Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Nov. 2015 - 5 K 1472/15

bei uns veröffentlicht am10.11.2015

Tenor

Der Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 wird aufgehoben. Das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Stadt X vom 19.04.2015 für ungültig zu erklären und auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind.

Die Gerichtskosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen das beklagte Land zur Hälfte und die Beigeladenen zu 1 und 2 zu je einem Viertel. Das beklagte Land und die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des beklagten Landes, eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären.
Die beigeladene Stadt bestimmte laut Bekanntmachung in ihrem Amtsblatt ("Stadtzeitung") vom 13.02.2015 den 19.04.2015 als Tag der Wahl des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin. Neben dem Beigeladenen zu 2, der amtierender Bürgermeister war, bewarb sich u.a. auch die Klägerin.
In der Ausgabe des Amtsblatts vom 13.03.2015 erschien auf den Seiten 5 und 6 ein Bericht, verfasst von X, Journalist des "netzwerks Südbaden“ „mit“ Bürgermeister X zum Thema "In X wird kräftig investiert“. Darin heißt es auszugsweise:
"Im April stellt sich Xs Bürgermeister X (58) noch einmal zur Wahl. Zum vierten Mal will der gebürtige Schwabe Stadtoberhaupt der alten Zähringerstadt werden und dagegen spricht rein gar nichts. Seit 1991, seit X zum ersten Mal zum Bürgermeister der Stadt gewählt wurde - der Xgrößten im Landkreis X, ist X auf einem ziemlich strikten Erfolgskurs. … Erst in diesen Tagen hat eine Meldung über eine neue Industrieansiedlung in der 12.000 Einwohner Stadt Schlagzeilen gemacht. Das ambitionierte schweizerisch deutsche Möbelunternehmen X … hat ein 16 ha großes Industriegebiet auf Xer Markung erworben. … Für die Gemeinde und Bürgermeister X ist der Deal mit X einerseits ein Glücksfall, andererseits wohl auch ein Erfolg geschickter kommunaler Wirtschaftspolitik. Ursprünglich hatte der international aufgestellte Automobilzulieferer X 1970 in X ein 60 ha großes Industriegebiet erworben. 3000 Arbeitsplätze, so die Planung damals, sollten hier im X entstehen. Das Projekt wurde eingedampft: Heute sind 600 Mitarbeiter bei der Nachfolgefirma… in X tätig, die Gemeinde erwarb 25 ha aus dem Grundstücksgeschäft wieder zurück. Kein schlechtes Geschäft. Es gelang X, auf einen Teil des Areals neben der deutschlandweit X Bäckerei X… die Firmen… anzusiedeln... X, der auch Wirtschaftsförderer der Stadt ist ("Die Unternehmer wollen mit dem Bürgermeister reden, deshalb mache ich das lieber selbst“), ist jedenfalls zufrieden … Es gibt spezielle Programme, um die Abgänger von Xer Schulen … für eine Ausbildung vor Ort zu interessieren. Durchaus mit Erfolg, sagt Bürgermeister X. … Dabei war Xs Weg zu einer der erfolgreichsten Städte in Südbaden keineswegs programmiert, im Gegenteil. … Heute steht die Stadt vor der Herausforderung, im Wettbewerb der Kommunen auch eine gewichtige Rolle zu spielen. X, übrigens auch Teamchef der Deutschen Fußballnationalmannschaft der Bürgermeister und Inhaber einer Trainer-A-Lizenz, sieht das sportlich: Bis 2022, dann kommt eine Landesgartenschau nach X, wird die Stadt wieder an den Rhein gerückt sein. Es ist ein Mammutprojekt, eng verzahnt mit der Weiterentwicklung des Integrierten Rheinprogramms … In der Innenstadt wird derzeit ein über 3000 m² großes Areal entwickelt, das sich im Besitz der Stadt befindet – zur Zeit sind allerdings noch die Archäologen dabei, die historische Substanz zu erkunden. Projektentwickler ist der Bürgermeister, der sich auf der jüngsten Immobilienmesse ExpoReal schon mal umgeschaut hat, welcher Einzelhändler als Publikumsmagnet nach X mit seiner ganz besonderen Stadtstruktur passen könnte. …“
Der Ausgabe des Amtsblatts vom 17.04.2015 lag eine vierseitige Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 bei. Das Titelblatt zeigt sein Bild mit den Worten: „X“, „Bürgermeister“ „Gemeinsam und weiter erfolgreich in die Zukunft“. Die Broschüre, die kein Impressum enthält, schließt mit den Worten „Ihr X, Bürgermeister“.
Bei der Wahl am 19.04.2015 gaben laut der öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses im Amtsblatt vom 24.04.2015 von 9.470 Wahlberechtigten 4190 (44,25 %) ihre Stimme ab. 23 Stimmen waren ungültig, 4.167 Stimmen waren gültig. Es entfielen auf den Beigeladenen zu 2 2.456 (58,94 %), auf die Klägerin 1.552 (37,25%), auf den weiteren Bewerber X 156 (3,46 %) und auf sonstige Personen 15 gültige Stimmen.
Die Klägerin erhob am 30.04.2015 Einspruch und trug vor: Bei dem Bericht in der „Stadtzeitung“ vom 13.03.2015 handele es sich um eine unzulässige Wahlbeeinflussung, weil dieser Bericht offenkundig eine Wahlempfehlung in amtlicher Eigenschaft darstelle. Dafür spreche das Medium Amtsblatt, die Verantwortlichkeit des Beigeladenen zu 2 für die Stadtzeitung und seine Nennung als Mitverantwortlicher für die Berichterstattung. In dem Bericht würden die Grenzen einer zulässigen Öffentlichkeitsarbeit überschritten. Hinzu komme, dass der Bericht anders als andere im Stadtanzeiger enthaltenen Berichte keine bzw. kaum aktuelle Geschehnisse zum Gegenstand habe. Der darin liegende Verstoß gegen das Neutralitätsgebot werde dadurch verstärkt, dass ihr Wunsch vom 07.04.2015 um Veröffentlichung eines werbenden Textes im Amtsblatt von einer Mitarbeiterin der Stabsstelle des Bürgermeisters mit einem Vorschlag zur neutralen Veröffentlichung beantwortet worden sei. Daran zeige sich, dass die beigeladene Stadt nur zum Vorteil des Amtsinhabers werbende Veröffentlichungen im Amtsblatt gestattet habe. Nach alldem könne dahinstehen, ob auch die dem Amtsblatt vom 07.04.2015 beigefügte Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 gegen das Neutralitätsgebot verstoße. Dafür spreche allerdings schon die enge räumliche Verbindung von Broschüre und Amtsblatt und der Umstand, dass der Broschüre kein Impressum beigefügt gewesen sei. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen über die Wahlzeit und eine rechtswidrige Wahlbeeinflussung liege darin, dass auf der Homepage der beigeladenen Stadt am Wahltag in der Zeit zwischen 16:00 Uhr und 17:51 Uhr in Fettdruck zu lesen gewesen sei:
"Keiner der Bewerber hat die notwendige Mehrheit von über 50 % der gültigen Stimmen erreicht.
Die Neuwahl findet am 3.5.2015 statt.“
Darunter seien unter der Überschrift „TEST Ergebnis der Bewerber TEST“ unter einem Balkendiagramm mit Prozentangaben auch eine Tabelle mit Stimmergebnissen und eine Wahlstatistik gezeigt worden. Damit habe die Beigeladene zu 1 gegen ihre Verpflichtung verstoßen, während der Wahlzeit (bis 18:00 Uhr) die Veröffentlichung von (angeblichen) Wahlergebnissen zu unterlassen. Es sei nicht auszuschließen, dass ein unbefangener, flüchtiger Leser übersehen hätte, dass es sich nur um ein Testbild gehandelt habe, und deshalb zur Auffassung gelangt sei, dass es auf seine Stimme nicht mehr entscheidend ankomme, weil sowieso eine Neuwahl stattfinden müsse. Denkbar sei auch, dass Wähler den Eindruck erhalten hätten, die Entscheidung könne knapp zulasten des Beigeladenen zu 2 ausgehen und nur deshalb in der verbleibenden Wahlzeit noch ihre Stimme abgegeben hätten. Durch diese Vorabveröffentlichung habe die Beigeladene zu 1 auch gegen das Verbot unzulässiger Wahlpropaganda in und nahe der Wahlräume verstoßen. Schließlich habe die Beigeladene zu 1 gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Wahl verstoßen, indem der Wahlvorstand des Wahllokals 5 (Kreisgymnasium) bei der Auszählung der Stimmen mehrere Wähler angewiesen habe, 4 bis 5 m von den Zähltischen Abstand zu halten; denn dadurch hätten die Zeugen die Auszählung der Stimmen nicht einsehen können. Die geltend gemachten Verstöße seien auch jeweils erheblich. Insoweit genüge ein möglicher, nicht ganz fernliegender Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Ein solcher Zusammenhang sei bei einer unzulässigen Wahlbeeinflussung regelmäßig anzunehmen, wenn es dafür keine gegenteiligen Anhaltspunkte gebe. Hinsichtlich des Verstoßes gegen die Öffentlichkeit der Stimmauszählung sei insoweit von Bedeutung, dass sie im Wahlbezirk 5 mit lediglich 32 % der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis erhalten habe, während der Beigeladene zu 2 dort außergewöhnlich gut abgeschnitten habe.
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Die beigeladene Stadt nahm am 15.05.2015 wie folgt Stellung: Der Bericht im Amtsblatt vom 13.03.2015 sei in dessen redaktionellem Teil erschienen. Verantwortlich für diesen Teil sei ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Es handele sich um einen Bericht über ein Gespräch des genannten Journalisten mit dem Beigeladenen zu 2 zur wirtschaftlichen Situation und Entwicklung von X, das im Januar 2015 stattgefunden habe und in der Februarausgabe von „X“ veröffentlicht worden sei. Zu der Wiedergabe eines Test-Wahlergebnisses sei es wie folgt gekommen: Ab 16.30 Uhr sei auf der Homepage der Stadt ein Link freigeschaltet gewesen. Statt des vorgesehenen Textes „das Ergebnis der Bürgermeisterwahl können sie am 19.04.2015 ab ca. 19:00 Uhr hier abrufen“ sei ein nicht gelöschtes Testergebnis gezeigt worden. Der von der Klägerin vorgelegte Screenshot sei unvollständig. Am obersten Rand des Bildschirms sei (ebenfalls) in großen Buchstaben zweimal das Wort Test erschienen. Der Fehler habe um 17:05 Uhr behoben werden können. Das Bild sei insgesamt 28 mal extern aufgerufen worden. Der Einspruch der Klägerin sei unzulässig. Sie mache nicht die Verletzung eigener Rechte geltend, sondern rüge nur objektiv-rechtliche Verstöße. Der Einspruch sei im Übrigen auch unbegründet. Der Artikel in der „Stadtzeitung“ vom 13.03.2015 könne die Wahl nicht unzulässig beeinflusst haben, weil er vom Wahltermin zu weit entfernt gewesen sei. Damals sei der Beigeladene zu 2 noch der einzige Bewerber gewesen. Der Artikel sei zudem sachlich, neutral, frei von Wahlwerbung und Wahlkampfpolemik. Auch die Verteilung des Wahlprospekts des Beigeladene zu 2 mit der „Stadtzeitung“ vom 17.04.2015 über den X Verlag sei nicht zu beanstanden. Diese Praxis sei von einem Gemeinderatsbeschluss aus dem Dezember 1992 gedeckt. Die versehentliche Veröffentlichung eines Test-Wahlergebnisses auf der Homepage der Stadt sei dem Themenkreis der Bekanntmachung des Wahlergebnisses zuzurechnen. Fehler dabei könnten bei der Anfechtung der Wahl nicht gerügt werden. Es habe sich auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung gehandelt. Bei der Auszählung der Stimmen sei die Öffentlichkeit gewahrt worden. Die Mitglieder des Wahlausschusses hätten Beobachter der Auszählung auf einen zulässigen Mindestabstand von 2 bis 3 m verwiesen. Die geltend gemachten Verstöße wären auch nicht erheblich.
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Auf Nachfrage des Landratsamts teilte der Beigeladene zu 2 laut einem Vermerk des Landratsamts vom 22.05.2015 telefonisch mit, dass er die Kosten für den Druck und die Verteilung seines Wahlprospekts aus eigenen Mitteln getragen habe und legte insoweit an ihn ausgestellte Rechnungen vor.
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Mit Bescheid vom 02.06.2015 wies das Landratsamt den Einspruch der Klägerin zurück und führte aus: Der Einspruch sei zulässig. Die Klägerin mache die Verletzung eigener Rechte geltend. Der Einspruch sei aber nicht begründet. Mit dem Bericht „In X wird kräftig investiert“ sei allerdings gegen den Grundsatz der freien Wahl, die daraus folgende Neutralitätspflicht des Bürgermeisters und das Gebot der Chancengleichheit verstoßen worden. Der Bericht sei nicht ausschließlich neutral gehalten und sachbezogen. Zahlreiche Äußerungen darin seien als positiv gegenüber dem amtierenden und wieder kandidierenden Beigeladenen zu 2 einzuordnen, es sei auch nicht auszuschließen, dass dies auch als Werbung für den Verbleib des bisherigen Bürgermeisters verstanden werde. Die Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit seien insoweit überschritten. Es bestehe aber nicht die - erforderliche - konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit, dass dieser Wahlfehler das Wahlergebnis beeinflusst habe. Dazu sei der Vorsprung des Beigeladenen zu 2 mit 904 Stimmen zum Ergebnis der Klägerin zu groß; auch habe er die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit von 2.084 Stimmen um 372 Stimmen nicht nur knapp übertroffen. Dass dieses deutliche Wahlergebnis auf den festgestellten Wahlfehler zurückzuführen sei, sei damit eine allenfalls theoretische und äußerst fernliegende Möglichkeit. Auch sei der Bericht mehr als fünf Wochen vor der Wahl zu einem Zeitpunkt erschienen, als sich noch keine weiteren Bewerber gemeldet gehabt hätten; es erscheine als sehr fraglich, ob der Bericht dem Wähler bei der Stimmabgabe in Anbetracht der geänderten Bewerberkonstellation und des sich anschließenden Wahlkampfs noch in Erinnerung gewesen war. Zudem entspreche es der Lebenserfahrung, dass zahlreiche Wähler bis kurz vor der Wahl relativ offen seien und sich erst zuletzt (spontan) entschieden, ob und ggf. welchen Bewerber oder welche Bewerberin sie überhaupt wählten. Die weiteren gerügten Wahlmängel lägen nicht vor. Die Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit der Ausgabe der „Stadtzeitung“ vom 17.04.2015 habe nicht gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Diese Wahlbroschüre habe nicht den Eindruck eines amtlichen Schriftstücks erweckt. Sie sei von dem Beschluss des Gemeinderats vom 07.02.1992 gedeckt, der zulasse, dass in der „Stadtzeitung“ Wahlwerbung in Anzeigen- oder Beilagenform vor den anstehenden Wahlterminen aufgenommen werden dürften. Auch habe der Beigeladene zu 2 die Wahlbroschüre selbst in Auftrag gegeben und deren Verteilung bezahlt. Soweit erkennbar, sei die Wahlbroschüre damit auch nicht durch den Einsatz persönlicher oder sachlicher Mittel der Beigeladenen zu 1 verteilt worden. Von der Veröffentlichung eines Testwahlergebnisses seien die Vorschriften über die Wahlzeit nicht berührt. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Veröffentlichung objektiv geeignet gewesen sei, den Wählerwillen zu beeinflussen, weil es als Testbild und nicht als Wiedergabe eines amtlichen (Zwischen-)Ergebnisses erkennbar gewesen sei. In der Veröffentlichung des Testbilds liege auch keine unzulässige Wahlpropaganda. Schließlich ergebe sich aus der Wahlniederschrift des Wahlvorstands im Wahlbezirk 5 und aus den Angaben der Beigeladenen nicht, dass die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen verletzt worden seien.
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Die Klägerin hat am 01.07.2015 Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor: Auch die gemeinsame Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit der Ausgabe des Amtsblatts der Beigeladenen zu 1 vom 17.04 2015 sei rechtswidrig gewesen. Es verstoße gegen das Neutralitätsgebot, dass diese Möglichkeit nicht jedem Kandidaten in gleicher Weise zur Verfügung gestanden habe. Der vorgelegte Gemeinderatsbeschluss beziehe sich nicht auf den Vertrag mit dem X Verlag. Er betreffe auch nur Parteien und Gruppierungen, nicht aber Kandidaten für eine Bürgermeisterwahl. Dementsprechend seien die anderen Kandidaten auch nicht über eine solche Möglichkeit informiert worden. Gegen das Neutralitätsgebot verstoße auch, dass die Wahlbroschüre vor allem wegen der wiederholten Nennung der Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ und auch wegen der darin angegebenen e-mail Adresse „[email protected]“ den Eindruck habe erwecken müssen, dass es sich bei der Beilage um eine amtliche Information handele. Nach Aktenlage sei zudem davon auszugehen, dass die Wahlbeilage nicht von dem Beigeladenen zu 2 persönlich, sondern durch öffentliche Mittel finanziert worden sei. Mit diesem Einwand sei sie auch nicht präkludiert, es reiche vielmehr aus, dass sie mit ihrem Einspruch auch die Verteilung der Wahlbroschüre mit dem Amtsblatt gerügt habe. Die vorgelegten Rechnungen seien erst nach der Wahl erstellt worden; in der Rechnung des X Verlags sei zudem als Datum der Bestellung der 13.05.2015 angegeben. Dies alles begründe den Anschein, dass der Beigeladene zu 2 vereinbart habe oder stillschweigend davon ausgegangen sei, dass die Verteilung der Prospekte für ihn kostenfrei sei. Dass bei der Auszählung der Stimmen im Wahlbezirk 5 von dem Stadtrat X. und von Frau X. angewiesen worden sei, von dem Auszähltisch einen Abstand von 4 bis 5 m einzuhalten, könne von mehreren Zeugen bestätigt werden. Auch dieser Wahlfehler führe zur Ungültigkeit der Wahl. Ob eine Stimmenmehrheit von 372 Stimmen deutlich oder weniger deutlich sei, hänge vom Stimmenverhältnis und von der Wahlbeteiligung ab. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Bericht in der „Stadtzeitung“ allen Haushalten und damit allen Wählern zugegangen sei. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei eine Ursächlichkeit eines Wahlfehlers bei einem vergleichbaren Ergebnis angenommen worden. Der zeitliche Abstand des Wahlfehlers zum Wahltag ändere daran nichts, zumal den Wählern der Artikel durch einen kritischen Leserbrief in der Badischen Zeitung vom 10.04.2015 nochmals in Erinnerung gerufen worden sei. In der Rechtsprechung werde davon ausgegangen, dass das Gebot äußerster Zurückhaltung amtlicher Organe mit der Bestimmung des Wahltags bzw. für einen Zeitraum von drei Monaten bis zum Wahltag gelte. Überhaupt werde bei einer unzulässigen Wahlbeeinflussung ohne weiteres die konkrete Möglichkeit der Erheblichkeit des Wahlfehlers angenommen. Gleiches gelte hinsichtlich der gemeinsamen Verteilung von Amtsblatt und Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 und auch hinsichtlich der Veröffentlichung des Testwahlergebnisses. Insoweit treffe - was Zeugenaussagen und eine von der Klägerin eingeholte gutachterliche Stellungnahme des Informatikers X. vom 04.08.2015 erweisen würden - nicht zu, dass diese nur bis 17:05 Uhr abrufbar gewesen sei.
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Die Klägerin beantragt,
15 
den Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl der Stadt X vom 19.04.2015 für ungültig zu erklären und auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind,
16 
hilfsweise, den Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, das Ergebnis der Bürgermeisterwahl neu festzustellen und auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind,
17 
weiter hilfsweise, den Ergänzungsbescheid vom 02.11.2015 aufzuheben das beklagte Land zu verpflichten, auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind.
18 
Das beklagte Land und die Beigeladenen zu 1 beantragen,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Das beklagte Land verteidigt den angefochtenen Bescheid.
21 
Die Beigeladene zu 1 trägt ergänzend vor: Der Bericht im Amtsblatt vom 13.03.2015 sei keine unzulässige Wahlwerbung gewesen. Es handele sich um zulässige Öffentlichkeitsarbeit, mit der auf die erfolgreiche Entwicklung der Stadt hingewiesen werde. In der Gesamtschau werde der Beigeladene zu 2 zwar lobend erwähnt, stehe aber nicht derart im Vordergrund, dass der gesamte Artikel als persönlicher Erfolgsbericht und Wahlempfehlung erscheine. Es fehle auch, was in der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefordert werde, an einer Häufung von Anzeigen und Erfolgsberichten in der Wahlkampfzeit, die zu jenem Zeitpunkt mangels weiterer Bewerber noch gar nicht begonnen gehabt habe. Die gemeinsame Verteilung von Amtsblatt und Wahlbroschüre sei nach dem erwähnten Gemeinderatsbeschluss und der Praxis seit 1992 auch Einzelpersonen offen gestanden. Auf diese Möglichkeit habe sie die Klägerin nicht gesondert hinweisen müssen; insoweit habe ihr Verweis auf den X Verlag genügt. Die Annahme der Klägerin, die Wahlbroschüre habe den Eindruck erweckt, eine amtliche Bekanntmachung zu sein, liege fern. Der Beigeladene zu 2 habe die Wahlbroschüre privat organisiert, bestellt und bezahlt. Das zeigten die vorgelegten Rechnungen. Durch die - kurzfristige - Veröffentlichung von Testergebnissen könne nicht gegen die Bestimmungen über die Wahlzeit verstoßen werden; im Übrigen habe dadurch auch nicht der Wählerwille beeinflusst werden können. Der insoweit auch erhobene Vorwurf einer unzulässigen Wahlpropaganda in der Nähe des Wahllokals sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen habe die Klägerin selbst am Wahltag auf ihrer Facebook-Seite mit folgendem Aufruf um Stimmen geworben: „Die Wahllokale haben noch 1 h geöffnet. Wir können es schaffen. Die Sensation ist möglich.“ Die geltend gemachten Wahlmängel wären auch nicht erheblich. Für den Bericht im Amtsblatt vom 13.03.2015 folge dies aus dem deutlichen Vorsprung des Beigeladenen zu 2.
22 
Mit Bescheid vom 02.11.2015 hat das Landratsamt den angefochtenen Bescheid vom 02.06.2015 ergänzt um die Entscheidung, dass die der Klägerin im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen Aufwendungen von der Beigeladenen zu 1 nicht zu erstatten seien. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ob und im welchem Umfang die Aufwendungen des Einsprechenden zu erstatten seien, entscheide die Rechtsaufsichtsbehörde nach ihrem Ermessen. Von den vier gerügten Wahlfehlern habe nur einer vorgelegen; dieser sei aber nicht für das Ergebnis der Wahl erheblich gewesen. In Anbetracht des gesamten Wahlvorgangs sei dieser Fehler als geringfügig zu bewerten.
23 
Der Kammer liegt ein Heft Akten des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vor.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG) und auch sonst zulässig. Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO); denn sie macht die Verletzung ihrer Rechte als Bewerberin geltend; deshalb bedurfte es für ihren fristgerechten Einspruch (§ 31 Abs. 1 KomWG) auch nicht des Beitritts weiterer Wahlberechtigter (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG). Ein Widerspruchsverfahren war nicht geboten (§ 31 Abs. 3 KomWG).
25 
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Wahlprüfungsbescheid in der Fassung des Ergänzungsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; denn die Klägerin kann beanspruchen, dass das beklagte Land die Wahl für ungültig erklärt und dass ihr die notwendigen Aufwendungen im Einspruchsverfahren von der Beigeladenen zu 1 erstattet werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
Die Wahl ist gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG u.a. dann für ungültig zu erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
27 
Zu Recht hat schon das Landratsamt in dem erwähnten, vom Beigeladenen zu 2 mitverfassten Beitrag im Amtsblatt vom 13.03.2015 eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinn von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG gesehen. Verstoßen wurde dadurch gegen die Wahlgrundsätze der freien und der gleichen Wahl (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 GemO), wovon das Recht auf Chancengleichheit und das Gebot der Neutralität staatlicher Stellen im Wahlkampf umfasst ist.
28 
Eine von den Organen der Gemeinde im Wahlkampf ausgehende Beeinflussung der Wähler zugunsten oder zum Nachteil eines Bewerbers stellt insbesondere dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, wenn dies unter Inanspruchnahme des Amtsblatts geschieht. Denn das Amtsblatt ist das amtliche Verkündungsorgan der Gemeinde und muss daher dem Gebot parteipolitischer Neutralität in besonderem Maße Rechnung tragen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423 m.w.N.).
29 
Dies gilt auch und insbesondere für jegliche, auf den ersten Blick neutrale Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichten. So ist etwa die Wiedergabe einer Rede (eines Rechenschaftsberichts) des kandidierenden Bürgermeisters vor dem Gemeinderat im Amtsblatt, zehn Tage vor dem Wahltag, als eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewertet worden, obwohl diese Rede durchaus ausgewogen auch den Anteil des Stadtrats und der Vereine an der positiven Entwicklung der Gemeinde betont hatte (VG Meiningen, Urt. v. 24.10.2006 - 2 K 444/06 - juris, Rdnr. 38 ff.).
30 
Der hier zu beurteilende Artikel geht über eine solche auf den ersten Blick neutrale (und dennoch bereits unzulässige) Öffentlichkeitsarbeit noch weit hinaus, weil er die - vor allem wirtschaftlichen - Erfolge der Stadt während der zurückliegenden Amtsperioden des Beigeladenen zu 2 im Wesentlichen auf ihn allein zurückführt, ihm für die angeführten Aufgaben der Stadt in der Zukunft eine gleichsam alleinige Lösungskompetenz zuspricht und ihn zudem gleich zu Beginn ausdrücklich zur Wiederwahl empfiehlt („gegen seine Wiederwahl spricht rein gar nichts“).
31 
Dass der Beitrag erst auf Seite 5 und 6 des Amtsblatt im sogenannten redaktionellen Teil des Amtsblatts stand, der allerdings auch nicht klar von seinem amtlichen Teil abgegrenzt ist, mindert den amtlichen Charakter der Veröffentlichung nicht wesentlich. Denn auch für den redaktionellen Teil des Amtsblatts trägt die Beigeladene die Verantwortung; auch die darin stehenden Beiträge werden vom Leser der Gemeinde zugeordnet.
32 
Durch diesen Bericht konnte das Ergebnis der Wahl auch im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG beeinflusst werden.
33 
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377) dient diese "Erheblichkeitsklausel" dem Ziel, das Wahlergebnis möglichst weitgehend zu sichern. Dieser Grundsatz der Bestandssicherung ist zwar weniger ausgeprägt als in manchen anderen Bundesländern (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BbgKWahlG und dazu OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 20.07.2015 - OVG N 12 18.14 -). Nach ihm werden aber Rechtsverstöße, die nicht eine konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses begründen, in Kauf genommen, weil die Wähler im Rahmen des Vertretbaren vor unnötiger Belastung mit Neuwahlen und Gemeinden und Landkreise vor dem damit verbundenen Aufwand bewahrt werden sollen.
34 
Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist daher nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2083/85 -, EKBW, KomWG, § 32 E 36, S. 4).
35 
Das Ergebnis einer Bürgermeisterwahl, bei der lediglich zwei Bewerber angetreten sind, ist dann durch einen Wahlfehler möglicherweise beeinflusst, wenn ohne den Verstoß die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass der andere Bewerber gewählt worden wäre. Das Stimmenverhältnis kann dabei von entscheidender Bedeutung sein; je knapper der Wahlausgang, desto leichter wird ein möglicher Einfluss auf das Wahlergebnis nachzuweisen sein und umgekehrt (vgl VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423).
36 
Hat, wie hier, einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte.
37 
Anders als dies der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, ist hinsichtlich der möglichen Kausalität und damit Erheblichkeit eines Wahlfehlers kein weniger strenger Maßstab anzulegen als bei der Feststellung des Wahlfehlers selbst. Für beide Voraussetzungen bedarf es der Überzeugungsgewissheit (vgl., für das gerichtliche Verfahren, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gibt es, wie hier, Umstände, die für die Möglichkeit sprechen, dass der Wahlfehler das Ergebnis beeinflusst hat, und solche, die eher dagegen sprechen, ist damit nicht etwa eine entsprechende Überzeugungsgewissheit ausgeschlossen. Denn die Wahlprüfungsbehörde muss sich nicht davon überzeugen, dass der Wahlfehler auf das Ergebnis durchgeschlagen hat (so, siehe oben, die Rechtslage in Brandenburg), sondern nur, dass eine solche Möglichkeit besteht. Diese ist nur ausgeschlossen, wenn kein Zweifel daran besteht, dass diese Möglichkeit eine rein abstrakte, ganz fernliegende ist.
38 
Dies kann die Kammer in dem hier zu beurteilenden Fall nicht feststellen. Es ist nicht ganz fernliegend und deshalb nicht auszuschließen, dass der Beigeladene zu 2, wäre der ihn immer wieder lobend herausstellende Bericht im Amtsblatt nicht erschienen, die absolute Mehrheit der Stimmen (knapp) verfehlt und die Klägerin in einem zweiten Wahlgang eine nicht ganz fernliegende Chance gehabt hätte.
39 
Dafür spricht neben dem Stimmergebnis der Klägerin das vergleichsweise knappe Überschreiten der Schwelle zur absoluten Mehrheit. Denn 372 Stimmen entsprechen nur etwa 4 % der Wahlberechtigten bzw. weniger als 9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen.
40 
In der Rechtsprechung ist die Erheblichkeit eines festgestellten Wahlmangels schon bei deutlich größeren Stimmenabständen (in absoluten Zahlen wie in Prozent) bejaht worden. Dabei ist zu Grunde gelegt worden, dass eine im Amtsblatt erscheinende unzulässige Wählerbeeinflussung zahlreiche Leser des Amtsblatts veranlasst haben kann, sich für die bevorstehende Wahl auf den Amtsinhaber festzulegen. Andere Wähler könnten den Artikel zum Anlass genommen haben, sich zu entschließen, auf keinen Fall zur Wahl zu gehen, weil sie den später hinzugekommenen Bewerbern keine Chance einräumten (vgl., VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.).
41 
Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu einem als Werbung für den wieder kandidierenden Bürgermeister zu verstehenden Wahlaufruf durch den Wahlvorstand den Wahlfehler als möglicherweise ursächlich für das Ergebnis angesehen, obwohl der Vorsprung des Amtsinhabers 67,5 % zu 28,9 % bei einer Wahlbeteiligung von 49,9 % betrug (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.; vgl. auch zu amtlichen Wahlbeeinflussungen seitens außenstehender Amtsträger VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 - VBlBW 1986, 310 und Urt. v. 07.11.1983 - 1 S 1311/83 - DVBl 1985, 170, sowie VG Koblenz, Urt. v. 02.07.2013 - 1 K 62/13.KO - juris, Rdnr. 35 das die Ursächlichkeit des Wahlfehlers bei einem Stimmenunterschied von 10% bejaht hat).
42 
Gegen diese Rechtsprechung ließe sich einwenden, dass auch die Vermutung nicht fernliegend ist, ein solcher Bericht könnte im Gegenteil zu einer Mobilisierung von Wählern geführt haben, die gerade nicht den Amtsinhaber wieder wählen wollten. Auch ist letztlich nicht zu beantworten, wie groß der Anteil der Wählerschaft sein könnte, der überhaupt das Amtsblatt liest und der eine solche Wahlempfehlung bewusst oder auch nur unterbewusst (wie bei Werbung häufig) zur Kenntnis nimmt.
43 
Diese Ungewissheit führt aber nicht dazu, nach den oben dargelegten Grundsätzen schon die Möglichkeit einer Wahlbeeinflussung durch die Veröffentlichung auszuschließen. So spricht für eine erhebliche Breitenwirkung, dass ein Amtsblatt, das an jeden Haushalt ausgeteilt wird, im Unterschied zu allen anderen Medien, jeden Wähler erreichen kann, weiter, wie schon ausgeführt, der amtliche Charakter der Wahlempfehlung als Empfehlung der Gemeinde selbst und nicht nur des Amtsinhabers. Auch liegt nahe, dass jedenfalls der politisch besonders interessierte Teil der Bevölkerung die Wahlempfehlung wahrgenommen und, soweit von ihr beeinflusst, auch im jeweiligen Einflussbereich weitergegeben hat.
44 
Allerdings ist der Wahlausgang nicht allein maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Wahlfehler für das Wahlergebnis ursächlich gewesen sein kann. Insoweit kommt es auch auf das Gewicht des Wahlfehlers an (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.07.2015 - 12 N 18.14 - juris, Rdnr. 6 und 12).
45 
Dieses Gewicht ist bei unzulässigen Wahlempfehlungen jedoch allgemein sehr und im hier zu entscheidenden Fall - wie schon ausgeführt - besonders hoch. Dieses Gewicht wird nicht dadurch gemindert, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens des Amtsblatts sich neben dem Beigeladenen zu 2 noch kein weiterer Bewerber gemeldet hatte. Unerheblich ist auch, ob der Zeitpunkt, gut fünf Wochen vor der Wahl, der sogenannten „heißen Wahlkampfphase“ zuzurechnen ist. Denn der Zeitpunkt lag jedenfalls weit jenseits des Zeitpunkts der Bekanntmachung der Wahl und schon sehr nahe an dem Tag des Ablaufs der Einreichungsfrist (vgl. § 10 KomWO) und deshalb gerade nicht mehr im sogenannten Vorwahlkampf.
46 
Dass die Wähler am Wahltag nicht mehr unter dem „frischen“ Eindruck des Berichts standen, sondern danach noch Gelegenheit hatten, in dem - vergleichsweise kurzen - Wahlkampf die Kandidaten kennen zu lernen und sich mit ihren Fähigkeiten und Leistungen näher zu befassen, nimmt dem den Beigeladenen zu 2 empfehlenden Bericht im Amtsblatt nicht seine wesentliche und möglicherweise wahlentscheidende Bedeutung. Denn diese Bedeutung ist nicht nur durch die amtlich erscheinende Empfehlung des Beigeladenen zu 2 geprägt, sondern auch dadurch, dass das Amtsblatt, anders als jedes andere Medium, praktisch jeden Wähler im Ort erreicht hat. Auch stand den anderen Bewerbern - anders als bei anderen Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung, etwa als beim Aufstellen unrichtiger Behauptungen über einen Bewerber - nicht die Möglichkeit eines „Gegenschlags“ zur Verfügung. Denn sie konnten ihre Vorzüge nur in eigenen Wahlprospekten oder durch Anzeigen und damit weder in amtlicher Form noch mit der gleichen Breitenwirkung herausstellen.
47 
Damit kommt es auf das Vorliegen weiterer möglicherweise ursächlicher Wahlfehler nicht an. Insoweit bemerkt die Kammer gleichwohl:
48 
In der Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit dem letzten, zwei Tage vor der Wahl erschienenen Amtsblatt liegt wohl kein Wahlfehler. Diese Möglichkeit hat die Beigeladene zu 1 allen Kandidaten eröffnet. Dass dies nicht für Einzelkandidaten gegolten hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin von dieser Möglichkeit nichts wusste, ist nicht der Beigeladenen zu 1 zuzurechnen. Insbesondere hätte diese die Klägerin auf diese Möglichkeit nicht hinweisen müssen, auch wenn dies dem Gedanken der Fairness entsprochen hätte. Die Beigeladene zu 1 hat die Klägerin durch ihren Hinweis zur Möglichkeit, im Amtsblatt Anzeigen aufzugeben, insoweit auch nicht getäuscht. Der Wahlprospekt des Beigeladenen zu 2 konnte von einem verständigen Leser auch nicht als Bestandteil des Amtsblatts aufgefasst werden. Zwar entsprach sein Format dem des Amtsblatts. Die Papierqualität war aber erheblich aufwändiger, das Layout deutlich anders und der Text zweifelsfrei als allein werbend abgefasst. Die Verwendung der Berufsbezeichnung Bürgermeister ist dabei nicht zu beanstanden. Dass ein Impressum fehlte, führte nicht dazu, dass der Leser von einer amtlichen Beilage ausgehen musste.
49 
Soweit die Klägerin im Anschluss an die Ermittlungen des Landratsamts im Einspruchsverfahren erstmals im Klageverfahren angesprochen hat, dass die vom Beigeladenen zu 2 eingereichten Rechnungen für die Verteilung des Wahlprospekts und die Beilage im Amtsblatt erst nachträglich erstellt worden sein könnten, und damit, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, angedeutet hat, der Beigeladene zu 2 könnte diese Leistungen zunächst umsonst in Anspruch genommen haben, hätte die Kammer dem wohl schon deshalb nicht weiter nachzugehen brauchen, weil die Klägerin diesen Einwand innerhalb der Einspruchsfrist nicht erhoben hatte (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG). In ihrem Einspruch wird auch nicht mittelbar angedeutet, der Beigeladene zu 2 könnte sich insoweit staatlicher Mittel bedient haben; insoweit liegt der Sachverhalt anders als beim Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.05.2007 (1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377).
50 
Die Vorabveröffentlichung von Zwischenwahlergebnissen auf der Homepage stellt nach den konkreten Umständen wohl schon keinen Wahlfehler dar. Ein Verstoß gegen die Wahlzeit (§ 20 KomWG) und eine unzulässige Wahlpropaganda in oder in der Nähe des Wahlraums (§ 28 Abs. 2 KomWO) liegen fern. Es handelte sich wohl auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung. Ob dies schon daraus folgt, dass ein vernünftiger Wähler jedenfalls nach kurzem Nachdenken kaum davon ausgehen konnte, dass die Stimmenauszählung schon vor 18.00 Uhr begonnen hatte und nahezu vollständig abgeschlossen war, kann dahinstehen. Jedenfalls aber hätte dieser Umstand für den vernünftigen Wähler Anlass sein müssen, das gezeigte Bild näher zu betrachten. Dann müsste ihm aufgefallen sein, dass auch wenn man den von der Klägerin vorgelegten Screenshot zugrunde legt, mehrfach das Wort Test auftauchte und die angegebene Wahlbeteiligung unrealistisch hoch war. Im Übrigen wäre diese Veröffentlichungspanne wohl auch nicht erheblich für das Wahlergebnis gewesen. Denn es liegt fern, dass eine nennenswerte Zahl von Wählerinnen und Wählern den betreffenden Link auf der Homepage der Beigeladenen zu 1 vor 18.00 Uhr überhaupt aufgerufen hat und dadurch in der Wahlentscheidung noch hätte beeinflusst werden können.
51 
Schließlich lag wohl auch kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen vor (§ 21 KomWG, § 37 Abs. 8 KomWO). Einzuhalten ist ein „gehöriger Mindestabstand“ zu den Zähltischen, der allerdings nicht ermöglichen soll, dass die amtlichen Stimmzettel und Wahlunterlagen eingesehen werden können; vielmehr geht es darum, dass die Öffentlichkeit darauf achten kann, dass der Gesamtvorgang der Stimmauszählung insgesamt ordnungsgemäß erfolgt (Quecke u.a., Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 21 Rdnr. 9), dass also etwa die vorhandenen Wahlurnen vollständig - und nur diese - geleert und alle Stimmen ordnungsgemäß gezählt werden. Dabei hat der Gesetzgeber aus gutem Grund keinen festen Abstand festgelegt. Denn im Einzelfall können die Einrichtung des Wahlraums und auch die Zahl der Beobachter mit dafür ausschlaggebend sein, welcher Mindestabstand als gehörig anzusehen ist. Ohnehin dürfte im Allgemeinen ein Abstand von 4 m zum Auszählungstisch durchaus noch als „gehörig“ anzusehen sein (vgl. für den umgekehrten Fall, dass das Wahlgeheimnis verletzt ist, wenn die Wähler aus einer Entfernung von 3,80 bis 5 m beim Wahlvorgang beobachtet werden können, VG Karlsruhe, Urt. v. 16.10.2013 - 4 K 2001/13 - juris).
52 
Die Klägerin hat, wegen ihres Erfolgs im Wahlanfechtungsverfahren, Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen im Einspruchsverfahren durch die Beigeladene zu 1 (§ 31 Abs. 2 Satz 1 KomWG). Der dies verneinende Ergänzungsbescheid des Landratsamts vom 02.11.2015 (der noch aufgrund von § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergangen ist) war auch deshalb rechtswidrig, weil er angenommen hat, insoweit sei maßgeblich, wieviele der geltend gemachten Wahlfehler festgestellt worden seien. Denn darauf kommt es nicht an. Vielmehr kann eine Erstattung der Aufwendungen im Einspruchsverfahren, wie die Erstattung von notwendigen Aufwendungen in einem Widerspruchsverfahren (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO) vollständig nur abgelehnt werden, wenn es solcher Aufwendungen zur Verfolgung des Rechtsschutzziels nicht bedurfte. Für die Beauftragung eines Rechtsanwalts bedeutet dies, dass die Aufwendungen insoweit nur dann als nicht notwendig angesehen werden können, wenn der Einsprechende seine Einspruchsgründe ohne Weiteres selbst hätte vorbringen können. Dies war hier aber ersichtlich nicht der Fall. Ob die von der Klägerin noch im Einzelnen zu benennenden Aufwendungen jeweils notwendig waren, etwa ihre evtl. Aufwendungen für die von ihr eingeholte sachverständige Beurteilung der Angaben der Beigeladenen zu 1 zu der Veröffentlichungspanne im Internet, ist erst im Festsetzungsverfahren (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 2 KomWO) zu prüfen.
53 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Gründe

 
24 
Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG) und auch sonst zulässig. Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO); denn sie macht die Verletzung ihrer Rechte als Bewerberin geltend; deshalb bedurfte es für ihren fristgerechten Einspruch (§ 31 Abs. 1 KomWG) auch nicht des Beitritts weiterer Wahlberechtigter (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG). Ein Widerspruchsverfahren war nicht geboten (§ 31 Abs. 3 KomWG).
25 
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Wahlprüfungsbescheid in der Fassung des Ergänzungsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; denn die Klägerin kann beanspruchen, dass das beklagte Land die Wahl für ungültig erklärt und dass ihr die notwendigen Aufwendungen im Einspruchsverfahren von der Beigeladenen zu 1 erstattet werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
Die Wahl ist gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG u.a. dann für ungültig zu erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
27 
Zu Recht hat schon das Landratsamt in dem erwähnten, vom Beigeladenen zu 2 mitverfassten Beitrag im Amtsblatt vom 13.03.2015 eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinn von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG gesehen. Verstoßen wurde dadurch gegen die Wahlgrundsätze der freien und der gleichen Wahl (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 GemO), wovon das Recht auf Chancengleichheit und das Gebot der Neutralität staatlicher Stellen im Wahlkampf umfasst ist.
28 
Eine von den Organen der Gemeinde im Wahlkampf ausgehende Beeinflussung der Wähler zugunsten oder zum Nachteil eines Bewerbers stellt insbesondere dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, wenn dies unter Inanspruchnahme des Amtsblatts geschieht. Denn das Amtsblatt ist das amtliche Verkündungsorgan der Gemeinde und muss daher dem Gebot parteipolitischer Neutralität in besonderem Maße Rechnung tragen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423 m.w.N.).
29 
Dies gilt auch und insbesondere für jegliche, auf den ersten Blick neutrale Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichten. So ist etwa die Wiedergabe einer Rede (eines Rechenschaftsberichts) des kandidierenden Bürgermeisters vor dem Gemeinderat im Amtsblatt, zehn Tage vor dem Wahltag, als eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewertet worden, obwohl diese Rede durchaus ausgewogen auch den Anteil des Stadtrats und der Vereine an der positiven Entwicklung der Gemeinde betont hatte (VG Meiningen, Urt. v. 24.10.2006 - 2 K 444/06 - juris, Rdnr. 38 ff.).
30 
Der hier zu beurteilende Artikel geht über eine solche auf den ersten Blick neutrale (und dennoch bereits unzulässige) Öffentlichkeitsarbeit noch weit hinaus, weil er die - vor allem wirtschaftlichen - Erfolge der Stadt während der zurückliegenden Amtsperioden des Beigeladenen zu 2 im Wesentlichen auf ihn allein zurückführt, ihm für die angeführten Aufgaben der Stadt in der Zukunft eine gleichsam alleinige Lösungskompetenz zuspricht und ihn zudem gleich zu Beginn ausdrücklich zur Wiederwahl empfiehlt („gegen seine Wiederwahl spricht rein gar nichts“).
31 
Dass der Beitrag erst auf Seite 5 und 6 des Amtsblatt im sogenannten redaktionellen Teil des Amtsblatts stand, der allerdings auch nicht klar von seinem amtlichen Teil abgegrenzt ist, mindert den amtlichen Charakter der Veröffentlichung nicht wesentlich. Denn auch für den redaktionellen Teil des Amtsblatts trägt die Beigeladene die Verantwortung; auch die darin stehenden Beiträge werden vom Leser der Gemeinde zugeordnet.
32 
Durch diesen Bericht konnte das Ergebnis der Wahl auch im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG beeinflusst werden.
33 
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377) dient diese "Erheblichkeitsklausel" dem Ziel, das Wahlergebnis möglichst weitgehend zu sichern. Dieser Grundsatz der Bestandssicherung ist zwar weniger ausgeprägt als in manchen anderen Bundesländern (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BbgKWahlG und dazu OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 20.07.2015 - OVG N 12 18.14 -). Nach ihm werden aber Rechtsverstöße, die nicht eine konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses begründen, in Kauf genommen, weil die Wähler im Rahmen des Vertretbaren vor unnötiger Belastung mit Neuwahlen und Gemeinden und Landkreise vor dem damit verbundenen Aufwand bewahrt werden sollen.
34 
Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist daher nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2083/85 -, EKBW, KomWG, § 32 E 36, S. 4).
35 
Das Ergebnis einer Bürgermeisterwahl, bei der lediglich zwei Bewerber angetreten sind, ist dann durch einen Wahlfehler möglicherweise beeinflusst, wenn ohne den Verstoß die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass der andere Bewerber gewählt worden wäre. Das Stimmenverhältnis kann dabei von entscheidender Bedeutung sein; je knapper der Wahlausgang, desto leichter wird ein möglicher Einfluss auf das Wahlergebnis nachzuweisen sein und umgekehrt (vgl VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423).
36 
Hat, wie hier, einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte.
37 
Anders als dies der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, ist hinsichtlich der möglichen Kausalität und damit Erheblichkeit eines Wahlfehlers kein weniger strenger Maßstab anzulegen als bei der Feststellung des Wahlfehlers selbst. Für beide Voraussetzungen bedarf es der Überzeugungsgewissheit (vgl., für das gerichtliche Verfahren, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gibt es, wie hier, Umstände, die für die Möglichkeit sprechen, dass der Wahlfehler das Ergebnis beeinflusst hat, und solche, die eher dagegen sprechen, ist damit nicht etwa eine entsprechende Überzeugungsgewissheit ausgeschlossen. Denn die Wahlprüfungsbehörde muss sich nicht davon überzeugen, dass der Wahlfehler auf das Ergebnis durchgeschlagen hat (so, siehe oben, die Rechtslage in Brandenburg), sondern nur, dass eine solche Möglichkeit besteht. Diese ist nur ausgeschlossen, wenn kein Zweifel daran besteht, dass diese Möglichkeit eine rein abstrakte, ganz fernliegende ist.
38 
Dies kann die Kammer in dem hier zu beurteilenden Fall nicht feststellen. Es ist nicht ganz fernliegend und deshalb nicht auszuschließen, dass der Beigeladene zu 2, wäre der ihn immer wieder lobend herausstellende Bericht im Amtsblatt nicht erschienen, die absolute Mehrheit der Stimmen (knapp) verfehlt und die Klägerin in einem zweiten Wahlgang eine nicht ganz fernliegende Chance gehabt hätte.
39 
Dafür spricht neben dem Stimmergebnis der Klägerin das vergleichsweise knappe Überschreiten der Schwelle zur absoluten Mehrheit. Denn 372 Stimmen entsprechen nur etwa 4 % der Wahlberechtigten bzw. weniger als 9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen.
40 
In der Rechtsprechung ist die Erheblichkeit eines festgestellten Wahlmangels schon bei deutlich größeren Stimmenabständen (in absoluten Zahlen wie in Prozent) bejaht worden. Dabei ist zu Grunde gelegt worden, dass eine im Amtsblatt erscheinende unzulässige Wählerbeeinflussung zahlreiche Leser des Amtsblatts veranlasst haben kann, sich für die bevorstehende Wahl auf den Amtsinhaber festzulegen. Andere Wähler könnten den Artikel zum Anlass genommen haben, sich zu entschließen, auf keinen Fall zur Wahl zu gehen, weil sie den später hinzugekommenen Bewerbern keine Chance einräumten (vgl., VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.).
41 
Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu einem als Werbung für den wieder kandidierenden Bürgermeister zu verstehenden Wahlaufruf durch den Wahlvorstand den Wahlfehler als möglicherweise ursächlich für das Ergebnis angesehen, obwohl der Vorsprung des Amtsinhabers 67,5 % zu 28,9 % bei einer Wahlbeteiligung von 49,9 % betrug (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.; vgl. auch zu amtlichen Wahlbeeinflussungen seitens außenstehender Amtsträger VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 - VBlBW 1986, 310 und Urt. v. 07.11.1983 - 1 S 1311/83 - DVBl 1985, 170, sowie VG Koblenz, Urt. v. 02.07.2013 - 1 K 62/13.KO - juris, Rdnr. 35 das die Ursächlichkeit des Wahlfehlers bei einem Stimmenunterschied von 10% bejaht hat).
42 
Gegen diese Rechtsprechung ließe sich einwenden, dass auch die Vermutung nicht fernliegend ist, ein solcher Bericht könnte im Gegenteil zu einer Mobilisierung von Wählern geführt haben, die gerade nicht den Amtsinhaber wieder wählen wollten. Auch ist letztlich nicht zu beantworten, wie groß der Anteil der Wählerschaft sein könnte, der überhaupt das Amtsblatt liest und der eine solche Wahlempfehlung bewusst oder auch nur unterbewusst (wie bei Werbung häufig) zur Kenntnis nimmt.
43 
Diese Ungewissheit führt aber nicht dazu, nach den oben dargelegten Grundsätzen schon die Möglichkeit einer Wahlbeeinflussung durch die Veröffentlichung auszuschließen. So spricht für eine erhebliche Breitenwirkung, dass ein Amtsblatt, das an jeden Haushalt ausgeteilt wird, im Unterschied zu allen anderen Medien, jeden Wähler erreichen kann, weiter, wie schon ausgeführt, der amtliche Charakter der Wahlempfehlung als Empfehlung der Gemeinde selbst und nicht nur des Amtsinhabers. Auch liegt nahe, dass jedenfalls der politisch besonders interessierte Teil der Bevölkerung die Wahlempfehlung wahrgenommen und, soweit von ihr beeinflusst, auch im jeweiligen Einflussbereich weitergegeben hat.
44 
Allerdings ist der Wahlausgang nicht allein maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Wahlfehler für das Wahlergebnis ursächlich gewesen sein kann. Insoweit kommt es auch auf das Gewicht des Wahlfehlers an (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.07.2015 - 12 N 18.14 - juris, Rdnr. 6 und 12).
45 
Dieses Gewicht ist bei unzulässigen Wahlempfehlungen jedoch allgemein sehr und im hier zu entscheidenden Fall - wie schon ausgeführt - besonders hoch. Dieses Gewicht wird nicht dadurch gemindert, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens des Amtsblatts sich neben dem Beigeladenen zu 2 noch kein weiterer Bewerber gemeldet hatte. Unerheblich ist auch, ob der Zeitpunkt, gut fünf Wochen vor der Wahl, der sogenannten „heißen Wahlkampfphase“ zuzurechnen ist. Denn der Zeitpunkt lag jedenfalls weit jenseits des Zeitpunkts der Bekanntmachung der Wahl und schon sehr nahe an dem Tag des Ablaufs der Einreichungsfrist (vgl. § 10 KomWO) und deshalb gerade nicht mehr im sogenannten Vorwahlkampf.
46 
Dass die Wähler am Wahltag nicht mehr unter dem „frischen“ Eindruck des Berichts standen, sondern danach noch Gelegenheit hatten, in dem - vergleichsweise kurzen - Wahlkampf die Kandidaten kennen zu lernen und sich mit ihren Fähigkeiten und Leistungen näher zu befassen, nimmt dem den Beigeladenen zu 2 empfehlenden Bericht im Amtsblatt nicht seine wesentliche und möglicherweise wahlentscheidende Bedeutung. Denn diese Bedeutung ist nicht nur durch die amtlich erscheinende Empfehlung des Beigeladenen zu 2 geprägt, sondern auch dadurch, dass das Amtsblatt, anders als jedes andere Medium, praktisch jeden Wähler im Ort erreicht hat. Auch stand den anderen Bewerbern - anders als bei anderen Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung, etwa als beim Aufstellen unrichtiger Behauptungen über einen Bewerber - nicht die Möglichkeit eines „Gegenschlags“ zur Verfügung. Denn sie konnten ihre Vorzüge nur in eigenen Wahlprospekten oder durch Anzeigen und damit weder in amtlicher Form noch mit der gleichen Breitenwirkung herausstellen.
47 
Damit kommt es auf das Vorliegen weiterer möglicherweise ursächlicher Wahlfehler nicht an. Insoweit bemerkt die Kammer gleichwohl:
48 
In der Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit dem letzten, zwei Tage vor der Wahl erschienenen Amtsblatt liegt wohl kein Wahlfehler. Diese Möglichkeit hat die Beigeladene zu 1 allen Kandidaten eröffnet. Dass dies nicht für Einzelkandidaten gegolten hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin von dieser Möglichkeit nichts wusste, ist nicht der Beigeladenen zu 1 zuzurechnen. Insbesondere hätte diese die Klägerin auf diese Möglichkeit nicht hinweisen müssen, auch wenn dies dem Gedanken der Fairness entsprochen hätte. Die Beigeladene zu 1 hat die Klägerin durch ihren Hinweis zur Möglichkeit, im Amtsblatt Anzeigen aufzugeben, insoweit auch nicht getäuscht. Der Wahlprospekt des Beigeladenen zu 2 konnte von einem verständigen Leser auch nicht als Bestandteil des Amtsblatts aufgefasst werden. Zwar entsprach sein Format dem des Amtsblatts. Die Papierqualität war aber erheblich aufwändiger, das Layout deutlich anders und der Text zweifelsfrei als allein werbend abgefasst. Die Verwendung der Berufsbezeichnung Bürgermeister ist dabei nicht zu beanstanden. Dass ein Impressum fehlte, führte nicht dazu, dass der Leser von einer amtlichen Beilage ausgehen musste.
49 
Soweit die Klägerin im Anschluss an die Ermittlungen des Landratsamts im Einspruchsverfahren erstmals im Klageverfahren angesprochen hat, dass die vom Beigeladenen zu 2 eingereichten Rechnungen für die Verteilung des Wahlprospekts und die Beilage im Amtsblatt erst nachträglich erstellt worden sein könnten, und damit, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, angedeutet hat, der Beigeladene zu 2 könnte diese Leistungen zunächst umsonst in Anspruch genommen haben, hätte die Kammer dem wohl schon deshalb nicht weiter nachzugehen brauchen, weil die Klägerin diesen Einwand innerhalb der Einspruchsfrist nicht erhoben hatte (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG). In ihrem Einspruch wird auch nicht mittelbar angedeutet, der Beigeladene zu 2 könnte sich insoweit staatlicher Mittel bedient haben; insoweit liegt der Sachverhalt anders als beim Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.05.2007 (1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377).
50 
Die Vorabveröffentlichung von Zwischenwahlergebnissen auf der Homepage stellt nach den konkreten Umständen wohl schon keinen Wahlfehler dar. Ein Verstoß gegen die Wahlzeit (§ 20 KomWG) und eine unzulässige Wahlpropaganda in oder in der Nähe des Wahlraums (§ 28 Abs. 2 KomWO) liegen fern. Es handelte sich wohl auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung. Ob dies schon daraus folgt, dass ein vernünftiger Wähler jedenfalls nach kurzem Nachdenken kaum davon ausgehen konnte, dass die Stimmenauszählung schon vor 18.00 Uhr begonnen hatte und nahezu vollständig abgeschlossen war, kann dahinstehen. Jedenfalls aber hätte dieser Umstand für den vernünftigen Wähler Anlass sein müssen, das gezeigte Bild näher zu betrachten. Dann müsste ihm aufgefallen sein, dass auch wenn man den von der Klägerin vorgelegten Screenshot zugrunde legt, mehrfach das Wort Test auftauchte und die angegebene Wahlbeteiligung unrealistisch hoch war. Im Übrigen wäre diese Veröffentlichungspanne wohl auch nicht erheblich für das Wahlergebnis gewesen. Denn es liegt fern, dass eine nennenswerte Zahl von Wählerinnen und Wählern den betreffenden Link auf der Homepage der Beigeladenen zu 1 vor 18.00 Uhr überhaupt aufgerufen hat und dadurch in der Wahlentscheidung noch hätte beeinflusst werden können.
51 
Schließlich lag wohl auch kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen vor (§ 21 KomWG, § 37 Abs. 8 KomWO). Einzuhalten ist ein „gehöriger Mindestabstand“ zu den Zähltischen, der allerdings nicht ermöglichen soll, dass die amtlichen Stimmzettel und Wahlunterlagen eingesehen werden können; vielmehr geht es darum, dass die Öffentlichkeit darauf achten kann, dass der Gesamtvorgang der Stimmauszählung insgesamt ordnungsgemäß erfolgt (Quecke u.a., Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 21 Rdnr. 9), dass also etwa die vorhandenen Wahlurnen vollständig - und nur diese - geleert und alle Stimmen ordnungsgemäß gezählt werden. Dabei hat der Gesetzgeber aus gutem Grund keinen festen Abstand festgelegt. Denn im Einzelfall können die Einrichtung des Wahlraums und auch die Zahl der Beobachter mit dafür ausschlaggebend sein, welcher Mindestabstand als gehörig anzusehen ist. Ohnehin dürfte im Allgemeinen ein Abstand von 4 m zum Auszählungstisch durchaus noch als „gehörig“ anzusehen sein (vgl. für den umgekehrten Fall, dass das Wahlgeheimnis verletzt ist, wenn die Wähler aus einer Entfernung von 3,80 bis 5 m beim Wahlvorgang beobachtet werden können, VG Karlsruhe, Urt. v. 16.10.2013 - 4 K 2001/13 - juris).
52 
Die Klägerin hat, wegen ihres Erfolgs im Wahlanfechtungsverfahren, Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen im Einspruchsverfahren durch die Beigeladene zu 1 (§ 31 Abs. 2 Satz 1 KomWG). Der dies verneinende Ergänzungsbescheid des Landratsamts vom 02.11.2015 (der noch aufgrund von § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergangen ist) war auch deshalb rechtswidrig, weil er angenommen hat, insoweit sei maßgeblich, wieviele der geltend gemachten Wahlfehler festgestellt worden seien. Denn darauf kommt es nicht an. Vielmehr kann eine Erstattung der Aufwendungen im Einspruchsverfahren, wie die Erstattung von notwendigen Aufwendungen in einem Widerspruchsverfahren (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO) vollständig nur abgelehnt werden, wenn es solcher Aufwendungen zur Verfolgung des Rechtsschutzziels nicht bedurfte. Für die Beauftragung eines Rechtsanwalts bedeutet dies, dass die Aufwendungen insoweit nur dann als nicht notwendig angesehen werden können, wenn der Einsprechende seine Einspruchsgründe ohne Weiteres selbst hätte vorbringen können. Dies war hier aber ersichtlich nicht der Fall. Ob die von der Klägerin noch im Einzelnen zu benennenden Aufwendungen jeweils notwendig waren, etwa ihre evtl. Aufwendungen für die von ihr eingeholte sachverständige Beurteilung der Angaben der Beigeladenen zu 1 zu der Veröffentlichungspanne im Internet, ist erst im Festsetzungsverfahren (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 2 KomWO) zu prüfen.
53 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Nov. 2015 - 5 K 1472/15

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Nov. 2015 - 5 K 1472/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Nov. 2015 - 5 K 1472/15 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Nov. 2015 - 5 K 1472/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Tenor 1. Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären.2. Das beklagte Land, der Beigeladene zu 1 un

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Mai 2007 - 1 S 567/07

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Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert. Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Bekl
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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Juli 2016 - 7 K 3161/15

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Tenor Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2, die diese jeweils selbst tragen. Tatbestand  1 Die Klägerin wendet sich gegen die Gültigkeit der Bü

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert.

Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 im Berufungsverfahren je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 in Kappel-Grafenhausen.
Am Freitag, dem 30.06.2006, berichtete die Badischen Zeitung (BZ) unter der Überschrift „Klagen aus dem Gewerbe“ über eine Wahlveranstaltung des Bürgermeisterkandidaten Z. mit Gewerbetreibenden der Gemeinde, und führte aus, dass das Verhalten des Amtsinhabers von Betriebsinhabern teilweise massiv kritisiert worden sei.
Am Samstag, dem 01.07.2006, erschien unter dem Titel „‘Zustimmung, Freundlichkeit’ - K. kontert Vorwürfe“ ein weiterer Artikel in der BZ in Gesprächsform, in dem die Sicht des amtierenden - und zur Wiederwahl stehenden - Bürgermeisters, des Beigeladenen zu 1, wiedergegeben wurde.
Am selben Tag wurden auch vier Leserbriefe in der BZ veröffentlicht, die sich kritisch mit dem Artikel vom 30.06.2006 auseinander setzten.
Unter der Titelzeile „Unverständlich“ wurde ein Leserbrief mit folgendem Wortlaut abgedruckt:
„Der leider von privater Seite verfasste Bericht gegenüber unserem Herrn K. entspricht nicht den Tatsachen.
Es waren nur einzelne Gewerbetreibende von knapp 40, die die Tätigkeit von Herrn K. kritisierten.
Bis jetzt hieß es in beiden Wahlkampfreden, dass ein fairer Wahlkampf betrieben wird, dies geht jedoch weit unter die Gürtellinie. Mit dem Bericht wird auf infame Weise versucht, Bürgermeister K. kurz vor der Wahl zu diskreditieren.
Ich bin der Meinung, dass man es nicht jedem recht machen kann, und dass bei allen zukünftigen Bürgermeistern immer ein Haar in der Suppe gefunden werden kann, wenn man danach sucht.
Mehrere Gewerbetreibende riefen mich als Gewerbevereinsvorsitzender an, dass sie den Artikel überhaupt nicht verstehen können, und mit Herrn K. sehr zufrieden sind. Sie baten mich, eine Gegendarstellung in die BZ und in den Guller zu setzen.
H. U.“
Unter der Zeile „Faires Miteinander“ hieß es:
„Wir auch von der O. GmbH, ... und ..., ... ... in ..., können diesen Bericht nicht nachvollziehen. In der Amtszeit von Herrn Bürgermeister K. war es für uns ein faires wirtschaftliches Miteinander.
W. O., O. GmbH, ...- und ... ...“
Unter der Überschrift „Ist das fair?“ erschien folgender Leserbrief:
10 
„Fair“ und „ehrlich“ sollte die Bewerbung um den Bürgermeisterposten in Kappel-Grafenhausen laufen - so wurde es zwischen den beiden Bewerbern, Amtsinhaber A. K. und dem Konkurrenten J. Z. öffentlich vereinbart. Nun scheinen unterschiedliche Ansichten darüber zu bestehen, was unter „fair“ und „ehrlich verstanden wird.
Manches an der Informationsbeschaffung des Kandidaten Z. im Wahlkampf erscheint mir nicht dem von ihm gesetzten moralischen Maß zu entsprechen.
... B. E., ...“
11 
Ein letzter Leserbrief folgte unter dem Stichwort „Verwundert“:
12 
Über den Bericht in der Badischen Zeitung vom 30. Juni „Klagen aus den Gewerbe“ kann ich, milde ausgedrückt, nur meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. In diesem Bericht wird die Glaubwürdigkeit und Integrität des Amtsinhabers, Herrn Bürgermeister K., in Frage gestellt und ihm meines Erachtens auch Unrecht getan.
G. K., ...“
13 
Bei der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 erhielt der Beigeladene zu 1 1.160 von 2.301 gültigen und damit 50,4% der Stimmen; der unterlegene Bewerber Z. kam auf 1.135 Stimmen, sonstige Bewerber erhielten insgesamt sechs Stimmen. Das Wahlergebnis wurde zunächst am 03.07.2006 bekannt gemacht; die öffentliche Bekanntmachung wurde wegen eines Formfehlers am 14.07.2006 wiederholt.
14 
Am 10.07.2006 erhob der Kläger, ein wahlberechtigter Einwohner der Gemeinde, Einspruch gegen die Wahl und fügte eine Unterschriftenliste mit Beitretenden bei. Zur Begründung machte er geltend, dass eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung mit der Folge der Verletzung elementarer Wahlrechtsgrundsätze wie der Freiheit und Gleichheit der Wahl vorliege. Der stellvertretende Leiter des Wahlprüfungsausschusses, der Zeuge U., habe sich entgegen seiner Pflicht zur Neutralität am Samstag vor der Wahl in einem Leserbrief zugunsten des gewählten Bürgermeisters eingesetzt und darin falsche Behauptungen aufgestellt. Der Brief sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden. Wegen der Veröffentlichung hätten der Bürgermeister und der Zeuge U. massiven Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
15 
Gegenüber dem Landratsamt Ortenaukreis gab der Zeuge U. im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens u.a. an, dass die in der BZ veröffentlichte Stellungnahme von ihm selbst stamme und per E-Mail von seinem eigenen Computer an die Redaktion übermittelt worden sei. Irgendeine vorherige Kontaktaufnahme oder gar eine Absprache mit dem Beigeladenen zu 1 habe es nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1 erklärte gegenüber dem Landratsamt, die Behauptung, der Leserbrief sei von ihm diktiert und im Rathaus geschrieben worden, sei unzutreffend. Die Beigeladene zu 2 teilte dem Landratsamt mit, dass der Bürgermeister-Stellvertreter bei allen Bediensteten in den beiden Rathäusern der Frage nachgegangen sei, ob der Leserbrief im Rathaus geschrieben bzw. vom Bürgermeister diktiert worden sei; alle Befragten hätten dies verneint.
16 
Das Landratsamt Ortenaukreis erklärte mit Wahlprüfungsbescheid vom 03.08.2006 die Bürgermeisterwahl unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche für gültig.
17 
Mit weiterem Bescheid vom 03.08.2006 wies das Landratsamt den Einspruch des Klägers zurück. Der zulässige Einspruch sei nicht begründet. Die gerügte gesetzwidrige Wahlbeeinflussung durch einen Bewerber oder Dritte liege nicht vor. Der Zeuge U. habe mit seinem Leserbrief nicht gegen die den amtlichen Organen obliegende Neutralitätspflicht verstoßen; diese gelte nur für die Gemeindeorgane selbst, nicht aber für deren Mitglieder. Im Übrigen habe der Zeuge U. diesen Brief mit seinem Namen, nicht aber mit Hinweis auf sein Amt als stellvertretendes Mitglied des Gemeindewahlausschusses unterzeichnet. Inhaltlich sei mit dem Leserbrief angesichts der kontroversen Berichterstattung die Grenze der zulässigen Wahlpropaganda und Wahlagitation nicht überschritten worden. Die weitere Rüge, wonach der Brief im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden sei, sei nicht belegt. Nach glaubhafter Darstellung des Zeugen U. habe dieser die Stellungnahme selbst verfasst und per E-Mail vom eigenen Computer an die Redaktion der BZ übermittelt. Auch der Beigeladene zu 1 habe den Vorwurf als falsch bestritten. Nach Stellungnahme der Gemeinde unter Einbeziehung einer Befragung der Bediensteten des Bürgermeisteramtes bestünden ebenso wenig Anhaltspunkte im Sinne des Vorbringens. Nicht nachgewiesen sei weiter der Vorwurf, der Beigeladene zu 1 oder der Zeuge U. hätten Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
18 
Der Kläger hat am 01.09.2006 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere geltend gemacht, dass der fragliche Leserbrief vom Bürgermeister initiiert und diktiert und im Rathaus der Entwurf für den Strohmann U. geschrieben worden sei. Der Bürgermeister habe über die Gemeindeverwaltung z.B. durch E-Mails an den Zeugen U. Einfluss auf diesen ausgeübt, damit der Leserbrief in der BZ abgedruckt werde. Diese amtliche Beeinflussung durch die Gemeindeverwaltung bzw. den Bürgermeister sei auch rechtserheblich gewesen, sie habe das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 sind der Klage entgegengetreten. Die Beigeladene zu 2 hat im laufenden Verfahren schriftliche Stellungnahmen von zwei im Büro des Beigeladenen zu 1 tätigen Bediensteten, darunter die Zeugin F., vorgelegt, die - abweichend von ihren ursprünglichen Einlassungen - bekundet haben, dass am 30.06.2006 auf Geheiß des Beigeladenen zu 1 dort Leserbriefe geschrieben worden seien und deren Veröffentlichung vorbereitet worden sei.
19 
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006, in der der Zeuge U. und die Zeugin F. vernommen worden sind, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung liege bei Berücksichtigung der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe, die den Prüfungsumfang auch des Gerichts beschränkten, nicht vor. Mit seinem Leserbrief habe der Zeuge U., der stellvertretender Beisitzer des Wahlausschusses und Gemeinderat sei, die Grenzen zulässiger Wahlwerbung nicht überschritten. Denn er habe diesen Brief nicht in diesen Funktionen, sondern allein als Gewerbevereinsvorsitzender geschrieben. Als Inhaber eines Ehrenamtes könne er nicht von Äußerungen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeschlossen werden. Auch im Hinblick auf die Autorenschaft des fraglichen Leserbriefs sei eine gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung nicht festzustellen. Objektiv unrichtig seien Tatsachenbehauptungen zwar nicht nur dann, wenn sie inhaltlich falsch seien, sondern auch in Fällen, in denen der Wähler über den Urheber einer Äußerung im Wahlkampf getäuscht werde; denn die Bewertung einer solchen Äußerung hänge entscheidend auch davon ab, von wem sie stamme. Der Zeuge U. sei jedoch in rechtlicher Hinsicht als Urheber des mit seinem Namen unterzeichneten Leserbriefs anzusehen. Die Beweisaufnahme habe zwar ergeben, dass der Beigeladene zu 1 einen erheblichen Beitrag an der Entstehung und am Inhalt des Leserbriefs habe, der Zeuge U. habe sich den Inhalt des Briefs jedoch vollständig zu eigen gemacht. Er habe nämlich ein persönliches Interesse daran gehabt, dem seiner Auffassung nach durch den Bericht entstandenen falschen Anschein, die Gewerbetreibenden insgesamt und auch er als der Vereinsvorsitzende sei dem amtierenden Bürgermeister gegenüber kritisch eingestellt, durch eine eigene veröffentlichte Stellungnahme entgegenzutreten. Des Weiteren habe der Zeuge U. den aus dem Rathaus stammenden Entwurf nicht unbesehen übernommen, sondern um eigene Passagen ergänzt. Da der Zeuge U. somit als Urheber des Leserbriefs anzusehen sei, liege allein darin, dass ohne ein Eingreifen des Beigeladenen zu 1 der Leserbrief vermutlich mit anderem Wortlaut, möglicherweise aber auch gar nicht, erschienen wäre, keine rechtserhebliche Täuschung des Wählers. Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1 den Entwurf für den Leserbrief durch eine Angestellte des Rathauses habe schreiben und mailen lassen. Es spreche vieles dafür, dass eine unparteiische Amtsführung es gebiete, Einrichtungen und Bedienstete der Gemeindeverwaltung nicht für Wahlpropaganda zu verwenden. Ein Textbeitrag von sechs Zeilen, der von der Angestellten zudem lediglich nach Diktat geschrieben, nicht aber entworfen worden sei, reiche dafür jedenfalls nicht aus, da einem derart geringen Beitrag die Eignung dafür fehle, die Wahl zu beeinflussen.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 07.03.2007 - 1 S 182/07 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen, wonach der Zeuge U. als Unterzeichner des Leserbriefs lediglich vorgeschoben worden sei und die Wähler dadurch über den wahren Urheber getäuscht worden seien. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1 habe den Leserbrief initiiert, der Zeuge U. habe den per E-Mail übermittelten Entwurf in zentralen Aussagen übernommen, so dass amtliche Stellen bei der Veröffentlichung eine ausschlaggebende Rolle gespielt hätten. Es reiche nicht aus, dass der Zeuge U. bekräftigt habe, dass es sein Leserbrief gewesen sei und er inhaltlich voll dahinter stehe; eine formale Autorenschaft genüge nicht. Schließlich gehe es nicht an, den unzulässigen amtlichen Einfluss des Bürgermeisters angesichts des knappen Wahlergebnisses zu verharmlosen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
26 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Er trägt vor: Zutreffend sei im angefochtenen Urteil festgestellt worden, dass der Zeuge U. „wahrer Urheber“ des Leserbriefs gewesen sei; er habe dessen Inhalt und Form selbst verantwortet. Im Übrigen komme es nicht darauf an, wer der geistige Urheber eines Leserbriefs im Wahlkampf sei; entscheidend sei allein, wer durch seine Unterschrift die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Text dokumentiere und damit die inhaltliche Verantwortung für das Druckwerk gegenüber der Öffentlichkeit und der Wählerschaft übernehme. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht sei rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie in den öffentlichen Raum hineinwirke und zu einer Beeinflussung des Wählerwillens führen könne. Demgegenüber seien Verstöße, die rein verwaltungsintern blieben und keine Auswirkungen auf den Wählerwillen haben könnten, irrelevant. Außerdem müssten die Verstöße von solchem Gewicht sein, dass eine unzulässige Beeinflussung des Wahlergebnisses durch sie möglich sei. Dies habe das angefochtene Urteil bezüglich des völlig untergeordneten Beitrags der Zeugin F. zutreffend verneint.
29 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
30 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
31 
Sie trägt vor: Der Beigeladene zu 1 habe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Leserbriefs Gemeindebedienstete für seine Wahlkampfzwecke eingesetzt und dadurch unter Verletzung der ihm insoweit obliegenden Neutralitätspflicht eine gesetzeswidrige Wahlbeeinflussung begangen. Angesichts des knappen Stimmenvorsprungs des Beigeladenen zu 1 sei auch anzunehmen, dass dieser Wahlfehler Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben könnte.
32 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin F.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.


Tenor

Unter Aufhebung des aufsichtsbehördlichen Bescheides des Beklagten vom 27. Dezember 2012 wird die Bürgermeisterwahl der Stadt A... vom 4. November 2012 für ungültig erklärt.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger werden dem Beklagten und dem Beigeladenen jeweils zur Hälfte auferlegt. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten und dem Beigeladenen wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Kläger mit einer Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, es sei denn, die Kläger leisten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die am 4. November 2012 durchgeführte Wahl des Bürgermeisters der Stadt A...

2

Der Beigeladene ist seit über 15 Jahren Bürgermeister der Stadt A... und bewarb sich um seine Wiederwahl. Nachdem unter dem 24. September 2012 der Wahltermin öffentlich bekannt gemacht worden war, kam es zu folgenden Begebenheiten:

3

Der Beigeladene erklärte am 18. Oktober 2012 ausweislich eines Artikels in der Rhein-Hunsrück-Zeitung, man habe A... sehr gut konsolidiert und für die Zukunftsaufgaben bestens gerüstet. Die freie Finanzspitze der Stadt betrage in diesem Jahr 1.023.644 €. Er sähe keine Probleme mehr, um im kommenden Jahr die von vielen Bürgern gewünschte Schwimmbadinvestition zu starten. Zuvor war der Stadt A... bereits im Haushaltsgenehmigungsschreiben für den Haushalt 2012 vom Beklagten unter dem 25. April 2012 mitgeteilt worden, der Haushalt 2012 sei erneut unter Verstoß gegen § 93 IV GemO in Verbindung mit § 18 GemHVO im Finanzhaushalt nicht ausgeglichen. Wie schon im Jahr 2011 werde im Vorbericht die Aussage getroffen, der Finanzhaushalt sei ausgeglichen. Dies sei falsch.

4

Der 1. Beigeordnete der Stadt A..., Dr. B..., der gleichzeitig Wahlleiter für die Bürgermeisterwahl war, äußerte sich am 20. Oktober 2012 in einem „Facebook-Eintrag“ in der Facebook-Gruppe „C... A...“ über die beiden Kandidaten wie folgt:

5

„Aber wen von beiden wählen? Das treibt die community, die Bürgerinnen und Bürger in A..., um: Der eine hat viel in den 15 Jahren seiner Amtszeit in und für A... gestaltet und erreicht, ein Zukunftskonzept vorgelegt, A... in die jetzige, „moderne“, Zeit geführt, natürlich dabei auch Fehler gemacht. Der andere mosert nur an den Entscheidungen des Amtsinhabers herum, ohne eigene Konzepte vorzulegen, eine ganz simple Strategie, B...“

6

Am 24. Oktober 2012 ließen sieben Ortsvorsteher der Ortsbezirke Stadt A..., D..., E..., F..., G..., H... und I... „Postwurfversendungen an alle Haushalte“ mit folgendem Inhalt verteilen:

7

„Wahlaufruf

8

Wir bitten Sie sehr herzlich: Machen Sie von Ihrem Wahlrecht am kommenden Sonntag, den 4. November 2012 Gebrauch. Gehen Sie zur Wahl des Bürgermeisters der Stadt A...

9

Wir unterstützen Bürgermeister Dr. J..., weil er in den zurückliegenden 15 Jahren nicht nur für die Gesamtstadt, sondern auch für alle zehn Ortsbezirke in der Zusammenarbeit mit uns sehr viel erreicht hat. Wir schätzen seine engagierten und sachorientierten Problemlösungen. Dr. J... setzt auf die Eigeninitiative in den einzelnen Ortsbezirken und fördert diese ausdrücklich. Er unterstützt uns in unserer Arbeit und die Zusammenarbeit ist sehr gut. Probleme, die unseren Ort unmittelbar betreffen, lösen wir in unseren Ortsbezirken eigenständig. Hierzu sind wir in der Lage.

10

Wir wollen den Fortschritt sichern. Deshalb geben wir am Sonntag Dr. J... unsere Stimme.“

11

Im Anschluss an diesen Text sind auf dem Blatt der Name des Beigeladenen, die Angabe, dass es sich bei ihm um den Wahlvorschlag der SPD handele, und ein runder Kreis mit einem Kreuz und danach die Fotos der Ortsvorsteher, ihre Namen und Amtsbezeichnungen wiedergegeben.

12

Daraufhin bemängelte eine politische Gruppierung die Postwurfsendung als unzulässige Wahlempfehlung und brachte den Sachverhalt dem Beklagten zur Kenntnis. Zudem berichtete die Rhein-Hunsrück-Zeitung bereits am 29. Oktober 2012 unter der Überschrift „Streit um Wahlaufruf für J... entbrannt“ über die Stellungnahmen der politischen Gruppierungen zur Zulässigkeit des Wahlaufrufs.

13

Am 31. Oktober 2012 teilte der Beklagte den Ortsvorstehern mit, dass es sich bei dem Wahlaufruf um eine nicht durch ihre Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung, sondern um eine amtliche Wahlbeeinflussung handele, beanstandete diese Vorgehensweise und forderte die Ortsvorsteher auf, derartige unzulässige Wahlaufrufe zu unterlassen. Am 2. November 2013 gab er hierzu eine Presseerklärung heraus. Hierüber berichtete die Rhein-Hunsrück-Zeitung am 3. November 2012. Hierin ist u.a. ausgeführt, dass die Kommunalaufsicht den Wahlaufruf der Ortsvorsteher für unzulässig halte. Ihre Prüfung habe ergeben, dass es sich bei diesem Wahlaufruf um eine nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckte Wahlbeeinflussung handele. Ortsvorsteher seien zur unparteiischen Amtsführung verpflichtet. Gegenstand eines Presseartikels war auch die Reaktion der betroffenen Ortsvorsteher, die danach erklärt haben, sie hätten mit der Postwurfsendung nur von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Sie ließen sich keinen Maulkorb umhängen und übten ihr Ehrenamt guten Gewissens aus.

14

Bei der Bürgermeisterwahl am 4. November 2012 wurden 7.464 Stimmen (Wahlbeteiligung von 60,5 %) abgegeben. Davon entfielen auf den Beigeladenen 4.052 (54,3 v.H.) und auf seinen Gegenkandidaten 3.412 (45,7 v.H.) Stimmen. Die öffentliche Bekanntmachung des Wahlergebnisses erfolgte am 9. November 2012 im Mitteilungsblatt „Rund um A...“.

15

Die Kläger erhoben am 20. November 2012 gegen die Wahl Einspruch und machten geltend, der Beigeladene habe dem Stadtrat das Haushaltsgenehmigungsschreiben pflichtwidrig vorenthalten und die Haushaltslage der Stadt in der Rhein-Hunsrück-Zeitung bewusst fehlerhaft dargestellt. Der 1. Beigeordnete und Wahlleiter habe durch den Facebook-Eintrag gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen. Der Wahlaufruf der Ortsvorsteher stelle eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar. Er verletze das verfassungsrechtliche Gebot der freien Wahl. Dies sei auch ein erheblicher Verstoß. Es könne nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Verstoß Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt habe. Dies gelte umso mehr, als der Beigeladene lediglich 319 Stimmen mehr als erforderlich erhalten habe.

16

Mit aufsichtsbehördlichem Bescheid vom 27. Dezember 2012 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl u.a. aus folgenden Gründen zurück: Der Rechtsverstoß der Ortsvorsteher sei nicht geeignet, die Stimmabgabe der Wähler wesentlich zu beeinflussen. Der zu beanstandende Verstoß gegen das Wahlrecht sei bereits am Wochenende vor der Bürgermeisterwahl in einer örtlichen Zeitung publik gemacht worden; dieser Sachverhalt habe sich dann in kurzer Zeit wie ein Lauffeuer unter den Bürgern verbreitet. Der Wahlleiter und 1. Beigeordnete habe seine Facebook-Äußerungen als Privatperson abgegeben und nicht in amtlicher Funktion gehandelt. Insofern liege keine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung vor. Der Beigeladene habe bis zum November 2012 aufgrund der konkreten Abläufe und der Absprachen mit den Aufsichtsbehörden nicht die Verpflichtung zur Unterrichtung des Stadtrates der Stadt A... über das Haushaltsgenehmigungsschreiben gehabt.

17

Am 23. Januar 2013 haben die Kläger Klage erhoben und machen unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens geltend, dass die Bürgermeisterwahl vom 4. November 2012 unter Rechtsverstößen gelitten habe, die geeignet seien, das Wahlergebnis wesentlich zu beeinflussen.

18

Die Kläger beantragen,

19

unter Aufhebung des aufsichtsbehördlichen Bescheides des Beklagten vom 27. Dezember 2012 die Bürgermeisterwahl der Stadt A... vom 4. November 2012 für ungültig zu erklären.

20

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils,

21

die Klage abzuweisen.

22

Der Beklagte vertieft seine bisherige Ausführungen und weist darauf hin, dass der Artikel in der Rhein-Hunsrück-Zeitung den Lesern unmissverständlich klar gemacht habe, wie er den Wahlaufruf bewerte.

23

Der Beigeladene trägt vor, der Wahlaufruf der Ortsvorsteher sei von deren Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Die Postwurfsendungen an die Haushalte seien nach Inhalt und Form nicht als amtliche Äußerung zu qualifizieren und stellten mithin auch keinen Verstoß gegen den Wahlrechtsgrundsatz der freien Wahl dar. Aber selbst wenn man dies anders beurteilen würde, läge jedenfalls kein erheblicher Verstoß gegen die Wahlvorschriften vor, der Auswirkungen auf das Wahlergebnis hätte haben können. Die Wählerschaft sei nicht nur durch die Berichterstattung in der Rhein-Hunsrück-Zeitung, sondern auch durch einen Artikel im Bekanntmachungsorgan „Rund um A...“ vom 2. November 2012, das an jeden Haushalt verteilt worden sei, über den Sachverhalt unterrichtet gewesen. Auch die beiden übrigen geltend gemachten Einwendungen gegen die Wahl seien unbeachtlich und hätten keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Klage ist begründet. Die aufsichtsbehördliche Entscheidung vom 27. Dezember 2012 ist rechtswidrig. Denn die Wahl vom 4. November 2012 zum Bürgermeister der Stadt A... ist ungültig, da sie an einem erheblichen Verstoß gegen die Wahlvorschriften leidet, der geeignet ist, das Wahlergebnis wesentlich zu beeinflussen (vgl. § 50 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 58 Kommunalwahlgesetz – KWG –).

26

Die Wahl verletzt den verfassungsrechtlichen Wahlrechtsgrundsatz der freien Wahl (vgl. Art. 38 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz – GG –, § 53 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung – GemO –). Danach müssen die Wähler in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung ohne jede unzulässige Beeinflussung von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite zu ihrer Wahlentscheidung finden können. Das Gebot der freien Wahl untersagt es staatlichen und gemeindlichen Organen, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und die Amtsträger zu unterstützen oder zu bekämpfen. Insbesondere dürfen in amtlicher Eigenschaft keine Wahlempfehlungen ausgesprochen werden. Derartige Empfehlungen sind nicht von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Sie verstoßen vielmehr gegen die Neutralitätsverpflichtung, die von den Gemeinden und ihren Organen zu beachten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997, 8 C 5.96 und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. November 2000, 7 A 10595/00.OVG, juris).

27

Bei der Postwurfsendung der sieben Ortsvorsteher im Vorfeld der Bürgermeisterwahlen handelt es sich um eine unzulässige Wahlempfehlung.

28

Ortsvorsteher sind gewählte Ehrenbeamte (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 3 GemO), die den Vorsitz im Ortsbeirat innehaben (vgl. § 75 Abs. 5 GemO) und die Belange des Ortsbezirks gegenüber den Organen einer Kommune vertreten. Ihnen können im Einzelfall von den Bürgermeistern Aufgaben übertragen werden. Insoweit sind sie Organe der Kommune. Sie haben aufgrund ihrer Funktion innerhalb ihres Ortsbezirks eine hervorgehobene Position. Angesichts dessen unterliegen auch Ortsvorsteher der oben dargestellten Verpflichtung, sich bei der Ausübung ihres Amtes gerade im Vorfeld von Kommunalwahlen neutral zu verhalten.

29

Gegen diese Verpflichtung haben die sieben Ortsvorsteher verstoßen. Sie haben in der „heißen Phase“ des Wahlkampfes ein mit „Wahlaufruf“ überschriebenes Schreiben an die Haushalte der Stadt A... verteilen lassen. Hierin haben sie zunächst die Wahlberechtigten um die Teilnahme an der Wahl gebeten. Danach haben sie ihre Unterstützung für den Beigeladenen bekundet und die aus ihrer Sicht sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Ortsbezirken und dem Beigeladenen hervorgehoben. Dabei stellten sie heraus, dass der Beigeladene auf die Eigeninitiative in den einzelnen Ortsbezirken setze, diese fördere und die Ortsvorsteher in ihrer Arbeit unterstütze. Probleme, die den Ort unmittelbar beträfen, würden von den Ortsvorstehern in den Ortsbezirken eigenständig gelöst. Von daher enthält ihre Erklärung einen unmittelbaren Bezug zur Ortsvorstehertätigkeit. Ferner erklärten die Ortsvorsteher, den Beigeladenen zu wählen. Im Anschluss daran befinden sich auf der Postwurfsendung der Name des Beigeladenen, die Angabe, dass es sich bei ihm um den Wahlvorschlag der SPD handele, und ein runder Kreis mit einem Kreuz, der die Wahl des Beigeladenen symbolisieren soll.

30

Diese Wahlwerbung ist nicht als private Meinungsäußerung einzustufen. Dies folgt bereits daraus, dass die Postwurfsendung nicht nur die Fotografien mit den Namen der sieben Ortsvorsteher, sondern auch deren Amtsbezeichnung enthält. Von daher haben die Ortsvorsteher unter Nennung ihrer amtlichen Funktion und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf ihr Amt die Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen bewertet und sich für dessen Wiederwahl ausgesprochen. Dies ist angesichts der Gesamtgestaltung der Postwurfsendung bei verständiger Würdigung eine amtliche Wahlempfehlung und verletzt die Verpflichtung der Amtsträger zur neutralen Wahrnehmung ihres Amtes.

31

Die hiergegen gerichtete Einwendung des Beigeladenen, aufgrund der gewählten Form als Postwurfsendung und des gemeinsamen Auftritts der Ortsvorsteher sei für jeden Wähler zu erkennen gewesen, dass es sich um eine persönliche Meinungsäußerung gehandelt habe, greift nicht durch. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Wahlempfehlung der sieben Ortsvorsteher nicht im Bekanntmachungsorgan der Stadt A... erfolgte und eine Verwendung des Amtssiegels unterblieb. Aufgrund des Inhalts der an alle Haushalte der Stadt gerichteten Postwurfsendung musste und sollte für einen unbefangenen Leser jedoch der Eindruck erweckt werden, dass die sieben Personen in ihrer Funktion als Ortsvorsteher die Wiederwahl des Beigeladenen empfehlen. Bedenkt man, dass politische Amtsträger einer Gemeinde frei bestimmen können, wie sie ihre Öffentlichkeitsarbeit gestalten, haben die Ortsvorsteher durch die Abgabe der Wahlempfehlung unter Beifügung ihrer Amtsbezeichnung eine Möglichkeit zur politischen Einflussnahme ausgenutzt, über die sie nur kraft ihres Amtes verfügen. Mithin liegt eine unzulässige Beeinflussung der Wahl durch kommunale Organe und damit eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Wahlgrundsatzes der freien Wahl vor.

32

Diese Bewertung steht auch nicht, wie der Beigeladene meint, in Widerspruch zu dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. November 2000 (a.a.O.). Gegenstand dieser Entscheidung war eine als Anzeige überschriebene Wahlempfehlung von über 20 Personen, darunter ein Bürgermeister und ehrenamtlich tätige Ortsbürgermeister, im nicht amtlichen Teil eines Amtsblattes; allerdings wurde deren Amtsbezeichnung in der Anzeige nicht erwähnt, so dass diesem Verfahren ein mit der Wahlanfechtung der Kläger nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde gelegen hat.

33

Der Wahlrechtsverstoß der sieben Ortsvorsteher ist erheblich im Sinne des § 50 Abs. 3 Satz 1 KWG. Mit dem Begriff des „erheblichen Verstoßes gegen Wahlvorschriften“ kennzeichnet der Gesetzgeber schlagwortartig das gesamte System des materiellen Wahlprüfungsrechts. Hierdurch wird Bezug auf die im überkommenen Wahlprüfungsrecht entwickelten Gründe für die Ungültigkeit einer Wahl genommen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Dezember 1991, 7 A 10305/91.OVG, juris). Gerade die verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätze definieren die materiell-rechtlichen Grundlagen einer demokratischen Wahl und gewährleisten in besonderem Maße die Volkssouveränität. Von daher vermögen nur Wahlen, die ohne Verstoß gegen das Gebot staatlicher oder gemeindlicher Neutralität und ohne Verletzung der Integrität der Willensbildung des Volkes und der Wahlbürger erfolgt sind, demokratische Legitimation zu verleihen (vgl. BVerwG a.a.O. mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Angesichts dessen stellen amtliche Wahlempfehlungen von Personen, die ein herausgehobenes Amt in einer Kommune innehaben, zumindest in der „heißen Phase“ des Wahlkampfes, also sechs Wochen vor der Wahl, regelmäßig Wahlrechtsverletzungen dar, die erheblich sind. Nichts anderes gilt auch für Empfehlungen eines Ortsvorstehers bei einer Bürgermeisterwahl. Der Inhaber eines solchen Amtes ist der gewählte Repräsentant eines Ortsbezirks der Kommune (vgl. Klöckner, Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Bd. 1, Komm. zur GemO, § 76 Ziffer 2.1). Er wirkt in dieser Funktion als Bindeglied zwischen dem Ortsbezirk und dessen Einwohner sowie der Gesamtgemeinde und findet aufgrund dessen regelmäßig in besonderer Weise Gehör bei den Einwohnern seines Ortsbezirks. Bei diesen hat sein Wort Gewicht.

34

Die verfassungswidrige Wahlempfehlung der Ortsvorsteher war geeignet, das Ergebnis der Wahl zum A...er Stadtbürgermeister wesentlich zu beeinflussen. Dieses Kausalitätserfordernis dient dem Ziel, die Wahl möglichst aufrecht zu erhalten. Rechtsverstöße, die nicht eine konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses begründen, werden in Kauf genommen, weil die Wählerschaft im Rahmen des Vertretbaren vor unnötigen Belastungen mit Neuwahlen sowie Gemeinden und Landkreise vor dem damit verbundenen Aufwand bewahrt werden sollen. Von daher ist eine Wahl nur dann für ungültig zu erklären, wenn nach der Lebenserfahrung und den Umständen des Einzelfalls bei realistischer Betrachtungsweise eine konkrete, nicht fernliegende Möglichkeit besteht, dass der Wahlfehler Einfluss auf das Ergebnis hatte (vgl. BVerwG a.a.O.). Bei dieser Bewertung ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen einer unzulässigen Beeinflussung des Wählerwillens durch einen Amtsträger letztlich nie hinreichend sicher feststellbar sind. Von daher reicht es für die Kausalität des Wahlverstoßes auf das Wahlergebnis aus, wenn durch den Verstoß die Beeinflussung des Wahlergebnisses möglich erscheint bzw. nicht ausgeschlossen werden kann.

35

Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Bei der am 4. November 2012 durchgeführten Bürgermeisterwahl wurden 7.464 Stimmen abgegeben, die Wahlbeteiligung betrug über 60 %, was einen im Vergleich zu anderen Bürgermeisterwahlen hohen Anteil darstellt. Es entfielen auf den Beigeladenen 4.052 (54,3 v.H.) und auf seinen Gegenkandidaten 3.412 (45,7 v.H.) Stimmen, der Vorsprung des Beigeladenen vor seinem Gegenkandidaten betrug mithin lediglich 640 Stimmen. Dies sind weniger als 10 % der abgegebenen Stimmen. Zudem beträgt unter Zugrundelegung der amtlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses im Bekanntmachungsorgan „Rund um A...“ vom 9. November 2012 der Anteil der Wählerinnen und Wähler, die in den von den sieben Ortsvorstehern repräsentierten Ortsbezirken A..., D..., E..., F..., G..., H... und I... ihre Stimme abgegeben haben, an der Gesamtzahl der an der Wahl teilnehmenden Einwohner der Stadt A... über 75 %. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass gerade die Wählerinnen und Wähler in diesen Ortsteilen die Postwurfsendung mit dem Bild auch ihres Ortsvorstehers, den viele wohl auch persönlich kennen, zur Kenntnis genommen und in irgendeiner Weise Beachtung geschenkt haben. Ob und inwieweit die Wahlempfehlung die Wahlbeteiligung und Wahlentscheidung gerade dieser Wählerinnen und Wähler beeinflusst hat, lässt sich nicht ermitteln. Eine Beeinflussung des Wahlergebnisses ist angesichts der herausgehobenen Funktion der Ortsvorsteher nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, jedenfalls nicht ausgeschlossen.

36

Die Berichterstattungen zum Streit der politischen Gruppierungen über die rechtliche Zulässigkeit der Wahlwerbung und über die nicht öffentlich bekannt gemachte Beanstandung der unzulässigen Wahlbeeinflussung der Ortsvorsteher durch den Beklagen in der Rhein-Hunsrück-Zeitung führen unabhängig von der Frage, ob hierdurch überhaupt ein erheblicher Wahlverstoß gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl kompensiert werden kann, zu keiner anderen Beurteilung. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Rhein-Hunsrück-Zeitung als einzige Lokalzeitung im Stadtgebiet einen hohen Verbreitungsgrad hat. Allerdings ist nicht jeder wahlberechtigte Einwohner dieser Stadt Abonnent dieser Zeitung; außerdem ist auch nicht gewährleistet, dass jeder Abonnent die Berichterstattung über den Wahlverstoß zur Kenntnis genommen hat. Es ist letztlich nicht zu ermitteln, in welchem Umfang die Wählerschaft über das Vorliegen eines Wahlverstoßes unterrichtet gewesen ist. Von daher ist die Annahme des Beklagten, dass sich nach der Berichterstattung über die Beanstandung des Verstoßes der Sachverhalt in kurzer Zeit wie ein „Lauffeuer“ unter der Bürgerschaft verbreitet habe, nicht belegbar. Zudem wurde am 3. November 2012 in der Rhein-Hunsrück-Zeitung im Zusammenhang mit der Beanstandung auch über die Reaktion der Ortsvorsteher berichtet, die danach der Auffassung waren, dass ihre Wahlempfehlung vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt sei. Wurde aber somit bei der Wählerschaft der Eindruck hinterlassen, die Ortsvorsteher hielten ihre Empfehlung weiterhin rechtlich für zulässig, fehlt der Berichterstattung in der Rhein-Hunsrück-Zeitung inhaltlich die Eignung zur Kompensation des begangenen Wahlrechtsverstoßes.

37

Gleiches gilt für Darstellungen von politischen Gruppierungen im Vorfeld der Wahl, die dem Beklagten nicht zurechenbar sind. Hierin wird regelmäßig in demokratisch zulässiger Weise unmittelbar oder mittelbar Partei für einen der Wahlbewerber ergriffen. Von daher können derartige Darstellungen allein schon wegen der fehlenden Objektivität der Verfasser eine verfassungswidrige Einflussnahme von Amtsträgern auf die Wählerschaft nicht ausgleichen. Die Befugnis hierzu steht nur den hierzu berufenen staatlichen Stellen und damit der Kommunalaufsicht des Beklagten zu. Auch die von dem Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung angesprochene Veröffentlichung einer Stellungnahme vom 2. November 2012 im Bekanntmachungsorgan „Rund um A...“ zu den Befugnissen eines Ortsvorstehers hat hierfür keinen Ausgleich schaffen können. Der von dem Beigeladenen nach der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bericht mit der Überschrift „Sind Ortsvorsteher-Wahlaufrufe Amtsmissbrauch?“ stellt lediglich einen redaktionellen Beitrag dar und verhält sich nicht zu der Beanstandung des Verhaltens der Ortsvorsteher durch den Beklagten, da das Ergebnis der Prüfung dem Verfasser des Artikels nicht bekannt gewesen war. Auch hierdurch konnte die Wählerschaft nicht in der geeigneten Weise über das Vorliegen eines Wahlrechtsverstoßes unterrichtet werden.

38

Schließlich ist zu bedenken, dass die Bekanntgabe der Beanstandung des Wahlverstoßes nicht unverzüglich nach Verteilung der Postwurfsendungen erfolgte. Der Beigeladene hat hierzu in der mündlichen Verhandlung angegeben, die Postwurfsendungen der sieben Ortsvorsteher seien überwiegend am 24. Oktober 2012 verteilt worden. Über die Beanstandung des Beklagten wurde erst am 2. bzw. 3. November 2013 berichtet. Von daher haben die Wähler, die im Zeitraum vom 24. Oktober 2012 bis zum 2. November 2013 von der Möglichkeit zur Briefwahl Gebrauch gemacht haben, ihre Entscheidung getroffen, ohne dass sie Kenntnis davon gehabt haben konnten, dass der Beklagte die Postwurfsendung der Ortsvorsteher als verfassungswidrige Wahlbeeinflussung eingestuft hat. Die Wahlentscheidung der Briefwähler stand daher in jedem Fall unter dem Einfluss einer unzulässigen Wahlempfehlung.

39

Angesichts all dieser Umstände ist es zur Überzeugung des Gerichts nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen, dass die Wahl zum Bürgermeister der Stadt A... einen anderen Ausgang genommen hätte, wäre die verfassungswidrige Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler durch die sieben Ortsvorsteher unterblieben. Die Wahl vom 4. November 2012 war deswegen für ungültig zu erklären, ohne dass die Kammer noch dazu Stellung nehme muss, ob die übrigen von den Klägern geltend gemachten Einwendungen gegen die Gültigkeit der Wahl der Klage ebenfalls zum Erfolg verholfen hätten.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

41

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

42

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

44

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert.

Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 im Berufungsverfahren je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 in Kappel-Grafenhausen.
Am Freitag, dem 30.06.2006, berichtete die Badischen Zeitung (BZ) unter der Überschrift „Klagen aus dem Gewerbe“ über eine Wahlveranstaltung des Bürgermeisterkandidaten Z. mit Gewerbetreibenden der Gemeinde, und führte aus, dass das Verhalten des Amtsinhabers von Betriebsinhabern teilweise massiv kritisiert worden sei.
Am Samstag, dem 01.07.2006, erschien unter dem Titel „‘Zustimmung, Freundlichkeit’ - K. kontert Vorwürfe“ ein weiterer Artikel in der BZ in Gesprächsform, in dem die Sicht des amtierenden - und zur Wiederwahl stehenden - Bürgermeisters, des Beigeladenen zu 1, wiedergegeben wurde.
Am selben Tag wurden auch vier Leserbriefe in der BZ veröffentlicht, die sich kritisch mit dem Artikel vom 30.06.2006 auseinander setzten.
Unter der Titelzeile „Unverständlich“ wurde ein Leserbrief mit folgendem Wortlaut abgedruckt:
„Der leider von privater Seite verfasste Bericht gegenüber unserem Herrn K. entspricht nicht den Tatsachen.
Es waren nur einzelne Gewerbetreibende von knapp 40, die die Tätigkeit von Herrn K. kritisierten.
Bis jetzt hieß es in beiden Wahlkampfreden, dass ein fairer Wahlkampf betrieben wird, dies geht jedoch weit unter die Gürtellinie. Mit dem Bericht wird auf infame Weise versucht, Bürgermeister K. kurz vor der Wahl zu diskreditieren.
Ich bin der Meinung, dass man es nicht jedem recht machen kann, und dass bei allen zukünftigen Bürgermeistern immer ein Haar in der Suppe gefunden werden kann, wenn man danach sucht.
Mehrere Gewerbetreibende riefen mich als Gewerbevereinsvorsitzender an, dass sie den Artikel überhaupt nicht verstehen können, und mit Herrn K. sehr zufrieden sind. Sie baten mich, eine Gegendarstellung in die BZ und in den Guller zu setzen.
H. U.“
Unter der Zeile „Faires Miteinander“ hieß es:
„Wir auch von der O. GmbH, ... und ..., ... ... in ..., können diesen Bericht nicht nachvollziehen. In der Amtszeit von Herrn Bürgermeister K. war es für uns ein faires wirtschaftliches Miteinander.
W. O., O. GmbH, ...- und ... ...“
Unter der Überschrift „Ist das fair?“ erschien folgender Leserbrief:
10 
„Fair“ und „ehrlich“ sollte die Bewerbung um den Bürgermeisterposten in Kappel-Grafenhausen laufen - so wurde es zwischen den beiden Bewerbern, Amtsinhaber A. K. und dem Konkurrenten J. Z. öffentlich vereinbart. Nun scheinen unterschiedliche Ansichten darüber zu bestehen, was unter „fair“ und „ehrlich verstanden wird.
Manches an der Informationsbeschaffung des Kandidaten Z. im Wahlkampf erscheint mir nicht dem von ihm gesetzten moralischen Maß zu entsprechen.
... B. E., ...“
11 
Ein letzter Leserbrief folgte unter dem Stichwort „Verwundert“:
12 
Über den Bericht in der Badischen Zeitung vom 30. Juni „Klagen aus den Gewerbe“ kann ich, milde ausgedrückt, nur meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. In diesem Bericht wird die Glaubwürdigkeit und Integrität des Amtsinhabers, Herrn Bürgermeister K., in Frage gestellt und ihm meines Erachtens auch Unrecht getan.
G. K., ...“
13 
Bei der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 erhielt der Beigeladene zu 1 1.160 von 2.301 gültigen und damit 50,4% der Stimmen; der unterlegene Bewerber Z. kam auf 1.135 Stimmen, sonstige Bewerber erhielten insgesamt sechs Stimmen. Das Wahlergebnis wurde zunächst am 03.07.2006 bekannt gemacht; die öffentliche Bekanntmachung wurde wegen eines Formfehlers am 14.07.2006 wiederholt.
14 
Am 10.07.2006 erhob der Kläger, ein wahlberechtigter Einwohner der Gemeinde, Einspruch gegen die Wahl und fügte eine Unterschriftenliste mit Beitretenden bei. Zur Begründung machte er geltend, dass eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung mit der Folge der Verletzung elementarer Wahlrechtsgrundsätze wie der Freiheit und Gleichheit der Wahl vorliege. Der stellvertretende Leiter des Wahlprüfungsausschusses, der Zeuge U., habe sich entgegen seiner Pflicht zur Neutralität am Samstag vor der Wahl in einem Leserbrief zugunsten des gewählten Bürgermeisters eingesetzt und darin falsche Behauptungen aufgestellt. Der Brief sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden. Wegen der Veröffentlichung hätten der Bürgermeister und der Zeuge U. massiven Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
15 
Gegenüber dem Landratsamt Ortenaukreis gab der Zeuge U. im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens u.a. an, dass die in der BZ veröffentlichte Stellungnahme von ihm selbst stamme und per E-Mail von seinem eigenen Computer an die Redaktion übermittelt worden sei. Irgendeine vorherige Kontaktaufnahme oder gar eine Absprache mit dem Beigeladenen zu 1 habe es nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1 erklärte gegenüber dem Landratsamt, die Behauptung, der Leserbrief sei von ihm diktiert und im Rathaus geschrieben worden, sei unzutreffend. Die Beigeladene zu 2 teilte dem Landratsamt mit, dass der Bürgermeister-Stellvertreter bei allen Bediensteten in den beiden Rathäusern der Frage nachgegangen sei, ob der Leserbrief im Rathaus geschrieben bzw. vom Bürgermeister diktiert worden sei; alle Befragten hätten dies verneint.
16 
Das Landratsamt Ortenaukreis erklärte mit Wahlprüfungsbescheid vom 03.08.2006 die Bürgermeisterwahl unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche für gültig.
17 
Mit weiterem Bescheid vom 03.08.2006 wies das Landratsamt den Einspruch des Klägers zurück. Der zulässige Einspruch sei nicht begründet. Die gerügte gesetzwidrige Wahlbeeinflussung durch einen Bewerber oder Dritte liege nicht vor. Der Zeuge U. habe mit seinem Leserbrief nicht gegen die den amtlichen Organen obliegende Neutralitätspflicht verstoßen; diese gelte nur für die Gemeindeorgane selbst, nicht aber für deren Mitglieder. Im Übrigen habe der Zeuge U. diesen Brief mit seinem Namen, nicht aber mit Hinweis auf sein Amt als stellvertretendes Mitglied des Gemeindewahlausschusses unterzeichnet. Inhaltlich sei mit dem Leserbrief angesichts der kontroversen Berichterstattung die Grenze der zulässigen Wahlpropaganda und Wahlagitation nicht überschritten worden. Die weitere Rüge, wonach der Brief im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden sei, sei nicht belegt. Nach glaubhafter Darstellung des Zeugen U. habe dieser die Stellungnahme selbst verfasst und per E-Mail vom eigenen Computer an die Redaktion der BZ übermittelt. Auch der Beigeladene zu 1 habe den Vorwurf als falsch bestritten. Nach Stellungnahme der Gemeinde unter Einbeziehung einer Befragung der Bediensteten des Bürgermeisteramtes bestünden ebenso wenig Anhaltspunkte im Sinne des Vorbringens. Nicht nachgewiesen sei weiter der Vorwurf, der Beigeladene zu 1 oder der Zeuge U. hätten Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
18 
Der Kläger hat am 01.09.2006 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere geltend gemacht, dass der fragliche Leserbrief vom Bürgermeister initiiert und diktiert und im Rathaus der Entwurf für den Strohmann U. geschrieben worden sei. Der Bürgermeister habe über die Gemeindeverwaltung z.B. durch E-Mails an den Zeugen U. Einfluss auf diesen ausgeübt, damit der Leserbrief in der BZ abgedruckt werde. Diese amtliche Beeinflussung durch die Gemeindeverwaltung bzw. den Bürgermeister sei auch rechtserheblich gewesen, sie habe das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 sind der Klage entgegengetreten. Die Beigeladene zu 2 hat im laufenden Verfahren schriftliche Stellungnahmen von zwei im Büro des Beigeladenen zu 1 tätigen Bediensteten, darunter die Zeugin F., vorgelegt, die - abweichend von ihren ursprünglichen Einlassungen - bekundet haben, dass am 30.06.2006 auf Geheiß des Beigeladenen zu 1 dort Leserbriefe geschrieben worden seien und deren Veröffentlichung vorbereitet worden sei.
19 
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006, in der der Zeuge U. und die Zeugin F. vernommen worden sind, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung liege bei Berücksichtigung der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe, die den Prüfungsumfang auch des Gerichts beschränkten, nicht vor. Mit seinem Leserbrief habe der Zeuge U., der stellvertretender Beisitzer des Wahlausschusses und Gemeinderat sei, die Grenzen zulässiger Wahlwerbung nicht überschritten. Denn er habe diesen Brief nicht in diesen Funktionen, sondern allein als Gewerbevereinsvorsitzender geschrieben. Als Inhaber eines Ehrenamtes könne er nicht von Äußerungen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeschlossen werden. Auch im Hinblick auf die Autorenschaft des fraglichen Leserbriefs sei eine gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung nicht festzustellen. Objektiv unrichtig seien Tatsachenbehauptungen zwar nicht nur dann, wenn sie inhaltlich falsch seien, sondern auch in Fällen, in denen der Wähler über den Urheber einer Äußerung im Wahlkampf getäuscht werde; denn die Bewertung einer solchen Äußerung hänge entscheidend auch davon ab, von wem sie stamme. Der Zeuge U. sei jedoch in rechtlicher Hinsicht als Urheber des mit seinem Namen unterzeichneten Leserbriefs anzusehen. Die Beweisaufnahme habe zwar ergeben, dass der Beigeladene zu 1 einen erheblichen Beitrag an der Entstehung und am Inhalt des Leserbriefs habe, der Zeuge U. habe sich den Inhalt des Briefs jedoch vollständig zu eigen gemacht. Er habe nämlich ein persönliches Interesse daran gehabt, dem seiner Auffassung nach durch den Bericht entstandenen falschen Anschein, die Gewerbetreibenden insgesamt und auch er als der Vereinsvorsitzende sei dem amtierenden Bürgermeister gegenüber kritisch eingestellt, durch eine eigene veröffentlichte Stellungnahme entgegenzutreten. Des Weiteren habe der Zeuge U. den aus dem Rathaus stammenden Entwurf nicht unbesehen übernommen, sondern um eigene Passagen ergänzt. Da der Zeuge U. somit als Urheber des Leserbriefs anzusehen sei, liege allein darin, dass ohne ein Eingreifen des Beigeladenen zu 1 der Leserbrief vermutlich mit anderem Wortlaut, möglicherweise aber auch gar nicht, erschienen wäre, keine rechtserhebliche Täuschung des Wählers. Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1 den Entwurf für den Leserbrief durch eine Angestellte des Rathauses habe schreiben und mailen lassen. Es spreche vieles dafür, dass eine unparteiische Amtsführung es gebiete, Einrichtungen und Bedienstete der Gemeindeverwaltung nicht für Wahlpropaganda zu verwenden. Ein Textbeitrag von sechs Zeilen, der von der Angestellten zudem lediglich nach Diktat geschrieben, nicht aber entworfen worden sei, reiche dafür jedenfalls nicht aus, da einem derart geringen Beitrag die Eignung dafür fehle, die Wahl zu beeinflussen.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 07.03.2007 - 1 S 182/07 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen, wonach der Zeuge U. als Unterzeichner des Leserbriefs lediglich vorgeschoben worden sei und die Wähler dadurch über den wahren Urheber getäuscht worden seien. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1 habe den Leserbrief initiiert, der Zeuge U. habe den per E-Mail übermittelten Entwurf in zentralen Aussagen übernommen, so dass amtliche Stellen bei der Veröffentlichung eine ausschlaggebende Rolle gespielt hätten. Es reiche nicht aus, dass der Zeuge U. bekräftigt habe, dass es sein Leserbrief gewesen sei und er inhaltlich voll dahinter stehe; eine formale Autorenschaft genüge nicht. Schließlich gehe es nicht an, den unzulässigen amtlichen Einfluss des Bürgermeisters angesichts des knappen Wahlergebnisses zu verharmlosen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
26 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Er trägt vor: Zutreffend sei im angefochtenen Urteil festgestellt worden, dass der Zeuge U. „wahrer Urheber“ des Leserbriefs gewesen sei; er habe dessen Inhalt und Form selbst verantwortet. Im Übrigen komme es nicht darauf an, wer der geistige Urheber eines Leserbriefs im Wahlkampf sei; entscheidend sei allein, wer durch seine Unterschrift die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Text dokumentiere und damit die inhaltliche Verantwortung für das Druckwerk gegenüber der Öffentlichkeit und der Wählerschaft übernehme. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht sei rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie in den öffentlichen Raum hineinwirke und zu einer Beeinflussung des Wählerwillens führen könne. Demgegenüber seien Verstöße, die rein verwaltungsintern blieben und keine Auswirkungen auf den Wählerwillen haben könnten, irrelevant. Außerdem müssten die Verstöße von solchem Gewicht sein, dass eine unzulässige Beeinflussung des Wahlergebnisses durch sie möglich sei. Dies habe das angefochtene Urteil bezüglich des völlig untergeordneten Beitrags der Zeugin F. zutreffend verneint.
29 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
30 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
31 
Sie trägt vor: Der Beigeladene zu 1 habe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Leserbriefs Gemeindebedienstete für seine Wahlkampfzwecke eingesetzt und dadurch unter Verletzung der ihm insoweit obliegenden Neutralitätspflicht eine gesetzeswidrige Wahlbeeinflussung begangen. Angesichts des knappen Stimmenvorsprungs des Beigeladenen zu 1 sei auch anzunehmen, dass dieser Wahlfehler Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben könnte.
32 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin F.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären.

2. Das beklagte Land, der Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beigeladenen jeweils selbst.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Gültigkeit einer Bürgermeisterwahl.
Am 09.06.2013 fand in der Gemeinde Malsch, der Beigeladenen zu 2, die Bürgermeisterwahl statt. Von den insgesamt 6.539 gültigen Stimmen entfielen auf den bisherigen Amtsinhaber, den Beigeladenen zu 1, 3.285 Stimmen (50,2 %). Herr XXX erhielt 3.144 Stimmen (48,1 %). 94 Stimmen (1,4 %) gingen an Herrn XXX und weitere 16 Stimmen an sonstige Personen. Das Wahlergebnis wurde am 13.06.2013 öffentlich bekanntgemacht.
Vor der Wahl veröffentlichte der bisherige Amtsinhaber im „Gemeindeanzeiger“ für Malsch mehrere Artikel. Der Gemeindeanzeiger Malsch wird von der Druckerei XXX herausgegeben. Dies ist auf dem Titelblatt oben links vermerkt. Dem Titelblatt folgen die Notruftafel und die Seite „Malsch aktuell“, auf der aus dem Gemeinderat und zum örtlichen Geschehen berichtet wird. Auf Seite vier beginnt das im Schriftbild durch Fettdruck gekennzeichnete „Amtsblatt Malsch“ mit amtlichen und nichtamtlichen Mitteilungen. Als dessen Herausgeber ist oben links auf Seite vier die Gemeinde Malsch genannt. Darunter heißt es: „Verantwortlich für den amtlichen Teil ist: Bürgermeister XXX oder Vertreter im Amt.“ Nach dem Amtsblatt folgt der sog. redaktionelle bzw. kommerzielle Teil des Gemeindeanzeigers. Dort sind private Anzeigen, Texte und Werbetexte veröffentlicht. Im Amtsblatt vom 29.05.2013 (Nr. 22) war unter den amtlichen Nachrichten, in der Rubrik „Bürgermeister“, ein Bericht über den Besuch des Bundestags-Kandidaten, XXX, von Bündnis 90/Die Grünen abgedruckt.
In den Gemeindeanzeigern vom 08.05.2013 (Nr. 19), 16.05.2013 (Nr. 20), 23.05.2013 (Nr. 21), 29.05.2013 (Nr. 22) sowie vom 06.06.2013 (Nr. 23) war nach dem in Fettdruck gekennzeichneten „Ende der amtlichen und nichtamtlichen Mitteilungen“ jeweils ein Artikel mit der Überschrift: „Bürgermeister XXX“ veröffentlicht. Auf der Rückseite der Gemeindeanzeiger Nrn. 21, 22 und 23 finden sich jeweils eine die halbe Seite einnehmende Werbung für den bisherigen Amtsinhaber. In den Ausgaben Nr. 22, Seite 27 und Nr. 23, Seite 23 ist ein Text von XXX abgedruckt, in dem er seine Ziele darstellt.
Mit einem am 19.06.2013 beim Landratsamt Karlsruhe eingegangenen Schreiben vom 14.06.2013 erhob die Klägerin Einspruch gegen die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 mit folgender Begründung: Erstens: Im Amtsblatt Nr. 22 der Beigeladenen zu 2 vom 29.05.2013 habe der bisherige Amtsinhaber im amtlichen Teil einen Bericht mit Bild über den Besuch des Bundestags-Kandidaten von Bündnis 90/Die Grünen, Herrn XXX, veröffentlicht, in dem auf die anstehende Bürgermeisterwahl Bezug genommen und für seine Wiederwahl geworben werde. Dieser Text beinhalte eine unzulässige Wahlbeeinflussung, was im letzten Satz zum Ausdruck komme, der wie folgt laute: „Zum Ende des intensiven Meinungsaustauschs wünschte Herr XXX Bürgermeister XXX alles Gute für die anstehende Bürgermeisterwahl und würde sich freuen, im Herbst als Bundestagsabgeordneter mit ihm und der Gemeinde Malsch an dem begonnenen Gespräch wieder anknüpfen zu dürfen.“
Zweitens: In den verschiedenen Artikeln im redaktionellen Teil der Gemeindeanzeiger Nrn. 19, 20, 21, 22 und 23 seien zum Teil wörtliche Passagen aus der Wahlkampfbroschüre und jeweils ein Bild des bisherigen Amtsinhabers veröffentlicht worden. Für beide Sachverhalte gelte, dass es sich um eine unzulässige Wahlbeeinflussung handele, die sich auf das knappe Wahlergebnis auswirken konnte. Deshalb müsse die Wahl für ungültig erklärt werden.
Drittens: Ein weiterer Aufhebungsgrund sei in der räumlichen Situation des einzigen Wahllokals im Ortsteil Sulzbach zu sehen, in dem ein durch den Wahlraum zugängliches Schreibzimmer als Wahlzelle gedient habe. Der Tisch, an dem die Wahlberechtigten den Stimmzettel hätten ausfüllen können, habe über keinerlei Sichtschutzvorrichtungen verfügt. Sowohl vom Wahlvorstand als auch von wartenden Wählern habe beobachtet werden können, ob der mit dem Rücken zum Wahlraum sitzende Wähler z.B. einen Stimmzettel verändere oder nicht. Außerdem sei durch die vorhandenen Fenster ein Einblick von außen möglich gewesen.
Nachdem das Landratsamt Karlsruhe Stellungnahmen der Beigeladenen sowie der Druckerei XXX eingeholt und das Wahllokal im Ortsteil Sulzbach besichtigt hatte, wies es den Einspruch vom 14.06.2013 mit Bescheid vom 12.07.2013 zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, die Voraussetzungen einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung durch den Artikel im Amtsblatt lägen nicht vor. Die Grußformel des Kandidaten sei bei verständiger Würdigung als eine in Politikerkreisen übliche Höflichkeitsformel zu würdigen. Auch die Artikel des bisherigen Amtsinhabers im redaktionellen Teil der Gemeindeanzeiger stellten keine unzulässige Wahlbeeinflussung dar. Das Wahlgeheimnis sei auch im Ortsteil Sulzbach gewahrt gewesen. Nach dem vom Wahlvorstand noch am Wahltag gefertigten Foto, das die konkrete Situation nachstelle, sei der jeweilige Wähler im Wahlbezirk Sulzbach mit dem Rücken zu den hinter ihm wartenden Wählern gesessen. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten und der Anweisungen des Wahlvorstehers hätten die Wartenden in gerader Linie gut zwei bis drei Meter hinter dem Wähler gestanden, dessen Rücken den Stimmzettel komplett verdeckt habe. Allenfalls hinsichtlich des genauen Abstands der Wartenden zum Wähler bestehe Uneinigkeit. Dies spiele keine entscheidende Rolle. § 23 Abs. 2 Satz 3 Kommunalwahlordnung sei nicht verletzt. Die Fenster direkt gegenüber dem Wahltisch (zur Jägerstraße hin) seien nach Aussage des Wahlvorstands - im Unterschied zur Darstellung von Zeugen - am Wahltag mit Vorhängen bedeckt gewesen. Es sei aufgrund der doppelten Verglasung und den hierdurch bedingten Spiegelungen auch ohne Vorhänge unmöglich gewesen, etwas zu erkennen. Der Bescheid wurde am 15.07.2013 der Klägerin zugestellt.
Am 07.08.2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beantragt,
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1. den Bescheid des Beklagten vom 12.07.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären.
2. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem Einspruch im Wesentlichen vor: Der Bericht im Amtsblatt vom 29.05.2013 und die weiteren Artikel des bisherigen Amtsinhabers im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers seien nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 -) eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewesen. Auch das Wahlgeheimnis sei im Wahllokal in Sulzbach nach den in der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 08.04.1968 aufgezeigten Maßstäben verletzt worden sei. Es werde bestritten, dass die Wartenden „in gerader Linie gut zwei bis drei Meter hinter dem Wähler“ gestanden seien. Der Abstand zu dem seitlich sitzenden Wahlvorstand als auch zu den Wartenden sei nach Aussagen von Zeugen deutlich geringer gewesen. Der Abstand zum Wahlvorstand habe weniger als ein Meter betragen. Dass in der Vergangenheit „schon immer so gewählt worden“ sei, sei kein Argument. Es gebe Zeugen, die sich schon früher darüber beschwert und deshalb Briefwahl vorgezogen hätten. Hinzu komme, dass der Nebenraum zum Wahlraum am Wahltag durch die Fenster einsehbar gewesen sei. Die Behauptung, dass aufgrund der doppelten Verglasung fraglich sei, ob etwas zu erkennen gewesen sei, werde bestritten. Auf die Lichtverhältnisse komme es ebenfalls nicht an.
12 
Das beklagte Land beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Ergänzend zu den Ausführungen im Bescheid vom 12.07.2013 macht es geltend: Der Bescheid stehe in Einklang mit den einschlägigen Urteilen des VGH Baden-Württemberg vom 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - und vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -.
15 
Bezüglich des Wahllokals in Sulzbach werde auf das Protokoll vom 25.06.2013 sowie hinsichtlich der unterschiedlichen Darstellungen der Abstände auf die Mitteilung der Gemeinde Malsch vom 10.09.2013 verwiesen. Die bisherige Sitzposition habe offenkundig über viele Jahre hinweg keine Wähler subjektiv verunsichert, da es bisher keine Beschwerden gegeben habe.
16 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Er ist der Ansicht, die vorgebrachten Wahlanfechtungsgründe lägen nicht vor. Lege man den von der Rechtsprechung gezogenen Rahmen zur Wahlbeeinflussung zugrunde, sei die Äußerung des Bundestagskandidaten, so wie sie im Amtsblatt vom 29.05.2013 wiedergegeben worden sei, bereits objektiv nicht geeignet, unmittelbar auf die Wahlentscheidung der Wähler einzuwirken. Auch Textbeiträge im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers seien hierfür nicht geeignet. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und organisatorischen Maßnahmen der Beigeladenen zu 2 sei sichergestellt gewesen, dass im Wahllokal in Sulzbach eine unbeobachtete Ausführung des Wahlrechts gewährleistet gewesen sei.
19 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
20 
die Klage abzuweisen.
21 
Sie trägt unter Hinweis auf ihre im Einspruchsverfahren übersandten Schreiben vom 05.07. und 26.07.2013 im Wesentlichen vor: Eine Gesamtwürdigung der Umstände ergebe, dass die veröffentlichte Äußerung des Bundestagskandidaten keine Wahlbeeinflussung im Sinne des Gesetzes gewesen sei. Bei dem Artikel im Amtsblatt des Gemeindeanzeigers vom 29.05.2013 sei für jeden Leser klar erkennbar gewesen, dass hier ein (Bundestags)-Kandidat einem anderen (Bürgermeister-)Kandidaten alles Gute wünsche und zum Ausdruck bringe, dass er sich freuen würde, wenn man sich im Herbst - jeweils in der betreffenden Funktion - wieder treffen könne. Dies sei nicht mehr als die jedenfalls im mitteleuropäischen und deutschen Raum übliche Höflichkeitsfloskel und -bekundung zwischen zwei Kandidaten, wobei der Bundestags-Kandidat eben nicht in irgendeiner Mandats- oder Amtsfunktion stehe, sondern lediglich als Bewerber um ein Mandat diesen Wunsch zum Ausdruck gebracht habe. Die Äußerung habe aus Sicht des Lesers nicht viel Substanz bzw. kein so hohes Gewicht, dass sie für die Willensbildung eines durchschnittlichen Wählers in irgendeiner Weise relevant oder wahlbeeinflussend sein könnte.
22 
Auch aus den jeweils im kommerziellen Teil des Gemeindeanzeigers erschienenen Artikeln könne keine unzulässige Wahlbeeinflussung abgeleitet werden. Zum einen bestehe für jedermann die Möglichkeit, derartige „redaktionelle“ Texte im Gemeindeanzeiger von Malsch zu platzieren, sofern dies nach den Bedingungen der herausgebenden Druckerei XXX erfolge. Zum anderen würden sich die Texte des bisherigen Amtsinhabers von dem erkennbar werblichen Charakter her nicht von den Anzeigen von Mitbewerbern, insbesondere denen von Herrn XXX, unterscheiden.
23 
Der Grundsatz der geheimen Wahl sei auch in Sulzbach gewährleistet gewesen. Die anwesenden wartenden Wähler, der Wahlvorstand und die Beisitzer hätten bei Wahlpersonen, die am Wahltisch im Nebenraum gesessen seien, weder beobachten können, wie der Wahlzettel ausgefüllt werde noch, ob er überhaupt ausgefüllt oder ob er sonst in irgendeiner Weise verändert worden sei. Denn es habe ein Abstand zwischen der wählenden Person und den übrigen Anwesenden bestanden, so dass ein „Blick über die Schulter“ nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen sei das Geschehen auf dem Wahltisch komplett durch den Wählenden selbst verdeckt worden, da er den Tisch mit seinem eigenen Körper abgeschirmt habe. Von den Fenstern im Nebenraum, die sich auf der linken Seite Richtung XXX Straße befänden, sei kein Einblick wegen der Höhenlage des Zimmers bzw. der Fenster von außen vom Straßen-/Gehwegniveau aus möglich gewesen. Bei den anderen, der Tür zum Nebenraum gegenüber liegenden Fenstern seien die Vorhänge während der Wahlzeit zugezogen gewesen, was durch Zeugen bestätigt werden könne. Aufgrund des Spiegeleffektes habe man von außen nicht in den Raum hineinsehen können. Die Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in der Entscheidung vom 08.04.1968 zu Wahlzellen mit Tischen seien nicht direkt auf die neue Rechtslage durch die Neufassung des § 23 Abs. 2 Satz 3 Kommunalwahlordnung übertragbar, der einen durch den Wahlraum zugänglichen Nebenraum zulasse. Nach der vorgenannten Entscheidung komme es nicht auf das subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten an, sondern allein darauf, ob dieses auch tatsächlich objektiv gerechtfertigt sei. Letzteres sei hier aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht der Fall gewesen.
24 
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht durch Einnahme eines Augenscheins und durch Vernehmung von 14 Zeugen Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die darüber gefertigten Protokolle verwiesen. Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten des beklagten Landes, einschließlich der Satzung der Beigeladenen zu 2 vom 23.08.1978 über öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinde vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird darauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Klage ist zulässig und begründet.
26 
Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27 
Die Klage ist nach § 31 Abs. 3 Kommunalwahlgesetz i.d.F. vom 01.09.1983 (GBL. S. 429) - KomWG - als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Sie ist auch begründet. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Die Voraussetzung des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG ist hinsichtlich der drei geltend gemachten Wahlanfechtungsgründe gegeben.
28 
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die vom Beigeladenen zu 1 im Amtsblatt und im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers Malsch veröffentlichten Artikel eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung darstellen. Denn es ist eine wesentliche Vorschrift über die Wahlhandlung verletzt, weil in einem von 14 Wahlbezirken, im Wahlbezirk Sulzbach, dadurch gegen das Wahlgeheimnis verstoßen wurde, dass die Möglich bestand, die Wahlhandlung im Nebenraum zu beobachten (1). Dieser Verstoß konnte das Ergebnis der Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 beeinflussen (2). Er hat die Aufhebung der gesamten Wahl zur Folge (3).
1.
29 
Zu den wesentlichen Vorschriften über die Wahlhandlung gehören diejenigen, die die Verwirklichung der tragenden Grundsätze des Wahlrechts, die freie und geheime Wahl sichern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968 - I 652/67 - ESVGH 19, 159 ff., 160). Wesentlich sind u.a. die Vorschriften, die die tragenden Grundsätze des Wahlrechts, nämlich die allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahl sichern sollen (vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 S. 1 LVerf, § 26 Abs. 1 GemO; s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.01.1997 - 1 S 1741/96 - ESVGH 47, 130 ff. m.w.N.). Die Geheimheit der Wahl stellt den wichtigsten institutionellen Schutz der Wahlfreiheit dar, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für die demokratische Legitimation der Gewählten ist (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1 ff., 13 m.w.N.). Die geheime Wahl steht in engem Zusammenhang mit der freien Wahl und soll eine unbeeinflusste Stimmabgabe garantieren. Sie erfordert deshalb eine technische Gestaltung des Wahlvorganges, die es unmöglich macht, die Wahlentscheidung eines Wählers zu erkennen oder zu rekonstruieren. Dies sollen u.a. die Vorschriften über die Ausstattung der Wahlräume sicherstellen. Die Abschirmungsvorrichtungen müssen deshalb so beschaffen sein, dass niemand beobachten kann, wie die Stimmzettel ausgefüllt und in den Umschlag gesteckt werden, und dass auch der Wahlberechtigte sicher sein muss, nicht daraufhin beobachtet zu werden, ob er auf seinem Stimmzettel schreibt, streicht oder ankreuzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160 zu § 20 Abs. 2 KomWO a.F.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.03.1990 - 10 M 5/90 - m.w.N.). Die Vorschriften des KomWG und der Kommunalwahlordnung - KomWO - verlangen nicht, Wahlkabinen bzw. -zellen einzurichten, auch Nebenräume sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nach § 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 1 KomWO sind in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einzurichten, in denen der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und in den Stimmzettelumschlag legen oder im Fall der Bürgermeisterwahl falten kann. Die Wahlzellen müssen vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden können. Als Wahlzelle kann auch ein nur durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum dienen, wenn dessen Eingang vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden kann. Ausreichend ist hiernach ein durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum (§ 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO).
30 
Der Nebenraum muss wie Abschirmungseinrichtungen so gestaltet sein, dass die Grundsätze der geheimen Wahl gewährleistet sind. Diese sind dann nicht gewahrt, wenn der Wahlberechtigte auf Grund der konkreten örtlichen Verhältnisse nicht sicher sein kann, bei der Ausübung des Stimmrechts beobachtet zu werden; d.h. es ist entscheidend, ob das behauptete subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten nach den Umständen des Einzelfalles objektiv gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn bei der Wahl beobachtet werden konnte, ob der Wahlberechtigte den Stimmzettel veränderte (schrieb, strich oder kreuzte) oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckte (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160; vgl. auch Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. § 17 Rn. 4; vgl. auch LAG Düsseldorf, Beschl. v. 03.08.2007 - 9 TaBV 41/07 - unter Hinweis auf OVG NRW, Beschl. v. 22.10.1979 zu § 16 LPVG NW; s. auch Hess. VGH, Fachsenat für Personalvertretungssachen, Beschl. v. 29.01.1986 - HPV TL 1436/85 - zu § 16 Abs. 1 bis 3 WO-HPVG). Der Wahlberechtigte ist nämlich nur dann in der Lage, wirklich frei zu wählen, wenn er sicher sein kann, bei der Stimmabgabe nicht beobachtet zu werden. Denn das Wahlgeheimnis soll, wie bereits ausgeführt, eine freie und unbeeinflusste Stimmabgabe gewährleisten. Deshalb ist der Grundsatz der geheimen Wahl nicht erst dann verletzt, wenn es möglich gewesen ist zu beobachten, welchem Kandidaten ein Wahlberechtigter die Stimme gegeben hat, und feststellbar ist, ob tatsächlich jemand beobachtet hat, sondern schon dann, wenn sich der Wahlberechtigte nicht unbeobachtet gefühlt hat und es möglich gewesen ist zu sehen, was er mit dem Stimmzettel gemacht hat: ob er ihn verändert oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag gesteckt hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.04.1968, a.a.O.). Rechtlich ohne Bedeutung ist, wie bei früheren Wahlen in Sulzbach gewählt worden ist.
31 
Aufgrund der bei Einnahme des Augenscheins in den Wahl- und Nebenraum im Wahlbezirk Sulzbach getroffenen Feststellungen und des dabei gewonnenen Eindrucks des erkennenden Gerichts von den Örtlichkeiten und dem Ablauf der Wahlhandlungen war das Wahlgeheimnis im Wahlbezirk Sulzbach bei der Bürgermeisterwahl am 09.06.2013 nicht gewährleistet, weil aufgrund objektiver Gegebenheiten die Möglichkeit bestand, die Wahlhandlung zu beobachten. Im Wahllokal in Sulzbach war ein nur vom Wahlraum aus zugänglicher Nebenraum für die Vornahme der Wahlhandlung eingerichtet. In diesem stand ein ca. 40 bis 50 cm von der offenen und ca. 90 cm breiten Eingangstür entfernter kleiner Wahltisch (ca. 65 cm x 65 cm) ohne Sichtschutzblende und ohne sonstige Abschirmung. Vor dem Wahltisch war ein ca. 80 cm hoher Stuhl mit einer ca. 45 cm breiten Rückenlehne bereitgestellt, an dem der Wähler mit dem Rücken zum Wahlraum Platz nehmen konnte. Hinter dem Wahltisch war ein breiter Schreibtisch. Die Tür zum Nebenraum war während der Wahl offen.
32 
Nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Beteiligten und den Erläuterungen des bei Einnahme des Augenscheins anwesend gewesenen Wahlvorstehers und seines Stellvertreters standen die wartenden Wähler im Wahlraum, dem Vorraum zum Nebenraum, entweder vor der dort in der Mitte des Vor- bzw. Wahlraumes befindlichen schmalen Säule oder, wenn mehrere Personen warten mussten, dahinter, in Höhe des Tisches des Beisitzers, an dem der Wähler die Wahlunterlagen erhielt. Dies bestätigten mehrere in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeugen. Je nachdem, wie groß die Zahl der wartenden Wähler im Wahlraum war, saßen wartende Wähler den Angaben des Wahlvorstandes zufolge auch links und rechts der Eingangstür zum Wahlraum. Der Abstand von der Säule bis zur Türschwelle zum Nebenraum beträgt nach den Feststellungen des Gerichts ca. 2,80 m, der von der Türschwelle bis zum Stuhl am Wahltisch im Nebenraum ca. 50 cm, bis zum Wahltisch verbleibt eine Stuhltiefe von etwa 50 cm. Der unmittelbar vor der Säule wartende Wähler war demnach höchstens ca. 3,80 m entfernt vom Wähler im Nebenraum. Eine hinter der Säule wartende Person war mehr als 3,80 m entfernt. Die weiteren von wartenden Wählern eingenommenen Positionen waren bis zu ca. 5 m vom Wähler im Nebenraum entfernt. Von allen aufgezeigten Positionen der Wartenden aus war der mit dem Rücken zum Wahlraum am Wahltisch sitzende oder stehende Wähler im Nebenraum durch die ca. 90 cm breite Türöffnung nach den Feststellungen des Gerichts gut sichtbar; erkennbar war dessen ganzer Körper oder eine Körperhälfte. Die vor der Säule wartenden Wähler konnten den Wähler im Nebenraum in der im Regelfall eingenommenen Sitzposition von seiner Rückseite sehen. Ebenfalls sichtbar war ein Wähler im Nebenraum für denjenigen, der nach ein oder zwei in den Wahlraum gesetzten Schritten stehen blieb, weil beispielsweise bereits mehrere Personen im Raum waren, was realistisch ist. Von dieser Position aus konnte jedenfalls die rechte Körperseite des Wählers im Nebenraum gesehen werden, was ausreichend ist, um bei einem Rechtshänder die Bewegung des rechten Armes oder die der Hand nachvollziehen zu können. Einsehbar war der Bereich im Nebenraum, an dem die Wahlhandlung vorgenommen wurde, zumindest teilweise auch von den links und rechts der Eingangstür sitzenden Personen.
33 
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass bei einem mit dem Rücken zu den wartenden Wählern sitzenden oder stehenden Wähler anhand seiner Körperhaltung und -bewegung beobachtet und rekonstruiert werden kann, ob der Wähler den Stimmzettel verändert, ob er schreibt, streicht oder kreuzt oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckt. Es kann zwar nicht gesehen werden, an welcher Stelle der Wähler ein Kreuz auf dem Stimmzettel macht, weil er dies mit seinem Rücken oder seinen Händen verdecken kann. Für einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist dies - wie dargelegt - auch nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein „Blick über die Schulter“ notwendig. Die Beobachtung der Wahlhandlung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der sitzende oder stehende Wähler mit dem Rücken zum einsehbaren Bereich die Wahlhandlung vornimmt. Denn die Bewegungen des Armes, mit dessen Hand er schreibt, streicht oder kreuzt sind in der Regel, auch wenn die Hand nicht gesehen werden kann, wahrnehmbar. Sie können isoliert oder zusammen mit Bewegungen des Oberkörpers bzw. der Schultern auf eine bestimmte Wahlhandlung schließen lassen. Bewegungen der Hand lassen ebenfalls Rückschlüsse auf das Wahlverhalten zu. Die 45 cm breite und ca. 80 cm hohe Stuhllehne vermochte diese Beobachtungsmöglichkeit nicht verhindern, weil eine Vielzahl von Menschen in sitzender Position größer als 80 cm ist. Unterlässt der Wähler jegliche Körperbewegung und nimmt er den bereitgelegten Schreibstift überhaupt nicht in die Hand, können ebenfalls Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung abgeleitet werden, auch wenn er nur von hinten gesehen werden kann. Bei einem neben oder vor dem bereitgestellten Stuhl stehenden Wähler können Körperbewegungen im Einzelfall, je nach Größe, Umfang und Bekleidung der Person, noch deutlicher erkennbar sein.
34 
Entgegen den Ausführungen des Vertreters der Beigeladenen zu 2 ist der Wähler nicht verpflichtet, sich beim Wahlvorgang so zu verhalten, dass seine Wahlhandlung anhand seiner Körperhaltung nicht beobachtet werden kann, z.B. indem er seine Körperhaltung so einrichtet, gegebenenfalls durch eine künstliche Haltung oder Bewegung, dass daraus keine Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung gezogen werden können. Das Wahlgeheimnis verlangt nicht, dass der Wähler derartige Vorkehrungen zum Schutz des Wahlgeheimnisses trifft. Denn die Pflicht, eine Wahlzelle und einen Nebenraum nach den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 2 KomWO einzurichten, obliegt bei Wahlen nach § 1 KomWG den Gemeinden (§ 17 KomWG). Es liegt auf der Hand, dass vom Wähler auch nicht in rechtswirksamer Weise erwartet werden kann, dass er sich im Nebenraum eine vom Wahlraum aus nicht einsehbare Nische sucht, wie dies die Zeugin XXX nach ihren Bekundungen getan hat. Bei der Wahl am 09.06.2013 konnte die Eingangstür zum Nebenraum auch nicht von innen geschlossen werden, wie es nach der Aussage der Zeugin XXX bei früheren Wahlen in Sulzbach der Fall gewesen sei. Ob dies nach § 23 Abs. 2 KomWO zulässig und ausreichend ist, einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis zu verneinen, kann deshalb offen bleiben.
35 
Die hier entscheidungserhebliche Möglichkeit der Beobachtung und Rekonstruierbarkeit der Wahlhandlung infolge der Sicht auf den Wähler bzw. die Wahlhandlung im Nebenraum, war grundsätzlich aus einer Entfernung von ca. 3,30 m gegeben, ebenso bei einer darüber hinausgehenden Entfernung im Bereich zwischen 3,50 m bis 5,00 m. Sofern hiervon Einschränkungen für Sehbehinderte oder andere untypische Fallgestaltungen gemacht werden müssen, ist dies zu vernachlässigen. Die Möglichkeit der Sicht für die im Wahlraum wartenden Wähler in Richtung Nebenraum auf den Wahlvorgang war nur durch die schmale Säule eingeschränkt, am Wahltag zusätzlich zeitweise, nicht dauerhaft, durch Personen, die sich im Raum aufhielten, weil sie warteten oder nach ihrer Wahl weggingen und sich dabei noch einige Zeit im Wahlraum unterhielten. Im Übrigen gab es keine Sichtbehinderungen, etwa durch Abschirmungen im Wahlraum. Der Wahlraum hat nach den Feststellungen des Gerichts bei Einnahme des Augenscheins mehrere Fenster und ist ausreichend belichtet. Für den Wahltag gilt nichts anderes. Ob im Nebenraum die Vorhänge zur Jägerstraße hin geschlossen waren, also an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch, ist für die Möglichkeit der Wahrnehmung der Wahlbehandlung unbeachtlich. Der Nebenraum war nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts bei Einnahme des Augenscheins bei geschlossenen Vorhängen ausreichend belichtet, um einen Wähler sehen und eine Körperbewegung des Wählers beobachten zu können. An den Fenstern im Nebenraum zur Ettlinger Straße hin waren am 09.06.2013 unstreitig keine Vorhänge zugezogen. Wie bereits ausgeführt, vermochte die Rückenlehne des Stuhls am Wahltisch eine mögliche Nachvollziehbarkeit der Wahlhandlung nicht nennenswert schmälern. Aufgrund dieser eine Beobachtung der Wahlhandlung ermöglichenden objektiven Gegebenheiten kann keine Rede davon sein, dass es lediglich ein subjektives Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten im Wahllokal in Sulzbach gegeben habe.
36 
Es kommt deshalb nicht darauf an, wie groß oder kurz der Abstand der im Wahlraum vor der Säule wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum war. Auf die unterschiedlichen Angaben der Beteiligten und Zeugen zum kürzesten Abstand der wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum und darauf, worauf die unterschiedliche Einschätzung dieser Gegebenheiten beruhen kann, braucht das Gericht deshalb nicht weiter einzugehen. Ferner bedarf es keiner Entscheidung darüber, wie groß der Abstand des Wahlvorstands zum Nebenraum bzw. Wähler im Nebenraum war und welche Sitzposition er eingenommen hat und ob diese den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 KomWO entsprach. Ebenfalls nicht geklärt zu werden braucht, ob die Vorhänge an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch während der Wahl, sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum, offen oder zugezogen waren und, falls sie offen waren, ob der Wähler in der dargestellten Weise beobachtet werden konnte. Den diesbezüglichen unterschiedlichen Zeugenaussagen braucht nicht nachgegangen zu werden.
2.
37 
Der Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist erheblich. Ein Wahlmangel führt dann zur Ungültigerklärung der Wahl, wenn deren "Ergebnis" dadurch beeinflusst werden konnte (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG). Das Gesetz verlangt nicht einen tatsächlichen, sondern einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Dieser ist nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377 f. m.w.N.). Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist. Da der Beigeladene zu 1 mit einer Stimmenmehrheit von 16 Stimmen die absolute Mehrheit erreicht hat, ist bei Bejahung eines Wahlfehlers nicht auszuschließen, dass dieser Wahlfehler das Ergebnis für die Gesamtwahl ausschlaggebend beeinflusst hat (s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.0., zu 9 Stimmen bei absoluter Mehrheit).
3.
38 
Obgleich der erhebliche Wahlfehler nur für einen von 14 Wahlbezirken feststellbar ist, war das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 in vollem Umfang aufzuheben. Das erkennende Gericht übt sein ihm im Falle eines nur in einem Wahlbezirk vorgekommenen erheblichen Wahlfehlers durch § 33 KomWG eingeräumte Ermessen (Kunze/Merk/Quecke, a.a.O. § 33 Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.1958 - 3 K 49/58 - ESVGH 9, 92 ff., 94 zu §§ 27, 28 KomWG a.F.) dahin aus, dass es die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 insgesamt für ungültig erachtet und nicht nur begrenzt auf den Wahlbezirk Sulzbach. Dabei hat es sein Ermessen daran orientiert, dass § 34 Abs. 1 Satz 5 KomWG eine Wiederholungswahl nur innerhalb von sechs Monaten zulässt (s. auch § 35 Abs. 1 Satz 2 1. und 2. Halbsatz KomWG) und dass diese Frist im vorliegenden Fall bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Wahl realistischerweise angesetzt werden kann, ohne Weiteres ausgeschöpft sein kann. Hintergrund dieser Frist ist, dass sich der Kreis der Wahlberechtigten nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten regelmäßig ändert, sei es durch Zu- oder Wegzug oder infolge des Erreichens des Alters für die Wahlberechtigung. Ein Zeitraum von sechs Monaten ist im Hinblick auf die §§ 34, 35 KomWG als Richtschnur für einen relevanten Wechsel der Wahlberechtigten zu qualifizieren, der anstatt einer Wiederholungswahl eine Neuwahl erforderlich macht. Im Hinblick auf diese zeitliche Komponente hat der VGH Baden-Württemberg zur Ermessensentscheidung über eine teilweise Ungültigkeit einer Wahl auf der Grundlage der §§ 27, 28 KomWG a.F., den Vorgängerregelungen zu §§ 33, 34 KomWG, ausgeführt, dass beachtliche Mängel des Wahlverfahrens in der Regel zur Ungültigerklärung der ganzen Wahl führen müssen und dass nur ausnahmsweise, wenn hierdurch keine ins Gewicht fallende Verfälschung des Wählerwillens zu besorgen ist, von der Möglichkeit einer teilweisen Ungültigkeitserklärung (§ 28 KomWG a.F.) Gebrauch gemacht werden darf. Denn eine teilweise Ungültigerklärung kann nur hingenommen werden, wenn einen Neuwahl in kurzem Abstand nach der für ungültig erklärten Wahl durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Verfahren wird ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen der Wahl am 09.06.2013 und einer neu anzusetzenden Wahl aller Voraussicht nach erreicht, jedenfalls erscheint dies naheliegend, wenn man neben den für eine Wahlausschreibung einzuhaltenden Anforderungen und Fristen (§§ 1, 20, 34, 35 KomWO) mitberücksichtigt, dass den Beteiligten nach Zustellung des Urteils eine Bedenkzeit bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zusteht, ob gegen das Urteil des erkennenden Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt wird.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3 Satz 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie mit ihren Anträgen ein Kostenrisiko eingegangen und unterlegen sind.
40 
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die klärungsbedürftige Frage, ob das Wahlgeheimnis deshalb verletzt ist, weil der Nebenraum des Wahlraums i.S.d. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO so eingerichtet ist, dass der mit dem Rücken zum Wahlraum unweit von der offenen Tür sitzende oder stehende Wähler von den im Wahlraum wartenden Wählern aus einer Entfernung von ca. 3,80 m bis ca. 5 m beobachtet werden kann.
41 
B E S C H L U S S
42 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000.--festgesetzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.O. und Beschl. v. 09.05.2007 - 1 S 984/07 -, ).
43 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
25 
Die Klage ist zulässig und begründet.
26 
Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27 
Die Klage ist nach § 31 Abs. 3 Kommunalwahlgesetz i.d.F. vom 01.09.1983 (GBL. S. 429) - KomWG - als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Sie ist auch begründet. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Die Voraussetzung des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG ist hinsichtlich der drei geltend gemachten Wahlanfechtungsgründe gegeben.
28 
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die vom Beigeladenen zu 1 im Amtsblatt und im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers Malsch veröffentlichten Artikel eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung darstellen. Denn es ist eine wesentliche Vorschrift über die Wahlhandlung verletzt, weil in einem von 14 Wahlbezirken, im Wahlbezirk Sulzbach, dadurch gegen das Wahlgeheimnis verstoßen wurde, dass die Möglich bestand, die Wahlhandlung im Nebenraum zu beobachten (1). Dieser Verstoß konnte das Ergebnis der Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 beeinflussen (2). Er hat die Aufhebung der gesamten Wahl zur Folge (3).
1.
29 
Zu den wesentlichen Vorschriften über die Wahlhandlung gehören diejenigen, die die Verwirklichung der tragenden Grundsätze des Wahlrechts, die freie und geheime Wahl sichern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968 - I 652/67 - ESVGH 19, 159 ff., 160). Wesentlich sind u.a. die Vorschriften, die die tragenden Grundsätze des Wahlrechts, nämlich die allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahl sichern sollen (vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 S. 1 LVerf, § 26 Abs. 1 GemO; s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.01.1997 - 1 S 1741/96 - ESVGH 47, 130 ff. m.w.N.). Die Geheimheit der Wahl stellt den wichtigsten institutionellen Schutz der Wahlfreiheit dar, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für die demokratische Legitimation der Gewählten ist (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1 ff., 13 m.w.N.). Die geheime Wahl steht in engem Zusammenhang mit der freien Wahl und soll eine unbeeinflusste Stimmabgabe garantieren. Sie erfordert deshalb eine technische Gestaltung des Wahlvorganges, die es unmöglich macht, die Wahlentscheidung eines Wählers zu erkennen oder zu rekonstruieren. Dies sollen u.a. die Vorschriften über die Ausstattung der Wahlräume sicherstellen. Die Abschirmungsvorrichtungen müssen deshalb so beschaffen sein, dass niemand beobachten kann, wie die Stimmzettel ausgefüllt und in den Umschlag gesteckt werden, und dass auch der Wahlberechtigte sicher sein muss, nicht daraufhin beobachtet zu werden, ob er auf seinem Stimmzettel schreibt, streicht oder ankreuzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160 zu § 20 Abs. 2 KomWO a.F.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.03.1990 - 10 M 5/90 - m.w.N.). Die Vorschriften des KomWG und der Kommunalwahlordnung - KomWO - verlangen nicht, Wahlkabinen bzw. -zellen einzurichten, auch Nebenräume sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nach § 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 1 KomWO sind in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einzurichten, in denen der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und in den Stimmzettelumschlag legen oder im Fall der Bürgermeisterwahl falten kann. Die Wahlzellen müssen vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden können. Als Wahlzelle kann auch ein nur durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum dienen, wenn dessen Eingang vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden kann. Ausreichend ist hiernach ein durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum (§ 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO).
30 
Der Nebenraum muss wie Abschirmungseinrichtungen so gestaltet sein, dass die Grundsätze der geheimen Wahl gewährleistet sind. Diese sind dann nicht gewahrt, wenn der Wahlberechtigte auf Grund der konkreten örtlichen Verhältnisse nicht sicher sein kann, bei der Ausübung des Stimmrechts beobachtet zu werden; d.h. es ist entscheidend, ob das behauptete subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten nach den Umständen des Einzelfalles objektiv gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn bei der Wahl beobachtet werden konnte, ob der Wahlberechtigte den Stimmzettel veränderte (schrieb, strich oder kreuzte) oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckte (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160; vgl. auch Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. § 17 Rn. 4; vgl. auch LAG Düsseldorf, Beschl. v. 03.08.2007 - 9 TaBV 41/07 - unter Hinweis auf OVG NRW, Beschl. v. 22.10.1979 zu § 16 LPVG NW; s. auch Hess. VGH, Fachsenat für Personalvertretungssachen, Beschl. v. 29.01.1986 - HPV TL 1436/85 - zu § 16 Abs. 1 bis 3 WO-HPVG). Der Wahlberechtigte ist nämlich nur dann in der Lage, wirklich frei zu wählen, wenn er sicher sein kann, bei der Stimmabgabe nicht beobachtet zu werden. Denn das Wahlgeheimnis soll, wie bereits ausgeführt, eine freie und unbeeinflusste Stimmabgabe gewährleisten. Deshalb ist der Grundsatz der geheimen Wahl nicht erst dann verletzt, wenn es möglich gewesen ist zu beobachten, welchem Kandidaten ein Wahlberechtigter die Stimme gegeben hat, und feststellbar ist, ob tatsächlich jemand beobachtet hat, sondern schon dann, wenn sich der Wahlberechtigte nicht unbeobachtet gefühlt hat und es möglich gewesen ist zu sehen, was er mit dem Stimmzettel gemacht hat: ob er ihn verändert oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag gesteckt hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.04.1968, a.a.O.). Rechtlich ohne Bedeutung ist, wie bei früheren Wahlen in Sulzbach gewählt worden ist.
31 
Aufgrund der bei Einnahme des Augenscheins in den Wahl- und Nebenraum im Wahlbezirk Sulzbach getroffenen Feststellungen und des dabei gewonnenen Eindrucks des erkennenden Gerichts von den Örtlichkeiten und dem Ablauf der Wahlhandlungen war das Wahlgeheimnis im Wahlbezirk Sulzbach bei der Bürgermeisterwahl am 09.06.2013 nicht gewährleistet, weil aufgrund objektiver Gegebenheiten die Möglichkeit bestand, die Wahlhandlung zu beobachten. Im Wahllokal in Sulzbach war ein nur vom Wahlraum aus zugänglicher Nebenraum für die Vornahme der Wahlhandlung eingerichtet. In diesem stand ein ca. 40 bis 50 cm von der offenen und ca. 90 cm breiten Eingangstür entfernter kleiner Wahltisch (ca. 65 cm x 65 cm) ohne Sichtschutzblende und ohne sonstige Abschirmung. Vor dem Wahltisch war ein ca. 80 cm hoher Stuhl mit einer ca. 45 cm breiten Rückenlehne bereitgestellt, an dem der Wähler mit dem Rücken zum Wahlraum Platz nehmen konnte. Hinter dem Wahltisch war ein breiter Schreibtisch. Die Tür zum Nebenraum war während der Wahl offen.
32 
Nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Beteiligten und den Erläuterungen des bei Einnahme des Augenscheins anwesend gewesenen Wahlvorstehers und seines Stellvertreters standen die wartenden Wähler im Wahlraum, dem Vorraum zum Nebenraum, entweder vor der dort in der Mitte des Vor- bzw. Wahlraumes befindlichen schmalen Säule oder, wenn mehrere Personen warten mussten, dahinter, in Höhe des Tisches des Beisitzers, an dem der Wähler die Wahlunterlagen erhielt. Dies bestätigten mehrere in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeugen. Je nachdem, wie groß die Zahl der wartenden Wähler im Wahlraum war, saßen wartende Wähler den Angaben des Wahlvorstandes zufolge auch links und rechts der Eingangstür zum Wahlraum. Der Abstand von der Säule bis zur Türschwelle zum Nebenraum beträgt nach den Feststellungen des Gerichts ca. 2,80 m, der von der Türschwelle bis zum Stuhl am Wahltisch im Nebenraum ca. 50 cm, bis zum Wahltisch verbleibt eine Stuhltiefe von etwa 50 cm. Der unmittelbar vor der Säule wartende Wähler war demnach höchstens ca. 3,80 m entfernt vom Wähler im Nebenraum. Eine hinter der Säule wartende Person war mehr als 3,80 m entfernt. Die weiteren von wartenden Wählern eingenommenen Positionen waren bis zu ca. 5 m vom Wähler im Nebenraum entfernt. Von allen aufgezeigten Positionen der Wartenden aus war der mit dem Rücken zum Wahlraum am Wahltisch sitzende oder stehende Wähler im Nebenraum durch die ca. 90 cm breite Türöffnung nach den Feststellungen des Gerichts gut sichtbar; erkennbar war dessen ganzer Körper oder eine Körperhälfte. Die vor der Säule wartenden Wähler konnten den Wähler im Nebenraum in der im Regelfall eingenommenen Sitzposition von seiner Rückseite sehen. Ebenfalls sichtbar war ein Wähler im Nebenraum für denjenigen, der nach ein oder zwei in den Wahlraum gesetzten Schritten stehen blieb, weil beispielsweise bereits mehrere Personen im Raum waren, was realistisch ist. Von dieser Position aus konnte jedenfalls die rechte Körperseite des Wählers im Nebenraum gesehen werden, was ausreichend ist, um bei einem Rechtshänder die Bewegung des rechten Armes oder die der Hand nachvollziehen zu können. Einsehbar war der Bereich im Nebenraum, an dem die Wahlhandlung vorgenommen wurde, zumindest teilweise auch von den links und rechts der Eingangstür sitzenden Personen.
33 
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass bei einem mit dem Rücken zu den wartenden Wählern sitzenden oder stehenden Wähler anhand seiner Körperhaltung und -bewegung beobachtet und rekonstruiert werden kann, ob der Wähler den Stimmzettel verändert, ob er schreibt, streicht oder kreuzt oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckt. Es kann zwar nicht gesehen werden, an welcher Stelle der Wähler ein Kreuz auf dem Stimmzettel macht, weil er dies mit seinem Rücken oder seinen Händen verdecken kann. Für einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist dies - wie dargelegt - auch nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein „Blick über die Schulter“ notwendig. Die Beobachtung der Wahlhandlung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der sitzende oder stehende Wähler mit dem Rücken zum einsehbaren Bereich die Wahlhandlung vornimmt. Denn die Bewegungen des Armes, mit dessen Hand er schreibt, streicht oder kreuzt sind in der Regel, auch wenn die Hand nicht gesehen werden kann, wahrnehmbar. Sie können isoliert oder zusammen mit Bewegungen des Oberkörpers bzw. der Schultern auf eine bestimmte Wahlhandlung schließen lassen. Bewegungen der Hand lassen ebenfalls Rückschlüsse auf das Wahlverhalten zu. Die 45 cm breite und ca. 80 cm hohe Stuhllehne vermochte diese Beobachtungsmöglichkeit nicht verhindern, weil eine Vielzahl von Menschen in sitzender Position größer als 80 cm ist. Unterlässt der Wähler jegliche Körperbewegung und nimmt er den bereitgelegten Schreibstift überhaupt nicht in die Hand, können ebenfalls Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung abgeleitet werden, auch wenn er nur von hinten gesehen werden kann. Bei einem neben oder vor dem bereitgestellten Stuhl stehenden Wähler können Körperbewegungen im Einzelfall, je nach Größe, Umfang und Bekleidung der Person, noch deutlicher erkennbar sein.
34 
Entgegen den Ausführungen des Vertreters der Beigeladenen zu 2 ist der Wähler nicht verpflichtet, sich beim Wahlvorgang so zu verhalten, dass seine Wahlhandlung anhand seiner Körperhaltung nicht beobachtet werden kann, z.B. indem er seine Körperhaltung so einrichtet, gegebenenfalls durch eine künstliche Haltung oder Bewegung, dass daraus keine Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung gezogen werden können. Das Wahlgeheimnis verlangt nicht, dass der Wähler derartige Vorkehrungen zum Schutz des Wahlgeheimnisses trifft. Denn die Pflicht, eine Wahlzelle und einen Nebenraum nach den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 2 KomWO einzurichten, obliegt bei Wahlen nach § 1 KomWG den Gemeinden (§ 17 KomWG). Es liegt auf der Hand, dass vom Wähler auch nicht in rechtswirksamer Weise erwartet werden kann, dass er sich im Nebenraum eine vom Wahlraum aus nicht einsehbare Nische sucht, wie dies die Zeugin XXX nach ihren Bekundungen getan hat. Bei der Wahl am 09.06.2013 konnte die Eingangstür zum Nebenraum auch nicht von innen geschlossen werden, wie es nach der Aussage der Zeugin XXX bei früheren Wahlen in Sulzbach der Fall gewesen sei. Ob dies nach § 23 Abs. 2 KomWO zulässig und ausreichend ist, einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis zu verneinen, kann deshalb offen bleiben.
35 
Die hier entscheidungserhebliche Möglichkeit der Beobachtung und Rekonstruierbarkeit der Wahlhandlung infolge der Sicht auf den Wähler bzw. die Wahlhandlung im Nebenraum, war grundsätzlich aus einer Entfernung von ca. 3,30 m gegeben, ebenso bei einer darüber hinausgehenden Entfernung im Bereich zwischen 3,50 m bis 5,00 m. Sofern hiervon Einschränkungen für Sehbehinderte oder andere untypische Fallgestaltungen gemacht werden müssen, ist dies zu vernachlässigen. Die Möglichkeit der Sicht für die im Wahlraum wartenden Wähler in Richtung Nebenraum auf den Wahlvorgang war nur durch die schmale Säule eingeschränkt, am Wahltag zusätzlich zeitweise, nicht dauerhaft, durch Personen, die sich im Raum aufhielten, weil sie warteten oder nach ihrer Wahl weggingen und sich dabei noch einige Zeit im Wahlraum unterhielten. Im Übrigen gab es keine Sichtbehinderungen, etwa durch Abschirmungen im Wahlraum. Der Wahlraum hat nach den Feststellungen des Gerichts bei Einnahme des Augenscheins mehrere Fenster und ist ausreichend belichtet. Für den Wahltag gilt nichts anderes. Ob im Nebenraum die Vorhänge zur Jägerstraße hin geschlossen waren, also an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch, ist für die Möglichkeit der Wahrnehmung der Wahlbehandlung unbeachtlich. Der Nebenraum war nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts bei Einnahme des Augenscheins bei geschlossenen Vorhängen ausreichend belichtet, um einen Wähler sehen und eine Körperbewegung des Wählers beobachten zu können. An den Fenstern im Nebenraum zur Ettlinger Straße hin waren am 09.06.2013 unstreitig keine Vorhänge zugezogen. Wie bereits ausgeführt, vermochte die Rückenlehne des Stuhls am Wahltisch eine mögliche Nachvollziehbarkeit der Wahlhandlung nicht nennenswert schmälern. Aufgrund dieser eine Beobachtung der Wahlhandlung ermöglichenden objektiven Gegebenheiten kann keine Rede davon sein, dass es lediglich ein subjektives Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten im Wahllokal in Sulzbach gegeben habe.
36 
Es kommt deshalb nicht darauf an, wie groß oder kurz der Abstand der im Wahlraum vor der Säule wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum war. Auf die unterschiedlichen Angaben der Beteiligten und Zeugen zum kürzesten Abstand der wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum und darauf, worauf die unterschiedliche Einschätzung dieser Gegebenheiten beruhen kann, braucht das Gericht deshalb nicht weiter einzugehen. Ferner bedarf es keiner Entscheidung darüber, wie groß der Abstand des Wahlvorstands zum Nebenraum bzw. Wähler im Nebenraum war und welche Sitzposition er eingenommen hat und ob diese den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 KomWO entsprach. Ebenfalls nicht geklärt zu werden braucht, ob die Vorhänge an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch während der Wahl, sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum, offen oder zugezogen waren und, falls sie offen waren, ob der Wähler in der dargestellten Weise beobachtet werden konnte. Den diesbezüglichen unterschiedlichen Zeugenaussagen braucht nicht nachgegangen zu werden.
2.
37 
Der Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist erheblich. Ein Wahlmangel führt dann zur Ungültigerklärung der Wahl, wenn deren "Ergebnis" dadurch beeinflusst werden konnte (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG). Das Gesetz verlangt nicht einen tatsächlichen, sondern einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Dieser ist nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377 f. m.w.N.). Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist. Da der Beigeladene zu 1 mit einer Stimmenmehrheit von 16 Stimmen die absolute Mehrheit erreicht hat, ist bei Bejahung eines Wahlfehlers nicht auszuschließen, dass dieser Wahlfehler das Ergebnis für die Gesamtwahl ausschlaggebend beeinflusst hat (s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.0., zu 9 Stimmen bei absoluter Mehrheit).
3.
38 
Obgleich der erhebliche Wahlfehler nur für einen von 14 Wahlbezirken feststellbar ist, war das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 in vollem Umfang aufzuheben. Das erkennende Gericht übt sein ihm im Falle eines nur in einem Wahlbezirk vorgekommenen erheblichen Wahlfehlers durch § 33 KomWG eingeräumte Ermessen (Kunze/Merk/Quecke, a.a.O. § 33 Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.1958 - 3 K 49/58 - ESVGH 9, 92 ff., 94 zu §§ 27, 28 KomWG a.F.) dahin aus, dass es die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 insgesamt für ungültig erachtet und nicht nur begrenzt auf den Wahlbezirk Sulzbach. Dabei hat es sein Ermessen daran orientiert, dass § 34 Abs. 1 Satz 5 KomWG eine Wiederholungswahl nur innerhalb von sechs Monaten zulässt (s. auch § 35 Abs. 1 Satz 2 1. und 2. Halbsatz KomWG) und dass diese Frist im vorliegenden Fall bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Wahl realistischerweise angesetzt werden kann, ohne Weiteres ausgeschöpft sein kann. Hintergrund dieser Frist ist, dass sich der Kreis der Wahlberechtigten nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten regelmäßig ändert, sei es durch Zu- oder Wegzug oder infolge des Erreichens des Alters für die Wahlberechtigung. Ein Zeitraum von sechs Monaten ist im Hinblick auf die §§ 34, 35 KomWG als Richtschnur für einen relevanten Wechsel der Wahlberechtigten zu qualifizieren, der anstatt einer Wiederholungswahl eine Neuwahl erforderlich macht. Im Hinblick auf diese zeitliche Komponente hat der VGH Baden-Württemberg zur Ermessensentscheidung über eine teilweise Ungültigkeit einer Wahl auf der Grundlage der §§ 27, 28 KomWG a.F., den Vorgängerregelungen zu §§ 33, 34 KomWG, ausgeführt, dass beachtliche Mängel des Wahlverfahrens in der Regel zur Ungültigerklärung der ganzen Wahl führen müssen und dass nur ausnahmsweise, wenn hierdurch keine ins Gewicht fallende Verfälschung des Wählerwillens zu besorgen ist, von der Möglichkeit einer teilweisen Ungültigkeitserklärung (§ 28 KomWG a.F.) Gebrauch gemacht werden darf. Denn eine teilweise Ungültigerklärung kann nur hingenommen werden, wenn einen Neuwahl in kurzem Abstand nach der für ungültig erklärten Wahl durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Verfahren wird ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen der Wahl am 09.06.2013 und einer neu anzusetzenden Wahl aller Voraussicht nach erreicht, jedenfalls erscheint dies naheliegend, wenn man neben den für eine Wahlausschreibung einzuhaltenden Anforderungen und Fristen (§§ 1, 20, 34, 35 KomWO) mitberücksichtigt, dass den Beteiligten nach Zustellung des Urteils eine Bedenkzeit bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zusteht, ob gegen das Urteil des erkennenden Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt wird.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3 Satz 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie mit ihren Anträgen ein Kostenrisiko eingegangen und unterlegen sind.
40 
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die klärungsbedürftige Frage, ob das Wahlgeheimnis deshalb verletzt ist, weil der Nebenraum des Wahlraums i.S.d. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO so eingerichtet ist, dass der mit dem Rücken zum Wahlraum unweit von der offenen Tür sitzende oder stehende Wähler von den im Wahlraum wartenden Wählern aus einer Entfernung von ca. 3,80 m bis ca. 5 m beobachtet werden kann.
41 
B E S C H L U S S
42 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000.--festgesetzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.O. und Beschl. v. 09.05.2007 - 1 S 984/07 -, ).
43 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert.

Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 im Berufungsverfahren je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 in Kappel-Grafenhausen.
Am Freitag, dem 30.06.2006, berichtete die Badischen Zeitung (BZ) unter der Überschrift „Klagen aus dem Gewerbe“ über eine Wahlveranstaltung des Bürgermeisterkandidaten Z. mit Gewerbetreibenden der Gemeinde, und führte aus, dass das Verhalten des Amtsinhabers von Betriebsinhabern teilweise massiv kritisiert worden sei.
Am Samstag, dem 01.07.2006, erschien unter dem Titel „‘Zustimmung, Freundlichkeit’ - K. kontert Vorwürfe“ ein weiterer Artikel in der BZ in Gesprächsform, in dem die Sicht des amtierenden - und zur Wiederwahl stehenden - Bürgermeisters, des Beigeladenen zu 1, wiedergegeben wurde.
Am selben Tag wurden auch vier Leserbriefe in der BZ veröffentlicht, die sich kritisch mit dem Artikel vom 30.06.2006 auseinander setzten.
Unter der Titelzeile „Unverständlich“ wurde ein Leserbrief mit folgendem Wortlaut abgedruckt:
„Der leider von privater Seite verfasste Bericht gegenüber unserem Herrn K. entspricht nicht den Tatsachen.
Es waren nur einzelne Gewerbetreibende von knapp 40, die die Tätigkeit von Herrn K. kritisierten.
Bis jetzt hieß es in beiden Wahlkampfreden, dass ein fairer Wahlkampf betrieben wird, dies geht jedoch weit unter die Gürtellinie. Mit dem Bericht wird auf infame Weise versucht, Bürgermeister K. kurz vor der Wahl zu diskreditieren.
Ich bin der Meinung, dass man es nicht jedem recht machen kann, und dass bei allen zukünftigen Bürgermeistern immer ein Haar in der Suppe gefunden werden kann, wenn man danach sucht.
Mehrere Gewerbetreibende riefen mich als Gewerbevereinsvorsitzender an, dass sie den Artikel überhaupt nicht verstehen können, und mit Herrn K. sehr zufrieden sind. Sie baten mich, eine Gegendarstellung in die BZ und in den Guller zu setzen.
H. U.“
Unter der Zeile „Faires Miteinander“ hieß es:
„Wir auch von der O. GmbH, ... und ..., ... ... in ..., können diesen Bericht nicht nachvollziehen. In der Amtszeit von Herrn Bürgermeister K. war es für uns ein faires wirtschaftliches Miteinander.
W. O., O. GmbH, ...- und ... ...“
Unter der Überschrift „Ist das fair?“ erschien folgender Leserbrief:
10 
„Fair“ und „ehrlich“ sollte die Bewerbung um den Bürgermeisterposten in Kappel-Grafenhausen laufen - so wurde es zwischen den beiden Bewerbern, Amtsinhaber A. K. und dem Konkurrenten J. Z. öffentlich vereinbart. Nun scheinen unterschiedliche Ansichten darüber zu bestehen, was unter „fair“ und „ehrlich verstanden wird.
Manches an der Informationsbeschaffung des Kandidaten Z. im Wahlkampf erscheint mir nicht dem von ihm gesetzten moralischen Maß zu entsprechen.
... B. E., ...“
11 
Ein letzter Leserbrief folgte unter dem Stichwort „Verwundert“:
12 
Über den Bericht in der Badischen Zeitung vom 30. Juni „Klagen aus den Gewerbe“ kann ich, milde ausgedrückt, nur meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. In diesem Bericht wird die Glaubwürdigkeit und Integrität des Amtsinhabers, Herrn Bürgermeister K., in Frage gestellt und ihm meines Erachtens auch Unrecht getan.
G. K., ...“
13 
Bei der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 erhielt der Beigeladene zu 1 1.160 von 2.301 gültigen und damit 50,4% der Stimmen; der unterlegene Bewerber Z. kam auf 1.135 Stimmen, sonstige Bewerber erhielten insgesamt sechs Stimmen. Das Wahlergebnis wurde zunächst am 03.07.2006 bekannt gemacht; die öffentliche Bekanntmachung wurde wegen eines Formfehlers am 14.07.2006 wiederholt.
14 
Am 10.07.2006 erhob der Kläger, ein wahlberechtigter Einwohner der Gemeinde, Einspruch gegen die Wahl und fügte eine Unterschriftenliste mit Beitretenden bei. Zur Begründung machte er geltend, dass eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung mit der Folge der Verletzung elementarer Wahlrechtsgrundsätze wie der Freiheit und Gleichheit der Wahl vorliege. Der stellvertretende Leiter des Wahlprüfungsausschusses, der Zeuge U., habe sich entgegen seiner Pflicht zur Neutralität am Samstag vor der Wahl in einem Leserbrief zugunsten des gewählten Bürgermeisters eingesetzt und darin falsche Behauptungen aufgestellt. Der Brief sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden. Wegen der Veröffentlichung hätten der Bürgermeister und der Zeuge U. massiven Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
15 
Gegenüber dem Landratsamt Ortenaukreis gab der Zeuge U. im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens u.a. an, dass die in der BZ veröffentlichte Stellungnahme von ihm selbst stamme und per E-Mail von seinem eigenen Computer an die Redaktion übermittelt worden sei. Irgendeine vorherige Kontaktaufnahme oder gar eine Absprache mit dem Beigeladenen zu 1 habe es nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1 erklärte gegenüber dem Landratsamt, die Behauptung, der Leserbrief sei von ihm diktiert und im Rathaus geschrieben worden, sei unzutreffend. Die Beigeladene zu 2 teilte dem Landratsamt mit, dass der Bürgermeister-Stellvertreter bei allen Bediensteten in den beiden Rathäusern der Frage nachgegangen sei, ob der Leserbrief im Rathaus geschrieben bzw. vom Bürgermeister diktiert worden sei; alle Befragten hätten dies verneint.
16 
Das Landratsamt Ortenaukreis erklärte mit Wahlprüfungsbescheid vom 03.08.2006 die Bürgermeisterwahl unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche für gültig.
17 
Mit weiterem Bescheid vom 03.08.2006 wies das Landratsamt den Einspruch des Klägers zurück. Der zulässige Einspruch sei nicht begründet. Die gerügte gesetzwidrige Wahlbeeinflussung durch einen Bewerber oder Dritte liege nicht vor. Der Zeuge U. habe mit seinem Leserbrief nicht gegen die den amtlichen Organen obliegende Neutralitätspflicht verstoßen; diese gelte nur für die Gemeindeorgane selbst, nicht aber für deren Mitglieder. Im Übrigen habe der Zeuge U. diesen Brief mit seinem Namen, nicht aber mit Hinweis auf sein Amt als stellvertretendes Mitglied des Gemeindewahlausschusses unterzeichnet. Inhaltlich sei mit dem Leserbrief angesichts der kontroversen Berichterstattung die Grenze der zulässigen Wahlpropaganda und Wahlagitation nicht überschritten worden. Die weitere Rüge, wonach der Brief im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden sei, sei nicht belegt. Nach glaubhafter Darstellung des Zeugen U. habe dieser die Stellungnahme selbst verfasst und per E-Mail vom eigenen Computer an die Redaktion der BZ übermittelt. Auch der Beigeladene zu 1 habe den Vorwurf als falsch bestritten. Nach Stellungnahme der Gemeinde unter Einbeziehung einer Befragung der Bediensteten des Bürgermeisteramtes bestünden ebenso wenig Anhaltspunkte im Sinne des Vorbringens. Nicht nachgewiesen sei weiter der Vorwurf, der Beigeladene zu 1 oder der Zeuge U. hätten Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
18 
Der Kläger hat am 01.09.2006 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere geltend gemacht, dass der fragliche Leserbrief vom Bürgermeister initiiert und diktiert und im Rathaus der Entwurf für den Strohmann U. geschrieben worden sei. Der Bürgermeister habe über die Gemeindeverwaltung z.B. durch E-Mails an den Zeugen U. Einfluss auf diesen ausgeübt, damit der Leserbrief in der BZ abgedruckt werde. Diese amtliche Beeinflussung durch die Gemeindeverwaltung bzw. den Bürgermeister sei auch rechtserheblich gewesen, sie habe das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 sind der Klage entgegengetreten. Die Beigeladene zu 2 hat im laufenden Verfahren schriftliche Stellungnahmen von zwei im Büro des Beigeladenen zu 1 tätigen Bediensteten, darunter die Zeugin F., vorgelegt, die - abweichend von ihren ursprünglichen Einlassungen - bekundet haben, dass am 30.06.2006 auf Geheiß des Beigeladenen zu 1 dort Leserbriefe geschrieben worden seien und deren Veröffentlichung vorbereitet worden sei.
19 
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006, in der der Zeuge U. und die Zeugin F. vernommen worden sind, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung liege bei Berücksichtigung der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe, die den Prüfungsumfang auch des Gerichts beschränkten, nicht vor. Mit seinem Leserbrief habe der Zeuge U., der stellvertretender Beisitzer des Wahlausschusses und Gemeinderat sei, die Grenzen zulässiger Wahlwerbung nicht überschritten. Denn er habe diesen Brief nicht in diesen Funktionen, sondern allein als Gewerbevereinsvorsitzender geschrieben. Als Inhaber eines Ehrenamtes könne er nicht von Äußerungen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeschlossen werden. Auch im Hinblick auf die Autorenschaft des fraglichen Leserbriefs sei eine gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung nicht festzustellen. Objektiv unrichtig seien Tatsachenbehauptungen zwar nicht nur dann, wenn sie inhaltlich falsch seien, sondern auch in Fällen, in denen der Wähler über den Urheber einer Äußerung im Wahlkampf getäuscht werde; denn die Bewertung einer solchen Äußerung hänge entscheidend auch davon ab, von wem sie stamme. Der Zeuge U. sei jedoch in rechtlicher Hinsicht als Urheber des mit seinem Namen unterzeichneten Leserbriefs anzusehen. Die Beweisaufnahme habe zwar ergeben, dass der Beigeladene zu 1 einen erheblichen Beitrag an der Entstehung und am Inhalt des Leserbriefs habe, der Zeuge U. habe sich den Inhalt des Briefs jedoch vollständig zu eigen gemacht. Er habe nämlich ein persönliches Interesse daran gehabt, dem seiner Auffassung nach durch den Bericht entstandenen falschen Anschein, die Gewerbetreibenden insgesamt und auch er als der Vereinsvorsitzende sei dem amtierenden Bürgermeister gegenüber kritisch eingestellt, durch eine eigene veröffentlichte Stellungnahme entgegenzutreten. Des Weiteren habe der Zeuge U. den aus dem Rathaus stammenden Entwurf nicht unbesehen übernommen, sondern um eigene Passagen ergänzt. Da der Zeuge U. somit als Urheber des Leserbriefs anzusehen sei, liege allein darin, dass ohne ein Eingreifen des Beigeladenen zu 1 der Leserbrief vermutlich mit anderem Wortlaut, möglicherweise aber auch gar nicht, erschienen wäre, keine rechtserhebliche Täuschung des Wählers. Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1 den Entwurf für den Leserbrief durch eine Angestellte des Rathauses habe schreiben und mailen lassen. Es spreche vieles dafür, dass eine unparteiische Amtsführung es gebiete, Einrichtungen und Bedienstete der Gemeindeverwaltung nicht für Wahlpropaganda zu verwenden. Ein Textbeitrag von sechs Zeilen, der von der Angestellten zudem lediglich nach Diktat geschrieben, nicht aber entworfen worden sei, reiche dafür jedenfalls nicht aus, da einem derart geringen Beitrag die Eignung dafür fehle, die Wahl zu beeinflussen.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 07.03.2007 - 1 S 182/07 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen, wonach der Zeuge U. als Unterzeichner des Leserbriefs lediglich vorgeschoben worden sei und die Wähler dadurch über den wahren Urheber getäuscht worden seien. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1 habe den Leserbrief initiiert, der Zeuge U. habe den per E-Mail übermittelten Entwurf in zentralen Aussagen übernommen, so dass amtliche Stellen bei der Veröffentlichung eine ausschlaggebende Rolle gespielt hätten. Es reiche nicht aus, dass der Zeuge U. bekräftigt habe, dass es sein Leserbrief gewesen sei und er inhaltlich voll dahinter stehe; eine formale Autorenschaft genüge nicht. Schließlich gehe es nicht an, den unzulässigen amtlichen Einfluss des Bürgermeisters angesichts des knappen Wahlergebnisses zu verharmlosen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
26 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Er trägt vor: Zutreffend sei im angefochtenen Urteil festgestellt worden, dass der Zeuge U. „wahrer Urheber“ des Leserbriefs gewesen sei; er habe dessen Inhalt und Form selbst verantwortet. Im Übrigen komme es nicht darauf an, wer der geistige Urheber eines Leserbriefs im Wahlkampf sei; entscheidend sei allein, wer durch seine Unterschrift die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Text dokumentiere und damit die inhaltliche Verantwortung für das Druckwerk gegenüber der Öffentlichkeit und der Wählerschaft übernehme. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht sei rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie in den öffentlichen Raum hineinwirke und zu einer Beeinflussung des Wählerwillens führen könne. Demgegenüber seien Verstöße, die rein verwaltungsintern blieben und keine Auswirkungen auf den Wählerwillen haben könnten, irrelevant. Außerdem müssten die Verstöße von solchem Gewicht sein, dass eine unzulässige Beeinflussung des Wahlergebnisses durch sie möglich sei. Dies habe das angefochtene Urteil bezüglich des völlig untergeordneten Beitrags der Zeugin F. zutreffend verneint.
29 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
30 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
31 
Sie trägt vor: Der Beigeladene zu 1 habe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Leserbriefs Gemeindebedienstete für seine Wahlkampfzwecke eingesetzt und dadurch unter Verletzung der ihm insoweit obliegenden Neutralitätspflicht eine gesetzeswidrige Wahlbeeinflussung begangen. Angesichts des knappen Stimmenvorsprungs des Beigeladenen zu 1 sei auch anzunehmen, dass dieser Wahlfehler Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben könnte.
32 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin F.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.


Tenor

Unter Aufhebung des aufsichtsbehördlichen Bescheides des Beklagten vom 27. Dezember 2012 wird die Bürgermeisterwahl der Stadt A... vom 4. November 2012 für ungültig erklärt.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger werden dem Beklagten und dem Beigeladenen jeweils zur Hälfte auferlegt. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten und dem Beigeladenen wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Kläger mit einer Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, es sei denn, die Kläger leisten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die am 4. November 2012 durchgeführte Wahl des Bürgermeisters der Stadt A...

2

Der Beigeladene ist seit über 15 Jahren Bürgermeister der Stadt A... und bewarb sich um seine Wiederwahl. Nachdem unter dem 24. September 2012 der Wahltermin öffentlich bekannt gemacht worden war, kam es zu folgenden Begebenheiten:

3

Der Beigeladene erklärte am 18. Oktober 2012 ausweislich eines Artikels in der Rhein-Hunsrück-Zeitung, man habe A... sehr gut konsolidiert und für die Zukunftsaufgaben bestens gerüstet. Die freie Finanzspitze der Stadt betrage in diesem Jahr 1.023.644 €. Er sähe keine Probleme mehr, um im kommenden Jahr die von vielen Bürgern gewünschte Schwimmbadinvestition zu starten. Zuvor war der Stadt A... bereits im Haushaltsgenehmigungsschreiben für den Haushalt 2012 vom Beklagten unter dem 25. April 2012 mitgeteilt worden, der Haushalt 2012 sei erneut unter Verstoß gegen § 93 IV GemO in Verbindung mit § 18 GemHVO im Finanzhaushalt nicht ausgeglichen. Wie schon im Jahr 2011 werde im Vorbericht die Aussage getroffen, der Finanzhaushalt sei ausgeglichen. Dies sei falsch.

4

Der 1. Beigeordnete der Stadt A..., Dr. B..., der gleichzeitig Wahlleiter für die Bürgermeisterwahl war, äußerte sich am 20. Oktober 2012 in einem „Facebook-Eintrag“ in der Facebook-Gruppe „C... A...“ über die beiden Kandidaten wie folgt:

5

„Aber wen von beiden wählen? Das treibt die community, die Bürgerinnen und Bürger in A..., um: Der eine hat viel in den 15 Jahren seiner Amtszeit in und für A... gestaltet und erreicht, ein Zukunftskonzept vorgelegt, A... in die jetzige, „moderne“, Zeit geführt, natürlich dabei auch Fehler gemacht. Der andere mosert nur an den Entscheidungen des Amtsinhabers herum, ohne eigene Konzepte vorzulegen, eine ganz simple Strategie, B...“

6

Am 24. Oktober 2012 ließen sieben Ortsvorsteher der Ortsbezirke Stadt A..., D..., E..., F..., G..., H... und I... „Postwurfversendungen an alle Haushalte“ mit folgendem Inhalt verteilen:

7

„Wahlaufruf

8

Wir bitten Sie sehr herzlich: Machen Sie von Ihrem Wahlrecht am kommenden Sonntag, den 4. November 2012 Gebrauch. Gehen Sie zur Wahl des Bürgermeisters der Stadt A...

9

Wir unterstützen Bürgermeister Dr. J..., weil er in den zurückliegenden 15 Jahren nicht nur für die Gesamtstadt, sondern auch für alle zehn Ortsbezirke in der Zusammenarbeit mit uns sehr viel erreicht hat. Wir schätzen seine engagierten und sachorientierten Problemlösungen. Dr. J... setzt auf die Eigeninitiative in den einzelnen Ortsbezirken und fördert diese ausdrücklich. Er unterstützt uns in unserer Arbeit und die Zusammenarbeit ist sehr gut. Probleme, die unseren Ort unmittelbar betreffen, lösen wir in unseren Ortsbezirken eigenständig. Hierzu sind wir in der Lage.

10

Wir wollen den Fortschritt sichern. Deshalb geben wir am Sonntag Dr. J... unsere Stimme.“

11

Im Anschluss an diesen Text sind auf dem Blatt der Name des Beigeladenen, die Angabe, dass es sich bei ihm um den Wahlvorschlag der SPD handele, und ein runder Kreis mit einem Kreuz und danach die Fotos der Ortsvorsteher, ihre Namen und Amtsbezeichnungen wiedergegeben.

12

Daraufhin bemängelte eine politische Gruppierung die Postwurfsendung als unzulässige Wahlempfehlung und brachte den Sachverhalt dem Beklagten zur Kenntnis. Zudem berichtete die Rhein-Hunsrück-Zeitung bereits am 29. Oktober 2012 unter der Überschrift „Streit um Wahlaufruf für J... entbrannt“ über die Stellungnahmen der politischen Gruppierungen zur Zulässigkeit des Wahlaufrufs.

13

Am 31. Oktober 2012 teilte der Beklagte den Ortsvorstehern mit, dass es sich bei dem Wahlaufruf um eine nicht durch ihre Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung, sondern um eine amtliche Wahlbeeinflussung handele, beanstandete diese Vorgehensweise und forderte die Ortsvorsteher auf, derartige unzulässige Wahlaufrufe zu unterlassen. Am 2. November 2013 gab er hierzu eine Presseerklärung heraus. Hierüber berichtete die Rhein-Hunsrück-Zeitung am 3. November 2012. Hierin ist u.a. ausgeführt, dass die Kommunalaufsicht den Wahlaufruf der Ortsvorsteher für unzulässig halte. Ihre Prüfung habe ergeben, dass es sich bei diesem Wahlaufruf um eine nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckte Wahlbeeinflussung handele. Ortsvorsteher seien zur unparteiischen Amtsführung verpflichtet. Gegenstand eines Presseartikels war auch die Reaktion der betroffenen Ortsvorsteher, die danach erklärt haben, sie hätten mit der Postwurfsendung nur von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Sie ließen sich keinen Maulkorb umhängen und übten ihr Ehrenamt guten Gewissens aus.

14

Bei der Bürgermeisterwahl am 4. November 2012 wurden 7.464 Stimmen (Wahlbeteiligung von 60,5 %) abgegeben. Davon entfielen auf den Beigeladenen 4.052 (54,3 v.H.) und auf seinen Gegenkandidaten 3.412 (45,7 v.H.) Stimmen. Die öffentliche Bekanntmachung des Wahlergebnisses erfolgte am 9. November 2012 im Mitteilungsblatt „Rund um A...“.

15

Die Kläger erhoben am 20. November 2012 gegen die Wahl Einspruch und machten geltend, der Beigeladene habe dem Stadtrat das Haushaltsgenehmigungsschreiben pflichtwidrig vorenthalten und die Haushaltslage der Stadt in der Rhein-Hunsrück-Zeitung bewusst fehlerhaft dargestellt. Der 1. Beigeordnete und Wahlleiter habe durch den Facebook-Eintrag gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen. Der Wahlaufruf der Ortsvorsteher stelle eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar. Er verletze das verfassungsrechtliche Gebot der freien Wahl. Dies sei auch ein erheblicher Verstoß. Es könne nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Verstoß Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt habe. Dies gelte umso mehr, als der Beigeladene lediglich 319 Stimmen mehr als erforderlich erhalten habe.

16

Mit aufsichtsbehördlichem Bescheid vom 27. Dezember 2012 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl u.a. aus folgenden Gründen zurück: Der Rechtsverstoß der Ortsvorsteher sei nicht geeignet, die Stimmabgabe der Wähler wesentlich zu beeinflussen. Der zu beanstandende Verstoß gegen das Wahlrecht sei bereits am Wochenende vor der Bürgermeisterwahl in einer örtlichen Zeitung publik gemacht worden; dieser Sachverhalt habe sich dann in kurzer Zeit wie ein Lauffeuer unter den Bürgern verbreitet. Der Wahlleiter und 1. Beigeordnete habe seine Facebook-Äußerungen als Privatperson abgegeben und nicht in amtlicher Funktion gehandelt. Insofern liege keine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung vor. Der Beigeladene habe bis zum November 2012 aufgrund der konkreten Abläufe und der Absprachen mit den Aufsichtsbehörden nicht die Verpflichtung zur Unterrichtung des Stadtrates der Stadt A... über das Haushaltsgenehmigungsschreiben gehabt.

17

Am 23. Januar 2013 haben die Kläger Klage erhoben und machen unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens geltend, dass die Bürgermeisterwahl vom 4. November 2012 unter Rechtsverstößen gelitten habe, die geeignet seien, das Wahlergebnis wesentlich zu beeinflussen.

18

Die Kläger beantragen,

19

unter Aufhebung des aufsichtsbehördlichen Bescheides des Beklagten vom 27. Dezember 2012 die Bürgermeisterwahl der Stadt A... vom 4. November 2012 für ungültig zu erklären.

20

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils,

21

die Klage abzuweisen.

22

Der Beklagte vertieft seine bisherige Ausführungen und weist darauf hin, dass der Artikel in der Rhein-Hunsrück-Zeitung den Lesern unmissverständlich klar gemacht habe, wie er den Wahlaufruf bewerte.

23

Der Beigeladene trägt vor, der Wahlaufruf der Ortsvorsteher sei von deren Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Die Postwurfsendungen an die Haushalte seien nach Inhalt und Form nicht als amtliche Äußerung zu qualifizieren und stellten mithin auch keinen Verstoß gegen den Wahlrechtsgrundsatz der freien Wahl dar. Aber selbst wenn man dies anders beurteilen würde, läge jedenfalls kein erheblicher Verstoß gegen die Wahlvorschriften vor, der Auswirkungen auf das Wahlergebnis hätte haben können. Die Wählerschaft sei nicht nur durch die Berichterstattung in der Rhein-Hunsrück-Zeitung, sondern auch durch einen Artikel im Bekanntmachungsorgan „Rund um A...“ vom 2. November 2012, das an jeden Haushalt verteilt worden sei, über den Sachverhalt unterrichtet gewesen. Auch die beiden übrigen geltend gemachten Einwendungen gegen die Wahl seien unbeachtlich und hätten keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Klage ist begründet. Die aufsichtsbehördliche Entscheidung vom 27. Dezember 2012 ist rechtswidrig. Denn die Wahl vom 4. November 2012 zum Bürgermeister der Stadt A... ist ungültig, da sie an einem erheblichen Verstoß gegen die Wahlvorschriften leidet, der geeignet ist, das Wahlergebnis wesentlich zu beeinflussen (vgl. § 50 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 58 Kommunalwahlgesetz – KWG –).

26

Die Wahl verletzt den verfassungsrechtlichen Wahlrechtsgrundsatz der freien Wahl (vgl. Art. 38 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz – GG –, § 53 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung – GemO –). Danach müssen die Wähler in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung ohne jede unzulässige Beeinflussung von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite zu ihrer Wahlentscheidung finden können. Das Gebot der freien Wahl untersagt es staatlichen und gemeindlichen Organen, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und die Amtsträger zu unterstützen oder zu bekämpfen. Insbesondere dürfen in amtlicher Eigenschaft keine Wahlempfehlungen ausgesprochen werden. Derartige Empfehlungen sind nicht von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Sie verstoßen vielmehr gegen die Neutralitätsverpflichtung, die von den Gemeinden und ihren Organen zu beachten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997, 8 C 5.96 und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. November 2000, 7 A 10595/00.OVG, juris).

27

Bei der Postwurfsendung der sieben Ortsvorsteher im Vorfeld der Bürgermeisterwahlen handelt es sich um eine unzulässige Wahlempfehlung.

28

Ortsvorsteher sind gewählte Ehrenbeamte (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 3 GemO), die den Vorsitz im Ortsbeirat innehaben (vgl. § 75 Abs. 5 GemO) und die Belange des Ortsbezirks gegenüber den Organen einer Kommune vertreten. Ihnen können im Einzelfall von den Bürgermeistern Aufgaben übertragen werden. Insoweit sind sie Organe der Kommune. Sie haben aufgrund ihrer Funktion innerhalb ihres Ortsbezirks eine hervorgehobene Position. Angesichts dessen unterliegen auch Ortsvorsteher der oben dargestellten Verpflichtung, sich bei der Ausübung ihres Amtes gerade im Vorfeld von Kommunalwahlen neutral zu verhalten.

29

Gegen diese Verpflichtung haben die sieben Ortsvorsteher verstoßen. Sie haben in der „heißen Phase“ des Wahlkampfes ein mit „Wahlaufruf“ überschriebenes Schreiben an die Haushalte der Stadt A... verteilen lassen. Hierin haben sie zunächst die Wahlberechtigten um die Teilnahme an der Wahl gebeten. Danach haben sie ihre Unterstützung für den Beigeladenen bekundet und die aus ihrer Sicht sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Ortsbezirken und dem Beigeladenen hervorgehoben. Dabei stellten sie heraus, dass der Beigeladene auf die Eigeninitiative in den einzelnen Ortsbezirken setze, diese fördere und die Ortsvorsteher in ihrer Arbeit unterstütze. Probleme, die den Ort unmittelbar beträfen, würden von den Ortsvorstehern in den Ortsbezirken eigenständig gelöst. Von daher enthält ihre Erklärung einen unmittelbaren Bezug zur Ortsvorstehertätigkeit. Ferner erklärten die Ortsvorsteher, den Beigeladenen zu wählen. Im Anschluss daran befinden sich auf der Postwurfsendung der Name des Beigeladenen, die Angabe, dass es sich bei ihm um den Wahlvorschlag der SPD handele, und ein runder Kreis mit einem Kreuz, der die Wahl des Beigeladenen symbolisieren soll.

30

Diese Wahlwerbung ist nicht als private Meinungsäußerung einzustufen. Dies folgt bereits daraus, dass die Postwurfsendung nicht nur die Fotografien mit den Namen der sieben Ortsvorsteher, sondern auch deren Amtsbezeichnung enthält. Von daher haben die Ortsvorsteher unter Nennung ihrer amtlichen Funktion und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf ihr Amt die Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen bewertet und sich für dessen Wiederwahl ausgesprochen. Dies ist angesichts der Gesamtgestaltung der Postwurfsendung bei verständiger Würdigung eine amtliche Wahlempfehlung und verletzt die Verpflichtung der Amtsträger zur neutralen Wahrnehmung ihres Amtes.

31

Die hiergegen gerichtete Einwendung des Beigeladenen, aufgrund der gewählten Form als Postwurfsendung und des gemeinsamen Auftritts der Ortsvorsteher sei für jeden Wähler zu erkennen gewesen, dass es sich um eine persönliche Meinungsäußerung gehandelt habe, greift nicht durch. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Wahlempfehlung der sieben Ortsvorsteher nicht im Bekanntmachungsorgan der Stadt A... erfolgte und eine Verwendung des Amtssiegels unterblieb. Aufgrund des Inhalts der an alle Haushalte der Stadt gerichteten Postwurfsendung musste und sollte für einen unbefangenen Leser jedoch der Eindruck erweckt werden, dass die sieben Personen in ihrer Funktion als Ortsvorsteher die Wiederwahl des Beigeladenen empfehlen. Bedenkt man, dass politische Amtsträger einer Gemeinde frei bestimmen können, wie sie ihre Öffentlichkeitsarbeit gestalten, haben die Ortsvorsteher durch die Abgabe der Wahlempfehlung unter Beifügung ihrer Amtsbezeichnung eine Möglichkeit zur politischen Einflussnahme ausgenutzt, über die sie nur kraft ihres Amtes verfügen. Mithin liegt eine unzulässige Beeinflussung der Wahl durch kommunale Organe und damit eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Wahlgrundsatzes der freien Wahl vor.

32

Diese Bewertung steht auch nicht, wie der Beigeladene meint, in Widerspruch zu dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. November 2000 (a.a.O.). Gegenstand dieser Entscheidung war eine als Anzeige überschriebene Wahlempfehlung von über 20 Personen, darunter ein Bürgermeister und ehrenamtlich tätige Ortsbürgermeister, im nicht amtlichen Teil eines Amtsblattes; allerdings wurde deren Amtsbezeichnung in der Anzeige nicht erwähnt, so dass diesem Verfahren ein mit der Wahlanfechtung der Kläger nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde gelegen hat.

33

Der Wahlrechtsverstoß der sieben Ortsvorsteher ist erheblich im Sinne des § 50 Abs. 3 Satz 1 KWG. Mit dem Begriff des „erheblichen Verstoßes gegen Wahlvorschriften“ kennzeichnet der Gesetzgeber schlagwortartig das gesamte System des materiellen Wahlprüfungsrechts. Hierdurch wird Bezug auf die im überkommenen Wahlprüfungsrecht entwickelten Gründe für die Ungültigkeit einer Wahl genommen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Dezember 1991, 7 A 10305/91.OVG, juris). Gerade die verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätze definieren die materiell-rechtlichen Grundlagen einer demokratischen Wahl und gewährleisten in besonderem Maße die Volkssouveränität. Von daher vermögen nur Wahlen, die ohne Verstoß gegen das Gebot staatlicher oder gemeindlicher Neutralität und ohne Verletzung der Integrität der Willensbildung des Volkes und der Wahlbürger erfolgt sind, demokratische Legitimation zu verleihen (vgl. BVerwG a.a.O. mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Angesichts dessen stellen amtliche Wahlempfehlungen von Personen, die ein herausgehobenes Amt in einer Kommune innehaben, zumindest in der „heißen Phase“ des Wahlkampfes, also sechs Wochen vor der Wahl, regelmäßig Wahlrechtsverletzungen dar, die erheblich sind. Nichts anderes gilt auch für Empfehlungen eines Ortsvorstehers bei einer Bürgermeisterwahl. Der Inhaber eines solchen Amtes ist der gewählte Repräsentant eines Ortsbezirks der Kommune (vgl. Klöckner, Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Bd. 1, Komm. zur GemO, § 76 Ziffer 2.1). Er wirkt in dieser Funktion als Bindeglied zwischen dem Ortsbezirk und dessen Einwohner sowie der Gesamtgemeinde und findet aufgrund dessen regelmäßig in besonderer Weise Gehör bei den Einwohnern seines Ortsbezirks. Bei diesen hat sein Wort Gewicht.

34

Die verfassungswidrige Wahlempfehlung der Ortsvorsteher war geeignet, das Ergebnis der Wahl zum A...er Stadtbürgermeister wesentlich zu beeinflussen. Dieses Kausalitätserfordernis dient dem Ziel, die Wahl möglichst aufrecht zu erhalten. Rechtsverstöße, die nicht eine konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses begründen, werden in Kauf genommen, weil die Wählerschaft im Rahmen des Vertretbaren vor unnötigen Belastungen mit Neuwahlen sowie Gemeinden und Landkreise vor dem damit verbundenen Aufwand bewahrt werden sollen. Von daher ist eine Wahl nur dann für ungültig zu erklären, wenn nach der Lebenserfahrung und den Umständen des Einzelfalls bei realistischer Betrachtungsweise eine konkrete, nicht fernliegende Möglichkeit besteht, dass der Wahlfehler Einfluss auf das Ergebnis hatte (vgl. BVerwG a.a.O.). Bei dieser Bewertung ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen einer unzulässigen Beeinflussung des Wählerwillens durch einen Amtsträger letztlich nie hinreichend sicher feststellbar sind. Von daher reicht es für die Kausalität des Wahlverstoßes auf das Wahlergebnis aus, wenn durch den Verstoß die Beeinflussung des Wahlergebnisses möglich erscheint bzw. nicht ausgeschlossen werden kann.

35

Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Bei der am 4. November 2012 durchgeführten Bürgermeisterwahl wurden 7.464 Stimmen abgegeben, die Wahlbeteiligung betrug über 60 %, was einen im Vergleich zu anderen Bürgermeisterwahlen hohen Anteil darstellt. Es entfielen auf den Beigeladenen 4.052 (54,3 v.H.) und auf seinen Gegenkandidaten 3.412 (45,7 v.H.) Stimmen, der Vorsprung des Beigeladenen vor seinem Gegenkandidaten betrug mithin lediglich 640 Stimmen. Dies sind weniger als 10 % der abgegebenen Stimmen. Zudem beträgt unter Zugrundelegung der amtlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses im Bekanntmachungsorgan „Rund um A...“ vom 9. November 2012 der Anteil der Wählerinnen und Wähler, die in den von den sieben Ortsvorstehern repräsentierten Ortsbezirken A..., D..., E..., F..., G..., H... und I... ihre Stimme abgegeben haben, an der Gesamtzahl der an der Wahl teilnehmenden Einwohner der Stadt A... über 75 %. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass gerade die Wählerinnen und Wähler in diesen Ortsteilen die Postwurfsendung mit dem Bild auch ihres Ortsvorstehers, den viele wohl auch persönlich kennen, zur Kenntnis genommen und in irgendeiner Weise Beachtung geschenkt haben. Ob und inwieweit die Wahlempfehlung die Wahlbeteiligung und Wahlentscheidung gerade dieser Wählerinnen und Wähler beeinflusst hat, lässt sich nicht ermitteln. Eine Beeinflussung des Wahlergebnisses ist angesichts der herausgehobenen Funktion der Ortsvorsteher nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, jedenfalls nicht ausgeschlossen.

36

Die Berichterstattungen zum Streit der politischen Gruppierungen über die rechtliche Zulässigkeit der Wahlwerbung und über die nicht öffentlich bekannt gemachte Beanstandung der unzulässigen Wahlbeeinflussung der Ortsvorsteher durch den Beklagen in der Rhein-Hunsrück-Zeitung führen unabhängig von der Frage, ob hierdurch überhaupt ein erheblicher Wahlverstoß gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl kompensiert werden kann, zu keiner anderen Beurteilung. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Rhein-Hunsrück-Zeitung als einzige Lokalzeitung im Stadtgebiet einen hohen Verbreitungsgrad hat. Allerdings ist nicht jeder wahlberechtigte Einwohner dieser Stadt Abonnent dieser Zeitung; außerdem ist auch nicht gewährleistet, dass jeder Abonnent die Berichterstattung über den Wahlverstoß zur Kenntnis genommen hat. Es ist letztlich nicht zu ermitteln, in welchem Umfang die Wählerschaft über das Vorliegen eines Wahlverstoßes unterrichtet gewesen ist. Von daher ist die Annahme des Beklagten, dass sich nach der Berichterstattung über die Beanstandung des Verstoßes der Sachverhalt in kurzer Zeit wie ein „Lauffeuer“ unter der Bürgerschaft verbreitet habe, nicht belegbar. Zudem wurde am 3. November 2012 in der Rhein-Hunsrück-Zeitung im Zusammenhang mit der Beanstandung auch über die Reaktion der Ortsvorsteher berichtet, die danach der Auffassung waren, dass ihre Wahlempfehlung vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt sei. Wurde aber somit bei der Wählerschaft der Eindruck hinterlassen, die Ortsvorsteher hielten ihre Empfehlung weiterhin rechtlich für zulässig, fehlt der Berichterstattung in der Rhein-Hunsrück-Zeitung inhaltlich die Eignung zur Kompensation des begangenen Wahlrechtsverstoßes.

37

Gleiches gilt für Darstellungen von politischen Gruppierungen im Vorfeld der Wahl, die dem Beklagten nicht zurechenbar sind. Hierin wird regelmäßig in demokratisch zulässiger Weise unmittelbar oder mittelbar Partei für einen der Wahlbewerber ergriffen. Von daher können derartige Darstellungen allein schon wegen der fehlenden Objektivität der Verfasser eine verfassungswidrige Einflussnahme von Amtsträgern auf die Wählerschaft nicht ausgleichen. Die Befugnis hierzu steht nur den hierzu berufenen staatlichen Stellen und damit der Kommunalaufsicht des Beklagten zu. Auch die von dem Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung angesprochene Veröffentlichung einer Stellungnahme vom 2. November 2012 im Bekanntmachungsorgan „Rund um A...“ zu den Befugnissen eines Ortsvorstehers hat hierfür keinen Ausgleich schaffen können. Der von dem Beigeladenen nach der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bericht mit der Überschrift „Sind Ortsvorsteher-Wahlaufrufe Amtsmissbrauch?“ stellt lediglich einen redaktionellen Beitrag dar und verhält sich nicht zu der Beanstandung des Verhaltens der Ortsvorsteher durch den Beklagten, da das Ergebnis der Prüfung dem Verfasser des Artikels nicht bekannt gewesen war. Auch hierdurch konnte die Wählerschaft nicht in der geeigneten Weise über das Vorliegen eines Wahlrechtsverstoßes unterrichtet werden.

38

Schließlich ist zu bedenken, dass die Bekanntgabe der Beanstandung des Wahlverstoßes nicht unverzüglich nach Verteilung der Postwurfsendungen erfolgte. Der Beigeladene hat hierzu in der mündlichen Verhandlung angegeben, die Postwurfsendungen der sieben Ortsvorsteher seien überwiegend am 24. Oktober 2012 verteilt worden. Über die Beanstandung des Beklagten wurde erst am 2. bzw. 3. November 2013 berichtet. Von daher haben die Wähler, die im Zeitraum vom 24. Oktober 2012 bis zum 2. November 2013 von der Möglichkeit zur Briefwahl Gebrauch gemacht haben, ihre Entscheidung getroffen, ohne dass sie Kenntnis davon gehabt haben konnten, dass der Beklagte die Postwurfsendung der Ortsvorsteher als verfassungswidrige Wahlbeeinflussung eingestuft hat. Die Wahlentscheidung der Briefwähler stand daher in jedem Fall unter dem Einfluss einer unzulässigen Wahlempfehlung.

39

Angesichts all dieser Umstände ist es zur Überzeugung des Gerichts nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen, dass die Wahl zum Bürgermeister der Stadt A... einen anderen Ausgang genommen hätte, wäre die verfassungswidrige Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler durch die sieben Ortsvorsteher unterblieben. Die Wahl vom 4. November 2012 war deswegen für ungültig zu erklären, ohne dass die Kammer noch dazu Stellung nehme muss, ob die übrigen von den Klägern geltend gemachten Einwendungen gegen die Gültigkeit der Wahl der Klage ebenfalls zum Erfolg verholfen hätten.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

41

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

42

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

44

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert.

Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 im Berufungsverfahren je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 in Kappel-Grafenhausen.
Am Freitag, dem 30.06.2006, berichtete die Badischen Zeitung (BZ) unter der Überschrift „Klagen aus dem Gewerbe“ über eine Wahlveranstaltung des Bürgermeisterkandidaten Z. mit Gewerbetreibenden der Gemeinde, und führte aus, dass das Verhalten des Amtsinhabers von Betriebsinhabern teilweise massiv kritisiert worden sei.
Am Samstag, dem 01.07.2006, erschien unter dem Titel „‘Zustimmung, Freundlichkeit’ - K. kontert Vorwürfe“ ein weiterer Artikel in der BZ in Gesprächsform, in dem die Sicht des amtierenden - und zur Wiederwahl stehenden - Bürgermeisters, des Beigeladenen zu 1, wiedergegeben wurde.
Am selben Tag wurden auch vier Leserbriefe in der BZ veröffentlicht, die sich kritisch mit dem Artikel vom 30.06.2006 auseinander setzten.
Unter der Titelzeile „Unverständlich“ wurde ein Leserbrief mit folgendem Wortlaut abgedruckt:
„Der leider von privater Seite verfasste Bericht gegenüber unserem Herrn K. entspricht nicht den Tatsachen.
Es waren nur einzelne Gewerbetreibende von knapp 40, die die Tätigkeit von Herrn K. kritisierten.
Bis jetzt hieß es in beiden Wahlkampfreden, dass ein fairer Wahlkampf betrieben wird, dies geht jedoch weit unter die Gürtellinie. Mit dem Bericht wird auf infame Weise versucht, Bürgermeister K. kurz vor der Wahl zu diskreditieren.
Ich bin der Meinung, dass man es nicht jedem recht machen kann, und dass bei allen zukünftigen Bürgermeistern immer ein Haar in der Suppe gefunden werden kann, wenn man danach sucht.
Mehrere Gewerbetreibende riefen mich als Gewerbevereinsvorsitzender an, dass sie den Artikel überhaupt nicht verstehen können, und mit Herrn K. sehr zufrieden sind. Sie baten mich, eine Gegendarstellung in die BZ und in den Guller zu setzen.
H. U.“
Unter der Zeile „Faires Miteinander“ hieß es:
„Wir auch von der O. GmbH, ... und ..., ... ... in ..., können diesen Bericht nicht nachvollziehen. In der Amtszeit von Herrn Bürgermeister K. war es für uns ein faires wirtschaftliches Miteinander.
W. O., O. GmbH, ...- und ... ...“
Unter der Überschrift „Ist das fair?“ erschien folgender Leserbrief:
10 
„Fair“ und „ehrlich“ sollte die Bewerbung um den Bürgermeisterposten in Kappel-Grafenhausen laufen - so wurde es zwischen den beiden Bewerbern, Amtsinhaber A. K. und dem Konkurrenten J. Z. öffentlich vereinbart. Nun scheinen unterschiedliche Ansichten darüber zu bestehen, was unter „fair“ und „ehrlich verstanden wird.
Manches an der Informationsbeschaffung des Kandidaten Z. im Wahlkampf erscheint mir nicht dem von ihm gesetzten moralischen Maß zu entsprechen.
... B. E., ...“
11 
Ein letzter Leserbrief folgte unter dem Stichwort „Verwundert“:
12 
Über den Bericht in der Badischen Zeitung vom 30. Juni „Klagen aus den Gewerbe“ kann ich, milde ausgedrückt, nur meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. In diesem Bericht wird die Glaubwürdigkeit und Integrität des Amtsinhabers, Herrn Bürgermeister K., in Frage gestellt und ihm meines Erachtens auch Unrecht getan.
G. K., ...“
13 
Bei der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 erhielt der Beigeladene zu 1 1.160 von 2.301 gültigen und damit 50,4% der Stimmen; der unterlegene Bewerber Z. kam auf 1.135 Stimmen, sonstige Bewerber erhielten insgesamt sechs Stimmen. Das Wahlergebnis wurde zunächst am 03.07.2006 bekannt gemacht; die öffentliche Bekanntmachung wurde wegen eines Formfehlers am 14.07.2006 wiederholt.
14 
Am 10.07.2006 erhob der Kläger, ein wahlberechtigter Einwohner der Gemeinde, Einspruch gegen die Wahl und fügte eine Unterschriftenliste mit Beitretenden bei. Zur Begründung machte er geltend, dass eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung mit der Folge der Verletzung elementarer Wahlrechtsgrundsätze wie der Freiheit und Gleichheit der Wahl vorliege. Der stellvertretende Leiter des Wahlprüfungsausschusses, der Zeuge U., habe sich entgegen seiner Pflicht zur Neutralität am Samstag vor der Wahl in einem Leserbrief zugunsten des gewählten Bürgermeisters eingesetzt und darin falsche Behauptungen aufgestellt. Der Brief sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden. Wegen der Veröffentlichung hätten der Bürgermeister und der Zeuge U. massiven Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
15 
Gegenüber dem Landratsamt Ortenaukreis gab der Zeuge U. im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens u.a. an, dass die in der BZ veröffentlichte Stellungnahme von ihm selbst stamme und per E-Mail von seinem eigenen Computer an die Redaktion übermittelt worden sei. Irgendeine vorherige Kontaktaufnahme oder gar eine Absprache mit dem Beigeladenen zu 1 habe es nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1 erklärte gegenüber dem Landratsamt, die Behauptung, der Leserbrief sei von ihm diktiert und im Rathaus geschrieben worden, sei unzutreffend. Die Beigeladene zu 2 teilte dem Landratsamt mit, dass der Bürgermeister-Stellvertreter bei allen Bediensteten in den beiden Rathäusern der Frage nachgegangen sei, ob der Leserbrief im Rathaus geschrieben bzw. vom Bürgermeister diktiert worden sei; alle Befragten hätten dies verneint.
16 
Das Landratsamt Ortenaukreis erklärte mit Wahlprüfungsbescheid vom 03.08.2006 die Bürgermeisterwahl unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche für gültig.
17 
Mit weiterem Bescheid vom 03.08.2006 wies das Landratsamt den Einspruch des Klägers zurück. Der zulässige Einspruch sei nicht begründet. Die gerügte gesetzwidrige Wahlbeeinflussung durch einen Bewerber oder Dritte liege nicht vor. Der Zeuge U. habe mit seinem Leserbrief nicht gegen die den amtlichen Organen obliegende Neutralitätspflicht verstoßen; diese gelte nur für die Gemeindeorgane selbst, nicht aber für deren Mitglieder. Im Übrigen habe der Zeuge U. diesen Brief mit seinem Namen, nicht aber mit Hinweis auf sein Amt als stellvertretendes Mitglied des Gemeindewahlausschusses unterzeichnet. Inhaltlich sei mit dem Leserbrief angesichts der kontroversen Berichterstattung die Grenze der zulässigen Wahlpropaganda und Wahlagitation nicht überschritten worden. Die weitere Rüge, wonach der Brief im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden sei, sei nicht belegt. Nach glaubhafter Darstellung des Zeugen U. habe dieser die Stellungnahme selbst verfasst und per E-Mail vom eigenen Computer an die Redaktion der BZ übermittelt. Auch der Beigeladene zu 1 habe den Vorwurf als falsch bestritten. Nach Stellungnahme der Gemeinde unter Einbeziehung einer Befragung der Bediensteten des Bürgermeisteramtes bestünden ebenso wenig Anhaltspunkte im Sinne des Vorbringens. Nicht nachgewiesen sei weiter der Vorwurf, der Beigeladene zu 1 oder der Zeuge U. hätten Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
18 
Der Kläger hat am 01.09.2006 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere geltend gemacht, dass der fragliche Leserbrief vom Bürgermeister initiiert und diktiert und im Rathaus der Entwurf für den Strohmann U. geschrieben worden sei. Der Bürgermeister habe über die Gemeindeverwaltung z.B. durch E-Mails an den Zeugen U. Einfluss auf diesen ausgeübt, damit der Leserbrief in der BZ abgedruckt werde. Diese amtliche Beeinflussung durch die Gemeindeverwaltung bzw. den Bürgermeister sei auch rechtserheblich gewesen, sie habe das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 sind der Klage entgegengetreten. Die Beigeladene zu 2 hat im laufenden Verfahren schriftliche Stellungnahmen von zwei im Büro des Beigeladenen zu 1 tätigen Bediensteten, darunter die Zeugin F., vorgelegt, die - abweichend von ihren ursprünglichen Einlassungen - bekundet haben, dass am 30.06.2006 auf Geheiß des Beigeladenen zu 1 dort Leserbriefe geschrieben worden seien und deren Veröffentlichung vorbereitet worden sei.
19 
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006, in der der Zeuge U. und die Zeugin F. vernommen worden sind, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung liege bei Berücksichtigung der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe, die den Prüfungsumfang auch des Gerichts beschränkten, nicht vor. Mit seinem Leserbrief habe der Zeuge U., der stellvertretender Beisitzer des Wahlausschusses und Gemeinderat sei, die Grenzen zulässiger Wahlwerbung nicht überschritten. Denn er habe diesen Brief nicht in diesen Funktionen, sondern allein als Gewerbevereinsvorsitzender geschrieben. Als Inhaber eines Ehrenamtes könne er nicht von Äußerungen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeschlossen werden. Auch im Hinblick auf die Autorenschaft des fraglichen Leserbriefs sei eine gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung nicht festzustellen. Objektiv unrichtig seien Tatsachenbehauptungen zwar nicht nur dann, wenn sie inhaltlich falsch seien, sondern auch in Fällen, in denen der Wähler über den Urheber einer Äußerung im Wahlkampf getäuscht werde; denn die Bewertung einer solchen Äußerung hänge entscheidend auch davon ab, von wem sie stamme. Der Zeuge U. sei jedoch in rechtlicher Hinsicht als Urheber des mit seinem Namen unterzeichneten Leserbriefs anzusehen. Die Beweisaufnahme habe zwar ergeben, dass der Beigeladene zu 1 einen erheblichen Beitrag an der Entstehung und am Inhalt des Leserbriefs habe, der Zeuge U. habe sich den Inhalt des Briefs jedoch vollständig zu eigen gemacht. Er habe nämlich ein persönliches Interesse daran gehabt, dem seiner Auffassung nach durch den Bericht entstandenen falschen Anschein, die Gewerbetreibenden insgesamt und auch er als der Vereinsvorsitzende sei dem amtierenden Bürgermeister gegenüber kritisch eingestellt, durch eine eigene veröffentlichte Stellungnahme entgegenzutreten. Des Weiteren habe der Zeuge U. den aus dem Rathaus stammenden Entwurf nicht unbesehen übernommen, sondern um eigene Passagen ergänzt. Da der Zeuge U. somit als Urheber des Leserbriefs anzusehen sei, liege allein darin, dass ohne ein Eingreifen des Beigeladenen zu 1 der Leserbrief vermutlich mit anderem Wortlaut, möglicherweise aber auch gar nicht, erschienen wäre, keine rechtserhebliche Täuschung des Wählers. Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1 den Entwurf für den Leserbrief durch eine Angestellte des Rathauses habe schreiben und mailen lassen. Es spreche vieles dafür, dass eine unparteiische Amtsführung es gebiete, Einrichtungen und Bedienstete der Gemeindeverwaltung nicht für Wahlpropaganda zu verwenden. Ein Textbeitrag von sechs Zeilen, der von der Angestellten zudem lediglich nach Diktat geschrieben, nicht aber entworfen worden sei, reiche dafür jedenfalls nicht aus, da einem derart geringen Beitrag die Eignung dafür fehle, die Wahl zu beeinflussen.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 07.03.2007 - 1 S 182/07 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen, wonach der Zeuge U. als Unterzeichner des Leserbriefs lediglich vorgeschoben worden sei und die Wähler dadurch über den wahren Urheber getäuscht worden seien. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1 habe den Leserbrief initiiert, der Zeuge U. habe den per E-Mail übermittelten Entwurf in zentralen Aussagen übernommen, so dass amtliche Stellen bei der Veröffentlichung eine ausschlaggebende Rolle gespielt hätten. Es reiche nicht aus, dass der Zeuge U. bekräftigt habe, dass es sein Leserbrief gewesen sei und er inhaltlich voll dahinter stehe; eine formale Autorenschaft genüge nicht. Schließlich gehe es nicht an, den unzulässigen amtlichen Einfluss des Bürgermeisters angesichts des knappen Wahlergebnisses zu verharmlosen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
26 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Er trägt vor: Zutreffend sei im angefochtenen Urteil festgestellt worden, dass der Zeuge U. „wahrer Urheber“ des Leserbriefs gewesen sei; er habe dessen Inhalt und Form selbst verantwortet. Im Übrigen komme es nicht darauf an, wer der geistige Urheber eines Leserbriefs im Wahlkampf sei; entscheidend sei allein, wer durch seine Unterschrift die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Text dokumentiere und damit die inhaltliche Verantwortung für das Druckwerk gegenüber der Öffentlichkeit und der Wählerschaft übernehme. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht sei rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie in den öffentlichen Raum hineinwirke und zu einer Beeinflussung des Wählerwillens führen könne. Demgegenüber seien Verstöße, die rein verwaltungsintern blieben und keine Auswirkungen auf den Wählerwillen haben könnten, irrelevant. Außerdem müssten die Verstöße von solchem Gewicht sein, dass eine unzulässige Beeinflussung des Wahlergebnisses durch sie möglich sei. Dies habe das angefochtene Urteil bezüglich des völlig untergeordneten Beitrags der Zeugin F. zutreffend verneint.
29 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
30 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
31 
Sie trägt vor: Der Beigeladene zu 1 habe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Leserbriefs Gemeindebedienstete für seine Wahlkampfzwecke eingesetzt und dadurch unter Verletzung der ihm insoweit obliegenden Neutralitätspflicht eine gesetzeswidrige Wahlbeeinflussung begangen. Angesichts des knappen Stimmenvorsprungs des Beigeladenen zu 1 sei auch anzunehmen, dass dieser Wahlfehler Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben könnte.
32 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin F.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären.

2. Das beklagte Land, der Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beigeladenen jeweils selbst.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Gültigkeit einer Bürgermeisterwahl.
Am 09.06.2013 fand in der Gemeinde Malsch, der Beigeladenen zu 2, die Bürgermeisterwahl statt. Von den insgesamt 6.539 gültigen Stimmen entfielen auf den bisherigen Amtsinhaber, den Beigeladenen zu 1, 3.285 Stimmen (50,2 %). Herr XXX erhielt 3.144 Stimmen (48,1 %). 94 Stimmen (1,4 %) gingen an Herrn XXX und weitere 16 Stimmen an sonstige Personen. Das Wahlergebnis wurde am 13.06.2013 öffentlich bekanntgemacht.
Vor der Wahl veröffentlichte der bisherige Amtsinhaber im „Gemeindeanzeiger“ für Malsch mehrere Artikel. Der Gemeindeanzeiger Malsch wird von der Druckerei XXX herausgegeben. Dies ist auf dem Titelblatt oben links vermerkt. Dem Titelblatt folgen die Notruftafel und die Seite „Malsch aktuell“, auf der aus dem Gemeinderat und zum örtlichen Geschehen berichtet wird. Auf Seite vier beginnt das im Schriftbild durch Fettdruck gekennzeichnete „Amtsblatt Malsch“ mit amtlichen und nichtamtlichen Mitteilungen. Als dessen Herausgeber ist oben links auf Seite vier die Gemeinde Malsch genannt. Darunter heißt es: „Verantwortlich für den amtlichen Teil ist: Bürgermeister XXX oder Vertreter im Amt.“ Nach dem Amtsblatt folgt der sog. redaktionelle bzw. kommerzielle Teil des Gemeindeanzeigers. Dort sind private Anzeigen, Texte und Werbetexte veröffentlicht. Im Amtsblatt vom 29.05.2013 (Nr. 22) war unter den amtlichen Nachrichten, in der Rubrik „Bürgermeister“, ein Bericht über den Besuch des Bundestags-Kandidaten, XXX, von Bündnis 90/Die Grünen abgedruckt.
In den Gemeindeanzeigern vom 08.05.2013 (Nr. 19), 16.05.2013 (Nr. 20), 23.05.2013 (Nr. 21), 29.05.2013 (Nr. 22) sowie vom 06.06.2013 (Nr. 23) war nach dem in Fettdruck gekennzeichneten „Ende der amtlichen und nichtamtlichen Mitteilungen“ jeweils ein Artikel mit der Überschrift: „Bürgermeister XXX“ veröffentlicht. Auf der Rückseite der Gemeindeanzeiger Nrn. 21, 22 und 23 finden sich jeweils eine die halbe Seite einnehmende Werbung für den bisherigen Amtsinhaber. In den Ausgaben Nr. 22, Seite 27 und Nr. 23, Seite 23 ist ein Text von XXX abgedruckt, in dem er seine Ziele darstellt.
Mit einem am 19.06.2013 beim Landratsamt Karlsruhe eingegangenen Schreiben vom 14.06.2013 erhob die Klägerin Einspruch gegen die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 mit folgender Begründung: Erstens: Im Amtsblatt Nr. 22 der Beigeladenen zu 2 vom 29.05.2013 habe der bisherige Amtsinhaber im amtlichen Teil einen Bericht mit Bild über den Besuch des Bundestags-Kandidaten von Bündnis 90/Die Grünen, Herrn XXX, veröffentlicht, in dem auf die anstehende Bürgermeisterwahl Bezug genommen und für seine Wiederwahl geworben werde. Dieser Text beinhalte eine unzulässige Wahlbeeinflussung, was im letzten Satz zum Ausdruck komme, der wie folgt laute: „Zum Ende des intensiven Meinungsaustauschs wünschte Herr XXX Bürgermeister XXX alles Gute für die anstehende Bürgermeisterwahl und würde sich freuen, im Herbst als Bundestagsabgeordneter mit ihm und der Gemeinde Malsch an dem begonnenen Gespräch wieder anknüpfen zu dürfen.“
Zweitens: In den verschiedenen Artikeln im redaktionellen Teil der Gemeindeanzeiger Nrn. 19, 20, 21, 22 und 23 seien zum Teil wörtliche Passagen aus der Wahlkampfbroschüre und jeweils ein Bild des bisherigen Amtsinhabers veröffentlicht worden. Für beide Sachverhalte gelte, dass es sich um eine unzulässige Wahlbeeinflussung handele, die sich auf das knappe Wahlergebnis auswirken konnte. Deshalb müsse die Wahl für ungültig erklärt werden.
Drittens: Ein weiterer Aufhebungsgrund sei in der räumlichen Situation des einzigen Wahllokals im Ortsteil Sulzbach zu sehen, in dem ein durch den Wahlraum zugängliches Schreibzimmer als Wahlzelle gedient habe. Der Tisch, an dem die Wahlberechtigten den Stimmzettel hätten ausfüllen können, habe über keinerlei Sichtschutzvorrichtungen verfügt. Sowohl vom Wahlvorstand als auch von wartenden Wählern habe beobachtet werden können, ob der mit dem Rücken zum Wahlraum sitzende Wähler z.B. einen Stimmzettel verändere oder nicht. Außerdem sei durch die vorhandenen Fenster ein Einblick von außen möglich gewesen.
Nachdem das Landratsamt Karlsruhe Stellungnahmen der Beigeladenen sowie der Druckerei XXX eingeholt und das Wahllokal im Ortsteil Sulzbach besichtigt hatte, wies es den Einspruch vom 14.06.2013 mit Bescheid vom 12.07.2013 zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, die Voraussetzungen einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung durch den Artikel im Amtsblatt lägen nicht vor. Die Grußformel des Kandidaten sei bei verständiger Würdigung als eine in Politikerkreisen übliche Höflichkeitsformel zu würdigen. Auch die Artikel des bisherigen Amtsinhabers im redaktionellen Teil der Gemeindeanzeiger stellten keine unzulässige Wahlbeeinflussung dar. Das Wahlgeheimnis sei auch im Ortsteil Sulzbach gewahrt gewesen. Nach dem vom Wahlvorstand noch am Wahltag gefertigten Foto, das die konkrete Situation nachstelle, sei der jeweilige Wähler im Wahlbezirk Sulzbach mit dem Rücken zu den hinter ihm wartenden Wählern gesessen. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten und der Anweisungen des Wahlvorstehers hätten die Wartenden in gerader Linie gut zwei bis drei Meter hinter dem Wähler gestanden, dessen Rücken den Stimmzettel komplett verdeckt habe. Allenfalls hinsichtlich des genauen Abstands der Wartenden zum Wähler bestehe Uneinigkeit. Dies spiele keine entscheidende Rolle. § 23 Abs. 2 Satz 3 Kommunalwahlordnung sei nicht verletzt. Die Fenster direkt gegenüber dem Wahltisch (zur Jägerstraße hin) seien nach Aussage des Wahlvorstands - im Unterschied zur Darstellung von Zeugen - am Wahltag mit Vorhängen bedeckt gewesen. Es sei aufgrund der doppelten Verglasung und den hierdurch bedingten Spiegelungen auch ohne Vorhänge unmöglich gewesen, etwas zu erkennen. Der Bescheid wurde am 15.07.2013 der Klägerin zugestellt.
Am 07.08.2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beantragt,
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1. den Bescheid des Beklagten vom 12.07.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären.
2. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem Einspruch im Wesentlichen vor: Der Bericht im Amtsblatt vom 29.05.2013 und die weiteren Artikel des bisherigen Amtsinhabers im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers seien nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 -) eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewesen. Auch das Wahlgeheimnis sei im Wahllokal in Sulzbach nach den in der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 08.04.1968 aufgezeigten Maßstäben verletzt worden sei. Es werde bestritten, dass die Wartenden „in gerader Linie gut zwei bis drei Meter hinter dem Wähler“ gestanden seien. Der Abstand zu dem seitlich sitzenden Wahlvorstand als auch zu den Wartenden sei nach Aussagen von Zeugen deutlich geringer gewesen. Der Abstand zum Wahlvorstand habe weniger als ein Meter betragen. Dass in der Vergangenheit „schon immer so gewählt worden“ sei, sei kein Argument. Es gebe Zeugen, die sich schon früher darüber beschwert und deshalb Briefwahl vorgezogen hätten. Hinzu komme, dass der Nebenraum zum Wahlraum am Wahltag durch die Fenster einsehbar gewesen sei. Die Behauptung, dass aufgrund der doppelten Verglasung fraglich sei, ob etwas zu erkennen gewesen sei, werde bestritten. Auf die Lichtverhältnisse komme es ebenfalls nicht an.
12 
Das beklagte Land beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Ergänzend zu den Ausführungen im Bescheid vom 12.07.2013 macht es geltend: Der Bescheid stehe in Einklang mit den einschlägigen Urteilen des VGH Baden-Württemberg vom 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - und vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -.
15 
Bezüglich des Wahllokals in Sulzbach werde auf das Protokoll vom 25.06.2013 sowie hinsichtlich der unterschiedlichen Darstellungen der Abstände auf die Mitteilung der Gemeinde Malsch vom 10.09.2013 verwiesen. Die bisherige Sitzposition habe offenkundig über viele Jahre hinweg keine Wähler subjektiv verunsichert, da es bisher keine Beschwerden gegeben habe.
16 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Er ist der Ansicht, die vorgebrachten Wahlanfechtungsgründe lägen nicht vor. Lege man den von der Rechtsprechung gezogenen Rahmen zur Wahlbeeinflussung zugrunde, sei die Äußerung des Bundestagskandidaten, so wie sie im Amtsblatt vom 29.05.2013 wiedergegeben worden sei, bereits objektiv nicht geeignet, unmittelbar auf die Wahlentscheidung der Wähler einzuwirken. Auch Textbeiträge im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers seien hierfür nicht geeignet. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und organisatorischen Maßnahmen der Beigeladenen zu 2 sei sichergestellt gewesen, dass im Wahllokal in Sulzbach eine unbeobachtete Ausführung des Wahlrechts gewährleistet gewesen sei.
19 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
20 
die Klage abzuweisen.
21 
Sie trägt unter Hinweis auf ihre im Einspruchsverfahren übersandten Schreiben vom 05.07. und 26.07.2013 im Wesentlichen vor: Eine Gesamtwürdigung der Umstände ergebe, dass die veröffentlichte Äußerung des Bundestagskandidaten keine Wahlbeeinflussung im Sinne des Gesetzes gewesen sei. Bei dem Artikel im Amtsblatt des Gemeindeanzeigers vom 29.05.2013 sei für jeden Leser klar erkennbar gewesen, dass hier ein (Bundestags)-Kandidat einem anderen (Bürgermeister-)Kandidaten alles Gute wünsche und zum Ausdruck bringe, dass er sich freuen würde, wenn man sich im Herbst - jeweils in der betreffenden Funktion - wieder treffen könne. Dies sei nicht mehr als die jedenfalls im mitteleuropäischen und deutschen Raum übliche Höflichkeitsfloskel und -bekundung zwischen zwei Kandidaten, wobei der Bundestags-Kandidat eben nicht in irgendeiner Mandats- oder Amtsfunktion stehe, sondern lediglich als Bewerber um ein Mandat diesen Wunsch zum Ausdruck gebracht habe. Die Äußerung habe aus Sicht des Lesers nicht viel Substanz bzw. kein so hohes Gewicht, dass sie für die Willensbildung eines durchschnittlichen Wählers in irgendeiner Weise relevant oder wahlbeeinflussend sein könnte.
22 
Auch aus den jeweils im kommerziellen Teil des Gemeindeanzeigers erschienenen Artikeln könne keine unzulässige Wahlbeeinflussung abgeleitet werden. Zum einen bestehe für jedermann die Möglichkeit, derartige „redaktionelle“ Texte im Gemeindeanzeiger von Malsch zu platzieren, sofern dies nach den Bedingungen der herausgebenden Druckerei XXX erfolge. Zum anderen würden sich die Texte des bisherigen Amtsinhabers von dem erkennbar werblichen Charakter her nicht von den Anzeigen von Mitbewerbern, insbesondere denen von Herrn XXX, unterscheiden.
23 
Der Grundsatz der geheimen Wahl sei auch in Sulzbach gewährleistet gewesen. Die anwesenden wartenden Wähler, der Wahlvorstand und die Beisitzer hätten bei Wahlpersonen, die am Wahltisch im Nebenraum gesessen seien, weder beobachten können, wie der Wahlzettel ausgefüllt werde noch, ob er überhaupt ausgefüllt oder ob er sonst in irgendeiner Weise verändert worden sei. Denn es habe ein Abstand zwischen der wählenden Person und den übrigen Anwesenden bestanden, so dass ein „Blick über die Schulter“ nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen sei das Geschehen auf dem Wahltisch komplett durch den Wählenden selbst verdeckt worden, da er den Tisch mit seinem eigenen Körper abgeschirmt habe. Von den Fenstern im Nebenraum, die sich auf der linken Seite Richtung XXX Straße befänden, sei kein Einblick wegen der Höhenlage des Zimmers bzw. der Fenster von außen vom Straßen-/Gehwegniveau aus möglich gewesen. Bei den anderen, der Tür zum Nebenraum gegenüber liegenden Fenstern seien die Vorhänge während der Wahlzeit zugezogen gewesen, was durch Zeugen bestätigt werden könne. Aufgrund des Spiegeleffektes habe man von außen nicht in den Raum hineinsehen können. Die Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in der Entscheidung vom 08.04.1968 zu Wahlzellen mit Tischen seien nicht direkt auf die neue Rechtslage durch die Neufassung des § 23 Abs. 2 Satz 3 Kommunalwahlordnung übertragbar, der einen durch den Wahlraum zugänglichen Nebenraum zulasse. Nach der vorgenannten Entscheidung komme es nicht auf das subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten an, sondern allein darauf, ob dieses auch tatsächlich objektiv gerechtfertigt sei. Letzteres sei hier aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht der Fall gewesen.
24 
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht durch Einnahme eines Augenscheins und durch Vernehmung von 14 Zeugen Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die darüber gefertigten Protokolle verwiesen. Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten des beklagten Landes, einschließlich der Satzung der Beigeladenen zu 2 vom 23.08.1978 über öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinde vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird darauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Klage ist zulässig und begründet.
26 
Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27 
Die Klage ist nach § 31 Abs. 3 Kommunalwahlgesetz i.d.F. vom 01.09.1983 (GBL. S. 429) - KomWG - als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Sie ist auch begründet. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Die Voraussetzung des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG ist hinsichtlich der drei geltend gemachten Wahlanfechtungsgründe gegeben.
28 
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die vom Beigeladenen zu 1 im Amtsblatt und im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers Malsch veröffentlichten Artikel eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung darstellen. Denn es ist eine wesentliche Vorschrift über die Wahlhandlung verletzt, weil in einem von 14 Wahlbezirken, im Wahlbezirk Sulzbach, dadurch gegen das Wahlgeheimnis verstoßen wurde, dass die Möglich bestand, die Wahlhandlung im Nebenraum zu beobachten (1). Dieser Verstoß konnte das Ergebnis der Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 beeinflussen (2). Er hat die Aufhebung der gesamten Wahl zur Folge (3).
1.
29 
Zu den wesentlichen Vorschriften über die Wahlhandlung gehören diejenigen, die die Verwirklichung der tragenden Grundsätze des Wahlrechts, die freie und geheime Wahl sichern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968 - I 652/67 - ESVGH 19, 159 ff., 160). Wesentlich sind u.a. die Vorschriften, die die tragenden Grundsätze des Wahlrechts, nämlich die allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahl sichern sollen (vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 S. 1 LVerf, § 26 Abs. 1 GemO; s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.01.1997 - 1 S 1741/96 - ESVGH 47, 130 ff. m.w.N.). Die Geheimheit der Wahl stellt den wichtigsten institutionellen Schutz der Wahlfreiheit dar, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für die demokratische Legitimation der Gewählten ist (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1 ff., 13 m.w.N.). Die geheime Wahl steht in engem Zusammenhang mit der freien Wahl und soll eine unbeeinflusste Stimmabgabe garantieren. Sie erfordert deshalb eine technische Gestaltung des Wahlvorganges, die es unmöglich macht, die Wahlentscheidung eines Wählers zu erkennen oder zu rekonstruieren. Dies sollen u.a. die Vorschriften über die Ausstattung der Wahlräume sicherstellen. Die Abschirmungsvorrichtungen müssen deshalb so beschaffen sein, dass niemand beobachten kann, wie die Stimmzettel ausgefüllt und in den Umschlag gesteckt werden, und dass auch der Wahlberechtigte sicher sein muss, nicht daraufhin beobachtet zu werden, ob er auf seinem Stimmzettel schreibt, streicht oder ankreuzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160 zu § 20 Abs. 2 KomWO a.F.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.03.1990 - 10 M 5/90 - m.w.N.). Die Vorschriften des KomWG und der Kommunalwahlordnung - KomWO - verlangen nicht, Wahlkabinen bzw. -zellen einzurichten, auch Nebenräume sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nach § 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 1 KomWO sind in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einzurichten, in denen der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und in den Stimmzettelumschlag legen oder im Fall der Bürgermeisterwahl falten kann. Die Wahlzellen müssen vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden können. Als Wahlzelle kann auch ein nur durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum dienen, wenn dessen Eingang vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden kann. Ausreichend ist hiernach ein durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum (§ 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO).
30 
Der Nebenraum muss wie Abschirmungseinrichtungen so gestaltet sein, dass die Grundsätze der geheimen Wahl gewährleistet sind. Diese sind dann nicht gewahrt, wenn der Wahlberechtigte auf Grund der konkreten örtlichen Verhältnisse nicht sicher sein kann, bei der Ausübung des Stimmrechts beobachtet zu werden; d.h. es ist entscheidend, ob das behauptete subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten nach den Umständen des Einzelfalles objektiv gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn bei der Wahl beobachtet werden konnte, ob der Wahlberechtigte den Stimmzettel veränderte (schrieb, strich oder kreuzte) oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckte (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160; vgl. auch Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. § 17 Rn. 4; vgl. auch LAG Düsseldorf, Beschl. v. 03.08.2007 - 9 TaBV 41/07 - unter Hinweis auf OVG NRW, Beschl. v. 22.10.1979 zu § 16 LPVG NW; s. auch Hess. VGH, Fachsenat für Personalvertretungssachen, Beschl. v. 29.01.1986 - HPV TL 1436/85 - zu § 16 Abs. 1 bis 3 WO-HPVG). Der Wahlberechtigte ist nämlich nur dann in der Lage, wirklich frei zu wählen, wenn er sicher sein kann, bei der Stimmabgabe nicht beobachtet zu werden. Denn das Wahlgeheimnis soll, wie bereits ausgeführt, eine freie und unbeeinflusste Stimmabgabe gewährleisten. Deshalb ist der Grundsatz der geheimen Wahl nicht erst dann verletzt, wenn es möglich gewesen ist zu beobachten, welchem Kandidaten ein Wahlberechtigter die Stimme gegeben hat, und feststellbar ist, ob tatsächlich jemand beobachtet hat, sondern schon dann, wenn sich der Wahlberechtigte nicht unbeobachtet gefühlt hat und es möglich gewesen ist zu sehen, was er mit dem Stimmzettel gemacht hat: ob er ihn verändert oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag gesteckt hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.04.1968, a.a.O.). Rechtlich ohne Bedeutung ist, wie bei früheren Wahlen in Sulzbach gewählt worden ist.
31 
Aufgrund der bei Einnahme des Augenscheins in den Wahl- und Nebenraum im Wahlbezirk Sulzbach getroffenen Feststellungen und des dabei gewonnenen Eindrucks des erkennenden Gerichts von den Örtlichkeiten und dem Ablauf der Wahlhandlungen war das Wahlgeheimnis im Wahlbezirk Sulzbach bei der Bürgermeisterwahl am 09.06.2013 nicht gewährleistet, weil aufgrund objektiver Gegebenheiten die Möglichkeit bestand, die Wahlhandlung zu beobachten. Im Wahllokal in Sulzbach war ein nur vom Wahlraum aus zugänglicher Nebenraum für die Vornahme der Wahlhandlung eingerichtet. In diesem stand ein ca. 40 bis 50 cm von der offenen und ca. 90 cm breiten Eingangstür entfernter kleiner Wahltisch (ca. 65 cm x 65 cm) ohne Sichtschutzblende und ohne sonstige Abschirmung. Vor dem Wahltisch war ein ca. 80 cm hoher Stuhl mit einer ca. 45 cm breiten Rückenlehne bereitgestellt, an dem der Wähler mit dem Rücken zum Wahlraum Platz nehmen konnte. Hinter dem Wahltisch war ein breiter Schreibtisch. Die Tür zum Nebenraum war während der Wahl offen.
32 
Nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Beteiligten und den Erläuterungen des bei Einnahme des Augenscheins anwesend gewesenen Wahlvorstehers und seines Stellvertreters standen die wartenden Wähler im Wahlraum, dem Vorraum zum Nebenraum, entweder vor der dort in der Mitte des Vor- bzw. Wahlraumes befindlichen schmalen Säule oder, wenn mehrere Personen warten mussten, dahinter, in Höhe des Tisches des Beisitzers, an dem der Wähler die Wahlunterlagen erhielt. Dies bestätigten mehrere in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeugen. Je nachdem, wie groß die Zahl der wartenden Wähler im Wahlraum war, saßen wartende Wähler den Angaben des Wahlvorstandes zufolge auch links und rechts der Eingangstür zum Wahlraum. Der Abstand von der Säule bis zur Türschwelle zum Nebenraum beträgt nach den Feststellungen des Gerichts ca. 2,80 m, der von der Türschwelle bis zum Stuhl am Wahltisch im Nebenraum ca. 50 cm, bis zum Wahltisch verbleibt eine Stuhltiefe von etwa 50 cm. Der unmittelbar vor der Säule wartende Wähler war demnach höchstens ca. 3,80 m entfernt vom Wähler im Nebenraum. Eine hinter der Säule wartende Person war mehr als 3,80 m entfernt. Die weiteren von wartenden Wählern eingenommenen Positionen waren bis zu ca. 5 m vom Wähler im Nebenraum entfernt. Von allen aufgezeigten Positionen der Wartenden aus war der mit dem Rücken zum Wahlraum am Wahltisch sitzende oder stehende Wähler im Nebenraum durch die ca. 90 cm breite Türöffnung nach den Feststellungen des Gerichts gut sichtbar; erkennbar war dessen ganzer Körper oder eine Körperhälfte. Die vor der Säule wartenden Wähler konnten den Wähler im Nebenraum in der im Regelfall eingenommenen Sitzposition von seiner Rückseite sehen. Ebenfalls sichtbar war ein Wähler im Nebenraum für denjenigen, der nach ein oder zwei in den Wahlraum gesetzten Schritten stehen blieb, weil beispielsweise bereits mehrere Personen im Raum waren, was realistisch ist. Von dieser Position aus konnte jedenfalls die rechte Körperseite des Wählers im Nebenraum gesehen werden, was ausreichend ist, um bei einem Rechtshänder die Bewegung des rechten Armes oder die der Hand nachvollziehen zu können. Einsehbar war der Bereich im Nebenraum, an dem die Wahlhandlung vorgenommen wurde, zumindest teilweise auch von den links und rechts der Eingangstür sitzenden Personen.
33 
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass bei einem mit dem Rücken zu den wartenden Wählern sitzenden oder stehenden Wähler anhand seiner Körperhaltung und -bewegung beobachtet und rekonstruiert werden kann, ob der Wähler den Stimmzettel verändert, ob er schreibt, streicht oder kreuzt oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckt. Es kann zwar nicht gesehen werden, an welcher Stelle der Wähler ein Kreuz auf dem Stimmzettel macht, weil er dies mit seinem Rücken oder seinen Händen verdecken kann. Für einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist dies - wie dargelegt - auch nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein „Blick über die Schulter“ notwendig. Die Beobachtung der Wahlhandlung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der sitzende oder stehende Wähler mit dem Rücken zum einsehbaren Bereich die Wahlhandlung vornimmt. Denn die Bewegungen des Armes, mit dessen Hand er schreibt, streicht oder kreuzt sind in der Regel, auch wenn die Hand nicht gesehen werden kann, wahrnehmbar. Sie können isoliert oder zusammen mit Bewegungen des Oberkörpers bzw. der Schultern auf eine bestimmte Wahlhandlung schließen lassen. Bewegungen der Hand lassen ebenfalls Rückschlüsse auf das Wahlverhalten zu. Die 45 cm breite und ca. 80 cm hohe Stuhllehne vermochte diese Beobachtungsmöglichkeit nicht verhindern, weil eine Vielzahl von Menschen in sitzender Position größer als 80 cm ist. Unterlässt der Wähler jegliche Körperbewegung und nimmt er den bereitgelegten Schreibstift überhaupt nicht in die Hand, können ebenfalls Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung abgeleitet werden, auch wenn er nur von hinten gesehen werden kann. Bei einem neben oder vor dem bereitgestellten Stuhl stehenden Wähler können Körperbewegungen im Einzelfall, je nach Größe, Umfang und Bekleidung der Person, noch deutlicher erkennbar sein.
34 
Entgegen den Ausführungen des Vertreters der Beigeladenen zu 2 ist der Wähler nicht verpflichtet, sich beim Wahlvorgang so zu verhalten, dass seine Wahlhandlung anhand seiner Körperhaltung nicht beobachtet werden kann, z.B. indem er seine Körperhaltung so einrichtet, gegebenenfalls durch eine künstliche Haltung oder Bewegung, dass daraus keine Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung gezogen werden können. Das Wahlgeheimnis verlangt nicht, dass der Wähler derartige Vorkehrungen zum Schutz des Wahlgeheimnisses trifft. Denn die Pflicht, eine Wahlzelle und einen Nebenraum nach den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 2 KomWO einzurichten, obliegt bei Wahlen nach § 1 KomWG den Gemeinden (§ 17 KomWG). Es liegt auf der Hand, dass vom Wähler auch nicht in rechtswirksamer Weise erwartet werden kann, dass er sich im Nebenraum eine vom Wahlraum aus nicht einsehbare Nische sucht, wie dies die Zeugin XXX nach ihren Bekundungen getan hat. Bei der Wahl am 09.06.2013 konnte die Eingangstür zum Nebenraum auch nicht von innen geschlossen werden, wie es nach der Aussage der Zeugin XXX bei früheren Wahlen in Sulzbach der Fall gewesen sei. Ob dies nach § 23 Abs. 2 KomWO zulässig und ausreichend ist, einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis zu verneinen, kann deshalb offen bleiben.
35 
Die hier entscheidungserhebliche Möglichkeit der Beobachtung und Rekonstruierbarkeit der Wahlhandlung infolge der Sicht auf den Wähler bzw. die Wahlhandlung im Nebenraum, war grundsätzlich aus einer Entfernung von ca. 3,30 m gegeben, ebenso bei einer darüber hinausgehenden Entfernung im Bereich zwischen 3,50 m bis 5,00 m. Sofern hiervon Einschränkungen für Sehbehinderte oder andere untypische Fallgestaltungen gemacht werden müssen, ist dies zu vernachlässigen. Die Möglichkeit der Sicht für die im Wahlraum wartenden Wähler in Richtung Nebenraum auf den Wahlvorgang war nur durch die schmale Säule eingeschränkt, am Wahltag zusätzlich zeitweise, nicht dauerhaft, durch Personen, die sich im Raum aufhielten, weil sie warteten oder nach ihrer Wahl weggingen und sich dabei noch einige Zeit im Wahlraum unterhielten. Im Übrigen gab es keine Sichtbehinderungen, etwa durch Abschirmungen im Wahlraum. Der Wahlraum hat nach den Feststellungen des Gerichts bei Einnahme des Augenscheins mehrere Fenster und ist ausreichend belichtet. Für den Wahltag gilt nichts anderes. Ob im Nebenraum die Vorhänge zur Jägerstraße hin geschlossen waren, also an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch, ist für die Möglichkeit der Wahrnehmung der Wahlbehandlung unbeachtlich. Der Nebenraum war nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts bei Einnahme des Augenscheins bei geschlossenen Vorhängen ausreichend belichtet, um einen Wähler sehen und eine Körperbewegung des Wählers beobachten zu können. An den Fenstern im Nebenraum zur Ettlinger Straße hin waren am 09.06.2013 unstreitig keine Vorhänge zugezogen. Wie bereits ausgeführt, vermochte die Rückenlehne des Stuhls am Wahltisch eine mögliche Nachvollziehbarkeit der Wahlhandlung nicht nennenswert schmälern. Aufgrund dieser eine Beobachtung der Wahlhandlung ermöglichenden objektiven Gegebenheiten kann keine Rede davon sein, dass es lediglich ein subjektives Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten im Wahllokal in Sulzbach gegeben habe.
36 
Es kommt deshalb nicht darauf an, wie groß oder kurz der Abstand der im Wahlraum vor der Säule wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum war. Auf die unterschiedlichen Angaben der Beteiligten und Zeugen zum kürzesten Abstand der wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum und darauf, worauf die unterschiedliche Einschätzung dieser Gegebenheiten beruhen kann, braucht das Gericht deshalb nicht weiter einzugehen. Ferner bedarf es keiner Entscheidung darüber, wie groß der Abstand des Wahlvorstands zum Nebenraum bzw. Wähler im Nebenraum war und welche Sitzposition er eingenommen hat und ob diese den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 KomWO entsprach. Ebenfalls nicht geklärt zu werden braucht, ob die Vorhänge an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch während der Wahl, sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum, offen oder zugezogen waren und, falls sie offen waren, ob der Wähler in der dargestellten Weise beobachtet werden konnte. Den diesbezüglichen unterschiedlichen Zeugenaussagen braucht nicht nachgegangen zu werden.
2.
37 
Der Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist erheblich. Ein Wahlmangel führt dann zur Ungültigerklärung der Wahl, wenn deren "Ergebnis" dadurch beeinflusst werden konnte (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG). Das Gesetz verlangt nicht einen tatsächlichen, sondern einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Dieser ist nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377 f. m.w.N.). Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist. Da der Beigeladene zu 1 mit einer Stimmenmehrheit von 16 Stimmen die absolute Mehrheit erreicht hat, ist bei Bejahung eines Wahlfehlers nicht auszuschließen, dass dieser Wahlfehler das Ergebnis für die Gesamtwahl ausschlaggebend beeinflusst hat (s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.0., zu 9 Stimmen bei absoluter Mehrheit).
3.
38 
Obgleich der erhebliche Wahlfehler nur für einen von 14 Wahlbezirken feststellbar ist, war das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 in vollem Umfang aufzuheben. Das erkennende Gericht übt sein ihm im Falle eines nur in einem Wahlbezirk vorgekommenen erheblichen Wahlfehlers durch § 33 KomWG eingeräumte Ermessen (Kunze/Merk/Quecke, a.a.O. § 33 Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.1958 - 3 K 49/58 - ESVGH 9, 92 ff., 94 zu §§ 27, 28 KomWG a.F.) dahin aus, dass es die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 insgesamt für ungültig erachtet und nicht nur begrenzt auf den Wahlbezirk Sulzbach. Dabei hat es sein Ermessen daran orientiert, dass § 34 Abs. 1 Satz 5 KomWG eine Wiederholungswahl nur innerhalb von sechs Monaten zulässt (s. auch § 35 Abs. 1 Satz 2 1. und 2. Halbsatz KomWG) und dass diese Frist im vorliegenden Fall bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Wahl realistischerweise angesetzt werden kann, ohne Weiteres ausgeschöpft sein kann. Hintergrund dieser Frist ist, dass sich der Kreis der Wahlberechtigten nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten regelmäßig ändert, sei es durch Zu- oder Wegzug oder infolge des Erreichens des Alters für die Wahlberechtigung. Ein Zeitraum von sechs Monaten ist im Hinblick auf die §§ 34, 35 KomWG als Richtschnur für einen relevanten Wechsel der Wahlberechtigten zu qualifizieren, der anstatt einer Wiederholungswahl eine Neuwahl erforderlich macht. Im Hinblick auf diese zeitliche Komponente hat der VGH Baden-Württemberg zur Ermessensentscheidung über eine teilweise Ungültigkeit einer Wahl auf der Grundlage der §§ 27, 28 KomWG a.F., den Vorgängerregelungen zu §§ 33, 34 KomWG, ausgeführt, dass beachtliche Mängel des Wahlverfahrens in der Regel zur Ungültigerklärung der ganzen Wahl führen müssen und dass nur ausnahmsweise, wenn hierdurch keine ins Gewicht fallende Verfälschung des Wählerwillens zu besorgen ist, von der Möglichkeit einer teilweisen Ungültigkeitserklärung (§ 28 KomWG a.F.) Gebrauch gemacht werden darf. Denn eine teilweise Ungültigerklärung kann nur hingenommen werden, wenn einen Neuwahl in kurzem Abstand nach der für ungültig erklärten Wahl durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Verfahren wird ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen der Wahl am 09.06.2013 und einer neu anzusetzenden Wahl aller Voraussicht nach erreicht, jedenfalls erscheint dies naheliegend, wenn man neben den für eine Wahlausschreibung einzuhaltenden Anforderungen und Fristen (§§ 1, 20, 34, 35 KomWO) mitberücksichtigt, dass den Beteiligten nach Zustellung des Urteils eine Bedenkzeit bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zusteht, ob gegen das Urteil des erkennenden Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt wird.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3 Satz 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie mit ihren Anträgen ein Kostenrisiko eingegangen und unterlegen sind.
40 
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die klärungsbedürftige Frage, ob das Wahlgeheimnis deshalb verletzt ist, weil der Nebenraum des Wahlraums i.S.d. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO so eingerichtet ist, dass der mit dem Rücken zum Wahlraum unweit von der offenen Tür sitzende oder stehende Wähler von den im Wahlraum wartenden Wählern aus einer Entfernung von ca. 3,80 m bis ca. 5 m beobachtet werden kann.
41 
B E S C H L U S S
42 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000.--festgesetzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.O. und Beschl. v. 09.05.2007 - 1 S 984/07 -, ).
43 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
25 
Die Klage ist zulässig und begründet.
26 
Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27 
Die Klage ist nach § 31 Abs. 3 Kommunalwahlgesetz i.d.F. vom 01.09.1983 (GBL. S. 429) - KomWG - als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Sie ist auch begründet. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Die Voraussetzung des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG ist hinsichtlich der drei geltend gemachten Wahlanfechtungsgründe gegeben.
28 
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die vom Beigeladenen zu 1 im Amtsblatt und im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers Malsch veröffentlichten Artikel eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung darstellen. Denn es ist eine wesentliche Vorschrift über die Wahlhandlung verletzt, weil in einem von 14 Wahlbezirken, im Wahlbezirk Sulzbach, dadurch gegen das Wahlgeheimnis verstoßen wurde, dass die Möglich bestand, die Wahlhandlung im Nebenraum zu beobachten (1). Dieser Verstoß konnte das Ergebnis der Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 beeinflussen (2). Er hat die Aufhebung der gesamten Wahl zur Folge (3).
1.
29 
Zu den wesentlichen Vorschriften über die Wahlhandlung gehören diejenigen, die die Verwirklichung der tragenden Grundsätze des Wahlrechts, die freie und geheime Wahl sichern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968 - I 652/67 - ESVGH 19, 159 ff., 160). Wesentlich sind u.a. die Vorschriften, die die tragenden Grundsätze des Wahlrechts, nämlich die allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahl sichern sollen (vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 S. 1 LVerf, § 26 Abs. 1 GemO; s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.01.1997 - 1 S 1741/96 - ESVGH 47, 130 ff. m.w.N.). Die Geheimheit der Wahl stellt den wichtigsten institutionellen Schutz der Wahlfreiheit dar, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für die demokratische Legitimation der Gewählten ist (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1 ff., 13 m.w.N.). Die geheime Wahl steht in engem Zusammenhang mit der freien Wahl und soll eine unbeeinflusste Stimmabgabe garantieren. Sie erfordert deshalb eine technische Gestaltung des Wahlvorganges, die es unmöglich macht, die Wahlentscheidung eines Wählers zu erkennen oder zu rekonstruieren. Dies sollen u.a. die Vorschriften über die Ausstattung der Wahlräume sicherstellen. Die Abschirmungsvorrichtungen müssen deshalb so beschaffen sein, dass niemand beobachten kann, wie die Stimmzettel ausgefüllt und in den Umschlag gesteckt werden, und dass auch der Wahlberechtigte sicher sein muss, nicht daraufhin beobachtet zu werden, ob er auf seinem Stimmzettel schreibt, streicht oder ankreuzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160 zu § 20 Abs. 2 KomWO a.F.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.03.1990 - 10 M 5/90 - m.w.N.). Die Vorschriften des KomWG und der Kommunalwahlordnung - KomWO - verlangen nicht, Wahlkabinen bzw. -zellen einzurichten, auch Nebenräume sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nach § 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 1 KomWO sind in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einzurichten, in denen der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und in den Stimmzettelumschlag legen oder im Fall der Bürgermeisterwahl falten kann. Die Wahlzellen müssen vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden können. Als Wahlzelle kann auch ein nur durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum dienen, wenn dessen Eingang vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden kann. Ausreichend ist hiernach ein durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum (§ 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO).
30 
Der Nebenraum muss wie Abschirmungseinrichtungen so gestaltet sein, dass die Grundsätze der geheimen Wahl gewährleistet sind. Diese sind dann nicht gewahrt, wenn der Wahlberechtigte auf Grund der konkreten örtlichen Verhältnisse nicht sicher sein kann, bei der Ausübung des Stimmrechts beobachtet zu werden; d.h. es ist entscheidend, ob das behauptete subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten nach den Umständen des Einzelfalles objektiv gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn bei der Wahl beobachtet werden konnte, ob der Wahlberechtigte den Stimmzettel veränderte (schrieb, strich oder kreuzte) oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckte (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160; vgl. auch Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. § 17 Rn. 4; vgl. auch LAG Düsseldorf, Beschl. v. 03.08.2007 - 9 TaBV 41/07 - unter Hinweis auf OVG NRW, Beschl. v. 22.10.1979 zu § 16 LPVG NW; s. auch Hess. VGH, Fachsenat für Personalvertretungssachen, Beschl. v. 29.01.1986 - HPV TL 1436/85 - zu § 16 Abs. 1 bis 3 WO-HPVG). Der Wahlberechtigte ist nämlich nur dann in der Lage, wirklich frei zu wählen, wenn er sicher sein kann, bei der Stimmabgabe nicht beobachtet zu werden. Denn das Wahlgeheimnis soll, wie bereits ausgeführt, eine freie und unbeeinflusste Stimmabgabe gewährleisten. Deshalb ist der Grundsatz der geheimen Wahl nicht erst dann verletzt, wenn es möglich gewesen ist zu beobachten, welchem Kandidaten ein Wahlberechtigter die Stimme gegeben hat, und feststellbar ist, ob tatsächlich jemand beobachtet hat, sondern schon dann, wenn sich der Wahlberechtigte nicht unbeobachtet gefühlt hat und es möglich gewesen ist zu sehen, was er mit dem Stimmzettel gemacht hat: ob er ihn verändert oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag gesteckt hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.04.1968, a.a.O.). Rechtlich ohne Bedeutung ist, wie bei früheren Wahlen in Sulzbach gewählt worden ist.
31 
Aufgrund der bei Einnahme des Augenscheins in den Wahl- und Nebenraum im Wahlbezirk Sulzbach getroffenen Feststellungen und des dabei gewonnenen Eindrucks des erkennenden Gerichts von den Örtlichkeiten und dem Ablauf der Wahlhandlungen war das Wahlgeheimnis im Wahlbezirk Sulzbach bei der Bürgermeisterwahl am 09.06.2013 nicht gewährleistet, weil aufgrund objektiver Gegebenheiten die Möglichkeit bestand, die Wahlhandlung zu beobachten. Im Wahllokal in Sulzbach war ein nur vom Wahlraum aus zugänglicher Nebenraum für die Vornahme der Wahlhandlung eingerichtet. In diesem stand ein ca. 40 bis 50 cm von der offenen und ca. 90 cm breiten Eingangstür entfernter kleiner Wahltisch (ca. 65 cm x 65 cm) ohne Sichtschutzblende und ohne sonstige Abschirmung. Vor dem Wahltisch war ein ca. 80 cm hoher Stuhl mit einer ca. 45 cm breiten Rückenlehne bereitgestellt, an dem der Wähler mit dem Rücken zum Wahlraum Platz nehmen konnte. Hinter dem Wahltisch war ein breiter Schreibtisch. Die Tür zum Nebenraum war während der Wahl offen.
32 
Nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Beteiligten und den Erläuterungen des bei Einnahme des Augenscheins anwesend gewesenen Wahlvorstehers und seines Stellvertreters standen die wartenden Wähler im Wahlraum, dem Vorraum zum Nebenraum, entweder vor der dort in der Mitte des Vor- bzw. Wahlraumes befindlichen schmalen Säule oder, wenn mehrere Personen warten mussten, dahinter, in Höhe des Tisches des Beisitzers, an dem der Wähler die Wahlunterlagen erhielt. Dies bestätigten mehrere in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeugen. Je nachdem, wie groß die Zahl der wartenden Wähler im Wahlraum war, saßen wartende Wähler den Angaben des Wahlvorstandes zufolge auch links und rechts der Eingangstür zum Wahlraum. Der Abstand von der Säule bis zur Türschwelle zum Nebenraum beträgt nach den Feststellungen des Gerichts ca. 2,80 m, der von der Türschwelle bis zum Stuhl am Wahltisch im Nebenraum ca. 50 cm, bis zum Wahltisch verbleibt eine Stuhltiefe von etwa 50 cm. Der unmittelbar vor der Säule wartende Wähler war demnach höchstens ca. 3,80 m entfernt vom Wähler im Nebenraum. Eine hinter der Säule wartende Person war mehr als 3,80 m entfernt. Die weiteren von wartenden Wählern eingenommenen Positionen waren bis zu ca. 5 m vom Wähler im Nebenraum entfernt. Von allen aufgezeigten Positionen der Wartenden aus war der mit dem Rücken zum Wahlraum am Wahltisch sitzende oder stehende Wähler im Nebenraum durch die ca. 90 cm breite Türöffnung nach den Feststellungen des Gerichts gut sichtbar; erkennbar war dessen ganzer Körper oder eine Körperhälfte. Die vor der Säule wartenden Wähler konnten den Wähler im Nebenraum in der im Regelfall eingenommenen Sitzposition von seiner Rückseite sehen. Ebenfalls sichtbar war ein Wähler im Nebenraum für denjenigen, der nach ein oder zwei in den Wahlraum gesetzten Schritten stehen blieb, weil beispielsweise bereits mehrere Personen im Raum waren, was realistisch ist. Von dieser Position aus konnte jedenfalls die rechte Körperseite des Wählers im Nebenraum gesehen werden, was ausreichend ist, um bei einem Rechtshänder die Bewegung des rechten Armes oder die der Hand nachvollziehen zu können. Einsehbar war der Bereich im Nebenraum, an dem die Wahlhandlung vorgenommen wurde, zumindest teilweise auch von den links und rechts der Eingangstür sitzenden Personen.
33 
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass bei einem mit dem Rücken zu den wartenden Wählern sitzenden oder stehenden Wähler anhand seiner Körperhaltung und -bewegung beobachtet und rekonstruiert werden kann, ob der Wähler den Stimmzettel verändert, ob er schreibt, streicht oder kreuzt oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckt. Es kann zwar nicht gesehen werden, an welcher Stelle der Wähler ein Kreuz auf dem Stimmzettel macht, weil er dies mit seinem Rücken oder seinen Händen verdecken kann. Für einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist dies - wie dargelegt - auch nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein „Blick über die Schulter“ notwendig. Die Beobachtung der Wahlhandlung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der sitzende oder stehende Wähler mit dem Rücken zum einsehbaren Bereich die Wahlhandlung vornimmt. Denn die Bewegungen des Armes, mit dessen Hand er schreibt, streicht oder kreuzt sind in der Regel, auch wenn die Hand nicht gesehen werden kann, wahrnehmbar. Sie können isoliert oder zusammen mit Bewegungen des Oberkörpers bzw. der Schultern auf eine bestimmte Wahlhandlung schließen lassen. Bewegungen der Hand lassen ebenfalls Rückschlüsse auf das Wahlverhalten zu. Die 45 cm breite und ca. 80 cm hohe Stuhllehne vermochte diese Beobachtungsmöglichkeit nicht verhindern, weil eine Vielzahl von Menschen in sitzender Position größer als 80 cm ist. Unterlässt der Wähler jegliche Körperbewegung und nimmt er den bereitgelegten Schreibstift überhaupt nicht in die Hand, können ebenfalls Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung abgeleitet werden, auch wenn er nur von hinten gesehen werden kann. Bei einem neben oder vor dem bereitgestellten Stuhl stehenden Wähler können Körperbewegungen im Einzelfall, je nach Größe, Umfang und Bekleidung der Person, noch deutlicher erkennbar sein.
34 
Entgegen den Ausführungen des Vertreters der Beigeladenen zu 2 ist der Wähler nicht verpflichtet, sich beim Wahlvorgang so zu verhalten, dass seine Wahlhandlung anhand seiner Körperhaltung nicht beobachtet werden kann, z.B. indem er seine Körperhaltung so einrichtet, gegebenenfalls durch eine künstliche Haltung oder Bewegung, dass daraus keine Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung gezogen werden können. Das Wahlgeheimnis verlangt nicht, dass der Wähler derartige Vorkehrungen zum Schutz des Wahlgeheimnisses trifft. Denn die Pflicht, eine Wahlzelle und einen Nebenraum nach den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 2 KomWO einzurichten, obliegt bei Wahlen nach § 1 KomWG den Gemeinden (§ 17 KomWG). Es liegt auf der Hand, dass vom Wähler auch nicht in rechtswirksamer Weise erwartet werden kann, dass er sich im Nebenraum eine vom Wahlraum aus nicht einsehbare Nische sucht, wie dies die Zeugin XXX nach ihren Bekundungen getan hat. Bei der Wahl am 09.06.2013 konnte die Eingangstür zum Nebenraum auch nicht von innen geschlossen werden, wie es nach der Aussage der Zeugin XXX bei früheren Wahlen in Sulzbach der Fall gewesen sei. Ob dies nach § 23 Abs. 2 KomWO zulässig und ausreichend ist, einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis zu verneinen, kann deshalb offen bleiben.
35 
Die hier entscheidungserhebliche Möglichkeit der Beobachtung und Rekonstruierbarkeit der Wahlhandlung infolge der Sicht auf den Wähler bzw. die Wahlhandlung im Nebenraum, war grundsätzlich aus einer Entfernung von ca. 3,30 m gegeben, ebenso bei einer darüber hinausgehenden Entfernung im Bereich zwischen 3,50 m bis 5,00 m. Sofern hiervon Einschränkungen für Sehbehinderte oder andere untypische Fallgestaltungen gemacht werden müssen, ist dies zu vernachlässigen. Die Möglichkeit der Sicht für die im Wahlraum wartenden Wähler in Richtung Nebenraum auf den Wahlvorgang war nur durch die schmale Säule eingeschränkt, am Wahltag zusätzlich zeitweise, nicht dauerhaft, durch Personen, die sich im Raum aufhielten, weil sie warteten oder nach ihrer Wahl weggingen und sich dabei noch einige Zeit im Wahlraum unterhielten. Im Übrigen gab es keine Sichtbehinderungen, etwa durch Abschirmungen im Wahlraum. Der Wahlraum hat nach den Feststellungen des Gerichts bei Einnahme des Augenscheins mehrere Fenster und ist ausreichend belichtet. Für den Wahltag gilt nichts anderes. Ob im Nebenraum die Vorhänge zur Jägerstraße hin geschlossen waren, also an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch, ist für die Möglichkeit der Wahrnehmung der Wahlbehandlung unbeachtlich. Der Nebenraum war nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts bei Einnahme des Augenscheins bei geschlossenen Vorhängen ausreichend belichtet, um einen Wähler sehen und eine Körperbewegung des Wählers beobachten zu können. An den Fenstern im Nebenraum zur Ettlinger Straße hin waren am 09.06.2013 unstreitig keine Vorhänge zugezogen. Wie bereits ausgeführt, vermochte die Rückenlehne des Stuhls am Wahltisch eine mögliche Nachvollziehbarkeit der Wahlhandlung nicht nennenswert schmälern. Aufgrund dieser eine Beobachtung der Wahlhandlung ermöglichenden objektiven Gegebenheiten kann keine Rede davon sein, dass es lediglich ein subjektives Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten im Wahllokal in Sulzbach gegeben habe.
36 
Es kommt deshalb nicht darauf an, wie groß oder kurz der Abstand der im Wahlraum vor der Säule wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum war. Auf die unterschiedlichen Angaben der Beteiligten und Zeugen zum kürzesten Abstand der wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum und darauf, worauf die unterschiedliche Einschätzung dieser Gegebenheiten beruhen kann, braucht das Gericht deshalb nicht weiter einzugehen. Ferner bedarf es keiner Entscheidung darüber, wie groß der Abstand des Wahlvorstands zum Nebenraum bzw. Wähler im Nebenraum war und welche Sitzposition er eingenommen hat und ob diese den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 KomWO entsprach. Ebenfalls nicht geklärt zu werden braucht, ob die Vorhänge an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch während der Wahl, sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum, offen oder zugezogen waren und, falls sie offen waren, ob der Wähler in der dargestellten Weise beobachtet werden konnte. Den diesbezüglichen unterschiedlichen Zeugenaussagen braucht nicht nachgegangen zu werden.
2.
37 
Der Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist erheblich. Ein Wahlmangel führt dann zur Ungültigerklärung der Wahl, wenn deren "Ergebnis" dadurch beeinflusst werden konnte (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG). Das Gesetz verlangt nicht einen tatsächlichen, sondern einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Dieser ist nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377 f. m.w.N.). Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist. Da der Beigeladene zu 1 mit einer Stimmenmehrheit von 16 Stimmen die absolute Mehrheit erreicht hat, ist bei Bejahung eines Wahlfehlers nicht auszuschließen, dass dieser Wahlfehler das Ergebnis für die Gesamtwahl ausschlaggebend beeinflusst hat (s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.0., zu 9 Stimmen bei absoluter Mehrheit).
3.
38 
Obgleich der erhebliche Wahlfehler nur für einen von 14 Wahlbezirken feststellbar ist, war das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 in vollem Umfang aufzuheben. Das erkennende Gericht übt sein ihm im Falle eines nur in einem Wahlbezirk vorgekommenen erheblichen Wahlfehlers durch § 33 KomWG eingeräumte Ermessen (Kunze/Merk/Quecke, a.a.O. § 33 Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.1958 - 3 K 49/58 - ESVGH 9, 92 ff., 94 zu §§ 27, 28 KomWG a.F.) dahin aus, dass es die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 insgesamt für ungültig erachtet und nicht nur begrenzt auf den Wahlbezirk Sulzbach. Dabei hat es sein Ermessen daran orientiert, dass § 34 Abs. 1 Satz 5 KomWG eine Wiederholungswahl nur innerhalb von sechs Monaten zulässt (s. auch § 35 Abs. 1 Satz 2 1. und 2. Halbsatz KomWG) und dass diese Frist im vorliegenden Fall bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Wahl realistischerweise angesetzt werden kann, ohne Weiteres ausgeschöpft sein kann. Hintergrund dieser Frist ist, dass sich der Kreis der Wahlberechtigten nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten regelmäßig ändert, sei es durch Zu- oder Wegzug oder infolge des Erreichens des Alters für die Wahlberechtigung. Ein Zeitraum von sechs Monaten ist im Hinblick auf die §§ 34, 35 KomWG als Richtschnur für einen relevanten Wechsel der Wahlberechtigten zu qualifizieren, der anstatt einer Wiederholungswahl eine Neuwahl erforderlich macht. Im Hinblick auf diese zeitliche Komponente hat der VGH Baden-Württemberg zur Ermessensentscheidung über eine teilweise Ungültigkeit einer Wahl auf der Grundlage der §§ 27, 28 KomWG a.F., den Vorgängerregelungen zu §§ 33, 34 KomWG, ausgeführt, dass beachtliche Mängel des Wahlverfahrens in der Regel zur Ungültigerklärung der ganzen Wahl führen müssen und dass nur ausnahmsweise, wenn hierdurch keine ins Gewicht fallende Verfälschung des Wählerwillens zu besorgen ist, von der Möglichkeit einer teilweisen Ungültigkeitserklärung (§ 28 KomWG a.F.) Gebrauch gemacht werden darf. Denn eine teilweise Ungültigerklärung kann nur hingenommen werden, wenn einen Neuwahl in kurzem Abstand nach der für ungültig erklärten Wahl durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Verfahren wird ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen der Wahl am 09.06.2013 und einer neu anzusetzenden Wahl aller Voraussicht nach erreicht, jedenfalls erscheint dies naheliegend, wenn man neben den für eine Wahlausschreibung einzuhaltenden Anforderungen und Fristen (§§ 1, 20, 34, 35 KomWO) mitberücksichtigt, dass den Beteiligten nach Zustellung des Urteils eine Bedenkzeit bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zusteht, ob gegen das Urteil des erkennenden Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt wird.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3 Satz 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie mit ihren Anträgen ein Kostenrisiko eingegangen und unterlegen sind.
40 
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die klärungsbedürftige Frage, ob das Wahlgeheimnis deshalb verletzt ist, weil der Nebenraum des Wahlraums i.S.d. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO so eingerichtet ist, dass der mit dem Rücken zum Wahlraum unweit von der offenen Tür sitzende oder stehende Wähler von den im Wahlraum wartenden Wählern aus einer Entfernung von ca. 3,80 m bis ca. 5 m beobachtet werden kann.
41 
B E S C H L U S S
42 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000.--festgesetzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.O. und Beschl. v. 09.05.2007 - 1 S 984/07 -, ).
43 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.