Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2016 - 3 StR 473/15

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:260116B3STR473.15.0
published on 26/01/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2016 - 3 StR 473/15
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 473/15
vom
26. Januar 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Beihilfe zum räuberischen Diebstahl u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:260116B3STR473.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 26. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 25. Juni 2015, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum räuberischen Diebstahl in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
2
Die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO); der Strafausspruch hält hingegen der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
3
Die Strafkammer hat zwar rechtsfehlerfrei gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht auf den zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alten Angeklagten angewendet. Die Begründungen, mit denen sie die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 JGG bejaht und gemäß § 18 Abs. 2 JGG die Höhe der Jugendstrafe bemessen hat, begegnen indes durchgreifenden Bedenken. Die Rechtsfolgebestimmung bedarf deshalb umfassend neuer Prüfung und Entscheidung. Im Einzelnen:
4
1. Das Landgericht ist zunächst im Ansatz zutreffend davon ausgegangen , dass schädliche Neigungen als Voraussetzung für die Verhängung von Jugendstrafe dann vorliegen, wenn bei dem Täter erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel zu beobachten sind, die ohne eine längere Gesamterziehung die Gefahr weiterer Straftaten begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2015 - 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154). Nicht erkennbar bedacht hat es indes , dass schädliche Neigungen in der Regel nur bejaht werden können, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat - wenn auch gegebenenfalls verdeckt - angelegt waren und im Zeitpunkt des Urteils noch gegeben sind und deshalb weitere Straftaten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 mwN). Die Strafkammer hat das Vorliegen schädlicher Neigungen vielmehr allein damit begründet , dass bei dem Angeklagten - obwohl bisher nicht vorbestraft - eine deutliche Neigung zu erkennen sei, "die Rechtsordnung zu missachten und aus einer in seiner Persönlichkeit wurzelnden falschen Triebrichtung zu handeln". Dies ergebe sich daraus, dass er sich ohne Weiteres bereitgefunden habe, an der verfahrensgegenständlichen Tat mitzuwirken, die im Zeitpunkt seines Hinzutretens bereits von einer gewissen Brutalität gegenüber dem Opfer gekennzeichnet gewesen sei.
5
Aus dieser pauschalen Formulierung wird nicht erkennbar, ob bei dem Angeklagten nach Auffassung des Landgerichts bereits vor der Tat Persönlichkeitsmängel bestanden haben sollen, die die Annahme schädlicher Neigungen rechtfertigen könnten. Dagegen spricht der Umstand seiner Unbestraftheit. Entgegenstehende Anhaltspunkte lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen ; vielmehr führt nach der Argumentation der Strafkammer schon allein die Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat im Ergebnis zur Annahme schädlicher Neigungen. Dies genügt den aufgezeigten Maßgaben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ersichtlich nicht.
6
Zudem hat das Landgericht nicht dargelegt, dass etwaige Persönlichkeitsmängel des Angeklagten im Urteilszeitpunkt noch vorgelegen haben. Soweit es ausgeführt hat, die Verhängung einer Jugendstrafe sei trotz des Zeitablaufs von fünf Monaten seit der Tat und der seitdem gegen den Angeklagten vollzogenen Untersuchungshaft immer noch unabdingbar, lassen sich auch dieser Urteilspassage keine konkreten Umstände entnehmen, die die Entscheidung gerade mit Blick auf den Angeklagten plausibel machen würden; vielmehr beschränkt sich die Jugendkammer auch insoweit auf formelhafte Aussagen etwa dergestalt, dass der Angeklagte durch eine längerfristige Einwirkung "zu entsprechenden Überlegungen anzuhalten und ihm dadurch die Möglichkeit zu geben [sei], aus eigener Einsicht und eigenverantwortlich seiner kriminellen Fehlentwicklung entgegenzutreten." Dies ist ebenfalls nicht hinreichend, um den dargelegten Begründungsanforderungen zu genügen, zumal angesichts der fehlenden Vorstrafen auch insoweit unklar bleibt, worin - über die konkrete Tatbegehung hinaus - eine "kriminelle Fehlentwicklung" zu beobachten sein soll.
7
2. Die Verhängung der Jugendstrafe kann auch nicht deshalb Bestand haben, weil das Landgericht ihre Erforderlichkeit wegen Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 Alternative 2 JGG) ausreichend begründet hätte. Hierzu hat es ausgeführt, der Angeklagte habe sich "keineswegs unter dem Druck seiner Lebensverhältnisse, etwa im Rahmen einer ihm ausweglos erscheinenden Lebenssituation, sondern frei und selbstverantwortlich gegen das Recht und für das Unrecht entschieden". Damit hat es im Ergebnis auch diese Voraussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe wesentlich mit der Tatbegehung an sich begründet. Dies vermag vorliegend auch mit Blick auf die verwirklichten Delikte (Beihilfe zu dem - nach allgemeinem Strafrecht - Verbrechen des räuberischen Diebstahls und Vergehen der gefährlichen Körperverletzung) die Annahme der Schwere der Schuld nicht zu tragen, zumal sich die Jugendkammer nicht mit der naheliegenden Frage befasst hat, inwiefern sich die Tat - der Angeklagte half seinem Freund, ein von diesem gestohlenes Mobiltelefon in Besitz zu halten - gegebenenfalls als situativ bedingter Ausdruck gruppendynamischer Prozesse darstellte, was bei der Bestimmung der Schwere der Schuld zu berücksichtigen sein kann (vgl. Eisenberg, JGG, 18. Aufl., § 17 Rn. 31).
Becker Hubert Mayer Gericke Tiemann
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, we

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so is
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, we

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so is
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.