Bundesgerichtshof Urteil, 31. Okt. 2013 - III ZR 294/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes gegen die Beklagte zu 1 und den vormaligen, im Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten Beklagten zu 2 Ersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Beteiligung an dem Medienfonds M. KG (im Folgenden: M. KG II) geltend. Der Zedent zeichnete am 27. Dezember 2000 eine Kommanditeinlage an dem Fonds über 260.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Der Anteil wurde treuhänderisch von einer anderen Gesellschaft gehalten.
- 2
- Die Anlage wurde anhand eines Emissionsprospekts vertrieben, aus dem sich unter anderem die Mittelverwendungskontrolle durch eine international tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ergab, deren Firma "aus standesrechtlichen Gründen" nicht genannt wurde. Diese Aufgabe übernahm die Beklagte zu 1. Der Mittelverwendungskontrollvertrag war mit der Fondsgesellschaft und der Treuhänderin abgeschlossen worden. Der vormalige Beklagte zu 2 war Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft des Fonds. Er hatte außer dem hier maßgeblichen Medienfonds auch die Fondsgesellschaften Medienfonds M. Co. KG und M. NY 121 KG initiiert und als Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär-GmbH geleitet.
- 3
- Der zwischen der Fondsgesellschaft M. KG II, der Treuhänderin und der Beklagten zu 1 geschlossene Mittelverwendungskontrollvertrag war in dem Emissionsprospekt abgedruckt. § 4 des Vertrags enthielt für den Mittelverwendungskontrolleur detaillierte Regelungen zu den Voraussetzungen der Mittelbereitstellung und -freigabe. Die Bestimmung lautete auszugsweise: "1. Der Mittelverwendungskontrolleur wird, soweit die auf dem Anderkonto I vorhandenen Mittel ausreichen, die für die Realisierung der jeweiligen Projekte erforderlichen Mittel auf einem gesonderten Produktionskonto bereitstellen. Der Mittelverwendungskontrolleur hat für jedes einzelne Projekt ein gesondertes Anderkonto (nachfolgend: "Produktionskonto") einzurichten, das als "Produktionskonto" unter Hinzufügung des Projektarbeitstitels zu bezeichnen ist. … … 5.1 Die Freigabe der auf einem Produktionskonto verfügbaren Produktionsmittel zur Zahlung von Produktionskosten zur Herstellung von Kino- und Fernsehfilmen darf nur erfolgen, wenn eine fällige Forderung gegen die M. KG II aufgrund eines Co-Produktions- oder eines Auftragsproduktionsvertrages besteht. … 6. Die Freigabe der ersten Rate darf nur erfolgen, wenn
a) die M. KG II folgende Unterlagen übergeben hat: aa) unterzeichneter Vertrag über eine unechte Auftragsproduktion sowie abgeschlossener Co-Produktionsvertrag ; ab) Nachweis einer Fertigstellungsgarantie durch Vorlage entsprechender Unterlagen oder Bestätigungserklärungen oder eines Letter of Commitment einer Completion Bond Gesellschaft; ac) Vorlage von Kopien der Versicherungspolicen der abgeschlossenen Ausfall-, Negativ- bzw. Datenträgerversicherung ; … 11.1 Der Mittelverwendungskontrolleur kann nach pflichtgemäßem Ermessen fällige Beträge für Produktionen auch auszahlen , wenn für die fälligen Beträge ein oder mehrere Nachweise nach diesem Vertrag noch nicht vorliegen und die Auszahlung erforderlich ist und/oder dazu dient, die Einstellung der Produktion und/oder finanzielle Schäden von der M. KG II und/oder ihren Gesellschaftern abzuwenden. 11.2 Dem Mittelverwendungskontrolleur ist vor Auszahlung eine schriftliche Erklärung des Co-Produzenten der M. KG II oder des unechten Auftragsproduzenten vorzulegen, die den Eintritt entscheidungsrelevanter Tatsachen i.S.v. § 4 Ziff. 11.1 dieses Vertrages darlegt. Diese Erklärung ist vom Mittelverwendungskontrolleur auf Plausibilität zu prüfen, im Übrigen gilt § 3 Ziff. 5 dieses Vertrages."
- 4
- Der Zedent gewährte der Fondsgesellschaft am 12. Juli 2004 weiterhin ein Darlehen von 51.000 €.
- 5
- Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 1 habe ab Oktober 2000 serienmäßig als Regelfall von § 4 Nr. 11.1 des Mittelverwendungskontrollvertrags Gebrauch gemacht und zudem die erste Rate bei allen Projekten immer abweichend von dem Prospekt freigegeben. Sie hat gemeint, die Beklagte zu 1 habe den Zedenten vor der Zeichnung der Anlage auf diese im Widerspruch zum Gesamtkonzept der Anlage stehende, bereits vor der Beitrittserklärung ausgeübte Praxis hinweisen müssen, da eine effektive Mittelverwendungskontrolle so nicht zu erreichen gewesen sei. Wären dem Zedenten Hinweise auf diese Handhabung erteilt worden, wäre dieser dem Fonds nicht beigetreten.
- 6
- Die Beklagte zu 1 hat unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben.
- 7
- Das Landgericht hat die im Wesentlichen auf Ersatz des Zeichnungsschadens und des Darlehensbetrags gerichtete Klage abgewiesen. Hingegen hat das Berufungsgericht die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 und den vormaligen Beklagten zu 2 weitgehend zuerkannt. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten zu 1 (im Folgenden nur noch Beklagte).
Entscheidungsgründe
- 8
- Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Ihr Rechtsmittel führt, soweit sie durch das angefochtene Urteil beschwert ist, zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe gegenüber dem Zedenten bestehende vorvertragliche Hinweispflichten verletzt. Der Mittelverwendungskontrollvertrag habe Schutzwirkung zugunsten der Anleger entfaltet.
- 10
- Als Mittelverwendungskontrolleurin habe die Beklagte die Pflicht gehabt, potentielle Anleger darauf hinzuweisen, dass von der Ausnahmevorschrift des § 4 Nr. 11 des Mittelverwendungskontrollvertrags voraussichtlich in einem Umfang Gebrauch gemacht werden solle, den der Prospekt und der Vertrag nach ihrem Gesamteindruck nicht nahelegten. Die Klägerin habe dies hinreichend dargelegt. Die im Oktober 2000 plötzlich einsetzenden, zahlreichen Mittelfreigaben aufgrund der Ausnahmevorschrift belegten zur Überzeugung des Gerichts einen offensichtlichen Wandel im Vollzug der Mittelfreigabe, über den die Beklagte den Zedenten vor seinem Beitritt im Dezember 2000 hätte aufklären müssen. Darüber hinaus habe die Beklagte auch die in § 4 Nr. 11.2 des Mittelverwendungskontrollvertrag bestimmten Bedingungen für die Anwendung der Ermessensklausel des § 4 Nr. 11.1 des Vertrags regelmäßig nicht eingehalten.
- 11
- Die Schadensersatzforderung sei nicht verjährt.
II.
- 12
- Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
- 13
- 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist eine etwaige Schadensersatzforderung der Klägerin gegen die Beklagte wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag verjährt. Auf solche Ansprüche findet § 51a WPO a.F. - gegebenenfalls nach Maßgabe des § 139b Abs. 1 WPO - Anwendung, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, gegen einen Wirtschaftsprüfer gerichtet sind. Dies hat der Senat in seinen dieselbe Beklagte und unter anderem denselben Fonds betreffenden Urteilen vom 11. April 2013 (III ZR 79/12, WM 2013, 1016 Rn. 23 ff und III ZR 80/12, BeckRS 2013, 07847 Rn. 21 ff) entschieden. Auf die eingehende Begründung in diesen Urteilen wird verwiesen.
- 14
- Die fünf Jahre betragende Verjährungsfrist des § 51a WPO a.F. ist vor Erhebung der Klage abgelaufen. In dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch entstanden ist, beginnt der Lauf der Frist des § 51a WPO a.F. Die Klägerin leitet ihre Forderung gegen die Beklagte aus dem Vorwurf her, diese habe es unterlassen , den Zedenten vor dessen Beitritt zu dem Fonds über die (von ihr behaupteten ) Mängel der Mittelverwendungskontrolle aufzuklären. Ein hieraus erwachsener Schaden bestünde zum einen in der Eingehung der Beteiligung, welcher mit Eintritt der rechtlichen Bindung des Zedenten an seine Beteiligungsentscheidungen entstanden wäre (vgl. Senatsurteile vom 11. April 2013 - III ZR 79/12 aaO Rn. 29; III ZR 80/12 aaO Rn. 27 jeweils mwN). Der Zedent erklärte den Beitritt am 27. Dezember 2000. Die Annahmeerklärung wurde kurze Zeit später, mithin spätestens im ersten Quartal des Jahres 2001 angenom- men. Die fünfjährige Verjährungsfrist wäre damit spätestens am 31. März 2006, mithin vor der Klagerhebung im September 2010 abgelaufen. Zum anderen wäre ein Schaden durch die Darlehensgewährung am 12. Juli 2004 - zumindest äquivalent kausal verursacht - eingetreten. Ein hieraus entstehender Anspruch wäre mit Ablauf des 12. Juli 2009 verjährt.
- 15
- Die Grundsätze der Sekundärhaftung greifen zugunsten der Klägerin nicht ein (Senatsurteile vom 11. April 2013 - III ZR 79/12 aaO Rn. 31; III ZR 80/12 aaO Rn. 29).
- 16
- 2. Allerdings ist die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand und den vom Berufungsgericht hierzu getroffenen Feststellungen kommt ein unverjährter Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 a Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB sowie §§ 826, 830 BGB in Betracht, weil deren Mitarbeiter, für die sie gemäß § 31 oder § 831 BGB haftbar ist, an deliktischen Handlungen des früheren Beklagten zu 2 mitgewirkt haben könnten. Hierzu bedarf es jedoch weiterer tatsächlicher Feststellungen.
- 17
- Auch insoweit wird auf die Senatsurteile vom 11. April 2013 (III ZR 79/12 aaO Rn. 32, 36 ff und III ZR 80/12 aaO Rn. 30, 34 ff) verwiesen.
- 18
- 3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich auch mit den übrigen Rügen der Revision zu befassen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat. Anzumerken ist allerdings: Sollten die Voraussetzungen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach vorliegen, jedoch nicht festgestellt werden können, dass die Beklagte in die Gewährung des Darlehens involviert war, wird erneut zu prüfen sein, ob zwischen einer Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten und der Gewährung des Darlehens durch den Zedenten noch ein Zurechnungszusammenhang besteht, der von der Revision mit bedenkenswerten Erwägungen in Frage gestellt wird.
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 16.05.2011 - 35 O 17532/10 -
OLG München, Entscheidung vom 19.12.2011 - 19 U 2542/11 -
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Annotations
Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer sind verpflichtet, die in dem Beratungshilfegesetz vorgesehene Beratungshilfe zu übernehmen. Sie können die Beratungshilfe im Einzelfall aus wichtigem Grund ablehnen.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet auf die am 1. Januar 2004 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Wirtschaftsprüfer bestehenden Vertragsverhältnis Anwendung.
(2) Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird vom 1. Januar 2004 an berechnet. Läuft jedoch die bis zu diesem Tag geltende Verjährungsfrist des § 51a früher als die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ab, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der bis zu diesem Tag geltenden Verjährungsfrist des § 51a vollendet.
Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer sind verpflichtet, die in dem Beratungshilfegesetz vorgesehene Beratungshilfe zu übernehmen. Sie können die Beratungshilfe im Einzelfall aus wichtigem Grund ablehnen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.