Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2018 - XII ZB 99/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
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- Der 62jährige Betroffene leidet an einer am ehesten als Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis zu qualifizierenden psychischen Erkrankung, wegen derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Für ihn ist seit 1999 eine Betreuung eingerichtet, zuletzt mit dem Aufgabenkreis der Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen bezüglich der Leitung seines inhabergeführten Unternehmens "einschließlich aller mit der Leitung des Unterneh- mens verbundenen steuerlichen, postalischen und vermögensrechtlichen (einschließlich Führung und - gegebenenfalls treuhänderischen - Verwaltung der Konten) Angelegenheiten sowie bezüglich des Hauses (…), Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen gegenüber Behörden, Krankenkassen, Rentenversicherungsträgern , Banken und anderen Institutionen, Grundstücksangelegenheiten und Vertretung in gerichtlichen Verfahren". Zur Betreuerin ist die Mutter des Betroffenen (Beteiligte zu 2) und zur Ersatzbetreuerin seine geschiedene Ehefrau (Beteiligte zu 3) bestellt. Ein Einwilligungsvorbehalt ist angeordnet für die Bereiche Vertrags- und Vermögensangelegenheiten seines Unternehmens sowie die Grundstücksangelegenheiten des Betroffenen.
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- Mit Beschluss vom 17. Mai 2017 hat das Amtsgericht die Betreuung verlängert. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen; hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie den Einwilligungsvorbehalt betrifft; im Übrigen ist sie unbegründet.
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- 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Bei feststehender psychischer Erkrankung bestehe der Betreuungsbedarf mit unverändertem Aufgabenkreis. Das gelte insbesondere weiterhin für die Leitung des Unternehmens, das Existenzgrundlage des Betroffenen sei, und ihm ermögliche , ein weitgehend selbstbestimmtes Leben nach seinen Vorstellungen zu führen. Ohne die Betreuung sei der Geschäftsbetrieb nicht aufrechtzuerhalten mit der Folge, dass auch das im Eigentum des Betroffenen stehende und von ihm bewohnte Haus nicht zu halten wäre. Dass die Verlängerung der Be- treuung dem geäußerten Willen des Betroffenen widerspreche, stehe der Anordnung nicht entgegen, weil er nicht in der Lage sei, seinen Willen frei zu bilden.
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- 2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit es den Einwilligungsvorbehalt anbelangt.
- 6
- a) Nach § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG gelten für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts die Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen der Verlängerung der Betreuung einerseits und der Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts andererseits, die auch unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen haben. Bei der Verlängerungsentscheidung hat das Gericht deshalb sowohl hinsichtlich der Betreuung als auch hinsichtlich des Einwilligungsvorbehalts darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang diese fortzusetzen oder aufzuheben sind.
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- b) Die Entscheidungen der Instanzgerichte verhalten sich zwar nicht in den jeweiligen Entscheidungsformeln, aber in den Gründen zum Einwilligungsvorbehalt. Mithin ist davon auszugehen, dass auch dieser verlängert worden ist.
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- 3. Indessen sind die Voraussetzungen einer Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts nicht hinreichend festgestellt.
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- a) Das Betreuungsgericht ordnet nach § 1903 Abs. 1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf, soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen. Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei dem Einwilligungsvorbehalt um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handelt, der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (Senatsbeschluss vom 13. September 2017 - XII ZB 157/17 - FamRZ 2017, 1963 Rn. 16 mwN).
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- b) Um den Betroffenen in seinen Angelegenheiten zu unterstützen und das krankheitsbedingte Unterlassen notwendiger Maßnahmen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung abzuwenden, ist die Beteiligte zu 2 zur Betreuerin bestellt worden. Kraft dieses Amtes liegt es in ihrer Zuständigkeit , die notwendigen Maßnahmen unter anderem in Bezug auf die Unternehmensführung zu ergreifen.
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- Der Einwilligungsvorbehalt hingegen schützt den Betroffenen vor Vermögensgefährdungen durch eigenes, aktives Tun. Für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts muss daher eine konkrete Gefährdung des Vermögens des Betroffenen durch sein aktives Tun festgestellt werden, indem er etwa vermögenserhaltende und -schützende Maßnahmen der Betreuerin konterkarierte oder andere vermögensschädigende Maßnahmen trifft (Senatsbeschluss vom 15. März 2017 - XII ZB 563/16 - juris Rn. 10). Dabei können zu den vermögensschädigenden Maßnahmen auch solche Verhaltensweisen gehören, die das Vertrauen in die Unternehmensführung und damit womöglich die Aufrechterhaltung der Geschäftskontakte einschließlich der für das Unternehmen erforderlichen Kreditlinien gefährden.
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- Insoweit fehlt es bisher an jeglichen Feststellungen, die eine Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts rechtfertigen.
- 13
- 4. Der angefochtene Beschluss kann daher, was den Einwilligungsvorbehalt betrifft, keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht ab- schließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
- 14
- 5. Die Entscheidung bezüglich der Verlängerung der Betreuung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
AG Varel, Entscheidung vom 17.05.2017 - 10 XVII M 55 -
LG Oldenburg, Entscheidung vom 08.02.2018 - 8 T 394/17 -
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(1) Für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Von der erneuten Einholung eines Gutachtens kann abgesehen werden, wenn sich aus der persönlichen Anhörung des Betroffenen und einem ärztlichen Zeugnis ergibt, dass sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht verringert hat und eine Verlängerung dem erklärten Willen des Betroffenen nicht widerspricht. Das Gericht hat die zuständige Behörde nur anzuhören, wenn es der Betroffene verlangt oder es zur Sachaufklärung erforderlich ist.
(2) Über die Verlängerung der Betreuung oder des Einwilligungsvorbehalts hat das Gericht spätestens sieben Jahre nach der Anordnung dieser Maßnahmen zu entscheiden. Ist die Maßnahme gegen den erklärten Willen des Betroffenen angeordnet worden, ist über eine erstmalige Verlängerung spätestens nach zwei Jahren zu entscheiden.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.