Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 13. März 2015 - 1 L 891/15
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am heutigen Tag um 13:08 Uhr gestellte Antrag,
3- 1.4
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Fällung der Alleebäume an der N.-------straße und G. -X. -Straße in E. zu unterlassen, bis über das Bürgerbegehren und einen nachfolgenden Bürgerentscheid entschieden ist,
- 2.5
die Antragsgegnerin im Wege einer Zwischenverfügung zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung über den Antrag gem. Ziffer 1 Alleebäume in der N.-------straße nicht zu fällen,
hat keinen Erfolg.
7Der Antrag ist bereits unzulässig. Die Vertreter eines Bürgerbegehrens können nur gemeinschaftlich gerichtlichen Rechtsschutz beantragen.
8Vgl. Urteil der Kammer vom 17. September 2004 – 1 K 5435/01 – mwN.
9Abweichend hiervon wurde der Antrag nur im Namen der Antragstellerin als einer von drei Vertretern des Bürgerbegehrens gestellt; auch die Vollmacht des Verfahrensbevollmächtigten wurde nur von der Antragstellerin erteilt.
10Unabhängig davon ist der Antrag aber auch unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt in beiden Fällen voraus, dass der zu Grunde liegende materielle Anspruch, der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, der Anordnungsgrund, glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 294, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
11Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
12Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt zunächst nicht § 26 Abs. 6 Satz 6 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in Betracht. Hiernach darf, nachdem die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens festgestellt worden ist, bis zur Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde hierzu bestanden. Insoweit fehlt es offensichtlich an der die Sperrwirkung des Bürgerbegehrens auslösenden Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach Satz 1 der genannten Vorschrift.
13Weiterhin kann die Antragstellerin auch aus sonstigen Rechtsgründen nicht verlangen, dass die für den 16. März 2015 geplante Umsetzung der vom Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 2. März 2015 getroffenen Entscheidung, u.a. die fraglichen Alleebäume an der N.-------straße und der G. -X. -Straße zu fällen, unterbleibt. Zum einen hat sie zum jetzigen Zeitpunkt unbeschadet der weiteren Voraussetzungen schon deshalb keinen im Wege der einstweiligen Anordnung sicherungsfähigen Anspruch auf Feststellung der Zulässigkeit des von ihr heute eingereichten Bürgerbegehrens, weil dieses bisher keine Bürger unterzeichnet haben und unklar ist, ob die nach § 26 Abs. 4 GO NRW erforderliche Zahl von Unterschriften überhaupt zusammenkommen wird. Zum anderen besteht bei (noch) nicht gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW für zulässig erklärten Bürgerbegehren weder für den Rat noch für andere Organe eine „Entscheidungssperre“, wenn parallel ein denselben Sachverhalt betreffendes Verfahren zur Herbeiführung eines Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids betrieben wird. Das repräsentativ-demokratische System ist durch die Einführung des Bürgerentscheids als Element der unmittelbaren Demokratie ergänzt, nicht überlagert worden. Die beiden Entscheidungsformen sind gleichwertig, so dass ein Sicherungsanspruch zu Gunsten des Bürgerbegehrens selbst dann nicht besteht, wenn im Einzelfall eine Entscheidung der Gemeinde dadurch einen faktischen Vorrang erhält, dass diese Entscheidung wegen der Schwerfälligkeit des Verfahrens zur Herbeiführung eines Bürgerentscheides schon vor dessen Abschluss in die Tat umgesetzt werden kann. Der Sinn des repräsentativ-demokratischen Systems besteht gerade darin, eine organisatorisch und zeitlich handhabbare Form demokratischer Willensbildung für mitgliederstarke Körperschaften bereitzustellen.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. März 2004 – 15 B 522/04 – und vom 6. Dezember 2007 – 15 B 1744/07 –.
15Nur ausnahmsweise kann sich eine Beschränkung der Handlungsmacht der Gemeinde aus dem auch auf das Verhältnis der Gemeindeorgane zur Bürgerschaft anwendbaren Grundsatz der Organtreue ergeben.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Dezember 2007 – 15 B 1744/07 –, vom 29. März 2004 – 15 B 674/04 – und vom 19. März 2004 – 15 B 522/04 – m.w.N.
17Dieser Treuegrundsatz verpflichtet die Gemeindeorgane, sich gegenüber dem Bürgerbegehren so zu verhalten, dass dieses seine gesetzlich eröffnete Entscheidungskompetenz ordnungsgemäß wahrnehmen kann. Wegen der Gleichwertigkeit von Entscheidungen der Gemeindeorgane einerseits und von Bürgerbegehren andererseits ist die Treuepflicht allerdings nicht schon dann verletzt, wenn die Entscheidung des Gemeindeorgans dem Bürgerbegehren zuvorkommt. Vielmehr setzt ein treuwidriges Verhalten eines Gemeindeorgans voraus, dass dessen Handeln die Zielsetzung zu Grund liegt, dem Bürgerentscheid zuvor zu kommen und damit eine Willensbildung auf direkt-demokratischem Weg zu verhindern. Für die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Treueverstoßes trägt der Vertreter des Bürgerbegehrens die Beweislast.
18Vgl. OVG NRW aaO.
19Für eine solche Treuwidrigkeit ist hier schon deshalb nichts ersichtlich, weil sich die Antragstellerin nach den von ihr gemachten Angaben erst aufgrund einer Pressemeldung der Antragsgegnerin, durch die die für den 16. März 2015 beabsichtigten Fällarbeiten angekündigt wurden, entschieden hat, ein Bürgerbegehren zum Erhalt der Alleebäume anzustreben.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht geht hierbei in Anlehnung an Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von einem Hauptsachestreitwert in Höhe des Auffangwerts aus, von dem es in Verfahren der vorliegenden Art wegen des nur möglichen vorläufigen Rechtsschutzes einen hälftigen Abschlag vornimmt.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.