Amtsgericht Hamm Beschluss, 17. Okt. 2016 - 31 F 464/15
Gericht
Tenor
Unter Aufhebung des Versäumnisbeschlusses des Amtsgerichts Hamm vom 12.9.2016, Az. 31 F 464/15, wird der Unterhaltsvertrag vom 24.9.2008 dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller, verpflichtet ist an den Antragsgegner ab Juli 2015 einen Kindesunterhalt i.H.v. 856,00 € zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Verfahrenswert: 9290,64 €.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller ist der Vater des am 00.00.2005 geborenen Antragsgegners, der im Haushalt seiner gesetzlichen Vertreterin, der Kindesmutter, lebt. Der Antragsteller und die Kindesmutter sind nicht miteinander verheiratet. Seit 2008 leben sie getrennt voneinander. Bis dahin lebten sie in häuslicher Gemeinschaft. Mit Unterhaltsvertrag vom 24.9.2008 hat sich der Antragsteller verpflichtet, an den Antragsgegner zu Händen der Kindesmutter vom siebten bis zum Fall vollendeten zwölften Altersjahr einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 1400,00 CHF zu zahlen. Bei Abschluss des Unterhaltsvertrages lebte die Kindesmutter noch gemeinsam mit dem Antragsgegner in der Schweiz. Ende Juni 2015 zog die Kindesmutter mit dem Antragsgegner wieder nach Deutschland zurück.
4Der Antragsteller begehrt nunmehr eine Abänderung der Unterhaltsvereinbarung. Er vertritt die Auffassung nunmehr Unterhalt nach der zehnten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zahlen zu müssen.
5Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 8.2.2016 hat der Antragsteller vorgetragen, es handele sich bei dem Unterhaltsvertrag nicht um einen vollstreckbaren Titel, da die nach schweizerischem Recht notwendige Genehmigung durch die Kindes-und Erwachsenenschutzbehörde nicht vorliege. Bezug genommen hat der Antragsteller dabei auf einen Entscheid des Bezirksgerichts Willisau vom 22.10.2015, wonach mangels Genehmigung des Unterhaltsvertrages vom 24.09.2008 durch die Kinderschutzbehörde ein Erfüllungsanspruch nicht bestehe. Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages wird Bezug genommen auf den Inhalt des Schriftsatzes der Antragstellervertreter vom 8.2.2016 nebst Anlage (Bl. 38-42 der Gerichtsakte).
6Der Antragsteller hat ursprünglich unter dem 19.10.2015 beantragt,
7den Unterhaltsvertrag vom 24.9.2008 dahingehend abzuändern, dass er an den Antragsgegner seit Juli 2015 lediglich noch Kindesunterhalt gemäß der zehnten Einkommensgruppe der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des hälftigen, auf ihn entfallenden Kindergeldes, zu leisten hat.
8Der Antragsgegner hat beantragt,
9den Antrag zurückzuweisen.
10Da der Nachweis eines vollstreckungsfähigen Titels nach dem eigenen Sachvortrag des Antragstellers nicht gegeben war, hat der Antragsteller im Sitzungstermin vom 21.4.2016 keinen Antrag gestellt. Auf Antrag des Antragsgegners hat das Gericht den Antrag durch Versäumnisbeschluss vom 21.4.2016 zurückgewiesen. Der Versäumnisbeschluss ist dem Antragstellervertreter am 2.5.2016 zugestellt worden. Mit Telefax vom 13.5.2016, eingegangen bei Gericht am 12.5.2016, hat der Antragsteller Einspruch gegen den Versäumnisbeschluss vom 21.4.2016 erhoben.
11Mit Schriftsatz der Antragsgegnervertreter vom 21.6.2016 wurde der Beschluss der Vormundschaftskommission der Einwohnergemeinde S in Kopie vorgelegt. Danach wurde der Unterhaltsvertrag vom 24.09.2008 genehmigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnervertreter vom 21.6.2016 (Bl. 90 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
12Der Antragsteller ist der Auffassung durch den Umzug nach Deutschland sei eine Neufestsetzung nach dem gegenwärtigen Unterhaltsstatut durchzuführen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Antragstellervertreter vom 8.8.2016 nebst Anlagen (Bl. 91-120 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
13Der Antragsteller beantragt nunmehr,
14den Versäumnisbeschluss vom 21.04.2016 aufzuheben und dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 19.10.2015 stattzugeben;
15hilfsweise festzustellen, dass er aus dem Unterhaltsvertrag vom 24.09.2008 lediglich noch dazu verpflichtet ist, für den Antragsgegner Kindesunterhalt gemäß der zehnten Einkommensgruppe der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle – abzüglich der Hälfte des auf ihn entfallenden Kindergeldes – zu zahlen.
16Der Antragsgegner beantragt nunmehr,
17den Versäumnis Beschluss aufrechtzuhalten und den Hilfsantrag zurückzuweisen.
18Er ist der Ansicht, der Antrag sei unschlüssig. Es habe grundsätzlich bei den Schweizer Konsumentenpreisen zu verbleiben. Diese seien herunterzurechnen auf das Konsumentenpreisniveau in Deutschland.
19Das Gericht hat die gesetzliche Vertreterin des Antragsgegners im Sitzungstermin vom 12.9.2016 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 12.9.2016 nebst Anlagen (Bl. 169-176 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
20In dem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.09.2016 hat der Antragsteller zu dem Sachvortrag der gesetzlichen Vertreterin des Antragsgegners im Sitzungstermin Stellung genommen. Er vertritt weiterhin die Auffassung der Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle sei wegen des Kaufkraftunterschiedes anzupassen. Unter Aufrechterhaltung dieser Rechtsauffassung behauptet er ein Jahreseinkommen von 128.611,92 CHF. Davon in Abzug bringt der eine Steuerlast von 16.013,30 CHF. Daraus errechnet er einen Monatsbetrag von 9383,21 CHF. Diesen Wert rechnet er auf 10.133,87 € um. Unter Zugrundelegung eines Pauschalbetrages von 11 % errechnet der Antragsteller einen Betrag von 1114,72 CHF. Umgerechnet mit einem Kaufkraftparitätsfaktor von 0,639 ergebe sich nach seiner Berechnung ein maximaler Unterhaltsbetrag von 712,30 €. Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages des Antragstellervertreters wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 26.09.2016 nebst Anlagen (Bl. 185-196 der Gerichtsakte).
21II.
22Der Einspruch des Antragstellers ist zulässig und teilweise begründet.
23Bei dem Unterhaltsvertrag vom 24.09.2008 handelt es sich um einen vollstreckungsfähigen Titel. Die notwendige Genehmigung nach Art. 287 Abs. 1 ZGB liegt vor. Damit ist der Unterhaltsvertrag grundsätzlich eine Abänderung nach § 239 FamFG zugänglich. Der Abänderungsantrag ist mithin zulässig.
24Der Antrag ist auch teilweise begründet. Der Ortswechsel des Unterhaltsberechtigten Antragsgegners von der Schweiz nach Deutschland ist eine die Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berührende materiell-rechtliche Veränderung der Verhältnisse. Ein Festhalten an der streitgegenständlichen Vereinbarung muss unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen unbillig im Sinne des § 242 BGB sein. Dabei erfolgt die Anpassung unter Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels.
25Dem substantiierten Sachvortrag des Antragsgegners zu den Grundlagen des Unterhaltsvertrages vom 24.09.2008 hat der Antragsteller im einzelnen nicht widersprochen. Entgegen seiner Auffassung sind diese Grundlagen aber nach wie vor zu berücksichtigen. Da Grundlage des Unterhaltsvertrages vom 24.09.2008 nicht eine mit der Düsseldorfer Tabelle vergleichbare Unterhaltstabelle war, ist eine Neuberechnung des Kindesunterhalts auf der Grundlage der Düsseldorfer Tabelle nicht gerechtfertigt, weil dadurch die Grundlagen des ursprünglichen Unterhaltstitels nicht gewahrt wären. In Betracht kommt aber eine Anpassung des in der Unterhaltsvereinbarung vom 24.9.2008 zu Z. 1.1 aufgeführten Unterhaltsbeitrages i.H.v. 1400,00 CHF vom siebten bis zum vollendeten zwölften Altersjahr an das niedrigere Preisniveau in Deutschland im Verhältnis zur Schweiz. Bei der Bemessung des Unterhalts kann der Tatrichter zur Ermittlung des Kaufkraftunterschieds die vom statistischen Amt der Europäischen Union (EUROSTAT) ermittelten „vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchers der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern“ heranziehen (vergleiche BGH, Beschluss vom 9.7.2014 – XII ZB 661/12, NJW 2014,2785).
26Der Kaufkraftunterschied ist nach dem Statistischen Amt der Europäischen Union (EUROSTAT) für den streitgegenständlichen Zeitraum auf 0,611 umzurechnen. Nach den für das Jahr 2015 von Eurostat mitgeteilten Daten hat in diesem Jahr das Preisniveau in der Schweiz um 163,3 % und dasjenige in der Bundesrepublik Deutschland um 99,8 % über bzw. unter dem für die europäische Union ermittelten Mittelwert gelegen. Demnach ergibt sich das Kaufkraftverhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz 1: 0,611 (99,8: 163,3). Die nach diesem Maßstab vorzunehmende Kaufbereinigung führt zu einem Unterhaltsbetrag von 855,40 € (1400,00 € CHF x 0,611), gerundet 856,00 €.
27Diesen Betrag schuldet der Antragsteller dem Antragsgegner als Kindesunterhalt in Abänderung des Unterhaltsvertrages vom 24.09.2008 seit Juli 2015.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.
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(1) Enthält ein Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung oder eine vollstreckbare Urkunde eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen.
(2) Die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, - 2.
den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand, - 3.
den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie - 4.
ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.