Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 29. Feb. 2016 - M 12 K 15.50784
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rechtsschutz gegen die Überstellung nach Spanien im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.
Sie ist nach eigenen Angaben eine nigerianische Staatsangehörige, die am
Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. Juni 2015 gab die Klägerin an, sie sei über den Niger (3 Monate), Marokko (6 Monate), Spanien (7 Jahre) mit dem Bus nach Deutschland gereist (B. 20 der Behördenakte). Die Reise habe insgesamt 8 Jahre gedauert. Nach Spanien sei sie im Juni oder Juli 2008 eingereist. Dort habe sie sich in ... ... aufgehalten. In Spanien seien ihr auch die Fingerabdrücke abgenommen worden; sie habe dort als Prostituierte gearbeitet (Bl. 21, 37 der Behördenakte). Der Asylantrag in Spanien sei abgelehnt worden (Bl. 37 der Behördenakte).
Es ergab sich ein EURODAC-Treffer für Spanien (ES1...; Bl. 46 der Behördenakte).
In der Akte befindet sich die Kopie eines Mutterpasses, wonach die Klägerin schwanger ist. Der berechnete Entbindungstermin ist nicht lesbar (Bl. 40/41 der Behördenakte).
Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom
Mit Bescheid vom
Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Spanien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d) Dublin III VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs.1 Dublin III VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Am .... September 2015 erhob die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,
den Bescheid des Bundesamtes vom
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (M 12 S 15.50785).
Klage und Antrag wurden im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin sei im sechsten Monat schwanger. Vater des Kindes sei ein nigerianischer Staatsangehöriger, der in ... lebe. Er habe beim Jugendamt des Landratsamtes ... die Vaterschaft anerkannt. Sie seien verlobt und möchten in familiärer Gemeinschaft leben. Sie habe einen Antrag auf Umverteilung gestellt. Durch die Abschiebung nach Spanien würde ein gemeinsames Familienleben mit dem Verlobten verhindert. Im Übrigen könne eine schwangere Frau bzw. eine Frau mit einem Neugeborenen nicht in das mit Mängeln behaftete spanische Asylsystem abgeschoben werden. Hinzu komme, dass die Klägerin in Spanien Opfer einer Vergewaltigung geworden sei und die Polizei keine Hilfe geleistet habe. Möglicherweise könne sie bei Rückkehr nach Spanien Schäden an ihrer psychischen Gesundheit erleiden.
Die Beklagte stellte
keinen Antrag.
Die Beklagte teilte am
Am
Mit Beschluss vom 13. Oktober 2015
Mit Beschluss vom 30. Oktober 2015
Am .... November 2015 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten für die Klägerin. Sie erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid. Die Klägerin legte eine gemeinsame Sorgerechtserklärung der Klägerin und eines nigerianischen Staatsangehörigen vor. In Verbindung mit der Vaterschaftsanerkennung ergäbe sich daraus ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Der voraussichtliche Geburtstermin sei der 17. Dezember 2015. Aus dem anstehenden Geburtstermin ergäbe sich ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Über die Klage kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Der Prozessbevollmächtigte hat selbst die Entscheidung durch Gerichtsbescheid angeregt (Schreiben vom ....11.2015), die Beklagte hat auf die Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides verzichtet (Schreiben vom 24.6.2015).
Die Klage ist bezüglich der Nr. 1 und 2 des Bescheides vom
Zu Recht hat die Beklagte den Antrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt (Nr.1).
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Anwendbar ist die Dublin III VO, s. Art. 49 Dublin III VO. Der Asylantrag wurde am
Spanien hat mit Schreiben vom
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Spaniens den Asylantrag der Klägerin selbst inhaltlich zu prüfen.
Die Auslegung der Dublin III Verordnung, die wie die Dublin II VO „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich, - ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Aus diesen Gründen kann nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedsstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedsstaaten zur Beachtung der Dublin-III-Verordnung berühren und deren Pflicht vereiteln, einen Asylbewerber an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen (vgl. U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 82, 84, 85). Fehlleistungen im Einzelfall stellen diese Vertrauensgrundlage ebenso wie das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Die Mitgliedstaaten dürfen einen Asylbewerber nur dann nicht an den zuständigen Mitgliedsstaat überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 94, 106; U.v. 10.12. 2013, a. a. O., Rn. 60, 62; U.v. 14.11.2013. a. a. O., Rn. 30).
In Bezug auf Spanien ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen (vgl. VG Augsburg B.v. 20.1.2014 - Au 7 S 14.30003 - juris; VG München B.v. 13.9.2013 - M 4 S 13.30881 -; VG Augsburg B.v. 30.8.2013 - Au 5 S 13.30274 - juris; VG Aachen, B.v. 14.1.2015 - 4 L 786)14.A - juris; VG Aachen, B.v. 27.2.2015 - 4 L 68/15.A -juris; VG Potsdam, U.v. 25.6.2015 -VG 6 K 754/15.a - juris; VG Minden, U.v. 16.3.2015 - 10 K 494/15.A - juris; VG Bayreuth, B. v. 9.7.2015 - B 3 S 15.50172 - juris; VG Oldenburg, B.v. 15.9.2015 - 11 B 3485/15 - juris).
Nach dem Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Spanien Departements of State der Vereinigten Staaten von Amerika vom
Die Behandlung von Personen, die sich ohne Asylantrag oder nach unanfechtbar abgelehntem Asylbegehren in Spanien aufhalten, ist für die Beurteilung systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens ohne Bedeutung.
Spanien gilt außerdem als sicherer Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U.v. 14.5. 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle Spaniens nicht vor.
Eine Selbsteintrittspflicht der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich nicht aus Art. 16 Dublin III VO, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Rechtfertigung für die Zuständigkeitsregel des Art. 16 ist darin gelegen, dass dieser familiäre Konstellationen beschreibt, in denen regelmäßig eine Zusammenführung bzw. Nicht-Trennung abhängiger Personen aus menschlichen Erwägungen erfolgen soll. Der Verordnungsgeber hat in Art. 16 Abs.1 als Voraussetzung für eine Familienzusammenführung den Bestand der familiären Bindung bereits im Herkunftsland angeführt. Dies entspricht der in Art. 2 lit.g) Dublin III VO genannten allgemeinen Beschränkung. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da die Klägerin den Kindsvater offenbar außerhalb des Herkunftslandes kennengelernt und sich mit ihm verlobt hat. Im Übrigen hat der Kindsvater als Asylbewerber keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift, weil ihm die Gebietszulassung nicht durch einen exekutiven oder legislativen Akt ausdrücklich ermöglicht wurde. Ein bloß vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht, wie es § 55 Abs. 1 AsylVfG vermittelt, stellt keine Legalisierung dar. Der Kindsvater verfügt als Asylbewerber nur über eine Gestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG. Dementsprechend liegt kein dauerhafter rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des Art. 16 Dublin III VO vor (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 8.4.2015 -13 L 914/15.A - juris; VG Berlin, B.v.
Die Pflicht zum Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich auch nicht aus Vorschriften des Art. 17 Abs. 1 und 2 Dublin III VO.
Danach kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin III VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz selbst zu prüfen, auch wenn er nicht für die Prüfung zuständig ist (§ 17 Abs. 1 Dublin III VO). Damit wird der Mitgliedsstaat zum zuständigen Mitgliedsstaat, Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Dublin III VO. Ob der Mitgliedsstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH, U.v. 21. 12. 2011 - C-411/10; C-493/10
Gemessen an diesen Vorgaben hat die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nicht ausgeübt. Sie hat an keiner Stelle des Verwaltungsverfahrens zweifelsfrei erkennen lassen, dass sie das Verfahren in eigener Zuständigkeit durchführen will; im Gegenteil hat das Bundesamt von Anfang an das Dublin-Verfahren eröffnet und durchgeführt und im streitgegenständlichen Bescheid ausgesprochen, von ihrem Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch zu machen. Im Übrigen begründet die Selbsteintrittskompetenz des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO kein subjektives Recht des Asylbewerbers. Die Vorschrift dient - wie die übrigen Vorschriften der Dublin-Verordnungen in der Regel auch - der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den Mitgliedsstaaten (vgl. VG Berlin
Das Selbsteintrittsrecht des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO hat sich auch nicht zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet.
Die Voraussetzungen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts sind in der Dublin III VO nicht geregelt und bleiben daher dem innerstaatlichen Recht überlassen. Art. 17 Dublin III VO wird als eine Generalklausel für die Zuständigkeitsübernahme angesehen in den Fällen, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. Art. 17 Abs. 2 Dublin III VO; vgl. VG Bremen, B.v. 4. 9. 2013 - 4 V 1037/13.A - juris zu Dublin II VO).
Außergewöhnliche humanitäre (familiäre oder krankheitsbedingte) Gründe, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt fordern und ausnahmsweise eine Ermessensreduktion auf null zugunsten eines Selbsteintritts erzeugen könnten, hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Allein das Bestehen einer Schwangerschaft bei der Klägerin, die zwischenzeitlich erfolgte Geburt (wohl Mitte Dezember 2015) und die mögliche Trennung vom kenianischen Kindsvater, der sich auch im Asylverfahren befindet und aufenthaltsrechtlich nur über eine Aufenthaltsgestattung verfügt (vgl. Vaterschaftsanerkennung und Sorgeerklärung, Bl. 7 und 41 der Gerichtsakte), stellt keine solchen außergewöhnlichen humanitären Gründe dar.
Die Abschiebung der Klägerin kann derzeit auch durchgeführt werden. Zwar hat das Bundesamt sowohl zielstaatsbezogene als auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris).
Als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis könnte im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht in Bezug auf das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit die mit der Abschiebung betrauten Behörden verpflichten, von einer Abschiebung abzusehen, wenn diese mit einer erheblichen konkreten Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit der Klägerin verbunden wäre. Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist - was hier nicht der Fall ist - sondern vielmehr auch dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und endet acht Wochen nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuschG). Vorliegend ist dem Mutterpass der genaue Entbindungstermin wegen Schwärzung der entscheidenden Stelle nicht zu entnehmen. Die Klägerin trägt am .... September 2015 aber selbst vor, sich im sechsten Monat der Schwangerschaft zu befinden, so dass im entscheidungserheblichen Zeitraum der Entscheidung durch das Gericht (§ 77 AsylVfG) am 29. Februar 2016 die acht Wochen nach der Entbindung (wohl Mitte Dezember 2015) bereits abgelaufen sind.
Ein inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich nicht aus der Vaterschaftsanerkennung und der Sorgeerklärung für das von der Klägerin inzwischen wohl geborene Kind durch einen nigerianischen Staatsangehörigen vom 29. Juli 2015 und 16. November 2015 (Bl. 7 und 41 der Gerichtsakte). Der Kindsvater befindet sich ebenfalls im Asylverfahren, das noch nicht abgeschlossen ist; es wurde nicht vorgetragen, in welchem Verfahrensstadium sich das Asylverfahren des Kindesvaters befindet. Ein gesichertes Bleiberecht im Bundesgebiet hat er daher nicht. Es ist der Klägerin zuzumuten, mit dem Kind die familiäre Gemeinschaft im Ausland zu führen oder - sollte der Kindsvater ein Bleiberecht erhalten - im Wege des Familiennachzugs wieder einzureisen. Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfalten Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht allein aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Die Erklärungen zur Vaterschaftsanerkennung und zum gemeinsamen Sorgerecht können allein keinen Abschiebungsschutz begründen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2005 2 BvR 1001/04). Die Klägerin hat sich zu der tatsächlichen Verbundenheit zwischen Vater und Kind überhaupt nicht geäußert. Von der Klägerin wurde weder vorgetragen, dass ein Kind geboren wurde noch dass zwischen Vater und Kind eine tatsächliche Verbundenheit besteht. Es wurde nicht substantiiert dargelegt, welche spezifischen Erziehungsbeiträge oder auch nur Umgangskontakte der Vater erbringt. Ebenso wenig wurde vorgetragen, ob über das Asylverfahren des Kindsvaters entschieden wurde. Eine weitere Ermittlung durch das Gericht hat sich daher nicht aufgedrängt.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, sie sei in Spanien vergewaltigt worden und die Polizei habe nichts unternommen. Spanien ist ein Rechtsstaat, der willens und in der Lage ist, Straftaten zu verfolgen. Wenn die Straftat an der Klägerin nicht verfolgt worden sein sollte, ist dies eine Entscheidung der Polizei und Justizbehörden im Einzelfall, die nichts mit der grundsätzlichen Verfolgung von Straftaten durch die dafür zuständigen spanischen Behörden und Gerichte zu tun hat.
Die Klage war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 29. Feb. 2016 - M 12 K 15.50784
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Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 29. Feb. 2016 - M 12 K 15.50784 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Gründe
I.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihr drohende Über-stellung nach Spanien im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.
Sie ist nach eigenen Angaben eine nigerianische Staatsangehörige, die am 21. April 2015 ins Bundesgebiet eingereist ist (Bl. 20, 32 der Behördenakte) und am 18. Juni 2015 einen Asylantrag gestellt hat (Bl. 6 der Behördenakte).
Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. Juni 2015 gab die Antragstellerin an, sie sei über den Niger (3 Monate), Marokko (6 Monate), Spanien (7 Jahre) mit dem Bus nach Deutschland gereist (B. 20 der Behördenakte). Die Reise habe insgesamt 8 Jahre gedauert. Nach Spanien sei sie im Juni oder Juli 2008 eingereist. Dort habe sie sich in Gran Canaria aufgehalten. In Spanien seien ihr auch die Fingerabdrücke abgenommen worden; sie habe dort als Prostituierte gearbeitet (Bl. 21, 37 der Behördenakte). Der Asylantrag in Spanien sei abgelehnt worden (Bl. 37 der Behördenakte).
Es ergab sich ein EURODAC-Treffer für Spanien (ES1...; Bl. 46 der Behördenakte).
In der Akte befindet sich die Kopie eines Mutterpasses, wonach die Antragstellerin schwanger ist. Der berechnete Entbindungstermin ist nicht lesbar (Bl. 40/41 der Behördenakte).
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 27. Juli 2015 (in dem die Schwangerschaft der Antragstellerin mitgeteilt wurde) erklärte Spanien am 31. Juli 2015 die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 b Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III VO; Bl.46 und 55 der Behördenakte).
Mit Bescheid vom 26. August 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig an (Nr. 1), ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Nr. 2) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 0 Monate ab der Abschiebung (Nr.3).
Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Spanien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d) Dublin III VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs.1 Dublin III VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Am ... September 2015 erhob die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage (M 12 K 15. 50784) und stellte gleichzeitig
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage
gegen die Abschiebungsanordnung.
Klage und Antrag wurden im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin sei im sechsten Monat schwanger. Vater des Kindes sei ein nigerianischer Staatsangehöriger, der in ... lebe. Er habe beim Jugendamt des Landratsamtes ... die Vaterschaft anerkannt. Sie seien verlobt und möchten in familiärer Gemeinschaft leben. Sie habe einen Antrag auf Umverteilung gestellt. Durch die Abschiebung nach Spanien würde ein gemeinsames Familienleben mit dem Verlobten verhindert. Im Übrigen könne eine schwangere Frau bzw. eine Frau mit einem Neugeborenen nicht in das mit Mängeln behaftete spanische Asylsystem abgeschoben werden. Hinzu komme, dass die Klägerin in Spanien Opfer einer Vergewaltigung geworden sei und die Polizei keine Hilfe geleistet habe. Möglicherweise könne sie bei Rückkehr nach Spanien Schäden an ihrer psychischen Gesundheit erleiden.
Die Antragsgegnerin stellte
keinen Antrag.
Die Antragsgegnerin teilte am 6. Oktober 2015 mit, dass sich der Kindsvater noch im Asylverfahren befindet und noch keine Entscheidung ergangen ist.
Am 8. Oktober 2015 übersandte das Bundesamt die Postzustellungsurkunde, wonach der streitgegenständliche Bescheid am 3. September 2015 zugestellt wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen, ist zwar zulässig (§ 34a Abs. 2 AsylVfG), jedoch nicht begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B. v. 18.9.2013 - 5 L 1234/13.TR - juris; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013 - 2 B 869/13 - juris, Rn. 16). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage der Antragstellerin nach derzeitiger Einschätzung aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird, denn der streitgegenständliche Bescheid begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Anwendbar ist die Dublin III VO, s. Art. 49 Dublin-III-VO. Der Asylantrag wurde am 18. Juni 2015 (Bl. 6 der Behördenakte), das Gesuch um Wiederaufnahme des Antragstellers am 27. Juni 2015 gestellt (Bl. 46 ff. der Behördenakte).
Spanien hat mit Schreiben vom 31. Juli 2015 seine Zuständigkeit bejaht und der Wiederaufnahme der Antragstellerin zugestimmt (Bl. 55 der Behördenakte).
Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Spaniens den Asylantrag der Antragstellerin selbst inhaltlich zu prüfen.
Die Auslegung der Dublin III Verordnung, die wie die Dublin II VO „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, U. v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich, - ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Aus diesen Gründen kann nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedsstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedsstaaten zur Beachtung der Dublin-III-Verordnung berühren und deren Pflicht vereiteln, einen Asylbewerber an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen (vgl. U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 82, 84, 85). Fehlleistungen im Einzelfall stellen diese Vertrauensgrundlage ebenso wie das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Die Mitgliedstaaten dürfen einen Asylbewerber nur dann nicht an den zuständigen Mitgliedsstaat überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 94, 106; U. v. 10.12. 2013, a. a. O., Rn. 60, 62; U. v. 14.11.2013. a. a. O., Rn. 30).
In Bezug auf Spanien ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen (vgl. VG Augsburg B. v. 20.1.2014 - Au 7 S 14.30003 - juris; VG München B. v. 13.9.2013 - M 4 S 13.30881 -; VG Augsburg B. v. 30.8.2013 - Au 5 S 13.30274 - juris; VG Aachen, B. v. 14.1.2015 - 4 L 786)14.A - juris; VG Aachen, B. v. 27.2.2015 - 4 L 68/15.A -juris; VG Potsdam, U. v. 25.6.2015 -VG 6 K 754/15.a - juris; VG Minden, U. v. 16.3.2015 - 10 K 494/15.A - juris; VG Bayreuth, B. v. 9.7.2015 - B 3 S 15.50172 - juris; VG Oldenburg, B. v. 15.9.2015 - 11 B 3485/15 - juris).
Nach dem Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Spanien Departements of State der Vereinigten Staaten von Amerika vom 2. Juni 2015 (Sektion 2d) zur Behandlung von Asylbewerbern ist dort das Asylrecht gesetzlich garantiert und wird auch durch administrative Strukturen abgesichert. So kann insbesondere bei jeder Polizeistation ein Asylgesuch angebracht werden, ohne dass die Gefahr einer Abschiebung besteht. Jedes Asylgesuch wird individuell geprüft; gegen ablehnende Entscheidungen ist gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet. Nach dem königlichen Dekret Nr. 16/2012 erhalten Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus zwar nur einen beschränkten Zugang zum Gesundheitssystem. Ausnahmen gelten jedoch in Notfällen sowie für Minderjährige, Schwangere, Patienten mit Infektionskrankheiten sowie psychischen Erkrankungen (vgl. www.ibicasa.com, Ausgabe 59, Juni bis August 2013). Grundsätzlich ist zudem nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2003/09/EG des Rates vom 27. Januar 2003 (sog. Aufnahmerichtlinie) davon auszugehen, dass in den Mitgliedsstaaten - und damit auch in Spanien - die Asylbewerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Die geringere Möglichkeit der Behandelbarkeit einer Erkrankung in einem anderen Staat, in den der Betroffene abgeschoben werden soll, führt zudem auch nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu einer unmenschlichen Behandlung im Sinn der Art. 4 GR-Charta/Art. 3 EMRK durch den abschiebenden Staat, nämlich dann, wenn humanitäre Gründe zwingend entgegenstehen (vgl. EGMR, U. v.27.5.2008 -26565/05 - NVwZ 2008,1334,1336,Rn.42 ff.; BVerwG, B. v.
Die Behandlung von Personen, die sich ohne Asylantrag oder nach unanfechtbar abgelehntem Asylbegehren in Spanien aufhalten, ist für die Beurteilung systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens ohne Bedeutung.
Spanien gilt außerdem als sicherer Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U. v. 14.5. 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle Spaniens nicht vor.
Eine Selbsteintrittspflicht der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich nicht aus Art. 16 Dublin III VO, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Rechtfertigung für die Zuständigkeitsregel des Art. 16 ist darin gelegen, dass dieser familiäre Konstellationen beschreibt, in denen regelmäßig eine Zusammenführung bzw. Nicht-Trennung abhängiger Personen aus menschlichen Erwägungen erfolgen soll. Der Verordnungsgeber hat in Art. 16 Abs.1 als Voraussetzung für eine Familienzusammenführung den Bestand der familiären Bindung bereits im Herkunftsland angeführt. Dies entspricht der in Art. 2 lit.g) Dublin III VO genannten allgemeinen Beschränkung. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da die Antragstellerin den Kindsvater offenbar außerhalb des Herkunftslandes kennengelernt und sich mit ihm verlobt hat. Im Übrigen hat der Kindsvater als Asylbewerber keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift, weil ihm die Gebietszulassung nicht durch einen exekutiven oder legislativen Akt ausdrücklich ermöglicht wurde. Ein bloß vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht, wie es § 55 Abs. 1 AsylVfG vermittelt, stellt keine Legalisierung dar. Der Kindsvater verfügt als Asylbewerber nur über eine Gestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG. Dementsprechend liegt kein dauerhafter rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des Art. 16 Dublin III VO vor (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 8.4.2015 -13 L 914/15.A - juris; VG Berlin, B. v.
Die Pflicht zum Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich auch nicht aus Vorschriften des Art. 17 Abs. 1 und 2 Dublin III VO.
Danach kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin III VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz selbst zu prüfen, auch wenn er nicht für die Prüfung zuständig ist (§ 17 Abs. 1 Dublin III VO). Damit wird der Mitgliedsstaat zum zuständigen Mitgliedsstaat, Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Dublin III VO. Ob der Mitgliedsstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH, U. v. 21. 12. 2011 - C-411/10; C-493/10
Gemessen an diesen Vorgaben hat die Antragsgegnerin ihr Selbsteintrittsrecht nicht ausgeübt. Sie hat an keiner Stelle des Verwaltungsverfahrens zweifelsfrei erkennen lassen, dass sie das Verfahren in eigener Zuständigkeit durchführen will; im Gegenteil hat das Bundesamt von Anfang an das Dublin-Verfahren eröffnet und durchgeführt und im streitgegenständlichen Bescheid ausgesprochen, von ihrem Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch zu machen. Im Übrigen begründet die Selbsteintrittskompetenz des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO kein subjektives Recht des Asylbewerbers. Die Vorschrift dient - wie die übrigen Vorschriften der Dublin-Verordnungen in der Regel auch - der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den Mitgliedsstaaten (vgl. VG Berlin
Das Selbsteintrittsrecht des Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO hat sich auch nicht zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet.
Die Voraussetzungen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts sind in der Dublin III VO nicht geregelt und bleiben daher dem innerstaatlichen Recht überlassen. Art. 17 Dublin III VO wird als eine Generalklausel für die Zuständigkeitsübernahme angesehen in den Fällen, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. Art. 17 Abs. 2 Dublin III VO; vgl. VG Bremen, B. v. 4. 9. 2013 - 4 V 1037/13.A - juris zu Dublin II VO).
Außergewöhnliche humanitäre (familiäre oder krankheitsbedingte) Gründe, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt fordern und ausnahmsweise eine Ermessensreduktion auf Null zugunsten eines Selbsteintritts erzeugen könnten, hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen. Allein das Bestehen einer Schwangerschaft bei der Antragstellerin und die mögliche Trennung vom kenianischen Kindsvater, der sich auch im Asylverfahren befindet und aufenthaltsrechtlich nur über eine Aufenthaltsgestattung verfügt (vgl. Vaterschaftsanerkennung, Bl. 7 der Gerichtsakte), stellt keine solchen außergewöhnlichen humanitären Gründe dar.
Die Abschiebung der Antragstellerin kann derzeit auch durchgeführt werden. Zwar hat das Bundesamt sowohl zielstaatsbezogene als auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris).
Als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis könnte im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht in Bezug auf das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit die mit der Abschiebung betrauten Behörden verpflichten, von einer Abschiebung abzusehen, wenn diese mit einer erheblichen konkreten Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit der Antragstellerin verbunden wäre. Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist - was hier nicht der Fall ist - sondern vielmehr auch dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und endet acht Wochen nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuschG). Vorliegend ist dem Mutterpass der genaue Entbindungstermin wegen Schwärzung der entscheidenden Stelle nicht zu entnehmen. Die Antragstellerin trägt am 9. September 2015 aber selbst vor, sich im sechsten Monat der Schwangerschaft zu befinden, so dass im entscheidungserheblichen Zeitraum der Entscheidung durch das Gericht (§ 77 AsylVfG) am 13. Oktober 2015 die sechs-Wochen-Frist vor der Entbindung noch nicht begonnen haben kann. Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass auch die die Abschiebung durchführende Behörde die vorgenannten Fristen beim Abschiebungsschutz einhalten wird.
Ein inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich nicht aus der Vaterschaftsanerkennung des von der Antragstellerin erwarteten Kindes durch einen nigerianischen Staatsangehörigen vom 29. Juli 2015 (Bl. 7 der Gerichtsakte). Der Kindsvater befindet sich ebenfalls im Asylverfahren, das noch nicht abgeschlossen ist. Ein gesichertes Bleiberecht im Bundesgebiet hat er daher nicht. Es ist der Antragstellerin zuzumuten, nach der Geburt des Kindes die familiäre Gemeinschaft im Ausland zu führen oder - sollte der Kindsvater ein Bleiberecht erhalten - im Wege des Familiennachzugs wieder einzureisen.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragstellerin, sie sei in Spanien vergewaltigt worden und die Polizei habe nichts unternommen. Spanien ist ein Rechtsstaat, der willens und in der Lage ist, Straftaten zu verfolgen. Wenn die Straftat an der Antragstellerin nicht verfolgt worden sein sollte, ist dies eine Entscheidung der Polizei und Justizbehörden im Einzelfall, die nichts mit der grundsätzlichen Verfolgung von Straftaten durch die dafür zuständigen spanischen Behörden und Gerichte zu tun hat.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
...
(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.
(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,
- 1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a), - 2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist, - 4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.
(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.
(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 4 K 173/15.A gegen die unter Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Januar 2015 verfügte Abschiebungsanordnung wird bis acht Wochen nach der Entbindung der Antragstellerin zu 2. angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3.
1
G r ü n d e
2Der - sinngemäß gestellte - Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 4 K 173/15.A gegen die unter Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Januar 2015 verfügte Abschiebungsanordnung anzuordnen,
4hat lediglich in dem tenorierten Umfang Erfolg.
5Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist gemäß § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG statthaft, da die in der Hauptsache erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylVfG).
6Die Antragsteller haben den Aussetzungsantrag auch innerhalb von einer Woche nach der Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 16. Januar 2015 und damit fristgerecht im Sinne des § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde den Antragstellern ausweislich der Zustellungsurkunde am 21. Januar 2015 persönlich zugestellt (vgl. § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG). Sie haben den vorliegenden Antrag am 27. Januar 2015 und damit fristgerecht gestellt.
7Der Antrag ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
8Im Rahmen eines Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse einerseits und dem privaten Interesse des Antragstellers andererseits, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben.
9Dabei darf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts erfolgen, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet in § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vorgeschrieben ist. Eine derartige Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem gesetzgeberischen Willen, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG fand im Bundesrat keine Mehrheit.
10Vgl. hierzu: VG Trier, Beschluss vom 18. September 2013 - 5 L 1234/13.TR -, juris, Rn. 5 ff. m.w.N.; VG Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 2 B 844/13 -, juris, Rn. 3 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 13 148/14.A -, juris, Rn. 7.
11Die Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem privaten Aussetzungsinteresse hat sich vielmehr maßgeblich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, soweit sich diese bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung abschätzen lassen.
12Diese Interessenabwägung fällt vorliegend für einen Zeitraum von acht Wochen nach der Entbindung der Antragstellerin zu 2. zugunsten der Antragsteller und im Übrigen zu deren Lasten aus. Denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben nur für den vorgenannten Zeitraum rechtlichen Bedenken, ist ansonsten jedoch nicht zu beanstanden.
13Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift hat das Bundesamt u.a. dann eine Abschiebungsanordnung zu erlassen, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll (1.), sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann (2.).
14Die zuerst genannte Voraussetzung ist zwar erfüllt, es fehlt zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch an der Durchführbarkeit der Abschiebung.
151. Das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid (Ziffer 1) den Asylantrag der Antragsteller gemäß § 27a AsylVfG mit der Begründung als unzulässig abgelehnt, dass nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.
16Diese Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
17Anwendbar für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Prüfung des Asylantrags ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. Nr. L 180 S. 31) zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutzes zuständig ist (Dublin-III-VO), die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 49 Abs. 1 Dublin-III-VO). Gemäß Art. 49 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO findet diese Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, die - wie hier - ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt ‑ ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern.
18In Anwendung der Vorschriften der Dublin-III-VO ist Spanien für die Prüfung des Asylantrags der Antragsteller gemäß Art. 12 Abs. 2 sowie Art. 20 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung zuständig.
19Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO gilt der Grundsatz, dass ein im Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten gestellter Asylantrag nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird. Greifen vorrangige Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates (Art. 7 bis 15 der Dublin-III-VO) nicht ein, so gilt nach der Generalklausel des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO der weitere Grundsatz, dass der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig ist.
20Vorliegend ist die Zuständigkeit Spaniens für die Antragsteller zu 1. und zu 2. gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO begründet. Danach ist für den Fall, dass ein Antragsteller ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. Aufgrund der eigenen Angaben der Antragsteller zu 1. und zu 2. vor dem Bundesamt sowie des Treffers in dem Visa-Informations-System VIS (ESP 007137511 und ESP 007137512) nach einem Abgleich der Fingerabdrücke steht fest, dass den Antragsteller zu 1. und zu 2. am 30. Mai 2014 spanische Schengenvisa für Kurzaufenthalte (90 Tage) mit einer Gültigkeitsdauer vom 10. Juni 2014 bis zum 9. Juni 2015 erteilt worden sind. Diese waren nach der nach den eigenen Angaben der Antragsteller am 26. Juli 2014 erfolgten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 14. August 2014 (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO) nach wie vor gültig. Anhaltspunkte dafür, dass die Visa im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates ausgestellt worden sind, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
21Die Zuständigkeit Spaniens für die Antragsteller zu 3. und 4. ergibt sich aus Art. 20 Abs. 3 S. 1 Dublin-III-VO. Danach ist für die Zwecke dieser Verordnung die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der – wie hier – der Definition des Familienangehörigen entspricht (vgl. Art. 2 Buchst. g, 2. Spiegelstrich Dublin-III-VO), untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaates, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen entspricht. Anhaltspunkte dafür, dass hier Gründe des Kindeswohls einer gemeinsamen Behandlung des Asylantrages der Antragsteller zu 3. und 4. mit dem ihrer Eltern entgegenstehen, bestehen nicht.
22Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin-III-VO ist Spanien als der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat daher verpflichtet, die Antragsteller nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 Dublin-III-VO aufzunehmen. Dementsprechend haben die spanischen Behörden dem - fristgerecht binnen 3 Monaten nach der Asylantragstellung (vgl. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) gestellten - Aufnahmegesuch des Bundesamtes vom 11. November 2014 auch - fristgerecht binnen zwei Monaten (vgl. Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO) - mit Schreiben vom 29. Dezember 2014 unter Bezugnahme auf Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zugestimmt.
23Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO ist Spanien verpflichtet, die Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahmegesuchs oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser gemäß Art. 27 Abs. 3 aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen und wird auch zum Zeitpunkt des Ablaufs der lediglich befristet angeordneten aufschiebenden Wirkung der Klage nicht abgelaufen sein, so dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags auch nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen ist bzw. zum Zeitpunkt der Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung übergegangen sein wird (vgl. Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO).
24In einer Situation, in der - wie hier - ein Mitgliedstaat der (Wieder-)Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe eines in der Dublin-III-VO niedergelegten Kriteriums ‑ hier Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO - zugestimmt hat, kann der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums - unionsrechtlich - grundsätzlich nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR-Charta ausgesetzt zu werden. Eine - objektive - Überprüfung, ob der die (Wieder-)Aufnahme erklärende Mitgliedstaat tatsächlich nach Maßgabe der Kriterien der Dublin-III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, kann der Asylbewerber hingegen nicht verlangen, da es den Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO, soweit sie nicht ausnahmsweise grundrechtlich "aufgeladen" sind (wie etwa Art. 8 bis 11 oder 16 Dublin-III-VO), an der hierfür erforderlichen drittschützenden Wirkung fehlt. Dies folgt einerseits aus der Erwägung, dass die Dublin-Verordnung ebenso wie das gesamte Gemeinsame Europäische Asylsystem auf der Annahme beruht, dass alle beteiligten Staaten - Mitgliedstaaten wie Drittstaaten - die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (Prinzip des gegenseitigen Vertrauens). Andererseits sprechen hierfür auch die Ziele der Dublin-VO, nämlich - erstens - durch organisatorische Vorschriften die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu regeln, so wie dies schon im Dubliner Übereinkommen der Fall war, - zweitens - im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten sowie - drittens - ein "forum shopping" zu verhindern.
25Vgl. zur Dublin II-VO: EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 - "Abdullahi", Rn. 52 ff., in Fortführung der Urteile vom 21. Januar 2011 - RS. C-411/10 und 493/10 - "N.S.", Rn. 78 ff. und vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 - "Puid", Rn. 26 ff.; im Anschluss daran: VG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2014 - A 12 K 383/14 -, juris, Rn. 17 ff.; zum fehlenden Drittschutz von Fristregelungen auch: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 ‑ 10 A 10656/13 -, juris, Rn. 17.
26Diese zur Dublin-II-VO ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) beansprucht in gleicher Weise Gültigkeit für die hier anzuwendende Dublin-III-VO. Denn Letzterer liegen als Nachfolgeregelwerk dieselben Prinzipien und Zielsetzungen wie der Dublin-II-VO zugrunde. Sie behält das bestehende Zuständigkeitssystem im Wesentlichen bei und enthält lediglich einige Verbesserungen im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Dublin-Systems und den auf der Grundlage dieses Systems gewährten Schutz der Antragsteller (vgl. u.a. 9. Erwägungsgrund der Dublin-III-VO). Im Übrigen hat die Rechtsprechung des EuGH zur Verfahrensweise bei Vorliegen sog. "systemischer Schwachstellen" in einem Mitgliedstaat der EU nunmehr in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO eine ausdrückliche Regelung gefunden.
27Gemessen daran ist die Antragsgegnerin grundsätzlich nicht an der Überstellung der Antragsteller nach Spanien gehindert.
28Die Antragsteller haben im vorliegenden Verfahren nichts dafür vorgetragen, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen, die die Annahme der konkreten Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR-Charta dort nahelegen könnten. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im spanischen Asylsystem. Es ist daher entsprechend dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens davon auszugehen, dass in Spanien die Anwendung der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Das spanische Asylsystem steht im Grundsatz im Einklang mit den europäischen Vorgaben.
29Vgl. VG Aachen, Beschlüsse vom 14. Januar 2015 - 4 L 786/14.A -, vom 15. Dezember 2014 - 4 L 805/14.A -, 30. Juni 2014 - 4 L 398/14.A-, vom 16. Juni 2014 - 4 L 216/14.A -, vom 1. April 2014 - 4 L 110/14.A - und - 4 L 673/13.A -; ebenso: VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 11 K 900/14.A, juris, Rn. 68; Beschlüsse vom 25. August 2014 - 13 L 1834/14.A und vom 17. April 2014 - 13 L 247/14.A -, juris, Rn. 22 f.; VG Minden, Urteil vom 14. März 2014 - 10 K 55/14.A -, juris; VG Potsdam, Beschluss vom 23. Juni 2014 - 6 L 551/14.A -, juris, Rn. 9 ff.; VG Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 - Au 7 S 14.50094‑ , juris, Rn. 50 f.
30Den Antragstellern steht gegen die Antragsgegnerin insbesondere auch kein Anspruch auf Übernahme der Zuständigkeit und Prüfung des Asylantrags im Wege des Selbsteintrittsrechts aus humanitären Gesichtspunkten zu. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO begründet diese Vorschrift ‑ selbst im vorgenannten Ausnahmefall der Unmöglichkeit der Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat wegen dort gegebener systemischer Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen - keine Verpflichtung des Mitgliedstaates des Aufenthalts des Asylbewerbers, das Selbsteintrittsrecht auszuüben. Entsprechend besteht auch kein durchsetzbarer Anspruch des Asylbewerbers, dass der Mitgliedstaat das ihm eingeräumte weite Ermessen in einer bestimmten Weise ausübt. Denn die Souveränitätsklausel des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO dient maßgeblich dazu, die Prärogative der Mitgliedstaaten zu wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Dublin-II-VO festgelegten Kriterien für die Prüfung des Antrags zuständig ist. Aufgrund dieser Zielrichtung vermag sie daher keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers zu begründen.
31Vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 - "Puid", Rn. 26 ff.; fortgeführt durch Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 - "Abdullahi", Rn. 52 ff., insb. 57, in einem Verfahren, in dem der EuGH ausdrücklich zum Drittschutz der Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO gefragt wurde.
32Diese Rechtsprechung ist entsprechend auf das nunmehr in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO normierte Selbsteintrittsrecht zu übertragen. Denn diese Vorschrift ist mit Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO nahezu wortgleich und ihr liegt darüber hinaus auch dieselbe Zielsetzung wie Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zugrunde.
33Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat die Antragsgegnerin auch nicht rechtsfehlerhaft eine Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes oder über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG unterlassen. Wird der Asylantrag – wie hier – nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung lediglich mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG erlassen (vgl. § 31 Abs. 6 AsylVfG). Gemäß § 13 Abs. 2 AsylVfG wird mit jedem Asylantrag die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG beantragt, der sowohl den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention - (vgl. § 3 ff. AsylVfG) als auch den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU bzw. der Vorgängerrichtlinie 2004/83/EG (vgl. § 4 AsylVfG) umfasst. Darüber hinaus obliegt dem Bundesamt nach Stellung eines Asylantrags auch die Entscheidung, ob ein – nationales – Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG vorliegt (vgl. § 13 Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 24 Abs. 2 AsylVfG). Stellt sich in Anwendung der Dublin-III-VO jedoch – wie hier – heraus, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, ist damit die Prüfungskompetenz für den Asylantrag mit allen seinen vorstehend umschriebenen Bestandteilen hinsichtlich des Herkunftsstaates des Antragstellers der Antragsgegnerin entzogen und allein dem anderen Mitgliedstaat zugewiesen. Eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags im vorgenannten Sinne erfolgt seitens der Antragsgegnerin nicht. Dies beruht letztlich sowohl auf dem Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG zu Grunde liegenden "Prinzip der normativen Vergewisserung",
34vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BVR 1938/93 -, BVerfGE 94, 49 = juris, Rn. 179 ff.,
35als auch dem bereits erwähnten der Dublin-Verordnung und dem gesamten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu Grunde liegenden "Prinzip des gegenseitigen Vertrauens", wonach davon auszugehen ist, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden.
362. Die Abschiebung kann allerdings derzeit nicht – wie von § 34a Abs. 1 AsylVfG außerdem vorausgesetzt – durchgeführt werden.
37Soweit in § 34a Abs. 1 AsylVfG bestimmt ist, dass das Bundesamt die Abschiebung anordnet, "sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann", folgt daraus, dass das Bundesamt vor Erlass einer Abschiebungsanordnung auch zu prüfen hat, ob inlandsbezogene Abschiebungshindernisse oder Duldungsgründe vorliegen, die der Abschiebung entgegenstehen können. Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits vor Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch für etwa danach entstandene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung beurteilt sich nämlich nicht abschließend nach der im Zeitpunkt ihres Erlasses gegebenen Sachlage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG). Vielmehr hat das Bundesamt die weitere Entwicklung mit Unterstützung der Ausländerbehörde unter Kontrolle zu halten und darauf im Einzelfall entsprechend – sei es durch Aufhebung der Anordnung, sei es durch eine Anweisung der Ausländerbehörde, von der Vollziehung vorübergehend abzusehen – zu reagieren.
38Vgl. in ständiger Rechtsprechung: OVG NRW, etwa Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060 -, juris, Rn. 4; nunmehr auch: BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris.
39Vorliegend erweist sich die Abschiebung der Antragstellerin zu 2. mit Blick auf ihre unmittelbar bevorstehende Niederkunft und einer daraus folgenden Reiseunfähigkeit gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG derzeit als rechtlich unmöglich.
40Im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgenden staatlichen Schutzpflichten in Bezug auf das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit sind die mit der Abschiebung betrauten Behörden verpflichtet, von einer Abschiebung abzusehen, wenn diese mit einer erheblichen konkreten Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit des Ausländers verbunden wäre. Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis führende Reiseunfähigkeit nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist – was hier nicht der Fall ist –, sondern vielmehr auch dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 S. 1 MuSchG. In Anlehnung daran ist der Abschiebungsschutz jedoch grundsätzlich auf den Zeitraum von acht Wochen nach der Entbindung der Kindesmutter zu begrenzen.
41Vgl. ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 2 M 127/14 -, juris, Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. September 2012 - OVG 11 S 40.12 -, juris Rn. 27.
42Aufgrund des vorgelegten Mutterpasses der Antragstellerin zu 2. steht fest, dass sich diese am 5. Februar 2015 bereits in der 35. (+ 6) Schwangerschaftswoche befunden hat, so dass die Schwangerschaft nunmehr unmittelbar bevorsteht und damit die gesetzlichen Schutzzeiten der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 1 MuSchG zu beachten sind.
43Ist die Abschiebung der Antragstellerin zu 2. danach vorübergehend rechtlich unmöglich, erweist sich auch die Abschiebung der Antragsteller zu 1., zu 3. und zu 4. vorübergehend als rechtlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG. Denn eine getrennte Abschiebung der Familie ist mit Blick auf den aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK folgenden Schutz der familiären Lebensgemeinschaft, der zudem tragendes Prinzip der Zuständigkeitsbestimmungen nach der Dublin-Verordnung ist (vgl. Art. 8-11 Dublin-III-VO), insbesondere hinsichtlich der Kernfamilie von Eltern und minderjährigen Kindern – wie sie hier besteht – unzumutbar.
44Soweit die Antragsteller darüber hinaus die Aussetzung der Vollziehung ihrer Klage gegen die Abschiebungsanordnung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens begehren, bleibt der Antrag hingegen ohne Erfolg. Denn aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Abschiebungsanordnung im Übrigen rechtmäßig ist.
45Insbesondere geht die Kammer - schon mit Blick auf das Beschleunigungsgebot, das den Dublin-Vorschriften immanent ist - davon aus, dass das Bundesamt in der Lage sein wird, nach der Geburt des Kindes der Antragstellerin zu 2. und der diesbezüglichen Anzeige durch die zuständige Ausländerbehörde (vgl. § 14a Abs. 2 AsylVfG) zeitnah, namentlich innerhalb des Zeitraums, für den die Vollziehung vorübergehend ausgesetzt worden ist, auch für das neugeborene Kind einen Dublin-Bescheid mit entsprechender Abschiebungsanordnung zu erlassen. Diese Annahme rechtfertigt sich zudem daraus, dass gemäß Art. 20 Abs. 3 S. 2 Dublin-III-VO auch bei Kindern, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, deren Situation untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden ist und in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats fallen, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss. Das Bundesamt muss in diesem Fall damit kein weiteres (Wieder-)Aufnahmeersuchen an den zuständigen Mitgliedstaat richten, sondern diesem vor der Abschiebung lediglich die Geburt des Neugeborenen melden,
46vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin-III-Verordnung, Das europäische Asylzuständigkeitssystem, 2014, K11 zu Art. 20,
47um so eine gemeinsame Überstellung der Antragsteller zusammen mit dem Neugeborenen zur Wahrung der Familieneinheit zu ermöglichen.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
49Der Wert des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 30 RVG.
50Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte, Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerinnen stammen aus Nigeria. Die am 25. April 1990 geborene Klägerin zu 1. ist die Mutter der am 25. Januar 2012 geborenen Klägerin zu 2. Am 14. Oktober 2014 stellten die Klägerinnen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) Asylanträge. Im Rahmen eines am selben Tag mit der Klägerin zu 1. (in englischer Sprache) geführten „Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ erklärte diese: Sie – die Klägerinnen – hätten Nigeria am 16. Mai 2014 verlassen und seien über Niger und Algerien nach Marokko gefahren. Von dort aus seien sie mit einem Boot nach Spanien gelangt. Dort seien ihr – der Klägerin zu 1. – am 1. September 2014 Fingerabdrücke abgenommen worden. Nach drei Wochen des Aufenthalts in Spanien seien sie nach Deutschland weitergereist. Personalpapiere könnten nicht vorlegen werden.
3Ein Abgleich der Fingerabdrücke der Klägerin zu 1. mit der EURODAC-Datenbank ergab für sie am 23. Oktober 2014 hinsichtlich des Königreichs Spanien einen Treffer der Kategorie 2 (ES21832218386).
4Am 12. Dezember 2014 richtete das Bundesamt ein Aufnahmegesuch an die spanischen Behörden. Diese erklärten sich am 28. Januar 2014 zur Rückübernahme der Klägerinnen bereit und teilten mit, dass die Klägerin zu 1. in Spanien unter dem Namen „Rita F. “ aufgetreten sei.
5Mit Bescheid vom 30. Januar 2015 – Az.: 5828768-232 – lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Klägerinnen als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Spanien an. Der Bescheid wurde den Klägerinnen am 4. Februar 2015 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
6Am 18. Februar 2015 haben die Klägerinnen Klage erhoben: Sie seien am 26. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Zuvor seien sie in Spanien gewesen. Dort seien sie nach ihrem Reiseweg befragt und erkennungsdienstlich behandelt worden. Anschließend habe man sie zu einer Station des Roten Kreuzes gebracht, wo man ihnen ein Schreiben übergeben habe, wonach sie Spanien binnen 15 Tagen verlassen sollten. Die Klägerin zu 1. habe immer wieder versucht, ihre Fluchtgründe vorzutragen. Es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Ein Asylantrag sei nicht angenommen worden. Man habe ihr gesagt, dass ihre Asylgründe in Spanien niemanden interessierten; sie solle doch nach Deutschland oder zurück nach Nigeria gehen. Dies sei in Spanien wohl auch kein Einzelfall. So habe etwa das VG Potsdam (Beschluss vom 29. August 2014 – 6 L 425/14.A –) erhebliche Zweifel daran, dass illegal eingereisten Schwarzafrikanern regelmäßig das Asylverfahren in Spanien offenstehe. Auch dem US-Außenministerium (Bericht vom 19. April 2013) lägen Erkenntnisse vor, dass manche Personen – speziell solche aus Afrika – Diskriminierung im Zusammenhang mit der Asylantragstellung erführen. In gleicher Weise habe sich Amnesty International in einem Bericht aus dem Jahre 2013 geäußert. Ferner sei vorliegend von Bedeutung, dass sich die Klägerin zu 2. noch im Kleinkindalter befinde und daher besonders schutzbedürftig sei. Es sei angesichts des geschilderten Verhaltens der spanischen Stellen damit zu rechnen, dass eine ausreichende Versorgung und Unterbringung der Klägerin zu 2. nicht gesichert sei. Ihnen – den Klägerinnen – sei danach eine Überstellung nach Spanien nicht zumutbar.
7Die Klägerinnen beantragen schriftsätzlich,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids (Az. 5828768-232) vom 30.01.2015 (zugestellt am 04.02.2015) zu verpflichten, ein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen.
9Mit Beschluss vom 3. März 2015 hat die Kammer das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den durch das Bundesamt übermittelten Verwaltungsvorgang (ein Heft) Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12A. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die Klägerinnen haben ihr Einverständnis mit einer solchen Entscheidung durch Schriftsatz vom 13. März 2015 erklärt. Die Beklagte hat am 26. Januar 2015 – Az.: M21-9221-2015 – gegenüber dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Minden eine allgemeine Prozesserklärung abgegeben, in der sie für asylrechtliche Verfahren (u.a.) auf mündliche Verhandlung verzichtet. Eine hiervon abweichende Erklärung der Beklagten für das vorliegende Verfahren liegt nicht vor.
13B. Die Klagen haben keinen Erfolg.
14I. Soweit der Klägerinnen die Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 30. Januar 2015 begehren, ist die Klage als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
15Soweit die Klägerinnen dagegen über die Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2015 hinaus die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland begehren, sind die Klagen mangels Rechtsschutzinteresses bereits unzulässig. Denn schon die Beseitigung der in dem genannten Bundesamtsbescheid enthaltenen Verwaltungsakte – der Ablehnung der durch die Klägerinnen in Deutschland gestellten Asylanträge als unzulässig (§ 27a AsylVfG) und der daran anknüpfenden Anordnung ihrer Abschiebung nach Spanien (§ 34a AsylVfG) – führt grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages. Das Bundesamt wäre nach Aufhebung des Bescheides bereits von Gesetzes wegen (§§ 24, 31 AsylVfG) verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen. In den Fällen des § 27a AsylVfG – ein solcher ist hier gegeben – hat sich das Bundesamt lediglich mit der Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig ist. Eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache noch nicht erfolgt. Die Aufhebung des Bescheides beseitigt ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens. Das Bundesamt hätte im Fall einer solchen Aufhebung das Asylverfahren in dem Stadium, in dem es dieses zu Unrecht beendet hat, weiterzuführen. Einer Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens bedarf es daher nicht.
16Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris (Rdnr. 28 ff.); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. November 2014– 6a K 3817/14.A –, juris (Rdnr. 14), m.w.N.
17II. Soweit die Klage danach zulässig ist, ist sie unbegründet. Die in dem Bescheid des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 enthaltenen Verwaltungsakte nach § 27a AsylVfG (Ablehnung der Asylanträge als unzulässig) und § 34a AsylVfG (Anordnung der Abschiebung nach Spanien) sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
181. Das Bundesamt hat die Asylanträge der Klägerinnen zu Recht als unzulässig abgelehnt. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
19a) Die Zuständigkeit Spaniens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin zu 1. ergibt sich aus den Zuständigkeitskriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 31, sog. Dublin III-VO). Diese Verordnung und nicht deren Vorgängerverordnung, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl. L 50, S. 1, sog. Dublin-II-VO) ist hier einschlägig, weil die Klägerin zu 1. ihren Asylantrag, d.h. ihren Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) Dublin-III-VO, am 14. Oktober 2014 und damit nach dem 1. Januar 2014 als dem gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Dublin-III-VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt gestellt hat.
20Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedsstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Bei Anwendung dieser Kriterien ist das Königreich Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin zu 1. zuständig.
21Dies folgt mangels vorrangiger Kriterien aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn ausgehend von ihren eigenen Angaben hat die Klägerin zu 1. aus einem Drittstaat (Marokko) kommend als erstes die (See-) Grenze zu dem Mitgliedstaat Spanien überschritten. Dies erfolgte – soweit ersichtlich – ohne einen Aufenthaltstitel und insofern illegal. Die daraus resultierende Zuständigkeit Spaniens hat auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO geendet. Zwar endet nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Zuständigkeit (eines Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens) zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Damit ist aber lediglich gemeint, dass die Zuständigkeit dann endet, wenn vor Ablauf der genannten Frist in keinem der Mitgliedstaaten ein Asylantrag gestellt wurde. Diese Auslegung ergibt sich zwingend vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO, der als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Dublin-Zuständigkeit denjenigen vorgibt, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Deshalb ist es etwa unschädlich, wenn nicht (auch) in dem Einreisestaat innerhalb der in Rede stehenden Frist ein Asylantrag gestellt wurde. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der Zwölfmonatszeitraum im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, m.w.N., juris (Rdnr. 46 ff.), zu den im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der Art. 10 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO.
23Damit steht Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO einer Zuständigkeit Spaniens nicht entgegen. Ausgehend vom Vortrag der Klägerinnen, wonach sie am 26. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind (vgl. Blatt 2 der Gerichtsakte) und sich unmittelbar davor nur drei Wochen in Spanien aufgehalten haben (vgl. Blatt 37 der beigezogenen Bundesamtsakte), muss der illegale Grenzübertritt nach Spanien, der den Beginn der Zwölfmonatsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO markiert, Anfang September 2014 erfolgt sein. Einen Asylantrag hat die Klägerin zu 1. sodann am 14. Oktober 2014 und damit unzweifelhaft innerhalb dieser Frist in Deutschland gestellt. Dass ein Asylantrag nicht auch in Spanien gestellt worden ist, ist für die Zuständigkeit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO ohne Bedeutung.
24b) Die danach gegebene Zuständigkeit des Königreichs Spanien und die hiermit gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-III-VO verbundene Pflicht zur Aufnahme der Klägerin zu 1. ist auch nicht nachträglich erloschen. Namentlich sind die einschlägigen Antrags- und Überstellungsfristen nicht verstrichen:
25Die (hier aufgrund des erzielten EURODAC-Treffers) einschlägige zweimonatige Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) hat das Bundesamt beachtet, indem es sich am 12. Dezember 2014, d.h. rund sieben Wochen nach Erzielung des EURODAC-Treffers, der vom 23. Oktober 2014 datiert, an die spanischen Behörden gewandt hat.
26Ebenso wenig ist die sechsmonatige Frist für die Überstellung der Klägerin zu 1. in den zuständigen Mitgliedstaat (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) mit der Folge überschritten, dass die Zuständigkeit für die Durchführung seines Asylverfahrens gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen wäre. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald sie praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedstaat. Nachdem das Bundesamt das die Klägerin zu 1. betreffende Aufnahmegesuch am 12. Dezember 2014 an die spanischen Behörden gerichtet hatte, hätten diese das Gesuch gemäß Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO innerhalb einer der zweimonatigen Frist, d.h. bis zum Ablauf des 12. Januar 2015, beantworten müssen. Dies haben die spanischen Behörden indessen versäumt; sie haben ihr Einverständnis mit der Aufnahme der Klägerin zu 1. erst am 28. Januar 2015 erteilt. Dies hat zur Folge, dass von einer stattgebenden Entscheidung Spaniens über das Aufnahmegesuch bereits mit Ablauf des 12. Januar 2015 auszugehen ist (Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO). Dieser Zeitpunkt markiert zugleich den Beginn der sechsmonatigen Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO, die somit erst mit dem 12. Juli 2015 verstreichen wird.
27c) Die danach gegebene Zuständigkeit des Königreichs Spanien für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin zu 1. führt dazu, dass dieser Mitgliedstaat auch für das Asylgesuch ihrer Tochter, der Klägerin zu 2., zuständig ist. Dies folgt aus der verfahrensrechtlichen Abhängigkeit der Situation der am 25. Januar 2012 in Nigeria geborenen Klägerin zu 2. von derjenigen ihrer Mutter. Art. 20 Abs. 3 Satz 1 Dublin-III-VO bestimmt hierzu, dass für die Zwecke dieser Verordnung die Situation eines mit dem Asylantragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition eines Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden ist und in die Zuständigkeit des Mitgliedsstaates fällt, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Für die Prüfung des Antrags der Klägerin zu 1. auf internationalen Schutz ist – wie ausgeführt – das Königreich Spanien zuständig. Da ihre Situation nach Art. 20 Abs. 3 Satz 1 Dublin-III-VO untrennbar mit derjenigen ihrer minderjährigen Tochter verbunden ist, die deren Familienangehörige im Sinne von Art. 2 Buchst. g) Dublin-III-VO ist, erstreckt sich die Zuständigkeit Spaniens auch auf die Klägerin zu 2. Da diese erst drei Jahre alt ist, dient es auch unzweifelhaft ihrem Wohl, nicht zum Zweck der Durchführung des Asylverfahrens von ihrer Mutter getrennt zu werden.
28d) Gegen die danach für beide Klägerinnen gegebene Zuständigkeit Spaniens können sie auch nicht mit Erfolg einwenden, dass das spanische Asylwesen mit durchgreifenden systemischen Mängeln behaftet sei.
29Gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 VO Dublin-III-VO setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) mit sich bringen (Unterabs. 2); kann eine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, nicht vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat (Unterabs. 3).
30Der Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO liegt die Rechtsprechung des EuGH zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugrunde. Dieses gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll zu dieser Konvention von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskommission zukommt. Diese Vermutung ist allerdings nicht unwiderleglich. Wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist die Widerlegung der Vermutung aber an hohe Hürden geknüpft, so dass nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß gegen Bestimmungen des zum Asylrecht ergangenen Sekundärrechts geeignet sind, die Vermutung zu widerlegen.
31Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 u.a. (N.S. u.a.) –, NVwZ 2012, 417, sowie vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 (Abdullahi) –, NVwZ 2014, 208.
32Die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO liegen vor, wenn das Gericht zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass ein Asylbewerber wegen systemischer Mängel, also strukturell bedingter, größerer Funktionsstörungen, im konkret zu entscheidenden Fall in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird.
33Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, NVwZ 2014, 1039, zur Rechtslage nach der Dublin-II-VO.
34Im Rahmen dieser Prognose ist nicht allein auf die Rechtslage im betreffenden Mitgliedstaat abzustellen, maßgeblich ist vielmehr deren Umsetzung in die Praxis.
35Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 (M.S.S ./. Belgien und Griechenland) –, NVwZ 2011, 413 und HUDOC (Rdnr. 359); Hailbronner, Ausländerrecht, Band 3, Stand: Juni 2014, § 34a AsylVfG Rdnr. 21.
36Dem erkennenden Gericht liegen indessen keinerlei Erkenntnismittel vor, welche die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens bzw. der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im vorstehend genannten Sinne bestehen.
37- ebenso z.B. VG Bayreuth, Beschluss vom 30. Januar 2015 – B 3 E 15.50003 –, juris (Rdnr. 25), VG Augsburg, Beschluss vom 21. Januar 2015 – Au 5 S 50003 –, juris (Rdnr. 26 und 27), VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 18. Dezember 2014 – 13 L 2759/14.A – , juris (Rdnr. 32 ff.), und vom 8. Oktober 2014 – 11 K 900/14.A –, juris (Rdnr. 68 und 69), VG München, Beschlüsse vom 13. Oktober 2014 – M 16 S 14.50529 –, juris (Rdnr. 17), und vom 15. September 2014 – M 6a S 14.50475 –, juris (Rdnr. 22 und 23), VG Potsdam, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 6 L 551/14.A –, juris (Rdnr. 9 ff.), VG Aachen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 4 L 398/14.A –, juris (Rdnr. 23), sowie VG Stuttgart, Urteile vom 20. Mai 2014 – A 12 K 1131/14 – (Seite 5 des Urteilsabdrucks), vom 19. Mai 2014 – A 12 4512/13 – (Seite 4 des Urteilsabdrucks) und vom 29. April 2014 - A 12 K 1539/14 – (Seiten 4 und 5 des Urteilsabdrucks), jeweils m.w.N. -.
38Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem sinngemäßen Vortrag der Klägerinnen, wonach sie in Spanien ein Schreiben erhalten hätten, mit dem sie zur zeitnahen Ausreise aufgefordert seien, und man ihren Asylantrag nicht habe annehmen wollen. Aus dieser Darstellung der Klägerinnen zu ihrem Aufenthalt in Spanien können sie schon deshalb nichts für sich herleiten, weil die diesbezüglichen Angaben, die allein von der Klägerin zu 1. stammen können, unglaubhaft sind. Diese Feststellung beruht vor allem darauf, dass die Klägerin zu 1. den spanischen und den deutschen Behörden jeweils unter Angabe unterschiedlicher Personalien gegenübergetreten ist. Ausweislich der Mittleilung der spanischen Behörden vom 28. Januar 2015 ist sie dort unter dem Namen Rita F. aufgetreten, wohingegen sie in Deutschland behauptet hat, Rita N. zu heißen. Da diese Angaben ersichtlich nicht miteinander vereinbar sind, ist festzuhalten, dass die Klägerin zu 1. zumindest in einem Fall, möglicherweise aber auch in zwei Fällen, eine falsche Identität benutzt hat. Dies spricht dafür, dass die Klägerin zu 1. etwas zu verbergen hat und letztlich nicht ersichtlich ist, was man ihr überhaupt glauben kann. Erschwerend kommt bei alledem hinzu, dass die Klägerin zu 1. die in Spanien gemachten Angaben zu ihrer Identität nicht von sich aus gegenüber dem Bundesamt offengelegt hat, sondern die diesbezügliche Abweichung erst durch die Mitteilung der spanischen Behörden vom 28. Januar 2014 aufgedeckt worden ist. Die Klägerin zu 1. hat auch keine nachvollziehbare Erklärung dazu geliefert, warum sie in Spanien und Deutschland unter verschiedenen Identitäten aufgetreten ist. Des Weiteren sind die Angaben der Klägerin zu 1. zu ihrem Aufenthalt in Spanien weitgehend unsubstanziiert. Insbesondere werden die Behörden oder sonstigen Stellen, bei denen sie angeblich erfolglos einen Asylantrag hat stellen wollen, nicht konkret genannt. Dies wäre aber zu erwarten gewesen, wenn sie sich tatsächlich – wie von ihr behauptet – „immer wieder die Gründe für ihre Flucht“ dargelegt hätte, ohne dass „ein Asylantrag angenommen worden“ wäre. Insgesamt ist ihr diesbezüglicher Vortrag derart unsubstanziiert, farblos und ungenau, dass ihm nicht entnommen werden kann, die spanischen Behörden hätten die Entgegennahme eines Asylgesuchs pflichtwidrig verweigert. Ein nachvollziehbarer, detaillierter Vortrag zu dieser Frage wäre zudem deshalb von erheblicher Bedeutung gewesen, weil auch ein Anspruch auf staatliche Sozialleistungen für illegal eingereiste Ausländer in Spanien erst durch die Stellung eines Asylantrags ausgelöst wird.
39Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 13 L 2759/14.A –, juris (Rdnr. 35).
40Im Übrigen hat die Klägerin zu 1. auch keinerlei Unterlagen zu ihrem Aufenthalt in Spanien vorgelegt. Das Gericht kann nach alledem ihren Behauptungen zu angeblichen Pflichtverletzungen durch die spanischen Stellen keinen Glauben schenken.
41Soweit die Klägerinnen unter Berufung auf entsprechende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und Berichte des US-Außenministeriums sowie von Amnesty International geltend machen, dass gerade Afrikaner in Spanien teilweise keinen Zugang zum Asylverfahren hätten, können sie auch hieraus nichts für sich herleiten. Zwar gibt es in der Tat Berichte darüber, dass aus Afrika stammenden Asylbewerbern in Spanien eine Asylantragstellung verwehrt worden ist.
42Vgl. dazu etwa VG Potsdam, Beschluss vom 29. August 2014 – VG 6 L 424/14.A –, Seite 9 des Beschlussabdrucks (unter Hinweis auf Berichte des US-Außenministeriums und von Amnesty International aus den Jahren 2012 und 2013), sowie den Länderbericht Spanien von Amnesty International, Seiten 2 und 3 (dieser ist im Internet abrufbar unter https://www.amnesty.de/jahresbericht/2013/spanien#flchtlingeundmigranten).
43Abgesehen davon, dass die betreffenden Berichte mehrere Jahre alt sind und daher allenfalls bedingt Auskunft über die aktuelle Situation von Asylbewerbern in Spanien geben können, kann das Gericht nicht feststellen, dass es sich bei den geschilderten Problemen um solche handelt, die eine über Einzelfälle hinausgehende Schwachstelle des spanischen Asylsystems kennzeichnen, von der auch die Klägerinnen bei einer Rückkehr nach Spanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit betroffen wären. Im Gegenteil wird im Bericht des US-Außenministeriums „Spain 2013 Human Rights Report“
44- dieser kann im Internet unter folgender Adresse abrufgerufen werden: http://www.state.gov/documents/organization/220546.pdf -
45auf Seite 9 ausgeführt, dass potentielle Asylsuchende (grundsätzlich) in der Lage seien, ihre Rechte gegenüber den spanischen Behörden effektiv auszuüben.
46Das Gericht kann daher im Ergebnis nicht erkennen, dass die Klägerinnen bei einer Überstellung nach Spanien von Mängeln des spanischen Asylwesens betroffen wären, die für sie eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung mit sich bringen würden. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass sich die Klägerin zu 2. noch im Kleinkindalter befindet. Wie ausgeführt ist mit einer Asylantragstellung in Spanien auch der Zugang zu Sozialleistungen eröffnet. Dass diese Leistungen nicht ausreichen würden, um den notwendigen Lebensunterhalt der Klägerinnen zu bestreiten und dabei auch den Bedarf zu decken, der sich gerade daraus ergibt, dass es sich bei der Klägerin zu 2. um ein Kleinkind handelt, ist nicht ersichtlich.
47e) Auch dann, wenn man davon ausginge, dass unabhängig vom Vorliegen systemischer Mängel für jeden Einzelfall zu prüfen wäre, ob eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK vorliegt
48- in diesem Sinne etwa EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) –, HUDOC (Rdnr. 104), und United Kingdom Supreme Court, Urteil vom 19. Februar 2014 – EM (Eritrea) and others v the Secretary of the State for the Home Department, [2014] UKSC 12 (Rdnr. 42 bis 64), jeweils zu Überstellungen nach Italien -
49könnten die Klägerinnen hieraus nichts für sich herleiten. Denn es ist angesichts der Erkenntnisse zum spanischen Asylsystem einerseits und der Bewertung des Vortrags der Klägerin zu 1. andererseits nicht erkennbar, dass sie Gefahr liefen, im Anschluss an eine Rücküberstellung nach Spanien – ggf. auch unabhängig vom Fehlen systemischer Schwachstellen des dortigen Asylsystems – einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
502. Die in dem streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre rechtliche Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, wonach in den Fällen, in denen ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
51Danach ist die Anordnung der Abschiebung der Klägerinnen nach Spanien rechtlich nicht zu beanstanden. Dieser Mitgliedstaat ist – wie dargelegt – für die Durchführung ihrer Asylverfahren zuständig. Die Abschiebung kann auch durchgeführt werden. Ihr stehen weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf zielstaatsbezogene, sondern auch in Bezug auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60a Abs. 2 AufenthG) einschließlich sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebender Ansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, die im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ebenfalls vom Bundesamt zu prüfen sind.
52Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 – 2 B 215/14 –, juris (Rdnr. 7); OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris (Rdnr. 4); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011– A 11 S 1523/11 –, InfAuslR 2011, 310, juris (Rdnr. 3), sowie BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 –, juris (Rdnr. 11).
53Entsprechende Hindernisse sind weder substanziiert geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
54C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Der Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83 b AsylVfG.
55Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der am ... 1990 geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger des Senegal. Er reiste nach eigenen Angaben am ... 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... 2015 einen Asylantrag.
In der Folgezeit ergab sich ein sogenannter EURODAC-Treffer für Spanien. Mit Schreiben vom ... 2015 erklärten die spanischen Behörden ihre Bereitschaft für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO.
Mit Bescheid vom
Gegen diesen am 24.06.2015 zugestellten Bescheid bzw. die darin enthaltene Abschiebungsanordnung richtet sich der beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Das Klageverfahren wird unter dem Aktenzeichen B 3 K 15.50137 geführt. Zur Begründung des Eilantrags wird im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller beabsichtige die Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen aus ... (genaue Personendaten wurden angegeben) und habe hierfür auch bereits sämtliche erforderliche Unterlagen beim Standesamt vorgelegt. Es fehle nur noch der Reisepass des Antragstellers für die Einleitung des Eheschließungsverfahrens. Dieser Reisepass sei bei der Senegalesischen Botschaft in ... beantragt und sei wohl nur aufgrund des Poststreiks noch nicht zur Auslieferung gekommen. Die Bescheinigung des Standesamtes ..., dass dort sämtliche Unterlagen für die Eheschließung eingereicht worden seien, werde kurzfristig nachgereicht. Die Eheschließung des Antragstellers mit seiner Verlobten stehe unmittelbar bevor, so dass ein inländisches Abschiebungsverbot zugunsten des Antragstellers bestehe und daher aus diesen Gründen die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen sei.
Mit Faxschreiben vom
Auf telefonische gerichtliche Rückfrage am
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage anordnen, wenn die Klage nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht insbesondere eine summarische Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache und bei offenen Erfolgsaussichten das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen.
Die angegriffene Abschiebungsanordnung stellt sich unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten hat.
Nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einen aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
a) Die Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO unterliegt aufgrund der Aufnahmezustimmung der spanischen Behörden vom... 2015 keinen vernünftigen Bedenken.
b) Wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Spanien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen (Art. 3 Abs. 2, 2 Unterabs. Dublin-III-VO), wurden weder genannt, noch sind solche ansonsten ersichtlich.
c) Zuletzt ist nichts für das Vorliegen etwaiger Abschiebungshindernisse in Sinne von § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ersichtlich, die bereits durch das Bundesamt im Rahmen der Entscheidung nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG zu berücksichtigen wären.
Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen der bevorstehenden Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen und eine daraus resultierende Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG wegen der aus Art. 6 GG geschützten Eheschließungsfreiheit (vgl. BVerfGE 31, 58 [67 ff.]; 62, 323 [329]; 76, 1 [42]) setzt voraus, dass die Eheschließung im Bundesgebiet unmittelbar bevorsteht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.03.2010, 19 CE 10.364, m. w. N., juris). Letzteres ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (vgl. BayVGH, a. a. O.).
Sind die Vorbereitungen in dem Verfahren der Eheschließung bereits so weit vorangeschritten, dass die Anmeldung der Eheschließung (§ 4 PStG) vorgenommen wurde, die Verlobten die gemäß § 5 Abs. 1 und 2 PStG von dem Standesbeamten geforderten Urkunden beschafft haben und bei der Prüfung der Ehefähigkeit von ausländischen Verlobten ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses gestellt wird, kommt die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung in Betracht, wenn dem Standesbeamten im Hinblick auf den gestellten Befreiungsantrag alle aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen vorliegen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27.02.2008, 19 CS 08.216, juris). Für das Vorliegen einer solchen Situation kann sprechen, dass der Standesbeamte die Antragsunterlagen an den für die Entscheidung über den Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses zuständigen Präsidenten des Oberlandesgerichts weitergeleitet hat, da dem Standesbeamten gemäß § 5 a Satz 1 PStG die Vorbereitung dieser Entscheidung obliegt und er die hierfür notwendigen Nachweise von den Verlobten anzufordern hat. Von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kann hingegen dann nicht ausgegangen werden, wenn der Standesbeamte einen Termin zur Eheschließung aus Gründen nicht festsetzen kann, die in die Sphäre der Verlobten fallen. Gleiches gilt, wenn sich im weiteren Verfahrensgang herausstellt, dass eine Entscheidung des Präsidenten des Oberlandesgerichts deshalb nicht ergehen kann, weil es noch an Unterlagen fehlt oder sonst Zweifel oder Unklarheiten bestehen, die in den Zurechnungsbereich der Verlobten fallen. In diesen Fällen ist bis zu dem Zeitpunkt, in dem die für die Entscheidung über den Antrag noch fehlenden Unterlagen nachgereicht oder etwaige Zweifel und Unklarheiten beseitigt worden sind, von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung nicht auszugehen (siehe auch OVG Sachsen-Anhalt B. v. 01.10.2014, Az. 2 M 93/14
Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller bisher nicht glaubhaft gemacht, dass eine Eheschließung mit seiner deutschen Verlobten unmittelbar bevor steht. Es wird vorgetragen, dass für die „Einleitung“ des Eheschließungsverfahrens lediglich der Reisepass des Antragstellers fehle, der bedingt durch den Poststreik wohl noch nicht übermittelt habe werden können. Die angekündigte Bescheinigung des Standesamtes ..., dass dort sämtliche Unterlagen für die Eheschließung eingereicht worden sind, konnte bislang nicht vorgelegt werden.
So erscheint ein Eheschließungstermin derzeit völlig offen. Auf die Vorwirkungen einer bevorstehenden Ehe kann sich der Antragsteller deshalb derzeit nicht mit Erfolg berufen.
Der Antrag des Antragstellers war somit abzulehnen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes hat aus den vorgenannten Gründen keinen Erfolg (§ 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 16. März 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 2076/15.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. März 2015 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.
5Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragsteller fällt zu Lasten der Antragsteller aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
6Das Bundesamt hat den Asylantrag der Antragsteller zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Polen für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
7I. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf die Asylanträge der Antragsteller vom 5. Februar 2015.
8Danach ist Polen der zuständige Staat für die Prüfung dieser Asylanträge. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 13 Absatz 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Vorliegend haben die Antragsteller in ihrer Anhörung beim Bundesamt am 5. Februar 2015 selbst angegeben, sich zuvor in Polen aufgehalten zu haben. Dies wird bestätigt durch das Ergebnis der Abfrage der Eurodac-Datenbank durch das Bundesamt.
9Dementsprechend hat die Antragsgegnerin unter dem 26. Februar 2015 ein Übernahmeersuchen an Polen gerichtet. Dieses wurde am 3. März 2015 angenommen. Polen ist daher grundsätzlich gemäß Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO verpflichtet, die Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
10Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich die Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnten, da die Vorschrift ihnen kein subjektives Recht einräumt.
11Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
12Den Antragstellern bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Polen zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
13Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
14Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
15Entgegen der Ansicht der Antragsteller vermag das Gericht auch nicht zu erkennen, dass das Verfahren unangemessen lange gedauert hat. Dahingestellt bleiben kann, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer infolge einer verspäteten Anhörung auszugehen ist. Zwar sind die Antragsteller nach eigenem Vortrag bereits am 1. Oktober 2014 in die Bundesrepublik eingereist. Indes haben sie erst am 5. Februar 2015 einen Asylantrag gestellt. Die Anhörung konnte aber naturgemäß erst erfolgen, nachdem ein entsprechender Asylantrag vorlag. Vorliegend wurden die Antragsteller noch am Tage ihrer Asylbeantragung angehört.
16Anhaltspunkte für die Annahme von systemischen Mängeln im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen Polens haben die Antragsteller nicht hinreichend substantiiert vorgetragen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
17Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. März 2015 – 6a K 3687/14.A –, juris, Rn. 27 m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Februar 2015 – 10 L 3022/14.A –, juris, Rn. 24 m.w.N.
18Schließlich ist die Antragsgegnerin auch nicht gemäß Artikel 16 Absatz 1 Dublin III-VO zu einer Familienzusammenführung verpflichtet. Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, entscheiden danach die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben. Ungeachtet dessen, dass die gemeinsame Tochter der Antragsteller (Themine Arakelian) den Wunsch von ihren Eltern unterstützt zu werden nicht schriftlich erklärt hat und nicht erkennbar ist, ob die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, fehlt es jedenfalls an einem rechtmäßigen Aufenthalt der Tochter der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts setzt voraus, dass der Aufenthalt durch einen exekutiven oder legislativen Akt legalisiert wurde. Das ist der Fall, wenn die Gebietszulassung – wie bei einer Duldung oder Aussetzung der Abschiebung – nicht nur hingenommen, sondern ausdrücklich ermöglicht wird. Ein bloßes gesetzliches vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht wie etwa § 81 Absatz 3 Satz 1 bzw. Absatz 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder – wie vorliegend – § 55 Absatz 1 AsylVfG vermitteln, stellt keine Legalisierung in dem vorstehend genannten Sinne dar.
19Vgl. Funke-Kaiser, in GK-AsylVfG, Stand: 98 Ergänzungslieferung 2013, § 27a, Rn. 75 f.
20Damit kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Tochter der Antragsteller eine abhängige Person im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 Dublin III-VO ist.
21II. Gegen die Rechtmäßigkeit der auf § 34a Absatz 1 AsylVfG beruhenden Abschiebungsanordnung bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedsstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das ist hier der Fall. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung liegen weder zielstaatsbezogene (2.) noch in der Person der Antragsteller bestehende, also inlandsbezogene (1.) Abschiebungshindernisse, vor.
221. Einer Überstellung der Antragsteller nach Polen stehen weder rechtliche (a) noch tatsächliche (b) Gründe im Sinne von § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG entgegen.
23a) Die Trennung der Antragsteller von ihrer gemeinsamen volljährigen Tochter und ihrem Enkelkind, deren Asylanträge ebenfalls wegen der nach der Dublin III-VO bestehenden Zuständigkeit Polens als unzulässig abgelehnt worden sind, wogegen sie ebenfalls einen Eilantrag gestellt und Klage (22 K 2472/15.A) erhoben haben, verstößt nicht gegen den verfassungsrechtlich- und unionsrechtlich verankerten Grundsatz der Familieneinheit (Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz [GG] und Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention[EMRK]). Zwar kann auch die Bindung zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern in den Schutzbereich von Artikel 6 Absatz 1 GG bzw. Artikel 8 EMRK fallen. Indes kann sich daraus nur ausnahmsweise ein Anspruch auf Abschiebungsschutz, beispielsweise wenn ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitgliedes angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt, ergeben. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft. Kann der Beistand nur in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zuzumuten ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück.
24Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Mai 1996 – A 13 S 1431/94 –, juris, Rn. 27; Hailbronner, AuslR, Stand: 64. Aktualisierung Juni 2009, § 60a Rn. 40.
25Ein solcher Ausnahmefall liegt bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht vor. Zwar folgt aus dem eingereichten ärztlichen Attest des die Tochter der Antragsteller behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Valentin Agadzanov vom 3. Februar 2015, dass das Zusammenleben der Tochter mit den Antragstellern aus seiner Sicht notwendig sei um die Verschlechterung des psychopathologischen Zustandes zu vermeiden. Indes lässt sich dem Attest bereits nicht entnehmen, dass und wenn ja inwieweit die Tochter und/oder das Enkelkind der Antragsteller auf ihre Hilfe angewiesen ist/sind.
26Ungeachtet dessen erfüllt das Attest auch nicht die Mindestanforderungen, die in der Rechtsprechung an ärztliche Atteste gestellt werden. Zur Substantiierung eines Vorbringens einer psychischen Erkrankung gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
27Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 17. März 2015 – 13 L 937/15.A –, juris, Rn. 14.
28Vorliegend lässt sich dem Attest bereits keine genaue Diagnose entnehmen. Das Attest enthält auch keine näheren Angaben zur Behandlungsbedürftigkeit sowie dem bisherigen Behandlungsverlauf.
29b) Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).
30Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier beim Antragsteller zu 1.) in Rede steht, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings – in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen – nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
31Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 29. November 2010 – 18 B 910/10 –, juris, Rn. 15 f. m.w.N.
32Einen diesen Anforderungen genügenden Nachweis einer Vorerkrankung, die zur Annahme der Reiseunfähigkeit führen könnte, hat der Antragsteller zu 1.) nicht erbracht. Zwar diagnostiziert der den Antragsteller zu 1.) behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Valentin Agadzanov ihm eine posttraumatische Belastungsstörung mit latenter Suizidalität sowie eine rezidivierende depressive Störung. Zudem wird eine Reiseunfähigkeit für die voraussichtliche Dauer von einem Jahr prognostiziert. Allerdings genügt diese Bescheinigung schon nicht den vorstehend dargestellten Anforderungen, die an die Substantiierung eines Vorbringens einer solchen Erkrankung zu stellen sind.
33Das vorgelegte ärztliche Attest vom 13. März 2015 enthält keine nachvollziehbaren tatsächlichen Umstände bezüglich der Erkrankung des Antragstellers, die die Prognose zuließen, dass sich sein psycholpathologischer Zustand infolge der Abschiebung in den Zielstaat Polen – und gerade nicht nach Armenien – massiv verschlechtern und höchstwahrscheinlich ein Suizid durchgeführt werden wird. Die die psychische Erkrankung des Antragstellers zu 1.) ausgelösten Erlebnisse beziehen sich ausschließlich auf Armenien. Da ein Zusammenhang zwischen den psychischen Problemen des Antragstellers zu 1.) und dem Aufenthalt in Polen nicht erkennbar ist, erschließt sich dem Gericht auch nicht ohne weiteres, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 1.) infolge der Überstellung nach Polen derart verschlechtern wird. Die geschilderten traumatischen Erlebnisse in Armenien werden durch die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers in Polen grundsätzlich weder positiv noch negativ beeinflusst. Überdies steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller zu 1.) sich auch in Polen in fachärztliche Behandlung begeben kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu 1.) auf eine kontinuierliche Behandlung in kürzesten Abständen angewiesen ist, liegen dem Gericht nicht vor. Insbesondere enthält das vorgelegte Attest keine Angabe hinsichtlich der erforderlichen zeitlichen Abstände der empfohlenen „systemischen Traumatherapie“. Selbst wenn der Antragsteller zu 1.) auf eine psychologische Behandlung unmittelbar nach der Überstellung angewiesen sein sollte, bestehen aber keine Zweifel, dass die Republik Polen als Mitgliedstaat der Europäischen Union in einem auf psychischen Erkrankungen beruhenden Notfall die etwa notwendigen Notpsychiatrieaufenthalte oder die in Krisensituationen etwa notwendige medikamentöse und sonstige Notversorgung zur Verfügung zu stellen Willens und in der Lage ist, da die Erkenntnisse des Gerichts keinerlei Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme enthalten. Vielmehr ergibt sich aus den Erkenntnissen, dass die Versorgung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen in Polen grundsätzlich auch für Asylbewerber zugänglich ist.
34Vgl. VG Berlin, Urteil vom 01. April 2014 – 33 K 548.13 A –, juris, Rn. 63 m.w.N.
352. Schließlich liegen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse vor.
36Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
37BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris, Rn. 15.
38Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
39vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
40Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Wie bereits ausgeführt sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine Behandlung der psychischen Erkrankung des Antragstellers zu 1.) in Polen ausgeschlossen ist. Vielmehr bestehen in Polen grundsätzlich auch Behandlungsmöglichkeiten (s.o.).
41Dass Polen nach bestandskräftiger Ablehnung der dort gestellten Asylanträge die Asylbewerber in ihr Heimatland zurückführt, ist kein Umstand, der eine Ausnahme vom Verbot der Aussetzung der Abschiebung nach Polen rechtfertigen würde.
42Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 10. Februar 2014 – M 16 S7 14.30157 –, juris, Rn. 12.
43Soweit sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verbieten sollte, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Polen, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies den Antragstellern nicht möglich sein soll.
44Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
45Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Der Beschluss soll der Ausländerbehörde der Stadt P. per Telefax bekanntgegeben werden.
1
Gründe:
2Der am 10. Dezember 2014 gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (10 K 8285/14.A) gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. November 2014 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, insbesondere nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG fristgerecht gestellt, aber unbegründet.
5Bei seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidet das Gericht aufgrund einer Interessenabwägung zwischen dem Vollzugsinteresse der Behörde und dem Suspensivinteresse des Antragstellers, wobei das erstere regelmäßig überwiegt, wenn der eingelegte Rechtsbehelf wegen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, und das letztere regelmäßig überwiegt, wenn der Rechtsbehelf wegen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat.
6Die Abschiebungsanordnung in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 14. November 2014 ist offensichtlich rechtmäßig.
7Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
8Das Bundesamt hat die Asylanträge der Antragstellerinnen zu Recht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzung liegt vor. Da die Antragstellerinnen ihre Asylanträge am 29. Juli 2014 und damit nach dem 1. Januar 2014 gestellt haben, richtet sich die Bestimmung des zuständigen Staates nach der Dublin-III-Verordnung, vgl. Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-VO. Danach ist für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerinnen nicht die Antragsgegnerin, sondern die Republik Polen zuständig. Denn am 22. September 2014 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Polen, woraufhin die polnische Behörde am 24. September 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin-III-VO erklärte.
9Diese Zuständigkeit ist nicht nach Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist erfolgt. Die in Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO festgesetzte Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs beträgt zwei Monate nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 (Eurodac-Verordnung). Diese Frist hat das Bundesamt eingehalten: Die Eurodac-Treffermeldung lag am 30. Juli 2014 vor (vgl. Bl. 43 bis 46 des Verwaltungsvorgangs), das Wiederaufnahmeersuchen wurde spätestens am 24. September 2014 – wenn man zugrundelegt, dass an diesem Tag das undatierte Wiederaufnahmeersuchen von der polnischen Behörde beantwortet wurde – und damit vor Ablauf von zwei Monaten gestellt. Es mag sein, dass – wie die Antragstellerinnen zutreffend bemerken – nach Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO das Wiederaufnahmegesuch vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgebotes so bald wie möglich zu stellen ist. Die von Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO in Bezug genommene Frist beträgt aber zwei Monate und wurde gewahrt.
10Ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. August 2014 – 13 L 1645/14.A –, juris Rdnr. 16; VG Aachen, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 7 L 322/14.A –, juris Rdnr. 11, m. w. N. aus der Rspr.
11Die Antragsgegnerin ist auch nicht für die Durchführung des Asylverfahrens nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO durch Ausübung des Selbsteintrittsrechts zuständig geworden. Nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO kann jeder Mitgliedsstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Diese in das Ermessen des Mitgliedsstaats gestellte Entscheidung setzt ein Verhalten des Mitgliedstaates voraus, das zweifelsfrei den Entschluss des Mitgliedstaates verdeutlicht, das Asylverfahren abweichend vom Regelfallsystem des Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO in eigener Verantwortung durchzuführen.
12Vgl. zur Dublin-II-VO: Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 –, juris Rdnr. 3.
13Bestimmte Förmlichkeiten werden dazu von der Dublin-III-Verordnung nicht vorgegeben. Maßgeblich kann daher nur sein, dass die zuständige Stelle (in der Bundesrepublik das Bundesamt) ihre Entschließung in irgendeiner verlässlichen Art und Weise nach außen erkennbar werden lässt.
14Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rdnr. 177.
15Gemessen daran hat die Antragsgegnerin ihr Selbsteintrittsrecht nicht ausgeübt. Sie hat an keiner Stelle des Verwaltungsverfahrens ausdrücklich erklärt, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Ob im Einzelfall auch eine „konkludente“ Ausübung des Selbsteintrittsrechts denkbar sein mag, kann dahinstehen.
16Dies bejahend: Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 –, juris Rdnr. 4; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rdnr. 177.
17Denn eine solche „konkludente“ Ausübung müsste ebenso zweifelsfrei den Willen des Mitgliedsstaates erkennen lassen, das Asylverfahren entgegen der Zuständigkeitsverteilung nach der Dublin-III-VO in eigener Zuständigkeit durchzuführen.
18Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 –, juris Rdnr. 4; VG Minden, Beschluss vom 23. Januar 2015 – 10 L 1013/14.A –, juris Rdnr. 48; VG Ansbach, Urteil vom 5. November 2009 - AN 5 K 09.30201 - juris Rdnr. 17 und 18;
19Daran fehlt es aber vorliegend. Allein in der durch das Bundesamt am 19. August 2014 durchgeführten Anhörung nach § 25 AsylVfG zu den Asylgründen der Antragstellerin zu 1) hat das Bundesamt nicht zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass es das Selbsteintrittsrecht wahrnehmen wolle.
20Vgl. auch VG Minden, Beschluss vom 23. Januar 2015 – 10 L 1013/14.A –, juris Rdnr. 48; VG Hamburg, Beschluss vom 2. März 2010 – 15 AE 44/10 –, juris; VG Münster, Beschluss vom 4. März 2009 – 9 L 77/09.A –, juris Rdnr. 15; a. A. (allerdings auch bei einem etwas anderen Sachverhalt): VG Hamburg, Beschluss vom 20. August – 8 AE 356/08 –, juris Rdnr. 3 f.
21Daran ändert nichts, dass das Bundesamt vor der Anhörung nach § 25 AsylVfG am 19. August 2014 bereits am 29. Juli 2014 das „persönliche Gespräch“ im Sinne des Art. 5 Dublin-III-VO zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates durchgeführt hatte. Zwar wäre die Einleitung eines Dublin-Verfahrens schon nach diesem persönlichen Gespräch und dem am 30. Juli 2014 erhaltenen Eurodac-Treffer ohne Weiteres möglich gewesen. Davon ausgehend kann aber nicht im Umkehrschluss aus dem Umstand, dass das Bundesamt dies zunächst unterlassen und stattdessen die Anhörung zu den materiellen Asylgründen der Antragstellerin zu 1) durchgeführt hat, darauf geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin damit von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen wollte.
22Zunächst verhält sich Art. 5 Dublin-III-VO nicht zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO. Vielmehr lässt die Vorschrift das Selbsteintrittsrecht gerade unberührt, weil das persönliche Gespräch nach Art. 5 Dublin-III-VO nur dazu dient, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern. Hingegen zeichnet das Selbsteintrittsrecht gerade aus, dass es unabhängig davon ausgeübt wird, welcher Staat nach der Dublin-III-VO rechtlich zuständig wäre, und stattdessen politischen, humanitären oder praktischen Erwägungen im Einzelfall folgt.
23Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall die weitere Anhörung der Antragstellerin zu 1) auch dadurch motiviert gewesen sein, eine breitere Entscheidungsgrundlage für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zu erlangen, eine solche Entscheidung also nur vorzubereiten. Angesichts dessen, dass sich die Antragstellerin zu 1) in ihrem Asylantrag mit anwaltlichem Schriftsatz vom 3. Juli 2014 unter anderem auch darauf berufen hat, in Polen keine staatliche Unterstützung erhalten zu haben und bedroht worden zu sein, mithin systemische Mängel bei der Unterbringung in Polen beständen, kann die weitere Anhörung der Antragstellerin zu 1) am 19. August 2014 auch dazu gedient haben, nähere Informationen von ihren persönlichen Erlebnissen in Polen zu erhalten und auf dieser Grundlage die Ausübung des Selbsteintrittsrechts näher prüfen zu können. Dementsprechend bezog sich die Befragung auch im Wesentlichen darauf, warum die Antragstellerinnen nicht in Polen bleiben könnten. Dass die Antragstellerin zu 1) daneben auch dazu befragt wurde, warum sie nicht in ihre Heimat Russland zurückkehren könne, ändert nichts daran, dass allein anhand der Befragung die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nicht zweifelsfrei abgeleitet werden kann. Der anhörende Mitarbeiter hat nämlich auch nicht gegenüber der Antragstellerin zu 1) erklärt, dass ihr Asylbegehren inhaltlich-sachlich in der Bundesrepublik geprüft werde, sondern allein, dass sie zu ihrem Verfolgungsschicksal und den Gründen für ihren Asylantrag angehört werde. Im Übrigen kann die Anhörung nach § 25 AsylVfG vorliegend auch nur deshalb erfolgt sein, weil das Bundesamt bereits am 29. Juli 2014 im direkten Anschluss an die Asylantragstellung irrtümlich verfrüht diesen Termin festgelegt hatte. All dies zeigt, dass die Durchführung der Anhörung nach § 25 AsylVfG jedenfalls nicht ausschließlich und damit zweifelsfrei dahin verstanden werden kann, die Antragsgegnerin habe von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen wollen, sondern auch andere mögliche Erklärungen denkbar sind.
24Etwas anderes können die Antragstellerinnen auch nicht aus den von ihnen zitierten Entscheidungen herleiten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 – vielmehr betont, dass es von den – soeben gewürdigten – Umständen des Einzelfalls abhänge, ob eine Anhörung des Asylbewerbers zu den Gründen der Verfolgungsfurcht hinreichend zweifelsfrei die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zum Ausdruck bringe. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat sich in seinem Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 – zu der hier erheblichen Frage nicht geäußert, sondern in dem anderen Zusammenhang eines verspätet gestellten Übernahmeersuchens lediglich ohne weitere Begründung angedeutet, dass in dem Beginn einer sachlichen Prüfung – ungeachtet dessen, ob dieser hier überhaupt schon angenommen werden kann – durch das Bundesamt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gesehen werden könnte.
25Schließlich war die Antragsgegnerin auch nicht verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, weil in Polen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende bestünden. Denn solche bestehen in Polen nicht.
26Vgl. dazu ausführlich mit weiteren Nachweisen: Beschluss des Einzelrichters vom 15. Januar 2015 – 10 L 2636/14.A –.
27Die Abschiebung kann auch durchgeführt werden, § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Insbesondere stehen vom Bundesamt in diesem Rahmen zu prüfende inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe,
28vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris,
29mit Blick auf die gesundheitliche Verfassung der Antragstellerin 2) einer Abschiebung nicht entgegen.
30Ein inlandsbezogenes Ausreisehindernis in Form von Reiseunfähigkeit liegt nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern wird.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2007 – 19 B 352/07 –, juris Rdnr. 5.
32Eine derartige Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2) ist nicht belegt. In der Antragsschrift vom 10. Dezember 2014 haben die Antragstellerinnen lediglich behauptet, dass die Antragstellerin zu 2) „wohl“ vom 1. bis 3. Dezember 2014 stationär in P. behandelt worden sei, da sie seit zwei Monaten keine Nahrung mehr zu sich nehme, sondern nur trinke. Eine fundierte ärztliche Aussage zur Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2) liegt jedoch nicht vor. Aus den vorgelegten Attesten des Kinder- und Jugendarztes S. C. vom 9. Dezember 2014 geht lediglich hervor, dass die Antragstellerin zu 2) seit drei Tagen alles erbreche und anhaltend Verstopfung habe sowie die Gabe von Microklist, einem Abführmittel, und gegebenenfalls eine stationäre Aufnahme empfohlen werde. Diese vagen Angaben, die noch nicht einmal eine Diagnose enthalten und die Angaben der Antragstellerinnen, die Antragstellerin zu 2) nehme seit zwei Monaten keine feste Nahrung zu sich, nicht bestätigen, rechtfertigen ohne nähere Angaben aus sich heraus nicht zwangsläufig die Annahme der Reiseunfähigkeit, d. h. dass der konkrete gesundheitliche Zustand der Antragstellerin zu 2) eine Reise nicht erlaube. Die dazu erforderlichen weiteren Angaben haben die Antragstellerinnen entgegen ihrer eigenen Ankündigung und trotz Erinnerung durch das Gericht innerhalb eines Zeitraums von mehr als zwei Monaten nicht vorzulegen vermocht.
33Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.
34Die Mitteilung des Beschlusses an die Ausländerbehörde beruht auf § 83a AsylVfG.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt.
Gründe
die Antragsgegnerin auch passivlegitimiert. Entgegen der vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 10. Februar 2014 (Az. M 12 S7 14.30227) vertretenen Auffassung hat das Bundesamt im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (st. Rspr. des Senats; vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4; B.v. 20.11.2012 - 10 CE 12.2428 - juris Rn. 4; NdsOVG, U.v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris Rn. 41; OVG Berlin-Bbg, B.v. 1.2.2012 - 2 S 6/12 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris Rn. 4). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungshindernissen hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen (OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4).
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist vor der Entbindung), soweit sie sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt. Sie kann die Erklärung nach Satz 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Für die Berechnung der Schutzfrist vor der Entbindung ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt. Entbindet eine Frau nicht am voraussichtlichen Tag, verkürzt oder verlängert sich die Schutzfrist vor der Entbindung entsprechend.
(2) Der Arbeitgeber darf eine Frau bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist nach der Entbindung). Die Schutzfrist nach der Entbindung verlängert sich auf zwölf Wochen
- 1.
bei Frühgeburten, - 2.
bei Mehrlingsgeburten und, - 3.
wenn vor Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung bei dem Kind eine Behinderung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ärztlich festgestellt wird.
(3) Die Ausbildungsstelle darf eine Frau im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 bereits in der Schutzfrist nach der Entbindung im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung tätig werden lassen, wenn die Frau dies ausdrücklich gegenüber ihrer Ausbildungsstelle verlangt. Die Frau kann ihre Erklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.
(4) Der Arbeitgeber darf eine Frau nach dem Tod ihres Kindes bereits nach Ablauf der ersten zwei Wochen nach der Entbindung beschäftigen, wenn
Sie kann ihre Erklärung nach Satz 1 Nummer 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere oder stillende Frau nicht an Sonn- und Feiertagen beschäftigen. Er darf sie an Sonn- und Feiertagen nur dann beschäftigen, wenn
- 1.
sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt, - 2.
eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen nach § 10 des Arbeitszeitgesetzes zugelassen ist, - 3.
der Frau in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens elf Stunden ein Ersatzruhetag gewährt wird und - 4.
insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
(2) Die Ausbildungsstelle darf eine schwangere oder stillende Frau im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 nicht an Sonn- und Feiertagen im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung tätig werden lassen. Die Ausbildungsstelle darf sie an Ausbildungsveranstaltungen an Sonn- und Feiertagen teilnehmen lassen, wenn
- 1.
sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt, - 2.
die Teilnahme zu Ausbildungszwecken zu dieser Zeit erforderlich ist, - 3.
der Frau in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens elf Stunden ein Ersatzruhetag gewährt wird und - 4.
insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist vor der Entbindung), soweit sie sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt. Sie kann die Erklärung nach Satz 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Für die Berechnung der Schutzfrist vor der Entbindung ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt. Entbindet eine Frau nicht am voraussichtlichen Tag, verkürzt oder verlängert sich die Schutzfrist vor der Entbindung entsprechend.
(2) Der Arbeitgeber darf eine Frau bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist nach der Entbindung). Die Schutzfrist nach der Entbindung verlängert sich auf zwölf Wochen
- 1.
bei Frühgeburten, - 2.
bei Mehrlingsgeburten und, - 3.
wenn vor Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung bei dem Kind eine Behinderung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ärztlich festgestellt wird.
(3) Die Ausbildungsstelle darf eine Frau im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 bereits in der Schutzfrist nach der Entbindung im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung tätig werden lassen, wenn die Frau dies ausdrücklich gegenüber ihrer Ausbildungsstelle verlangt. Die Frau kann ihre Erklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.
(4) Der Arbeitgeber darf eine Frau nach dem Tod ihres Kindes bereits nach Ablauf der ersten zwei Wochen nach der Entbindung beschäftigen, wenn
Sie kann ihre Erklärung nach Satz 1 Nummer 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere oder stillende Frau nicht an Sonn- und Feiertagen beschäftigen. Er darf sie an Sonn- und Feiertagen nur dann beschäftigen, wenn
- 1.
sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt, - 2.
eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen nach § 10 des Arbeitszeitgesetzes zugelassen ist, - 3.
der Frau in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens elf Stunden ein Ersatzruhetag gewährt wird und - 4.
insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
(2) Die Ausbildungsstelle darf eine schwangere oder stillende Frau im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 nicht an Sonn- und Feiertagen im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung tätig werden lassen. Die Ausbildungsstelle darf sie an Ausbildungsveranstaltungen an Sonn- und Feiertagen teilnehmen lassen, wenn
- 1.
sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt, - 2.
die Teilnahme zu Ausbildungszwecken zu dieser Zeit erforderlich ist, - 3.
der Frau in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens elf Stunden ein Ersatzruhetag gewährt wird und - 4.
insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.