Verwaltungsgericht Halle Urteil, 29. Nov. 2013 - 6 A 273/12
Gericht
Tatbestand
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Die Klägerin ist seit dem Jahr 2009 Eigentümerin des im Gemeindegebiet der Beklagten, R.-Straße, gelegenen Flurstücks X der Flur A der Gemarkung T., das sie mit ihrem Ehemann bewohnt. Dieser betreibt ein O.unternehmen, dessen Firmensitz ebenfalls auf dem Grundstück ansässig ist.
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An die nördliche und südliche Längsseite des länglich geschnittenen Grundstücks schließen sich Nachbargrundstücke an, deren östliche Hälfte – wie auch auf dem klägerischen Grundstück der Fall – bebaut ist, während der westliche Teil als Grünfläche genutzt wird, an die sich ein Weg anschließt. Dieser ist auf Höhe des Grundstücks befestigt und mündet in südlicher Richtung in die D.straße ein. Das klägerische Grundstück kann an seiner nordöstlichen Schmalseite von einem anderen Teil der D.straße aus befahren werden. Es verfügt in diesem Bereich über eine gepflasterte Einfahrt, die über einen sich unmittelbar an das Grundstück anschließenden schmalen Streifen des im Eigentum der Beklagten stehenden Flurstücks Y führt. Dieser ist im beiderseits der Einfahrt ebenfalls gepflastert; im Übrigen verläuft er als eine von dem befestigen Teil jeweils durch erhöhte Steineinfassungen abgegrenzte Grünfläche mit einer Tiefe von 2-3 m beginnend etwa 5 m südlich des klägerischen Grundstücks vor dem Flurstück Z entlang deren Grundstücksgrenzen und der des sich nördlich anschließenden Nachbargrundstücks Q und trennt diese Grundstücke von dem zwischen den bebauten Grundstücken und der D.straße verlaufenden Graben, dem L.bach, einem Gewässer II. Ordnung. Das Wassergrundstück steht ebenfalls im Eigentum der Beklagten. An den gepflasterten Einfahrtsbereich des klägerischen Grundstücks schließt sich die im Streit stehende Brücke über den L.bach an, die auf dem gepflasterten und im Bereich der Brücke zur Fahrbahn abgesenkten Gehweg der D.straße endet. Das Flurstück Z verfügt über eine Fußgängerbrücke über den L.bach. Auf den beiden weiteren befahrbaren Brücken südlich und nördlich des klägerischen Grundstücks verläuft jeweils die Fahrbahn der D.straße.
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Im Nachgang eines Telefongespräches forderte die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 3. September 2012 unter Fristsetzung bis zum 31. Oktober 2012 auf, die im Belag der Brücke befindlichen Löcher zu beseitigen und deren Bausicherheit zu überprüfen. Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 13. September 2012 und 7. November 2012, die Klägerin sei als Anlieger für die Unterhaltung ihrer Grundstückszufahrt selbst verantwortlich; die Gemeinde sei hierzu weder verpflichtet noch finanziell in der Lage und habe auch kein eigenes Interesse an deren Erhalt. Die Zufahrt sei nie als öffentliche Straße gewidmet worden und werde nur von der Klägerin benötigt. Ihre konkrete bauliche Ausgestaltung sei unerheblich. Außerdem sei das Grundstück über den von der Klägerin sogenannten öffentlichen Weg erreichbar. Sie weise ferner daraufhin, dass für Bauarbeiten an einem Gewässer eine wasserrechtliche Erlaubnis und, sofern die Brücke eine lichte Weite von mehr als 5 m aufweise, auch eine Baugenehmigung eingeholt werden müsse.
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Die Klägerin hat daraufhin am 6. Dezember 2012 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt:
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Sie selbst und auch die Firma ihres Ehemannes seien auf die Nutzung der Brücke existentiell angewiesen, weil ihre Fahrzeuge auf das Grundstück gelangen müssten. Diese sei jedoch sanierungsbedürftig. Insbesondere weise der Belag große Löcher und die Eisenträger erheblichen Rostbefall auf, so dass befürchtet werden müsse, dass das Befahren und Begehen der Brücke aus Sicherheitsgründen nicht mehr lange möglich sein werde. Da es sich hierbei um eine öffentliche Straße mit integrierter Brücke handele, obliege die Unterhaltung der Beklagten. Diese sei als Straßenbaulastträger verpflichtet, die Brücke in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu halten, und habe etwa im Jahr 1995 das seinerzeit schadhafte Brückengeländer geschweißt und gestrichen. Im Rahmen der Straßenerneuerung im Jahr 2004 habe die Beklagte die an die Flurstücke Y und M anschließende Brücke vollständig saniert, nicht jedoch die vor ihrem Grundstück verlaufende Brücke. Diese stelle keine private Zufahrt iSv. § 22 StrG LSA dar. Denn sie schließe nicht an ihr Privatgrundstück an, sondern führe von der Straße auf den öffentlichen Weg auf dem Flurstück Y, so dass weder § 22 Abs. 4 noch § 18 StrG LSA anwendbar seien.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die Brücke vor dem Grundstück Flurstück X der Flur A der Gemarkung T., gelegen: R.-Straße, L.H.Tal, entsprechend den anerkannten Regeln der Technik instand zu setzen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor:
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Sie treffe keine Verkehrssicherungspflicht. Die Klägerin sei nach § 22 Abs. 4 iVm. § 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 StrG LSA selbst zur Instandsetzung ihrer Zuwegung einschließlich des Brückenbauwerkes verpflichtet. Die Brücke sei nicht Bestandteil einer öffentlichen Straße, sondern eine Zufahrt zum Grundstück der Klägerin und ausschließlich für deren Anliegergebrauch bestimmt. Nur ihr Grundstück werde darüber erreicht. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine Widmung der Brücke oder von ihr – der Beklagten - oder ihrem Rechtsvorgänger durchgeführte Unterhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen. Ob solche überhaupt einmal durchgeführt worden seien, entziehe sich ihrer Kenntnis. Auch wer die Brücke errichtet habe und zu welchem Zeitpunkt, sei unbekannt. Das das in kommunalem Eigentum stehende Flurstück Y sei dagegen als Wege- und Straßenfläche eingetragen; bei dem L.bach handele es sich um ein Gewässer II. Ordnung. Dass die Zufahrt von der D.straße zum Grundstück der Klägerin somit über mehrere im Eigentum der Beklagten stehende Grundstücke erfolge, sei unerheblich. Zum einen habe die Brücke bezüglich dieser keine Erschließungsfunktion. Zum andere begreife der funktionale Begriff der "Zufahrt" im Straßenrecht diese als Ganzes, nämlich als für die Nutzung mit Fahrzeugen bestimmte Verbindung von Grundstücken oder nichtöffentlichen Wegen mit einer Straße. Anderenfalls würde ein bebautes Grundstück "in zweiter Reihe" mit einer Zufahrt über ein fremdes Grundstück als nicht erschlossen gelten. Die Brücke bilde daher mit dem gepflasterten Teil des Flurstücks Y die funktionale Einheit der Zufahrt zum klägerischen Grundstück.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber nicht begründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Durchführung der begehrten Instandsetzungsarbeiten.
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Ein solcher ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus einer der beklagten Gemeinde obliegenden Straßenbaulast. Insoweit kann offen bleiben, ob die in Rede stehende Brücke eine öffentliche Straße darstellt bzw. Bestandteil einer öffentlichen Straße ist. Denn mit der Ausbaulast nach § 9 Abs. 1 Satz 2 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt - StrG LSA -, wonach die Träger der Straßenbaulast nach ihrer Leistungsfähigkeit die Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern haben, geht eine Entscheidungsspielraum hinsichtlich des "ob", "wie" und "wann" der Durchführung von Straßenausbaumaßnamen einher, dem grundsätzlich kein einklagbarer Rechtsanspruch des einzelnen Bürgers gegenübersteht. Denn dieser würde damit keine eigenen Rechte, sondern in unzulässiger Weise solche der Allgemeinheit geltend macht (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, 9. Aufl. 2012, § 28 Rdn. 7; VG Meiningen, Beschluss vom 26. Mai 2006 – 2 E 307/06.Me -, zit. nach juris; Beschluss der Kammer vom 17. April 2009 – 6 B 237/09 HAL -).
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Dies gilt gleichermaßen für Verkehrssicherungspflichten der Beklagten aus § 10 Abs. 1 und 2 StrG LSA. Nach Absatz 1 der Regelung obliegen die mit dem Bau und der Unterhaltung sowie der Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen einschließlich der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Pflichten den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften und Behörden als Amtspflichten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Die Straßen sind gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 StrG LSA so herzustellen und zu unterhalten, dass sie den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügen. Auch diese Vorschriften begründen keine subjektiven öffentlichen Rechte der Straßenanlieger und –nutzer, auf deren Verletzung sich die Klägerin berufen könnte. Die Kammer folgt diesbezüglich der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (vgl. auch das Urteil der Kammer vom 31. Mai 2012 – 6 A 10/12 –, Bl. 3 ff. d.UA), das in seinem Urteil vom 9. April 1997 – A 4 S 6/97 – (zit. nach juris Rdn. 8 ff.) dazu ausgeführt hat:
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"Die von der Beklagten zu erfüllende Verkehrssicherungspflicht, die § 10 Abs. 1 StrG LSA als eine den Organen und Bediensteten der Beklagten obliegende Amtspflicht normiert, gebietet es zwar, die öffentlichen Verkehrsflächen gefahrlos zu erhalten und zu gestalten sowie alles Zumutbare zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern bei bestimmungsgemäßer Benutzung der Straßen aus deren nicht ordnungsgemäßem Zustand drohen (BGH, U. v. 18.12.1972, BGHZ 60,54 [56] zu § 10 Abs. 1 NdsStrG). Einer Verletzung dieser Pflicht steht aber kein Recht des Einzelnen gegenüber, von der Beklagten die Schaffung oder Wiederherstellung eines verkehrssicheren Zustands der Straßen verlangen zu können. Auch hier gilt die allgemeine Regel (vgl. Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, 10. Aufl., § 43 RdNr. 10, S. 563), dass kein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch besteht, dem die jedermann zustehende Berechtigung zugrunde liegen würde, die Befolgung der normierten Verpflichtungen der öffentlichen Gewalt verlangen und ggf. auch im Klagewege erzwingen zu können. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf die Straße tatsächlich nicht nachkommt.
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Der Ausgestaltung der straßenrechtlichen Verkehrssicherungspflicht als Amtspflicht liegt die erklärte Absicht des Gesetzgebers zugrunde (Landtagsdrucksache 1/1840, S. 4), einem Betroffenen im Schadensfall einen Amtshaftungsanspruch nach Maßgabe des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu eröffnen. Ein solcher Anspruch ist auf Schadensersatz in Geld und nicht auf Unterlassung oder Beseitigung der Schadensursache gerichtet (vgl. dazu Palandt/Thomas, BGB 55. Aufl., 839, RdNr. 79). […]
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§ 10 Abs. 2 Satz 1 StrG LSA, wonach Straßen so herzustellen und zu unterhalten sind, dass sie den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügen, vermittelt ebenfalls keinen "Verkehrssicherungsanspruch". Dies gilt schon deshalb, weil die Bestimmung nicht den Schutz der Verkehrsteilnehmer bezweckt, sondern nur klarstellt, dass der Träger der Straßenbaulast für den ordnungsgemäßen Zustand seines Straßennetzes einschließlich aller Nebenanlagen selbst verantwortlich ist und nicht der hoheitlichen Einflussnahme anderer staatlicher Behörden, namentlich der Bauordnungsbehörden, ausgesetzt sein soll (Fickert, aaO., § 9 a StrWG, RdNr. 8, S. 334)."
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Mangels weiterer denkbarer Anspruchsgrundlagen - Inhaber der auf dem Grundstück ansässigen Firma ist der Ehemann der Klägerin, so dass sich die Frage, ob als Anspruchsgrundlage auch das aus Art. 14 GG abgeleitete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Erwägung gezogen werden könnte, nicht stellt - kommt danach allenfalls das ebenfalls aus Art. 14 GG abzuleitende Anliegerrecht des Grundstückseigentümers als eine solche in Betracht. Der Anliegergebrauch wird in seinem Kern durch die grundgesetzlich verankerte Eigentumsgarantie und – einfachgesetzlich - auch durch § 22 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt – StrG LSA - geschützt. Der gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch gesteigerte Anliegergebrauch reicht aber nur so weit, wie eine angemessene Nutzung des Grundeigentums die Benutzung der Straße erfordert und der Anlieger auf das Vorhandensein der Straße in spezifischer Weise angewiesen ist. Die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen gehört auch bei einem innerörtlichen Wohngrundstück selbst mit Garagen oder Stellplätzen nicht zum geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs. Dieser erstreckt sich daher in aller Regel nur auf den notwendigen Zugang und gewährleistet, dass ein Grundstück überhaupt von einer Straße her zugänglich ist, nicht jedoch einen bestimmten Ausbauzustand (vgl. OVG Sachsen-Anhalt vom 9. April 1997, aaO., Rdn. 11). Vor Einschränkungen oder Erschwernissen bei der Zufahrtsmöglichkeit etwa aufgrund der besonderen örtlichen Lage des Grundstücks vermag er deshalb keinen Schutz zu gewähren, solange die Straße als Verkehrsmittler erhalten bleibt (vgl. Beschluss der Kammer vom 28. Oktober 2010 – 6 B 171/10 HAL -; BayVGH, Urteil vom 15. März 2006 – 8 B 05.1356 -, zit. nach juris mwN.).
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Dies zugrunde gelegt erscheint eine Anspruch der Klägerin auf Erhalt und Unterhaltung der den Zugang zur D.straße vermittelnden Brücke – ungeachtet der Frage, ob diese ihrerseits eine öffentliche Straße darstellt - schon deshalb fraglich, weil das Grundstück jedenfalls fußläufig auch über den an seine östliche Schmalseite angrenzenden Teil der D.straße zugänglich ist, auch wenn die Anlage einer Zufahrt nach dem Vorbringen der Klägerin aufgrund des Grundstücksgefälles nicht möglich ist.
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Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung, da die Unterhaltung der Brücke nicht der Beklagten, sondern vielmehr gemäß § 22 Abs. 4 StrG LSA, der auf die entsprechende Anwendung der §§ 18 Abs. 4 Satz 1 und 2, 20 StrG LSA verweist, der Klägerin selbst obliegt. Entsprechend § 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 StrG LSA hat der Straßenanlieger die Zufahrt so zu errichten und zu unterhalten, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung sowie den anerkannten Regeln der Technik genügt, wobei Arbeiten an der Straße der Zustimmung der Straßenbaubehörde bedürfen.
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Eine Zufahrt ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA die für die Benutzung mit Fahrzeugen bestimmte Verbindung von Grundstücken oder von nichtöffentlichen Wegen mit einer Straße. Die konkrete bauliche Ausgestaltung der Verbindung richtet sich dabei jedoch nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Sie ist nicht darauf beschränkt, dem Grundstück eine Zufahrtsmöglichkeit ohne technisch-bauliche Inanspruchnahme des Straßengrundstücks zu verschaffen, sondern kann in ihrer konkreten baulichen Anlage auf beide zu verbindende Teile, nämlich das zufahrtsberechtigte Nachbargrundstück und das öffentliche Straßengrundstück übergreifen; die Innengrenze der Zufahrt zur Straße hin ist die Linie, wo der Rand der Fahrbahndecke bei regelmäßiger Verlängerung über den Zufahrtsbereich hinaus die Zufahrt schneidet. Indem der Gesetzgeber eine Zufahrt als die für die Benutzung mit Fahrzeugen bestimmte Verbindung von Grundstücken mit einer Straße definiert, stellt er auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Fläche und nicht auf deren grundstücksbezogene Abgrenzung ab (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 26. Mai 2006 – 12 LA 150/05 -, zit. nach juris Rdn. 4 mwN.; vorhergehend VG Braunschweig, Urteil vom 10. März 2005 – 6 A 162/04 -, zit. nach juris Rdn. 20 ff.). Gleichgültig ist daher, ob eine besondere Anlage – wie z.B. eine Grabenbrücke – erforderlich ist (vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl. 2010, § 11 Rdn. 464).
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Danach erstreckt sich die Zufahrt der Klägerin von ihrer Grundstücksgrenze bis zur Ab-senkung des Gehweges auf die Fahrbahn der D.straße. Denn die Brücke stellt weder einen Bestandteil des Verlaufs der D.straße dar noch handelt es sich um eine eigenständige öffentliche Straße, da sich bereits die hierfür gemäß § 2 Abs. 1 StrG LSA erforderlichen Widmung den öffentlichen Verkehr nicht feststellen lässt. Eine Widmung nach § 6 StrG LSA ist unstreitig nicht erfolgt. Die Brücke ist auch nicht in ein Straßenbestandsverzeichnis eingetragen worden, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 StrG LSA. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, das die im Streit stehende Fläche vor dem Inkrafttreten des Straßengesetzes die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten hätte. Für eine Widmung kraft unvordenklicher Verjährung, d.h. für das Bestehen eines allgemeinen Konsens über die Öffentlichkeit seit mindestens 80 Jahren (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. April 1997 – A 4 S 5/97 -, LKV 1998 S. 278), ist nichts ersichtlich oder vorgetragen. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die Brücke bereits über einen solchen Zeitraum hinweg existiert. Der Zeitpunkt und der Veranlasser ihrer Errichtung sind unbekannt. Weder die Bauweise noch das vorhandene Kartenmaterial belegen ein entsprechend hohes Alter des Bauwerks.
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Auch aufgrund der Übergangs- und Überleitungsvorschriften des § 51 Abs. 3 und 4 StrG LSA kann nicht von einer Widmung für den öffentlichen Straßenverkehr ausgegangen werden (vgl. dazu auch das Urteil der Kammer vom 25. Juli 2013 – 6 A 236/10 -). Die Vorschrift des § 51 StrG LSA enthält keine Widmungsfiktion, sondern setzt das Vorhandensein öffentlicher Straßen voraus und beschränkt sich auf deren Zuweisung auf die zukünftig verantwortlichen Baulastträger (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. Juni 2009 - 4 L 459/08 - und Beschluss vom 12. Januar 2000 - A 1 S 85/99 -, zit. nach juris). Maßgeblich ist daher, wie die betreffende Wegefläche zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung und der anschließend erfolgten Nutzung unter den Bedingungen des seinerzeit geltenden Rechts einzuordnen war (vgl. Huber, Straßengesetz für das Land Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2000, § 51 Rdn. 1). Die Vorschrift des § 51 StrG LSA geht darauf zurück, dass das Recht der DDR eine förmliche Straßenwidmung nicht kannte; maßgeblich für die Einstufung als öffentliche Straße war allein die Freigabe für die öffentliche Nutzung durch die zuständigen Stellen, in der Regel also der tatsächliche Anschluss an das bestehende Straßennetz (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Mai 2010, – 3 L 465/08 -, zit. nach juris, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2002 – 8 C 24.01 -, VIZ 2003, 284 und OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. April 1997, aaO.).
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Nach § 3 Abs. 2 der Verordnung über das Straßenwesen vom 18. Juli 1957 (GBl. I, DDR 377) - DDR-StrVO 1957 - waren kommunale Straßen - zu diesen zählten gemäß § 1 Abs. 1 d) DDR-StrVO 1957 Stadt- und Gemeindestraßen, -wege und -plätze - öffentlich, wenn bisher ihrer Benutzung durch die Verkehrsteilnehmer seitens der Rechtsträger bzw. Eigentümer nicht widersprochen wurde; sie wurden öffentlich, wenn die Räte der Kreise bzw. die Räte der Städte und Gemeinden sie nach Zustimmung der Rechtsträger oder Eigentümer dem öffentlichen Verkehr freigaben. Es bestehen vorliegend jedoch weder Hinweise für eine Verkehrsfreigabe und auch nicht für eine unwidersprochene Nutzung durch die Allgemeinheit. Vielmehr spricht die Lage und Funktion der Brücke deutlich gegen eine Verkehrsöffentlichkeit. Diese führt ausschließlich zum Grundstück der Klägerin und verbindet es mit der D.straße, die auch in nordöstlicher Richtung die für das Grundstück nächstgelegene Erschließungsanlage darstellt. Weitere Ziele können über die Brücke nicht erreicht werden, insbesondere auch nicht über den schmalgeschnittenen Ausläufer des Flurstückes Y. Bei diesem handelt es sich nicht um einen Weg, sondern um eine Grünfläche. Der Eintrag des Flurstücks Y im Liegenschaftsbuch mit der Nutzungsart „Straßenverkehr“ bezeichnet die überwiegende Nutzung des gesamten Grundstücks, stellt entgegen der Auffassung der Beklagten aber keine „Widmung“ dar. Den von den Beteiligten vorgelegten Lichtbildern ist deutlich zu entnehmen, dass die Fläche außerhalb des zum Zweck der Überfahrt auf das klägerische Grundstück gepflasterten Bereichs weder zur Nutzung durch Fußgänger noch durch andere Verkehrsteilnehmer bestimmt ist. So ist die Grünfläche beiderseits durch einen erhöhten "Bordstein" nicht nur optisch deutlich von der befestigten Fläche abgegrenzt. In südlicher Richtung hindert zudem auch der Bewuchs ein Begehen oder Befahren der Fläche. Die Beteiligten haben bestätigt, dass der Grünstreifen auch tatsächlich nicht von der Öffentlichkeit genutzt wird. Hierfür wäre auch ein Bedürfnis nicht ersichtlich. Das Grundstück der Klägerin wird unmittelbar über die streitige Brücke erreicht. Südlich davon fehlt es schon an jeglicher Verbindungsfunktion des Grünstreifens, denn das in diesem Bereich angrenzende Flurstück Z verfügt ebenso wie das sich nördlich des klägerischen Grundstücks anschließende Flurstück Q über keine Zugangsmöglichkeit zu diesem. Der Hauptteil des Flurstücks Y wird dagegen unmittelbar über eine eigene Brücke erreicht, die Bestandteil der auf dem Grundstück selbst verlaufenden D.straße ist, von der auch das Flurstück Q erschlossen wird. Eine Verbindung aller genannten Grundstücke ist unproblematisch über den parallel zum Grünstreifen verlaufenden Teil der D.straße gegeben. Überdies wäre die Annahme einer – fußläufigen - Erschließung des klägerischen Grundstückes durch das Flurstück Y entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht geeignet, den von ihr geltend gemachten Anspruch zu stützen. Vielmehr wäre die Folge daraus, dass die Klägerin sich sowohl hinsichtlich der D.straße als auch der auf diese führenden Brücke von vornherein schon mangels "Anliegens" ihres Grundstückes an diese nicht auf Anliegerrechte berufen könnte.
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Schließlich gehört auch der L.bach, den die Brücke quert, nicht iSd. § 2 Abs. 2 StrG LSA zu den Bestandteilen des Straßenkörpers, da es sich um ein eigenständiges Gewässer und nicht lediglich einen (Straßenentwässerungs-)Graben handelt.
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Die Verbindung zwischen dem Grundstück der Klägerin und der Fahrbahn stellt sich nach alledem einschließlich des Überwegs über das Flurstück Y und die Brücke als Zufahrt dar. Denn nicht gewidmete Flächen, die Verkehr auf eine öffentliche Straße führen, und auf eine öffentliche Straße stoßen, sind Zufahrten oder Zugänge (vgl. Sauthoff, aaO., Rdn. 464).
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Dass nach dem Vorbringen der Klägerin etwa im Jahr 1995 das seinerzeit schadhafte Brückengeländer auf Veranlassung der Beklagten geschweißt und gestrichen worden ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen handelt es sich dabei nicht um Instandsetzungsarbeiten an dem Brückenbauwerk selbst. Denn das „Geländer“ ist Teil einer Einfassung des L.bachs, die das Gewässer im Bereich der D.straße insgesamt umrahmt. Zum anderen ließe sich aus einer solchen singulären und geringfügigen Maßnahme eine verbindliche und dauerhafte Übernahme einer Instandsetzungsverpflichtung für eine Brücke nicht ableiten (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 31. Mai 2005 – 1 A 249/03 -, zit. nach juris Rdn. 21).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO -.
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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.