Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2015 - XII ZB 311/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Mit Urteil vom 21. Januar 2015, das dem Kläger am 27. Januar 2015 zugestellt worden ist, hat das Landgericht dessen auf Schadenersatz aus einem Mietvertrag gerichtete Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt und mit einem auf den 27. März 2015 datierten, bei Gericht am 30. März 2015 nach Ablauf der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Auf einen ihm am 10. April 2015 zugegangenen richterlichen Hinweis hat der Kläger am 23. April 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufungsbegründung eingereicht. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vor- getragen, dass die unfrankierte Post, die für die am Kanzleiort ansässigen Gerichte bestimmt sei, auf einem gesonderten Stapel gesammelt werde, der jeweils noch am gleichen Tage von der Kanzleiangestellten in den Nachtbriefkasten eingeworfen werde. Dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügt war eine eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten, wonach diese sich sicher sei, dass sie den Antrag auf Fristverlängerung am 27. März 2015 in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe.
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- Nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der gerichtlichen Posteingangsstelle, der zufolge ein Stempelungsfehler am 27. März 2015 auszuschließen sei, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers durch weiteren Schriftsatz vom 19. Mai 2015 mitgeteilt, dass seine Kanzleiangestellte keine konkrete Erinnerung mehr an den 27. März 2015 habe. Inzwischen habe sich jedoch herausgestellt, dass auch in einem anderen Rechtsstreit sein Fristverlängerungsgesuch vom 27. März erst am 30. März 2015 bei Gericht eingegangen sei und sich deshalb seine Vermutung verdichte, dass die Gerichtspost vom 27. März 2015 entgegen seiner Anordnung und der jahrelangen Übung nicht in den Nachtbriefkasten eingeworfen, sondern von seiner Kanzleiangestellten frankiert verschickt worden sei.
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- Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Berufungsbegründungsfrist schuldlos versäumt sei. Die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten seines Prozessbevollmächtigten , am 27. März 2015 wie üblich mit der Post verfahren zu sein, reiche nicht aus, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich der fragliche Schriftsatz nicht in der Post vom 27. März 2015 befunden habe. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
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- Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
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- 1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juni 2008 - XII ZB 184/07 - FamRZ 2008, 1605 Rn. 6 mwN). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt auch kein entscheidungserheblicher Verstoß des Beschwerdegerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor.
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- 2. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat, ist eine Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO ausgeschlossen, wenn das Verlängerungsgesuch erst nach Ablauf der Begründungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen ist (Senatsbeschluss vom 22. Juli 2015 - XII ZB 583/14 - FamRZ 2015, 1878 Rn. 10 mwN). Daher konnte die Begründungsfrist - wie auch die Rechtsbeschwerde nicht infrage stellt - auf den erst am 30. März 2015 eingegangenen Antrag nicht mehr verlängert werden.
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- 3. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Denn ein Wiedereinsetzungsgrund ist vom Kläger jedenfalls nicht glaubhaft gemacht.
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- Zwar war zunächst durch eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten glaubhaft gemacht, diese habe den Fristverlängerungsantrag am 27. März 2015 in den Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfen. Von dieser Darstellung ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers jedoch selbst in seinem Schriftsatz vom 19. Mai 2015 wieder abgerückt und hat nunmehr die Vermutung geäußert, dass die Gerichtspost vom 27. März 2015 entgegen seiner Anordnung nicht in den Nachtbriefkasten eingeworfen, sondern per frankierter Post verschickt worden sei. Seine Kanzleiangestellte habe daran keine Erinnerung mehr.
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- Damit fehlt es an der Glaubhaftmachung eines konkreten Vortrags. Die neu angestellten Vermutungen des Prozessbevollmächtigten über einen möglichen abweichenden Verlauf, bei dem die Kanzleiangestellte den Fristverlängerungsantrag weisungswidrig in die frankierte Post gegeben habe, stellt nur die Möglichkeit eines Hergangs dar, durch die andere denkbare Abläufe, die der Prozessbevollmächtigte selbst zu verantworten hätte, nicht mit der für eine Wiedereinsetzung nötigen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Dose Weber-Monecke Klinkhammer Nedden-Boeger Guhling
LG München I, Entscheidung vom 21.01.2015 - 20 O 5910/14 -
OLG München, Entscheidung vom 24.06.2015 - 32 U 718/15 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.