Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2017 - XII ZB 507/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Gegenstand des Verfahrens ist die betreuungsgerichtliche Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.
- 2
- Die 1922 geborene Betroffene leidet an einem demenziellen Syndrom. Für sie wurde 2014 eine rechtliche Betreuung eingerichtet und eine Berufsbetreuerin bestellt. Die Betreuung umfasst den Aufgabenkreis Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, Organisation der ambulanten Versorgung, Haus- und Grundstücksangelegenheiten , Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und Entscheidung über den Fernmeldeverkehr sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern.
- 3
- Die Betreuerin hat im Februar 2016 angeregt, einen Einwilligungsvorbehalt anzuordnen, und dies damit begründet, dass die Betroffene Unterschriften leiste, obwohl sie möglicherweise nicht mehr geschäftsfähig sei. Der vorinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen habe ohne Rücksprache mit der Betreuerin den bestehenden Heimvertrag gekündigt. Die Betreuungsbehörde hat sich der Anregung der Betreuerin angeschlossen.
- 4
- Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einen Einwilligungsvorbehalt hinsichtlich der Vermögenssorge angeordnet. Das Landgericht hat die Beschwerde der anwaltlich vertretenen Betroffenen zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde, mit der sie den Wegfall des Einwilligungsvorbehalts erstrebt.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
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- 1. Das Landgericht hat die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hinsichtlich des Vermögens als gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB geboten angesehen. Es bestehe eine erhebliche Gefahr für das Vermögen der Betroffenen. Sie leide nach den Ausführungen des Sachverständigen an einem demenziellen Syndrom mit erheblich eingeschränkten kognitiv-mnestischen Funktionen. Sie erinnere sich nicht einmal daran, jemals einen Rechtsanwalt beauftragt zu haben, und befolge kritiklos alles, was ihr eine Frau D. sage, deren Bestellung zur Betreuerin in einem vorangegangenen Verfahren abgelehnt worden sei. Frau D. habe ihr nach Angaben der Betreuerin Rechnungen gestellt und gegenüber dem Amtsrichter Gedanken hinsichtlich ihrer Beteiligung am Erbe der Betroffenen geäußert. Aus der Sicht des Sachverständigen sei die Betroffene nicht geschäftsfähig. Sie leiste kritiklos Unterschriften, ohne sich über deren Konsequenzen klar zu sein, so dass wegen der bestehenden großen Gefahr einer Selbstschädigung die Voraussetzungen zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts bestünden.
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- Das Sachverständigengutachten sei auch verwertbar. Insbesondere sei das Recht der Betroffenen auf Anwesenheit einer Vertrauensperson nicht verletzt worden. Der Wunsch, dass Frau D. anwesend sein solle, sei von der Betroffenen selbst zunächst nicht geäußert worden. Dies sei erst dann der Fall gewesen, als Frau D. im Lauf der Begutachtung erschienen und der Sachverständige vom Verfahrensbevollmächtigten telefonisch darüber belehrt worden sei, dass eine Vertrauensperson anwesend sein dürfe. Über welchen Zeitraum Frau D. anwesend gewesen sei, sei unerheblich, ein Teil der Begutachtung sei sogar in ihrem Beisein wiederholt worden.
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- 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 9
- a) Ohne Erfolg bleibt die von der Rechtsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge , dass das Sachverständigengutachten deswegen nicht verwertbar sei, weil eine Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten an der Untersuchung nicht ermöglicht worden sei.
- 10
- Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die zur persönlichen Anhörung des Betroffenen ergangene Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 25 und vom 19. Oktober 2016 - XII ZB 331/16 - FamRZ 2017, 131 Rn. 7 mwN) auf die Exploration durch einen Sachverständigen nicht übertragbar. Die Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten bei der gerichtlichen Anhörung des Betroffenen dient der Wahrung des rechtlichen Gehörs vor Erlass einer Entscheidung. Demgegenüber besteht im förmlichen Beweisverfahren nach §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 30 FamFG iVm § 411 Abs. 3 und 4 ZPO die Möglichkeit der Beteiligten, sich zu dem Gutachten zu äußern und eine Ergänzung oder Erläuterung zu beantragen (vgl. Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 411 Rn. 4a, 5a mwN). Es ist demnach weder gesetzlich vorgeschrieben noch aus übergeordneten Erwägungen der Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG geboten, dass der Sachverständige von sich aus den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen von einem Explorationstermin benachrichtigt oder ihn zu einer Teilnahme an der Untersuchung einlädt.
- 11
- Ob und unter welchen Umständen der Betroffene die Anwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten, eines Beistands oder einer Vertrauensperson aus eigener Initiative verlangen kann (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1441 sowie BVerfG NJW 1975, 103 zum Rechtsbeistand eines Zeugen), kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Denn der Sachverständige hat auf ein entsprechendes Verlangen des Verfahrensbevollmächtigten die Anwesenheit der Frau D. gestattet, was auch die Rechtsbeschwerde als insoweit ausreichend ansieht. Dass der Verfahrensbevollmächtigte, mit dem der Sachverständige während der Exploration telefonierte, vom Sachverständigen auch seine eigene Anwesenheit verlangt habe, wird von der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht. Dass sich die Betroffene selbst an die Person ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht erinnert hat, und das Landgericht daraus - wie die Rechtsbeschwerde meint, zu Unrecht - einen fehlenden Wunsch der Betroffenen hergeleitet habe, dass dieser anwesend sein sollte, ist daher schon nicht entscheidungserheblich.
- 12
- b) Die Rechtsbeschwerde rügt weiter zu Unrecht, dass das Landgericht für den angeordneten Einwilligungsvorbehalt eine abstrakte Vermögensgefährdung habe ausreichen lassen und auch eine Geschäftsunfähigkeit keine hinrei- chende Bedingung für die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts bezüglich des Vermögens darstelle.
- 13
- Denn die auf die Angaben der Betreuerin zurückgehenden Anhaltspunkte für eine konkrete Vermögensgefährdung sind vom Landgericht im Hinblick auf das bisherige Verhalten der Betroffenen, etwa bezüglich des Heimvertrags, wie auch deren kritiklose Haltung gegenüber der Frau D. hinlänglich festgestellt worden. In Anbetracht dessen erscheint die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts sogar als dringend notwendig.
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- c) Die weiteren von der Rechtsbeschwerde gerügten Verfahrensmängel hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Auch im Übrigen ist die angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden und hält den weitergehenden Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Vorinstanzen:
AG Eggenfelden, Entscheidung vom 07.07.2016 - XVII 539/14 -
LG Landshut, Entscheidung vom 07.10.2016 - 65 T 2331/16 -
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(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.
(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Absatz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen, wenn es ihm bei Erstellung seines Gutachtens vorliegt.
(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:
- 1.
das Krankheits- oder Behinderungsbild einschließlich dessen Entwicklung, - 2.
die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse, - 3.
den körperlichen und psychischen Zustand des Betroffenen, - 4.
den aus medizinischer Sicht aufgrund der Krankheit oder Behinderung erforderlichen Unterstützungsbedarf und - 5.
die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.
(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.
(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.
(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.