Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss, 11. Apr. 2017 - 5 Ta 36/17
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 09.02.2017, Az. 2 Ca 644/16, abgeändert und das Vergütungsfestsetzungsverfahren an das Arbeitsgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass bei der erneuten Entscheidung über die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragte Vergütungsfestsetzung für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs vom 11.08.2016 in Höhe von 557,35 € gemäß Nr. 1000 VV RVG eine 1,5-fache Einigungsgebühr anzusetzen ist.
Gründe
I.
- 1
Der Beschwerdeführer begehrt im Rahmen der Abrechnung seiner Prozesskostenhilfegebühren die Festsetzung einer Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs in Höhe des 1,5-fachen der Einigungsgebühr.
- 2
Im Hauptsacheverfahren stritten die Parteien über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Mit der Klagschrift hatte die Klägerin bereits die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten, dem Beschwerdeführer, beantragt. Zu Beginn der Güteverhandlung bewilligte das Arbeitsgericht der Klägerin mit Beschluss vom 11.08.2016 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten und unter Anordnung einer monatlichen Ratenzahlung in Höhe von 100,00 €. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage schlossen die Parteien sodann einen Vergleich, den das Arbeitsgericht protokollierte. Nach Anhörung der Parteien setzte das Arbeitsgericht den Streitwert auf 4.458,75 € und den Vergleichsmehrwert auf 557,35 € fest. Danach beschloss das Arbeitsgericht, dass sich die Prozesskostenhilfe für die Klägerin auf den Mehrwert des Vergleichs erstrecke (Protokoll vom 11.08.2016, Bl. 10 f. d. A.).
- 3
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 12.08.2016 unter Zugrundelegung der erfolgten Streitwertfestsetzung die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von insgesamt 1.299,72 €, wobei er für den Streitwert von 4.458,75 € eine 1,0-fache Einigungsgebühr und für den Mehrvergleichswert in Höhe von 557,35 € die 1,5-fache Einigungsgebühr forderte. Der Rechtspfleger setzte mit Beschluss vom 05.09.2016 die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf insgesamt 1.168,82 € fest, wobei er u.a. lediglich eine 1,0-fache Einigungsgebühr, berechnet nach einem Betrag von 5.016,10 €, berücksichtigte. Insgesamt zog er von der beantragten PKH-Vergütungsfestsetzung einen Betrag in Höhe von 130,90 € ab.
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Gegen diesen ihm formlos am 07.09.2016 zugesandten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13.09.2016, bei Gericht eingegangen am 20.09.2016, Beschwerde eingelegt. Er hat weiterhin geltend gemacht, dass ihm das 1,5-fache der Einigungsgebühr für den nicht rechtshängig gewesenen Mehrvergleichswert im Rahmen der PKH-Gebührenfestsetzung zustehe. Mit Beschluss vom 15.12.2016 hat der Rechtspfleger der Beschwerde nicht abgeholfen und sie der Instanzrichterin zur Entscheidung vorgelegt. Mit Beschluss vom 09.02.2017 hat das Arbeitsgericht der Erinnerung des Beschwerdeführers gegen die Vergütungsfestsetzung vom 05.09.2016 nicht abgeholfen und die Beschwerde zugelassen. Der Rechtspfleger habe die Einigungsgebühr für den Mehrwert des Vergleichs zu Recht gemäß Nr. 1003 VV RVG auf 1,0 festgesetzt. Die Reduzierung der Einigungsgebühr nach 1003 VV RVG von 1,5 auf eine 1,0 Gebühr trete danach ein, wenn entweder ein gerichtliches Verfahren zur Hauptsache oder ein PKH-Bewilligungsverfahren für ein beabsichtigtes Hauptsacheverfahren gestellt sei, es sei denn, es handele sich dabei um ein selbstständiges Beweisverfahren. Das bedeute, dass ein anderweitiges gerichtliches Verfahren bereits dadurch eingeleitet werde, dass Prozesskostenhilfe beantragt werde, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs beantragt worden sei. Grund für die höhere Vergleichsgebühr bei einem Mehrwert des Vergleichs sei, dass der Prozessvertreter Arbeit vom Gericht fernhalte. Die 1,5-fache Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG falle nur dann an, wenn die Parteien in der Verhandlung zusätzliche Ansprüche benennen und gleichzeitig eine Einigung präsentierten. Nur in diesem Falle finde keine Beschäftigung des Gerichts mit der Materie statt und eine Beibehaltung der höheren Einigungsgebühr sei wegen des Entlastungseffekts für die Gerichte gerechtfertigt. Nur wenn Prozesskostenhilfe für die reine Protokollierung eines Vergleichs mit Mehrwert beantragt werde, führe der PKH-Antrag nicht zu einer Herabsetzung der 1,5-fachen Einigungsgebühr. Habe sich das Gericht jedoch im Rahmen der Erörterung des Sach- und Streitstandes auch mit dem Vergleichsmehrwert befasst, trete dieser Entlastungseffekt nicht ein. Letztlich sei danach zu entscheiden, ob ein Vergleich ohne (dann 1,5 Gebühr) oder unter Mitwirkung des Gerichts (dann 1,0 Gebühr) abgeschlossen worden sei. Gleiches gelte für den Gegenstand des Mehrvergleichs. Habe über ihn eine Erörterung in irgendeiner Form stattgefunden, gebe es nur eine 1,0 Vergleichsgebühr. Gegen diesen ihm am 14.02.2017 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 23.02.2017 Beschwerde eingelegt, dem das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 27.02.2017 nicht abgeholfen und dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
II.
- 5
Die Beschwerde ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2, 3, Abs. 7 RVG.
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Der Beschwerdeführer kann als Prozessbevollmächtigter der Klägerin im Rahmen der PKH-Vergütungsfestsetzung neben der Festsetzung der 1,0-fachen Einigungsgebühr auf den Verfahrenswert von 4.458,75 € gemäß Nrn. 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 1000 VV RVG eine zusätzliche 1,5-fache Einigungsgebühr nach einem Vergleichsmehrwert von 557,35 € gemäß Nrn. 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 1000 VV RVG beanspruchen.
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1. Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht die 1,5-fache Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Nach Nr. 1003 VV RVG betragen die Gebühren nach Nr. 1000 bis 1002 VV RVG 1,0, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV RVG gilt diese Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0 auch dann, wenn über den Verfahrensgegenstand zugleich ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbstständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird oder sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 erstreckt (§ 48 Abs. 3 RVG). Dabei stehen die Nrn. 1000 (1,5-fach), 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 (1,0-fach) und 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 (1,5-fach) VV RVG in einem Verhältnis: Grundsatz - Ausnahme - Rückausnahme (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. April 2016 – 5 Ta 118/15 –, Rn. 13, juris).
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2. Hieran gemessen liegt ein Fall der Rückausnahme der Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VV RVG vor, sodass für den Vergleichsmehrwert gemäß Nr. 1000 VV RVG i. V. m. Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VV RVG eine 1,5-fache Einigungsgebühr festzusetzen ist.
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a) Die Ausnahme der Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VV RVG ist ebenso wie die Rückausnahme in Satz 1 Alt. 2 des Abs. 1 an den Tatbestand eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens (PKH-Verfahren) geknüpft. Einziges Unterscheidungskriterium für die privilegierte Rückausnahme ist, dass sich bei ihr der Prozesskostenhilfeantrag lediglich auf die Protokollierung des Vergleichs beziehen darf. Das Wort "lediglich" bezieht sich nicht auf die Tätigkeit des Gerichts (Protokollierung), sondern auf den Antrag (LAG Düsseldorf, Beschl. v. 25.09.2015 - 5 Sa 273/14 -, Rn. 9, juris; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 13.10.2014 - 13 Ta 342/14 -, Rn. 10, juris; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.04.2016 - 5 Ta 118/15 -, Rn. 7 ff., juris). Der von der Klägerin erst nach Abschluss des Vergleichs - konkludent - gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für den Mehrwert des Vergleichs war ersichtlich nicht mehr für ein beabsichtigtes streitiges Verfahren gestellt worden, sondern nur für die Protokollierung des Vergleichsmehrwertes. Dies belegt bereits der Verlauf der protokollierten Güteverhandlung. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin zunächst für das anhängige Kündigungsschutzverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt. Nach der Erörterung des Sach- und Streitstandes haben die Parteien sodann den gerichtlichen Vergleich geschlossen. Erst nach der Streitwertfestsetzung hat das Gericht beschlossen, dass sich die bereits bewilligte Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrwert des Vergleichs erstreckt. Da ohne Antrag keine Prozesskostenhilfe - auch nicht für einen Mehrvergleich - bewilligt werden kann, ist davon auszugehen, dass die Klägerin einen solchen zumindest konkludent gestellt hat. Da zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich der Prozessvergleich bereits protokolliert war, konnte sich dieser PKH-Antrag nur auf die Protokollierung des Vergleichsmehrwertes beziehen. Damit liegt aber eindeutig ein Fall der Rückausnahme der Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VV RVG vor.
- 10
b) Demgegenüber führt ein Antrag, der für den Gegenstand des Mehrvergleichs Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines streitigen Verfahrens begehrt, zu einer Kürzung der Gebühr gemäß Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VV RVG. In einem solchen Prozesskostenhilfeverfahren bedarf es der Prüfung der Erfolgsaussichten des Klagebegehrens durch das Gericht. Demgegenüber ist Prozesskostenhilfe für die Protokollierung eines Vergleichs bereits dann zu bewilligen, wenn zu erwarten ist, dass über den Gegenstand des Mehrvergleichs ein Vergleich zustande kommt (BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11 -, Rn. 21, juris).
- 11
Der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin für den Mehrvergleich bezog sich ersichtlich nicht auf ein beabsichtigtes streitiges Verfahren über diese bislang nicht rechtshängigen Verfahrensgegenstände (Ziff. 3. und 4. des Vergleichs: Freistellung und/oder Zeugnis); denn zum Zeitpunkt der Antragstellung war der Vergleich inklusive des Mehrvergleichs bereits abgeschlossen und protokolliert.
- 12
c) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts setzt die Festsetzung einer 1,5-fachen Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VV RVG i. V. m. Nr. 1000 VV RVG für den Mehrvergleich in Höhe von 557,35 € nicht die fehlende Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs voraus (LAG Hamm, Beschl. v. 16.09.2015 - 6 Ta 419/15 -, Rn. 19, juris; LAG Hamm, Beschl. v. 18.08.2015 – 6 Ta 277/15 -, Rn. 20, juris; LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 09.08.2016 - 17 Ta (Kost) 6058/16 -, Rn. 19, juris; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.04.2016 - 5 Ta 118/15 -, Rn. 7 ff., juris; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 25.09.2014 - 5 Sa 273/14 -, Rn. 12, juris; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 13.10.2014 – 13 Ta 342/14 -, Rn. 13, juris; vgl. auch mit anderer Argumentation: LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 11.10.2016 – 1 Ta 104/16 -, juris; a. A.: Sächsisches LAG, Beschl. v. 18.10.2016 – 4 ZTa 49/16 (3) -, Rn. 35, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 12.03.2015 5 Ta 51/15 -, Rn. 14, juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 18.11.2011 – 1 Ta 191/11 -, Rn. 12, juris). Die Entstehung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG hat nicht zur Voraussetzung, dass durch die Einigung eine konkrete Entlastung der Gerichte eintritt. Zwar hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Einigungsgebühr die Erwartung verknüpft, dass der mit dieser Gebühr geschaffene Anreiz zur einvernehmlichen Streitbeilegung generell eine Entlastung der Justiz mit sich bringen werde (BT-Drucks. 15/1971, S. 204), er hat jedoch - wie der Gesetzeswortlaut zeigt - eine konkret messbare Entlastung des Gerichts im Einzelfall durch Mitwirkung des Gerichts am Vergleich, deren Feststellung mitunter ohnehin erhebliche Probleme bereiten würde, nicht zur Anspruchsvoraussetzung erhoben. Im Übrigen tritt auch bei Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen eines Mehrvergleichs regelmäßig eine Entlastung des Gerichts ein. Denn in diesem Falle brauchen weder konkret die Erfolgsaussichten des mitverglichenen Streitgegenstandes geprüft noch ein etwaig nachfolgendes Urteil abgesetzt zu werden.
- 13
d) Dementsprechend fällt eine 1,5-fache Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG unabhängig davon an, ob und in welchem Umfang das Gericht außerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens über den Gegenstand des Vergleichs tatsächlich an dessen Zustandekommen mitgewirkt hat. Das zeigt deutlich der Fall, in dem kein Prozesskostenhilfeantrag gestellt wird: Hier besteht nach allgemeiner Meinung keine Grundlage für eine Kürzung der Gebühr, selbst wenn das Gericht intensiv am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat. Hätte der Gesetzgeber das Ausmaß der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs für maßgeblich erachtet, hätte er dies konsequenterweise auch außerhalb von Prozesskostenhilfeanträgen zum Kürzungsgrund erhoben. Die formale Anknüpfung der Gebührenkürzung in Nr. 1003 VV RVG an ein anhängiges gerichtliches Verfahren und dessen Gegenstand und nicht an die konkrete Mühewaltung des Gerichts oder Rechtsanwalts im Einzelfall entspricht auch der vorherrschenden Regelungssystematik des RVG (LAG Düsseldorf, Beschl. v. 25.09.2015 - 5 Sa 273/14 -, Rn. 10, juris). Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, der für die Vergütungsfestsetzung zuständig ist, kann oftmals auf der Grundlage des Protokolls gar nicht feststellen, ob das Gericht im Rahmen der Vergleichsverhandlungen aktiv an der Einigung des mitverglichen Streitgegenstandes (Mehrvergleich) mitgewirkt hat oder ob die Parteien die zuvor allein untereinander getroffene Einigung über den Mehrvergleichsgegenstand dem Gericht nur zur entsprechenden Protokollierung präsentiert haben. Auch im vorliegenden Fall ergab sich die Mitwirkung des Gerichts am Abschluss des Mehrvergleichs gerade nicht aus dem Protokoll selbst. Hierin steht lediglich, dass das Gericht mit den Parteien „die Sach- und Rechtslage erörtert“ hat. Dies bezieht sich aber ersichtlich auf die rechtshängigen Streitgegenstände, für die das Gericht bereits Prozesskostenhilfe bewilligt hatte. Gerade aus dem Eingangssatz „Die Parteien schließen folgenden Vergleich“ folgt nicht, ob das Gericht auch an dem Zustandekommen des Mehrvergleichs mitgewirkt hat. Folgerichtig hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vorsitzende Richterin mit Verfügung vom 18.08.2016 auch um entsprechende Auskunft gebeten. Ein derartiges Nachforschen im Rahmen der Gebührenfestsetzung widerspricht indessen dem formalistisch geregelten Gebührenfestsetzungsverfahren nach dem Gebührenverzeichnis zum RVG.
- 14
3. Nach alledem war die Beschwerde begründet und der angefochtene Gebührenfestsetzungsbeschluss aufzuheben.
- 15
Das Gebührenfestsetzungsverfahren war nach § 572 Abs. 3 ZPO an das Arbeitsgericht mit der Maßgabe zurückzuverweisen, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse dem Beschwerdeführer zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts neu berechnet.
- 16
Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel mehr gegeben, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.
Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss, 11. Apr. 2017 - 5 Ta 36/17
Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss, 11. Apr. 2017 - 5 Ta 36/17
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss, 11. Apr. 2017 - 5 Ta 36/17 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.
(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist auf die gesetzliche Vergütung gerichtet und bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, soweit nichts anderes bestimmt ist. Erstreckt sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses oder ist die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hierauf beschränkt, so umfasst der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind.
(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen und die Beiordnung eine Berufung, eine Beschwerde wegen des Hauptgegenstands, eine Revision oder eine Rechtsbeschwerde wegen des Hauptgegenstands betrifft, wird eine Vergütung aus der Staatskasse auch für die Rechtsverteidigung gegen ein Anschlussrechtsmittel und, wenn der Rechtsanwalt für die Erwirkung eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung beigeordnet ist, auch für deren Vollziehung oder Vollstreckung gewährt. Dies gilt nicht, wenn der Beiordnungsbeschluss ausdrücklich etwas anderes bestimmt.
(3) Die Beiordnung in einer Ehesache erstreckt sich im Fall des Abschlusses eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag
- 1.
den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten, - 2.
den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander, - 3.
die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, - 4.
die Regelung des Umgangs mit einem Kind, - 5.
die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen, - 6.
die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht oder - 7.
den Versorgungsausgleich
(4) Die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Absatz 1 Betragsrahmengebühren entstehen, erstreckt sich auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist. Die Beiordnung erstreckt sich ferner auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit.
(5) In anderen Angelegenheiten, die mit dem Hauptverfahren nur zusammenhängen, erhält der für das Hauptverfahren beigeordnete Rechtsanwalt eine Vergütung aus der Staatskasse nur dann, wenn er ausdrücklich auch hierfür beigeordnet ist. Dies gilt insbesondere für
- 1.
die Zwangsvollstreckung, die Vollstreckung und den Verwaltungszwang; - 2.
das Verfahren über den Arrest, den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung, die einstweilige Verfügung und die einstweilige Anordnung; - 3.
das selbstständige Beweisverfahren; - 4.
das Verfahren über die Widerklage oder den Widerantrag, ausgenommen die Rechtsverteidigung gegen den Widerantrag in Ehesachen und in Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(6) Wird der Rechtsanwalt in Angelegenheiten nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet, erhält er die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung, in Strafsachen einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage und in Bußgeldsachen einschließlich der Tätigkeit vor der Verwaltungsbehörde. Wird der Rechtsanwalt in einem späteren Rechtszug beigeordnet, erhält er seine Vergütung in diesem Rechtszug auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung. Werden Verfahren verbunden und ist der Rechtsanwalt nicht in allen Verfahren bestellt oder beigeordnet, kann das Gericht die Wirkungen des Satzes 1 auch auf diejenigen Verfahren erstrecken, in denen vor der Verbindung keine Beiordnung oder Bestellung erfolgt war.
Tenor
Auf die Erinnerung des Klägervertreters wird der Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 29.08.2014 abgeändert. Die dem Klägervertreter aus der Staatskasse zu zahlende Einigungsgebühr für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs vom 31.07.2014 (1.200,00 €) ist gemäß Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5 anzusetzen.
1
Gründe:
2I.
3Der Beschwerdeführer begehrt im Rahmen der Abrechnung seiner Prozesskostenhilfegebühren die Festsetzung einer Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs in Höhe von 1,5.
4Die Parteien schlossen im 2. Rechtszug ihres Kündigungsrechtsstreits im Termin am 31.07.2014 "nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage auf Vorschlag des Vorsitzenden" einen gerichtlich protokollierten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung geendet hat sowie Abwicklungsmodalitäten, eine Abfindungszahlung und eine Ausgleichsklausel vereinbart wurden. Im Anschluss an die Genehmigung des Vergleichs und noch in der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger, die bereits zuvor für diesen Rechtszug "erteilte Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrvergleich zu erstrecken". Das Landesarbeitsgericht bewilligte daraufhin unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten die Prozesskostenhilfe auch für den Vergleich und setzte anschließend den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.800,00 € und für den Vergleich auf 6.000,00 € fest.
5Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag vom 31.07.2014 beantragte der Klägervertreter für den Mehrwert des Vergleichs von 1.200,00 € die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts setzte lediglich eine Einigungsgebühr i.H.v. 1,0 gemäß Nr. 1003 VV RVG an und führte zur Begründung aus, eine Gebührenreduzierung nach Nr. 1003 VV RVG finde immer schon dann statt, wenn der Mehrvergleich Gegenstand der gerichtlichen Erörterung gewesen ist, sodass das Gericht nicht mehr allein als Beurkundungsorgan für einen außergerichtlich erreichten Vergleich in Anspruch genommen wird. Der hiergegen eingelegten Erinnerung hat er nicht abgeholfen und sie dem Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.
6II.
7Über die - unbefristete - Erinnerung des Klägervertreters gegen die Festsetzung seiner aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung war gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG durch Beschluss zu entscheiden. Gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 8 RVG ist der Vorsitzende als Einzelrichter zuständig.
8In der Sache hat die Erinnerung Erfolg. Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle war die Einigungsgebühr für den Mehrvergleich nach Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5 anzusetzen.
9Nach Nr. 1000 der Anlage 1 zum RVG beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Die erhöhte Gebühr soll einen Anreiz zur Vermeidung streitiger Entscheidungen setzen und damit zur Entlastung der Gerichte beitragen. Nach Nr. 1003 VV RVG ermäßigt sich die Gebühr auf 1,0, wenn über den Gegenstand der Einigung ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Dies gilt nach Abs. 1 der Anmerkungen zu Nr. 1003 VV RVG unter anderem auch, wenn in Bezug auf den Gegenstand ein Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird.
10Die Voraussetzungen für die Ermäßigung nach Nr. 1003 VV RVG liegen nicht vor. Als gerichtliches Verfahren über den Gegenstand des Mehrvergleichs kommt hier von vornherein nur das Verfahren über die beantragte Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich in Betracht. An einem solchen Verfahren könnte es schon deshalb fehlen, weil im Zeitpunkt der Verwirklichung des Gebührentatbestands, also bei Genehmigung des Vergleichs durch die Prozessbevollmächtigten, der Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe noch nicht gestellt war. Die Frage kann aber offenbleiben. Selbst wenn der Antrag auf Erstreckung von Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich als bereits in dem ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrag des Klägers "stillschweigend" enthalten anzusehen (vgl. etwa BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390; BAG 30.04.2014 - 10 AZB 13/14, NZA-RR 2014, 382 Rn. 16 ff.) und er damit bei Genehmigung des Vergleichs als bereits "anhängig" i.S.d. Nr. 1003 VV RVG einzuordnen wäre, wäre der Ermäßigungstatbestand der Nr. 1003 VV RVG nicht erfüllt. Denn ein solcher Antrag ist ungeachtet einer etwaigen Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs lediglich auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs gerichtet und fällt somit unter die Rückausnahme des Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 1003 VV RVG.
11Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung soll eine lediglich für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragte Prozesskostenhilfe nicht gegeben sein, wenn das Gericht über die bloße Protokollierung hinaus auf irgendeine Weise an dem Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat (vgl. etwa LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10, juris; LAG Schleswig-Holstein 18.11. 2011 - 1 Ta 191/11, juris; LAG München 11.07.2012 - 10 Ta 34/12, unveröff.; Gerold/Schmidt RVG 21. Aufl. VV 1003, 1004 Rn. 44; Bischof u.a., RVG 5. Aufl., Nr. 1003 VV/Teil 1 Rn. 45). Dem kann nicht gefolgt werden.
12Die Ausnahme der Nr. 1003 VV RVG ist ebenso wie die Rückausnahme im letzten Halbsatz des Abs. 1 an den Tatbestand eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens geknüpft. Einziges Unterscheidungskriterium für die Rückausnahme ist, dass sich bei ihr der Antrag und damit das Verfahren lediglich auf die Protokollierung des Vergleichs beziehen dürfen. Das Wort "lediglich" bezieht sich nicht auf die Tätigkeit des Gerichts (Protokollierung), sondern auf den Antrag. Demgegenüber führt ein Antrag, der für den Gegenstand des Mehrvergleichs Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines streitigen Verfahrens begehrt, zu einer Kürzung der Gebühr. In einem solchen Verfahren bedarf es der Prüfung der Erfolgsaussichten des Klagebegehrens, während Prozesskostenhilfe für die Protokollierung eines Vergleichs schon zu bewilligen ist, wenn zu erwarten ist, dass über den Gegenstand der Mehrvergleichs ein Vergleich zustande kommt (BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390).
13Unerheblich ist es demnach, ob und in welchem Umfang das Gericht außerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens über den Gegenstand des Vergleichs tatsächlich an dessen Zustandekommen mitgewirkt hat. Das zeigt sich deutlich in dem Fall, dass kein Prozesskostenhilfeantrag gestellt wird: Hier besteht keine Grundlage für eine Kürzung der Gebühr, selbst wenn das Gericht intensiv am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat (allg. M.). Hätte der Gesetzgeber das Ausmaß der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs für maßgeblich erachtet, hätte er dies konsequenterweise auch außerhalb von Prozesskostenhilfeanträgen zum Kürzungsgrund erhoben. Die formale Anknüpfung der Gebührenkürzung an ein anhängiges Verfahren und dessen Gegenstand und nicht an die konkrete Mühewaltung des Gerichts oder Rechtsanwalts im Einzelfall entspricht demgegenüber der vorherrschenden Regelungstechnik des RVG.
14Es kann daher nur fraglich sein, ob der hier gegebene Antrag, Prozesskostenhilfe auch auf den Vergleichsmehrwert zu erstrecken, einen anderen Verfahrensgegenstand hat als der Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des gerichtlichen (Mehr-)Vergleichs. Das ist nicht der Fall. Die Anträge sind auf ein identisches Ziel gerichtet. Ein Prozesskostenhilfeantrag "für die Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs" macht keinen Sinn. Die bloße Mühewaltung des Gerichts löst hier keine Kosten aus, für deren Bestreitung Hilfe beantragt werden könnte. Die Kosten für die Protokollierung des Mehrvergleichs werden vielmehr durch die Mitwirkung des Gerichts an seinem Zustandekommen nicht beeinflusst. Deshalb sind die Anträge auf Prozesskostenhilfe in beiden Fällen auf dasselbe Ziel gerichtet, nämlich lediglich auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs.
15Bei der Mitwirkung des Anwalts an der Protokollierung des Vergleichs werden somit unabhängig von der Beteiligung des Gerichts an dessen Zustandekommen für den Gegenstand des Mehrvergleichs stets die Gebühr aus Nr. 1000 VV RVG sowie - falls der Anwalt in Bezug auf diese Gegenstände bereits zuvor mit der Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren beauftragt war - eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach (im Berufungsverfahren) Nr. 3201 VV RVG (dort gem. Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs.) fällig. Weitere Gebührentatbestände fallen nicht an. Die beantragte Erstreckung der bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich ist damit für die Höhe der Einigungsgebühr unschädlich.
16Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen der herrschenden Meinung zu der Vorgängerregelung in § 23 BRAGO (vgl. Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rn. 40b m.w.N.). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die bereits damals streitige Frage entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Neuregelung im Sinne der damaligen Mindermeinung hätte entscheiden wollen.
17Quecke
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 07.07.2014 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 27.06.2014 - 11 Ca 964/14 - aufgehoben.
Auf die Erinnerung des Antragstellers vom 03.06.2014 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf 20.05.2014 in der Fassung der teilweisen Abhilfe vom 26.06.2014 bezogen auf die Festsetzung der Einigungsgebühr abgeändert.
Insoweit wird das Vergütungsfestsetzungsverfahren an das Arbeitsgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen, bei der erneuten Entscheidung über die vom Antragsteller beantragte Vergütungsfestsetzung für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs vom 10.04.2014 (3.843,40 €) eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 VV RVG in Höhe von 1,5 anzusetzen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
1
G R Ü N D E :
2A.
3Im Ausgangsverfahren beantragte der Kläger mit der Klageschrift Prozesskostenhilfe "für das vorliegende Verfahren". Im Gütetermin schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Widerrufsvergleich, der auch nicht rechtshängige Gegenstände regelte. Der Antragsteller beantragte für den dortigen Kläger zu Protokoll "Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich". Die dortige Beklagte widerrief den Vergleich, da eine Kontaktaufnahme mit dem entscheidungsbefugten Regionalleiter nicht rechtzeitig erfolgen konnte. Im Anschluss einigten sich die Parteien jedoch auf einen Vergleich desselben Wortlauts (mit Ausnahme der Widerrufsmöglichkeit), dessen Zustandekommen und Inhalt das Gericht nach § 278 Abs. 6 ZPO mit Beschluss vom 10.04.2014 feststellte. Mit Beschluss vom 29.04.2014 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger "für den 1. Rechtszug Prozesskostenhilfe in vollem Umfang".
4Den Antrag des Antragstellers auf Festsetzung der Anwaltsvergütung im Prozesskostenhilfe-Verfahren hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 20.05.2014 zurückgewiesen, soweit dieser Gebührenansprüche für den Mehrvergleich umfasst. Der Erinnerung des Antragstellers hat das Arbeitsgericht abgeholfen mit Ausnahme der für den Mehrvergleich verlangten 1,5 Einigungsgebühr; diese hat es nur mit einer 1,0 Gebühr berücksichtigt. Insoweit hat es die Erinnerung dem Kammervorsitzenden vorgelegt. Gegen dessen Zurückweisungsentscheidung mit Beschluss vom 27.06.2014 wendet sich der Antragsteller mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Beschwerde.
5B.
6I.Die (befristete) Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den richterlichen Beschluss des Arbeitsgerichts ist zulässig: Sie ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt zwar nicht 200,00 €. Das Arbeitsgericht hat die Beschwerde jedoch zugelassen, §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG. Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG einzuhaltende Rechtsmittelfrist von zwei Wochen ab Zustellung ist gewahrt.
7II.Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung der Landeskasse fällt eine Einigungsgebühr von 1,5 für den Gegenstand eines Mehrvergleichs auch dann an, wenn eine der Parteien für den Abschluss des (Mehr-) Vergleichs Prozesskostenhilfe beantragt hat.
81.Nach der Regelung in VV RVG 1003 führt zwar u. a. die Anhängigkeit eines Prozesskostenhilfeverfahrens zur Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0. Zur Überzeugung der Beschwerdekammer ist eine Anhängigkeit in diesem Sinn jedoch nicht gegeben, soweit Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich beantragt wird.
9a)Dafür spricht zunächst die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Bereits unter der Geltung der BRAGO war umstritten, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich zu einer Reduzierung der Gebühr führte (dagegen die h. M. in Literatur und Rechtsprechung, insbesondere LAG Düsseldorf 10.06.1997 - 7 Ta 3/97 - JurBüro 1997, 585; zum Streitstand Hess. LAG 15.02.1999 - 9 Ta 12/99 - NZA-RR 1999, 380; Gerold/Schmidt-von Eicken BRAGO 15. Aufl. § 23 RN 40b mit umfangreichen Nachweisen). Nach einer weiteren Mindermeinung (OLG Nürnberg 18.08.1997 - 7 WF 2281/97 - JurBüro 1998, 137) sollte zu unterscheiden sein, ob der beabsichtigte Vergleich erst durch das Gericht mit den Parteien erarbeitet werden muss oder ob dies bereits außergerichtlich geschehen ist und der schriftliche Entwurf dem Gericht fertig ausformuliert vorgelegt wird. § 23 Abs. 1 BRAGO lautete wie folgt:
10Für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs (§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erhält der Rechtsanwalt fünfzehn Zehntel der vollen Gebühr (Vergleichsgebühr). Der Rechtsanwalt erhält die Vergleichsgebühr auch dann, wenn er nur bei den Vergleichsverhandlungen mitgewirkt hat, es sei denn, dass seine Mitwirkung für den Abschluss des Vergleichs nicht ursächlich war. Soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, erhält der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr; das gleiche gilt, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist.
11Die Regelung in VV RVG 1003 entspricht dem weitgehend, allerdings enthält sie die Rückausnahme, dass "nicht lediglich Prozesskostenhilfe … für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird". Die Formulierung geht zurück auf den bereits am 29.08.2001 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) der von der damaligen Justizministerin eingesetzten Expertenkommission BRAGO-Strukturreform, der zu VV RVG 1003 im fraglichen Teil der Gesetz gewordenen Formulierung entspricht. Nach der Begründung des späteren Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vom 11.11.2003 sollte der Vorschlag der (Vorgänger-) Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO entsprechen, er "soll zu einer Vermeidung des streitigen Verfahrens beitragen" (Drucks. 15/1971 Seite 204). Zielrichtung der Neugestaltung sei es, "die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken". Es spricht aus Sicht der Beschwerdekammer alles dafür, dass die Rückausnahme aufgenommen wurde, um den zu § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO bestehenden Streit über die gebührenrechtlichen Folgen eines Prozesskostenhilfeantrags für einen Mehrvergleich im Sinne einer der damals vertretenen Auffassungen zu beenden. Wenn aber der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage bestätigen wollte, wird er sich insofern kaum an einer der damaligen Mindermeinungen orientiert haben.
12b)Auch im Übrigen sprechen zur Überzeugung der Beschwerdekammer die besseren Gründe dafür, das Gesetz dahingehend zu verstehen, dass es mit "anhängigen Prozesskostenhilfeverfahren" lediglich eigenständige Prozesskostenhilfeverfahren meint, in denen die Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung rechtshängiger oder rechtshängig zu machender Ansprüche begehrt wird (vgl. auch KG 31.07.2007 - 1 W 259/07 - Rpfleger 2007, 669 RN 3), während es mit der Rückausnahme der Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs gerade die fragliche Konstellation einer Erweiterung eines Prozesskostenhilfegesuchs auf einen Mehrvergleich erfassen will. Insoweit weist der Wortlaut der Rückausnahme darauf hin, dass für den Gegenstand des (Mehr-) Vergleichs die Prozesskostenhilfe eben nur für den Abschluss des Vergleichs beantragt wird, ohne dass für den Gegenstand des Mehrvergleichs bereits ein Prozesskostenhilfeverfahren für eine beabsichtigte Rechtswahrnehmung anhängig ist. Nur für die aus der Protokollierung des Vergleichs folgende Einigungsgebühr soll Prozesskostenhilfe beantragt sein, (bezogen auf den Mehrvergleich) nicht hingegen für das Verfahren selbst. Abs. 1 letzter Halbsatz der Anmerkung zu VV RVG 1003 stellt bereits seinem Wortlaut nach allein darauf ab, mit welcher Art von Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Gericht angegangen wird.
13Die wie erwähnt bereits in § 23 BRAGO enthaltene und durch das RVG übernommene Erhöhung der Einigungsgebühr für den Fall, dass über nicht anhängige Ansprüche ein Vergleich erzielt wird, dient wie dargestellt der Entlastung der Gerichte. Für die Rechtsanwälte sollte ein Anreiz geschaffen werden, Streitigkeiten einer Lösung zuzuführen, ohne gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine solche Entlastung ist in der Einbeziehung von weiteren Gegenständen in einen gerichtlichen Vergleich - anders als bei einem bereits anhängigen, im obigen Sinn eigenständigen Prozesskostenhilfeverfahrens - gerade gegeben:
14(1)Die richterlichen Aufgaben bei der Prüfung eines im oben genannten Sinn eigenständigen Prozesskostenhilfe-Antrags unterscheiden sich nämlich signifikant von denjenigen, die bei der Beantragung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich anfallen. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2012 (- 3 AZB 34/11 - NZA 2012, 1390; anders noch LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10 - juris) hat das Gericht bei Letzterem nämlich grundsätzlich nicht zu überprüfen, ob für die fraglichen Streitgegenstände hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne des § 114 ZPO bestanden hätten, wenn sie zum Gegenstand eines Klageverfahrens gemacht worden wären. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt. Da die Partei die Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich nur unter der Voraussetzung beantragt, dass dieser auch zustande kommt, dürfte dies kaum abgelehnt werden können. Eine echte Prüfung wird dem Gericht demnach nicht abgefordert. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei hat das Gericht ohnehin bereits wegen der für den rechtshängigen Streitgegenstand beantragten Prozesskostenhilfe zu prüfen; der Antrag auf Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich führt hier nicht zu zusätzlichem Aufwand.
15(2)So stellen die Gegner der hier vertretenen Auffassung auch vielmehr darauf ab, dass das Gericht dadurch belastet werde, dass es sich im Rahmen der Vergleichsgespräche zu den bislang nicht rechtshängigen Ansprüchen verhalten müsse (so bereits zu § 23 BRAGO Hess. LAG 15.02.1999 - 9 Ta 12/99 - NZA-RR 1999, 380; zum RVG: LAG Hamm 31.08.2007 - 6 Ta 402/07 - NZA-RR 2007, 601; LAG Nürnberg 25.06.2009 - 4 Ta 61/09 - NZA-RR 2009, 556; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10 - juris; LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10 - juris; Thüringer OLG 14.09.2009 - 1 Ws 343/09 - JurBüro 2010, 82; vgl. auch LAG München 17.03.2009 - 10 Ta 394/07 - juris). Dabei übersehen sie jedoch, dass diese Belastung nicht auf dem Prozesskostenhilfe-Antrag (für den Mehrvergleich) beruht, sondern ausschließlich auf der Einbeziehung prozessfremder Ansprüche. Wie dargelegt stellt Abs. 1 letzter Halbsatz der Anmerkung zu VV RVG 1003 jedoch allein darauf ab, mit welcher Art von Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Gericht angegangen wird. Eine Belastung des Gerichts, die ihren Grund nicht im Prozesskostenhilfeantrag hat, sondern unabhängig von diesem eintritt, ist als Unterscheidungskriterium zwischen Ausnahme und Rückausnahme in VV RVG 1003 Abs. 1 Satz 1 ungeeignet. Zutreffend weist die Beschwerde in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Rechtsanwalt die 1,5 Gebühr außerhalb von Prozesskostenhilfe-Sachverhalten fraglos verdient, obwohl hier das Gericht im Rahmen der Vergleichsverhandlungen genauso in die Erörterung der nicht bereits rechtshängigen Ansprüche mit einbezogen wird wie in den Prozesskostenhilfe-Sachverhalten. Der Gesetzgeber nimmt also in Kauf, dass dem Gericht die genannten Aufgaben im Rahmen von Vergleichsgesprächen zufallen, und honoriert, dass durch den Vergleich verhindert wird, dass diese Streitgegenstände noch gesondert geltend gemacht werden, im Ergebnis also eine weitere Belastung der Gerichte durch ein eigenständiges Verfahren entfällt. Der Prozesskostenhilfe-Anwalt könnte auf der Grundlage der hier abgelehnten Ansicht nie in den Genuss der erhöhten Gebühr kommen, obwohl er diesen vom Gesetz honorierten Beitrag zur Entlastung der Gerichte in gleicher Weise leistet wie der Prozessbevollmächtigte der selbstzahlenden Partei. Dies allein mit einer Schlechterstellung der anwaltlichen Vergütung im Fall eines Prozesskostenhilfeverfahrens zu erklären (so - noch zu § 23 BRAGO - LAG Nürnberg 04.11.1997 - 8 Ta 204/97 - LAGE § 23 BRAGO Nr. 6), hilft nicht weiter. Damit wird nämlich übersehen, dass auch für den Anwalt der gegnerischen, selbstzahlenden Partei VV RVG 1003 anwendbar ist. Auch für diesen reduzierte sich also bei der hier nicht vertretenen Auslegung die Einigungsgebühr auf 1,0 (vgl. Mayer/Kroiß RVG 6. Aufl. Nr. 1003 VVG RN 9).
16Dass das Gericht wie stets routinemäßig zu prüfen hat, ob es die Protokollierung des Vergleichs wegen Gesetzeswidrigkeit ablehnen muss, ändert entgegen der Auffassung des LAG Köln (11.12.2006 - 4 Ta 376/06 - juris) nichts. Auch diese Prüfung beruht nicht auf dem Prozesskostenhilfegesuch, sondern hat bei Mehrvergleichen außerhalb von Prozesskostenhilfe-Sachverhalten in gleicher Weise zu erfolgen.
17c)Die Gegenansicht führt auch zu kaum verständlichen Ergebnissen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist im Falle eines Mehrvergleichs ein Antrag auf Erweiterung der Prozesskostenhilfebewilligung auch dann noch rechtzeitig, wenn er zwar erst nach Protokollierung des Vergleichs, jedoch noch vor Beendigung der mündlichen Verhandlung gestellt wurde (BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11 - NZA 2012, 1390). Bei einer solchen Verfahrensweise wäre daher im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs noch kein Prozesskostenhilfe-Antrag anhängig. Es erscheint der Beschwerdekammer wenig nachvollziehbar, die Höhe der anwaltlichen Vergütung davon abhängig zu machen, ob der Antrag, die Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrvergleich zu erstrecken, vor oder nach Vergleichsabschluss gestellt wird.
18d)Letztlich lässt sich die Gegenauffassung nur schwerlich mit dem Charakter des Vergütungsfestsetzungsverfahrens vereinbaren. Sie misst der Formulierung, dass "nicht lediglich Prozesskostenhilfe … für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird", die Bedeutung zu, ein solcher Fall liege nur vor, wenn die Parteien die Einigung ohne Hilfe des Gerichts erzielt haben und dieses - "als Beurkundungsorgan" - lediglich noch die Protokollierung vornimmt (LAG Hamm 31.08.2007 - 6 Ta 402/07 - NZA-RR 2007, 601 RN 20; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10 - juris; LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10 - juris RN 21; Thüringer OLG 14.09.2009 - 1 Ws 343/09 - JurBüro 2010, 82 RN 24). Ein derartiges Kriterium erscheint der erkennenden Beschwerdekammer für das Verfahren auf Festsetzung der Anwaltsvergütung im Prozesskostenhilfeverfahren wenig geeignet. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle müsste danach versuchen, aus der Akte, insbesondere aus dem gerichtlichen Protokoll, herauszulesen, ob das Gericht an der Einigung mitgewirkt hat oder ob die Parteien diese eigenständig erzielt haben. Da es nur um die Höhe der Gebühr für die Gegenstände des Mehrvergleichs geht, müsste sich diese Prüfung konsequenterweise auf diese Gegenstände beschränken. Entsprechende Umstände werden sich jedoch nur in wenigen Fällen aus der Akte entnehmen lassen. Nach welchen Maßstäben sollte der Urkundsbeamte beispielsweise die Unterscheidung treffen, wenn die Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag zunächst ablehnen, sodann jedoch einen zwar inhaltsgleichen, aber im Wortlaut unterschiedlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 1. Alt. ZPO feststellen lassen?
192.Dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe den Mehrvergleich umfasst, zieht auch die Landeskasse zuletzt nicht mehr in Zweifel. Angesichts des zeitlichen Ablaufs und des Wortlauts des Bewilligungsbeschlusses bestehen insoweit auch keinerlei Bedenken.
203.Entgegen der Auffassung des LAG Hamm (31.08.2007 - 6 Ta 402/07 - NZA-RR 2007, 601 RN 13 ff.) dürfte es auch nicht darauf ankommen, ob über die Gegenstände des Mehrvergleichs Streit zwischen den Parteien bestand. Bei dem Vergleich vom 10.04.2014 handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, der nicht in verschiedene Einigungen aufgespalten werden kann. Die Parteien wollten ihr Vertragsverhältnis unter Einbeziehung rechtshängiger und nicht rechtshängiger Punkte durch die gefundene Gesamtlösung regeln. Die Frage, inwieweit einzelne Gegenstände des Vergleichs zwischen ihnen streitig waren, wirkt sich nur auf den Gebührenwert des Vergleichs aus.
21Da der erkennende Richter den Bewilligungsbeschluss gefasst hat, geht die Beschwerdekammer jedenfalls davon aus, dass auch bezogen auf die Gegenstände des Mehrvergleichs Streit zwischen den Parteien bestand. Es ist insbesondere kaum vorstellbar, dass ein Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hat, sich streitlos zur Erteilung eines guten Zeugnisses verpflichtet. Insofern hat auch die Landeskasse trotz des Hinweises vom 08.09.2014 keinerlei Bedenken geäußert.
22III. Wegen der Gebührenfreiheit und des Ausschlusses der Kostenerstattung wird auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG verwiesen. Die von der Landeskasse angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde ist der Beschwerdekammer verwehrt, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG (vgl. BGH 09.06.2010 - XII ZB 75/10 - JurBüro 2010, 537).
23R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
24Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
25Nübold
Tenor
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Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. Mai 2011 in der Fassung des Beschlusses vom 24. Mai 2011 - 27 Ta 178/10 - und der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 8. Juni 2011 - 5 Ta 13/11 - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
- 1
-
I. Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Bevollmächtigten für den Mehrwert eines gerichtlichen Vergleichs sowie der Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11a ArbGG.
- 2
-
Der Antragsteller (im Folgenden: Kläger) erhob eine Klage, mit der er für Zeiten der Entgeltfortzahlung bei Urlaub, Arbeitsunfähigkeit, Krankheit und an gesetzlichen Feiertagen Umsatzprovisionen und Sondervergütungen geltend machte sowie die Erteilung damit im Zusammenhang stehender Auskünfte, die Vorlage eines Buchauszuges sowie die Abgabe einer Versicherung an Eides statt über die Richtigkeit der erteilten Auskünfte. Für diese Klage bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger durch Beschluss vom 14. Januar 2010 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten. Der Beschluss enthielt den Hinweis, für weitere Anträge und einen übersteigenden Vergleichswert sei in der Regel ein neuer Prozesskostenhilfeantrag erforderlich.
- 3
-
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. April 2011 schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Vergleich. Dieser erfasst nicht nur die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Ansprüche. Vielmehr vereinbarten die Parteien auch, dass das Arbeitsverhältnis „zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung“ mit dem 30. Juni 2011 endete und der Kläger unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche und unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freigestellt wurde, wobei sich die Parteien darüber einig waren, dass damit der zustehende Urlaub gewährt und genommen war. Die Beklagte verpflichtete sich, an den Kläger eine restliche Vergütung sowie eine Abfindung zu zahlen und ihm ein qualifiziertes, berufsförderndes Zeugnis unter dem Ausstellungsdatum 30. Juni 2011 zu erteilen. Beide Parteien verpflichteten sich, über den Inhalt des Vergleichs Stillschweigen zu bewahren, soweit keine gesetzlichen Auskunftspflichten bestehen. Außerdem enthält der Vergleich eine Erledigungsklausel.
-
Nach dem Vergleichstext heißt es im Protokoll:
-
„- Vorgelesen und genehmigt -
Der Klägervertreter stellt den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes.
Den Parteien wird aufgegeben, binnen 2 Wochen zur Höhe des Gegenstandswertes vorzutragen.
Der Klägervertreter stellt den Antrag auf Bewilligung von PKH zwecks Mehrwerts des abgeschlossenen Vergleiches.“
- 5
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Mit Beschluss vom 27. April 2011 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für die Klage auf 11.997,32 Euro und den Vergleichsmehrwert auf 22.913,48 Euro fest.
- 6
-
Unter dem 26. April 2011 hatte der Vorsitzende der Kammer des Arbeitsgerichts darauf hingewiesen, Prozesskostenhilfe für den Vergleichsschluss könne hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts nicht bewilligt werden, da der Antrag erst nach Abschluss des Vergleichs und damit auch nach Abschluss der Instanz gestellt worden sei. Daraufhin äußerte sich der Kläger über seinen Bevollmächtigten ua. dahingehend, der Bevollmächtigte habe bereits während der Vergleichsverhandlungen beantragt, die Prozesskostenhilfe auf den Vergleich zu erweitern. Der Vorsitzende habe geäußert, darauf sei nach Protokollierung des Vergleichs einzugehen. Im Übrigen habe das Gericht es unter Verstoß gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 ArbGG versäumt, den Kläger auf sein Antragsrecht auf Beiordnung eines Rechtsanwalts hinzuweisen. Er stelle nunmehr einen entsprechenden Antrag auf seine Beiordnung.
- 7
-
Das Arbeitsgericht wies sowohl den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert als auch den Antrag auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten durch Beschluss vom 6. Mai 2011 zurück. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung habe der Bevollmächtigte des Klägers für den Vergleichsmehrwert erst nach Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe beantragt. Der Prozessvertreter des Klägers habe während der Vergleichsverhandlungen einen derartigen Antrag weder gestellt noch darauf hingewiesen, dass die Prozesskostenhilfegewährung auf den Vergleich zu erweitern sei.
- 8
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Der sofortigen Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluss half das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 24. Mai 2011 nicht ab. Das Landesarbeitsgericht wies sie mit Beschluss vom 8. Juni 2011 zurück. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen diesen Beschluss.
- 9
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II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mit den Begründungen der Vorinstanzen durfte der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsschluss und den Vergleichsmehrwert nicht zurückgewiesen werden.
- 10
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Das Landesarbeitsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht deshalb entbehrlich ist, weil dem Kläger bereits Prozesskostenhilfe hinsichtlich des überschießenden Wertes des gerichtlichen Vergleichs bewilligt worden wäre. Das Landesarbeitsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, dass der Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen ist, weil er erst nach Abschluss des Rechtsstreits gestellt wurde. Das ist nicht der Fall. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der protokollierten Vereinbarung, soweit sie außerhalb des Rechtsstreits liegende Gegenstände regelt, nicht um einen gerichtlichen Vergleich handelt. Ebenso wenig kann die Prozesskostenhilfe deshalb versagt werden, weil die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände mutwillig erscheint. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, ob die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Die Sache ist daher zur neuen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird ggf. auch über den hilfsweise gestellten Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11a ArbGG zu entscheiden haben.
- 11
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1. Eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts erübrigt sich nicht deshalb, weil dem Kläger insoweit bereits Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. Der Beschluss vom 14. Januar 2010 betrifft nur die Prozesskostenhilfe für die zu diesem Zeitpunkt bereits in das Verfahren eingeführten Klageanträge. Der Hinweis darauf, es sei für weitere Anträge und einen übersteigenden Vergleichswert in der Regel ein neuer Prozesskostenhilfeantrag erforderlich, verdeutlicht, dass diese nicht von der Prozesskostenhilfebewilligung erfasst sein sollten.
- 12
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2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht deshalb abzulehnen, weil der Kläger seinen Prozesskostenhilfeantrag verspätet angebracht hat. Die Antragstellung ist rechtzeitig erfolgt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung des Klägers, sein Prozessbevollmächtigter habe bereits während der Verhandlungen über den Vergleich auf die Notwendigkeit, die Prozesskostenhilfe zu erweitern, hingewiesen, zutrifft. Deshalb kann es auch dahingestellt bleiben, inwieweit dem Protokoll insoweit nach § 165 ZPO Beweiskraft zukommt. Ebenso kann offenbleiben, ob - wogegen allerdings viel spricht - trotz der vom Arbeitsgericht durch Beschluss vom 14. Januar 2010 getroffenen Entscheidung über den ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrag noch ein konkludenter Prozesskostenhilfeantrag im Raum stand, der sich auf mögliche Erweiterungen der Prozesskostenhilfe hinsichtlich eines Vergleichsmehrwerts bezog. Selbst wenn der Kläger seinen Antrag auf die Erweiterung der Prozesskostenhilfebewilligung erst nach der Protokollierung des Vergleichs gestellt haben sollte, wäre dies rechtzeitig, da der Antrag noch vor der Beendigung der mündlichen Verhandlung gestellt wurde. Vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung war das Verfahren - jedenfalls im Hinblick auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe - nicht beendet.
- 13
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Nach § 114 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe lediglich für eine „beabsichtigte“ Rechtsverfolgung gewährt werden. Eine Rückwirkung der Bewilligung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat (BAG 8. November 2004 - 3 AZB 54/03 - zu II 2 b der Gründe, BAGReport 2005, 379; BGH 8. Oktober 1991 - XI ZR 174/90 - zu 2 der Gründe, NJW 1992, 839). Soweit die Voraussetzungen einer rückwirkenden Bewilligung vorliegen, sind aus der Staatskasse Tätigkeiten des beigeordneten Rechtsanwalts zu vergüten, die dieser auf die Hauptsache bezogen bei oder nach dem Eingang des Prozesskostenhilfeantrags erbracht hat (BGH 10. Oktober 1995 - VI ZR 396/94 - zu II 1 der Gründe, AGS 1997, 141). Nach Abschluss der Instanz ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich (BAG 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - zu II 2 b der Gründe, MDR 2004, 415).
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Diese Begrenzung der Rückwirkung folgt aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für sie mit Kosten verbunden sind. Haben jedoch die Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigter die aus ihrer Sicht notwendigen Prozesshandlungen schon vor der ordnungsgemäßen Beantragung der Prozesskostenhilfe vorgenommen, so hängen diese Prozesshandlungen nicht mehr davon ab, dass die Partei zuvor die entsprechenden Kosten - etwa durch einen Vorschuss gem. § 9 RVG - deckt. Eine weiter rückwirkende Bewilligung diente nur noch dazu, einem Prozessbevollmächtigten durch die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe einen Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Das ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe (BAG 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - zu II 2 b der Gründe, MDR 2004, 415).
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Abgeschlossen ist die Instanz hinsichtlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich erst dann, wenn die mündliche Verhandlung, in der der Vergleich protokolliert wird, geschlossen ist. Zwar endet die Rechtshängigkeit in der Hauptsache mit dem Abschluss des Vergleichs. Vor dem Vergleichsschluss steht jedoch nicht endgültig fest, ob ein Vergleichsmehrwert anfällt, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hierfür erst nach dem Vergleichsschluss erfolgen kann. Deshalb genügt es, auch den Antrag, Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert zu bewilligen, erst nach der Protokollierung des Vergleichs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen.
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3. Der Prozesskostenhilfeantrag ist auch nicht deshalb abzulehnen, weil hinsichtlich der zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstände die Voraussetzungen für einen Vergleich nicht vorlagen.
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a) Prozesskostenhilfe für einen Vergleichsmehrwert kann nur bewilligt werden, wenn die protokollierte Vereinbarung einen Vergleich darstellt. Nach § 779 BGB ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis oder die Unsicherheit über die Verwirklichung eines Anspruchs im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Keinen Vergleich stellt deshalb eine Vereinbarung dar, durch die Rechte und Pflichten erst begründet werden (BAG 13. Mai 1998 - 7 ABR 65/96 - zu B II 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 42). Ebenso wenig handelt es sich um einen Vergleich, wenn nur zu dessen Protokollierung ein Rechtsstreit anhängig gemacht wird, obwohl zwischen den Parteien nichts streitig ist (vgl. BAG 26. April 2006 - 7 AZR 366/05 - Rn. 28, AP TzBfG § 14 Vergleich Nr. 1 = EzA TzBfG § 14 Nr. 29). Unerheblich ist es jedoch, ob sich das Nachgeben gerade auf den ursprünglichen Streitgegenstand oder auf andere Gegenstände bezieht, solange nur ein gegenseitiges Nachgeben vorliegt (so schon: RG 12. Februar 1927 - V 435/26 - RGZ 116, 143, 145 f.).
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Demnach kann auch ein gerichtlicher Vergleich nicht in solche Teile, hinsichtlich derer bereits ein Streit bestand, und andere Teile aufgespalten werden, solange und soweit die gefundene Gesamtlösung der Beilegung einer tatsächlich bestehenden Meinungsverschiedenheit dient.
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b) Danach erfüllt die im vorliegenden Fall protokollierte Vereinbarung insgesamt die Anforderungen eines Vergleichs. Zwischen den Parteien bestand ein Streit über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, der durch eine Gesamtlösung beigelegt wurde. Dabei stellte auch die nicht streitgegenständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Nachgeben des Klägers dar.
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4. Hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts waren auch die Voraussetzungen von § 114 Satz 1 ZPO erfüllt, die auch bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs gegeben sein müssen(BGH 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 159, 263). Der Abschluss des Vergleichs diente der Rechtsverfolgung. Diese bot auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und war nicht mutwillig.
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Wird Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt (aA LAG Rheinland-Pfalz 5. Dezember 2008 - 7 Ta 214/08 - zu II der Gründe). Das war hier der Fall.
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5. Die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände in die vergleichsweise Regelung war auch nicht mutwillig iSv. § 114 ZPO.
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a) Die Möglichkeit, zu Lasten der Staatskasse Gegenstände in den Vergleich aufzunehmen, besteht nicht unbegrenzt. Prozesskostenhilfe kann vielmehr auch insoweit nur gewährt werden, wenn die Rechtsverfolgung, also die Regelung zusätzlicher Gegenstände in dem Vergleich, nicht mutwillig ist.
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Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine nicht bedürftige Partei in vergleichbarer Lage vernünftigerweise unter Berücksichtigung der Kostenfolgen von der Aufnahme der zusätzlichen Gegenstände in den Vergleich abgesehen hätte (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 3 AZB 9/10 - Rn. 22 mwN, EzA ZPO 2002 § 121 Nr. 3). Das ist insbesondere der Fall, wenn lediglich aus Anlass eines Rechtsstreits und seiner Beendigung Regelungen in den Vergleich aufgenommen werden, die überflüssig sind, weil sie unstreitig sind und hinsichtlich derer auch kein Titulierungsinteresse besteht.
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b) Anhaltspunkte dafür, dass Mutwilligkeit in diesem Sinne vorliegt, sind nicht ersichtlich.
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6. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die sonstigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Die Sache ist daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4, § 572 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird gegebenenfalls auch über den Hilfsantrag auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten nach § 11a ArbGG zu entscheiden haben.
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III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Erstattungsfähige Kosten sind nicht entstanden. Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde sind nicht angefallen, da die Rechtsmittel erfolgreich waren (Nr. 8614 und 8623 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Sonstige Kosten sind nicht erstattungsfähig (§ 127 Abs. 4 ZPO).
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Gräfl
Zwanziger
Spinner
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 25.06.2015 – 3 Ca 2063/14 O - wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e :
2I.
3Dem Kläger ist mit Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 30.03.2015 Prozesskostenhilfe bewilligt und der Antragsteller beigeordnet worden. Mit dem gleichen Beschluss hat das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich bewilligt. Der Antragsteller hat die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung beantragt, wobei für den Mehrvergleich u.a. eine 1,5 Einigungsgebühr berücksichtigt worden ist. Das Arbeitsgericht hat die Vergütung festgesetzt und dabei eine 1,0-Einigungsgebühr angesetzt. Hiergegen hat sich der Antragsteller mit der erfolglosen Erinnerung und sodann mit der von dem Arbeitsgericht zugelassenen Beschwerde gewandt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakte Bezug genommen.
4II.
5Die Beschwerde ist unbegründet. Die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung ist nicht zu gering angesetzt worden.
61. Die Erstattungspflicht der Staatskasse nach den §§ 45 ff. RVG ist streng akzessorisch, d.h. sie besteht hinsichtlich der einzelnen Gebührentatbestände nur in demjenigen Umfang, in dem der Mandant selbst einer entsprechenden Vergütungsverpflichtung unterliegt. Für das Bestehen eines erstattungsfähigen Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse reicht indessen der Anfall der angemeldeten Gebühr im Rahmen des Mandatsverhältnisses nicht aus. Denn im Festsetzungsverfahren nach den §§ 45 ff., 55 RVG können – von dem hier nicht einschlägigen Anwendungsbereich des §§ 48 Abs. 3 RVG abgesehen – einem beigeordneten Rechtsanwalt ausschließlich diejenigen Gebühren aus der Staatskasse ersetzt werden, die vom sachlichen Umfang des Bewilligungsbeschlusses gedeckt sind (§ 48 Abs. 1 RVG).
72. Der Vergütungsanspruch bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Geht es um Gebühren im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mehrvergleichs, muss eine Bewilligung für den Mehrvergleich schon wegen der bindenden Wirkung für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts (§ 48 Abs. 1 RVG) und der Vermeidung von Unklarheiten im Vergütungsfestsetzungsverfahren klar aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss erkennbar sein. Dies ergibt sich auch aus § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG, der in Abgrenzung zu den Bestimmungen der Absätze 2 bis 4, eine ausdrückliche Beiordnung für „andere Angelegenheiten“ verlangt. Entweder muss sich die Erstreckung daher direkt aus dem Tenor ergeben oder - soweit vorhanden - aus den Gründen des Beschlusses (BAG 30. April 2014 – 10 AZB 13/14; LAG Hamm 31. August 2007 – 6 Ta 402/07).
83. Der Prozesskostenhilfe-Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss rechtfertigt im Hinblick auf den Mehrvergleich nur den Ansatz einer Einigungsgebühr.
9a) Nach den gesetzlichen Vorgaben kommt einerseits eine Bewilligung nach §§ 119, 114 ZPO für die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und andererseits eine eingeschränkte Bewilligung nur für eine Einigung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO in Betracht.
10aa) Prozesskostenhilfe kann unter den Voraussetzungen von § 114 ZPO einer Partei bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dabei ist für die Partei, die Prozesskostenhilfe für eine Klage begehrt, auf deren Erfolgsaussichten abzustellen. Nicht erforderlich ist, dass die Klage schon erhoben worden ist. Um einer Partei zu ermöglichen, gegebenenfalls auch bei fehlenden oder unzureichenden finanziellen Mitteln einen Rechtsstreit zu führen, kann ihr Prozesskostenhilfe auch für eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht erhobene, sondern nur beabsichtigte Klage bewilligt werden. Anders liegen die Dinge dagegen auf Seiten des Antragsgegners. Ihm ist unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn seine Rechtsverteidigung hinreichende Erfolgsaussicht hat. Dafür ist erforderlich, dass die gegen ihn gerichtete Klage unschlüssig ist oder er Tatsachen vorträgt, die zur Klageabweisung führen können. Solange eine Klage aber noch gar nicht erhoben ist und auch nicht feststeht, ob sie jemals erhoben wird, braucht er sich vor Gericht nicht zu verteidigen. Deshalb darf ihm zur Abwehr eines Begehrens, das mangels Klagezustellung noch nicht rechtshängig geworden ist, im Allgemeinen keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03). Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für den Fall, dass eine Partei Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage beantragt und dieser Antrag dem Gegner gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Stellungnahme zugeleitet wird. Solange die angekündigte Klage nicht erhoben ist, liegen für den Antragsgegner die Voraussetzungen von § 114 ZPO regelmäßig nicht vor. Für das Prozesskostenhilfeverfahren kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03).
11bb) Nur für den Fall, dass bei der summarischen Prüfung oder Erörterung des Antrags auf Prozesskostenhilfe beide Seiten einigungsbereit sind, erlaubt das Gesetz aus Zweckmäßigkeitsgründen, nämlich zur Ermöglichung einer gütlichen vorprozessualen Regelung, dass im Prozesskostenhilfeverfahren über den Klageanspruch selbst eine Regelung im Wege eines Vergleichs erfolgt (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Hier sprengt das Gesetz den Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens; Gegenstand der Prüfung und Erörterung sind jetzt nicht mehr die Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers und die Erfolgsaussicht seines Begehrens, sondern jetzt geht es um die Sache selbst. Kommt es dabei zu einer Einigung der Parteien, ist aus denselben Zweckmäßigkeitsgründen, aus denen der Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfeverfahren gestattet ist, auch eine Ausnahme von dem Grundsatz gerechtfertigt, dass im Bewilligungsverfahren selbst keine Prozesskostenhilfe gewährt wird. Ein Vergleichsabschluss ist keine Regelung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, sondern über die Sache selbst. Der bisher vom Ausgang des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht unmittelbar betroffene Gegner bindet sich jetzt. Da er dabei - ebenso wie der Antragsteller - rechtliche Beratung benötigen kann, ist die Interessenlage beider Seiten nunmehr gleich. In diesem Sonderfall kann - unter den Voraussetzungen des § 114 ZPO - dem Antragsgegner ebenso wenig wie dem Antragsteller die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts auf Staatskosten verwehrt werden. Deshalb darf für den Abschluss eines Vergleichs in einem Erörterungstermin (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) gegebenenfalls beiden Parteien Prozesskostenhilfe gewährt werden. Dabei kann einer Partei im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Prozesskostenhilfe aber nur für den Vergleich selbst und nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03).
12Bei einer auf den Vergleich beschränkten Prozesskostenhilfe werden der anwaltlich vertretenen Partei die ihrem Rechtsanwalt gegebenenfalls zustehende 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG und die 1,2 Terminsgebühr auch auf den Mehrwert des Vergleichs nicht aus der Staatskasse erstattet. Dies ist die Folge des Grundsatzes, dass für das Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe nicht gewährt wird. Eine umfassende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur bei Abschluss eines Vergleichs würde somit zu einem Wertungswiderspruch führen, der mit dem Sinn und Zweck des Instituts der Prozesskostenhilfe nicht zu vereinbaren wäre (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03; ebenso: OLG Bamberg 7. November 2007 – 2 WF 54/07; OLG Bamberg 5. Mai 2009 – 2 WF 20/09; OLG München 18.3.2009 – 11 WF 812/09; OLG Köln 11. Dezember 2006 – 5 W 122/06; OLG Hamm3. Juli 2008 – 10 WF 77/08; OLG Nürnberg 19.10.2005 - 2 W 2190/05).
13Der Grundsatz, wonach keine Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe-verfahren gewährt wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn das Prozesskostenhilfe-Verfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG 2. Juli 2012 – 2 BvR 2377/10).
14b) Sofern die bedürftige Partei zusätzlich Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines sogenannten Mehrvergleichs beantragt, wird dadurch ein neues – nunmehr auf die Streitmasse der nicht anhängigen (wechselseitigen) Ansprüche bezogenes – Prozesskostenhilfe-Verfahren eingeleitet. Die durch den Ergänzungsantrag eingetretene Verfahrenslage stellt sich nicht wesentlich anders dar als die Regelkonstellation, auf die die Ausnahmeregelung des § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO zugeschnitten ist. Für eine unterschiedliche Behandlung beider Verfahrenssituationen ist daher kein sachlicher Grund erkennbar (OLG München 18.3.2009 – 11 WF 812/09; OLG Bamberg 5. Mai 2009 – 2 WF 20/09; OLG Nürnberg 19.10.2005 – 2 W 2190/05), so dass für den Ergänzungsantrag wiederum der Grundsatz gilt, wonach für das Bewilligungsverfahren selbst Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht gewährt werden kann.
15Die Begrenzung der sachlichen Reichweite einer auf den Vergleichsschluss selbst beschränkten Bewilligungsanordnung entsprechend § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO entspricht nicht nur dem Ausnahmecharakter dieser Regelung. Sie erfährt ihre innere Rechtfertigung dadurch, dass in dem durch § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO eröffneten Bewilligungsrahmen eine Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 ZPO) zwar nicht von vornherein entbehrlich ist, sich aber aus prozessökonomischen Gründen jedenfalls darauf beschränken darf, den Umfang der Vergleichsbereitschaft des Antragsgegners nachzuvollziehen. Wird Prozesskostenhilfe für die Mehreinigung beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt (BAG 16. Februar 2012 – 3 AZB 34/11). Sind aber insoweit die sachlichen Bewilligungsschranken gegenüber den Regelanforderungen deutlich abgesenkt, so spricht die hierfür maßgebende Zielsetzung des Gesetzes zugleich dafür, dass in einem solchen Ausnahmefall die Gewährung von Prozesskostenhilfe von vornherein nicht die gleiche Anordnungsqualität haben kann wie eine der Vorgabe einer vollen Sachprüfung nach § 114 Satz1 ZPO unterliegende (und insoweit auch begründungsbedürftige) Bewilligung (OLG Bamberg 21. März 2011 – 4 W 42/10).
164. Antragsgemäß ergangene Entscheidungen im Prozesskostenhilfe-Verfahren sind – schon im Interesse eines einheitlichen Verständnisses sämtlicher Verfahrensbeteiligten (einschließlich der Beschwerdeinstanz(en) und im nachfolgenden Festsetzungsverfahren) – objektiv-typisierend auszulegen (OLG Bamberg 21. März 2011 – 4 W 42/10).
17Der übliche Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich zielt nicht auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i. S. v. § 114 ZPO. Mithin gibt eine solche Antragstellung keinen Anlass, in eine auch nur eingeschränkte Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten der Antragstellerseite bezüglich der nicht angängigen Ansprüche einzutreten. Für die gerichtliche Bewilligungsentscheidung besteht die Vermutung, dass das Gericht die Entscheidungsfindung an den Maßstäben des geltenden Rechts orientieren will. Nach den darauf aufbauenden Auslegungsregeln darf in Prozesskostenhilfe-Sachen dem objektiven Verständnishorizont der Antragstellerseite ohne weiteres die Einsicht zugerechnet werden, dass eine Bewilligung bzw. Beiordnung nur in den Grenzen der hierfür maßgebenden „Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen“ ergehen kann (vgl. BAG 18. Juli 2005 – 3 AZB 65/03). Zu diesen verbindlichen Rechtmäßigkeits-voraussetzungen gehören bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich insbesondere die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03). Hiernach lässt ein formelhaft ausgefallener Erweiterungsbeschuss regelmäßig nur die Deutung zu, dass die Entscheidung nur auf einen allein die Einigungsgebühr betreffenden Bewilligungsumfang angelegt ist.
18Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 48 RVG im Zuge des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 (BGBl. I 2013, Satz 2586 ff.) sich damit begnügte, in Absatz 3 dieser Vorschrift zu regeln, dass sich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in den dort enumerativ aufgeführten Fällen auf alle mit dem Mehrvergleich erforderlichen anwaltlichen Tätigkeiten erstreckt. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Mehrvergleiche über nicht von Amts wegen einzuleitende Folgesachen bei Anhängigkeit einer Ehesache. Dabei ist dem Gesetzgeber hinlänglich bekannt gewesen, dass in der Frage, welche Gebühren ein beigeordneter Rechtsanwalt für den Abschluss eines Mehrvergleichs aus der Landeskasse beanspruchen kann, die Ansichten in Rechtsprechung und Literatur weit auseinandergehen. Jedenfalls seit der Änderung des § 48 Abs. 3 RVG zum 01.08.2013 kann außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich auch die auf den höheren Vergleichswert entfallenden Differenzverfahrens- und/oder Differenzterminsgebühren erfasst (LG Detmold 29. Mai 2015 – 3 T 52/15; OLG Koblenz 19.5.2014 – 13 WF 369/14; OLG Celle 26. Februar 2015 - 10 WF 28/15; a.A. Enders JurBüro 2014, 449 ff, 505 ff., 561 ff.).
195. Liegt damit eine eingeschränkte Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für den Mehrvergleich vor, ist dem beigeordneten Rechtsanwalt jedoch für die Mehreinigung die 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG und nicht nur die 1,0 Einigungsgebühr nach 1003 VV RVG zu erstatten.
20a) Die Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Dagegen fällt nach Nr. 1003 VV RVG lediglich die 1,0-Einigungsgebühr an, wenn über den Gegenstand der Einigung ein gerichtliches Verfahren, jedoch kein selbständiges Beweisverfahren, anhängig ist. Dies gilt auch, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird.
21Die Einigungsgebühr tritt an die Stelle der bisherigen außergerichtlichen Vergleichsgebühr des § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAGO. Zielrichtung der Neugestaltung unter Nr. 1000 VV RVG ist es, die streitvermeidende oder –beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken. Der Rechtsanwalt soll die Gebühr nach Nr. 1000 VV RVG auch dann unvermindert erhalten, wenn die Prozesskostenhilfe nur zur Protokollierung der Einigung beantragt wird (BT-Drucks. 15/1971, S. 204).
22b) Die erkennende Kammer ist bislang davon ausgegangen, dass für die Mehreinigung die Festsetzung einer 1,5-Einigungsgebühr im Falle eines Prozesskostenhilfe-Bewilligungs- und Beiordnungsbeschlusses nur in Betracht kommt, wenn die Prozesskostenhilfe allein zur Protokollierung der Einigung beantragt wurde, weil im Fall der Protokollierung die Tätigkeit des Arbeitsgerichts nicht (mit)ursächlich ist für den Inhalt der Einigung (LAG Hamm 31. August 2007 – 6 Ta 402/07). Hieran kann nicht festgehalten werden. Ergibt die Auslegung des Bewilligungsbeschlusses, dass die Bewilligung entsprechend § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur für den Mehrvergleich erfolgen sollte, liegt die Rückausnahme nach Anm. Abs. 1 Satz 1 zu Nr. 1003 VV („die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt“) vor. Eine fehlende Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Mehrvergleichs ist keine Tatbestandsvoraussetzung für die 1,5 Einigungsgebühr. Die Entstehung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG hat nicht zur Voraussetzung, dass durch die Einigung eine konkrete Entlastung der Gerichte eintritt. Zwar hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Einigungsgebühr die Erwartung verknüpft, dass der mit dieser Gebühr geschaffene Anreiz zur einvernehmlichen Streitbeilegung generell eine Entlastung der Justiz mit sich bringen werde (BT-Drucks. 15/1971, S. 204), er hat jedoch - wie schon der Gesetzeswortlaut zeigt - eine konkret messbare Entlastung des Gerichts im Einzelfall, deren Feststellung mitunter ohnehin erhebliche Probleme bereiten würde, nicht zur Anspruchsvoraussetzung erhoben (BGH 17. September 2008 – IV ZB 14/08; LAG Düsseldorf 25.9.2014 – 5 Sa 273/14; LAG Düsseldorf 13.10.2014 – 13 Ta 342/14; a.A.: LAG Rheinland-Pfalz 12. März 2015 – 5 Ta 51/15; LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10; LAG Schleswig-Holstein 18.11.2011 - 1 Ta 191/11; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10; LAG Nürnberg 25.06.2009 - 4 Ta 61/09; LAG München 2. Januar 2015 – 1 Ta 282/13; LAG München 17.03.2009 - 10 Ta 394/07).
236. Im Streitfall ist für den Mehrvergleich allein die 1,5-Einigungsgebühr anzusetzen gewesen, weshalb dem Antragsteller zumindest kein zu geringer Gesamtbetrag zugesprochen worden ist.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2015 – 4 Ga 2034/13 - wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e :
2I.
3Dem Kläger ist mit Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.10.2014 Prozesskostenhilfe bewilligt und der Antragsteller beigeordnet worden. Mit Beschluss vom 24.10.2014 hat das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich vom 24.10.2014 bewilligt. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 05.11.2014 die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung in Höhe von 1.537,48 beantragt, wobei für den Mehrvergleich eine 1,2-Termins-, eine 0,8-Verfahrens- und eine 1,5 Einigungsgebühr berücksichtigt worden sind. Das Arbeitsgericht hat die Vergütung in Höhe von 981,75 € festgesetzt und dabei eine 1,0-Einigungsgebühr berücksichtigt. Hiergegen hat sich der Antragsteller mit der erfolglosen Erinnerung und sodann mit der Beschwerde gewandt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakte Bezug genommen.
4I.
5Die Beschwerde ist unbegründet. Dem Antragsteller steht zwar eine 1,5-Einigungsgebühr, jedoch keine 0,8-Verfahrens- und keine 1,2-Terminsgebühr zu.
61. Die Erstattungspflicht der Staatskasse nach den §§ 45ff. RVG ist streng akzessorisch, d.h. sie besteht hinsichtlich der einzelnen Gebührentatbestände nur in demjenigen Umfang, in dem der Mandant selbst einer entsprechenden Vergütungsverpflichtung unterliegt. Für das Bestehen eines erstattungsfähigen Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse reicht indessen der Anfall der angemeldeten Gebühr im Rahmen des Mandatsverhältnisses nicht aus. Denn im Festsetzungsverfahren nach den §§ 45 ff., 55 RVG können – von dem hier nicht einschlägigen Anwendungsbereich des §§ 48 Abs. 3 RVG abgesehen – einem beigeordneten Rechtsanwalt ausschließlich diejenigen Gebühren aus der Staatskasse ersetzt werden, die vom sachlichen Umfang des Bewilligungsbeschlusses gedeckt sind (§ 48 Abs. 1 RVG).
72. Der Vergütungsanspruch bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Geht es um Gebühren im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mehrvergleichs, muss eine Bewilligung für den Mehrvergleich schon wegen der bindenden Wirkung für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts (§ 48 Abs. 1 RVG) und der Vermeidung von Unklarheiten im Vergütungsfestsetzungsverfahren klar aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss erkennbar sein. Dies ergibt sich auch aus § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG, der in Abgrenzung zu den Bestimmungen der Absätze 2 bis 4, eine ausdrückliche Beiordnung für „andere Angelegenheiten“ verlangt. Entweder muss sich die Erstreckung daher direkt aus dem Tenor ergeben oder - soweit vorhanden - aus den Gründen des Beschlusses (BAG 30. April 2014 – 10 AZB 13/14; LAG Hamm 31. August 2007 – 6 Ta 402/07).
83. Der einen sogenannten Mehrvergleich betreffende Prozesskostenhilfe-Erweiterungsbeschluss wird in der Praxis so gut wie nie begründet, sondern beschränkt sich in aller Regel auf die auch im Streitfall verwendete Tenorierungsformel. In der Frage, welche Gebühren für den abgeschlossenen Mehrvergleich bei einer solchen Fallgestaltung erstattungsfähig sind, gehen die Meinungen nach wie vor weit auseinander (vgl. etwa die Übersicht bei OLG Bamberg 21. März 2011 – 4 W 42/10 m. w. N.).
94. Nach den gesetzlichen Vorgaben kommt einerseits eine Bewilligung nach §§ 119, 114 ZPO für die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und andererseits eine eingeschränkte Bewilligung nur für eine Einigung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO in Betracht.
10a) Prozesskostenhilfe kann unter den Voraussetzungen von § 114 ZPO einer Partei bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dabei ist für die Partei, die Prozesskostenhilfe für eine Klage begehrt, auf deren Erfolgsaussichten abzustellen. Nicht erforderlich ist, dass die Klage schon erhoben worden ist. Um einer Partei zu ermöglichen, gegebenenfalls auch bei fehlenden oder unzureichenden finanziellen Mitteln einen Rechtsstreit zu führen, kann ihr Prozesskostenhilfe auch für eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht erhobene, sondern nur beabsichtigte Klage bewilligt werden. Anders liegen die Dinge dagegen auf Seiten des Antragsgegners. Ihm ist unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn seine Rechtsverteidigung hinreichende Erfolgsaussicht hat. Dafür ist erforderlich, dass die gegen ihn gerichtete Klage unschlüssig ist oder er Tatsachen vorträgt, die zur Klageabweisung führen können. Solange eine Klage aber noch gar nicht erhoben ist und auch nicht feststeht, ob sie jemals erhoben wird, braucht er sich vor Gericht nicht zu verteidigen. Deshalb darf ihm zur Abwehr eines Begehrens, das mangels Klagezustellung noch nicht rechtshängig geworden ist, im Allgemeinen keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03). Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für den Fall, dass eine Partei Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage beantragt und dieser Antrag dem Gegner gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Stellungnahme zugeleitet wird. Solange die angekündigte Klage nicht erhoben ist, liegen für den Antragsgegner die Voraussetzungen von § 114 ZPO regelmäßig nicht vor. Für das Prozesskostenhilfeverfahren kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03).
11b) Nur für den Fall, dass bei der summarischen Prüfung oder Erörterung des Antrags auf Prozesskostenhilfe beide Seiten einigungsbereit sind, erlaubt das Gesetz aus Zweckmäßigkeitsgründen, nämlich zur Ermöglichung einer gütlichen vorprozessualen Regelung, dass im Prozesskostenhilfeverfahren über den Klageanspruch selbst eine Regelung im Wege eines Vergleichs erfolgt (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Hier sprengt das Gesetz den Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens; Gegenstand der Prüfung und Erörterung sind jetzt nicht mehr die Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers und die Erfolgsaussicht seines Begehrens, sondern jetzt geht es um die Sache selbst. Kommt es dabei zu einer Einigung der Parteien, ist aus denselben Zweckmäßigkeitsgründen, aus denen der Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfeverfahren gestattet ist, auch eine Ausnahme von dem Grundsatz gerechtfertigt, dass im Bewilligungsverfahren selbst keine Prozesskostenhilfe gewährt wird. Ein Vergleichsabschluss ist keine Regelung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, sondern über die Sache selbst. Der bisher vom Ausgang des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht unmittelbar betroffene Gegner bindet sich jetzt. Da er dabei - ebenso wie der Antragsteller - rechtliche Beratung benötigen kann, ist die Interessenlage beider Seiten nunmehr gleich. In diesem Sonderfall kann - unter den Voraussetzungen des § 114 ZPO - dem Antragsgegner ebenso wenig wie dem Antragsteller die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts auf Staatskosten verwehrt werden. Deshalb darf für den Abschluss eines Vergleichs in einem Erörterungstermin (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) gegebenenfalls beiden Parteien Prozesskostenhilfe gewährt werden. Dabei kann einer Partei im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Prozesskostenhilfe aber nur für den Vergleich selbst und nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03).
12Bei einer auf den Vergleich beschränkten Prozesskostenhilfe werden der anwaltlich vertretenen Partei die ihrem Rechtsanwalt gegebenenfalls zustehende 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG und die 1,2 Terminsgebühr auch auf den Mehrwert des Vergleichs nicht aus der Staatskasse erstattet. Dies ist die Folge des Grundsatzes, dass für das Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe nicht gewährt wird. Eine umfassende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur bei Abschluss eines Vergleichs würde somit zu einem Wertungswiderspruch führen, der mit dem Sinn und Zweck des Instituts der Prozesskostenhilfe nicht zu vereinbaren wäre (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03; ebenso: OLG Bamberg 7. November 2007 – 2 WF 54/07; OLG Bamberg 5. Mai 2009 – 2 WF 20/09; OLG München 18.3.2009 – 11 WF 812/09; OLG Köln 11. Dezember 2006 – 5 W 122/06; OLG Hamm3. Juli 2008 – 10 WF 77/08; OLG Nürnberg 19.10.2005 - 2 W 2190/05).
13Der Grundsatz, wonach keine Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren gewährt wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn das PKH-Verfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG 2. Juli 2012 – 2 BvR 2377/10).
14c) Sofern nach bewilligter Prozesskostenhilfe die bedürftige Partei zusätzlich Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines sogenannten Mehrvergleichs beantragt, wird dadurch ein neues – nunmehr auf die Streitmasse der nicht anhängigen (wechselseitigen) Ansprüche bezogenes – Prozesskostenhilfe-Verfahren eingeleitet. Die durch den Ergänzungsantrag eingetretene Verfahrenslage stellt sich somit nicht wesentlich anders dar als die Regelkonstellation, auf die die Ausnahmeregelung des § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO zugeschnitten ist. Für eine unterschiedliche Behandlung beider Verfahrenssituationen ist daher kein sachlicher Grund erkennbar (OLG München 18.3.2009 – 11 WF 812/09; OLG Bamberg 5. Mai 2009 – 2 WF 20/09; OLG Nürnberg 19.10.2005 – 2 W 2190/05), so dass für den Ergänzungsantrag wiederum der Grundsatz gilt, wonach für das Bewilligungsverfahren selbst Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht gewährt werden kann.
15Die Begrenzung der sachlichen Reichweite einer auf den Vergleichsschluss selbst beschränkten Bewilligungsanordnung entsprechend § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO entspricht nicht nur dem Ausnahmecharakter dieser Regelung. Sie erfährt ihre innere Rechtfertigung dadurch, dass in dem durch § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO eröffneten Bewilligungsrahmen eine Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 ZPO) zwar nicht von vornherein entbehrlich ist, sich aber aus prozessökonomischen Gründen jedenfalls darauf beschränken darf, den Umfang der Vergleichsbereitschaft des Antragsgegners nachzuvollziehen. Wird Prozesskostenhilfe für die Mehreinigung beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt (BAG 16. Februar 2012 – 3 AZB 34/11). Sind aber insoweit die sachlichen Bewilligungsschranken gegenüber den Regelanforderungen deutlich abgesenkt, so spricht die hierfür maßgebende Zielsetzung des Gesetzes zugleich dafür, dass in einem solchen Ausnahmefall die Gewährung von Prozesskostenhilfe von vornherein nicht die gleiche Anordnungsqualität haben kann wie eine der Vorgabe einer vollen Sachprüfung nach § 114 Satz1 ZPO unterliegende (und insoweit auch begründungsbedürftige) Bewilligung (OLG Bamberg 21. März 2011 – 4 W 42/10).
165. Antragsgemäß ergangene Entscheidungen im Prozesskostenhilfe-Verfahren sind – schon im Interesse eines einheitlichen Verständnisses sämtlicher Verfahrensbeteiligten (einschließlich der Beschwerdeinstanz(en) und im nachfolgenden Festsetzungsverfahren) – objektiv-typisierend auszulegen (OLG Bamberg 21. März 2011 – 4 W 42/10).
17a) Geht es um die Erstreckung von Prozesskostenhilfe auf einen sogenannten Mehrvergleich, hat eine Antragstellerseite, die eine Erstattungsfähigkeit sämtlicher mit dem Vergleichsüberhang zusammenhängenden Gebühren anstrebt, alle Veranlassung, diese weitergehende Zielsetzung in ihrer Antragstellung unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Ein Gesuchsteller, der sich stattdessen mit einem floskelhaften Antrag begnügt, kann somit keinesfalls erwarten, dass aus einem entsprechend formelhaft ausgefallenen Bewilligungsbeschluss der für eine umfassende Erstattung sämtlicher angefallenen Gebühren erforderliche Anordnungsumfang im Nachhinein „herausgelesen“ wird. Abgesehen davon wäre ein Antragsteller mit dieser weitergehenden Zielsetzung zugleich gehalten, seine Erfolgschancen in Bezug auf die außerprozessuale Streitmasse wenigstens in Umrissen zu verdeutlichen (OLG Bamberg 21. März 2011 – 4 W 42/10).
18b) Der übliche Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich ist nicht darauf ausgerichtet, einen Eindruck von den angeblichen Erfolgschancen der Antragstellerseite hinsichtlich der in den Prozessvergleich einbezogenen nicht anhängigen Ansprüche zu vermitteln. Mithin gibt eine solche Antragstellung keinen Anlass, in eine auch nur eingeschränkte Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten der Antragstellerseite bezüglich der nicht anhängigen Ansprüche einzutreten. Für die gerichtliche Bewilligungsentscheidung besteht die Vermutung, dass das Gericht die Entscheidungsfindung an den Maßstäben des geltenden Rechts orientieren will. Nach den darauf aufbauenden Auslegungsregeln darf in Prozesskostenhilfe-Sachen dem objektiven Verständnishorizont der Antragstellerseite ohne weiteres die Einsicht zugerechnet werden, dass eine Bewilligung bzw. Beiordnung nur in den Grenzen der hierfür maßgebenden „Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen“ ergehen kann (vgl. BAG 18. Juli 2005 – 3 AZB 65/03). Zu diesen verbindlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gehören bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich insbesondere die vom BGH entwickelten Grundsätze (BGH 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03). Hiernach lässt ein formelhaft ausgefallener Erweiterungsbeschuss regelmäßig nur die Deutung zu, dass die Entscheidung nur auf einen allein die Einigungsgebühr betreffenden Bewilligungsumfang angelegt ist.
19Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 48 RVG im Zuge des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 (BGBl. I 2013, Satz 2586 ff.) sich damit begnügte, in Absatz 3 dieser Vorschrift zu regeln, dass sich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in den dort enumerativ aufgeführten Fällen auf alle mit dem Mehrvergleich erforderlichen anwaltlichen Tätigkeiten erstreckt. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Mehrvergleiche über nicht von Amts wegen einzuleitende Folgesachen bei Anhängigkeit einer Ehesache. Dabei ist dem Gesetzgeber hinlänglich bekannt gewesen, dass in der Frage, welche Gebühren ein beigeordneter Rechtsanwalt für den Abschluss eines Mehrvergleichs aus der Landeskasse beanspruchen kann, die Ansichten in Rechtsprechung und Literatur weit auseinandergehen. Jedenfalls seit der Änderung des § 48 Abs. 3 RVG zum 01.08.2013 kann außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich auch die auf den höheren Vergleichswert entfallenden Differenzverfahrens- und/oder Differenzterminsgebühren erfasst (LG Detmold 29. Mai 2015 – 3 T 52/15; OLG Koblenz 19.5.2014 – 13 WF 369/14; OLG Celle 26. Februar 2015 - 10 WF 28/15; a.A. Enders JurBüro 2014, 449 ff, 505 ff., 561 ff.).
206. Liegt damit eine eingeschränkte Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für den Mehrvergleich vor, ist dem beigeordneten Rechtsanwalt für die Mehreinigung die 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG und nicht nur die 1,0 Einigungsgebühr nach 1003 VV RVG zu erstatten.
21a) Die Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Dagegen fällt nach Nr. 1003 VV RVG lediglich die 1,0-Einigungsgebühr an, wenn über den Gegenstand der Einigung ein gerichtliches Verfahren, jedoch kein selbständiges Beweisverfahren, anhängig ist. Dies gilt auch, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird.
22Die Einigungsgebühr tritt an die Stelle der bisherigen außergerichtlichen Vergleichsgebühr des § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAGO. Zielrichtung der Neugestaltung unter Nr. 1000 VV RVG ist es, die streitvermeidende oder –beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken. Der Rechtsanwalt soll die Gebühr nach Nr. 1000 VV RVG auch dann unvermindert erhalten, wenn die Prozesskostenhilfe nur zur Protokollierung der Einigung beantragt wird (BT-Drucks. 15/1971, S. 204).
23b) Die erkennende Kammer ist bislang davon ausgegangen, dass für die Mehreinigung die Festsetzung einer 1,5-Einigungsgebühr im Falle eines Prozesskostenhilfe-Bewilligungs- und Beiordnungsbeschlusses nur in Betracht kommt, wenn die Prozesskostenhilfe allein zur Protokollierung der Einigung beantragt wurde, weil im Fall der Protokollierung die Tätigkeit des Arbeitsgerichts nicht (mit)ursächlich ist für den Inhalt der Einigung (LAG Hamm 31. August 2007 – 6 Ta 402/07). Hieran kann nicht festgehalten werden. Ergibt die Auslegung des Bewilligungsbeschlusses, dass die Bewilligung entsprechend § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur für den Mehrvergleich erfolgen sollte, liegt die Rückausnahme nach Anm. Abs. 1 Satz 1 zu Nr. 1003 VV („die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt“) vor. Eine fehlende Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Mehrvergleichs ist keine Tatbestandsvoraussetzung für die 1,5 Einigungsgebühr. Die Entstehung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG hat nicht zur Voraussetzung, dass durch die Einigung eine konkrete Entlastung der Gerichte eintritt. Zwar hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Einigungsgebühr die Erwartung verknüpft, dass der mit dieser Gebühr geschaffene Anreiz zur einvernehmlichen Streitbeilegung generell eine Entlastung der Justiz mit sich bringen werde (BT-Drucks. 15/1971, S. 204), er hat jedoch - wie schon der Gesetzeswortlaut zeigt - eine konkret messbare Entlastung des Gerichts im Einzelfall, deren Feststellung mitunter ohnehin erhebliche Probleme bereiten würde, nicht zur Anspruchsvoraussetzung erhoben (BGH 17. September 2008 – IV ZB 14/08; LAG Düsseldorf 25.9.2014 – 5 Sa 273/14; LAG Düsseldorf 13.10.2014 – 13 Ta 342/14; a.A.: LAG Rheinland-Pfalz 12. März 2015 – 5 Ta 51/15; LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10; LAG Schleswig-Holstein 18.11.2011 - 1 Ta 191/11; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10; LAG Nürnberg 25.06.2009 - 4 Ta 61/09; LAG München 2. Januar 2015 – 1 Ta 282/13; LAG München 17.03.2009 - 10 Ta 394/07).
Tenor
Auf die Erinnerung des Klägervertreters wird der Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 29.08.2014 abgeändert. Die dem Klägervertreter aus der Staatskasse zu zahlende Einigungsgebühr für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs vom 31.07.2014 (1.200,00 €) ist gemäß Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5 anzusetzen.
1
Gründe:
2I.
3Der Beschwerdeführer begehrt im Rahmen der Abrechnung seiner Prozesskostenhilfegebühren die Festsetzung einer Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs in Höhe von 1,5.
4Die Parteien schlossen im 2. Rechtszug ihres Kündigungsrechtsstreits im Termin am 31.07.2014 "nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage auf Vorschlag des Vorsitzenden" einen gerichtlich protokollierten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung geendet hat sowie Abwicklungsmodalitäten, eine Abfindungszahlung und eine Ausgleichsklausel vereinbart wurden. Im Anschluss an die Genehmigung des Vergleichs und noch in der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger, die bereits zuvor für diesen Rechtszug "erteilte Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrvergleich zu erstrecken". Das Landesarbeitsgericht bewilligte daraufhin unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten die Prozesskostenhilfe auch für den Vergleich und setzte anschließend den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.800,00 € und für den Vergleich auf 6.000,00 € fest.
5Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag vom 31.07.2014 beantragte der Klägervertreter für den Mehrwert des Vergleichs von 1.200,00 € die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts setzte lediglich eine Einigungsgebühr i.H.v. 1,0 gemäß Nr. 1003 VV RVG an und führte zur Begründung aus, eine Gebührenreduzierung nach Nr. 1003 VV RVG finde immer schon dann statt, wenn der Mehrvergleich Gegenstand der gerichtlichen Erörterung gewesen ist, sodass das Gericht nicht mehr allein als Beurkundungsorgan für einen außergerichtlich erreichten Vergleich in Anspruch genommen wird. Der hiergegen eingelegten Erinnerung hat er nicht abgeholfen und sie dem Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.
6II.
7Über die - unbefristete - Erinnerung des Klägervertreters gegen die Festsetzung seiner aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung war gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG durch Beschluss zu entscheiden. Gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 8 RVG ist der Vorsitzende als Einzelrichter zuständig.
8In der Sache hat die Erinnerung Erfolg. Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle war die Einigungsgebühr für den Mehrvergleich nach Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5 anzusetzen.
9Nach Nr. 1000 der Anlage 1 zum RVG beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Die erhöhte Gebühr soll einen Anreiz zur Vermeidung streitiger Entscheidungen setzen und damit zur Entlastung der Gerichte beitragen. Nach Nr. 1003 VV RVG ermäßigt sich die Gebühr auf 1,0, wenn über den Gegenstand der Einigung ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Dies gilt nach Abs. 1 der Anmerkungen zu Nr. 1003 VV RVG unter anderem auch, wenn in Bezug auf den Gegenstand ein Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird.
10Die Voraussetzungen für die Ermäßigung nach Nr. 1003 VV RVG liegen nicht vor. Als gerichtliches Verfahren über den Gegenstand des Mehrvergleichs kommt hier von vornherein nur das Verfahren über die beantragte Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich in Betracht. An einem solchen Verfahren könnte es schon deshalb fehlen, weil im Zeitpunkt der Verwirklichung des Gebührentatbestands, also bei Genehmigung des Vergleichs durch die Prozessbevollmächtigten, der Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe noch nicht gestellt war. Die Frage kann aber offenbleiben. Selbst wenn der Antrag auf Erstreckung von Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich als bereits in dem ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrag des Klägers "stillschweigend" enthalten anzusehen (vgl. etwa BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390; BAG 30.04.2014 - 10 AZB 13/14, NZA-RR 2014, 382 Rn. 16 ff.) und er damit bei Genehmigung des Vergleichs als bereits "anhängig" i.S.d. Nr. 1003 VV RVG einzuordnen wäre, wäre der Ermäßigungstatbestand der Nr. 1003 VV RVG nicht erfüllt. Denn ein solcher Antrag ist ungeachtet einer etwaigen Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs lediglich auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs gerichtet und fällt somit unter die Rückausnahme des Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 1003 VV RVG.
11Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung soll eine lediglich für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragte Prozesskostenhilfe nicht gegeben sein, wenn das Gericht über die bloße Protokollierung hinaus auf irgendeine Weise an dem Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat (vgl. etwa LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10, juris; LAG Schleswig-Holstein 18.11. 2011 - 1 Ta 191/11, juris; LAG München 11.07.2012 - 10 Ta 34/12, unveröff.; Gerold/Schmidt RVG 21. Aufl. VV 1003, 1004 Rn. 44; Bischof u.a., RVG 5. Aufl., Nr. 1003 VV/Teil 1 Rn. 45). Dem kann nicht gefolgt werden.
12Die Ausnahme der Nr. 1003 VV RVG ist ebenso wie die Rückausnahme im letzten Halbsatz des Abs. 1 an den Tatbestand eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens geknüpft. Einziges Unterscheidungskriterium für die Rückausnahme ist, dass sich bei ihr der Antrag und damit das Verfahren lediglich auf die Protokollierung des Vergleichs beziehen dürfen. Das Wort "lediglich" bezieht sich nicht auf die Tätigkeit des Gerichts (Protokollierung), sondern auf den Antrag. Demgegenüber führt ein Antrag, der für den Gegenstand des Mehrvergleichs Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines streitigen Verfahrens begehrt, zu einer Kürzung der Gebühr. In einem solchen Verfahren bedarf es der Prüfung der Erfolgsaussichten des Klagebegehrens, während Prozesskostenhilfe für die Protokollierung eines Vergleichs schon zu bewilligen ist, wenn zu erwarten ist, dass über den Gegenstand der Mehrvergleichs ein Vergleich zustande kommt (BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390).
13Unerheblich ist es demnach, ob und in welchem Umfang das Gericht außerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens über den Gegenstand des Vergleichs tatsächlich an dessen Zustandekommen mitgewirkt hat. Das zeigt sich deutlich in dem Fall, dass kein Prozesskostenhilfeantrag gestellt wird: Hier besteht keine Grundlage für eine Kürzung der Gebühr, selbst wenn das Gericht intensiv am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat (allg. M.). Hätte der Gesetzgeber das Ausmaß der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs für maßgeblich erachtet, hätte er dies konsequenterweise auch außerhalb von Prozesskostenhilfeanträgen zum Kürzungsgrund erhoben. Die formale Anknüpfung der Gebührenkürzung an ein anhängiges Verfahren und dessen Gegenstand und nicht an die konkrete Mühewaltung des Gerichts oder Rechtsanwalts im Einzelfall entspricht demgegenüber der vorherrschenden Regelungstechnik des RVG.
14Es kann daher nur fraglich sein, ob der hier gegebene Antrag, Prozesskostenhilfe auch auf den Vergleichsmehrwert zu erstrecken, einen anderen Verfahrensgegenstand hat als der Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des gerichtlichen (Mehr-)Vergleichs. Das ist nicht der Fall. Die Anträge sind auf ein identisches Ziel gerichtet. Ein Prozesskostenhilfeantrag "für die Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs" macht keinen Sinn. Die bloße Mühewaltung des Gerichts löst hier keine Kosten aus, für deren Bestreitung Hilfe beantragt werden könnte. Die Kosten für die Protokollierung des Mehrvergleichs werden vielmehr durch die Mitwirkung des Gerichts an seinem Zustandekommen nicht beeinflusst. Deshalb sind die Anträge auf Prozesskostenhilfe in beiden Fällen auf dasselbe Ziel gerichtet, nämlich lediglich auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs.
15Bei der Mitwirkung des Anwalts an der Protokollierung des Vergleichs werden somit unabhängig von der Beteiligung des Gerichts an dessen Zustandekommen für den Gegenstand des Mehrvergleichs stets die Gebühr aus Nr. 1000 VV RVG sowie - falls der Anwalt in Bezug auf diese Gegenstände bereits zuvor mit der Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren beauftragt war - eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach (im Berufungsverfahren) Nr. 3201 VV RVG (dort gem. Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs.) fällig. Weitere Gebührentatbestände fallen nicht an. Die beantragte Erstreckung der bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich ist damit für die Höhe der Einigungsgebühr unschädlich.
16Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen der herrschenden Meinung zu der Vorgängerregelung in § 23 BRAGO (vgl. Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rn. 40b m.w.N.). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die bereits damals streitige Frage entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Neuregelung im Sinne der damaligen Mindermeinung hätte entscheiden wollen.
17Quecke
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 07.07.2014 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 27.06.2014 - 11 Ca 964/14 - aufgehoben.
Auf die Erinnerung des Antragstellers vom 03.06.2014 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf 20.05.2014 in der Fassung der teilweisen Abhilfe vom 26.06.2014 bezogen auf die Festsetzung der Einigungsgebühr abgeändert.
Insoweit wird das Vergütungsfestsetzungsverfahren an das Arbeitsgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen, bei der erneuten Entscheidung über die vom Antragsteller beantragte Vergütungsfestsetzung für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs vom 10.04.2014 (3.843,40 €) eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 VV RVG in Höhe von 1,5 anzusetzen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
1
G R Ü N D E :
2A.
3Im Ausgangsverfahren beantragte der Kläger mit der Klageschrift Prozesskostenhilfe "für das vorliegende Verfahren". Im Gütetermin schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Widerrufsvergleich, der auch nicht rechtshängige Gegenstände regelte. Der Antragsteller beantragte für den dortigen Kläger zu Protokoll "Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich". Die dortige Beklagte widerrief den Vergleich, da eine Kontaktaufnahme mit dem entscheidungsbefugten Regionalleiter nicht rechtzeitig erfolgen konnte. Im Anschluss einigten sich die Parteien jedoch auf einen Vergleich desselben Wortlauts (mit Ausnahme der Widerrufsmöglichkeit), dessen Zustandekommen und Inhalt das Gericht nach § 278 Abs. 6 ZPO mit Beschluss vom 10.04.2014 feststellte. Mit Beschluss vom 29.04.2014 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger "für den 1. Rechtszug Prozesskostenhilfe in vollem Umfang".
4Den Antrag des Antragstellers auf Festsetzung der Anwaltsvergütung im Prozesskostenhilfe-Verfahren hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 20.05.2014 zurückgewiesen, soweit dieser Gebührenansprüche für den Mehrvergleich umfasst. Der Erinnerung des Antragstellers hat das Arbeitsgericht abgeholfen mit Ausnahme der für den Mehrvergleich verlangten 1,5 Einigungsgebühr; diese hat es nur mit einer 1,0 Gebühr berücksichtigt. Insoweit hat es die Erinnerung dem Kammervorsitzenden vorgelegt. Gegen dessen Zurückweisungsentscheidung mit Beschluss vom 27.06.2014 wendet sich der Antragsteller mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Beschwerde.
5B.
6I.Die (befristete) Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den richterlichen Beschluss des Arbeitsgerichts ist zulässig: Sie ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt zwar nicht 200,00 €. Das Arbeitsgericht hat die Beschwerde jedoch zugelassen, §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG. Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG einzuhaltende Rechtsmittelfrist von zwei Wochen ab Zustellung ist gewahrt.
7II.Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung der Landeskasse fällt eine Einigungsgebühr von 1,5 für den Gegenstand eines Mehrvergleichs auch dann an, wenn eine der Parteien für den Abschluss des (Mehr-) Vergleichs Prozesskostenhilfe beantragt hat.
81.Nach der Regelung in VV RVG 1003 führt zwar u. a. die Anhängigkeit eines Prozesskostenhilfeverfahrens zur Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0. Zur Überzeugung der Beschwerdekammer ist eine Anhängigkeit in diesem Sinn jedoch nicht gegeben, soweit Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich beantragt wird.
9a)Dafür spricht zunächst die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Bereits unter der Geltung der BRAGO war umstritten, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich zu einer Reduzierung der Gebühr führte (dagegen die h. M. in Literatur und Rechtsprechung, insbesondere LAG Düsseldorf 10.06.1997 - 7 Ta 3/97 - JurBüro 1997, 585; zum Streitstand Hess. LAG 15.02.1999 - 9 Ta 12/99 - NZA-RR 1999, 380; Gerold/Schmidt-von Eicken BRAGO 15. Aufl. § 23 RN 40b mit umfangreichen Nachweisen). Nach einer weiteren Mindermeinung (OLG Nürnberg 18.08.1997 - 7 WF 2281/97 - JurBüro 1998, 137) sollte zu unterscheiden sein, ob der beabsichtigte Vergleich erst durch das Gericht mit den Parteien erarbeitet werden muss oder ob dies bereits außergerichtlich geschehen ist und der schriftliche Entwurf dem Gericht fertig ausformuliert vorgelegt wird. § 23 Abs. 1 BRAGO lautete wie folgt:
10Für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs (§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erhält der Rechtsanwalt fünfzehn Zehntel der vollen Gebühr (Vergleichsgebühr). Der Rechtsanwalt erhält die Vergleichsgebühr auch dann, wenn er nur bei den Vergleichsverhandlungen mitgewirkt hat, es sei denn, dass seine Mitwirkung für den Abschluss des Vergleichs nicht ursächlich war. Soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, erhält der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr; das gleiche gilt, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist.
11Die Regelung in VV RVG 1003 entspricht dem weitgehend, allerdings enthält sie die Rückausnahme, dass "nicht lediglich Prozesskostenhilfe … für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird". Die Formulierung geht zurück auf den bereits am 29.08.2001 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) der von der damaligen Justizministerin eingesetzten Expertenkommission BRAGO-Strukturreform, der zu VV RVG 1003 im fraglichen Teil der Gesetz gewordenen Formulierung entspricht. Nach der Begründung des späteren Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vom 11.11.2003 sollte der Vorschlag der (Vorgänger-) Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO entsprechen, er "soll zu einer Vermeidung des streitigen Verfahrens beitragen" (Drucks. 15/1971 Seite 204). Zielrichtung der Neugestaltung sei es, "die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken". Es spricht aus Sicht der Beschwerdekammer alles dafür, dass die Rückausnahme aufgenommen wurde, um den zu § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO bestehenden Streit über die gebührenrechtlichen Folgen eines Prozesskostenhilfeantrags für einen Mehrvergleich im Sinne einer der damals vertretenen Auffassungen zu beenden. Wenn aber der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage bestätigen wollte, wird er sich insofern kaum an einer der damaligen Mindermeinungen orientiert haben.
12b)Auch im Übrigen sprechen zur Überzeugung der Beschwerdekammer die besseren Gründe dafür, das Gesetz dahingehend zu verstehen, dass es mit "anhängigen Prozesskostenhilfeverfahren" lediglich eigenständige Prozesskostenhilfeverfahren meint, in denen die Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung rechtshängiger oder rechtshängig zu machender Ansprüche begehrt wird (vgl. auch KG 31.07.2007 - 1 W 259/07 - Rpfleger 2007, 669 RN 3), während es mit der Rückausnahme der Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs gerade die fragliche Konstellation einer Erweiterung eines Prozesskostenhilfegesuchs auf einen Mehrvergleich erfassen will. Insoweit weist der Wortlaut der Rückausnahme darauf hin, dass für den Gegenstand des (Mehr-) Vergleichs die Prozesskostenhilfe eben nur für den Abschluss des Vergleichs beantragt wird, ohne dass für den Gegenstand des Mehrvergleichs bereits ein Prozesskostenhilfeverfahren für eine beabsichtigte Rechtswahrnehmung anhängig ist. Nur für die aus der Protokollierung des Vergleichs folgende Einigungsgebühr soll Prozesskostenhilfe beantragt sein, (bezogen auf den Mehrvergleich) nicht hingegen für das Verfahren selbst. Abs. 1 letzter Halbsatz der Anmerkung zu VV RVG 1003 stellt bereits seinem Wortlaut nach allein darauf ab, mit welcher Art von Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Gericht angegangen wird.
13Die wie erwähnt bereits in § 23 BRAGO enthaltene und durch das RVG übernommene Erhöhung der Einigungsgebühr für den Fall, dass über nicht anhängige Ansprüche ein Vergleich erzielt wird, dient wie dargestellt der Entlastung der Gerichte. Für die Rechtsanwälte sollte ein Anreiz geschaffen werden, Streitigkeiten einer Lösung zuzuführen, ohne gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine solche Entlastung ist in der Einbeziehung von weiteren Gegenständen in einen gerichtlichen Vergleich - anders als bei einem bereits anhängigen, im obigen Sinn eigenständigen Prozesskostenhilfeverfahrens - gerade gegeben:
14(1)Die richterlichen Aufgaben bei der Prüfung eines im oben genannten Sinn eigenständigen Prozesskostenhilfe-Antrags unterscheiden sich nämlich signifikant von denjenigen, die bei der Beantragung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich anfallen. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2012 (- 3 AZB 34/11 - NZA 2012, 1390; anders noch LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10 - juris) hat das Gericht bei Letzterem nämlich grundsätzlich nicht zu überprüfen, ob für die fraglichen Streitgegenstände hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne des § 114 ZPO bestanden hätten, wenn sie zum Gegenstand eines Klageverfahrens gemacht worden wären. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt. Da die Partei die Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich nur unter der Voraussetzung beantragt, dass dieser auch zustande kommt, dürfte dies kaum abgelehnt werden können. Eine echte Prüfung wird dem Gericht demnach nicht abgefordert. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei hat das Gericht ohnehin bereits wegen der für den rechtshängigen Streitgegenstand beantragten Prozesskostenhilfe zu prüfen; der Antrag auf Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich führt hier nicht zu zusätzlichem Aufwand.
15(2)So stellen die Gegner der hier vertretenen Auffassung auch vielmehr darauf ab, dass das Gericht dadurch belastet werde, dass es sich im Rahmen der Vergleichsgespräche zu den bislang nicht rechtshängigen Ansprüchen verhalten müsse (so bereits zu § 23 BRAGO Hess. LAG 15.02.1999 - 9 Ta 12/99 - NZA-RR 1999, 380; zum RVG: LAG Hamm 31.08.2007 - 6 Ta 402/07 - NZA-RR 2007, 601; LAG Nürnberg 25.06.2009 - 4 Ta 61/09 - NZA-RR 2009, 556; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10 - juris; LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10 - juris; Thüringer OLG 14.09.2009 - 1 Ws 343/09 - JurBüro 2010, 82; vgl. auch LAG München 17.03.2009 - 10 Ta 394/07 - juris). Dabei übersehen sie jedoch, dass diese Belastung nicht auf dem Prozesskostenhilfe-Antrag (für den Mehrvergleich) beruht, sondern ausschließlich auf der Einbeziehung prozessfremder Ansprüche. Wie dargelegt stellt Abs. 1 letzter Halbsatz der Anmerkung zu VV RVG 1003 jedoch allein darauf ab, mit welcher Art von Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Gericht angegangen wird. Eine Belastung des Gerichts, die ihren Grund nicht im Prozesskostenhilfeantrag hat, sondern unabhängig von diesem eintritt, ist als Unterscheidungskriterium zwischen Ausnahme und Rückausnahme in VV RVG 1003 Abs. 1 Satz 1 ungeeignet. Zutreffend weist die Beschwerde in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Rechtsanwalt die 1,5 Gebühr außerhalb von Prozesskostenhilfe-Sachverhalten fraglos verdient, obwohl hier das Gericht im Rahmen der Vergleichsverhandlungen genauso in die Erörterung der nicht bereits rechtshängigen Ansprüche mit einbezogen wird wie in den Prozesskostenhilfe-Sachverhalten. Der Gesetzgeber nimmt also in Kauf, dass dem Gericht die genannten Aufgaben im Rahmen von Vergleichsgesprächen zufallen, und honoriert, dass durch den Vergleich verhindert wird, dass diese Streitgegenstände noch gesondert geltend gemacht werden, im Ergebnis also eine weitere Belastung der Gerichte durch ein eigenständiges Verfahren entfällt. Der Prozesskostenhilfe-Anwalt könnte auf der Grundlage der hier abgelehnten Ansicht nie in den Genuss der erhöhten Gebühr kommen, obwohl er diesen vom Gesetz honorierten Beitrag zur Entlastung der Gerichte in gleicher Weise leistet wie der Prozessbevollmächtigte der selbstzahlenden Partei. Dies allein mit einer Schlechterstellung der anwaltlichen Vergütung im Fall eines Prozesskostenhilfeverfahrens zu erklären (so - noch zu § 23 BRAGO - LAG Nürnberg 04.11.1997 - 8 Ta 204/97 - LAGE § 23 BRAGO Nr. 6), hilft nicht weiter. Damit wird nämlich übersehen, dass auch für den Anwalt der gegnerischen, selbstzahlenden Partei VV RVG 1003 anwendbar ist. Auch für diesen reduzierte sich also bei der hier nicht vertretenen Auslegung die Einigungsgebühr auf 1,0 (vgl. Mayer/Kroiß RVG 6. Aufl. Nr. 1003 VVG RN 9).
16Dass das Gericht wie stets routinemäßig zu prüfen hat, ob es die Protokollierung des Vergleichs wegen Gesetzeswidrigkeit ablehnen muss, ändert entgegen der Auffassung des LAG Köln (11.12.2006 - 4 Ta 376/06 - juris) nichts. Auch diese Prüfung beruht nicht auf dem Prozesskostenhilfegesuch, sondern hat bei Mehrvergleichen außerhalb von Prozesskostenhilfe-Sachverhalten in gleicher Weise zu erfolgen.
17c)Die Gegenansicht führt auch zu kaum verständlichen Ergebnissen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist im Falle eines Mehrvergleichs ein Antrag auf Erweiterung der Prozesskostenhilfebewilligung auch dann noch rechtzeitig, wenn er zwar erst nach Protokollierung des Vergleichs, jedoch noch vor Beendigung der mündlichen Verhandlung gestellt wurde (BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11 - NZA 2012, 1390). Bei einer solchen Verfahrensweise wäre daher im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs noch kein Prozesskostenhilfe-Antrag anhängig. Es erscheint der Beschwerdekammer wenig nachvollziehbar, die Höhe der anwaltlichen Vergütung davon abhängig zu machen, ob der Antrag, die Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrvergleich zu erstrecken, vor oder nach Vergleichsabschluss gestellt wird.
18d)Letztlich lässt sich die Gegenauffassung nur schwerlich mit dem Charakter des Vergütungsfestsetzungsverfahrens vereinbaren. Sie misst der Formulierung, dass "nicht lediglich Prozesskostenhilfe … für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird", die Bedeutung zu, ein solcher Fall liege nur vor, wenn die Parteien die Einigung ohne Hilfe des Gerichts erzielt haben und dieses - "als Beurkundungsorgan" - lediglich noch die Protokollierung vornimmt (LAG Hamm 31.08.2007 - 6 Ta 402/07 - NZA-RR 2007, 601 RN 20; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10 - juris; LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10 - juris RN 21; Thüringer OLG 14.09.2009 - 1 Ws 343/09 - JurBüro 2010, 82 RN 24). Ein derartiges Kriterium erscheint der erkennenden Beschwerdekammer für das Verfahren auf Festsetzung der Anwaltsvergütung im Prozesskostenhilfeverfahren wenig geeignet. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle müsste danach versuchen, aus der Akte, insbesondere aus dem gerichtlichen Protokoll, herauszulesen, ob das Gericht an der Einigung mitgewirkt hat oder ob die Parteien diese eigenständig erzielt haben. Da es nur um die Höhe der Gebühr für die Gegenstände des Mehrvergleichs geht, müsste sich diese Prüfung konsequenterweise auf diese Gegenstände beschränken. Entsprechende Umstände werden sich jedoch nur in wenigen Fällen aus der Akte entnehmen lassen. Nach welchen Maßstäben sollte der Urkundsbeamte beispielsweise die Unterscheidung treffen, wenn die Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag zunächst ablehnen, sodann jedoch einen zwar inhaltsgleichen, aber im Wortlaut unterschiedlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 1. Alt. ZPO feststellen lassen?
192.Dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe den Mehrvergleich umfasst, zieht auch die Landeskasse zuletzt nicht mehr in Zweifel. Angesichts des zeitlichen Ablaufs und des Wortlauts des Bewilligungsbeschlusses bestehen insoweit auch keinerlei Bedenken.
203.Entgegen der Auffassung des LAG Hamm (31.08.2007 - 6 Ta 402/07 - NZA-RR 2007, 601 RN 13 ff.) dürfte es auch nicht darauf ankommen, ob über die Gegenstände des Mehrvergleichs Streit zwischen den Parteien bestand. Bei dem Vergleich vom 10.04.2014 handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, der nicht in verschiedene Einigungen aufgespalten werden kann. Die Parteien wollten ihr Vertragsverhältnis unter Einbeziehung rechtshängiger und nicht rechtshängiger Punkte durch die gefundene Gesamtlösung regeln. Die Frage, inwieweit einzelne Gegenstände des Vergleichs zwischen ihnen streitig waren, wirkt sich nur auf den Gebührenwert des Vergleichs aus.
21Da der erkennende Richter den Bewilligungsbeschluss gefasst hat, geht die Beschwerdekammer jedenfalls davon aus, dass auch bezogen auf die Gegenstände des Mehrvergleichs Streit zwischen den Parteien bestand. Es ist insbesondere kaum vorstellbar, dass ein Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hat, sich streitlos zur Erteilung eines guten Zeugnisses verpflichtet. Insofern hat auch die Landeskasse trotz des Hinweises vom 08.09.2014 keinerlei Bedenken geäußert.
22III. Wegen der Gebührenfreiheit und des Ausschlusses der Kostenerstattung wird auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG verwiesen. Die von der Landeskasse angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde ist der Beschwerdekammer verwehrt, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG (vgl. BGH 09.06.2010 - XII ZB 75/10 - JurBüro 2010, 537).
23R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
24Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
25Nübold
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 19.09.2016 wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 26.05.2016 - 2 Ca 417/16 - geändert.
Die der Beschwerdeführerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf 1.354,60 € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Beschwerdeführerin begehrt im Rahmen der Abrechnung ihrer PKH-Gebühren die Festsetzung einer Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs mit dem Faktor 1,5.
- 2
Die Parteien haben in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung gestritten. Bereits in der Klage hat die Klägerin einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt und die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen zur Gerichtsakte gereicht. Vor dem Arbeitsgericht haben die Parteien sich verglichen und auch weitere Ansprüche der Klägerin in den Vergleich einbezogen. Das Arbeitsgericht hat den Mehrwert des Vergleichs wegen dieser Ansprüche auf (850,-- € + 386,36 €) 1.236,36 € festgesetzt. Im Anschluss hieran hat das Gericht in Abwesenheit der Beklagten mit der Klägerin den Antrag auf Prozesskostenhilfe erörtert. Die Klägerin hat erklärt, sie erstrecke ihren PKH-Antrag auch auf den soeben geschlossenen Vergleich. Das Arbeitsgericht hat dann antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt.
- 3
Mit Schriftsatz vom 08.04.2016 beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin und Beschwerdeführerin die Festsetzung ihrer Gebühren und setzte hierfür neben einer Einigungsgebühr nach Nr. 1003 der Anlage 1 zum RVG u. a. eine „Differenz-einigungsgebühr“ von 120,-- € an. Die Kostenbeamtin beim Arbeitsgericht lehnte die Festsetzung der Differenzeinigungsgebühr unter Hinweis auf die Regelung in Nr. 1003 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG und Entscheidungen verschiedener Landesarbeitsgerichte (u. a. LAG Schl.-Holst. v. 18.11.2011 - 1 Ta 191/11) ab. Die Beschwerdeführerin hält unter Verweis auf eine Entscheidung des LAG Düsseldorf v. 13.10.2014 - 13 Ta 342/14 - an ihrem Festsetzungsantrag fest.
- 4
Gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 26.05.2016, der ihr am 01.06.2016 zugestellt worden ist, hat die Beschwerdeführerin am 07.06.2016 Erinnerung eingelegt. Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und diese dem Richter vorgelegt. Mit Beschluss vom 01.09.2016, gegen den das Arbeitsgericht die Beschwerde zugelassen hat, ist die Beschwerde zurückgewiesen worden. Gegen den am 07.09.2016 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 19.09.2016 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen und dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
- 5
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf die Akte verwiesen.
II.
- 6
Die zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist auch begründet.
- 7
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß den §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 1 RVG, nach dem das Arbeitsgericht die Beschwerde gegen seine Entscheidung ausdrücklich zugelassen hat. Die Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist gewahrt. Im Übrigen ist die Beschwerde ordnungsgemäß eingelegt worden.
- 8
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beschwerdeführerin steht auch für den Mehrwert des Vergleichs eine Gebühr mit dem Faktor 1,5, die sie unter der Bezeichnung Differenzeinigungsgebühr angesetzt hat, zu. Dabei kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob an der vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schl.-Holst. weiter festzuhalten ist oder ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf zutreffend ist. Bei dem vorliegenden Sachverhalt ist jedenfalls eine Einigungsgebühr für den Mehrwert des Vergleichs mit dem Faktor 1,5 entstanden.
- 9
a) Für die Entscheidung über die Beschwerde sind folgende Vorschriften aus der Anlage 1 zum RVG maßgeblich:
- 10
b) Bei der Auslegung dieser Gebührentatbestände ist streitig, ob die Beantragung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich bezogen auf die nicht rechtshängigen Gegenstände des Vergleichs zu einer Reduzierung des Gebührensatzes nach Nr. 1003 führt (dafür LAG Schl.-Holst., a. a. O. sowie weitere Landesarbeitsgerichte; dagegen LAG Düsseldorf, a. a. O. und diesem folgend weitere Landesarbeitsgerichte).
- 11
c) Der Streit ist für die Entscheidung über die Beschwerde im vorliegenden Fall unerheblich. Er betrifft nur Fälle, in denen bei Vergleichsschluss bereits der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich gestellt worden war. Nur in diesem Fall kann ein anderes gerichtliches Verfahren im Sinne der Nr. 1003, nämlich das Prozesskostenhilfeverfahren wegen des Mehrvergleichs, überhaupt anhängig sein. So liegt der Fall hier nicht. Zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses, ab dem die Einigungsgebühr verdient wird, war ein Prozesskostenhilfeantrag für den Mehrvergleich nicht gestellt. Über die im Mehrvergleich geregelten Ansprüche - dem „Gegenstand“ im Sinne der Nr. 1003 - war damit kein anderes Verfahren anhängig. Im Einzelnen gilt Folgendes:
- 12
aa) Die Einigungsgebühr für den Prozessbevollmächtigten entsteht mit dem Vergleichsschluss. Das folgt aus Nr. 1000 Abs. 1, wonach die Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags entsteht und ergibt sich im Umkehrschluss aus Nr. 1000 Abs. 3, wonach die Gebühr bei einem Widerrufsvergleich oder einem Vergleich unter einer aufschiebenden Bedingung erst entsteht, wenn die Bedingung eingetreten ist oder der Vertrag nicht mehr widerrufen werden kann. Vom Entstehen der Gebühr zu trennen ist die Fälligkeit des Anspruchs auf die Einigungsgebühr, die sich nach § 8 Abs. 1 RVG bestimmt.
- 13
bb) Zum Zeitpunkt des Entstehens der Einigungsgebühr war ein Prozesskostenhilfeantrag wegen der in dem Vergleich geregelten Ansprüche noch nicht gestellt. Das folgt ohne weiteres aus dem Sitzungsprotokoll. Dort ist ausdrücklich festgehalten, dass der Vergleich bereits geschlossen war. Dann verließ die Beklagtenseite den Gerichtssaal und das Gericht erörterte mit der Klägerin ihren Antrag auf Prozesskostenhilfe. Erst im Rahmen dieser Erörterung ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleich gestellt.
- 14
d) Vorsorglich weist das Beschwerdegericht darauf hin, dass im Hinblick auf den unter b) dargestellten Streit erhebliche Zweifel daran bestehen, ob an der bisherigen Rechtsprechung der Kammer festzuhalten ist. Es leuchtet nämlich nicht ein, warum die Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0 davon abhängen soll, ob ein Prozesskostenhilfeantrag für den Mehrvergleich vor oder nach dem Vergleichsschluss gestellt wird (so ausdrücklich auch LAG Düsseldorf, a. a. O., Rn 15).
- 15
3. Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel. Dies folgt aus den §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG.
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18. Februar 2015, Az. 7 Ca 3415/14, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
- 1
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers wenden sich mit ihrer am 26.02.2015 erhobenen Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 18.02.2015, mit welchem ihre Erinnerung gegen den Beschluss auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts vom 29.01.2015 zurückgewiesen wurde. In diesem Beschluss ist die aus der Landeskasse an den Beschwerdeführer zu zahlende PKH-Vergütung gemäß § 55 RVG auf € 1.183,46 festgesetzt worden. Der Beschwerdeführer hatte eine Festsetzung gegen die Staatskasse iHv. € 1.342,32 beantragt. Das Arbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
- 2
Der Kläger war seit 28.10.2013 im Betrieb der Beklagten als Lagermitarbeiter zu einem Bruttomonatslohn von € 1.400,- beschäftigt. Mit seiner Klage und dem Prozesskostenhilfeantrag vom 08.09.2014 beantragte er beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 22.08.2014 mit sofortiger Wirkung noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30.09.2014 aufgelöst worden ist.
- 3
In der Sitzungsniederschrift des Gütetermins vom 04.12.2014 vor dem Arbeitsgericht Koblenz sind folgende Feststellungen enthalten:
- 4
"Bezugnehmend auf sein PKH-Gesuch erklärt der Klägervertreter, der Mandant habe seit 01.11.2014 eine neue Stelle.
Dem Kläger wird aufgegeben, eine aktuelle Lohnabrechnung zur Gerichtsakte zu reichen, sobald ihm diese zur Verfügung steht.
Der Klägervertreter beantragt, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf einen etwaigen Mehrwert des Vergleichs zu erstrecken.
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage schließen die Parteien folgenden
- 5
Vergleich:
- 6
1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 22.08.2014 am 30.09.2014 sein Ende gefunden hat.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung iHv. € 250,- brutto.
3. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Leistungsbewertung "gut" und dem Führungsverhalten "stets einwandfrei". Das Zeugnis enthält eine Dankens-, Bedauerns- und Wünscheformel.
4. Der Beklagten bleibt vorbehalten, diesen Vergleich schriftsätzlich eingehend beim Arbeitsgericht Koblenz bis zum 16.12.2014 zu widerrufen.
vorgespielt und genehmigt
- 7
Für den Fall der Bestandskraft des Vergleichs ist beabsichtigt, den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit für das Verfahren auf € 4.200,- und für den Vergleich auf € 5600,- (Mehrwert Zeugnis) festzusetzen."
- 8
Der Vergleich wurde nicht widerrufen. Mit Beschluss vom 17.12.2014 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger, der Lohnabrechnungen nachgereicht hatte, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten ohne Ratenzahlungsverpflichtung.
- 9
Im Antrag auf Festsetzung der PKH-Vergütung vom 07.01.2015 begehrten die Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. eine 1,0 Einigungsgebühr aus einem Wert von € 4.200,- gem. §§ 2, 49 RVG Nr. 1003 VV und eine 1,5 Einigungsgebühr aus dem Mehrwert des Vergleichs von € 1.400,- (gem. Nr. 1000 RVG-VV). Die Urkundsbeamtin setzte lediglich eine 1,0 Einigungsgebühr (gem. Nr. 1003 RVG-VV) aus € 5.600,- fest.
- 10
Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, ihnen stehe eine 1,5 Einigungsgebühr für den Mehrwert des Vergleichs zu. Sie berufen sich auf die Rechtsprechung des LAG Düsseldorf in den Beschlüssen vom 13.10.2014 (13 Ta 342/14) und vom 25.09.2014 (5 Sa 273/14).
II.
- 11
Die Beschwerde ist zulässig, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstandes € 200,- nicht übersteigt, weil sie das Arbeitsgericht zugelassen hat (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG). Sie erfolgte auch innerhalb der Frist von zwei Wochen gem. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG.
- 12
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Einigungsgebühr für den Mehrwert des Vergleichs zu Recht mit 1,0 angesetzt.
- 13
Nach Nr. 1000 RVG-VV beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Nach Nr. 1003 RVG-VV beträgt die Einigungsgebühr jedoch nur 1,0, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren anhängig ist. Die Reduzierung auf 1,0 gilt nach Abs. 1 zu Nr. 1003 RVG-VV - neben hier nicht interessierenden Fällen - auch, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird.
- 14
Im vorliegenden Ausgangsverfahren ist die Prozesskostenhilfe nicht lediglich für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt worden. Die Parteien haben nicht etwa im Vorfeld des anberaumten Gütetermins eine vergleichsweise Beilegung des Kündigungsrechtsstreits unter Einschluss bisher nicht rechtshängiger Streitgegenstände vereinbart. Sie haben vielmehr nach den Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 04.12.2014 den Vergleich nach Erörterung der Sach- und Rechtslage geschlossen. Der bereits in der Klageschrift vom 08.09.2014 gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde im Gütetermin auf den Mehrvergleich erstreckt. Das Arbeitsgericht wurde nicht nur als sog. "Beurkundungsorgan" tätig, weil es einer Erörterung im Gütetermin bedurfte. Dies genügt für die Anwendung der Nr. 1003 RVG-VV (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10; LAG Schleswig-Holstein 18.11.2011 - 1 Ta 191/11; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10; LAG Nürnberg 25.06.2009 - 4 Ta 61/09; LAG München 17.03.2009 - 10 Ta 394/07; jeweils mwN).
- 15
Die von den Beschwerdeführern zitierten Beschlüsse des LAG Düsseldorf (25.09.2014 - 5 Sa 273/14; 13.10.2014 - 13 Ta 342/14) geben keine Veranlassung, die bisherige Rechtsprechung zu ändern. Durch die Erhöhung der Vergleichsgebühr von 1,0 auf 1,5 soll nach dem Gesetzeszweck das anwaltliche Bestreben, Streitigkeiten möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen, gefördert und belohnt werden. Eine Anrufung des Gerichts erfolgt gemäß der Anmerkung Nr. 1003 RVG-VV aber auch dann, wenn - wie hier - ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig gemacht wird. Es ist nicht ersichtlich, warum die Regelung nur für ein dem Erkenntnisverfahren vorgeschaltetes - isoliertes - Prozesskostenhilfeverfahren gelten sollte, zumal ein solches nicht vorkommen dürfte, wenn lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird. Auch wenn Prozesskostenhilfe im laufenden Verfahren für die vergleichsweise Regelung zuvor nicht förmlich gestellter Anträge beantragt wird, wird das Arbeitsgericht in Anspruch genommen. Das Gericht ist insoweit nicht lediglich "Beurkundungsorgan", sondern hilft im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage bei der Formulierung des Vergleichs. Es hat des Weiteren die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nochmals im Hinblick auf möglicherweise zwischenzeitlich eingetretene Änderungen zu überprüfen. Auch hat es zumindest zu prüfen, ob die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände in die vergleichsweise Regelung mutwillig iSv. § 114 ZPO ist. Da die Prozesskostenhilfe im Hinblick auf einen bestimmten abzuschließenden Vergleich oder - wie hier - erst nach Vergleichsabschluss bewilligt wird, stehen auch die Streitgegenstände fest.
- 16
Zwar ist den Beschwerdeführern zuzugeben, dass nach der Rechtsprechung des BAG (16.02.2012 - 3 AZB 34/11- Rn. 21) Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs schon dann zu bewilligen ist, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zu Stande kommt. Für die erforderliche Erfolgsaussicht kommt es nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Die Möglichkeit, zu Lasten der Staatskasse Gegenstände in den Vergleich aufzunehmen, besteht jedoch nicht unbegrenzt. Es ist zu prüfen, ob Mutwilligkeit vorliegt. Das ist der Fall, wenn lediglich aus Anlass eines Rechtsstreits und seiner Beendigung Regelungen in den Vergleich aufgenommen werden, die überflüssig sind, weil sie unstreitig sind und hinsichtlich derer auch kein Titulierungsinteresse besteht (BAG aaO, Rn. 23-24). Die Rechtsprechung des BAG zur Erweiterung der Prozesskostenhilfebewilligung im Fall eines Mehrvergleichs befasst sich nicht mit den Gebührentatbeständen des RVG. Es besteht im Hinblick auf diese Rechtsprechung deshalb kein Anlass, den Beschwerdeführern für den Mehrwert des Vergleichs eine 1,5 Einigungsgebühr zuzusprechen.
III.
- 17
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG. Eine weitere Beschwerde findet nicht statt, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.07.2011 - 6 BV 2/10 - klarstellend dahingehend gefasst, dass der Gegenstandswert des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats für das Verfahren auf 21.000,00 EUR und für den Vergleich auf 27.000,00 EUR festgesetzt wird.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens.
Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Gründe
I.
- 1
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren begehrt der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes nach Durchführung eines Beschlussverfahrens.
- 2
Die Beteiligten stritten um den Status von 18 im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Personen. Der Betriebsrat hat das vorliegende Verfahren eingeleitet mit den Anträgen,
- 3
festzustellen, dass 18 namentlich genannte Personen Arbeitnehmer i. S. d. § 5 Abs. 1 BetrVG sind,
festzustellen, dass diese 18 Personen keine leitenden Angestellten i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG sind sowie
festzustellen, dass er für diese 18 Personen zuständig ist.
- 4
Die Arbeitgeberin war der Ansicht, die genannten 18 Personen seien leitende Angestellte in ihrem Betrieb und der Betriebsrat daher für diese nicht zuständig.
- 5
Die Beteiligten haben zunächst einen Teil des Verfahrens durch Vergleich vom 06.10.2010 beendet. Darin waren sie sich einig, 8 Arbeitnehmer der Arbeitgeberin als leitende Angestellte und weitere 12 Arbeitnehmer nicht als leitende Angestellte i. S. d. § 5 BetrVG einzuordnen. In diese Feststellungen haben sie 5 Arbeitnehmer mit einbezogen, deren Status nicht Gegenstand des Verfahrens war. Die Beteiligten haben das Verfahren schließlich hinsichtlich des Status der verbleibenden 3 Arbeitnehmer sowie eines vierten Arbeitnehmers, dessen Status ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens war, mit weiterem Vergleich vom 04.05.2010 insgesamt erledigt.
- 6
Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats nach Anhörung mit Beschluss vom 22.07.2011 auf
- 7
21.000,00 EUR für die Anträge zu 1 und 2 bis zum 05.10.2010,
23.000,00 EUR für den Teilvergleich vom 06.10.2010
7.000,00 EUR für das Verfahren ab dem 07.10.2010 sowie
7.000,00 EUR für den Schlussvergleich vom 04.05.2011
- 8
festgesetzt.
- 9
Bei der Bewertung hat das Arbeitsgericht für die Anträge zu 1. und zu 2. den Hilfswert von 4.000,00 EUR für den ersten Arbeitnehmer sowie je 1.000,00 EUR für jeden weiteren Arbeitnehmer angesetzt. Den Klageantrag zu 3. hat es wegen wirtschaftlicher Teilidentität als nicht streitwerterhöhend erachtet. Für den Teilvergleich vom 06.10.2010 hat das Gericht ebenfalls den Hilfswert von 4.000,00 EUR für den ersten sowie je 1.000,00 EUR für jeden weiteren Arbeitnehmer angesetzt. Entsprechend hat das Arbeitsgericht für das Verfahren ab dem 07.10.2010, in welchem noch der Rechtsstreit über den Status von 4 Arbeitnehmers anhängig war, sowie den Schlussvergleich 4.000,00 EUR für den ersten sowie je 1.000,00 EUR für die weiteren Arbeitnehmer angesetzt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, aufgrund der Mehrzahl von Fällen mit ähnlichen Prüfungsansätzen und Fragestellungen komme die Festsetzung des vollen Hilfswerts für den Streit um den Status jedes Arbeitnehmers nicht in Betracht.
- 10
Mit am 02.08.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats gegen diesen ihm am 26.07.2011 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt und beantragt, den Gegenstandswert auf 80.000,00 EUR für das Verfahren sowie 104.000,00 EUR für den Vergleich festzusetzen. Zur Begründung hat er vorgetragen, eine Reduktion des Hilfswerts für den Streit über den Status der weiteren Arbeitnehmer sei nicht gerechtfertigt, da sowohl die rechtliche Bewertung als auch die Sachverhaltsvoraussetzungen für jeden Arbeitnehmer unterschiedlich ausgefallen seien. Auch hätte für jeden einzelnen Mitarbeiter ein eigenes Beschlussverfahren eingeleitet werden können. Daher sei für jeden Arbeitnehmer der Hilfswert von 4.000,00 EUR anzusetzen. zudem sei der Antrag zu 3. ebenfalls mit 4.000,00 EUR zu bewerten, da der Betriebsrat insoweit ein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht habe.
- 11
Die Arbeitgeberin hat eingewendet, es habe sich bei den betroffenen Arbeitnehmern um Mitarbeiter einer Hierarchiestufe und damit um nahezu identische Lebenssachverhalte gehandelt, so dass der volle Hilfswert für jeden Arbeitnehmer nicht anzusetzen sei.
- 12
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
- 13
1. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft und zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,00 EUR.
- 14
2. Das Rechtsmittel hat in der Sache zu einem geringen Teil insoweit Erfolg, als der Vergleichswert auf 27.000,00 EUR zu erhöhen war.
- 15
Die Bewertung der Anträge richtet sich vorliegend nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet hier schon deswegen keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 2 a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG genannten Gebührentatbestände finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.07.2007 - 1 Ta 173/07; Beschl. v. 21.07.2008 - 1 Ta 116/08). Der Gegenstandswert steht auch nicht nach anderen Regelungen fest.
- 16
Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen; mangelt es an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung des konkreten Werts, ist der Gegenstandswert mit dem in § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG genannten Hilfswert (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 01.03.2010 - 1 Ta 24/10) von 4.000,00 EUR anzusetzen.
- 17
Auf den Hilfswert ist somit nur zurückzugreifen, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausscheiden. Solche Anhaltspunkte können sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, einer möglichen Berührung finanzieller Ansprüche einzelner Arbeitnehmer, Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der Sache sowie aus dem Arbeitsaufwand des Verfahrensbevollmächtigten ergeben. Bei der Ausübung des billigen Ermessens ist das Interesse aller Beteiligten an der beantragten Feststellung bzw. Maßnahme zu berücksichtigen.
- 18
Streiten die Beteiligten um den betriebsverfassungsrechten Status einer Person, handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, zuletzt Beschl. v. 09.09.2009 - 1 Ta 292/09). Der Antrag beruht auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat und ist weder auf Geld noch auf Geldeswert gerichtet.
- 19
Ausgehend von den oben dargestellten Grundsätzen sind vorliegend keine besonderen Anhaltspunkte ersichtlich, die zur Wertfestsetzung herangezogen werden könnten, so dass ein Rückgriff auf den Hilfswert in Frage kommt.
- 20
Nach § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG ist der Hilfswert von 4.000,00 EUR nicht statisch, sondern je nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzusetzen. Das Gericht hat also auch in den Fällen, in denen grundsätzlich auf den Hilfswert zurückzugreifen ist, eine Einzelfallbewertung vorzunehmen.
- 21
Das Arbeitsgericht hat das ihm vorliegend im Rahmen der Bewertung eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, indem es für den ersten Arbeitnehmer den Hilfswert des § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG angesetzt und für jeden weiteren Mitarbeiter je 1.000,00 EUR. Er erscheint nicht angemessen, für jeden Mitarbeiter, dessen Status in Frage stand, jeweils den vollen Hilfswert anzusetzen (vgl. hierzu auch GK-Schleusener, ArbGG, 65. Ergänzungslieferung 2009, § 12 Rn. 483; LAG Hamm, Beschl. v. 27.11.2006 - 13 Ta 619/06). Der Beschwerdeführer hat nicht konkret dargelegt, dass die jeweiligen Einzelfälle markante Besonderheiten aufwiesen oder eine umfangreichere als eine parallel laufende Prüfung des Status der einzelnen Mitarbeiter erforderte und somit den Umfang bzw. die Schwierigkeit der Sache vergrößerten. Allgemeine Abgrenzungskriterien betrafen alle streitigen Mitarbeiter. Eine betriebsverfassungsrechtliche Statusklage weist in aller Regel auch keinen besonders hohen Schwierigkeitsgrad auf (vgl. GK-Schleusener, ArbGG, 65. Ergänzungslieferung 2009, § 12 Rn. 483).
- 22
Das Arbeitsgericht hat auch den Antrag zu 3) zutreffend nicht als gegenstandswerterhöhend berücksichtigt. Die mit dem Antrag zu 3) rechtshängig gemachte Rechtslage der Zuständigkeit des Betriebsrats ist den Statusklagen nach § 5 BetrVG immanent und eine von zahlreichen automatischen Rechtsfolgen der Statusfeststellung ohne zusätzliche einzelfallabhängige Rechtsfolge. Eine gesonderte Bewertung scheidet daher aus.
- 23
Das Arbeitsgericht hat das Verfahren daher zutreffend mit 21.000,00 EUR bewertet. Die Bildung von Verfahrensabschnitten war vorliegend entbehrlich, da der Beschwerdeführer seine angefallenen Gebühren, eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr nur ein Mal aus dem gesamten, und zwar dem höchsten Verfahrenswert abrechnen kann. Eine Bildung von Zeitabschnitten ist nur dann geboten, wenn eine bestimmte Gebühr nur in einem Verfahrensabschnitt anfällt, der - beispielsweise wegen Teilklagerücknahme oder Klageerweiterung - einen anderen Wert als die sonstigen Verfahrensabschnitte hat. Berechnet sich hingegen die angefallene Gebühr aus dem gesamten Verfahren, ist der am höchsten zu bewertende Verfahrensabschnitt für den gesamten Verfahrenswert maßgeblich.
- 24
Der Vergleichswert betrug vorliegend 27.000,00 EUR. In dem Teilvergleich vom 06.10.2010 hatten sich die Beteiligten zunächst über den Status von 15 in den Anträgen genannten Arbeitnehmern und 5 weiteren in das Verfahren einbezogenen Arbeitnehmern geeinigt. Im folgenden Schlussvergleich vom 04.05.2011 einigten sie sich schließlich über den Status der verbleibenden 3 in den Anträgen genannten Mitarbeiter sowie über den Status eines weiteren, nicht rechtshängig gewesenen Mitarbeiters. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG fällt die Einigungsgebühr unabhängig von der Zahl der im Verfahren geschlossenen Vergleiche nur ein Mal an (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, § 15, Rn. 54) und berechnet sich aus dem gesamten Wert aller Vergleiche. Daher war nur ein Vergleichswert mit einem Mehrwert von je 1.000,00 EUR für die Einigung über den Status von insgesamt 6 Arbeitnehmer, die nicht in den Anträgen genannt waren, festzusetzen.
- 25
Nach alledem war die größtenteils unbegründete Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG zurückzuweisen. Nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG steht es im Ermessen des Gerichts, die Gebühr nur bei teilweiser Zurückweisung der Beschwerde auf die Hälfte zu ermäßigen oder nicht zu erheben. Dies erscheint vorliegend nicht angemessen, da die Beschwerde - wenn überhaupt - nur zu einem ganz geringen Teil begründet war, weshalb die volle Gebühr anfällt.
- 26
Das vorliegende Beschwerdeverfahren wird auch nicht von der Gerichtskostenfreiheit des § 2 Abs. 2 GKG erfasst. Nach Sinn und Zweck der Kostenfreiheit von Streitigkeiten der Betriebspartner erfasst diese Bestimmung nicht auch das Gebühreninteresse der beauftragten Rechtsanwälte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.09.2010 - 1 Ta 189/10; LAG Köln BB 2001, 831). Die verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwälte sind nicht Beteiligte eines Beschlussverfahrens i. S. v. §§ 2 a, 83 Abs. 1 a ArbGG. Mit einer Wertbeschwerde verfolgen sie - unabhängig von der Verfahrensart - ausschließlich ein eigenes finanzielles Interesse. Solche Streitigkeiten sind nicht nach § 2 Abs. 2 GKG von Gerichtskosten befreit.
- 27
Ein Rechtsmittel ist gegen diesen Beschluss nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.
Tenor
Auf die Erinnerung des Klägervertreters wird der Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 29.08.2014 abgeändert. Die dem Klägervertreter aus der Staatskasse zu zahlende Einigungsgebühr für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs vom 31.07.2014 (1.200,00 €) ist gemäß Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5 anzusetzen.
1
Gründe:
2I.
3Der Beschwerdeführer begehrt im Rahmen der Abrechnung seiner Prozesskostenhilfegebühren die Festsetzung einer Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs in Höhe von 1,5.
4Die Parteien schlossen im 2. Rechtszug ihres Kündigungsrechtsstreits im Termin am 31.07.2014 "nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage auf Vorschlag des Vorsitzenden" einen gerichtlich protokollierten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung geendet hat sowie Abwicklungsmodalitäten, eine Abfindungszahlung und eine Ausgleichsklausel vereinbart wurden. Im Anschluss an die Genehmigung des Vergleichs und noch in der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger, die bereits zuvor für diesen Rechtszug "erteilte Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrvergleich zu erstrecken". Das Landesarbeitsgericht bewilligte daraufhin unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten die Prozesskostenhilfe auch für den Vergleich und setzte anschließend den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.800,00 € und für den Vergleich auf 6.000,00 € fest.
5Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag vom 31.07.2014 beantragte der Klägervertreter für den Mehrwert des Vergleichs von 1.200,00 € die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts setzte lediglich eine Einigungsgebühr i.H.v. 1,0 gemäß Nr. 1003 VV RVG an und führte zur Begründung aus, eine Gebührenreduzierung nach Nr. 1003 VV RVG finde immer schon dann statt, wenn der Mehrvergleich Gegenstand der gerichtlichen Erörterung gewesen ist, sodass das Gericht nicht mehr allein als Beurkundungsorgan für einen außergerichtlich erreichten Vergleich in Anspruch genommen wird. Der hiergegen eingelegten Erinnerung hat er nicht abgeholfen und sie dem Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.
6II.
7Über die - unbefristete - Erinnerung des Klägervertreters gegen die Festsetzung seiner aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung war gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG durch Beschluss zu entscheiden. Gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 8 RVG ist der Vorsitzende als Einzelrichter zuständig.
8In der Sache hat die Erinnerung Erfolg. Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle war die Einigungsgebühr für den Mehrvergleich nach Nr. 1000 VV RVG mit dem Faktor 1,5 anzusetzen.
9Nach Nr. 1000 der Anlage 1 zum RVG beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Die erhöhte Gebühr soll einen Anreiz zur Vermeidung streitiger Entscheidungen setzen und damit zur Entlastung der Gerichte beitragen. Nach Nr. 1003 VV RVG ermäßigt sich die Gebühr auf 1,0, wenn über den Gegenstand der Einigung ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Dies gilt nach Abs. 1 der Anmerkungen zu Nr. 1003 VV RVG unter anderem auch, wenn in Bezug auf den Gegenstand ein Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird.
10Die Voraussetzungen für die Ermäßigung nach Nr. 1003 VV RVG liegen nicht vor. Als gerichtliches Verfahren über den Gegenstand des Mehrvergleichs kommt hier von vornherein nur das Verfahren über die beantragte Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich in Betracht. An einem solchen Verfahren könnte es schon deshalb fehlen, weil im Zeitpunkt der Verwirklichung des Gebührentatbestands, also bei Genehmigung des Vergleichs durch die Prozessbevollmächtigten, der Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe noch nicht gestellt war. Die Frage kann aber offenbleiben. Selbst wenn der Antrag auf Erstreckung von Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich als bereits in dem ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrag des Klägers "stillschweigend" enthalten anzusehen (vgl. etwa BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390; BAG 30.04.2014 - 10 AZB 13/14, NZA-RR 2014, 382 Rn. 16 ff.) und er damit bei Genehmigung des Vergleichs als bereits "anhängig" i.S.d. Nr. 1003 VV RVG einzuordnen wäre, wäre der Ermäßigungstatbestand der Nr. 1003 VV RVG nicht erfüllt. Denn ein solcher Antrag ist ungeachtet einer etwaigen Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs lediglich auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs gerichtet und fällt somit unter die Rückausnahme des Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 1003 VV RVG.
11Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung soll eine lediglich für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragte Prozesskostenhilfe nicht gegeben sein, wenn das Gericht über die bloße Protokollierung hinaus auf irgendeine Weise an dem Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat (vgl. etwa LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10, juris; LAG Schleswig-Holstein 18.11. 2011 - 1 Ta 191/11, juris; LAG München 11.07.2012 - 10 Ta 34/12, unveröff.; Gerold/Schmidt RVG 21. Aufl. VV 1003, 1004 Rn. 44; Bischof u.a., RVG 5. Aufl., Nr. 1003 VV/Teil 1 Rn. 45). Dem kann nicht gefolgt werden.
12Die Ausnahme der Nr. 1003 VV RVG ist ebenso wie die Rückausnahme im letzten Halbsatz des Abs. 1 an den Tatbestand eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens geknüpft. Einziges Unterscheidungskriterium für die Rückausnahme ist, dass sich bei ihr der Antrag und damit das Verfahren lediglich auf die Protokollierung des Vergleichs beziehen dürfen. Das Wort "lediglich" bezieht sich nicht auf die Tätigkeit des Gerichts (Protokollierung), sondern auf den Antrag. Demgegenüber führt ein Antrag, der für den Gegenstand des Mehrvergleichs Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines streitigen Verfahrens begehrt, zu einer Kürzung der Gebühr. In einem solchen Verfahren bedarf es der Prüfung der Erfolgsaussichten des Klagebegehrens, während Prozesskostenhilfe für die Protokollierung eines Vergleichs schon zu bewilligen ist, wenn zu erwarten ist, dass über den Gegenstand der Mehrvergleichs ein Vergleich zustande kommt (BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390).
13Unerheblich ist es demnach, ob und in welchem Umfang das Gericht außerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens über den Gegenstand des Vergleichs tatsächlich an dessen Zustandekommen mitgewirkt hat. Das zeigt sich deutlich in dem Fall, dass kein Prozesskostenhilfeantrag gestellt wird: Hier besteht keine Grundlage für eine Kürzung der Gebühr, selbst wenn das Gericht intensiv am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat (allg. M.). Hätte der Gesetzgeber das Ausmaß der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs für maßgeblich erachtet, hätte er dies konsequenterweise auch außerhalb von Prozesskostenhilfeanträgen zum Kürzungsgrund erhoben. Die formale Anknüpfung der Gebührenkürzung an ein anhängiges Verfahren und dessen Gegenstand und nicht an die konkrete Mühewaltung des Gerichts oder Rechtsanwalts im Einzelfall entspricht demgegenüber der vorherrschenden Regelungstechnik des RVG.
14Es kann daher nur fraglich sein, ob der hier gegebene Antrag, Prozesskostenhilfe auch auf den Vergleichsmehrwert zu erstrecken, einen anderen Verfahrensgegenstand hat als der Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des gerichtlichen (Mehr-)Vergleichs. Das ist nicht der Fall. Die Anträge sind auf ein identisches Ziel gerichtet. Ein Prozesskostenhilfeantrag "für die Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs" macht keinen Sinn. Die bloße Mühewaltung des Gerichts löst hier keine Kosten aus, für deren Bestreitung Hilfe beantragt werden könnte. Die Kosten für die Protokollierung des Mehrvergleichs werden vielmehr durch die Mitwirkung des Gerichts an seinem Zustandekommen nicht beeinflusst. Deshalb sind die Anträge auf Prozesskostenhilfe in beiden Fällen auf dasselbe Ziel gerichtet, nämlich lediglich auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs.
15Bei der Mitwirkung des Anwalts an der Protokollierung des Vergleichs werden somit unabhängig von der Beteiligung des Gerichts an dessen Zustandekommen für den Gegenstand des Mehrvergleichs stets die Gebühr aus Nr. 1000 VV RVG sowie - falls der Anwalt in Bezug auf diese Gegenstände bereits zuvor mit der Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren beauftragt war - eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach (im Berufungsverfahren) Nr. 3201 VV RVG (dort gem. Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs.) fällig. Weitere Gebührentatbestände fallen nicht an. Die beantragte Erstreckung der bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich ist damit für die Höhe der Einigungsgebühr unschädlich.
16Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen der herrschenden Meinung zu der Vorgängerregelung in § 23 BRAGO (vgl. Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rn. 40b m.w.N.). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die bereits damals streitige Frage entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Neuregelung im Sinne der damaligen Mindermeinung hätte entscheiden wollen.
17Quecke
(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.
(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.
(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.
(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.
(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.