Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Jan. 2015 - XII ZB 395/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die im Jahre 1960 geborene Betroffene leidet an einer hochgradigen Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung. Sie steht seit 1993 unter einer umfassenden Betreuung. Von 1995 bis Ende Oktober 2012 war die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung durch das Betreuungsgericht genehmigt.
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- Im Februar 2012 zog die Betroffene in ein neu geschaffenes Behindertenzentrum , in dem es offene und geschlossene Wohngruppen gibt. Jedenfalls seit Ende 2012 lebt die Betroffene dort in einer offenen Wohngruppe. Von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr wird die Tür zur Wohngruppe allerdings verschlossen, weil die Bewohner sich bei versehentlichem Verlassen verirren und selbst gefährden könnten. Auch in diesem Zeitraum können die Bewohner sich an eine Aufsichtsperson wenden, die ihnen die Tür öffnet. Befindet sich die Aufsichtsperson , die noch für eine weitere Wohngruppe zuständig ist, nicht auf der Station, haben die Bewohner die Möglichkeit, einen Notrufknopf zu bedienen. Innerhalb einer Zeitspanne von maximal 30 Minuten wird ihnen die Tür des Wohngruppenbereichs geöffnet.
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- Der Betreuer der Betroffenen hat beantragt, die Unterbringung der Betroffenen über Oktober 2012 hinaus zu genehmigen. Das Amtsgericht hat dies abgelehnt, weil für eine solche Entscheidung kein Bedarf bestehe. Insbesondere stelle das nächtliche Abschließen der Tür weder eine Unterbringung noch eine unterbringungsähnliche Maßnahme dar. Die vom Verfahrenspfleger der Betroffenen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen.
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- Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde macht der Verfahrenspfleger weiter geltend, es liege eine freiheitsentziehende und daher genehmigungsbedürftige Maßnahme vor.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 - XII ZB 540/13 - FamRZ 2014, 1285 Rn. 8) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ergibt sich die Beschwerdebefugnis des Verfahrenspflegers aus § 335 Abs. 2 FamFG.
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- Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung derSache an das Beschwerdegericht.
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- 1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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- Die Vorschrift des § 1906 Abs. 1 BGB gehe von einem engen Unterbringungsbegriff aus. Entscheidendes Kriterium für eine zivilrechtliche freiheitsentziehende Unterbringung sei die nicht nur kurzfristige Beschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit auf einen bestimmten Lebensbereich. Auch im Rahmen des § 1906 Abs. 4 BGB würden nur solche Maßnahmen erfasst, deren Auswirkungen denen der Unterbringung vergleichbar seien.
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- Nach diesen Maßgaben falle die partielle Freiheitsbeschränkung während der Nachtzeit, wie sie sich aus der Organisation des Heims hinsichtlich der Anzahl und Behinderungen der Bewohner sowie des vorhandenen Personals ergebe, nicht unter den Anwendungsbereich des § 1906 BGB. Die kurzzeitige Beschränkung der Freiheit der Betroffenen, die entstehe, bis ihrem Wunsch, den Wohnbereich zu verlassen, entsprochen werde, stelle weder eine freiheitsentziehende Unterbringung noch eine unterbringungsähnliche Maßnahme dar.
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- 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- a) Zutreffend ist allerdings die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass es keine Unterbringung im Sinn des § 1906 Abs. 1 BGB darstellt, wenn die Wohngruppentür zur Nachtzeit abgesperrt wird, ohne dass Heimpersonal in einer einem Pförtner vergleichbaren Funktion zur jederzeitigen Öffnung bereitsteht oder die Bewohner Schlüssel erhalten, sondern erst Pflegepersonal zum Öffnen der Tür geholt werden muss.
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- Eine freiheitsentziehende Unterbringung im Sinn des § 1906 Abs. 1 BGB ist gegeben, wenn der Betroffene gegen seinen Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit in einem räumlich begrenzten Bereich eines geschlossenen Krankenhauses , einer anderen geschlossenen Einrichtung oder dem abgeschlossenen Teil einer solchen Einrichtung festgehalten, sein Aufenthalt ständig überwacht und die Kontaktaufnahme mit Personen außerhalb des Bereichs eingeschränkt wird. Die Vorschrift geht von einem engen Begriff der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung aus und erfasst nur solche Maßnahmen, die die persönliche Bewegungsfreiheit des Betroffenen nicht nur kurzfristig auf einen bestimmten räumlichen Lebensbereich begrenzen (Senatsbeschlüsse vom 7. August 2013 - XII ZB 559/11 - FamRZ 2013, 1646 Rn. 12; vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 19 und BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149 f.).
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- Gemessen daran ist die Betroffene nicht untergebracht. Denn ihre Bewegungsfreiheit würde - so sie zur Nachtzeit den Wohnbereich verlassen wollte - zwar durch die verschlossene Tür begrenzt, dies jedoch nicht über den Zeitraum hinaus, der erforderlich wäre, um Pflegepersonal zum Öffnen der Tür zu holen, und damit nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen für höchstens 30 Minuten. Dabei handelt es sich nicht um eine Zeitspanne, die aufgrund § 1906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich macht.
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- b) Rechtsfehlerhaft sind jedoch die Erwägungen, mit denen das Beschwerdegericht das Vorliegen einer unterbringungsähnlichen Maßnahme und damit ein Genehmigungsbedürfnis nach § 1906 Abs. 4, Abs. 2 Satz 1 BGB verneint hat.
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- aa) Gemäß § 1906 Abs. 4 BGB gelten die Vorschriften über die Unterbringung eines Betreuten (Absätze 1 und 2 der Vorschrift) und damit auch das Genehmigungserfordernis des § 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB entsprechend, wenn einem Betroffenen, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen , Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.
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- Diese Regelung schützt - ebenso wie Absatz 1 und 2 der Vorschrift - die körperliche Bewegungsfreiheit und die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit (Senatsbeschlüsse vom 27. Juni 2012 - XII ZB 24/12 - FamRZ 2012, 1372 Rn. 10 mwN und BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149, 150). Die Vorschrift ist weit gefasst (HK-BUR/Bauer/Braun [Stand: August 2014] § 1906 BGB Rn. 55) und ergänzt sich mit Absatz 1 dahingehend , dass in dem in Absatz 4 genannten räumlichen Bereich - Anstalt, Heim, sonstige Einrichtung - jede gezielte Behinderung des Betroffenen in seinem Wunsch, den bisherigen Aufenthaltsort zu verlassen, genehmigungsbedürftig ist (Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1906 BGB Rn. 79; vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 640). Der Gesetzgeber wollte mit § 1906 Abs. 4 BGB die Rechtsstellung Betroffener stärken, indem er solche Maßnahmen ebenfalls unter betreuungsgerichtliche Kontrolle und Genehmigungspflicht stellte (Staudinger/Bienwald BGB [2013] § 1906 Rn. 89; vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 82, 148).
- 17
- Erforderlich ist für § 1906 Abs. 4 BGB nicht, dass es sich um eine individuelle , nur auf die Bedürfnisse des einzelnen Betroffenen abgestimmte, also personenbezogene Einzelmaßnahme handelt (so aber LG Ulm FamRZ 2010, 1764, 1765; Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1906 BGB Rn. 58; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 10. Juni 2014] § 1906 BGB Rn. 165). Auch Maßnah- men, die sich auf eine Mehrzahl der oder gar alle Bewohner einer Einrichtung dahingehend auswirken, dass sie die Bewegungsfreiheit begrenzen, aber etwa unterhalb der zeitlichen Schwelle für ein Eingreifen von § 1906 Abs. 1 BGB bleiben, sind nach dem Willen des Gesetzgebers von § 1906 Abs. 4 BGB erfasst (ebenso wohl auch MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1906 Rn. 37). Dies machen die in den Gesetzesmaterialien genannten Beispiele deutlich, bei denen es sich zum Teil nicht um personenbezogene Einzelmaßnahmen handelt (BT-Drucks. 11/4528 S. 148).
- 18
- bb) Fehlt es an einer rechtswirksamen Einwilligung des Betroffenen, ist eine Maßnahme daher immer dann als unterbringungsähnlich im Sinn des § 1906 Abs. 4 BGB einzustufen, wenn sie, ohne eine Unterbringung zu sein, die Bewegungsfreiheit des Betroffenen über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig begrenzt und dies zumindest auch bezweckt (vgl. Knittel Betreuungsrecht [Stand: 10. Juni 2014] § 1906 BGB Rn. 172; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1906 Rn. 42; BT-Drucks. 11/4528 S. 149).
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- (1) Ein "regelmäßiges" Hindern liegt dabei vor, wenn es stets zur selben Zeit - die Gesetzesbegründung nennt das Absperren der Tür jeweils zur Nachtzeit - oder aus wiederkehrendem Anlass erfolgt, wie etwa bei Einsperren eines Betroffenen immer dann, wenn er die Nachtruhe stört (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 149). Daraus, dass das Gesetz als weitere Alternative "über einen längeren Zeitraum" nennt, erhellt, dass es bei der regelmäßigen Freiheitsentziehung nicht auf die Dauer der jeweiligen Einzelmaßnahme ankommen soll, so dass auch kurzzeitige Beschränkungen der Bewegungsfreiheit genehmigungspflichtig sind, wenn sie regelmäßig vorgenommen werden. Mithin unterfallen lediglich diejenigen regelmäßigen Einschränkungen der Fortbewegungsfreiheit nicht § 1906 Abs. 4 BGB, die sich als nur unerhebliche Verzögerungen darstellen (zur Freiheitsberaubung i.S.d. § 239 StGB vgl. auch Fischer StGB 61. Aufl.
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- (2) Darüber hinaus erfordert § 1906 Abs. 4 BGB, dass dem Betroffenen "die Freiheit entzogen werden soll". Eine unterbringungsähnliche Maßnahme liegt daher nur dann vor, wenn mit der Maßnahme zumindest auch auf eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit des Betroffenen abgezielt wird. Denn der Gesetzgeber wollte nur solche Maßnahmen erfassen, deren Auswirkungen denen einer Unterbringung vergleichbar sind (Senatsbeschluss BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149, 150; BT-Drucks. 11/6949 S. 76).
- 21
- cc) Nach diesen Maßgaben kann die Entscheidung des Beschwerdegerichts aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.
- 22
- (1) Das Verschließen der Wohngruppentür jeweils in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr kann eine unterbringungsähnliche Maßnahme für die Betroffene darstellen, nachdem es nach den tatrichterlichen Feststellungen bis zu 30 Minuten dauern kann, bis einem Öffnungsverlangen der Bewohner nachgekommen wird. Die Betroffene wird mithin jeweils bis zu 30 Minuten daran gehindert , ihre Fortbewegungsfreiheit durch Verlassen des Wohnbereichs zu betätigen. Der Zeitraum von 30 Minuten liegt deutlich oberhalb einer unerheblichen Verzögerung.
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- Dabei kann dahinstehen, dass die angefochtene Entscheidung keine konkreten Feststellungen dazu enthält, ob die Betroffene in der Lage ist, von der Möglichkeit, den Notrufknopf zu betätigen, gezielt Gebrauch zu machen und auf diese Weise nicht auf der Station befindliches Personal zum Öffnen der Tür herbeizurufen. Denn die Einschätzung des Beschwerdegerichts, es handele sich im Ergebnis nur um eine von § 1906 Abs. 4 BGB nicht erfasste kurzfristige Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit, ist schon mit Blick auf die unbeschadet der individuellen Fähigkeiten der Betroffenen festgestellten Wartezeiten rechtsfehlerhaft. Sie wird im Übrigen auch nicht von der Erwägung getragen , dass die Beschränkung der Bewegungsfreiheit Folge der Einrichtungsorganisation und insbesondere des vorhandenen Personals und damit gewissermaßen zwangsläufig sei. Finanzielle Erwägungen, wie sie insbesondere dem für eine Einrichtung geltenden Personalschlüssel zugrunde liegen, können einer Maßnahme nicht den Charakter einer Freiheitsentziehung im Sinn des § 1906 BGB nehmen (zur Berücksichtigung dieser Umstände im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vgl. etwa OLG München OLGR 2006, 73, 75).
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- (2) Dementsprechend hat der Gesetzgeber den Fall des zeitweiligen - insbesondere nächtlichen - Verschließens der Eingangstür, ohne dass der Betroffene einen Schlüssel erhält oder ein Pförtner das jederzeitige Verlassen der Einrichtung ermöglicht, ausdrücklich als Anwendungsfall des § 1906 Abs. 4 BGB genannt (BT-Drucks. 11/4528 S. 148; vgl. auch: Damrau/ Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1906 BGB Rn. 90; Erman/Roth BGB 14. Aufl. § 1906 Rn. 34; Jürgens/Marschner Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1906 BGB Rn. 45; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 10. Juni 2014] § 1906 BGB Rn. 161; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1906 Rn. 35; Staudinger/ Bienwald BGB [2014] § 1906 Rn. 91). Er hatte mithin bei Einführung der Vorschrift auch die Situation vor Augen, dass eine Einrichtung - bzw. ein Teil hiervon - zeitweise nicht verlassen werden kann, weil zwar (wie bei derartigen Einrichtungen üblich) zur Türöffnung fähiges und bereites (Pflege-)Personal zugegen ist, aber nicht in der Art eines Pförtners jeweils sofort dem Öffnungswunsch eines Bewohners nachkommen kann. Die hiermit verbundene Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit ist daher grundsätzlich genehmigungsbedürftig.
- 25
- (3) Mit der Maßnahme ist auch die Begrenzung der Bewegungsfreiheit bezweckt. Denn nach der vom Beschwerdegericht zitierten Mitteilung der Pfle- geeinrichtung erfolgt das Absperren der Wohngruppentür mit der Zielrichtung, die Betroffene - wie auch die anderen Bewohner der Wohngruppe - an einem Verlassen der Wohngruppe zu hindern und so einer Selbstgefährdung vorzubeugen.
- 26
- 3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG).
- 27
- Bei seiner erneuten Befassung mit der Sache wird das Beschwerdegericht zu prüfen haben, ob die fragliche Maßnahme mit Einwilligung der Betroffenen erfolgt. Eine solche kann zwar nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen (Staudinger/Bienwald BGB [2014] § 1906 Rn. 30; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 15. Juli 2013] § 1906 BGB Rn. 59, auch zu den Anforderungen an die Feststellung der Einwilligung). Sie setzt allerdings voraus, dass der Betroffene mit natürlichem Willen die Tragweite der freiheitsentziehenden Maßnahme zu erfassen vermag (BayObLG MDR 1994, 922; Damrau/ Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1906 BGB Rn. 95; HK-BUR/Bauer/ Braun [Stand: August 2014] § 1906 BGB Rn. 40; Staudinger/Bienwald BGB [2014] § 1906 Rn. 88; zweifelnd MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1906 Rn. 45).
- 28
- Auch wenn es an einer rechtswirksamen Einwilligung der Betroffenen fehlen sollte, werden darüber hinaus Feststellungen dazu zu treffen sein, ob die Betroffene die Wohngruppe während der Nachtstunden verlassen will. Zwar ist eine objektiv freiheitsentziehende Maßnahme im Zweifel genehmigungspflichtig (Knittel Betreuungsrecht [Stand: 15. Juli 2013] § 1906 BGB Rn. 174; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1906 Rn. 42). Kann aber mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Betroffene seine Bewegungsfreiheit so betätigen wird, dass die Maßnahme eine Beschränkung darstellt, dann besteht für eine betreuungsgerichtliche Genehmigung kein Bedürfnis (vgl. Knittel Betreuungsrecht [Stand: 15. Juli 2013] § 1906 BGB Rn. 57; Palandt/Götz BGB 74. Aufl. § 1906 Rn. 35; vgl. auch Erman/Roth BGB 14. Aufl. § 1906 Rn. 34 a).
- 29
- In diese Richtung könnte im vorliegenden Fall weisen, dass bei der Betroffenen nach der vom Beschwerdegericht wiedergegebenen Stellungnahme der Pflegeeinrichtung "seit Öffnung der Wohngruppe kein willkürliches Verlassen des Wohnbereichs beobachtet worden" sei, zumal die Betroffene aufgrund ihres erheblich eingeschränkten Sehvermögens und des unsicheren Gangbildes ohnehin außerhalb der Wohngruppe immer auf Begleitung und Handführung angewiesen sei.
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- Sofern das Beschwerdegericht nach alledem zu dem Ergebnis gelangt, dass eine unterbringungsähnliche Maßnahme vorliegt, wird es deren materiellrechtliche Voraussetzungen entsprechend § 1906 Abs. 1 BGB nach den verfahrensrechtlichen Maßgaben der §§ 312 ff. FamFG zu klären haben.
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- 4. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist in Unterbringungssachen gerichtsgebührenfrei (Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 - XII ZB 540/13 - FamRZ 2014, 1285 Rn. 10 f.). Dies folgt für Rechtsbeschwerden des Betroffenen nicht aus § 26 Abs. 3 GNotKG (so aber Fröschle FamRZ 2014, 1622), der lediglich zu Auslagen, nicht aber zu Gerichtsgebühren eine Regelung trifft. Vielmehr ergibt es sich daraus, dass der Gesetzgeber an dem unter Geltung des § 128 b Satz 1 KostO bestehenden Zustand der Gerichtsgebührenfreiheit von Unterbringungssachen - der sich auch auf Rechtsmittelverfahren erstreckte - durch Einführung des Gesetzes über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare vom 23. Juli 2013 (Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG; BGBl. I S. 2586) nichts ändern wollte (Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 - XII ZB 540/13 - FamRZ 2014, 1285 Rn. 11 mwN). Die für die Rechtsmittelinstanzen vorgesehenen Auffanggebührentatbestände (KV GNotKG Nr. 19116 und 19128) sind in Unterbringungssachen daher nicht einschlägig.
Vorinstanzen:
AG Freiberg, Entscheidung vom 26.05.2013 - 1 XVII 168/95 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 15.07.2014 - 3 T 227/14 -
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Annotations
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Das Recht der Beschwerde steht im Interesse des Betroffenen
- 1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern und Kindern, wenn der Betroffene bei diesen lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat, den Pflegeeltern, - 2.
einer von dem Betroffenen benannten Person seines Vertrauens sowie - 3.
dem Leiter der Einrichtung, in der der Betroffene lebt,
(2) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.
(3) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.
(4) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde zu.
(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
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das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder - 2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.
(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Die Dokumentenpauschale schuldet ferner, wer die Erteilung der Ausfertigungen, Kopien oder Ausdrucke beantragt hat. Sind in einem gerichtlichen Verfahren Kopien oder Ausdrucke angefertigt worden, weil der Beteiligte es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen, schuldet nur der Beteiligte die Dokumentenpauschale.
(2) Die Auslagen nach Nummer 31003 des Kostenverzeichnisses schuldet nur, wer die Versendung der Akte beantragt hat.
(3) In Unterbringungssachen schuldet der Betroffene nur Auslagen nach Nummer 31015 des Kostenverzeichnisses und nur, wenn die Gerichtskosten nicht einem anderen auferlegt worden sind.
(4) Im Verfahren auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und im Verfahren auf Bewilligung grenzüberschreitender Prozesskostenhilfe ist der Antragsteller Schuldner der Auslagen, wenn
- 1.
der Antrag zurückgenommen oder vom Gericht abgelehnt wird oder - 2.
die Übermittlung des Antrags von der Übermittlungsstelle oder das Ersuchen um Prozesskostenhilfe von der Empfangsstelle abgelehnt wird.
(5) Die Auslagen einer öffentlichen Zustellung in Teilungssachen schulden die Anteilsberechtigten.