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| A. Entscheidungszuständigkeit |
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| Die Kammer ist zur Entscheidung berufen nach § 32 ZPO und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO i.V.m. § 143 Abs. 1 PatG i.V.m. § 14 ZuVOJu. Die Beklagte ist dem Vorwurf ausgesetzt, bundesweit den deutschen Teil des Europäischen Patents EP […] zu verletzen, womit ein deliktischer Gerichtsstand auch in Baden-Württemberg vorliegt. |
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| Die Klage ist ganz überwiegend begründet. Die Klägerin ist aktivlegitimiert (I.). Die Beklagte verletzt das Klagepatent (II.). Daher stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche zu (III.1.), wobei sie nicht aus kartellrechtlichen Gründen an der Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs gehindert ist (III.2.). Der Beklagten stand auch in der Vergangenheit keine positive Benutzungsbefugnis zu (III.3.). |
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| Die Klägerin ist aktivlegitimiert. |
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| Die Kammer ist aufgrund des als Anlage KP1-K6 vorgelegten „Confirmatory Patent Assignment“ davon überzeugt, dass der Klägerin das Klagepatent übertragen und ihr Schadensersatzansprüche abgetreten wurden (vgl. Ziffer 1. (iii) sowie Annex A). Im Übrigen folgt die Aktivlegitimation bereits aus dem Rollenstand, § 30 Abs. 3 S. 2 PatG. |
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| Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Durchführen einer Rückwärtszählfunktion während eines mobiltelefoninitiierten Transfers für ein Paketfunksystem. |
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| 1. Es kennzeichnet im Stand der Technik zellulare Funktelefonsysteme, die Mobilstationen umfassen, die über Radiofrequenz-Übertragung mit Netzwerkeinheiten in Verbindung stehen, als bekannt. In solchen Netzen würden Informationen in Paketen übertragen, die Datenblöcke umfassten. Innerhalb des zellularen Mobilkommunikationssystems der zweiten Generation (GSM) der Spezifikation 03.64 Version 1.1.0 werde eine Rückwärtszählvariable durch eine Mobilstation verwendet, um die letzten zu übertragenden Datenblöcke in einem Paket einer durch die Mobilstation initiierten Übertragung zu identifizieren. Ideal sei es dabei, wenn das Netzwerk hinreichend vorgewarnt sei, bis wann die Paketübertragung abgeschlossen sein werde. Denn so werde vermieden, dass Kanalressourcen unnötig lange freigehalten würden. Wenn die Übertragung der Daten in mehreren Zeitschlitzen erfolge, so könne dies dazu führen, dass die Übertragung der Blockrahmen abgeschlossen sei, bevor das Netzwerk davon Kenntnis habe. So würden wertvolle Übertragungsressourcen verschwendet. |
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| 2. Das Klagepatent stellt sich die Aufgabe, dieses Problem zu lösen. Hierzu wird ein Verfahren vorgestellt, bei dem die sendende Einheit zunächst die Zahl der noch zu versendenden Blöcke, aus dieser Zahl dann unter Berücksichtigung der zugewiesenen Übertragungsressourcen einen angepassten Wert ermittelt und diesen auf den Empfänger überträgt. Dies lasse sich durch das Verfahren nach Anspruch 1 bewerkstelligen, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen: |
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| Verfahren zur Verwendung in einem drahtlosen Kommunikationssystem zum Senden eines Kommunikationssignals, das eine Vielzahl von Blöcken von Informationen umfasst, über eine vorbestimmte Anzahl von Kanalressourcen, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst: |
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| 1. Senden der Vielzahl von Blöcken von Informationen über eine vorbestimmte Anzahl von Kanalressourcen; |
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| 2. Bestimmen einer Anzahl aus der Vielzahl von Blöcken, die noch gesendet werden müssen, |
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| 3. Basierend auf der vorbestimmten Anzahl von Kanalressourcen, Anpassen der Anzahl aus der Vielzahl von Blöcken, die noch gesendet werden müssen, um eine angepasste Anzahl übrigbleibender Blöcke zu erzeugen; |
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| 4. Senden der angepassten Anzahl von Blöcken, die dem drahtlosen Kommunikationssystem übrigbleiben. |
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| 3. Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen Anspruch 1 mittelbar gem. Art 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 10 Abs. 1 PatG. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die angegriffenen Ausführungsformen geeignet und dazu bestimmt sind, das durch Anspruch 1 geschützte Verfahren durchzuführen, weil sie gemäß dem Standard ETSI TS 144 060 in der Version 5.3.0 (vgl. Anlage KP1-K2) arbeiten. Dies beruht auch nicht auf patentrechtlich verfehlten Anschauungen. |
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| Die von der Beklagten vertriebenen angegriffenen Ausführungsformen sind auch Mittel i.S.v. § 10 Abs. 1 PatG, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, da sie funktional mit einem wesentlichen Element der Erfindung, des durch den Anspruch 1 geschützten Verfahrens zusammenwirken und zur Verwirklichung der erfinderischen Lehre einen funktionell relevanten Beitrag erbringen (vgl. zu den maßgeblichen Kriterien insoweit Kammerurteil vom 12.02.2010, 7 O 84/09 - Handover, veröffentlicht in InstGE 12, 70 ff.), indem sie die wesentlichen Verfahrensschritte des geschützten Verfahrens selbst durch die in ihnen verbauten Chips vollziehen. |
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| Die angegriffenen Ausführungsformen sind zudem offensichtlich dazu geeignet und bestimmt, im Inland für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, da sich dies für den unbefangenen Betrachter von selbst ergibt und vernünftige Zweifel an der Eignung und Bestimmung der angegriffenen Ausführungsform für die Verwendung zur Benutzung der Erfindung nicht bestehen (vgl. BGH GRUR 2001, 288 - Luftheizgerät). |
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| Die festgestellte mittelbare Patentverletzung rechtfertigt die gestellten Anträge. |
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| a) Die Beklagte ist der Klägerin zur Unterlassung nach § 139 Abs. 1 PatG verpflichtet. Das rechtswidrige Angebot und der rechtswidrige Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Vergangenheit begründet die erforderliche Wiederholungsgefahr für die Zukunft. Insbesondere ist vorliegend ein Schlechthinverbot gerechtfertigt, da es der Beklagten nach eigenem Vortrag möglich wäre, ihre angegriffenen Geräte so auszugestalten, dass sie gemeinfrei verwendet werden können (vgl. LG Düsseldorf InstGE 5, 173, 178 - Wandpaneele). |
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| b) Da die Beklagte zur Unterlassung verurteilt wird, sind ihr gemäß § 890 ZPO auf Antrag der Klägerin die gesetzlichen Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung anzudrohen. |
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| c) Durch Urteil ist festzustellen, dass die Beklagte für die begangenen Benutzungshandlungen in der Zeit seit dem 19.04.2003 bis zum 30.07.2010 zum Ersatz des der […] entstandenen Schadens und seit dem 31.07.2010 zum Ersatz des der Klägerin entstanden Schadens sowie der künftig entstehenden Schäden verpflichtet ist. |
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| aa) Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO liegen vor. Die Klägerin kennt den genauen Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen nicht. Ohne diese Kenntnis kann sie einen Antrag auf Zahlung von Schadensersatz nicht beziffern und sich nicht für eine der drei anerkannten Schadensberechnungsmethoden entscheiden. Da aber die Beklagte die Patentverletzung in Abrede stellt, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, auch zur Hemmung der Verjährung und Herbeiführung der dreißigjährigen Verjährungsfrist, dass das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs alsbald festgestellt wird. |
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| bb) Der Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich aus § 139 Abs. 2 PatG. Die Beklagte handelte schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte sie spätestens einen Monat nach Veröffentlichung der Mitteilung über die Erteilung des Klagepatents erkennen können und erkennen müssen, dass das Klagepatent durch die angegriffenen Ausführungsformen verletzt wird. Überdies wurde sie unstreitig vor Aufnahme des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland von der Klägerin darauf aufmerksam gemacht, dass die geschützte Erfindung durch die angegriffenen Ausführungsformen benutzt wird. |
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| d) Die Beklagte ist der Klägerin aus der Verletzung des Klagepatents auch zur Rechnungslegung verpflichtet gemäß § 140b Abs. 1 PatG und einer zu Gewohnheitsrecht erstarkten Anwendung von § 242 BGB. Eine von der Beklagten beanstandete kumulative Belegvorlage wird von der Klägerin nicht begehrt. Soweit Belege über die Lieferungen und die Belieferung verlangt werden, handelt es gerade sich nicht um identische Sachverhalte. Lediglich soweit hinsichtlich der Angebotsempfänger kein Wirtschaftsprüfervorbehalt im Antrag vorgesehen war, war dieser zu ergänzen (vgl. Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 5. Aufl. Rn. 1046) und die Klage abzuweisen. |
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| 2. Kein kartellrechtlicher Zwangslizenzeinwand |
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| Die Klägerin ist nicht aus kartellrechtlichen Gründen gehindert, ihren aus der Verletzung des Klagepatents resultierenden Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte durchzusetzen. |
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| a) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.05.2009 - KZR 39/06 (GRUR, 2009, 694 ff. - Orange-Book-Standard) im Grundsatz anerkannt, dass ein aus einem Patent in Anspruch genommener Beklagter gegenüber dem Unterlassungsbegehren des klagenden Patentinhabers einwenden kann, dieser missbrauche eine marktbeherrschende Stellung, wenn dieser Normadressat des kartellrechtlichen Diskriminierungs- und Behinderungsverbots sei und sich gleichwohl weigere, mit dem Beklagten einen Patentlizenzvertrag zu nicht diskriminierenden und nicht behindernden Bedingungen abzuschließen (vgl. 1. amtlicher Leitsatz). Denn das marktbeherrschende Unternehmen hindere damit das andere Unternehmen am Marktzutritt, den es durch Abschluss des Lizenzvertrages zu eröffnen verpflichtet sei. Die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs sei damit ebenso verboten wie die Weigerung, den Lizenzvertrag abzuschließen, der den Unterlassungsanspruch erlöschen ließe (BGH, a.a.O., Tz. 27). Ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des Patentinhabers und ein treuwidriges Verhalten liege indes nur dann vor, wenn der Lizenzsucher dem Patentinhaber ein unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages unterbreitet habe, das der Patentinhaber seinerseits nicht ablehnen dürfe, ohne hierdurch den Lizenzsucher unbillig zu behindern oder gegen das Diskriminierungsverbot zu verstoßen. Zudem müsse der Lizenzsucher die Verpflichtungen einhalten, die der abzuschließende Lizenzvertrag an die Benutzung des lizenzierten Gegenstandes knüpfe, wenn er den Gegenstand des Patents bereits benutze. Dies bedeute, dass der Lizenzsucher die sich aus dem Lizenzvertrag ergebenden Gebühren zahlen oder die Zahlung sicherstellen müsse (BGH, a.a.O., Tz. 29). Unzulässig sei insbesondere, dass der Lizenzsuchende den Vertragsschluss unter die Bedingung stelle, dass das Verletzungsgericht die von ihm geleugnete Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform bejahe (BGH, a.a.O., Tz. 32). Zudem müsse ein Lizenzsucher, der bereits vor Annahme seines Angebots die Benutzung des Lizenzvertragsgegenstandes aufnehme, auch seinen vertraglichen Pflichten vorgreifen und sich so verhalten, als ob der Patentinhaber sein Angebot bereits angenommen hätte. Hierzu zähle insbesondere seine Pflicht, über den Umfang der Benutzungshandlungen Rechnung zu legen und die sich aus der Abrechnung ergebenden Lizenzgebühren zu zahlen (BGH, a.a.O., Tz. 33), wobei er diese in Höhe eines „jedenfalls ausreichenden Betrages“ (BGH, a.a.O., Tz. 39) auch nach § 372 S. 1 BGB unter Verzicht auf die Rücknahme hinterlegen könne (BGH, a.a.O., Tz. 36). |
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| b) Bislang nicht ausdrücklich entschieden ist - soweit ersichtlich - die Frage, ob der Lizenzsuchende in dem Lizenzangebot, das den unter a) dargestellten Kriterien genügt, dann, wenn er bereits in der Vergangenheit Benutzungshandlungen vorgenommen hat, ohne eine Gestattung des Patentinhabers zu besitzen oder zumindest nach einer solchen unter Unterbreitung eines den vorgestellten Kriterien genügenden Lizenzvertragsangebots nachgesucht zu haben, jedenfalls seine Schadensersatzverpflichtung für die Vergangenheit dem Grunde nach anerkennen muss, um dem Unterlassungsanspruch des Patentinhabers den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand entgegenhalten zu können. |
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| aa) In der Literatur finden sich sowohl Stimmen, die den Lizenzsuchenden für verpflichtet halten, im Lizenzangebot auch die Zeit vor Abschluss des Lizenzvertrages zu regeln (so Jestaedt, GRUR 2009, 801, 803, der den Lizenzsuchenden jedenfalls für verpflichtet hält, nach entsprechender Aufforderung des Patentinhabers vergangene Nutzungshandlungen einzubeziehen, Auskunft zu erteilen und für die Vergangenheit fälligen Lizenzgebühren nebst Zinsen zu zahlen - unentschlossen hingegen im Hinblick auf weitergehende, den im Wege der Lizenzanalogie berechneten Schadensersatz übersteigende Forderungen; ferner: Maume/Tapia, GRUR Int 2010, 923 ff., 926: Hinterlegung auch für in der Vergangenheit erfolgte Nutzungen, indes nicht hinsichtlich die angemessene Lizenzgebühr übersteigender Schadensersatzansprüche, da diese „auch bei ordnungsgemäßem Vertragsschluss nicht angefallen“ wären), wie auch Meinungen, die dies nicht für erforderlich halten (Reimann/Hahn, in: Festschrift für Wolfgang von Meibom, 2010, S. 373 ff, 381). |
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| bb) Ebenso wie der Umstand, ob der wegen Patentverletzung in Anspruch Genommene die Benutzungshandlung erst aufgenommen hat, nachdem er sich vergeblich um eine Lizenz bemüht und ein den durch den Bundesgerichtshof formulierten Anforderungen genügendes Angebot unterbreitet hat, oder ob er das Patent verletzt hat, ohne einen Anspruch auf Benutzungsgestattung geltend gemacht zu haben, für die Frage bedeutsam ist, ob der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand dem Schadensersatzanspruch entgegengesetzt werden kann (vgl. BGH, Urt. v.13.7.2004 - KZR 40/02, GRUR 2004, 966, 970 - Standard-Spundfass), ist dieser Umstand auch für die Frage relevant, ob der vom Patentinhaber in Anspruch Genommene den Einwand gegen den Unterlassungsanspruch des Patentinhabers führen kann. |
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| cc) Zwar ist für die Geltendmachung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes gegenüber dem zukunftsbezogenen Unterlassungsanspruch nicht erforderlich, dass der Lizenzsuchende bereits vor Aufnahme der Benutzungshandlung ein den zuvor beschriebenen Anforderungen genügendes Lizenzvertragsangebot abgibt (so aber: Maume/Tapia, GRUR Int 2010, 923 ff., 924 sowie Ann, VPP-Rundbrief 2010, 46, 49 f.; anders zurecht Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 5. Aufl. Rn. 1275). |
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| Hat der Lizenzsuchende jedoch in der Vergangenheit Benutzungshandlungen vorgenommen, ohne dem Patentinhaber ein den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung Orange-Book-Standard aufgestellten Kriterien genügendes Angebot unterbreitet zu haben, ist er verpflichtet, seine Schadensersatzverpflichtung für in der Vergangenheit vorgenommene Benutzungshandlungen jedenfalls dem Grunde nach anzuerkennen. |
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| Denn sofern der Patentinhaber die Anerkennung des ihm zustehenden Schadensersatzanspruchs geltend macht, übt er - der ratio decedendi des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung Standard-Spundfass folgend (vgl. BGH, Urt. v.13.7.2004 - KZR 40/02, GRUR 2004, 966, 968 - Standard-Spundfass bei bb); vgl. hierzu Grabinski; in: Festschrift 50 Jahre Bundespatentgericht, 2011, S. 243 ff., 245) - nur die ihm infolge seiner erfinderischen Leistung durch hoheitlichen Erteilungsakt zuerkannte Rechtsmacht aus und beeinträchtigt hingegen nicht den Wettbewerb in kartellrechtswidriger Weise dadurch, dass er eine Marktmacht in diskriminierender Weise ausübt, die er nur deshalb innehat, weil der Produktnachfrager aufgrund einer Norm oder aufgrund anderer normähnlicher standardisierter Vorgaben von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist. |
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| Hingegen verhält sich der Lizenzsuchende seinerseits widersprüchlich, wenn er einerseits ein in die Zukunft gerichtetes Lizenzvertragsangebot unterbreitet, das - den Orange-Book-Standard-Kriterien folgend - insoweit die Frage der Patentbenutzung nicht in Frage stellt, andererseits die Verletzungsfrage für die Vergangenheit bestreitet. Wenn sich der Lizenzsuchende darüber hinaus einen Angriff auf den Rechtsbestand des Patents vorbehält, erzielt er zudem eine Besserstellung gegenüber redlichen Lizenznehmern, die - anders als der Lizenzsuchende - bereits vor Aufnahme der Benutzungshandlung Lizenz genommen haben. Denn während jene die von ihnen entrichteten Lizenzzahlungen auch für den Fall der Nichtigerklärung des Schutzrechts nicht zurückverlangen können (vgl. nur die Rechtsprechungsnachweise bei Mes, PatG, 3. Aufl. 2011, § 15 Rn. 76), könnte der Lizenzsuchende dem gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruch entgegentreten und eine Verpflichtung zur Leistung von im Wege der Lizenzanalogie berechneten Schadensersatz abwenden, wenn sein Angriff auf den Rechtsbestand des Schutzrechts erfolgreich ist. Dies führte zu einer ungerechtfertigten Besserstellung gegenüber dem redlichen Lizenznehmer. |
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| Dies gilt auch für den Fall, dass der Lizenzsuchende - wie vorliegend - jedenfalls eine Rückforderung des im Wege der Lizenzanalogie berechneten Schadensersatzes ausschließt, sich indes gegen den darüber hinausgehenden Schadensersatz die Verteidigung offen hält. Denn auch in diesem Fall stünde der vormalige Patentverletzer wirtschaftlich besser als der redliche Lizenznehmer, der schon vor Aufnahme der Benutzungshandlung Lizenz am betreffenden Schutzrecht genommen hat. |
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| Überdies würde der Lizenzsuchende, der sich den Nichtigkeitsangriff vorbehält, seinerseits den Patentinhaber zu einer Handlung verpflichten wollen, die jener sogleich wieder rückgängig machen könnte und wäre damit dem dolo agit - Einwand des Patentinhabers ausgesetzt: |
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| Denn mag auch die Vereinbarung eines Nichtangriffs auf das lizenzierte Schutzrecht kartellrechtlich regelmäßig unwirksam sein (vgl. Wuttke, in: Ann/Loschelder/Grosch (Hrsg.), Praxishdb. Know-How-Schutz, Kap. 5 Rn. 151; Bartenbach, Patentlizenz- und Know-How-Vertrag, 6. Aufl. Rn. 2080 ff.), so kann der Lizenzgeber jedenfalls den Lizenzvertrag eines Lizenznehmers, der einen Nichtigkeitsangriff gegen das lizenzierte Schutzrecht führt, aus wichtigem Grund kündigen (Bartenbach, a.a.O.,Rn. 961). Folglich würde der Lizenzsuchende den Patentinhaber zum Abschluss eines sofort wieder kündbaren Lizenzvertrages auffordern. Die Weigerung des Patentinhabers dies zu tun, kann der Lizenzsuchende dem Patentinhaber daher nicht als kartellrechtswidriges Verhalten entgegenhalten, wenn jener seinen Unterlassungsanspruch durchzusetzen sucht. |
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| c) Die Beklagte hat ihre Schadensersatzverpflichtung vorliegend nicht dem Grunde nach anerkannt, sondern sie verpflichtet sich nach § 4 (2) des Lizenzvertragsangebots (vgl. Anlage B7/7a) lediglich zur Zahlung einer ihrem Wesen nach nicht bezeichneten „Einmalzahlung“ nebst Zinsen für das Herstellen, Anbieten, Vertreiben auf dem Markt, Benutzen und den Import und Besitz der lizenzierten Produkte. Der Klägerin soll lediglich das Recht vorbehalten bleiben, höhere Schadensersatzzahlungen für diese Handlungen geltend zu machen, die die Einmalzahlung übersteigen. Für diesen Fall wird die Beklagte indes nach § 8 (1) S. 2 ihre Angriffe gegen den Rechtsbestand des Klagepatents nicht aufgeben. Ein solches Angebot muss der Patentinhaber aus den geschilderten Gründen nicht annehmen und verhält sich demnach nicht kartellrechtswidrig, wenn er das Angebot zurückweist. |
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| Dabei kann die Beklagte auch nicht einwenden, sie schulde ohnehin nicht mehr als Ersatz des im Wege der Lizenzanalogie berechneten Schadens, der durch die „Einmalzahlung“ abgedeckt sei. Denn sie verkennt insoweit, dass ein kartellrechtswidriges Verhalten des Patentinhabers erst ab dem Zeitpunkt im Raum stehen kann, in dem ihm ein Lizenzvertragsangebot unterbreitet wurde, das den Bedingungen nach der Entscheidung Orange-Book-Standard entspricht. Für den Zeitraum, in dem Benutzungshandlungen vorgenommen wurden, ohne dass auch nur eine Lizenzofferte vorlag, bleiben dem Patentinhaber volle Schadensersatzansprüche nach allen anerkannten Berechnungsmethoden (Lizenzanalogie, Verletzergewinn, entgangener Gewinn) erhalten (so zurecht Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 5. Aufl. Rn. 1276). |
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| d) Ob über die Anerkennung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach weiter erforderlich ist, dass der Schadensersatz des Patentinhabers durch Zahlung an den Patentinhaber bereits geleistet wird oder wenigstens ein Betrag unter Verzicht auf die Rücknahme hinterlegt wird, der jedenfalls ausreichend ist, um den im Wege der Lizenzanalogie und des für den Lizenzsuchenden ebenfalls ermittelbaren Verletzergewinns berechneten Schadensersatzanspruch zu erfüllen, kann vorliegend ebenso offen bleiben wie die Frage, ob sich das Lizenzvertragsangebot auf das Klagepatent beschränken darf oder ob Lizenz am gesamten, auch ausländische Schutzrechte umfassenden (standardessentiellen) Patentportfolio der Klägerin bzw. ihrer Konzernmutter genommen werden muss. Nicht zu beantworten ist vorliegend zudem die Frage, ob bei jedenfalls bedingt vorsätzlicher Patentverletzung dem Beklagten der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand ohnehin abgeschnitten ist. |
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| 3. Keine positive Lizenz am Klagepatent |
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| Die Beklagte kann sich auch nicht auf ein positives Benutzungsrecht am Gegenstand des Klagepatents berufen. |
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| Zum einen behauptet die Beklagte ein solches positives Benutzungsrecht ohnehin nur, soweit Module des Unternehmens [Z.] zum Zeitpunkt der Markteinführung des [Gerätebezeichnung] in den [Gerätebezeichnung] der ersten Generation bis in das Jahr […] verbaut wurden. Somit trägt sie hinsichtlich der weiteren angegriffenen Ausführungsformen bereits nicht vor, lizenzierte Module zu verbauen und verbaut zu haben. |
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| Zum anderen hat die Klägerin substantiiert bestritten, das [Z.] Lieferant von [Y.] war und dass die [Z.] erteilte Lizenz auch eine Lieferung an [Y.] erfasst hat. Vielmehr habe es sich um eine Modullizenz gehandelt, die auf Lieferungen in den Niedrigpreismarkt begrenzt gewesen sei. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat insoweit weder substantiiert vorgetragen, noch hat sie Beweis angetreten. |
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| Eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die von der [X.] erhobene Nichtigkeitsklage ist nicht geboten, da nicht in hohem Maße wahrscheinlich ist, dass das Klagepatent vernichtet werden wird. |
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| 1. Die Entscheidung ist zwar vorgreiflich im Sinne des § 148 ZPO. Die Kammer übt aber das ihr durch diese Vorschrift eingeräumte Ermessen dahin aus, dass von einer Aussetzung abgesehen wird. Die Kammer lässt sich hierbei von folgenden Überlegungen leiten: |
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| a) Um Missbräuche zu verhindern, ist ein Verletzungsprozess nur dann auszusetzen, wenn der voraussichtliche Erfolg einer Nichtigkeitsklage von den Beklagten glaubhaft gemacht ist. Die bloße Möglichkeit der Vernichtung des Klagepatents genügt für eine Aussetzung nicht. Allgemein ist große Zurückhaltung mit der Anordnung der Aussetzung geboten, damit nicht im Wege der Aussetzung letztlich eine Suspendierung des dem Patentinhaber durch die Patenterteilung auch für die Gerichte bindend verliehenen Verbotsrechts für eine erhebliche Zeitspanne erreicht wird. Es ist daher eine hohe Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rechtsbeständigkeit des Klagepatents zu verlangen (vgl. Rogge/Grabinski, a.a.O., § 139 Rz. 107). Diese, das Interesse der Klägerin zutreffend beschreibenden Gesichtspunkte überwiegen im vorliegenden Fall das Interesse der Beklagten an einer Aussetzung des Rechtsstreits sowie das allgemein durch § 148 ZPO geschützte Interesse an der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen. |
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| aa) Zum einen handelt es sich bei der Entgegenhaltung NK 6 um eine Dokument, das im Klagepatent als Stand der Technik gewürdigt wurde. Dass die Würdigung der Schrift durch die Erteilungsbehörden als der Erteilung nicht entgegenstehend offensichtlich verfehlt wäre, hat die Beklagte nicht dargelegt. |
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| bb) Es ist vielmehr bereits nicht ersichtlich, dass durch die Schrift Merkmal 2 offenbart würde. Die zitierten Standardstellen zeigen nicht, dass nach dem standardgemäßen Verfahren eine Anzahl aus der Vielzahl von Blöcken bestimmt würde, die noch gesendet werden müssen. Gezeigt wird lediglich, dass die letzten zu übertragenden Blöcke „heruntergezählt“ werden, nicht jedoch, dass eine Anzahl von Blöcken aus der Vielzahl zu übertragender Blöcke bestimmt wird. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass in der entgegengehaltenen Schrift die Merkmale 3 und 4 neuheitsschädlich vorweggenommen werden. Der Schluss, dies sei der Fall, weil die Entgegenhaltung einen Countdown lehre, vermag nicht zu überzeugen. |
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| cc) Aus den nämlichen Gründen wird die erfinderische Lehre auch nicht durch die Entgegenhaltung NK7 neuheitsschädlich vorweggenommen. |
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| dd) Soweit die erfinderische Tätigkeit unter Hinweis auf die Entgegenhaltungen NK 6 und NK 7 in Abrede gestellt wird, kann die Beklagte - jedenfalls der nicht fachmännisch besetzten Kammer - bereits nicht aufzeigen, dass sich für die Begründung einer erfinderischen Tätigkeit kein vernünftiges Argument mehr finden ließe. Denn es erscheint vielmehr einer unzulässigen ex-post Betrachtung geschuldet, dass die Beklagte die Auffassung vertritt, der Fachmann sehe durch die Entgegenhaltungen überhaupt den von der Beklagten als „Einkanalfall“ bezeichneten Fall angesprochen, von dem ausgehend dann die klagepatentgemäße Lösung naheliege, weil sie schlicht darauf beruhe, die Anpassung des Countdown-Wertes in der Weise vorzunehmen, dass die verbleibende Blockzahl ermittelt werde, indem die Zahl zu sendender Blöcke durch die Anzahl der vorhandenen Kanalressourcen dividiert werde. |
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| Soweit eine Abwendungsbefugnis nach § 712 Abs. 1 ZPO begehrt wurde, fehlt es an substantiiertem Vortrag und einer Glaubhaftmachung, dass der Beklagten im Fall der Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil entsteht. |
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| Bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung hinsichtlich einer Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs ist nicht auf die gesamte verbleibende Schutzdauer des Klagepatents abzustellen, sondern lediglich auf die Zeitdauer, bis eine Entscheidung in der Berufungsinstanz voraussichtlich vorliegen wird. Die Höhe der Sicherheitsleistung betreffend die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs orientiert sich dabei an den von der Beklagten offengelegten Umsätzen in den Jahren […] - […] bei Zugrundelegung einer linearen Umsatzentwicklung in dem angesprochenen Zeitraum bis zur Verkündung einer Entscheidung in der Berufungsinstanz. Hierbei war indes zu berücksichtigen, dass die Rechnungslegung sich auf den erzielten Umsatz der [Y.] und nicht den der Beklagten bezieht. |
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| Soweit von der Beklagten begehrt wird, die Vollstreckung des Rechnungslegungsanspruchs im Hinblick auf den entstehenden Wettbewerbsvorteil und korrespondierenden Schaden der Beklagten infolge des Verlustes von Marktanteilen von einer Sicherheitsleistung in Höhe von EUR […] abhängig zu machen, ist der entsprechende Vortrag ohne Substanz. Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich daher an dem geschätzten Aufwand der Beklagten für die Rechnungslegung. |
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