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| Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG) und auch sonst zulässig. Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO); denn sie macht die Verletzung ihrer Rechte als Bewerberin geltend; deshalb bedurfte es für ihren fristgerechten Einspruch (§ 31 Abs. 1 KomWG) auch nicht des Beitritts weiterer Wahlberechtigter (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG). Ein Widerspruchsverfahren war nicht geboten (§ 31 Abs. 3 KomWG). |
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| Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Wahlprüfungsbescheid in der Fassung des Ergänzungsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; denn die Klägerin kann beanspruchen, dass das beklagte Land die Wahl für ungültig erklärt und dass ihr die notwendigen Aufwendungen im Einspruchsverfahren von der Beigeladenen zu 1 erstattet werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). |
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| Die Wahl ist gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG u.a. dann für ungültig zu erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. |
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| Zu Recht hat schon das Landratsamt in dem erwähnten, vom Beigeladenen zu 2 mitverfassten Beitrag im Amtsblatt vom 13.03.2015 eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinn von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG gesehen. Verstoßen wurde dadurch gegen die Wahlgrundsätze der freien und der gleichen Wahl (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 GemO), wovon das Recht auf Chancengleichheit und das Gebot der Neutralität staatlicher Stellen im Wahlkampf umfasst ist. |
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| Eine von den Organen der Gemeinde im Wahlkampf ausgehende Beeinflussung der Wähler zugunsten oder zum Nachteil eines Bewerbers stellt insbesondere dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, wenn dies unter Inanspruchnahme des Amtsblatts geschieht. Denn das Amtsblatt ist das amtliche Verkündungsorgan der Gemeinde und muss daher dem Gebot parteipolitischer Neutralität in besonderem Maße Rechnung tragen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423 m.w.N.). |
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| Dies gilt auch und insbesondere für jegliche, auf den ersten Blick neutrale Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichten. So ist etwa die Wiedergabe einer Rede (eines Rechenschaftsberichts) des kandidierenden Bürgermeisters vor dem Gemeinderat im Amtsblatt, zehn Tage vor dem Wahltag, als eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewertet worden, obwohl diese Rede durchaus ausgewogen auch den Anteil des Stadtrats und der Vereine an der positiven Entwicklung der Gemeinde betont hatte (VG Meiningen, Urt. v. 24.10.2006 - 2 K 444/06 - juris, Rdnr. 38 ff.). |
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| Der hier zu beurteilende Artikel geht über eine solche auf den ersten Blick neutrale (und dennoch bereits unzulässige) Öffentlichkeitsarbeit noch weit hinaus, weil er die - vor allem wirtschaftlichen - Erfolge der Stadt während der zurückliegenden Amtsperioden des Beigeladenen zu 2 im Wesentlichen auf ihn allein zurückführt, ihm für die angeführten Aufgaben der Stadt in der Zukunft eine gleichsam alleinige Lösungskompetenz zuspricht und ihn zudem gleich zu Beginn ausdrücklich zur Wiederwahl empfiehlt („gegen seine Wiederwahl spricht rein gar nichts“). |
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| Dass der Beitrag erst auf Seite 5 und 6 des Amtsblatt im sogenannten redaktionellen Teil des Amtsblatts stand, der allerdings auch nicht klar von seinem amtlichen Teil abgegrenzt ist, mindert den amtlichen Charakter der Veröffentlichung nicht wesentlich. Denn auch für den redaktionellen Teil des Amtsblatts trägt die Beigeladene die Verantwortung; auch die darin stehenden Beiträge werden vom Leser der Gemeinde zugeordnet. |
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| Durch diesen Bericht konnte das Ergebnis der Wahl auch im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG beeinflusst werden. |
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| Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377) dient diese "Erheblichkeitsklausel" dem Ziel, das Wahlergebnis möglichst weitgehend zu sichern. Dieser Grundsatz der Bestandssicherung ist zwar weniger ausgeprägt als in manchen anderen Bundesländern (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BbgKWahlG und dazu OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 20.07.2015 - OVG N 12 18.14 -). Nach ihm werden aber Rechtsverstöße, die nicht eine konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses begründen, in Kauf genommen, weil die Wähler im Rahmen des Vertretbaren vor unnötiger Belastung mit Neuwahlen und Gemeinden und Landkreise vor dem damit verbundenen Aufwand bewahrt werden sollen. |
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| Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist daher nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2083/85 -, EKBW, KomWG, § 32 E 36, S. 4). |
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| Das Ergebnis einer Bürgermeisterwahl, bei der lediglich zwei Bewerber angetreten sind, ist dann durch einen Wahlfehler möglicherweise beeinflusst, wenn ohne den Verstoß die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass der andere Bewerber gewählt worden wäre. Das Stimmenverhältnis kann dabei von entscheidender Bedeutung sein; je knapper der Wahlausgang, desto leichter wird ein möglicher Einfluss auf das Wahlergebnis nachzuweisen sein und umgekehrt (vgl VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423). |
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| Hat, wie hier, einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte. |
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| Anders als dies der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, ist hinsichtlich der möglichen Kausalität und damit Erheblichkeit eines Wahlfehlers kein weniger strenger Maßstab anzulegen als bei der Feststellung des Wahlfehlers selbst. Für beide Voraussetzungen bedarf es der Überzeugungsgewissheit (vgl., für das gerichtliche Verfahren, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gibt es, wie hier, Umstände, die für die Möglichkeit sprechen, dass der Wahlfehler das Ergebnis beeinflusst hat, und solche, die eher dagegen sprechen, ist damit nicht etwa eine entsprechende Überzeugungsgewissheit ausgeschlossen. Denn die Wahlprüfungsbehörde muss sich nicht davon überzeugen, dass der Wahlfehler auf das Ergebnis durchgeschlagen hat (so, siehe oben, die Rechtslage in Brandenburg), sondern nur, dass eine solche Möglichkeit besteht. Diese ist nur ausgeschlossen, wenn kein Zweifel daran besteht, dass diese Möglichkeit eine rein abstrakte, ganz fernliegende ist. |
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| Dies kann die Kammer in dem hier zu beurteilenden Fall nicht feststellen. Es ist nicht ganz fernliegend und deshalb nicht auszuschließen, dass der Beigeladene zu 2, wäre der ihn immer wieder lobend herausstellende Bericht im Amtsblatt nicht erschienen, die absolute Mehrheit der Stimmen (knapp) verfehlt und die Klägerin in einem zweiten Wahlgang eine nicht ganz fernliegende Chance gehabt hätte. |
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| Dafür spricht neben dem Stimmergebnis der Klägerin das vergleichsweise knappe Überschreiten der Schwelle zur absoluten Mehrheit. Denn 372 Stimmen entsprechen nur etwa 4 % der Wahlberechtigten bzw. weniger als 9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. |
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| In der Rechtsprechung ist die Erheblichkeit eines festgestellten Wahlmangels schon bei deutlich größeren Stimmenabständen (in absoluten Zahlen wie in Prozent) bejaht worden. Dabei ist zu Grunde gelegt worden, dass eine im Amtsblatt erscheinende unzulässige Wählerbeeinflussung zahlreiche Leser des Amtsblatts veranlasst haben kann, sich für die bevorstehende Wahl auf den Amtsinhaber festzulegen. Andere Wähler könnten den Artikel zum Anlass genommen haben, sich zu entschließen, auf keinen Fall zur Wahl zu gehen, weil sie den später hinzugekommenen Bewerbern keine Chance einräumten (vgl., VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.). |
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| Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu einem als Werbung für den wieder kandidierenden Bürgermeister zu verstehenden Wahlaufruf durch den Wahlvorstand den Wahlfehler als möglicherweise ursächlich für das Ergebnis angesehen, obwohl der Vorsprung des Amtsinhabers 67,5 % zu 28,9 % bei einer Wahlbeteiligung von 49,9 % betrug (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.; vgl. auch zu amtlichen Wahlbeeinflussungen seitens außenstehender Amtsträger VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 - VBlBW 1986, 310 und Urt. v. 07.11.1983 - 1 S 1311/83 - DVBl 1985, 170, sowie VG Koblenz, Urt. v. 02.07.2013 - 1 K 62/13.KO - juris, Rdnr. 35 das die Ursächlichkeit des Wahlfehlers bei einem Stimmenunterschied von 10% bejaht hat). |
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| Gegen diese Rechtsprechung ließe sich einwenden, dass auch die Vermutung nicht fernliegend ist, ein solcher Bericht könnte im Gegenteil zu einer Mobilisierung von Wählern geführt haben, die gerade nicht den Amtsinhaber wieder wählen wollten. Auch ist letztlich nicht zu beantworten, wie groß der Anteil der Wählerschaft sein könnte, der überhaupt das Amtsblatt liest und der eine solche Wahlempfehlung bewusst oder auch nur unterbewusst (wie bei Werbung häufig) zur Kenntnis nimmt. |
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| Diese Ungewissheit führt aber nicht dazu, nach den oben dargelegten Grundsätzen schon die Möglichkeit einer Wahlbeeinflussung durch die Veröffentlichung auszuschließen. So spricht für eine erhebliche Breitenwirkung, dass ein Amtsblatt, das an jeden Haushalt ausgeteilt wird, im Unterschied zu allen anderen Medien, jeden Wähler erreichen kann, weiter, wie schon ausgeführt, der amtliche Charakter der Wahlempfehlung als Empfehlung der Gemeinde selbst und nicht nur des Amtsinhabers. Auch liegt nahe, dass jedenfalls der politisch besonders interessierte Teil der Bevölkerung die Wahlempfehlung wahrgenommen und, soweit von ihr beeinflusst, auch im jeweiligen Einflussbereich weitergegeben hat. |
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| Allerdings ist der Wahlausgang nicht allein maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Wahlfehler für das Wahlergebnis ursächlich gewesen sein kann. Insoweit kommt es auch auf das Gewicht des Wahlfehlers an (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.07.2015 - 12 N 18.14 - juris, Rdnr. 6 und 12). |
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| Dieses Gewicht ist bei unzulässigen Wahlempfehlungen jedoch allgemein sehr und im hier zu entscheidenden Fall - wie schon ausgeführt - besonders hoch. Dieses Gewicht wird nicht dadurch gemindert, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens des Amtsblatts sich neben dem Beigeladenen zu 2 noch kein weiterer Bewerber gemeldet hatte. Unerheblich ist auch, ob der Zeitpunkt, gut fünf Wochen vor der Wahl, der sogenannten „heißen Wahlkampfphase“ zuzurechnen ist. Denn der Zeitpunkt lag jedenfalls weit jenseits des Zeitpunkts der Bekanntmachung der Wahl und schon sehr nahe an dem Tag des Ablaufs der Einreichungsfrist (vgl. § 10 KomWO) und deshalb gerade nicht mehr im sogenannten Vorwahlkampf. |
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| Dass die Wähler am Wahltag nicht mehr unter dem „frischen“ Eindruck des Berichts standen, sondern danach noch Gelegenheit hatten, in dem - vergleichsweise kurzen - Wahlkampf die Kandidaten kennen zu lernen und sich mit ihren Fähigkeiten und Leistungen näher zu befassen, nimmt dem den Beigeladenen zu 2 empfehlenden Bericht im Amtsblatt nicht seine wesentliche und möglicherweise wahlentscheidende Bedeutung. Denn diese Bedeutung ist nicht nur durch die amtlich erscheinende Empfehlung des Beigeladenen zu 2 geprägt, sondern auch dadurch, dass das Amtsblatt, anders als jedes andere Medium, praktisch jeden Wähler im Ort erreicht hat. Auch stand den anderen Bewerbern - anders als bei anderen Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung, etwa als beim Aufstellen unrichtiger Behauptungen über einen Bewerber - nicht die Möglichkeit eines „Gegenschlags“ zur Verfügung. Denn sie konnten ihre Vorzüge nur in eigenen Wahlprospekten oder durch Anzeigen und damit weder in amtlicher Form noch mit der gleichen Breitenwirkung herausstellen. |
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| Damit kommt es auf das Vorliegen weiterer möglicherweise ursächlicher Wahlfehler nicht an. Insoweit bemerkt die Kammer gleichwohl: |
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| In der Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit dem letzten, zwei Tage vor der Wahl erschienenen Amtsblatt liegt wohl kein Wahlfehler. Diese Möglichkeit hat die Beigeladene zu 1 allen Kandidaten eröffnet. Dass dies nicht für Einzelkandidaten gegolten hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin von dieser Möglichkeit nichts wusste, ist nicht der Beigeladenen zu 1 zuzurechnen. Insbesondere hätte diese die Klägerin auf diese Möglichkeit nicht hinweisen müssen, auch wenn dies dem Gedanken der Fairness entsprochen hätte. Die Beigeladene zu 1 hat die Klägerin durch ihren Hinweis zur Möglichkeit, im Amtsblatt Anzeigen aufzugeben, insoweit auch nicht getäuscht. Der Wahlprospekt des Beigeladenen zu 2 konnte von einem verständigen Leser auch nicht als Bestandteil des Amtsblatts aufgefasst werden. Zwar entsprach sein Format dem des Amtsblatts. Die Papierqualität war aber erheblich aufwändiger, das Layout deutlich anders und der Text zweifelsfrei als allein werbend abgefasst. Die Verwendung der Berufsbezeichnung Bürgermeister ist dabei nicht zu beanstanden. Dass ein Impressum fehlte, führte nicht dazu, dass der Leser von einer amtlichen Beilage ausgehen musste. |
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| Soweit die Klägerin im Anschluss an die Ermittlungen des Landratsamts im Einspruchsverfahren erstmals im Klageverfahren angesprochen hat, dass die vom Beigeladenen zu 2 eingereichten Rechnungen für die Verteilung des Wahlprospekts und die Beilage im Amtsblatt erst nachträglich erstellt worden sein könnten, und damit, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, angedeutet hat, der Beigeladene zu 2 könnte diese Leistungen zunächst umsonst in Anspruch genommen haben, hätte die Kammer dem wohl schon deshalb nicht weiter nachzugehen brauchen, weil die Klägerin diesen Einwand innerhalb der Einspruchsfrist nicht erhoben hatte (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG). In ihrem Einspruch wird auch nicht mittelbar angedeutet, der Beigeladene zu 2 könnte sich insoweit staatlicher Mittel bedient haben; insoweit liegt der Sachverhalt anders als beim Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.05.2007 (1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377). |
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| Die Vorabveröffentlichung von Zwischenwahlergebnissen auf der Homepage stellt nach den konkreten Umständen wohl schon keinen Wahlfehler dar. Ein Verstoß gegen die Wahlzeit (§ 20 KomWG) und eine unzulässige Wahlpropaganda in oder in der Nähe des Wahlraums (§ 28 Abs. 2 KomWO) liegen fern. Es handelte sich wohl auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung. Ob dies schon daraus folgt, dass ein vernünftiger Wähler jedenfalls nach kurzem Nachdenken kaum davon ausgehen konnte, dass die Stimmenauszählung schon vor 18.00 Uhr begonnen hatte und nahezu vollständig abgeschlossen war, kann dahinstehen. Jedenfalls aber hätte dieser Umstand für den vernünftigen Wähler Anlass sein müssen, das gezeigte Bild näher zu betrachten. Dann müsste ihm aufgefallen sein, dass auch wenn man den von der Klägerin vorgelegten Screenshot zugrunde legt, mehrfach das Wort Test auftauchte und die angegebene Wahlbeteiligung unrealistisch hoch war. Im Übrigen wäre diese Veröffentlichungspanne wohl auch nicht erheblich für das Wahlergebnis gewesen. Denn es liegt fern, dass eine nennenswerte Zahl von Wählerinnen und Wählern den betreffenden Link auf der Homepage der Beigeladenen zu 1 vor 18.00 Uhr überhaupt aufgerufen hat und dadurch in der Wahlentscheidung noch hätte beeinflusst werden können. |
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| Schließlich lag wohl auch kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen vor (§ 21 KomWG, § 37 Abs. 8 KomWO). Einzuhalten ist ein „gehöriger Mindestabstand“ zu den Zähltischen, der allerdings nicht ermöglichen soll, dass die amtlichen Stimmzettel und Wahlunterlagen eingesehen werden können; vielmehr geht es darum, dass die Öffentlichkeit darauf achten kann, dass der Gesamtvorgang der Stimmauszählung insgesamt ordnungsgemäß erfolgt (Quecke u.a., Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 21 Rdnr. 9), dass also etwa die vorhandenen Wahlurnen vollständig - und nur diese - geleert und alle Stimmen ordnungsgemäß gezählt werden. Dabei hat der Gesetzgeber aus gutem Grund keinen festen Abstand festgelegt. Denn im Einzelfall können die Einrichtung des Wahlraums und auch die Zahl der Beobachter mit dafür ausschlaggebend sein, welcher Mindestabstand als gehörig anzusehen ist. Ohnehin dürfte im Allgemeinen ein Abstand von 4 m zum Auszählungstisch durchaus noch als „gehörig“ anzusehen sein (vgl. für den umgekehrten Fall, dass das Wahlgeheimnis verletzt ist, wenn die Wähler aus einer Entfernung von 3,80 bis 5 m beim Wahlvorgang beobachtet werden können, VG Karlsruhe, Urt. v. 16.10.2013 - 4 K 2001/13 - juris). |
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| Die Klägerin hat, wegen ihres Erfolgs im Wahlanfechtungsverfahren, Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen im Einspruchsverfahren durch die Beigeladene zu 1 (§ 31 Abs. 2 Satz 1 KomWG). Der dies verneinende Ergänzungsbescheid des Landratsamts vom 02.11.2015 (der noch aufgrund von § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergangen ist) war auch deshalb rechtswidrig, weil er angenommen hat, insoweit sei maßgeblich, wieviele der geltend gemachten Wahlfehler festgestellt worden seien. Denn darauf kommt es nicht an. Vielmehr kann eine Erstattung der Aufwendungen im Einspruchsverfahren, wie die Erstattung von notwendigen Aufwendungen in einem Widerspruchsverfahren (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO) vollständig nur abgelehnt werden, wenn es solcher Aufwendungen zur Verfolgung des Rechtsschutzziels nicht bedurfte. Für die Beauftragung eines Rechtsanwalts bedeutet dies, dass die Aufwendungen insoweit nur dann als nicht notwendig angesehen werden können, wenn der Einsprechende seine Einspruchsgründe ohne Weiteres selbst hätte vorbringen können. Dies war hier aber ersichtlich nicht der Fall. Ob die von der Klägerin noch im Einzelnen zu benennenden Aufwendungen jeweils notwendig waren, etwa ihre evtl. Aufwendungen für die von ihr eingeholte sachverständige Beurteilung der Angaben der Beigeladenen zu 1 zu der Veröffentlichungspanne im Internet, ist erst im Festsetzungsverfahren (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 2 KomWO) zu prüfen. |
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