Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2016 - 1 StR 43/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:120516B1STR43.16.0
published on 12/05/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2016 - 1 StR 43/16
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 43/16
vom
12. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:120516B1STR43.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. August 2015, soweit es sie betrifft , aufgehoben
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen B I, B II, B III, B VII und B VIII der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen,
c) im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: Den Angeklagten U. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tatmehrheitlichen Fällen und wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, denAngeklagten Z. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten M. (unter Freispruch im Übrigen und unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Strafe) wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren. Bei dem Angeklagten U. hat die Strafkammer zudem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von zwei Jahren Freiheitsstrafe angeordnet. Die Angeklagten erzielen jeweils mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen bleiben ihre Revisionen aus den Gründen der jeweiligen Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Feststellungen tragen die Schuldsprüche. Zwar hat das Landgericht nur in den Fällen B IV und B IX der Urteilsgründe konkrete Feststellungen zu der Menge des Wirkstoffgehalts der jeweiligen Betäubungsmittel getroffen. Dieser Rechtsfehler betrifft aber nicht die jeweiligen Schuldsprüche, denn angesichts des An- und anschließenden Verkaufs jeweils ganz erheblicher Mengen von Betäubungsmitteln in den Fällen B I, B III, B VII und B VIII (ein bis vier Kilogramm Amphetamin, ein Kilogramm Heroin) ist auszuschließen, dass im Einzelfall die Grenze zur nicht geringen Menge unterschritten wurde (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93, NJW 1994, 1885; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. 2016, Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 214).
3
Der Schuldspruch wird auch im Fall B II von den Feststellungen getragen , denn der vereinbarte Ankauf bezog sich mit 300 g Heroin jedenfalls nach der Vorstellung der hieran beteiligten Angeklagten auf durchschnittliche Betäubungsmittel und damit eine nicht geringe Menge. Ob die Qualität des schließlich gelieferten Rauschgifts von der vereinbarten Qualität nach unten abweicht, ist für den Schuldspruch des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1999 – 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252).
4
2. Die Strafzumessung hält in den Fällen B I, B II, B III, B VII und B VIII der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Wie dargelegt fehlt es in diesen Fällen an der Feststellung des Wirkstoffgehalts der jeweiligen Betäubungsmittel und damit an der Feststellung eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes. Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Rauschgifts bestimmt. Für eine sachgerechte schuldangemessene Festsetzung der Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht kann auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt deshalb regelmäßig nicht verzichtet werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 und vom 6. August 2013 – 3 StR 212/13, StV 2013, 703, je mwN). Stehen die Betäubungsmittel nicht für eine Untersuchung der Wirkstoffkonzentration zur Verfügung, ist diese – notfalls unter Anwendung des Zwei- felssatzes – unter Berücksichtigung der sicher festgestellten Umstände (Herkunft , Preis, Handelsstufe, Beurteilung durch die Tatbeteiligten, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.) durch eine „Schätzung“ festzulegen (BGH aaO; Körner/Patzak/Volkmer aaO, Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 331 ff. mwN).
5
Eine derartige Festlegung ist auch nicht in den Fällen entbehrlich, in denen die Strafkammer jeweils zu Gunsten der Angeklagten davon ausgegangen ist, dass Monate später aufgefundene Betäubungsmittel mit konkret ermittelten Wirkstoffgehalten nicht ausschließbar aus vorher festgestellten Taten stammen (Fälle B III und B VIII). Denn damit hat die Strafkammer von ihrem bisherigen Ausgangspunkt aus ersichtlich nur nach dem Zweifelsgrundsatz einen Schluss zu Gunsten der Angeklagten ziehen, nicht aber zu deren Lasten die Wirkstoffkonzentration bestimmen wollen.
6
Die in den Fällen B I, B II, B III, B VII und B VIII der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen können deshalb nicht bestehen bleiben. Dies zieht die Aufhebung der jeweils verhängten Gesamtfreiheitsstrafen nach sich.
7
3. Die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe bei dem Angeklagten U. entzieht der für sich gesehen rechtsfehlerfreien Bestimmung des Vorwegvollzuges eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB die Grundlage. Die neue Strafkammer wird hierüber neu zu entscheiden haben.
8
4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Die neue Strafkammer wird Feststellungen zu den jeweiligen Wirkstoffgehalten der Betäubungsmittel zu treffen haben und kann auch sonst ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.