Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 04. März 2016 - 3 K 2665/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die am °°. P. °°°° geborene Klägerin stand als auf Lebenszeit verbeamtete Lehrerin im Dienst des beklagten Landes. Mit Ablauf des °°. P. °°°° wurde sie wegen dauernder Dienstunfähigkeit in Folge eines Dienstunfalls in den Ruhestand versetzt. Sie begehrt zusätzlich zu den ihr zustehenden Unfallfürsorgeleistungen ein erhöhtes Unfallruhegehalt gemäß § 37 LBeamtVG NRW.
3Mit Wirkung vom °°. G. °°°° wurde die Klägerin zur Rektorin auf Probe unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe für die Dauer von zwei Jahren berufen. Die Klägerin war auf dieser Grundlage als Rektorin an der K. , Gemeinschaftsgrundschule der Stadt I. , tätig. Planmäßig hätte die Probezeit mit Ablauf des °°. G. °°°°, also nach ihrer Zurruhesetzung, geendet.
4Ein siebenjähriger Schüler der K. war zur Teilnahme an der offenen Ganztagsschule (OGS) angemeldet. Über die Teilnahme des Schülers an der offenen Ganztagsschule gab es zwischen der Schule und den Eltern des Schülers zuletzt Meinungsverschiedenheiten. Nach Angaben der Klägerin bestand die Mutter des Schülers, Frau T. -P1. , zuletzt darauf, den Schüler bereits mittags aus der Schule abzuholen. Sie sei als im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt bekannt und deshalb bereits in stationärer, psychiatrischer Behandlung gewesen. Der Schüler habe sich in einem standardisierten Verfahren befunden, das vom Jugendamt wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs geführt worden sei. Das Jugendamt habe empfohlen, das Kind möglichst lange in der Schule zu behalten. Vor diesem Hintergrund bat die Klägerin am °°. T1. °°°° den Schüler im Anschluss an den morgendlichen Unterricht in ihr Büro. Zu diesem Zweck holte sie ihn im Klassenraum ab und begab sich mit ihm über die Außentreppe der provisorisch in Containern untergebrachten Schule in den Verwaltungstrakt. Die Mutter des Schülers erschien in der Schule, um ihren Sohn abzuholen.
5Am Fuß der Treppe kam es zu einer Auseinandersetzung mit der Mutter des Schülers. Die Auseinandersetzung dauerte an, als die Klägerin die Mutter des Schülers bat, das Gespräch in ihrem Büro fortzusetzen. Die Klägerin umklammerte den Schüler und hielt ihn hinter dem dem Verwaltungstrakt vorgelagerten Geländer fest. Die Mutter versuchte, den Schüler aus dem Griff der Klägerin über das Geländer zu ziehen. Als die Klägerin drohte, Polizei und Jugendamt zu benachrichtigen, war Frau T. -P1. bereit, mit ihr in ihr Büro zu gehen. Der Schüler verblieb während des Gesprächs zwischen seiner Mutter und der Klägerin bei der Sekretärin der Schule in Obhut.
6Nach Angaben der Klägerin sei sie von der Mutter des Schülers verbal attackiert worden. Es sei auch zu Tätlichkeiten seitens der Mutter gekommen. Die Mutter des Schülers habe sie getreten, geboxt und gestoßen. Eine Menge anderer Eltern habe die Mutter angefeuert und skandiert „Hol Dir das Kind, mach die Alte fertig“. Sie habe dem Geschehen wehrlos gegenüber gestanden. Der Schüler habe unter dem Eindruck dieses Geschehens unter Schock gestanden. Die Klägerin erlitt Verletzungen an den Fingern der linken Hand. Nach Angaben der Klägerin resultierten diese nicht aus dem Versuch der Mutter, den Schüler aus der Umklammerung der Klägerin zu lösen, sondern daraus, dass die Mutter des Schülers ihre Hand gegen das Geländer schlug. Nach ihren Angaben habe sie auch am Arm Hämatome erlitten. Die maßgeblichen Folgen des Unfalls lägen im psychischen Bereich.
7Die Umstände des Hergangs der Auseinandersetzung blieben in einem zivilgerichtlichen Rechtsstreit zwischen dem Beklagten und der Mutter des Schülers um Schadensersatz aus diesem Geschehen vor dem M2. E. (Az. °° ° °°°/°°) streitig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftliche Schilderung des Unfallgeschehens durch die Klägerin im unmittelbaren Nachgang des Geschehens (Bl. 1, 2 Beiakte Heft 1), den Inhalt des Tatbestandes des Urteils des M3. E. in dem erwähnten Verfahren und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom °. N. °°°° verwiesen.
8Die Klägerin begab sich wegen der Fingerprellungen in ärztliche Behandlung. Nach Angaben der Klägerin setzten bereits am folgenden Tag, dem °°. T1. °°°°, psychische Symptome einer Belastungsstörung begleitend zu den körperlichen Beeinträchtigungen ein. Ab dem °°. T1. °°°° war sie dienstunfähig erkrankt.
9Mit Bescheid vom °°. P. °°°° erkannte die C. B. den Vorgang als Dienstunfall an. Die Anerkennung umfasste die Körperverletzung Prellung 3., 4. und 5. Finger links.
10Nachdem der Facharzt für Neurologie, Herr I1. , am °°. P. °°°° und am °. O. °°°°, eine erhebliche psychische Reaktion auf das Ereignis am °°. T1. °°°° bescheinigt hatte, befand sich die Klägerin in der Zeit vom °°. O. °°°° bis zum °°. G. °°°° in stationärer Behandlung in der T2. Q. . Bei ihr wurden u.a. eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode (ICD-10: F 33.2) sowie eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F 43.1) diagnostiziert. Der sozialpsychiatrische Dienst der Stadt I. bescheinigte am °°. B1. °°°°, dass die mittelgradige Depression und posttraumatische Belastungsstörung allein auf den genannten Unfall zurückzuführen seien.
11Am °. N1. °°°° kam es zu einem Dienstgespräch bei der C. B. . Die Klägerin äußerte, es sei nicht absehbar, wann sie wieder in den Dienst zurückkehren werde. Vor dem Hintergrund des Dienstgesprächs am °. N1. °°°° beauftragte die C. B. die Erstellung eines fachmedizinischen Gutachtens, welches die Chefärztin der M. -Klinik I2. und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Frau Dr. med. L. , unter dem °°. B2. °°°° an sie übermittelte. Das Gutachten kommt im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass die diagnostizierten psychischen Erkrankungen zutreffend sind und ihre Ursache mit hoher Wahrscheinlichkeit im ursächlichen Zusammenhang mit dem am °°. T1. °°°° erlittenen Dienstunfallereignis standen. Auf das ausführliche Gutachten wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen (Bl. 8-38 VV 1). Diesem Ergebnis schloss sich auch der amtsärztliche Dienst des Kreises T3. unter dem 4. T1. 2012 an. Er stellte zudem fest, dass sie dauerhaft nicht mehr in der Lage war, ihre Dienstpflichten im derzeit ausgeübten Aufgabenbereich zu erfüllen.
12Durch Bescheid vom °°. T1. °°°° ergänzte der Beklagte den Anerkennungsbescheid vom °°. P. °°°° insoweit, als auch eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Dienstunfalls anerkannt wurde.
13Mit Bescheid vom °°. T1. °°°° versetzte die C. B. die Klägerin wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Die Klägerin sei nach dem amtsärztlichen Gutachten vom °. T1. °°°° als dauernd unfähig zu erachten, ihren dienstlichen Verpflichtungen als Lehrkraft nachzukommen. Die Dienstunfähigkeit sei auf den Dienstunfall vom °°. T1. °°°° zurückzuführen. Eine Nachuntersuchung sei nach Ablauf von zwei Jahren vorgesehen.
14Mit Bescheiden vom °°. O. °°°°, °. E1. °°°° und °. E1. °°°° wurden ihre Versorgungsbezüge als Unfallruhegehalt gemäß § 36 BeamtVG auf °°,°°v.H. des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A13 (gD) festgesetzt. Das Unfallruhegehalt belief sich seinerzeit auf °.°°°°,°° €. Mit Bescheid vom °°. B1. °°°° stellte die C. B. auf Grundlage eines weiteren amtsärztlichen Gutachtens des Gesundheitsamtes des Kreises T3. vom °°. B1. °°°°, das eine Nachuntersuchung nach Ablauf von zwei Jahren empfahl, sowie eines eingeholten fachorthopädischen Zusatzgutachtens fest, dass die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Klägerin ab dem °°. T1. °°°° 60 v.H. beträgt. Vor diesem Hintergrund erhielt die Klägerin zusätzlich einen Unfallausgleich in Höhe von seinerzeit °°°,°° €.
15Alle bis hierhin wiedergegebenen Bescheide sind in Bestandskraft erwachsen.
16Mit Schreiben vom °. K1. °°°° beantragte die Klägerin die Zahlung eines erhöhten Unfallruhegehalts gemäß § 37 LBeamtVG. Sie sei am °°. T1. °°°° bei Ausübung einer Diensthandlung einem rechtswidrigen Angriff ausgesetzt gewesen.
17Mit Bescheid vom °°. T1. °°°° lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehaltes ab. Das als Dienstunfall anerkannte Geschehen beziehe sich nur auf den Vorfall am Geländer, bei dem die Schüler Mutter ihren Sohn über das Geländer habe ziehen wollen. Die verbalen Angriffe und die vorhergehenden körperlichen Attacken hätten keinen Körperschaden zur Folge gehabt. Bei dem Versuch, sie daran zu hindern, habe die Klägerin Prellungen erlitten. Dabei habe es sich nicht um einen rechtswidrigen Angriff gehandelt, da die Prellung der Finger der linken Hand bei dem Versuch der Mutter, ihren Sohn hinter dem Geländer hervorzuziehen, eingetreten seien.
18Unter dem °. P. °°°° erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom °°. T1. °°°° Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrug, sie sei von der Schülermutter angegriffen worden. Der Angriff habe zu einem physischen Körperschaden geführt, die verbalen Attacken und die Nachwirkung des tätlichen Angriffs hätten einen psychischen Schaden verursacht. Der Beklagte habe konsequenterweise dieses Geschehen als Dienstunfall mit den eingetretenen Schäden als Dienstunfallfolgen anerkannt. Die zusätzlich erforderlichen Tatbestandsmerkmale des § 37 LBeamtVG NRW seien in Gestalt eines rechtswidrigen Angriffs erfüllt.
19Zwischenzeitlich wies das M2. E. in dem unter dem Aktenzeichen °° ° °°°/°° geführten Rechtsstreit die Klage des Beklagten gegen die Mutter des in die Auseinandersetzung am °°. T1. °°°° involvierten Schülers ab. Ein Schadensersatzanspruch entfalle, weil der in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung eingetretene Gesundheitsschaden der Klägerin für die Mutter des Schülers nicht vorhersehbar war und ihr daher nicht als deliktisches Verhalten zugerechnet werden könne.
20Mit Widerspruchsbescheid vom °°. B1. °°°° wies das M1. den Widerspruch zurück. Es fehle mit dem Versuch, den Schüler über das Geländer zu ziehen, an einer zielgerichteten Verletzungshandlung.
21Mit ihrer am °. N1. °°°° erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt,
22das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des M1. vom °°. T1. °°°° in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom °°. B1. °°°° zu verpflichten, ihr erhöhtes Unfallruhegehalt gemäß § 37 LBeamtVG NRW ab dem °. O. °°°° zu gewähren.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen seinen aus den angegriffenen Bescheiden hervorgehenden Standpunkt. Ergänzend führt er aus, die Klägerin habe sich selbst in Gefahr begeben. Es liege kein Angriff vor. Ein Angreifer im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 1 LBeamtVG NRW müsse die staatliche Aufgabenwahrnehmung treffen wollen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da die Mutter nicht die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Lehrerin habe treffen wollen. Sie habe lediglich ihr Kind aus der Gewalt der Klägerin befreien wollen. Jedenfalls sei das Verhalten der Mutter, den Schüler aus der Umklammerung der Klägerin zu lösen, gerechtfertigt gewesen, weil die Eltern den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen könnten.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte, der Beiakten Hefte 1-3 sowie der Akten zu den Verfahren 3 K 3603/15, 3 K 3553/15, 3 L 1717/15, 1 K 1984/15 und 1 L 891/15, jeweils nebst Beiakten, verwiesen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, denn die Ablehnung der Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehaltes gemäß § 37 LBeamtVG ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
29Die Voraussetzungen des § 37 LBeamtVG NRW sind insgesamt nicht erfüllt. Der allenfalls in Betracht kommende Tatbestand des § 37 Abs. 2 Nr. 1 LBeamtVG NRW ist nicht einschlägig. Danach wird Unfallruhegehalt nach Absatz 1 auch gewährt, wenn der Beamte in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff einen Dienstunfall mit den in § 37 Abs. 1 LBeamtVG NRW genannten Folgen erleidet.
30Die in § 37 Abs. 1 LBeamtVG NRW genannten Folgen, nämlich dass die Klägerin in Folge eines Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhestand getreten und im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles in ihrer Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vom Hundert beschränkt ist, liegen vor, denn die Klägerin wurde durch bestandskräftigen Bescheid der C. B. vom °°. T1. °°°° auf Grund dauernder Dienstunfähigkeit, die auf den Dienstunfall vom °°. T1. °°°° zurückzuführen war, in den Ruhestand versetzt. Durch weiteren bestandskräftigen Bescheid vom °°. B1. °°°° wurde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 60 v.H. ab diesem Zeitpunkt festgestellt.
31Es fehlt jedoch an einem für die Dienstunfallfolgen kausalen, rechtswidrigen Angriff. Ein Angriff erfordert seinem Wortsinn nach ein Verhalten eines Menschen, das darauf abzielt, dem Angriffsobjekt eine bestimmte Schadensfolge zuzufügen. Er setzt eine zielgerichtete Verletzungshandlung des Angreifers voraus, die sich gegen die körperliche Unversehrtheit des Beamten richtet und durch die der Beamte objektiv in die Gefahr gerät, einen Körperschaden zu erleiden. Aus dem Gesagten folgt, dass weder den Beamten zufällig treffende noch fahrlässige Schädigungshandlungen oder bloße Sachschäden erfasst sind. Der Angreifer muss mit Vorsatz im natürlichen Sinne gehandelt haben und - unabhängig von der Frage der Schuldfähigkeit und eventuellen Irrtümern - zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass sein Handeln zu einer Schädigung des Beamten führt.
32Zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 – 2 C 17/98 –, Rn. 14, juris; OVG NRW, Urteil vom 4. April 2011 – 1 A 3037/08 –, Rn. 45 f., juris m.w.N.; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 01. Juli 1997 – 6 A 6182/96 –, Rn. 17, juris; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Oktober 2010 – 12 K 2856/07 - juris, Rn. 22.
33Das Bundesverwaltungsgericht fordert Niveaugleichheit zwischen den Fallgruppen des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG und den übrigen in § 37 BeamtVG geregelten Fallgruppen des erhöhten Unfallruhegehalts. Niveaugleich ist die Gefährdungslage nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG dann, wenn die Verletzungshandlung vom Schädiger mit Wissen und Wollen der zu erwartenden Rechtsgutbeeinträchtigung ausgeführt wird und sie in einem inneren Zusammenhang mit der Dienstverrichtung des Amtsträgers steht
34BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 C 41/11 –, Rn. 16, juris; BVerwG, Urteil vom 08. Oktober 1998 – 2 C 17/98 –, Rn. 15, juris.
35Dabei reicht es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus, dass der Beamte in der konkreten Gefahr der beabsichtigten Körperverletzung geschwebt hat und als mittelbare Folge einen anderweitigen Körperschaden, insbesondere eine Verletzung seiner seelischen Integrität, erlitten hat.
36BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 C 41/11 –, Rn. 14, juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 2 C 134/07 – Rn. 20, juris.
37Dieses Verständnis entspricht Sinn und Zweck der Norm. Sinn und Zweck des erhöhten Unfallruhegehalts nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG ist die dienstunfallrechtliche Abgeltung eines Sonderopfers, das der Beamte erlitten hat, weil er in einer dienstlich bedingt besonders gefährlichen Situation zu Schaden gekommen ist. Geschützt wird die Dienstausübung, von der der Beamte nicht deshalb absehen soll, weil er befürchten muss, wegen seiner dienstlichen Tätigkeit mit Gewaltaktionen konfrontiert zu werden, derentwegen er auch erhebliche Nachteile im Rahmen der Unfallversorgung hinnehmen müsste.
38BVerwG, Urteil vom 08. Oktober 1998 – 2 C 17/98 –, Rn. 17, juris.
39Die dauernde Dienstunfähigkeit der Klägerin ist nach diesen Maßstäben nicht Folge eines Angriffs im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 1 LBeamtVG NRW. Im Hinblick auf die für die Dienstunfähigkeit der Klägerin kausale posttraumatische Belastungsstörung fehlt es an der Zielgerichtetheit des Handelns der Mutter des Schülers, weil sie das Auftreten einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin nicht zumindest billigend in Kauf genommen hat.
40Es war für die Mutter des Schülers, wie das M2. E. in seinem Urteil vom °°. G. °°°° – °° ° °°°/°° – im Zusammenhang mit der deliktsrechtlichen Würdigung des Geschehens zutreffend ausgeführt hat, nicht vorhersehbar, dass die Rektorin einer in einem schwierigen Umfeld liegenden Inklusionsschule bei einer solchen Auseinandersetzung mit der Mutter eines schwierigen Schülers eine erhebliche, diese über einen längeren Zeitraum schädigende psychische Erkrankung entwickelt, weil sie den Vorfall als massive Grenzverletzung und existenziell bedrohlich erlebt. Es ist vor diesem Hintergrund nicht davon auszugehen, dass die Mutter des Schülers eine solche Folge überhaupt für möglich gehalten hat.
41Diese Grundannahme ändert sich auch angesichts der ergänzenden Schilderungen des Unfallgeschehens durch die Klägerin nicht. Insbesondere vermag der Vortrag der Klägerin, die Mutter des Schülers habe sie getreten, geboxt und gestoßen, wobei eine Menge anderer Eltern die Mutter angefeuert und „Hol Dir das Kind“ und „Mach die Alte fertig“ skandiert habe, den Schluss auf einen etwaigen Vorsatz der Mutter des Schülers, die Klägerin würde neben körperlichen Verletzungen jedenfalls eine erhebliche psychische Schädigung davontragen, nicht zu begründen. Denn es ist mangels jeglicher anderer Anhaltspunkte im Sinne eines allgemeinen Erfahrungssatzes als fernliegend anzusehen, dass eine so weit reichende Verletzungsfolge, die nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht vorhersehbar gewesen ist, von dem Schädiger jedoch selbst für möglich gehalten und im Rechtssinne gewollt gewesen sein soll. Von dem Vorsatz der Mutter ist, sofern der Vortrag der Klägerin zum Hergang des Geschehens am °°. T1. °°°° als wahr unterstellt wird, allenfalls die körperliche Verletzung der Klägerin umfasst gewesen, nicht aber eine die dauernde Dienstunfähigkeit auslösende psychische Erkrankung.
42Die erlittene posttraumatische Belastungsstörung war auch nicht mittelbare Folge einer etwaigen anderen, von der Mutter des Schülers vorsätzlich herbeigeführten Körperverletzung. Die posttraumatische Belastungsstörung folgt, wie sich aus dem fachpsychiatrischen Gutachten der Frau Dr. med. L. vom °°. B2. °°°° ergibt, nicht aus der einzigen sonstigen, nachweislich festgestellten Körperverletzung der Klägerin, der Prellung ihrer Finger oder weiteren Einwirkungen auf ihre körperliche Unversehrtheit, sondern aus dem Eindruck des Gesamtgeschehens der Auseinandersetzung um die Herausgabe des Schülers. Auf Seite 30 des Gutachtens der Frau Dr. med. L. (Bl. 8, 37 Beiakte Heft 1) heißt es wörtlich:
43„Bezogen auf die Situation von Frau Dr. L1. bedeutet das, dass der verbale und tätliche Übergriff der Mutter des Schülers, subjektiv, d.h., im emotionalen Erleben von Frau Dr. L1. , eine massive Grenzverletzung darstellt und als existenziell bedrohlich erlebt worden ist. Diese Situation hat Frau Dr. L1. , trotz des vorangehenden Konfliktes, völlig unerwartet getroffen, das heißt, sie war in dem Moment, in ihrer subjektiven Wahrnehmung, völlig schutzlos ohne die Möglichkeit seelischer Abwehrmaßnahmen zu entwickeln. Diese spezifische Konstellation macht das „Traumatische“ der Situation und der sich daraus ergebenden Folgen aus. Es kommt dabei nicht auf die begleitend erlebt körperlichen Verletzungen an, die in diesem Fall eher als geringfügig zu betrachten sind, sondern auf die subjektive Erlebensweise dieser spezifischen Situation.“
44Dabei geht das Gutachten ausdrücklich von den von der Klägerin geschilderten vorsätzlichen Einwirkungen der Mutter des Schülers auf ihre körperliche Unversehrtheit unter anfeuernden Rufen umstehender Mütter aus (Seite 17 des Gutachtens, Bl. 8, 24 Beiakte Heft 1).
45Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Gutachtens an. Unabhängig von dem im Einzelnen streitig gebliebenen Geschehensablauf ist danach die Gesamtsituation entscheidend für das Auftreten der posttraumatischen Belastungsstörung, nicht jedoch unmittelbare, vorsätzlich oder fahrlässig begangene Einwirkungen auf die körperliche Unversehrtheit der Klägerin durch die Mutter des Schülers.
46Einer weiteren Sachaufklärung, ob die Klägerin durch die Mutter des Schülers vorsätzlich oder fahrlässig an den Fingern oder auch anderweitig körperlich verletzt wurde, bedurfte es nicht. Die Bewertung der Kausalität zwischen den unmittelbar eingetretenen körperlichen Verletzungen und der als Dienstunfallfolge anerkannten posttraumatischen Belastungsstörung stellt sich unverändert dar. Unabhängig davon, dass diese Verletzungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr feststellbar sind, folgt das Gericht den überzeugenden Ausführungen des Gutachtens, das die erlittene posttraumatische Belastungsstörung nicht als mittelbare Folge des physischen Einwirkens der Mutter des Schülers, sondern als aus dem Gesamtgeschehen resultierend ansieht. Die Sachkunde der Frau Dr. med. L. zur Beurteilung des Dienstunfallgeschehens im Hinblick auf die erlittene posttraumatische Belastungsstörung ist unbestritten, das Gutachten weist keine offen erkennbaren Mängel oder unauflösbare Widersprüche auf und geht nicht von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen aus.
47Es kann vor diesem Hintergrund auch dahinstehen, ob etwaige weitere Schädigungshandlungen der Mutter des Schülers als Angriff im dargelegten Sinne zu verstehen sind. Denn es fehlt insoweit an Verletzungsfolgen, die für die eingetretene Dienstunfähigkeit für sich genommen kausal geworden sind. Dies gilt insbesondere für die erlittenen Fingerprellungen. Diese Folge hat nicht zur dauernden Dienstunfähigkeit der Klägerin geführt, wie sich aus dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom °°. T1. °°°°, der insoweit Tatbestandswirkung entfaltet, ergibt. Der Bescheid stützt die Versetzung der Klägerin wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand allein auf die erlittene posttraumatische Belastungsstörung, wie sie durch das amtsärztliche Gutachten des Kreises T3. vom °. T1. °°°° und das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Frau Dr. med. T4. L. , vom °°. B2. °°°°, als Dienstunfallfolge festgestellt worden ist.
48Es braucht vor diesem Hintergrund nicht entschieden werden, ob die Mutter des Schülers gerade die staatliche Aufgabenwahrnehmung hat treffen wollen, was wiederum voraussetzen würde, dass die Klägerin durch das Festhalten des Kindes hinter dem Treppengeländer und ihren Widerstand gegen dessen Abholung aus der Schule noch im Rahmen ihrer Befugnisse handelte.
49Offen bleiben kann schließlich, ob die Schädigungshandlung rechtswidrig war, der Mutter des Schülers also nicht ein gesetzlicher Rechtfertigungsgrund, etwa in Gestalt des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder etwa eines Nothilferechts, zur Seite stand.
50Zu den Anforderungen an die Rechtswidrigkeit OVG NRW, Urteil vom 04. April 2011 – 1 A 3037/08 –, Rn. 45 f., juris m.w.N.
51Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2, 173 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 04. März 2016 - 3 K 2665/14
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 04. März 2016 - 3 K 2665/14
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 04. März 2016 - 3 K 2665/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Ist der Beamte infolge des Dienstunfalles dienstunfähig geworden und deswegen in den Ruhestand versetzt worden, so erhält er Unfallruhegehalt.
(2) Für die Berechnung des Unfallruhegehalts eines vor Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand versetzten Beamten wird der ruhegehaltfähigen Dienstzeit nur die Hälfte der Zurechnungszeit nach § 13 Abs. 1 hinzugerechnet; § 13 Absatz 4 gilt entsprechend.
(3) Der Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 erhöht sich um 20 Prozent. Das Unfallruhegehalt beträgt mindestens 66,67 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und darf 75 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nicht übersteigen. Es darf nicht hinter 75 Prozent der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4 zurückbleiben; § 14 Abs. 4 Satz 3 gilt entsprechend.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am heutigen Tag um 13:08 Uhr gestellte Antrag,
3- 1.4
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Fällung der Alleebäume an der N.-------straße und G. -X. -Straße in E. zu unterlassen, bis über das Bürgerbegehren und einen nachfolgenden Bürgerentscheid entschieden ist,
- 2.5
die Antragsgegnerin im Wege einer Zwischenverfügung zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung über den Antrag gem. Ziffer 1 Alleebäume in der N.-------straße nicht zu fällen,
hat keinen Erfolg.
7Der Antrag ist bereits unzulässig. Die Vertreter eines Bürgerbegehrens können nur gemeinschaftlich gerichtlichen Rechtsschutz beantragen.
8Vgl. Urteil der Kammer vom 17. September 2004 – 1 K 5435/01 – mwN.
9Abweichend hiervon wurde der Antrag nur im Namen der Antragstellerin als einer von drei Vertretern des Bürgerbegehrens gestellt; auch die Vollmacht des Verfahrensbevollmächtigten wurde nur von der Antragstellerin erteilt.
10Unabhängig davon ist der Antrag aber auch unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt in beiden Fällen voraus, dass der zu Grunde liegende materielle Anspruch, der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, der Anordnungsgrund, glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 294, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
11Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
12Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt zunächst nicht § 26 Abs. 6 Satz 6 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in Betracht. Hiernach darf, nachdem die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens festgestellt worden ist, bis zur Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde hierzu bestanden. Insoweit fehlt es offensichtlich an der die Sperrwirkung des Bürgerbegehrens auslösenden Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach Satz 1 der genannten Vorschrift.
13Weiterhin kann die Antragstellerin auch aus sonstigen Rechtsgründen nicht verlangen, dass die für den 16. März 2015 geplante Umsetzung der vom Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 2. März 2015 getroffenen Entscheidung, u.a. die fraglichen Alleebäume an der N.-------straße und der G. -X. -Straße zu fällen, unterbleibt. Zum einen hat sie zum jetzigen Zeitpunkt unbeschadet der weiteren Voraussetzungen schon deshalb keinen im Wege der einstweiligen Anordnung sicherungsfähigen Anspruch auf Feststellung der Zulässigkeit des von ihr heute eingereichten Bürgerbegehrens, weil dieses bisher keine Bürger unterzeichnet haben und unklar ist, ob die nach § 26 Abs. 4 GO NRW erforderliche Zahl von Unterschriften überhaupt zusammenkommen wird. Zum anderen besteht bei (noch) nicht gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW für zulässig erklärten Bürgerbegehren weder für den Rat noch für andere Organe eine „Entscheidungssperre“, wenn parallel ein denselben Sachverhalt betreffendes Verfahren zur Herbeiführung eines Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids betrieben wird. Das repräsentativ-demokratische System ist durch die Einführung des Bürgerentscheids als Element der unmittelbaren Demokratie ergänzt, nicht überlagert worden. Die beiden Entscheidungsformen sind gleichwertig, so dass ein Sicherungsanspruch zu Gunsten des Bürgerbegehrens selbst dann nicht besteht, wenn im Einzelfall eine Entscheidung der Gemeinde dadurch einen faktischen Vorrang erhält, dass diese Entscheidung wegen der Schwerfälligkeit des Verfahrens zur Herbeiführung eines Bürgerentscheides schon vor dessen Abschluss in die Tat umgesetzt werden kann. Der Sinn des repräsentativ-demokratischen Systems besteht gerade darin, eine organisatorisch und zeitlich handhabbare Form demokratischer Willensbildung für mitgliederstarke Körperschaften bereitzustellen.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. März 2004 – 15 B 522/04 – und vom 6. Dezember 2007 – 15 B 1744/07 –.
15Nur ausnahmsweise kann sich eine Beschränkung der Handlungsmacht der Gemeinde aus dem auch auf das Verhältnis der Gemeindeorgane zur Bürgerschaft anwendbaren Grundsatz der Organtreue ergeben.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Dezember 2007 – 15 B 1744/07 –, vom 29. März 2004 – 15 B 674/04 – und vom 19. März 2004 – 15 B 522/04 – m.w.N.
17Dieser Treuegrundsatz verpflichtet die Gemeindeorgane, sich gegenüber dem Bürgerbegehren so zu verhalten, dass dieses seine gesetzlich eröffnete Entscheidungskompetenz ordnungsgemäß wahrnehmen kann. Wegen der Gleichwertigkeit von Entscheidungen der Gemeindeorgane einerseits und von Bürgerbegehren andererseits ist die Treuepflicht allerdings nicht schon dann verletzt, wenn die Entscheidung des Gemeindeorgans dem Bürgerbegehren zuvorkommt. Vielmehr setzt ein treuwidriges Verhalten eines Gemeindeorgans voraus, dass dessen Handeln die Zielsetzung zu Grund liegt, dem Bürgerentscheid zuvor zu kommen und damit eine Willensbildung auf direkt-demokratischem Weg zu verhindern. Für die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Treueverstoßes trägt der Vertreter des Bürgerbegehrens die Beweislast.
18Vgl. OVG NRW aaO.
19Für eine solche Treuwidrigkeit ist hier schon deshalb nichts ersichtlich, weil sich die Antragstellerin nach den von ihr gemachten Angaben erst aufgrund einer Pressemeldung der Antragsgegnerin, durch die die für den 16. März 2015 beabsichtigten Fällarbeiten angekündigt wurden, entschieden hat, ein Bürgerbegehren zum Erhalt der Alleebäume anzustreben.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht geht hierbei in Anlehnung an Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von einem Hauptsachestreitwert in Höhe des Auffangwerts aus, von dem es in Verfahren der vorliegenden Art wegen des nur möglichen vorläufigen Rechtsschutzes einen hälftigen Abschlag vornimmt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Setzt sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aus und erleidet er infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall, so sind bei der Bemessung des Unfallruhegehalts 80 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe zugrunde zu legen, wenn er infolge dieses Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass sich für Beamte der Laufbahngruppe des einfachen Dienstes die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge mindestens nach der Besoldungsgruppe A 6, für Beamte der Laufbahngruppe des mittleren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 9, für Beamte der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 12 und für Beamte der Laufbahngruppe des höheren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 16 bemessen; die Einteilung in Laufbahngruppen gilt für die Polizeivollzugsbeamten, die sonstigen Beamten des Vollzugsdienstes und die Beamten des Einsatzdienstes der Berufsfeuerwehr entsprechend.
(2) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn der Beamte
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in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff oder - 2.
außerhalb seines Dienstes durch einen Angriff im Sinne des § 31 Abs. 4
(3) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn ein Beamter einen Einsatzunfall oder ein diesem gleichstehendes Ereignis im Sinne des § 31a erleidet und er infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist.
(4) (weggefallen)
Tatbestand
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Der 1948 geborene Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit als Richter am Amtsgericht im Dienst des Beklagten.
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Am 13. November 2007 wurde der Kläger nach einer Verhandlung von einem Verfahrensbeteiligten im Gerichtsgebäude beschimpft. Dritte hielten den Beteiligten von einem körperlichen Angriff auf den Kläger ab. Wegen dieses Vorfalls konnte der Kläger ab Januar 2008 krankheitsbedingt keinen Dienst mehr leisten. Mit seinem Einverständnis wurde er mit Ablauf des 30. September 2009 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Der Beklagte erkannte den Vorfall vom 13. November 2007 als Dienstunfall an.
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Im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung von Unfallausgleich stellte der Beklagte beim Kläger aufgrund einer amtsärztlichen Untersuchung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vom Unfalltag an von 35 vom Hundert und ab dem 13. Juni 2008 von 40 vom Hundert fest. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger ab dem 1. Juni 2009 Unfallausgleich für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert zu gewähren, wies das Verwaltungsgericht mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 20. Dezember 2011 (- 6 K 1358/09.KO -) ab.
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Den Antrag des Klägers, den Vorfall vom 13. November 2007 wegen seiner Schwere als qualifizierten Dienstunfall anzuerkennen und erhöhtes Unfallruhegehalt zu zahlen, lehnte der Beklagte ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die gebotenen strengen Anforderungen an das Merkmal des rechtswidrigen Angriffs seien nicht erfüllt. Es müsse sich um einen massiven Angriff gehandelt haben. Eine einfache Körperverletzung müsse unmittelbare Folge des zielgerichteten Handelns des Schädigers gewesen sein. Ferner müsse die objektive Gefahr einer schweren Körperverletzung bestanden haben.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Er beantragt,
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das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. August 2010 sowie den Bescheid des Ministeriums der Justiz vom 7. September 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 10. November 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das Vorliegen eines qualifizierten Dienstunfalls anzuerkennen und ein erhöhtes Unfallruhegehalt zu bewilligen,
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hilfsweise,
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das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. August 2010 sowie den Bescheid des Ministeriums der Justiz vom 7. September 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 10. November 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag vom 15. Juni 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
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äußerst hilfsweise,
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das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. April 2011 aufzuheben und die Rechtssache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 sowie §§ 141 und 125 Abs. 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Es erweist sich aber aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
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1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt § 37 BeamtVG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2004 (BGBl I S. 3592), der hier nach § 1 des am 1. September 2006 in Kraft getretenen Landesgesetzes zur Ersetzung und Ergänzung von Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes (Art. 4 des Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2007/2008 vom 21. Dezember 2007, GVBl S. 283) anwendbar ist. Für die Unfallfürsorge ist das Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst (vgl. Urteile vom 16. Mai 1963 - BVerwG 2 C 27.60 - BVerwGE 16, 103 <104> und - BVerwG 2 C 153.60 - Buchholz 237.7 § 142 LBG NRW Nr. 2 S. 5 und vom 6. Januar 1969 - BVerwG 6 C 38.66 - BVerwGE 31, 170 <172> = Buchholz 232 § 141a BBG Nr. 1 S. 2).
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Nach § 1 des Landesgesetzes i.V.m. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG wird einem Richter im Landesdienst das erhöhte Unfallruhegehalt nach Absatz 1 auch gewährt, wenn der Richter in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff einen Dienstunfall mit den in Absatz 1 genannten Folgen erleidet. Aufgrund der nicht angegriffenen und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass der Kläger in Ausübung seines Dienstes rechtswidrig angegriffen worden ist.
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Dem Oberverwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass § 1 des Landesgesetzes i.V.m. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG nicht voraussetzt, dass der rechtswidrige Angriff für den Beamten oder Richter eine besondere Lebensgefahr begründet hat. Wortlaut und Systematik der Regelungen schließen es aus, die in § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG genannte Voraussetzung als ungeschriebenes Merkmal der Tatbestände des Absatzes 2 anzusehen.
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Mit § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG unvereinbar sind dagegen die Anforderungen des Oberverwaltungsgerichts an das Vorliegen eines rechtswidrigen Angriffs.
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Nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG wird erhöhtes Unfallruhegehalt nach Absatz 1 auch gewährt, wenn der Beamte in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff einen Dienstunfall mit den in Absatz 1 genannten Folgen erleidet. Demnach muss es sich bei dem rechtswidrigen Angriff um einen Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG handeln. Dies setzt nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung des Dienstunfalls unter anderem voraus, dass der Angriff einen Körperschaden des Beamten, d.h. eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität oder eine psychische Krankheit verursacht hat. Er muss bei wertender Betrachtungsweise zumindest eine wesentliche Mitursache für den Körperschaden darstellen (Urteile vom 15. September 1994 - BVerwG 2 C 24.92 - Buchholz 237.6 § 227 NdsLBG Nr. 1 S. 3 f. und vom 18. April 2002 - BVerwG 2 C 22.01 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 12 S. 2 f.; Beschluss vom 8. März 2004 - BVerwG 2 B 54.03 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 13 S. 4; vgl. zu § 31 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG: Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 2 C 134.07 - BVerwGE 135, 176 = Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 22
).
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Bei Berücksichtigung des systematischen Regelungszusammenhangs mit dem Dienstunfallbegriff des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG liegt ein Angriff im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG vor, wenn sich der Beamte in Ausübung oder infolge des Dienstes einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Verhalten eines Dritten ausgesetzt sieht, durch das ihm zielgerichtet, d.h. mit zumindest bedingtem Vorsatz, ein Körperschaden zugefügt werden soll (Urteil vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 2 C 17.98 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 2 S. 1 f.; vgl. zum inhaltsgleichen Angriffsbegriff des § 31 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG: Urteil vom 29. Oktober 2009 a.a.O.
).
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Allerdings ist nicht erforderlich, dass der Angriff zu der vom Täter beabsichtigten Körperverletzung des Beamten geführt hat. Es reicht aus, dass dieser in der konkreten Gefahr der beabsichtigten Körperverletzung geschwebt hat und infolgedessen einen anderweitigen Körperschaden, insbesondere eine Verletzung der seelischen Integrität erlitten hat (zu § 31 Abs. 4 BeamtVG: Urteil vom 29. Oktober 2009 a.a.O.
). Andernfalls wären solche Fälle nicht erfasst, bei denen nur der Zufall eine Verletzung der körperlichen Integrität verhindert hat, der Beamte oder Richter aber wegen der erlittenen Bedrohung erheblich psychisch belastet ist und erkrankt.
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Damit sind zusätzliche Anforderungen, wie "massiver Angriff", "Vollendung einer einfachen Körperverletzung", "körperlicher Kontakt zwischen dem Angreifer und dem Amtsträger" oder "objektiv bestehende Gefahr einer schweren Körperverletzung", nicht zu vereinbaren. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Schädiger eine Waffe bei sich führt, um eine Drohung in die Tat umsetzen zu können. Denn auch ein drohender Schlag mit der Faust begründet für das Opfer die objektive Gefahr eines erheblichen Körperschadens.
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Diese Auslegung wird auch dem Zweck des § 37 BeamtVG gerecht. Der Gesetzgeber will mit den Fallgruppen des § 37 BeamtVG einer gesteigerten, im dienstlichen Bereich wurzelnden Gefährdungslage durch die Gewährung eines erhöhten versorgungsrechtlichen Schutzes Rechnung tragen. Nicht zuletzt im öffentlichen Interesse an einer effektiven Erledigung der öffentlichen Aufgaben soll die Bereitschaft des Beamten oder Richters zur Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten gestärkt werden, weil er damit rechnen kann, die Folgen dienstlich bedingter Körperschäden in Fällen einer solchen Gefährdung nicht allein tragen zu müssen (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 19 und 21). Niveaugleich mit den anderen Fallgruppen des erhöhten Unfallruhegehalts ist die Gefährdungslage nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG dann gegeben, wenn die Verletzungshandlung vom Schädiger mit Wissen und Wollen der zu erwartenden Rechtsgutbeeinträchtigung ausgeführt wird und sie in einem inneren Zusammenhang mit der Dienstverrichtung des Amtsträgers steht (Urteil vom 8. Oktober 1998 a.a.O. S. 2).
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Dem berechtigten Interesse des Dienstherrn, diesen erhöhten Dienstunfallschutz nicht ausufern zu lassen, ist durch die besonders hohen Anforderungen an die Folgen des Dienstunfalls in § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG Rechnung getragen.
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Nach den nicht angegriffenen und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts stand das Verhalten des Schädigers auch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Diensthandlung des Klägers. Denn der Schädiger hatte den Kläger angegriffen, weil er mit dessen Verhandlungsführung nicht einverstanden war.
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Begründet ist auch die Verfahrensrüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Würdigung des Sachverhalts wesentliche Aspekte des tatsächlichen Geschehens unberücksichtigt gelassen.
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Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Danach ist das Gericht verpflichtet, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen (Beschluss vom 19. August 2008 - BVerwG 3 B 11.08 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 110 Rn. 6 m.w.N.). Dieses Gebot hat das Oberverwaltungsgericht verletzt.
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Bei seiner Annahme, der Schädiger habe lediglich versucht, den Kläger in seinem sozialen Geltungsanspruch herabzusetzen, ihn zu beleidigen und auch zu bedrohen, hat das Oberverwaltungsgericht wesentliche Aspekte des Vorfalls unberücksichtigt gelassen. Denn der Schädiger hat den Kläger wegen seiner Verhandlungsführung nicht nur verbal bedroht ("Dich mach' ich kalt" und "Du bist tot"), sondern hat auch versucht, auf ihn einzuschlagen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hatte sich der Schädiger dem Kläger im Vorraum des Gerichtssaals bis auf wenige Zentimeter genähert, hatte sich vor diesem aufgebaut, hatte die Faust erhoben, um auf den Kläger einzuschlagen, und konnte lediglich von umstehenden Personen hiervon abgehalten werden.
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2. Das Berufungsurteil erweist sich aber aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht genannten Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dem Erfolg des Hauptantrags und der gestaffelten Hilfsanträge des Klägers steht entgegen, dass der rechtswidrige Angriff vom 13. November 2007 beim Kläger nicht zu den Folgen geführt hat, die das Gesetz für die Zahlung des erhöhten Unfallruhegehalts voraussetzt.
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Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG muss der Beamte oder Richter infolge des Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhestand getreten sowie im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vom Hundert beschränkt sein. Aufgrund der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts, mit dem die Klage des Klägers auf Gewährung von Unfallausgleich für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert ab dem 1. Juli 2009 abgewiesen wurde, steht fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht im Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles um 50 vom Hundert gemindert ist.
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Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Die Beteiligten der Verfahren sind identisch; auch die Klage auf Gewährung von Unfallausgleich nach § 35 Abs. 1 BeamtVG richtete sich gegen den Beklagten. Für die gesetzliche Rechtskraftwirkung ist ohne Bedeutung, dass der Streitgegenstand des Revisionsverfahrens (erhöhtes Unfallruhegehalt) nicht mit dem Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens (Unfallausgleich) identisch ist. Die Rechtskraft eines Urteils bindet auch, wenn und soweit sich die im Urteil entschiedene Frage in einem späteren Verfahren mit anderem Streitgegenstand als Vorfrage stellt (Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <33> m.w.N. = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 3 S. 4 f.). Die Rechtskraft eines Urteils soll gerade verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird. Das Gericht ist im Folgeverfahren an einer erneuten Sachprüfung gehindert (Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <258> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 S. 15 und vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <26> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68 S. 2 f. m.w.N.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032).
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Streitgegenstand des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts war nicht der Anspruch auf Unfallausgleich nach § 35 Abs. 1 BeamtVG dem Grunde nach. Diesen Anspruch hat die Beklagte bereits durch den Feststellungsbescheid vom 7. Juli 2009 - allerdings nur für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vom Hundert - rechtsverbindlich anerkannt. Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht war vielmehr der vom Kläger darüber hinaus geltend gemachte Anspruch auf Unfallausgleich ab dem 1. Juli 2009 für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert, der allein vom Grad der Minderung abhängt. Damit war der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers Teil des Streitgegenstandes. Mit Eintritt der Rechtskraft des die Klage abweisenden Urteils steht nach § 121 Nr. 1 VwGO auch für Verfahren mit einem anderen Streitgegenstand fest, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in seiner Erwerbsfähigkeit um 50 vom Hundert gemindert ist.
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Das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts erfasst auch den für den Anspruch nach § 1 des Landesgesetzes i.V.m. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand. Denn das Verwaltungsgericht hat über den Anspruch auf Unfallausgleich für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zur mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 2011 entschieden. Der Kläger ist mit Ablauf des 30. September 2009 in den Ruhestand getreten.
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Unerheblich ist der Umstand, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Gewährung eines Unfallausgleichs für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert ab dem 1. Juli 2009 erst während des Revisionsverfahrens rechtskräftig geworden ist. Das Urteil kann berücksichtigt werden, weil der Eintritt der Rechtskraft nicht weiter beweisbedürftig ist, seine Verwertung einer endgültigen Streiterledigung dient, die Beteiligten vom Senat hierauf hingewiesen worden sind und schließlich schützenswerte Interessen der Beteiligten dadurch nicht berührt werden (Urteil vom 21. Juni 1979 - BVerwG 5 C 47.78 - BVerwGE 58, 146 <152> = Buchholz 436.0 § 90 BSHG Nr. 15 S. 6; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1984 - III ZR 27/83 - BGHZ 92, 302 = NJW 1985, 1338 f., jeweils m.w.N.)
(1) Setzt sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aus und erleidet er infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall, so sind bei der Bemessung des Unfallruhegehalts 80 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe zugrunde zu legen, wenn er infolge dieses Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass sich für Beamte der Laufbahngruppe des einfachen Dienstes die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge mindestens nach der Besoldungsgruppe A 6, für Beamte der Laufbahngruppe des mittleren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 9, für Beamte der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 12 und für Beamte der Laufbahngruppe des höheren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 16 bemessen; die Einteilung in Laufbahngruppen gilt für die Polizeivollzugsbeamten, die sonstigen Beamten des Vollzugsdienstes und die Beamten des Einsatzdienstes der Berufsfeuerwehr entsprechend.
(2) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn der Beamte
- 1.
in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff oder - 2.
außerhalb seines Dienstes durch einen Angriff im Sinne des § 31 Abs. 4
(3) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn ein Beamter einen Einsatzunfall oder ein diesem gleichstehendes Ereignis im Sinne des § 31a erleidet und er infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist.
(4) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
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Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.