Zivilrecht: Das Bundesverfassungsgericht kippt den Mietendeckel

originally published: 18/04/2021 20:02, updated: 19/10/2022 17:16
Zivilrecht: Das Bundesverfassungsgericht kippt den Mietendeckel
Gesetze
Anwälte, die zu passenden Rechtsgebieten beraten
Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Author’s summary

Der Mietendeckel wurde gekippt. Darüber entschied das Bundesverfassungsgericht am 15. April 2021. Letztlich entschied er aber nicht über den Inhalt der von der rot-grünen Landesregierung getroffenen Regelungen, sondern stellte klar, dass das Land Berlin in der Sache nicht zuständig sei. In Ermangelung der Gesetzgebungskompetenz Berlins sei der Mietendeckel verfassungswidrig – Streifler & Kollegen, Anwalt für Zivilrecht.


Der Berliner Mietendeckel, der seit Beginn 2020 für mehrere Stufen die Mieten für Wohnungen zum Teil einfror oder senkte, ist verfassungswidrig. Darüber befand das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag, dem 15. April. 

Berliner Mietendeckel verfassungswidrig – Wieso? 

Der Mietendeckel ist „verfassungswidrig“ liest man in den Schlagzeilen. Dies mag für Laien klingen, dass das Gericht die Regelungen der rot-grünen Landesregierung in der Sache für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar befunden hätte. Tatsächlich hat das Gericht allerdings keine inhaltliche Bewertung des Mietendeckels vorgenommen, sondern vielmehr das Land Berlin für solche Regelungen nicht zuständig erachtet.
 
Es mangelt Berlin also an seiner Gesetzgebungskompetenz für das Mietrecht.  Die Landespolitik habe eine solche Regelung nicht zu treffen, weil der Bund mit der Mietpreisbremse im Jahre 2015 schon gehandelt habe und dahingehend die Interessen der Mietvertragsparteien abschließend geregelt haben. So bleibe schließlich kein Handlungsspielraum für Berlin, solche Bestimmungen zu treffen. 

Wieso war der Mietendeckel so umstritten? 

Zweifelhaft waren die Regelungen des Mietendeckels insbesondere wegen den festgelegten Höchstgrenzen der Mietzahlungen – der höchste Quadratmeterpreis lag dementsprechend bei 11, 54 € Kaltmiete. Eine höhere Miete für neu zu schließende Mietverträge war unzulässig; ein bereits geschlossenes Mietverhältnis, welches mit dieser Regelung nicht übereinstimmte, musste mit ihr in Einklang gebracht werden (20 % durfte schlussendlich mehr verlangt werden).

Das Gesetz war nicht nur wegen seines Eingriffs in die Eigentumsrechte umstritten; Probleme gab es gerade dort, wo neuer Mietraum gesucht wurde.
 
Rückblickend kann man sagen, dass die Hinzugezogenen oder generell Wohnungssuchenden durch den Mietendeckel in erhebliche Schwierigkeiten kamen: Frei gewordene Mietwohnungen wurden im Endeffekt nicht mehr zur Vermietung freigegeben, sondern blieben leer („Der Mietendeckel bringt mir meinen angemessenen Mietsatz nicht ein“) oder wurden als Eigentumswohnungen verkauft – dies meist zu Wucherpreisen. Für die Altbauden in begehrten Vierteln wie Charlottenburg oder Prenzlauer Berg sah das Gesetz Obergrenzen zwischen 6 und 7 Euro plus Zuschlägen vor.
 
Zugute kam der Mietendeckel demzufolge hauptsächlich Mietern, die bereits vor kurzer Zeit ins Zentrum Berlins gezogen sind und sodann zum Teil mehrere hunderte Euro monatlich weniger zahlen mussten. Letztlich profitierten vom Mietendeckel also die ohnehin schon Besserverdiener.

Mieter müssen nun nachzahlen

Hieraus folgt nun, dass einige Berliner den aus den vorherigen Monaten abgesenkten Teil der Miete nachzuzahlen haben. In neuen Mietverträgen wurde zuletzt regelmäßig die zwischen Vermieter und Mieter vereinbarte Miete festgelegt (ungedeckelte Miete); dabei musste der Mieter – solange der Mietendeckel Bestand erhalte – nur die gedeckelte Miete zahlen. Der abgesenkte Teil wird jetzt zurückverlangt.

Große Wohnungsgesellschaften reagieren hierauf selbstverständlich stets erfreut und verlangen ihr Geld, während der Immobilienkonzern hierauf verzichtet.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnung rechnet damit, dass jeder zehnte Betroffene in eine wirtschaftliche Notsituation gerät, wenn die er/sie die  Absenkungsbeträge mit einem Mal zurückzuzahlen hat – dies sind demzufolge rund 34. 000 Haushälte. 

Doch nicht überall sind solche Beträge mit einem Schlag zu entrichten – Die deutsche Wohnen bietet den Mietern hierfür unterschiedliche Alternativen an. So sollen neben Einmalzahlungen auch Ratenzahlungen oder Stundungen der offenen Beträge möglich.

Was heißt das nun für die Zukunft?

Horst Seehofer reagierte höchst erfreut: „Der Mietendeckel ist jetzt Geschichte. Das ist gut, wenn auch baupolitisch war er der völlig falsche Weg“ – neue Wohnungen schuf der Mietendeckel schließlich keine.
 
Absehbar ist hiermit, dass sich die Vorhaben von der SPD, Grünen und Linken darauf richten werden, einen Deckel über ein Bundesgesetz zu verankern, um das Zuständigkeitsproblem aus der Welt zu schaffen. Entsprechende Pläne wurden seither schon formuliert. Am weitesten gehen hierbei die Linken: Sie verlangen einen deutschlandweiten Mietendeckel und damit die Absenkung zu hoher Mieten. 
 
Haben Sie Fragen zum Thema Mietrecht? Nehmen Sie Kontakt zu den Anwälten von Streifler und Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten. 

[E.K.]
 

Show what you know!
1 Gesetze

{{count_recursive}} Gesetze werden in diesem Text zitiert

Lastenausgleichsgesetz - LAG
2 Anwälte, die zu passenden Rechtsgebieten beraten


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
Languages
EN, DE

Rechtsanwalt


Öffentliches Wirtschaftsrecht - Bau- und Planungsrecht – Umweltrecht – Abgabenrecht – Verfassungsrecht – Europarecht – Menschenrechtsbeschwerde - Staatshaftungsrecht
Languages
EN, DE
Anwälte der Kanzlei die zu Verfassungsrecht beraten
91 Artikel zu passenden Rechtsgebieten

moreResultsText

28/05/2020 11:06

Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 06.07.2010 die Entscheidung des EuGH im sog. „Mangold“-Fall bestätigt und die, ihr zugrundeliegende, Verfassungsbeschwerde verworfen. Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das BVerfG setzt einen hinreichend qualifizierten Kompetenzverstoß der europäischen Organe voraus. Dieser ist gegeben, wenn das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist. Weiterhin muss der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedsstaaten und Union im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzgebung erheblich ins Gewicht fallen. Das BVerfG ist demnach nur berechtigt schwerwiegende Verstöße zu überprüfen. Es wird angehalten vor der Annahme eines Ultra-vires Akts den EuGH anzurufen. Das Schaffen eines Verbots der Altersdiskriminierung durch den EuGH stellt weiterhin keinen ausbrechenden Rechtsakt dar. Der EuGH habe mit seiner Entscheidung lediglich eine neue Fallgruppe geschaffen, wie Rechtsnormen behandelt werden, welche richtlinienwidrig erlassen wurden. Streifler & Kollegen - Rechtsanwälte - Anwalt für Verfassungsrecht
24/09/2020 16:50

Ein Schaufensterbild, das mit der Aufschrift „Asylanten müssen draußen bleiben“ inklusive dem Bild eines Hundes aufgestellt wird, ist wegen Volksverhetzung strafbar. Ein solches Bild setzt die Asylanten als Bevölkerungsgruppe mit Hunden als Tiere, die wegen Ihrer Unreinlichkeit Läden nicht betreten dürfen, auf dieselbe Stufe. Das Wort „Hunde“ mit „Asylanten“ zu ersetzen sei nach Ansicht des AG Wunsiedel eine böswillige Herabwürdigung – Streifler & Kollegen, Anwalt für Strafrecht
12/10/2017 18:20

Der Strafvollzug ist von Verfassungs wegen auf Resozialisierung auszurichten, wobei die familiären Beziehungen des Gefangenen eine wesentliche Rolle spielen.
Artikel zu Verfassungsrecht
04/07/2017 11:13

Im Zuge des "VW-Skandals" oder auch "Dieselskandals" wurde offenbar, dass der Volkswagen-Konzern jahrelang Dieselfahrzeuge mithilfe einer Software so veränderte, dass sie die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einhalten, auf der Straße jedoch erheblich mehr Schadstoffe ausstoßen. Etwa elf Millionen Fahrzeuge weltweit sind von der Manipulation betroffen. Seit Januar 2016 werden in Deutschland die betroffenen Autos in die Werkstätten zurückgerufen. Betroffen sind jedoch schon längst nicht mehr nur Fahrzeuge der Marke "Volkswagen".
05/01/2021 17:25

Der Versuch einer innerfamiliären Kontaktaufnahme, welche sich auf drei Anrufe sowie drei Whatsapp-Nachrichten in drei Wochen beschränkt, begründet keinen Unterlassungsanspruch.  Dirk Streifler – Streifler&Kollegen – Rechtsanwälte Berlin Was
04/05/2007 13:45

Rechtsberatung zum Schadensersatzrecht - BSP Rechtsanwälte Berlin Mitte
SubjectsZivilrecht
18/05/2020 09:49

Der BGH entschied in seinem Urteil vom 18.06.2019 über die Möglichkeit des nachträglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage einer Schenkung. Nach der Rechtsprechung des BGH kann die schwerwiegende Veränderung relevanter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien stets aufbaute, den nachträglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen, § 313 I BGB – Streifler & Kollegen Rechtsanwälte – Anwalt für Familienrecht Berlin
Artikel zu Zivilrecht