Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 26. Jan. 2016 - 14 Ta 646/15
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 13. Oktober 2015 (3 Ca 1874/12) aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung über die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe wegen Ratenrückstandes an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I. Der Klägerin wurde durch Beschluss vom 7. Dezember 2012 zunächst Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt. Durch Beschluss vom 18. Februar 2015 ordnete das Arbeitsgericht die Zahlung einer monatlichen Rate von 60,00 Euro an. Den Zahlungsbeginn setzte es mit dem der Klägerin übersandten Zahlungsplan vom 24. März 2015 auf den 4. Mai 2015 fest. Der Zahlungsplan enthält den Hinweis, dass die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann, wenn die Klägerin mit der Zahlung in Rückstand gerät. Die Klägerin zahlte unter dem 2. Juni 2015 eine Rate, die weiteren Raten auf den noch offenen Restbetrag von 145,87 Euro zahlte sie nicht.
3Im automationsgestützten Verfahren JUKOS wurde der Klägerin, nachdem sie mit den restlichen Raten für die Monate Juni bis August 2015 in Rückstand geraten war, jeweils monatlich eine Mahnung übersandt. Die rückständige Summe wurde sowohl in dem Schreiben genannt und war im beigefügten Überweisungsträger enthalten. Zudem enthielt das Schreiben den Hinweis, dass die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann, der gesamte Restbetrag sofort fällig ist und zwangsweise beigetrieben werden kann.
4Mit Schreiben vom 17. September 2015, welches der Klägerin persönlich formlos übersandt wurde, wies das Arbeitsgericht sie darauf hin, dass sie mit der Zahlung der Raten in Rückstand sei, bat sie um Ausgleich des Rückstandes und wies auf die Möglichkeit der Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe bei einem Zahlungsrückstand von mehr als drei Monaten hin. Ein Zahlung erfolgte nicht, woraufhin das Arbeitsgericht durch die hier angefochtene Entscheidung, welche den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. Oktober 2015 zugestellt wurde, die bewilligte Prozesskostenhilfe aufhob. Hiergegen richtet sich die am 3. November 2015 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin.
5II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.), §§ 567 ff. ZPO, § 40 EGZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist unwirksam, weil vor seinem Erlass die Klägerin nicht ordnungsgemäß gemahnt wurde. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an Arbeitsgericht.
61. Eine Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 4 ZPO a. F. (= § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) ist zulässig, wenn die Partei mit der Zahlung einer Rate mehr als drei Monate in Rückstand kommt und wenn der Zahlungsrückstand verschuldet ist (vgl. BGH, 9. Januar 1997, IX ZR 61/94, NJW 1997, 1077, II. 2. a) der Gründe; LAG Hamm, 19. März 2003, 18 Ta 60/03, NZA-RR 2003, 382, II. der Gründe; 3. März 2010, 14 Ta 649/09, juris, Rn. 2). Verschulden liegt erst dann vor, wenn die Partei auf den Rückstand hingewiesen wurde und auch auf eine Mahnung mit Fristsetzung nicht reagiert. In dem Mahnungsschreiben müssen die gerichtlichen Konsequenzen für den Fall der Nichtzahlung eindeutig festgelegt werden. Für den Fall des ergebnislosen Fristablaufs muss der Partei klar erkennbar gemacht werden, dass als Konsequenz die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe erfolgt (vgl. LAG Hamm, 19. März 2003, a. a. O.; LAG Berlin-Brandenburg, 20. Juli 2015, 21 Ta 1066/15, juris, Rn. 8). Insoweit dient eine solche Mahnung auch der Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 Satz 2 GG vor einer Aufhebungsentscheidung (vgl. LAG Hamm, a. a. O.; OLG Brandenburg, 29. Januar 2001, 10 WF 3/01, FamRZ 2002, 1419 = juris, Rn. 2).
72. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin nicht ausreichend angehört worden, weil die Mahnung nicht an ihre Prozessbevollmächtigten versandt und zugestellt wurde. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts reichen die der Klägerin persönlich formlos übersandten Hinweise in den sog. JUKOS-Mahnungen oder im Zahlungsplan nicht aus, ebenso wenig das ihr entsprechend übermittelte arbeitsgerichtliche Schreiben vom 17. September 2015.
8a) Wurde die Partei im Bewilligungsverfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten, erstreckt sich die diesem erteilte Prozessvollmacht nicht nur auf das Bewilligungsverfahren als solches, sondern auf das gesamte den Rechtszug betreffende Prozesskostenhilfeverfahren einschließlich des Nachprüfungs- oder Aufhebungsverfahrens (vgl. BGH, 8. Dezember 2010, XII ZB 38/09, MDR 2011, 183 = juris, Rn. 16 f., 29; BAG, 19. Juli 2006, 3 AZB 18/06, juris, Rn.11; LAG Berlin-Brandenburg, 20. Juli 2015, 21 Ta 1066/15, juris, Rn. 10). Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind sämtliche Zustellungen nicht an die Partei selbst, sondern an ihren Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann vorzunehmen, wenn dieser sie bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hat (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 18; BAG, a. a. O., Rn. 10; LAG Berlin-Brandenburg, a. a. O.; LAG Hamm, 20. September 2013, 14 Ta 160/13, juris, Rn. 12). Sinn und Zweck der Vorschrift ist es sicherzustellen, dass der Prozessbevollmächtigte, in dessen Hände die Partei eine bestimmte Rechtsangelegenheit gelegt hat, von allen relevanten Vorgängen unmittelbar Kenntnis erhält, die für eine Beurteilung hinsichtlich der Angemessenheit und Notwendigkeit weiterer Schritte im Prozess erforderlich sind (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, a. a. O.; LAG Hamm, a. a. O., Rn. 13). § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt deswegen nicht nur auf förmliche Zustellungen, sondern findet auch auf formlose Mitteilungen Anwendung (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, a. a. O.; LSG Nordrhein-Westfalen, 29. September 2014, L 6 AS 1124/14 B, Rn. 13; BeckOK-ZPO/Dörndorfer, 18. Edition, Stand 1. September 2015, § 172 ZPO Rn. 1; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Auflage, 2016, § 172 Rn. 2).
9Danach ist es weder ausreichend, dass im sog. JUKOS-Verfahren an die Partei persönlich Mahnungen verschickt werden. Noch genügen andere gerichtliche Mahnschreiben, welche der Partei unmittelbar übersandt werden. Auch der in dem der Partei übermittelten Zahlungsplan enthaltene Hinweis auf die Möglichkeit der Aufhebung im Falle eines Ratenrückstandes reicht nicht. Solche formlosen Mitteilungen sind an den Prozessbevollmächtigten zu übersenden (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, 20. Juli 2015, 21 Ta 1066/15, juris, Rn. 10).
10b) Darüber hinaus bedarf es der Zustellung einer solchen Mahnung an den Prozessbevollmächtigten der Partei.
11aa) Voraussetzung für die Feststellung eines Verschuldens am bestehenden Ratenrückstand ist eine Mahnung mit Fristsetzung unter Hinweis auf die Möglichkeit der Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe (vgl. LAG Hamm, 19. März 2003, 18 Ta 60/03, NZA-RR 2003, 382, II. der Gründe). Die für eine Aufhebung notwendige Feststellung eines verschuldeten Rückstandes erfordert demnach einen qualifizierten fristgebundenen gerichtlichen Hinweis. Die Nichtbeachtung der Mahnung kann unmittelbar bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Aufhebung, d. h. zu einer nachteiligen Entscheidung des Gerichts für die Partei führen (vgl. zu den Folgen der Aufhebung einer Prozesskostenhilfebewilligung LAG Hamm, 20. September 2013, 14 Ta 160/13, juris, Rn. 8). Es geht nicht nur um einen Hinweis auf den Ratenrückstand im Rahmen der Zahlungsüberwachung. Vielmehr wird bereits durch diesen Hinweis und nicht erst durch den Ablauf der Dreimonatsfrist des § 124 Nr. 4 ZPO a. F. (= § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) das für die Aufhebungsentscheidung maßgebliche gerichtliche Verfahren in Gang gesetzt. Zugleich wird der Partei das wiederum fristgebundene rechtliche Gehör zu der beabsichtigten Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung in diesem Verfahren gewährt.
12bb) § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO sieht vor, dass eine Entscheidung, die eine Terminbestimmung enthält oder eine Frist in Lauf setzt, zuzustellen ist. Diese Vorschrift gilt über ihren Wortlaut hinaus sowohl für Beschlüsse als auch Verfügungen, d. h. auch für Fristsetzungsverfügungen (vgl. näher LAG Hamm, 20. September 2013, 14 Ta 160/13, juris, Rn. 6). Solche grundsätzlich richterlichen Fristsetzungen sind im Prozesskostenhilfeverfahren für Aufhebungsentscheidungen nach § 124 Nr. 4 ZPO a. F. (= § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 c) RPflG dem Rechtspfleger übertragen, auch hierfür gilt § 329 ZPO (vgl. LAG Hamm, a. a. O., Rn. 5, 9 für das Nachprüfungsverfahren).
13cc) Die Mahnung wegen des bestehenden Ratenrückstandes mit Fristsetzung unter Hinweis auf die Möglichkeit der Aufhebung bedarf danach der Zustellung an den Prozessbevollmächtigten der Partei. Ausschließlich durch eine Zustellung wird zudem mit der notwendigen Sicherheit nachgewiesen, dass die Mahnung der Partei wirklich zugegangen ist. Bei formloser Übersendung gerichtlicher Mitteilungen oder Dokumente besteht keine Vermutung für den Zugang. Der Bürger trägt weder das Risiko des Verlustes im Übermittlungswege noch eine Beweislast für den Nichtzugang (vgl. BVerfG, 30.Juni 1976, 2 BvR 164/76, NJW 1976, 1837, B. I. 2. der Gründe; 19. Juni 2013, 2 BvR 1960/12, NJW 2013, 2658, Rn. 9). An einer solchen Zustellung fehlt es hier.
143. Danach war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur weiteren Veranlassung an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen. Das Arbeitsgericht wird nunmehr die erforderliche Mahnung mit Fristsetzung unter Hinweis auf die Möglichkeit der Aufhebung zuzustellen haben. Es ist sodann Sache der Klägerin, ein fehlendes Verschulden am Ratenrückstand z. B. aufgrund nicht bestehender Leistungsfähigkeit bezogen auf den Zeitraum, in dem die Raten zu zahlen waren, dem Gericht darzulegen oder durch einen vollständigen Ausgleich des bestehenden Ratenrückstandes eine weitere Aufrechterhaltung der bewilligten Prozesskostenhilfe zu erreichen.
154. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.
(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 entsprechend. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, über die Rechtsbeschwerde das Bundesarbeitsgericht.
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
A.
- 1
- Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufhebung der ihm bewilligten Prozesskostenhilfe.
- 2
- Dem durch Rechtsanwältin Dr. W. vertretenen Antragsteller war mit Beschluss des Amtsgerichts vom 9. Dezember 2005 ratenfreie Prozesskostenhilfe für eine Vollstreckungsgegenklage bewilligt und Rechtsanwältin Dr. W. beigeordnet worden. Im Januar 2006 erklärten die Parteien das Verfahren überein- stimmend in der Hauptsache für erledigt. Auf Antrag der Parteien hob das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens gegeneinander auf.
- 3
- In der Folgezeit forderte das Amtsgericht den Antragsteller wiederholt erfolglos dazu auf, eine Erklärung darüber abzugeben, ob sich die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert hätten und kündigte zuletzt eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe an.
- 4
- Mit Beschluss vom 20. Mai 2008 hat das Amtsgericht die Prozesskostenhilfe aufgehoben. Der Beschluss ist dem Antragsteller am 29. Mai 2008 zugestellt worden und Rechtsanwältin Dr. W. durch formlose Übermittlung am 2. Juni 2008 zugegangen.
- 5
- Die am 2. Juli 2008 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
B.
- 6
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
- 7
- Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 - Rn. 7 mwN).
I.
- 8
- Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil das Beschwerdegericht sie gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat und es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe geht (Senatsbeschlüsse vom 18. November 2009 - XII ZB 152/09 - FamRZ 2010, 197 Rn. 5 mwN und vom 4. August 2004 - XII ZA 6/04 - FamRZ 2004, 1633 f.).
II.
- 9
- Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
- 10
- 1. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde für unzulässig erachtet, weil sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat seit Zustellung des angefochtenen Beschlusses eingelegt worden sei (§§ 127 Abs. 2 Satz 2, 569 Abs. 1 ZPO) und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen. Maßgebend für den Fristbeginn sei der Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses an den Antragsteller und nicht der Zugang bei der Prozessbevollmächtigten des Hauptverfahrens. Diese habe sich im Prozesskostenhilfeaufhebungsverfahren nicht für den Antragsteller bestellt. Daher sei ihr der Aufhebungsbeschluss nur zu Informationszwecken übersandt worden. Dies entspreche der Regelung des § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach nur in einem anhängigen Verfahren die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen habe. Das anhängige Verfahren ende mit der formellen Rechtskraft der abschließenden Entscheidung. Werde danach ein die Aufhebung der Prozesskostenhilfe betreffendes Verfahren eingeleitet , sei dieses nicht Teil des Hauptverfahrens. Auch falle es nicht unter die sonstigen in § 172 ZPO aufgezählten Verfahren. Es komme nicht darauf an, ob der bevollmächtigte Rechtsanwalt das Hauptsacheverfahren seinerzeit durch einen Prozesskostenhilfeantrag eingeleitet habe, denn die Bevollmächtigung zur Beantragung der Prozesskostenhilfe begründe nicht die Vermutung, dass der Anwalt auch für das Verfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO bevollmächtigt sei. Der Umfang der Prozessvollmacht ergebe sich allein aus § 81 ZPO.
- 11
- 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 12
- Nach § 120 Abs. 4 ZPO kann das Gericht innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren ab rechtskräftiger Entscheidung oder sonstiger Beendigung des Verfahrens die Entscheidung über die im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Auf Verlangen des Gerichts hat sich die Partei darüber zu erklären , ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Nach § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat.
- 13
- In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob die Aufforderung zur Erklärung über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse und der Beschluss , durch den nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens die für dieses Verfahren bewilligte Prozesskostenhilfe gemäß §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO aufgehoben wird, der Partei persönlich oder gemäß § 172 Abs. 1 ZPO deren (früheren) Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müssen.
- 14
- a) Überwiegend wird die Ansicht vertreten, die Zustellung könne wirksam nur an die Partei erfolgen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft ende das anhängige Verfahren im Sinne des § 172 Abs. 1 ZPO. Das Verfahren gemäß §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO gehöre nicht zum Rechtszug im Sinne dieser Norm. Ebenso wenig sei es einem der in § 172 Abs. 1 Satz 2 ZPO genannten Verfahren vergleichbar. Vielmehr stelle es ein selbständiges Verwaltungsverfahren und als solches ein neues Verfahren dar, welches einer Abänderungsklage nach § 323 ZPO gleiche. Die Vertretung im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren sei auch nicht vom gesetzlichen Umfang der Prozessvollmacht gemäß § 81 ZPO umfasst (OLG Dresden NJ 2008, 315 f.; OLG Hamm FamRZ 2009, 1234, 1235; OLG Naumburg OLGR 2008, 404 f.; OLG Koblenz FamRZ 2008, 1358; OLG Köln FamRZ 2007, 908; OLG München FamRZ 1993, 580; Musielak/Fischer ZPO 7. Aufl. § 124 Rn. 3; Musielak/Wolst aaO § 172 Rn. 5; Thomas/Putzo ZPO 31. Aufl. § 172 Rn. 7; Wieczorek/Schütze/Rohe ZPO 3. Aufl. § 172 Rn. 25; Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 120 Rn. 28, § 124 Rn. 23).
- 15
- b) Nach der Gegenmeinung haben auch in einem nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens durchgeführten Verfahren zur Überprüfung der Prozesskostenhilfe (§§ 120 Abs. 4, 124 ZPO) Zustellungen jedenfalls dann gemäß § 172 Abs. 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten zu erfolgen, wenn dieser die Partei bereits im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten hatte.
- 16
- Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass zu einem anhängigen Prozesskostenhilfeverfahren auch das sich gegebenenfalls erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens anschließende Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren gehöre. Bei diesem Verfahren handele es sich um ein dem Wiederaufnahmeverfahren vergleichbares Verfahren, in dem gemäß § 172 Abs. 1 Satz 2 ZPO Zustellungen an den bestellten Prozessbevollmächtigten erfolgen müssten. Demgemäß erstrecke sich die von der Partei für das Prozesskostenhilfeverfahren erteilte Prozessvollmacht auch auf das sich anschließende Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren (BAG Beschluss vom 19. Juli 2006 - 3 AZB 18/06 - juris; OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1426 f.; 2008, 1356, 1357; 2008, 72 und Beschluss vom 1. Februar 2008 - 9 WF 362/07 - juris; OLG Hamm Beschluss vom 30. Januar 2007 - 2 WF 9/07 - juris; LAG RheinlandPfalz MDR 2007, 175; LAG Baden-Württemberg DB 2003, 948; Hartmann /Lauterbach/Albers ZPO 69. Aufl. § 120 Rn. 32; MünchKommZPO /Häublein 3. Aufl. § 172 Rn. 19).
- 17
- 3. Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.
- 18
- Auch nach Beendigung der Instanz bzw. des Hauptsacheverfahrens müssen Zustellungen im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren jedenfalls dann gemäß § 172 ZPO an den Prozessbevollmächtigten erfolgen, wenn dieser die Partei im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten hat.
- 19
- a) Das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren gehört zum Rechtszug im Sinne des § 172 Abs. 1 ZPO.
- 20
- aa) Zweck der Vorschrift ist, im Interesse der Prozessökonomie und der Privatautonomie sicher zu stellen, dass der von der Partei bestellte Prozessbevollmächtigte , in dessen Verantwortung die Prozessführung liegt, über den gesamten Prozessstoff informiert wird und sich somit in dessen Hand alle Fäden des Prozesses vereinigen (BGH Urteile vom 19. September 2007 - VIII ZB 44/07 - FamRZ 2008, 141 - Rn. 10 und vom 17. Januar 2002 - IX ZR 100/99 - NJW 2002, 1728, 1729; Musielak/Wolst ZPO 7. Aufl. § 172 Rn. 1; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 172 Rn. 1; Hartmann/Lauterbach/Albers ZPO 69. Aufl. § 172 Rn. 2). Für den Gesetzgeber lag der Grund für die obligatorische Zustellung an den Prozessbevollmächtigten in der Annahme, dass die Partei durch die Erteilung der Prozessvollmacht das Betreiben des Prozesses aus der Hand gegeben hat und deshalb der Prozessbevollmächtigte und nicht das Gericht die Partei über den jeweiligen Stand des Prozesses auf dem Laufenden zu halten habe. Dem Interesse der Partei sei im Falle der Zustellung an ihren Anwalt mehr gedient, als wenn an sie selbst zugestellt werde. Denn in den meisten Fällen werde sich die Partei ohnehin an ihren Anwalt wenden müssen, weil sie außer Stande sei, die Angemessenheit oder Notwendigkeit der weiteren Schritte beurteilen zu können (Hahn/Stegemann Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen Bd. 2 Materialien zur Zivilprozessordnung Abteilung 1 2. Aufl. 1983 S. 227 f.).
- 21
- bb) Ein Bedürfnis an einer umfassenden Information des Prozessbevollmächtigten besteht über den formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinaus. Dem tragen § 172 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO Rechnung, die den Umfang des Rechtszugs über das Hauptsacheverfahren hinaus auf weitere Verfahren erstrecken. Die in § 172 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO enthaltene Aufzählung ist dabei nicht abschließend (MünchKommZPO/Wenzel 2. Aufl. § 178 Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Rohe § 172 Rn. 24; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 172 Rn. 15; aA OLG Dresden NJ 2008, 315, 316). Der Gesetzgeber verfolgte mit der Vorgängernorm des § 172 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO nicht die Absicht, einen erschöpfenden Katalog der noch zum Rechtszug zählenden Verfahrensabschnitte zu erstellen. Vielmehr wollte er lediglich einzelne Zweifelsfälle einer ausdrücklichen Regelung zuführen (Hahn/Stegemann aaO S. 229). Dafür spricht auch deren Unvollständigkeit. So wird das Kostenfestsetzungsverfahren (§ 103 ff. ZPO) nicht genannt, das nach einhelliger Meinung Teil des (ersten) Rechtszuges im Sinne des § 172 Abs. 1 ZPO ist (BVerfG NJW 1990, 1104 f.; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 172 Rn. 14; Zöller/Stöber ZPO 28. Aufl. § 172 Rn. 14), obwohl es bei Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache (vgl. BGH Beschluss vom 1. Februar 1995 - VIII ZB 53/94 - NJW 1995, 1095, 1096) häufig noch nicht abgeschlossen ist. Auch erfordert der Zweck des § 172 ZPO, den Prozessbevollmächtigten umfassend zu informie- ren, eine weite Auslegung der Norm (vgl. Hartmann/Baumbach/Lauterbach ZPO 69. Aufl. § 172 Rn. 2).
- 22
- cc) Das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren gehört nach dem Zweck des § 172 ZPO in dessen Anwendungsbereich.
- 23
- Die Prozesskostenhilfe hängt eng mit dem Hauptsacheverfahren zusammen. Ihre Bewilligung setzt gemäß § 114 ZPO die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung voraus. Außerdem schafft die Prozesskostenhilfe für die bedürftige Partei erst die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür, einen Prozess in der Hauptsache zu führen bzw. sich darin zu verteidigen. Auch wirkt sich eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 ZPO auf die Kostentragungspflicht und damit auf die wirtschaftliche Grundlage der Prozessführung aus. Mit der Aufhebung der Prozesskostenhilfe entfallen für die Partei rückwirkend die Vergünstigungen des § 122 ZPO. Die Staatskasse kann insbesondere die Gerichtskosten und die auf sie übergegangenen Ansprüche des beigeordneten Anwalts gegen die Partei geltend machen , auch kann der Rechtsanwalt nunmehr die volle Wahlanwaltsgebühr von der Partei fordern (MünchKommZPO/Motzer 3. Aufl. § 122 Rn. 15, § 124 Rn. 25; Musielak/Fischer ZPO 7. Aufl. § 124 Rn. 10; Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 124 Rn. 24).
- 24
- Entsprechend besteht ein Interesse der Partei daran, dass das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren in den Händen ihres Prozessbevollmächtigten zusammengeführt und dieser dadurch in die Lage versetzt wird, die Partei über den jeweiligen Stand dieses Verfahrens auf dem Laufenden zu halten und die notwendigen Schritte zu unternehmen.
- 25
- Diese Interessenlage ändert sich durch den formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht. Hat die Partei ihren Prozessbevollmächtigten für das Prozesskostenhilfeverfahren beauftragt, rechnet sie nicht damit, in diesem Verfahren selbst tätig werden zu müssen. Vielmehr geht sie davon aus, dass ihr Prozessbevollmächtigter sie informieren und beraten wird, wenn Handlungsbedarf besteht. Dabei wird sie nicht danach differenzieren, ob das Hauptsacheverfahren bereits beendet ist oder nicht. Dem Interesse der Partei kann der Prozessbevollmächtigte aber nur dann Rechnung tragen, wenn das Gericht ihm auch über den formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinaus Kenntnis von der Fortführung des Prozesskostenhilfeverfahrens im Überprüfungsverfahren verschafft.
- 26
- dd) Dafür, dass das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren auch über den formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinaus als zur Instanz gehörendes Verfahren angesehen wird, spricht auch, dass die Aktenführung weiterhin unter dem Aktenzeichen des Hauptsacheverfahrens erfolgt und daher auch von den Beteiligten - mehr noch als das Wiederaufnahmeverfahren - als mit dem Hauptsacheverfahren zusammenhängend wahrgenommen wird. Im Übrigen wird eine Partei nur schwer verstehen, dass sie bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung auf Anfragen und Entscheidungen des Gerichts nicht selbst reagieren muss, sondern sich auf die Information und Beratung durch ihren Rechtsanwalt verlassen kann, dass sie aber nach Ablauf der Rechtsmittelfrist selbst tätig werden muss.
- 27
- ee) Gegen eine Anwendung des § 172 ZPO auf das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren spricht auch nicht die von der Gegenansicht gezogene Parallele zum - vom Anwendungsbereich des § 172 ZPO nicht umfassten - Abänderungsverfahren gemäß § 323 ZPO bzw. §§ 238 ff. FamFG (Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 120 Rn. 28). Das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren ist enger mit dem Hauptsacheverfahren verknüpft als das - selbständige - Abänderungsverfahren. Die Aufhebung der Prozesskostenhilfe wirkt sich unmittelbar auf die Kostentragungspflicht für das Hauptsacheverfahren aus. Sie hat zur Folge , dass für die Partei die Vergünstigungen des § 122 ZPO rückwirkend entfallen. Im Übrigen ist allenfalls das Verfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO, welches eine Anpassung der Ratenzahlungspflicht an veränderte Verhältnisse ermöglicht , mit dem Abänderungsverfahren gemäß § 323 ZPO bzw. §§ 238 ff. FamFG vergleichbar. Demgegenüber haben die Aufhebungsgründe des § 124 ZPO, zu denen gemäß § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO auch die unterlassene Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO gehört, keine Änderung der Verhältnisse zur Voraussetzung. Es erscheint indes nicht sachgerecht, innerhalb des Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahrens zu differenzieren und dieses nur teilweise vom Anwendungsbereich des § 172 ZPO auszunehmen.
- 28
- ff) Auch das Argument der Gegenansicht, es handele sich bei dem Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren um eine Verwaltungsangelegenheit (OLG Hamm FamRZ 2009, 1234, 1235; OLG Dresden NJ 2008, 315, 316; OLG München FamRZ 1993, 580), auf die § 172 ZPO nicht anwendbar sei, greift nicht. Zuständig für die Änderung bzw. Aufhebung bleibt auch nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptsacheverfahrens das Gericht. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 120 Abs. 4 ZPO, wonach das Gericht noch vier Jahre nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens den Bewilligungsbeschluss abändern kann (Schoreit/Groß Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, Verfahrenskostenhilfe 10. Aufl. § 120 ZPO Rn. 36 mwN). Das Überprüfungs- bzw. Abänderungsverfahren ist Teil des Prozesskostenhilfeverfahrens. Für dieses gilt § 172 ZPO (BAG Beschluss vom 19. Juli 2006 - 3 AZB 18/06 - juris).
- 29
- b) Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 172 ZPO ist die (fortdauernde) Bestellung des Prozessbevollmächtigten der Partei für das in Rede stehende Verfahren. Davon ist hier auszugehen. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hatte für diesen bereits Prozesskostenhilfe beantragt und sich damit im Prozesskostenhilfeverfahren für ihn bestellt. Das Prozesskostenhilfeverfahren umfasst nicht nur das Verfahren bis zur Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfebewilligung, sondern auch das sich anschließende Verfahren zur Überprüfung der Prozesskostenhilfebewilligung gemäß §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO. Dabei ist ohne Bedeutung, ob das Hauptverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits formell abgeschlossen ist. Denn das Gesetz trennt nicht zwischen dem Verfahren bis zur Entscheidung über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe einerseits und dem Verfahren betreffend die Abwicklung der bewilligten Prozesskostenhilfe andererseits. Dies folgt zum einen aus der gesetzlichen Systematik der §§ 114 ff. ZPO, die das Verfahren gemäß §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO nicht als eigenständiges Verfahren erfasst, und zum anderen aus der Beschwerderegelung in § 127 ZPO, die lediglich das Verfahren über die Prozesskostenhilfe kennt und damit keine Differenzierung zwischen verschiedenen selbständigen Verfahren zulässt (LAG Baden-Württemberg DB 2003, 948; im Ergebnis ebenso BAG Beschluss vom 19. Juli 2006 - 3 AZB 18/06 - juris Rn. 10; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1356, 1357; aA Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 120 Rn. 28).
III.
- 30
- Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Mai 2008, durch den die Prozesskostenhilfe aufgehoben wurde, hätte gemäß § 172 ZPO der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt werden müssen. Die Zustellung an den Antragsteller persönlich war nicht wirksam und hat die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt (vgl. BGH Beschluss vom 28. November 2006 - VIII ZB 52/06 - NJW-RR 2007, 356 - Rn. 6 mwN). Da der Antragsteller die - auch ansonsten zulässige - sofortige Beschwerde somit fristgerecht eingelegt hat, hat das Oberlandesgericht diese zu Unrecht als unzulässig verworfen. Auf den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag des Antragsstellers kommt es demgemäß nicht an. Die Sache ist an das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Begründetheit der sofortigen Beschwerde zurückzuverweisen.
Vorinstanzen:
AG Lahnstein, Entscheidung vom 20.05.2008 - 5 F 416/05 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 09.02.2009 - 13 WF 114/09 -
(1) In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Das gilt auch für die Prozesshandlungen, die das Verfahren vor diesem Gericht infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des Urteils dieses Gerichts, einer Wiederaufnahme des Verfahrens, einer Rüge nach § 321a oder eines neuen Vorbringens in dem Verfahren der Zwangsvollstreckung betreffen. Das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht gehört zum ersten Rechtszug.
(2) Ein Schriftsatz, durch den ein Rechtsmittel eingelegt wird, ist dem Prozessbevollmächtigten des Rechtszuges zuzustellen, dessen Entscheidung angefochten wird. Wenn bereits ein Prozessbevollmächtigter für den höheren Rechtszug bestellt ist, ist der Schriftsatz diesem zuzustellen. Der Partei ist selbst zuzustellen, wenn sie einen Prozessbevollmächtigten nicht bestellt hat.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 19.05.2014 aufgehoben. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
1
Gründe:
2I. Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Aufhebung bewilligter Prozesskostenhilfe (PKH) mit Ratenbestimmung.
3Am 29.02.2012 beantragte der Kläger PKH für die Klage im Hauptsacheverfahren S 15 AS 287/12. Im Termin vom 26.11.2013 nahm er die Klage zurück. Durch Beschluss vom 28.11.2013 bewilligte ihm das Sozialgericht (SG) Köln PKH unter Beiordnung des Bevollmächtigten und erlegte als Selbstbeteiligung die Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 95 Euro auf, erstmals zu zahlen für den Monat November 2013 und jeweils fällig am 15. des Folgemonats. Dabei berücksichtigte das Gericht ein zu berücksichtigendes Einkommen von 287 Euro monatlich. Dies errechnete es aus dem vom Kläger angegebenen und im Termin bestätigten Nettoeinkommen von 1380 Euro, abzüglich zweier Freibeträge von 442 Euro bzw. 201 Euro sowie Wohnkosten von 450 Euro monatlich.
4Nachdem der Kläger keine der auferlegten Zahlungen erbracht hatte, hat das SG ihn über seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 15.01.2014, 14.02.2014 und 26.03.2014, letzteres mit Anhörung zur nun beabsichtigten Aufhebung der PKH, an die Zahlung erinnert. Der Kläger hat sich nicht geäußert. Durch Beschluss vom 19.05.2014, zugestellt am 26.05.2014, hat das Sozialgericht die PKH-Bewilligung aufgehoben. Dazu habe es sich veranlasst gesehen, da der Kläger sich mit mehr als drei Monatsraten in Verzug befinde und Hinderungsgründe weder angegeben noch ersichtlich seien.
5Mit seiner am 03.06.2014 erhobenen Beschwerde trägt der Kläger vor, er habe schon keine Kenntnis von der Raten-Zahlungsaufforderung mit Bankverbindung und auch nicht von den folgenden gerichtlichen Mahnungen gehabt, da er umgezogen sei, die Post ihn nicht erreicht habe, obwohl der Bevollmächtigte doch die notwendigen Unterlagen besäße. Zudem sei er nun arbeitslos. Aus Krankheitsgründen (Herzerkrankung, Epilepsie) habe er nach Dezember 2013 seinen Arbeitsplatz verloren.
6Er beziehe nun von der Bundesagentur für Arbeit monatlich 963 Euro Arbeitslosengeld I (Alg I) und müsse nach Verlust seiner vormaligen Werkswohnung in M jetzt für eine neue Wohnung eine höhere Miete aufwenden. Der Bevollmächtigte habe ihm dann auch keine Post mehr nachgesandt. Von dem PKH-Aufhebungsbeschluss habe er nur durch Zufall im Mai 2014 bei einem Telefonat mit dem SG in Köln in anderer Sache erfahren. Das Gericht habe ihm dann den Beschluss per email zugesandt. Nach dem in Kopie vorgelegten Bescheid der Arbeitsagentur S vom 28.03.2014 erhält der Kläger seit dem 12.03.2014 für die Dauer von 330 Kalendertagen Arbeitslosengeld in Höhe von 32,12 Euro täglich, nach einer ebenfalls in Kopie vorgelegten Quittung der Wohnungsbaugesellschaft T GmbH vom 04.07.2014 zahlt er eine Miete (Juli 2014) von 930 Euro monatlich.
7Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des PKH-Beiheftes Bezug genommen.
8II.
9Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.
10Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere nicht gem § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für diese verneint. Die Aufhebung der Bewilligung wird schon nach dem Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht vom Beschwerdeausschluss erfasst. Eine Auslegung, dass sich der Ausschluss der Beschwerde auch auf die Aufhebung der PKH-Bewilligung erstrecken soll, ist nicht gerechtfertigt. Denn die Ablehnung der PKH wegen fehlender persönlicher bzw. wirtschaftlicher Voraussetzungen, insbesondere mangelnder Bedürftigkeit, ist nicht vergleichbar mit der hier erfolgten Aufhebung bereits bewilligter PKH, durch die dem Betroffenen eine Rechtsposition wieder entzogen wird. Ein entsprechender Regelungswille ist den Gesetzesmaterialien zum SGGArbGGÄndG (BR-Drs. 820/07, S. 29 zu Nr. 29 lit. b, Nr. 2) auch nicht zu entnehmen. Mangels planwidriger Regelungslücke bezogen auf gleichartige Sachverhalte scheidet auch eine analoge Anwendung aus ( Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz Beschluss vom 16.06.2008 - L 5 B 163/08 AS -, juris Rn. 2; LSG NRW Beschlüsse vom 27.08.2008 - L 19 B 23/08 AL -, juris Rn. 9 , vom 04.05.2009 - L 19 B 3/09 AL - , vom 12.07.2012 - L 19 AS 1949/11 B -, juris Rn 7 sowie vom 12.05.2014 - L 9 AL 123/14 B -, juris Rn. 2; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 01.10.2009 - L 11 R 898/09 PKH-B -, juris Rn 7; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 24.04.2013 - L 3 AL 226/12 B PKH -, juris Rn 5).
11Die Beschwerde ist zudem form- und fristgerecht eingelegt und damit auch im Übrigen zulässig.
12Die Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das SG durch den angefochtenen Beschluss vom 19.05.2014 den Beschluss vom 28.11.2013, durch den dem Kläger PKH bewilligt worden war, aufgehoben.
13Zutreffend hat das SG auf § 124 ZPO in der bis zum 31.12.2013 geltenden Gesetzesfassung (aF) abgestellt. Die zum 01.01.2014 durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts (PKH/BerHÄndG) vom 31.08.2013 (BGBl I 2013, 3533) neugefasste Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (n.F.), in der das Wort "kann" durch das Wort "soll" ersetzt wurde, ist hier nicht anzuwenden. Nach der Übergangsregelung in § 40 EGZPO (s Art. 5 PKH/BerHÄndG) sind für einen Rechtszug die §§ 114 bis 127 ZPO in der bis zum 01.01.2014 geltenden Fassung anzuwenden, wenn eine Partei vor dem 01.01.2014 für den Rechtszug PKH beantragt hat (anders LSG Thüringen Beschluss vom 06.05.2014 - L 4 AS 1421/12 B, L 4 AS L 4 AS 1422/12 B -, juris Rn. 16 - 18: Übergangsregelung anscheinend übersehen). Entscheidend für die anzuwendende Fassung der §§ 114 bis 127 ZPO ist der Zeitpunkt des Eingangs des PKH-Antrags bei Gericht (s BT-Drs 17/11472, 46; Straßfeld, SGb 2014, 176).
14Nach § 124 Nr. 4 ZPO aF kann das Gericht die Bewilligung der PKH aufheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
15Der Kläger war bei Erlass der angefochtenen Entscheidung in dem geforderten Umfang im Zahlungsrückstand, da er die bis dahin fälligen monatlichen Raten (November 2013 bis Mai 2014) nicht gezahlt hat. Wenn für die PKH-Aufhebung ein schuldhafter Verstoß gegen die Ratenzahlungspflicht, d.h. Verschulden bei der Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtung, gefordert wird (s Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rn. 13h, mwN,; LSG NRW Beschluss vom 12.07.2012 - L 19 AS 1949/11 B -, juris Rn 10; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 24.04.2013 - L 3 AL 226/12 B PKH -, juris Rn 6 ; LSG Bayern - Beschluss vom 18.07.2011- L 9 AL 60/10 B PKH; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 21.09.2011 - L 13 SB 136/11 B), wäre auch diese Voraussetzung erfüllt. Auf die geltend gemachte Unkenntnis von Zahlungsaufforderung, Zahlweg und Erinnerung kann sich der Kläger deshalb nicht berufen, weil ihm das Verhalten/die Kenntnis des Bevollmächtigten zuzurechnen ist. Er hatte ihm gemäß § 73 Abs. 2 S. 1 SGG seit dem 27.02.2012 umfassende Vollmacht auch für Neben- und Folgesachen erteilt. Im PKH-Verfahren war daher aufgrund § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG die Aufforderung zur Aufnahme der Ratenzahlung vom SG - wie geschehen - an den Bevollmächtigen zu richten, ebenso die nachfolgenden Mahnungen und die Anhörung, da die Vollmacht auch nach der Klagerücknahme am 26.11.2013 als für das (erledigte) Hauptsache- und ebenso für das PKH-Bewilligungsverfahren erteilt weiter beachtlich war, weder widerrufen noch erloschen war (vgl. LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 08.02.2011 - L 13 AS 2819/10 B -, juris Rn. 7 sowie vom 11.07. 2011 - L 2 AS 1462/11 B -, juris Rn. 19 mwN , vgl.auch Urteil des Bundesgerichtshofes - BGH - vom 08.12.2010 - XII ZB 38/09 -, juris Rn. 29 = MDR 2011, 183 f.).
16Die Entscheidung ist verfahrensfehlerfrei ohne Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ergangen, § 62 SGG. Zu der Aufhebungsentscheidung ist der Kläger durch das Schreiben der Urkundsbeamtin vom 26.03.2014 an den Bevollmächtigten angehört worden. Dieses enthält den Hinweis auf die nach § 124 Nr. 4 ZPO aF bestehende Möglichkeit, die PKH-Bewilligung bei Zahlungsrückständen von mehr als drei Monatsraten aufzuheben. Es kann offen bleiben, ob die Anhörung gem. § 124 ZPO funktionell allein dem Richter übertragen ist und grundsätzlich nicht von dem zuständigen Urkundsbeamten wirksam vorgenommen werden kann (so zuletzt LSG Sachsen Beschluss vom 05.08.2014 - L 3 AS 619/12 B PKH = www.sozialgerichtsbarkeit.de, OLG Brandenburg Beschluss vom 29.01.2001 - 10 WF 3/01 = FamRZ 2002, 1419; aA LSG Thüringen Beschluss vom 15. 11.2004 - L 6 B 59/04 SF -, juris). Dem in § 62 SGG für das sozialgerichtliche Verfahren einfachgesetzlich normierten Anspruch auf rechtliches Gehör ist damit Genüge getan. Auch eine im Aufhebungsverfahren grundsätzlich vom Richter vorzunehmende Anhörung wäre hier ausnahmsweise entbehrlich gewesen.
17Angesichts des Umstandes, dass der Kläger überhaupt nicht reagiert hat, wäre die Anhörung dann funktionell und inhaltlich beanstandungsfrei erfolgt, wenn der Richter die im Schreiben der Urkundsbeamtin erfolgten Hinweise schlicht wiederholt hätte. Vor diesem Hintergrund verkäme die Anhörung seitens der zuständigen Stelle zur "leeren Hülse". Auch die für diese (ausschließliche) funktionelle Zuständigkeit angeführten Gründe erfordern deshalb keine (erneute) Anhörung, weil der Richter mit der Vorlage der Akte zur Entscheidung eine ergänzende/erneute Anhörung hätte durchführen können, wenn er diese für erforderlich gehalten hätte. Im Ergebnis wäre zudem ein Anhörungsmangel im und durch das anschließende Beschwerdeverfahren, in dem das Gericht die angefochtene Entscheidung nicht nur auf etwaige Ermessensfehler hin, sondern inhaltlich vollständig überprüft (s.u.), geheilt.
18Der angefochtene Beschluss ist aber deshalb aufzuheben, weil bei zutreffender Betätigung des durch § 124 Nr. 4 ZPO zugewiesenen (Entschließungs-) Ermessens sich die Aufhebung des Bewilligungsbeschlusses als rechtswidrig erweist.
19Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung nach Maßgabe des § 124 Nr. 4 ZPO aF steht im Ermessen des Gerichts ("kann", vgl. bereits Senatsbeschluss vom 03.12.2012 - L 6 AS 1448/12 B -, juris Rn. 11; LSG Sachsen Beschlüsse vom 05.08.2014 - L 3 AS 619/12 B PKH = www.sozialgerichtsbarkeit.de und vom 20.02.2014 - L 3 AL 159/13 B PKH -, juris ). Das Ermessen ist angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht von vorneherein eingeschränkt (vgl etwa Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 6. Aufl. 2012, Rn 830 mwN; aA Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 124 Rn 16, 17, 52).
20Im Beschwerdeverfahren ist die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung in vollem Umfang, nicht nur beschränkt auf Fehler in der Ermessensbetätigung, zu überprüfen.
21Soweit die Auffassung vertreten wird, das Beschwerdegericht sei wie bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung einer Behörde regelmäßig auf die Rechtskontrolle der Ermessensentscheidung beschränkt (s etwa LSG Sachsen Beschluss vom 20.02.2014 - L 3 AL 159/13 B PKH -, juris Rn. 23), das Beschwerdegericht sei in der Regel nicht befugt, sein Ermessen an Stelle des Ermessens des Erst-Gerichts zu setzen (s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 176 Rn. 4; Rower-Kahlmann, SGG, § 176 Rn. 6; LSG Sachsen Beschlüsse vom 05.08.2014 - L 3 AS 619/12 B PKH = www.sozialgerichtsbarkeit.de und vom 20.02.2014 - L 3 AL 159/13 B PKH -, juris Rn. 25), folgt dem der Senat nicht. Die eingeschränkte Kontrolle behördlicher Ermessensentscheidungen durch die Gerichte, so wie sie in § 54 Abs. 2 S. 2 SGG, § 114 VwGO, § 102 FGO geregelt ist, ist Ausdruck des Verfassungsgrundsatzes der Gewaltenteilung. Für das sozialgerichtliche Verfahren ist § 54 Abs. 2 S. 2 SGG das prozessuale Gegenstück zu § 39 SGB I (Schäfer, jurion online Kommentar SGB I, Stand 10.10.2013, § 39 Rn. 4 mwN). Die Vorschrift bestimmt den Prüfungsumfang im Falle des Anspruchs auf eine Leistung, deren Gewährung im Ermessen des Leistungsträgers steht. Das einer Behörde eingeräumte Ermessen ist danach kein freies Ermessen. Die Behörde hat vielmehr ihre Entscheidung gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB I nach sachlichen Gesichtspunkten unter Abwägung der Belange der betroffenen Beteiligten sowie bei Beachtung von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der gesetzlichen Grenzen des Ermessens zu treffen (vgl Klose in Jahn, SGB I, § 39 Rn. 5 ff.) Bei dieser Ausgestaltung des Anspruchs gerichtet auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 S. 2 SGB I) sind unterschiedliche Entscheidungen des Leistungsträgers ermessensfehlerfrei denkbar. Dem Kläger steht bei Ermessensleistungen - von den Fällen der sog Ermessensreduzierung auf Null abgesehen - gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB I regelmäßig nicht der Anspruch auf die Leistung selbst zu, sondern nur auf die pflichtgemäße Ausübung des oben umschriebenen Ermessens (vgl Louven, ZAP Nr. 4 vom 17.02.2010 - Fach 18, 1107 -1112, mwN).
22Nur dieser Anspruch unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Denn es widerspräche dem Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn Gerichte das der Behörde zugewiesene Ermessen durch eigenes Ermessen ersetzen könnten. Ohne die Beschränkung der Überprüfung auf eine fehlerfreie Ermessensausübung übernähme das Gericht selbst originäre Verwaltungstätigkeit, nämlich die Ermessensausübung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 54, Rn. 28; BSG Urteil v. 17.09.1991 - 4 RJ 105/80 = SozR 1200 § 48 Nr.3; ebenso dürfen die Gerichte auch im Verhältnis zur Legislative nicht selbst normsetzend tätig zu werden, vgl.dazu BSG Vorlagebeschluss vom 16.12.1999 - B 4 RA 11/99 R -, juris; s auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25.03.2011 - L 15 AY 4/11 B ER).
23Mit dieser Konstellation ist die Kontrolle einer Ermessensentscheidung, die dem SG originär nach § 124 ZPO als Nebenentscheidung zugewiesen ist, nicht vergleichbar. Für eine eingeschränkte Überprüfung der Ermessensentscheidung im Beschwerderechtszug aus Gründen der Gewaltenteilung ist hier kein Raum (diesen Umstand unberücksichtigt lässt LSG Sachsen aaO). In zweiter Instanz als weiterer Tatsacheninstanz findet vielmehr eine vollständige Überprüfung der Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht statt. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, die Rechte des Rechtsmittelführers zu verkürzen. Das Beschwerdegericht als weitere Tatsacheninstanz hat in dem Rahmen, in dem die angefochtene Entscheidung zulässigerweise zur Überprüfung gestellt worden ist, die uneingeschränkte Befugnis, diese abzuändern. Es kann seine eigene Ermessensentscheidung treffen und diese an die Stelle derjenigen der Vorinstanz setzen, da es die gleichen Rechte wie die Vorinstanz hat (so bereits LSG Thüringen Beschluss vom 15.11.2004 - L 6 B 59/04 SF -, juris; ebenso LSG Bayern Beschluss vom 22.11.2010 - L 7 AS 486/10 B PKH -, juris Rn.20 sowie vom 19.12.2012 - L 15 SB 123/12 B -, juris Rn. 14 - 21, 24; zur Ermessensausübung im Rahmen von Kostenübernahmeentscheidungen gem. §109 SGG, siehe auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Teil X Rn. 54, 55; vgl. Frehse in Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 176 Rn. 7; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 176 Rn. 17; Bley, SGG, § 176 SGG Anm 2b; im Ergebnis wohl auch Geimer in Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 124 Rn. 3; Fischer in Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 124 Rn. 2).
24Bei der ihm zugewiesenen Ermessensentscheidung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass eine Aufhebung der PKH-Bewilligung nicht geboten ist. Zu dieser Überzeugung gelangt er allerdings erst auf der Grundlage der nach Erlass des angefochtenen Beschlusses bekannt gewordenen Umstände, die das SG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen konnte. Diese Tatsachen sind in die Entscheidung der Beschwerdeinstanz als weiterer Tatsacheninstanz einzubeziehen (BFH Beschluss vom 31.08.1993 - XI B 31/93 = NJW 1994, 751, 752; ebenso LSG Thüringen Beschluss vom 15. 11.2004 - L 6 B 59/04 SF -, juris Rn. 20, mwN).
25Hier hat der Kläger geltend gemacht und belegt, dass sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach Erlass des Bewilligungsbeschlusses wesentlich verändert haben. Aufgrund der Arbeitslosigkeit im Dezember 2013 mit Verlust seiner Wohnung, dadurch bedingtem Einkommensverlust und Erhöhung der Mietkosten hat sich seine wirtschaftliche Situation so nachhaltig verschlechtert, dass er (mit Erfolg) eine Abänderung des Beschlusses mit dem Ziel der Bewilligung von PKH ohne Selbstbeteiligung (§ 120 Abs. 4 ZPO) hätte beantragen können. Bei diesem Sachverhalt steht der Zahlungsrückstand insofern nicht in Einklang mit der materiellen Rechtslage, als der Kläger überhaupt keine Raten mehr hätte aufbringen müssen, wenn er seine geänderte finanzielle Situation gegenüber dem Gericht geltend gemacht hätte. Zuständig für die mögliche Abänderung der zu leistenden Zahlungen gem. § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO aF ist das SG (vgl LSG NRW Beschluss vom 12.07.2012 - L 19 AS 1949/11 B = www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ungeachtet der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Abänderungsantrag muss diese Entwicklung bei der Ermessensentscheidung über die Aufhebung der PKH Berücksichtigung finden, da die Aufhebung gegenüber einer Abänderung von vorgreiflicher Bedeutung ist, gleichzeitig die Abänderung aber die weniger einschneidende Maßnahme sein könnte. Der Überprüfung der PKH-Ratenhöhe gemäß § 120 Abs. 4 ZPO steht nicht entgegen, dass diese erst nachträglich geltend gemacht würde. Zweck auch dieser Norm ist es, die inhaltliche Richtigkeit der PKH zusprechenden gerichtlichen Beschlüsse zu gewährleisten (LSG Sachsen Beschluss vom 03.05.2012 - L 7 AS 2014/12 B PKH -, juris Rn.11).
26Dem widerspräche es, nach der Abänderung oder Aufhebung der PKH-Bewilligung nicht zu prüfen, in welchem Umfang nun die tatsächlichen Voraussetzungen für die PKH- Gewährung einschließlich der angemessenen Raten-Höhe weiterhin vorliegen. Bisher fehlende Angaben und Nachweise der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse können auch im Rahmen von Beschwerdeverfahren noch nachgereicht werden; § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO sieht insoweit keine Frist für die Abgabe der gebotenen Parteierklärung vor (Senatsbeschluss vom 11.04.2011 - L 6 AS 458/11 B -, juris Rn. 5).
27Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO).
28Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
(1) In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Das gilt auch für die Prozesshandlungen, die das Verfahren vor diesem Gericht infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des Urteils dieses Gerichts, einer Wiederaufnahme des Verfahrens, einer Rüge nach § 321a oder eines neuen Vorbringens in dem Verfahren der Zwangsvollstreckung betreffen. Das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht gehört zum ersten Rechtszug.
(2) Ein Schriftsatz, durch den ein Rechtsmittel eingelegt wird, ist dem Prozessbevollmächtigten des Rechtszuges zuzustellen, dessen Entscheidung angefochten wird. Wenn bereits ein Prozessbevollmächtigter für den höheren Rechtszug bestellt ist, ist der Schriftsatz diesem zuzustellen. Der Partei ist selbst zuzustellen, wenn sie einen Prozessbevollmächtigten nicht bestellt hat.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
(1) Die auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse des Gerichts müssen verkündet werden. Die Vorschriften der §§ 309, 310 Abs. 1 und des § 311 Abs. 4 sind auf Beschlüsse des Gerichts, die Vorschriften des § 312 und des § 317 Abs. 2 Satz 1, 2, Absatz 3 und 4 auf Beschlüsse des Gerichts und auf Verfügungen des Vorsitzenden sowie eines beauftragten oder ersuchten Richters entsprechend anzuwenden.
(2) Nicht verkündete Beschlüsse des Gerichts und nicht verkündete Verfügungen des Vorsitzenden oder eines beauftragten oder ersuchten Richters sind den Parteien formlos mitzuteilen. Enthält die Entscheidung eine Terminsbestimmung oder setzt sie eine Frist in Lauf, so ist sie zuzustellen.
(3) Entscheidungen, die einen Vollstreckungstitel bilden oder die der sofortigen Beschwerde oder der Erinnerung nach § 573 Abs. 1 unterliegen, sind zuzustellen.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
(1) Die auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse des Gerichts müssen verkündet werden. Die Vorschriften der §§ 309, 310 Abs. 1 und des § 311 Abs. 4 sind auf Beschlüsse des Gerichts, die Vorschriften des § 312 und des § 317 Abs. 2 Satz 1, 2, Absatz 3 und 4 auf Beschlüsse des Gerichts und auf Verfügungen des Vorsitzenden sowie eines beauftragten oder ersuchten Richters entsprechend anzuwenden.
(2) Nicht verkündete Beschlüsse des Gerichts und nicht verkündete Verfügungen des Vorsitzenden oder eines beauftragten oder ersuchten Richters sind den Parteien formlos mitzuteilen. Enthält die Entscheidung eine Terminsbestimmung oder setzt sie eine Frist in Lauf, so ist sie zuzustellen.
(3) Entscheidungen, die einen Vollstreckungstitel bilden oder die der sofortigen Beschwerde oder der Erinnerung nach § 573 Abs. 1 unterliegen, sind zuzustellen.
Tenor
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Das Urteil des Amtsgerichts Rotenburg (Wümme) vom 15. Mai 2012 - 5 C 122/12 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes.
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Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) zurückverwiesen. Der Beschluss des Amtsgerichts Rotenburg (Wümme) vom 6. Juli 2012 - 5 C 122/12 - ist damit gegenstandslos.
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...
Gründe
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob der Bürger das Risiko des Nichtzugangs einer an ihn adressierten Mitteilung des Gerichts trägt.
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I.
- 2
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Der Beschwerdeführer klagte vor dem Amtsgericht Rotenburg (Wümme). Nach Eingang der Klageerwiderung der Beklagten verfügte das Amtsgericht die Übermittlung einer Durchschrift an den Beschwerdeführer. Dieser behauptet, ihn habe die Klageerwiderung nicht erreicht; ob sie ihm tatsächlich zugegangen ist, lässt sich nicht mehr feststellen. Eine Replik durch den Beschwerdeführer erfolgte jedenfalls nicht. Mit Urteil vom 15. Mai 2012 wies das Amtsgericht die Klage ab, da der Beschwerdeführer im Hinblick auf verschiedene Umstände keinen Beweis angeboten beziehungsweise den Tatsachenvortrag der Beklagten nicht bestritten habe.
- 3
-
Der Beschwerdeführer erhob daraufhin Anhörungsrüge nach § 321a ZPO und rügte, dass ihm die Klageerwiderung nicht zugegangen sei. Mit Beschluss vom 6. Juli 2012 wies das Amtsgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurück, da letztlich unaufklärbar bleibe, ob die Klageerwiderung dem Beschwerdeführer zugegangen sei. Im Rahmen des § 321a ZPO sei es nicht ausreichend, wenn ein unterbliebener Zugang lediglich nicht auszuschließen sei.
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II.
- 4
-
Mit seiner gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 15. Mai 2012 gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Die im Beschluss vom 6. Juli 2012 vertretene Rechtsauffassung des Gerichts sei unzutreffend, da es nicht möglich sei zu beweisen, dass ein Schriftsatz nicht eingegangen beziehungsweise anderweitig untergegangen sei. Dem Beschwerdeführer könne es nicht zugerechnet werden, wenn die Klageerwiderung auf dem Postweg verloren gegangen sei, da er nur für Fehler verantwortlich gemacht werden könne, die seiner Kontrolle unterlägen.
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III.
- 5
-
Das Niedersächsische Justizministerium sowie die Beklagten des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Äußerung.
- 6
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Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.
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IV.
- 7
-
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Inhalt des Anspruches auf rechtliches Gehör durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde insoweit zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
- 8
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1. Das Urteil vom 15. Mai 2012 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
- 9
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a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist eng verknüpft mit dem Recht auf Information. Eine Art. 103 Abs. 1 GG genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Sie müssen sich bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt über den gesamten Verfahrensstoff informieren können (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 89, 28 <35>). Dabei erschöpft sich Art. 103 Abs. 1 GG nicht im Recht der Beteiligten, im Verfahren überhaupt gehört zu werden, sondern gewährleistet die Gelegenheit, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern, also grundsätzlich zu jeder dem Gericht zur Entscheidung unterbreiteten Stellungnahme der Gegenseite (vgl. BVerfGE 19, 32 <36>; 49, 325 <328>). Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG scheidet daher nicht schon deshalb aus, weil sich eine Partei in einem früheren Stadium des Verfahrens hat äußern können und geäußert hat. Vielmehr darf ein Gericht seiner Entscheidung keine Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde legen, ohne den Parteien vorher Gelegenheit zu geben, sich zu ihnen zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418 <429>; 10, 177 <182 f.>; 64, 135 <144>; 84, 188 <190>). Von Gerichten übersandte Mitteilungen können verloren gehen; geschieht die Übersendung formlos, so besteht keine Vermutung für den Zugang. Der Bürger trägt weder das Risiko des Verlustes im Übermittlungswege noch eine irgendwie geartete Beweislast für den Nichtzugang (vgl. BVerfGE 36, 85 <88 f.>; 42, 243 <246>).
- 10
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b) Nach diesen Maßstäben verletzt die angegriffene Entscheidung den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Amtsgericht hat der Entscheidung die Ausführungen aus der Klageerwiderung zugrunde gelegt, mit denen der Vortrag des Beschwerdeführers teilweise bestritten wurde, teilweise aber auch neue Tatsachen vorgetragen wurden. Die Übersendung der Klageerwiderung erfolgte formlos, so dass keine Vermutung für den Zugang besteht. Die im Beschluss vom 6. Juli 2012 geäußerte Rechtsauffassung des Amtsgerichts ist vor diesem Hintergrund offensichtlich unrichtig und willkürlich.
- 11
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c) Die angegriffene Entscheidung beruht auf der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Anhörung des Beschwerdeführers zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerfGE 7, 239 <241>; 18, 147 <150>; 112, 185 <206>). Nach dem Vortrag im Verfahren der Verfassungsbeschwerde hätte der Beschwerdeführer den Vortrag der Beklagten bestritten und streitige Behauptungen unter Beweis gestellt.
- 12
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2. Gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG ist die angegriffene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Der Beschluss vom 6. Juli 2012 wird hierdurch gegenstandslos.
- 13
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3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.