilfe bei Anbahnung und Abwicklung des Vertragsverhältnisses in besonderem Maße für sich persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (vgl. Palandt, BGB; 75. Aufl., § 278, Rdnr. 40; § 311 Rdnr. 60 ff. m. w. N.).

Beide Voraussetzungen sind indes vorliegend nicht erfüllt:

a. Die Klagepartei wirft den Beklagten nicht nur Verletzung von vertraglichen Schutz- und Fürsorgepflichten bzw. Aufklärungspflichten als Nebenpflichten vor, sondern die Verletzung ihrer Pflicht zur fortlaufenden Wartung und Erhaltung der Betriebsbereitschaft und Funktionsfähigkeit der klägerischen IT-Anlage als behauptete vertragliche Hauptpflicht.

b. Zum anderen ist weder aus dem klägerischen Vorbringen noch aus den sonstigen vorgetragenen Umständen des Falles ersichtlich, dass der Beklagte zu 2) bei der Anbahnung und Abwicklung des Vertragsverhältnisses besonderes Vertrauen gegenüber der Klagepartei in Anspruch genommen hätte. Hierbei kann es jedenfalls nicht ausreichen, dass es der Beklagte zu 2) war, der in erster Linie bei Erbringung der Leistungen der Beklagten zu 1) für diese tätig wurde. Vielmehr muss es sich um ein besonderes, über das gewöhnliche Maß des ohnehin jedem längere Zeit tätigen freien Mitarbeiter oder Angestellten eines Vertragspartners entgegengebrachten Vertrauens hinausgehendes Vertrauen handeln. Der Erfüllungsgehilfe muss durch sein Auftreten die persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernommen haben (a. a. O., § 311, Rdnr. 61). Hierfür sieht das Gericht vorliegend keinerlei Anhaltspunkte.

1.4. Das Bestehen deliktische Ansprüche der Klagepartei gegen den Beklagten zu 2) ist nicht ansatzweise ersichtlich.

Die Klage gegen den Beklagten zu 2) war daher abzuweisen.

2. Die Klage gegen die Beklagte zu 1) ebenfalls unbegründet.

2.1. Serverausfall vom Oktober 2012

2.1.1. Die Klagepartei ist zwar aktivlegitimiert, da sie lediglich unter einer anderen Firma Vertragspartnerin des streitgegenständlichen „Rahmenvertrages über EDV-Dienstleistungen“ war.

2.1.2. Es kann indes dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um einen echten Dienstleistungsvertrag gemäß § 611 ff BGB handelt, mit der Folge, dass der Klagepartei bei dessen Schlechterfüllung Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280, 281 BGB zustünden (vgl. Palandt, a. a. O., § 611, Rdnr. 14) oder - wie in dem vom BGH entschiedenen Fall, Az. VII ZR 276/13 - um einen Werkvertrag i. S. d. §§ 631 ff BGB, so dass die Klägerin Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung über §§ 634 Nr. 4 i. V. m. 636, 280, 281, 283 und 311 a BGB verlangen könnte.

2.1.3. Denn die Beklagte zu 1) war nicht bereits aufgrund des Rahmenvertrags zur ständigen Wartung sämtlicher Anwendungen der klägerischen EDV-Anlage, inclusive Web-Server, Firmennetzwerk und Programmierungsarbeiten verpflichtet, sondern bedurfte hierzu konkret zu erteilender Einzelaufträge der Klägerin.

Dies ergibt sich nach Auffassung des Gerichts bereits aus dem der Wortlaut von § 1 Abs. 1 S. 2, 4, Abs. 3, Abs. 4 RV. Dort heißt es lediglich, Ziel der Zusammenarbeit der Parteien sei der störungsfreie Betrieb der Programmierung, bspw. von Internet-Anwendungen, Administration des Webservers bis hin zur Pflege des Firmen-Netzwerkes inklusive aller Netzwerkkomponenten, PCs und Server. Bei all diesen Aufgaben handele es sich grundsätzlich um Dienstverträge. Schon dies spricht dafür, dass - der Natur einer bloßen Rahmenvereinbarung entsprechend - nicht lediglich ein einziger umfassender Service- bzw. Wartungsdauerauftrag erteilt wurde, sondern dass die Erbringung der diversen Aufgaben zur Erreichung des beabsichtigten Vertragszwecks durch konkrete Einzelaufträge zu veranlassen war. Dementsprechend heißt es in § 1 Abs. 3 RV, dass die Aufträge in erster Linie vom Beklagten zu 2) erbracht werden sollten. Spätestens durch Schilderung des Ablaufs des Vertragsschlusses für eine Aufgabe in § 1 Abs. 4 RV, wird klargestellt, dass ein Auftrag erst durch Annahme des Auftraggebers in Textform zustande kommt und diesem dann die jeweils im Rahmenvertrag näher beschriebenen Rahmenbedingungen zugrunde liegen. Ein Kontrahierungszwang für den jeweiligen Auftrag bestehe für keine der Parteien, die somit einen Auftrag ablehnen könnten und bspw. während urlaubsbedingter Abwesenheit nicht zwingend auf eine Anfrage reagieren müssten.

2.1.4. Mangels eines Dauerauftrags zur regelmäßigen Wartung war die Beklagte zu 1) nicht verpflichtet, als Mindeststandards die regelmäßige, mindestens wöchentliche vollständige Datensicherung auf ein vom gesicherten System unabhängiges Sicherungsmedium vorzunehmen und durch ggf. automatisierte Serverüberwachung sowohl den Zustand der Festplatten und der Festplattenspiegelung als auch die Funktionsfähigkeit der Datensicherung zu überprüfen.

Diese Maßnahmen wären aber nach den klaren und eindeutigen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen in seinem Gutachten vom 17.3.2015 - denen das Gericht vollumfänglich folgt - notwendig gewesen, um den mehrtägigen Serverausfall als Folge des Festplattendefekts zu verhindern. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sind nämlich Festplatten dem Verschleiß und damit einem Ausfallrisiko ausgesetzt und können nicht beliebig ausgetauscht werden, da ansonsten essentielle Datenbestände verloren gehen. Deshalb habe sich in der Praxis als Mindeststandard der Einsatz von Festplattenspiegelung und die regelmäßige vollständige Datensicherung etabliert. Am Server der Klagepartei sei zwar sowohl die Festplattenspiegelung als auch eine Datensicherung sowie zur Überwachung der Festplatten das Programm SmartD eingerichtet gewesen. Ob eine regelmäßige Sicherung tatsächlich auch durchgeführt worden sei und an welche Email-Adresse etwaige Fehlerberichte des Programms SmartD gesendet worden seien, sei jedoch nicht feststellbar. Aus den dem Sachverständigen zur Verfügung stehenden Unterlagen gehe nur hervor, dass der Server der Klägerin schon längere Zeit Meldungen bezüglich des Festplattenzustands und des Zustands der Festplattenspiegelung gesendet habe. Im Rahmen einer regelmäßigen Wartung hätten solche Fehlermeldungen überprüft, infolgedessen als erster Schritt ein Selbsttest ausgeführt und ggf. die Festplatte überprüft und ausgetauscht werden müssen, wodurch der Serverausfall vom 8.-11.10.2012 mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können.

Da eine regelmäßige Wartungsverpflichtung sich jedoch - wie oben ausgeführt - aus dem Rahmenvertrag nicht ergibt, war sie von der Beklagten zu 1) im Oktober 2012 auch nicht ohne weiteres zu erbringen. Eine zum Serverausfall führende Rahmenvertragsverletzung der Beklagten zu 1) liegt somit nicht vor.

2.1.5. Die Klagepartei hat aber auch nicht nachgewiesen, der Beklagten einen konkreten Einzelauftrag dahingehend erteilt zu haben, Fehlermeldungen des Programms SmartD als dessen Email-Adressatin entgegenzunehmen und ggf. zu überprüfen oder im Vorfeld des streitgegenständlichen ersten Serverausfalls eine vollständige Datensicherung vorzunehmen.

In den Rechnungen für Oktober 2010 (K 6 bzw. K 9) sind ohne weitere Differenzierung lediglich „IT-Dienstleistungen“ abgerechnet. Die Liste, auf die jeweils verwiesen wird und die u.U. eine Aufschlüsselung er erbrachten Arbeiten erhalten könnte, wurde klägerseits nicht mit vorgelegt.

Die Anlagen K 17-K 19, K 4/K 5, K 30, K 22/23, K 29, K 52/K 53 und K 50, auf die sich die Klagepartei zum Beleg der Einzelauftragerteilung insbesondere bezieht, sind hierfür bereits wegen des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs unbehelflich:

Bei der Anlage K 17 handelt es sich um eine Rechnung vom 4.11.2012 für IT-Dienstleistungen im Monat September 2012. Dass hierbei auch Wartung bzw. Wartung Backup abgerechnet wurden, stützt eine entsprechende Auftragserteilung für Oktober 2012 nicht. Auch dass der Beklagte zu 2) im März 2011 die damals durch die Klagepartei erteilte Aufgabe „Backup fehlt“ mit „erledigt“ kommentierte (K 18), sagt nichts über eine Auftragserteilung im Oktober 2012 aus. Das Gleiche gilt für die Email betreffend Backup-Einstellungen im März 2011 (K 19), die Emails vom Januar 2011 (K 4) und vom April 2011 (K 5) betreffend die Installation diverser Backups und des Programms SmartD, die Email vom März 2011 betreffend die Funktionsfähigkeit des Backups (K 30), das Ticket vom September 2012 betreffend eine Fehlermeldung des Backups, dessen Erledigung vom Beklagten zu 2) bestätigt wurde (K 22), die Email vom August 2012 betreffend ein fehlendes Backup bzw. NAS, die der Beklagte zu 2) dahingehend beantwortete, es sei alles in Ordnung, die Migration sei im Gange (K 23), die Email vom August 2011 betreffend die Fehlermeldung des Backups, die der Beklagte zu 2) damit beantwortete, dies sei kein Problem, man könne die Fehlermeldung abschalten (K 29), das Anlagekonvolut K 50 bestehend aus diversen Rechnungen mit Ausnahme der Rechnung für Oktober 2012 und schließlich für die Rechnungen vom August 2010 betreffend Wartungsarbeiten bzw. die Installation/Konfiguration des Backups (K 52/K 53).

Im Gegenteil findet sich in diesen Unterlagen gerade bestätigt, dass die Beklagte zu 1) mit der Durchführung von Arbeiten betreffend Fehlerberichte des Programms SmartD und des Backups - die offenbar durchweg nur an den Geschäftsführer der Klägerin gingen - erst auf dessen Meldung und Beauftragung und nur für den konkreten Fall hin tätig wurde, denn ansonsten hätte sich eine wiederholte Beauftragung insoweit erübrigt.

2.2. Serverausfälle im November und Dezember 2012

Hier kann dahinstehen, ob und ggf. welche konkreten Einzelaufträge die Klagepartei der Beklagten zu 1) im zeitlichen Zusammenhang mit den Serverausfällen vom November und Dezember 2012 erteilt hat.

Denn aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens ist nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass es eine schuldhafte Schlechterfüllung etwaiger aus einem konkreten Einzelauftrag resultierender Verpflichtungen durch die Beklagte zu 1) war, die die Serverausfälle verursachte.

2.2.1. Nach den Feststellungen des Gutachters ... - denen das Gericht auch insoweit folgt - war der Server der Klagepartei nämlich bereits seit dem 12.10.2012 (also im Anschluss an den ersten Serverausfall) als sog. „offener Proxyserver“ konfiguriert, so dass Internetnutzer die Möglichkeit hatten, unter Wahrung ihrer Anonymität Internetseiten über diesen Server abzurufen, während es für die Klagepartei als Nutzer aussah, als bekäme sie Anfragen vom Proxyserver. Die daraus folgende Überlastung des Webservers führte nach den Feststellungen des Sachverständigen dazu, dass dieser nicht mehr erreichbar war und im November 2012 wiederum ausfiel. Es sei möglich, dass die Konfiguration als offener Proxyserver versehentlich im Zuge der Problembehandlung im Oktober 2012 aktiviert worden sei. Es könne jedoch aus den dem Sachverständigen vorliegenden Unterlagen nicht festgestellt werden, wann genau die Konfiguration als offener Proxyserver aktiviert worden sei und wer dafür verantwortlich gewesen sei, da zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Personen Zugriff auf den Server gehabt hätten.

Damit ist eine direkte Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1) für den Serverausfall im November 2012 jedenfalls nicht nachgewiesen.

2.2.2. Aber auch die Nichterreichbarkeit der Beklagten zu 1) bzw. des für sie tätigen Beklagten zu 2) - der im Urlaub in ... war, so dass ihn die Anfrage des Geschäftsführers der Klägerin erst am 22.11.2012 erreichte - stellt keine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung dar. Denn, wie bereits gezeigt, es bestand gemäß § 1 Abs. 4 RV kein Kontrahierungszwang für den jeweiligen Auftrag, so dass eine Partei berechtigt war, einen Auftrag abzulehnen und nicht verpflichtet war, während urlaubsbedingter Abwesenheit zwingend auf eine Anfrage zu reagieren.

2.2.3. Den klägerseits behaupteten Serverausfall vom Dezember 2012, der von der Beklagten zu 1) in zulässiger Weise gemäß § 138 IV ZPO mit Nichtwissen bestritten werden konnte, da ihr insoweit weder die Darlegungs- und Beweislast obliegt, noch eigene Handlungen und Wahrnehmungen der Beklagten zu 1) betroffen sind, konnte der gerichtliche Sachverständige nicht bestätigen, da er insoweit keinerlei verwertbare Informationen vorgefunden hat.

Damit war auch die Klage gegen die Beklagte zu 1) abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Landgericht München I Endurteil, 26. Feb. 2016 - 22 O 380/14

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Referenzen - Gesetze

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur
Landgericht München I Endurteil, 26. Feb. 2016 - 22 O 380/14 zitiert 10 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung


(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist

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(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sac

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Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2014 - VII ZR 276/13

bei uns veröffentlicht am 05.06.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 276/13 Verkündet am: 5. Juni 2014 Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Referenzen

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 276/13 Verkündet am:
5. Juni 2014
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Darlegung von Mängeln eines Werks, das die Lieferung und Installation von
Software zum Gegenstand hat.
BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 276/13 - OLG Celle
LG Bückeburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juni 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die
Richter Dr. Eick, Halfmeier, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. September 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

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Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht ihrer Leasinggeberin die Rückabwicklung eines auf die Installation von Software und deren Integration in die Arbeitsabläufe der Klägerin gerichteten Vertrages mit der Beklagten.
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Die Klägerin handelt mit Möbeln und Möbelzubehör. Sie bietet ihre Waren auch über verschiedene Online-Shops an. Die Beklagte ist ein EDVHandels - und Softwareentwicklungsunternehmen, welches sich auf den Einbau und die kundenspezifische Anpassung des Warenwirtschaftssystems "B." spezialisiert hat. Die Parteien einigten sich im Juni 2008 über das "Installation- & Einrichtungsvolumen `First Step`". Damit verpflichtete sich die Beklagte, gegen Zahlung von netto 22.141 € ihre "B." zu installieren und einzurichten, insbesondere eine Anbindung ihrer Software an von der Klägerin genutzte Online-Shops herbeizuführen.
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Zur Finanzierung des Vertrages bediente sich die Klägerin eines Leasingunternehmens , das Vertragspartner der Beklagten wurde, die Leistungen der Beklagten der Klägerin zur Nutzung überließ und - später - alle Rechte aus dem Vertrag auf die Klägerin übertrug.
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Die Beklagte lieferte ihre Software am 8. August 2008 an die Klägerin und erstellte am 11. August 2008 die an die Leasinggeberin adressierte Rechnung über netto 22.141 €. Die Klägerin teilte der Leasinggeberin unter dem 8. August 2008 mit, sie habe die Leistungen der Beklagten "fabrikneu, vollständig , ordnungsgemäß, funktionsfähig und der Beschreibung im Vertrag gemäß, sowie … allen getroffenen Vereinbarungen entsprechend übernommen". Zu diesem Zeitpunkt war die von der Beklagten gelieferte Software nicht bzw. nicht vollständig funktionstüchtig, was den Parteien bekannt war. Unter dem 14. August 2008 übersandte die Leasinggeberin der Beklagten einen Scheck über die Rechnungssumme, den die Beklagte einlöste.
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In der Folgezeit stritten die Parteien darüber, ob die Beklagte ihren Pflichten vollständig nachgekommen war, insbesondere die Schnittstellen zu den Online-Portalen funktionierten. Mit Schreiben vom 7. August 2009 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag.
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Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Rückabwicklung des Vertrages, d.h. auf Zahlung von 26.347,79 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe der implementierten Software in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage - nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen zur Frage des Bestehens eines Mangels - abgewiesen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

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Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.

I.

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Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
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Der Klägerin stehe kein Anspruch aus § 634 Nr. 3, §§ 323, 346 BGB zu, da die Klägerin ihrer Darlegungslast hinsichtlich eines Mangels nicht nachgekommen sei.
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Für das Vorliegen eines Mangels sei die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig , da die Leasinggeberin die Leistung der Beklagten abgenommen habe. Die Klägerin sei im Verhältnis zur Leasinggeberin verpflichtet gewesen, die Leistung der Beklagten ordnungsgemäß zu überprüfen. Diese Pflicht habe sie verletzt, indem sie trotz der nicht vollständigen Funktionstauglichkeit der Software der Leasinggeberin die Ordnungsgemäßheit der Leistung mitgeteilt habe. Da die Leasinggeberin sich das Verhalten der Klägerin zurechnen lassen müsse, sei in der Zahlung des Preises in Verbindung mit der uneingeschränkten Übernahmebestätigung der Klägerin die Abnahmeerklärung zu sehen.
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Auf dieser Grundlage habe die Klägerin im Einzelnen vortragen müssen, was zwischen den Parteien hinsichtlich der zu erbringenden Software vereinbart worden sei und welche vereinbarte Funktion nicht habe durchgeführt werden können. Änderungswünsche während des Gebrauchs der Software hätten kenntlich gemacht werden müssen. Dem sei die Klägerin nicht nachgekommen. Es fehle an der Darlegung des Vertragsinhalts, einer Abgrenzung zu Anpassungsarbeiten und zu den Auswirkungen des Providerwechsels.

II.

12
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe einen Mangel nicht hinreichend vorgetragen , ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
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1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Vertrag der Parteien als Werkvertrag einzuordnen ist. Gegenstand des Vertrages war die Anpassung der Software der Beklagten an die Bedürfnisse der Klägerin und die Schaffung von Schnittstellen zu den Online-Shops. Damit schuldete die Beklagte die Herbeiführung des vertraglich vereinbarten Erfolgs als Ergebnis einer individuellen Tätigkeit für die Klägerin (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2010 - VII ZR 224/08, NJW 2010, 2200 Rn. 14).
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Die Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs war nicht, wie die Revisionserwiderung meint, von nur untergeordneter Bedeutung, so dass es sich nicht um einen Kaufvertrag (vgl. §§ 433, 434 Abs. 2 Satz 1 BGB) handelt. Das folgt aus dem Vertragsinhalt und wird auch durch den Umstand bestätigt, dass die Beklagte Anfang August 2008 mit den Arbeiten begann und frühestens Ende September 2008, d.h. nach fast zwei Monaten, ein Online-Shop freigeschaltet werden konnte.
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2. Das Berufungsgericht hat aber die Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels nach Abnahme der Werkleistung überspannt.
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a) Der Besteller genügt seiner Darlegungslast, wenn er Mangelerscheinungen , die er der fehlerhaften Leistung des Unternehmers zuordnet, genau bezeichnet. Zu den Ursachen der Mangelerscheinung muss der Besteller nicht vortragen. Ob die Ursachen der Mangelerscheinung tatsächlich in einer vertragswidrigen Beschaffenheit der Leistung des Unternehmers zu suchen sind, ist Gegenstand des Beweises und nicht des Sachvortrags (BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 - VII ZR 488/00, BauR 2002, 784, 785 = NZBau 2002, 335 m.w.N.).
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b) Diesen Anforderungen entspricht der Sachvortrag der Klägerin. Die Klägerin hat von Beginn des Rechtsstreits an vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Schnittstellen zu den Online-Portalen herzustellen und diese Schnittstellen hätten nicht funktioniert, d.h. ein automatischer Datenaustausch habe nicht stattgefunden. Diese Probleme beruhten nicht auf eigenmächtigen Änderungen des von der Beklagten installierten Systems. Dieses sei vielmehr durchgehend nicht funktionsfähig gewesen.
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Wenn das Berufungsgericht auf dieser Grundlage ausführt, die Klägerin habe bereits nicht dargelegt, was Inhalt des ursprünglichen Vertrages gewesen sei, ist das nicht nachvollziehbar. Soweit das Berufungsgericht Vermutungen darüber anstellt, ob der Vortrag der Klägerin zu Eingriffen in das installierte System zutreffend ist, vermischt es in unzulässiger Weise die Darlegungs- und Beweisebene.
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3. Die Klageabweisung des Berufungsgerichts wegen fehlender Darlegung eines Mangels kann daher keinen Bestand haben. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Rückabwicklungsanspruchs getroffen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat insoweit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
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Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass die Auffassung des Berufungsgerichts, mit der vorbehaltlosen Zahlung der Rechnung in Verbindung mit der Übernahmeerklärung der Klägerin vom 8. August 2008 habe die Leasinggeberin das Werk der Beklagten abgenommen , von Rechtsfehlern beeinflusst ist.
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Abnahme im Sinne von § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeutet die körperliche Entgegennahme des Werks durch den Besteller verbunden mit dessen Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht (BGH, Urteil vom 25. März 1993 - X ZR 17/92, NJW 1993, 1972,1974). Die Billigung des Werks kann ausdrücklich erfolgen, indem der Besteller dem Unternehmer das Einverständnis mit der Werkleistung mitteilt.
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Nach den bisherigen Feststellungen kann weder von einer ausdrücklichen noch von einer konkludenten Abnahme des Werkes der Beklagten ausgegangen werden. Denn zum Zeitpunkt der Übernahmeerklärung war das Werk nicht bzw. nicht vollständig funktionstüchtig, weil insbesondere Schnittstellen zu den Onlineportalen noch funktionsfähig hergestellt werden mussten. Angesichts der Bedeutung dieser Schnittstellen konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass in dem Verhalten der Klägerin oder der Leasinggeberin eine Billigung ihres Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht zu sehen war. Vielmehr hatte unter diesen Umständen die Übernahmeerklärung der Klägerin allein den Zweck, die körperliche Übergabe der Software im einwandfreien Zustand zu dokumentieren.
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Ob die Klägerin, wie das Berufungsgericht meint, mit der Übernahmeerklärung gegen ihre Pflichten gegenüber der Leasinggeberin verstoßen hat, kann dahinstehen. Ein solcher Verstoß gegen Pflichten aus dem Leasingvertrag, wäre für die Frage, ob eine Abnahme im Rahmen des Werkvertrags konkludent erklärt wurde, bedeutungslos.
Kniffka Eick Halfmeier Kartzke Jurgeleit
Vorinstanzen:
LG Bückeburg, Entscheidung vom 14.03.2012 - 1 O 71/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 12.09.2013 - 5 U 63/12 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.