Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Juli 2016 - 7 K 3161/15

bei uns veröffentlicht am08.07.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2, die diese jeweils selbst tragen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl vom 26.04.2015 in G.
Zur Durchführung der Wahl bestellte der Gemeinderat der Beigeladenen zu 1 in seiner Sitzung vom ...2014 den Gemeindewahlausschuss (zugleich Briefwahlvorstand).
Bei der Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters kandidierten die Beigeladene zu 2 als amtierende Bürgermeisterin sowie als weiterer Bewerber B.
Am Wahltag nach 18 Uhr ermittelten die Wahlvorstände in den einzelnen Wahlbezirken zunächst die Ergebnisse und übermittelten diese telefonisch an Herrn R., Mitarbeiter im Ordnungsamt der Beigeladenen zu 1 und stellvertretender Schriftführer des Gemeindewahlausschusses. Anschließend wurden in den jeweiligen Wahlbezirken die Wahlniederschriften gefertigt und gemeinsam mit den in Kuverts verpackten Stimmzetteln sowie den Schnellmeldungen zu Herrn R. ins Rathaus gebracht. Alle Umschläge waren verschlossen und mit Inhaltsangabe versehen; teilweise verwendeten die Wahlvorsteher die dafür vorgesehenen Siegelaufkleber. Herr R. verbrachte die Wahlunterlagen gemeinsam mit zwei Verwaltungsmitarbeitern in einen separaten und verschlossenen Raum.
Der Gemeindewahlausschuss traf sich am Wahltag um 15.30 Uhr im Rathaus der Beigeladenen zu 1 und ermittelte als Briefwahlvorstand das Briefwahlergebnis. Nachdem die Ergebnisse aller Wahlbezirke vorlagen, erstellte Herr R. mit Hilfe des PC-Programms „PC-Wahl“ das vorläufige amtliche Ergebnis. Herr S., der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses und stellvertretender Bürgermeister, gab dieses Ergebnis mit Hilfe einer Lautsprecheranlage auf dem Rathausvorplatz bekannt. Danach entfielen von den insgesamt 3.499 abgegebenen Stimmen, von denen 45 als ungültig und 3.454 als gültig aufgeführt wurden, 1.728 Stimmen auf die Beigeladene zu 2 und 1.719 Stimmen auf den weiteren Bewerber. Die Beigeladene zu 2 erzielte danach eine Stimme mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen (1.727 + 1) und damit die absolute Mehrheit.
Nach der Feststellung des Briefwahlergebnisses am Wahlsonntagabend sollte der Gemeindewahlausschuss am Folgetag, dem 27.04.2015 um 16 Uhr, zur Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses zusammentreten. Die Einladung hierzu wurde den Mitgliedern des Gemeindewahlausschusses am Wahlsonntag ausgehändigt.
Zur Vorbereitung der Sitzung des Gemeindewahlausschusses nahmen drei Verwaltungsmitarbeiter der Beigeladenen zu 1 im Laufe des Montags, 27.04.2015, eine Nachprüfung des Wahlergebnisses vor. Herr V., Schriftführer des Gemeindewahlausschusses, Herr R., stellvertretender Schriftführer, und Herr H., Hauptamtsleiter, zählten die Stimmzettel und die Stimmabgabevermerke nach und überprüften die Niederschriften der einzelnen Wahlbezirke. Dazu wurden je Wahlkreis die mit Inhaltsangabe beschrifteten braunen Kuverts einzeln geöffnet und die darin enthaltenen Stimmzettel geprüft, gezählt und mit der Zahl der Wähler im Wählerverzeichnis bzw. der sogenannten Gegenliste abgeglichen. Die Gegenliste wurde zusätzlich zum Wählerverzeichnis als Kontrollinstrument in jedem Wahlbezirk geführt, um das Ermitteln der Zahl der Wähler am Wahlabend zu erleichtern. In sechs der acht Wahlbezirke sowie im Briefwahlergebnis bestätigte sich das von den Wahlvorständen am Vorabend ermittelte Ergebnis. In den Wahlbezirken 103 und 507 ergab die Nachzählung jeweils eine Abweichung, über die der Gemeindewahlausschuss nachfolgend Beschluss fasste.
Kurz nach Beginn der Nachprüfung nahm das Landratsamt ..., Frau L., als Wahlprüfungsbehörde telefonisch mit Herrn V. Kontakt auf und bat darum, aufgrund des knappen Wahlergebnisses alle ungültigen Stimmzettel sowie alle Stimmzettel der sonstigen Bewerber an sie zu übermitteln. Ihr wurde mitgeteilt, dass die Verwaltung das in den Wahlvorständen ermittelte Ergebnis noch einmal prüfe. Sie bestätigte, dass dies Aufgabe der Verwaltung sei und gerade angesichts des knappen Wahlergebnisses auch dringend erforderlich.
Zu dem Telefonat vom 27.04.2015 erklärte Frau L. später in einem Aktenvermerk vom 22.05.2015, Herr V. habe in dem Telefonat am 27.04.2015 nicht erwähnt, dass das Wahlergebnis noch nicht vom Gemeindewahlausschuss festgestellt worden sei. Deshalb habe sie die Auskunft gegeben, dass gegen eine Nachzählung durch die Verwaltung keine Bedenken bestünden.
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Ort, Zeit und Gegenstand der Sitzung des Gemeindewahlausschusses vom 27.04.2015 um 16 Uhr wurden durch entsprechenden Aushang am Eingang des Sitzungsgebäudes am selben Tag um 15.48 Uhr bekannt gemacht.
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In der ab 16 Uhr stattfindenden Sitzung stellte der Gemeindewahlausschuss fest, dass ein Stimmzettel aus dem Wahlbezirk 103, der für den weiteren Bewerber gezählt wurde, ungültig sei, weil auf dem Stimmzettel nicht dieser, sondern eine nicht identifizierbare Person („F. M.“) gekennzeichnet war. Außerdem erklärte der Gemeindewahlausschuss einen aus dem Wahlbezirk 507 stammenden und zunächst für ungültig befundenen Stimmzettel, auf dem die Beigeladene zu 2 angekreuzt und der Beruf des weiteren Bewerbers unterstrichen worden war, zugunsten der Beigeladenen zu 2 für gültig. Auf dieser Grundlage stellte der Gemeindewahlausschuss als endgültiges Wahlergebnis fest, dass von den insgesamt 3.499 abgegebenen Stimmen – davon 45 ungültig und 3.454 gültig – auf die Beigeladene zu 2 1.729 Stimmen sowie den anderen Bewerber 1.718 Stimmen entfallen sind. Damit erzielte die Beigeladene zu 2 zwei Stimmen mehr als die Hälfte (1.727) der gültigen Stimmen. An der Sitzung des Gemeindewahlausschusses nahmen ca. zehn bis fünfzehn Zuschauer, darunter die Klägerin, teil.
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Das Wahlergebnis wurde auf Antrag des Gemeindewahlausschusses durch den Beklagten als Wahlprüfungsbehörde überprüft und bestätigt. Das am 27.04.2015 festgestellte Ergebnis der Wahl wurde im amtlichen Mitteilungsblatt der Beigeladenen zu 1 am 30.04.2015 bekannt gemacht.
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Mit Schreiben vom 06.05.2015, eingegangen am 07.05.2015, legte die Klägerin beim Beklagten Einspruch gegen die Bürgermeisterwahl ein, welchen sie damit begründete, dass das Wahlergebnis unter Verstoß gegen das Kommunalwahlgesetz (KomWG) und die Kommunalwahlordnung (KomWO) ermittelt worden sei und nicht mehr nachvollzogen werden könne, ob die Beigeladene zu 2 tatsächlich die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen erreicht habe. Insbesondere liege eine Verletzung des § 39 Abs. 1 KomWO vor, die darauf beruhe, dass die die gültigen Stimmzettel und sonstigen Wahlunterlagen enthaltenden Umschläge bei deren Übergabe von den Verwaltungsmitarbeitern Herrn V. und Herrn R. an die Mitglieder des Gemeindewahlausschusses in der öffentlichen Sitzung vom 27.04.2015 nicht versiegelt gewesen seien. Dabei seien die Umschläge von den Verwaltungsmitarbeitern entgegen § 21 KomWG unter Ausschluss der Öffentlichkeit geöffnet worden. Ferner hätten die Herren V. und R. die Überprüfung der Stimmzettel unbefugt vorgenommen. Die Nachprüfung des Wahlergebnisses obliege nach § 43 Abs. 1 i.V.m. § 21 KomWO ausschließlich dem Gemeindewahlausschuss selbst. Im Hinblick auf das Auffinden der zwei Stimmzettel aus den Wahlbezirken 103 und 507, explizit diesem, welcher zwischen den gültigen Stimmen des weiteren Bewerbers aufgetaucht sei, müsse man davon ausgehen, dass die Auszählung in den Wahllokalen fehlerhaft gewesen sei, so dass eine öffentliche Nachzählung erforderlich gewesen wäre. Es sei möglich, dass das Wahlergebnis nach § 32 Abs. 1 KomWG durch die vorliegenden Rechtsfehler beeinflusst worden sei. Es sei nicht mehr zu ermitteln, ob die Beigeladene zu 2 im ersten Wahlgang tatsächlich die nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GemO erforderliche absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht habe. Weiter bezweifelte die Klägerin, ob die Sitzung des Gemeindewahlausschusses am 27.04.2015 den Öffentlichkeitsanforderungen des § 21 KomWG entsprochen habe.
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Dem Einspruch traten 160 Personen, davon 159 Wahlberechtigte, mit ihrer Unterschrift bei.
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Mit Schreiben vom 13.05.2015 nahm die Beigeladene zu 1 gegenüber dem Beklagten Stellung und schilderte den Ablauf der Ermittlung des Wahlergebnisses am 26. und 27.04.2015. Die Vorprüfung der Wahlunterlagen sei am 27.04.2015 durch die Herren H., R. und V. vorgenommen worden. Hierauf habe Herr H. bereits am Wahltag um 15.30 Uhr hingewiesen, als der Ablauf zur Ermittlung des Briefwahlergebnisses besprochen worden sei. Bei den drei prüfenden Personen habe es sich um leitende Beamte bzw. Angestellte der Gemeinde gehandelt. Der Gemeinderat habe die Herren V. und R. in seiner Sitzung vom 19.11.2014 zum Schriftführer bzw. stellvertretenden Schriftführer gewählt. Bei den Wahlhandlungen sei Herr H. als Hilfskraft hinzugezogen worden. Eine Vorprüfung durch die Verwaltung sei aufgrund der Vielzahl der zu prüfenden Stimmzettel und Niederschriften unerlässlich. In der Sitzung des Gemeindewahlausschusses am 27.04.2015 seien hinter dem Verhandlungstisch zwei weitere Tische aufgebaut gewesen, auf denen sämtliche Wahlunterlagen ordentlich ausgelegt gewesen seien. Für jeden Wahlbezirk sei ein Stapel mit Wählerverzeichnissen, großen braunen Kuverts, in denen die Stimmzettel aufbewahrt worden seien (getrennt nach der Beigeladenen zu 2, dem weiteren Bewerber, sonstigen und ungültigen) sowie den Wahlniederschriften gebildet worden. Der Vorwurf, Herr R. und Herr V. seien mit geöffneten Wahlunterlagen in den Sitzungsraum gekommen, entspreche nicht der Wahrheit.
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Auf die Aufforderung des Beklagten hin bestätigte der Wahlvorstand des Wahlbezirks 507 mit Schreiben vom 18.05.2015, dass der Stimmzettel, auf dem die Beigeladene zu 2 gewählt und beim weiteren Bewerber der Berufstitel unterstrichen wurde, in dieser Form im Wahllokal vorgelegen hätte. Für den Wahlvorstand des Wahlbezirks 103 bestätigte das Mitglied Frau M. am 18.05.2015, dass sie den Stimmzettel, mit dem „F. M.“ gewählt wurde, in der Hand gehabt hätte. Frau P., ein weiteres Mitglied dieses Wahlvorstandes, bestätigte am 19.05.2015, dass sie sich an die akkurate Handschrift, mit der dieser Namensvorschlag geschrieben war, erinnern könne und meine, den Namen „F.“ wahrgenommen zu haben.
17 
Der Beklagte wies den Einspruch mit Bescheid vom 01.06.2015, zugestellt durch Boten am selben Tag, zurück. Der Einspruch der Klägerin sei zulässig, aber unbegründet. Es sei keine wesentliche Vorschrift über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG unbeachtet geblieben, so dass eine Ungültigkeitserklärung nicht gerechtfertigt sei. Es seien keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Nachprüfung der Stimmzettel durch die Verwaltungsmitarbeiter mit einer Manipulation des Wahlergebnisses einhergegangen sei. Soweit der Gemeindewahlausschuss am 27.04.2015 die von den einzelnen Wahlvorständen ermittelten Wahlergebnisse – mit Ausnahme der beiden anders gewerteten Stimmzetteln aus den Wahlbezirken 103 und 507 – zum Zwecke ihrer Feststellung unverändert übernommen habe, sei eine Einflussnahme auf das Wahlergebnis durch die Nachprüfung ausgeschlossen. Doch auch für die Annahme einer Einflussnahme der Verwaltungsmitarbeiter auf die beiden korrigierten Stimmzettel sei kein Raum. Denn Mitglieder der Wahlvorstände 507 und 103 hätten schriftlich bestätigt, dass diese beiden Stimmzettel am Wahlabend vorlagen. Zudem sei unbedenklich, dass der Gemeindewahlausschuss das von den Verwaltungsmitarbeitern ermittelte Ergebnis übernommen und lediglich über die beiden abweichend gewerteten Stimmen aus den Wahlbezirken 103 und 507 Beschluss gefasst habe. Er sei nicht verpflichtet, eine komplette Nachzählung der Stimmen durchzuführen. Auch biete die abweichende Bewertung der beiden Stimmzettel aus den Wahlbezirken 103 und 507 für sich genommen keinen hinreichenden Anlass zur Annahme, dass die Stimmenauszählung in sämtlichen Wahlbezirken fehlerbehaftet sei. Diese Annahme beruhe auf einer reinen Spekulation und lasse konkrete Anhaltspunkte vermissen. Sie stehe ferner im Widerspruch zu der vom Beklagten als Wahlprüfungsbehörde durchgeführten Nachzählung, weil diese mit dem am 27.04.2015 ermittelten Wahlergebnis übereinstimme. Auch seien im Hinblick auf die Sitzung des Gemeindewahlausschusses vom 27.04.2015 die Erfordernisse des Öffentlichkeitsgrundsatzes gemäß § 21 KomWG eingehalten worden. Die Bekanntgabe in der vom Kommunalrecht geforderten Form sei laut der Niederschrift der Sitzung des Gemeindewahlausschusses zur Ermittlung des Wahlergebnisses am 27.04.2015 erfolgt. Dass die Sitzung öffentlich bekannt gegeben worden sei, werde auch darin manifest, dass ihr außer der Klägerin noch ca. 13 weitere Personen beigewohnt hätten. Soweit hingegen die Nachprüfung der Wahl durch die Verwaltungsmitarbeiter den Öffentlichkeitsgrundsatz aus § 21 KomWG nicht gewahrt habe, sei dies mit Blick auf § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG unbeachtlich, weil dieser Verstoß das Ergebnis der Wahl nicht beeinflusst haben konnte.
18 
Am 29.06.2015 hat die Klägerin dagegen Klage erhoben. Die Klägerin wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und führt weiter aus, dass der Aushang für die am 27.04.2016 um 16 Uhr stattfindende Sitzung des Gemeindewahlausschusses erst um 15.48 Uhr angebracht worden sei, also erst 12 Minuten vor Sitzungsbeginn. Sie ist der Ansicht, die Kompetenz des Gemeindewahlausschusses zur Leitung der Gemeindewahl und Feststellung des Wahlergebnisses nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG und zur Überprüfung der Wahlniederschriften nach § 43 Abs. 1 Satz 1 KomWO sei verletzt worden. Der Gemeindewahlausschuss habe im Hinblick auf Vorfälle, die die Wahlbezirke 101 und 103 beträfen, seine Aufklärungspflicht aus § 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO nicht erfüllt. So habe der Wahlvorstand im Wahlbezirk 101 bei nur 456 Haken in der Wählerliste und bei nur 456 Kontrollvermerken die Abgabe von 457 Stimmzetteln festgestellt. Daher erweise sich die Wahlniederschrift nach § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Nr. 10 KomWO als unrichtig. Diese Unstimmigkeiten seien dem Gemeindewahlausschuss nicht mitgeteilt worden. Entsprechendes gelte auch für Wahlbezirk 103: Hier seien nach der Wahlniederschrift lediglich 570 Stimmen abgegeben worden, obwohl sich die Zahl der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis auf 572 belaufen habe. Dies habe das Landratsamt bei seiner Wahlprüfung festgestellt. Die vom Gemeindewahlausschuss „erneut geprüften“ Niederschriften hätten nicht den Anforderungen des § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 KomWO genügt und seien entgegen der Darstellung der Beigeladenen zu 1 unrichtig. Der Einsatz der sogenannten „Gegenliste“ bzw. „Zählliste“ sei als Kontrollinstrument nicht „freiwillig“ erfolgt. Denn normalerweise gäben die Wähler ihre Wahlbenachrichtigung bei der Wahl ab. Im vorliegenden Fall hätten sie dies jedoch nicht getan, weil die Wahlbenachrichtigung im Fall eines zweiten Wahlganges wieder benötigt worden wäre. Da die abgegebenen Wahlbenachrichtigungen als Kontrollmöglichkeit ausfielen, habe dies durch die Zählliste ersetzt werden sollen. Bei einer Diskrepanz zwischen Haken im Wählerverzeichnis und der Zählliste sei nun nicht feststellbar gewesen, welches der beiden Kontrollinstrumente richtig gewesen sei. Ferner sei die Klägerin hinsichtlich der Unregelmäßigkeiten in den Wahlbezirken 101 und 103 nicht präkludiert. Zwar seien diese Unregelmäßigkeiten nicht ausdrücklich im Einspruchsschreiben aufgeführt, weil diese innerhalb der Anfechtungsfrist von einer Woche selbst dem Gemeindewahlausschuss nicht bekannt gewesen seien. Die Klägerin habe aber unter Bezugnahme auf das Auffinden zweier Stimmzettel darauf hingewiesen, man müsse davon ausgehen, dass die Auszählung in den Wahllokalen fehlerhaft gewesen sei, so dass eine öffentliche Nachzählung erforderlich gewesen wäre, d.h. sie habe die fehlerhafte und unzulässige Ermittlung des Wahlergebnisses gerügt. Überdies hätten die Verwaltungsmitarbeiter die Nachzählung und Nachprüfung unbefugt und unter Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG i.V.m. § 43 Abs. 1 KomWO vorgenommen. Aus den vorgelegten Akten ergebe sich - entgegen der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1 vom 13.05.2015 - nicht, dass Herr H., der Hauptamtsleiter der Stadt, als Hilfskraft bestellt worden wäre. Den Akten sei auch nicht zu entnehmen, wer den Auftrag zu dieser Nachzählung erteilt habe. Der Gemeindewahlausschuss habe den drei Mitarbeitern jedenfalls keinen Auftrag erteilt. Der Hinweis von Herrn H. am Wahltag um 15.30 Uhr und das fehlende Entgegentreten des Gemeindewahlausschusses könne nicht in einen Auftrag dieses Gremiums umgedeutet werden. Auch das Landratsamt wäre als Wahlprüfungsbehörde in dieser Phase nicht befugt gewesen, einen entsprechenden Prüfauftrag zu erteilen. Die Nichtöffentlichkeit der Nachprüfung der Wahl durch die Verwaltungsmitarbeiter sei nicht mit § 21 KomWG und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO zu vereinbaren und schließe zudem den Gemeindewahlausschuss von jeglicher Kontrollmöglichkeit aus. Schließlich liege ein Verstoß gegen das Verwahrungsgebot vor. Die Wahlvorsteher hätten entgegen § 39 Abs. 1 Satz 1 KomWO die verpackten Stimmzettel nur teilweise versiegelt. Zudem hätten die Herren V. und R. dem Gemeindewahlausschuss in dessen Sitzung am 27.04.2015 in offenen und unversiegelten Kuverts die abgegebenen Stimmzettel übergeben. Soweit die Beigeladene zu 1 dies bestreite, sei deren Darstellung schon allein deshalb unzutreffend, weil die Herren R. und V. im Rahmen ihrer „Vorprüfung“ die Wahlunterlagen geöffnet haben müssten. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1 sei die Klägerin mit dem Vorbringen, dass die Kuverts bei der Übergabe der Unterlagen an den Gemeindewahlausschuss am 27.04.2015 offen waren, auch nicht präkludiert, weil sie dies ausdrücklich im Einspruchsschreiben gerügt habe. Wegen der Missachtung von § 39 Abs. 1 und Abs. 2 KomWO sei nicht sichergestellt gewesen, dass die Pakete mit den Stimmzetteln für die Verwaltungsmitarbeiter V., R. und H. als Unbefugte nicht zugänglich waren. Darin sei zugleich ein Außerachtlassen der Anforderungen des § 39 Abs. 4 KomWO zu erblicken. Die vorstehend bezeichneten Vorschriften seien auch wesentlich i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG. Zudem könne auf der Grundlage einer konkreten Betrachtungsweise nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis durch die Fehler beeinflusst worden sei. Der Gemeindewahlausschuss sei nicht über die Unstimmigkeiten in den Wahlbezirken 101 und 103 informiert worden. Bei 572 Stimmabgabevermerken und nur 570 Stimmzetteln stelle sich die Frage, wo die beiden fehlenden Stimmzettel seien bzw. wie die unbefugten Nachprüfer in ihrem Aktenvermerk vom 29.04.2015 zu dem Ergebnis gekommen seien, dass zwei Wähler „fälschlicherweise abgehakt worden“ seien. Man müsse davon ausgehen, dass diese beiden Wähler auch gewählt hätten. Wenn diese gültige Stimmzettel abgegeben hätten und nicht die Beigeladene zu 2 gewählt hätten, so blieben für diese nur noch 1.727 Stimmen und damit weniger als die Hälfte der gültigen Stimmen von dann 3.457 Stimmen. Wenn man weiter davon ausgehe, dass im Wahlbezirk 101 tatsächlich nur 456 Stimmen abgegeben worden seien (entgegen der behaupteten undeutlichen Kennzeichnung auf S. 6 des Wählerverzeichnisses), so hätte die Beigeladene zu 2 nur 1.726 Stimmen erhalten und damit wiederum weniger als die Hälfte der dann noch 3.456 gültigen Stimmen. Es sei im Interesse der unbefugten Nachprüfer gewesen, ein positives Ergebnis für die „Chefin“ zu bestätigen. Eine ordnungsgemäße Nachzählung habe nicht stattgefunden und könne wegen der Verstöße gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz und das Verwahrungsgebot auch nicht mehr stattfinden. Es seien entscheidende Sicherungsmechanismen des Kommunalwahlrechts hinsichtlich der Öffentlichkeit von Wahlen und der manipulationssicheren Verwahrung von Wahlunterlagen unterlaufen worden.
19 
Die Klägerin beantragt,
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den Einspruchsbescheid des Beklagten vom 01.06.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl der Stadt G. vom 26.04.2015 für ungültig zu erklären.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf den Einspruchsbescheid vom 01.06.2015 und führt im Weiteren aus, dass der Beklagte als Wahlprüfungsbehörde nach § 30 KomWG eine umfassende Nachzählung der Stimmen sowie Überprüfung der gesamten Wahl vorgenommen habe. Der Einwand der Klägerin in der Klageschrift hinsichtlich der Vorkommnisse in den Wahlbezirken 101 und 103 könne keine Berücksichtigung finden, weil dieser nicht bereits Teil des Einspruchs der Klägerin vom 06.05.2015 gewesen und somit nicht innerhalb der Einspruchsfrist nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG gerügt worden sei. Im Übrigen habe die Wahlprüfungsbehörde im Zuge ihrer Wahlprüfung die Abweichungen in den Wahlbezirken 101 und 103 aufklären können, so dass ein von ihnen ausgehender Einfluss auf das Wahlergebnis verneint werden könne.
24 
Die Beigeladene zu 1 beantragt,
25 
die Klage abzuweisen.
26 
Zur Begründung führt sie aus, dass die von den Verwaltungsmitarbeitern V. und R. am 27.04.2015 dem Gemeindewahlausschuss übergebenen Kuverts mit den Stimmzetteln nicht offen, sondern verschlossen gewesen seien. Daher komme ein Verstoß gegen § 39 Abs. 1 KomWO nicht in Betracht. Des Weiteren sei es im Wahlbezirk 101 zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen. In der Gegenliste, der keine Rechts- oder Bindungswirkung zukomme, seien für den Wahlbezirk 101 456 Wählernummern notiert worden. Zwar sei zutreffend, dass am Wahlabend zunächst die Anzahl der Stimmabgabenvermerke im Wählerverzeichnis (456) nicht der Anzahl der abgegebenen Stimmzettel (457) entsprochen habe. Diese Abweichung erkläre sich indessen damit, dass, was am Folgetag bemerkt worden sei, die im Wählerverzeichnis auf Seite 6 vermerkte Zwischensumme mit undeutlicher Schriftform festgehalten und falsch abgelesen worden sei. Damit stehe fest, dass die Stimmenanzahl mit den Stimmabgabenvermerken korrespondiere und gleichermaßen 457 betrage. Bezüglich des Wahlbezirks 103 erkläre sich die Unstimmigkeit in Gestalt von 572 abgegebenen Stimmzetteln und 570 auf der Gegenliste vermerkten Wählern damit, dass zwei Stimmzettel, die leer gewesen und zunächst nicht zu den ungültigen Stimmen gezählt worden seien, beiseite genommen wurden. Jedenfalls sei die Klägerin mit ihrem Vorbringen bezüglich der Unregelmäßigkeiten in den Wahlbezirken 101 und 103 nach Maßgabe des § 31 Abs. 1 Satz 2 präkludiert, weil sie diese nicht bis zum Ablauf der Einspruchsfrist geltend gemacht habe. Der allgemein vorgetragene Einspruchsgrund, die Auszählungen seien fehlerhaft gewesen, sei nicht ausreichend. Anderenfalls würde die Präklusionsvorschrift immer dadurch umgangen, dass die Fehlerhaftigkeit der gesamten Wahl gerügt würde. Außerdem habe der Wahlprüfungsausschuss am 27.04.2015 sämtliche Niederschriften einer erneuten Überprüfung unterzogen und nicht nur die von den Verwaltungsmitarbeitern V. und R. ermittelten Nachprüfungsergebnisse übernommen. Die geprüften Niederschriften und die Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses hätten den Anforderungen des § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 KomWO entsprochen, woran auch eine spätere Kenntnis neuer Umstände nichts ändern könne. Es stehe auch nicht in Widerspruch zu § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG und § 43 Abs. 1 KomWO, dass der Gemeindewahlausschuss zur Vorbereitung der Wahlnachprüfung auf Gemeindebedienstete zurückgreife. In dem Hinweis von Herrn H. am Wahltag um 15.30 Uhr, dass die Herren H., R. und V. die Vorprüfung der Wahlunterlagen am nächsten Tag übernehmen würden, und dem fehlenden Entgegentreten des Gemeindewahlausschusses sei die Beauftragung zur Vorprüfung zu sehen. Deshalb liege auch kein Verstoß gegen das aus § 39 Abs. 1 und 2 KomWO folgende Verwahrungsgebot vor. Die Beanstandung, die die Stimmzettel enthaltenden Umschläge seien teilweise nicht durch die Wahlvorsteher versiegelt worden, sei nicht innerhalb der nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG vorgesehenen Frist erfolgt und daher nicht berücksichtigungsfähig. Der von § 21 KomWG und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO statuierte Öffentlichkeitsgrundsatz sei nicht verletzt worden. Die Feststellung des Wahlergebnisses sei unter Beachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes erfolgt, wozu auf den Einspruchsbescheid vom 01.06.2015 verwiesen werde. Auch unter der hypothetischen Annahme der Verletzung von Bestimmungen aus dem KomWG und der KomWO dürfe die Wahl nicht für ungültig erklärt werden, weil die Verletzungen insoweit nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG ohne Einfluss auf das Ergebnis der Wahl gewesen seien. Eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer Beeinflussung des Wahlergebnisses sei nicht zu erkennen. Etwas Entgegenstehendes ergebe sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, der Gemeindewahlausschuss sei von den Wahlvorständen in den Wahlbezirken 101 und 103 nicht über die dort anzutreffenden Unregelmäßigkeiten unterrichtet worden. Auch insoweit greife die Präklusionswirkung des § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG durch. Selbst wenn keine Präklusion erfolgt sein sollte, hätten die beiden Unstimmigkeiten im Wahlbezirk 101 und 103 keinen Einfluss auf das Wahlergebnis haben können. Es habe sich bei den zwei fehlenden Stimmzetteln um leere und damit ungültige Stimmen gehandelt, wie die Stellungnahme des Wahlvorstandes im Wahlbezirk 103 vom 30.04.2015 belege. Im Wahlbezirk 101 ergebe sich aus der Niederschrift des Wahlvorstandes vom 18.05.2015, dass die Stimmenzahl und die Summenzahl der Stimmabgabenvermerke 457 betrug. Auch könne eine mögliche Wahlbeeinflussung nicht auf den unzutreffenden Umstand gestützt werden, dass die die Nachprüfung vornehmenden Verwaltungsmitarbeiter V., R. und H. ein Interesse an einem Wahlsieg der Beigeladenen zu 2, die zugleich ihre Vorgesetzte ist, hätten.
27 
Im Klageverfahren legt die Beigeladene zu 1 einen Auszug aus der sogenannten Gegenliste des Wahlbezirks 101, das Wählerverzeichnis des Wahlbezirks 101, eine Stellungnahme des Wahlvorstandes des Wahlbezirks 101 vom 18.05.2015, eine Stellungnahme des Wahlvorstandes des Wahlbezirks 103 vom 30.04.2015 und einen Umschlag mit den als ungültig bewerteten Stimmen aus dem Wahlbezirk 103 vor.
28 
Die Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt und sich im Verfahren auch nicht geäußert.
29 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
30 
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Durch die ablehnende Einspruchsentscheidung vom 01.06.2015 ist die Klägerin beschwert und möglicherweise in ihren Rechten verletzt. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 31 Abs. 3 KomWG kann der Wahlberechtigte, der Einspruch erhoben hat, ohne Widerspruchsverfahren unmittelbar Verpflichtungsklage erheben.
31 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 01.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, die Wahl des Bürgermeisters der Beigeladenen zu 1 vom 26.04.2015 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
32 
Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG kann gegen die Wahl binnen einer Woche nach der öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses von jedem Wahlberechtigten und von jedem Bewerber Einspruch bei der Rechtsaufsichtsbehörde erhoben werden. Nach § 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG ist der Einspruch eines Wahlberechtigten und eines Bewerbers, der nicht die Verletzung seiner Rechte geltend macht, nur zulässig, wenn ihm 1 vom Hundert der Wahlberechtigten, mindestens jedoch fünf Wahlberechtigte, bei mehr als 10.000 Wahlberechtigten mindestens 100 Wahlberechtigte beitreten.
33 
Diese Voraussetzungen erfüllt der Einspruch der Klägerin, so dass er zulässig ist. Insbesondere sind dem Einspruch 159 Wahlberechtigte beigetreten, so dass das notwendige Quorum von 58 Unterstützern erreicht ist.
34 
Auf einen Einspruch ist nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG eine Bürgermeisterwahl u.a. dann für ungültig zu erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
35 
Es können dabei gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Der gesetzliche Ausschluss von Einspruchsgründen, die nach Ablauf der Frist zur Wahlanfechtung geltend gemacht werden, gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (materielle Präklusion), weil es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Gültigkeit einer Wahl alsbald geklärt wird. Gegenstand der Klage ist nicht unmittelbar die Gültigkeit der angefochtenen Wahl, sondern der auf den zulässigen Einspruch ergangene Einspruchsbescheid. Folglich ist auch die gerichtliche Prüfung auf die fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe beschränkt und nicht auf weitere Anfechtungsgründe zu erstrecken (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -; Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 26.01.2012 - 2 K 2293/11 -; jeweils juris). Der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, muss hinreichend konkretisiert werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2007 – 1 S 567/07 –, juris, Rn. 39). Das im Wahlprüfungsrecht enthaltene Substantiierungsgebot soll sicherstellen, dass das sich auf der Grundlage der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses ergebende Ergebnis nicht vorschnell in Frage gestellt wird und dadurch Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit geweckt werden. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, dürfen deshalb als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (BVerfG, Beschluss vom 12.12.1991 - 2 BvR 562.91 -, BVerfGE 85, 148; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 – 1 S 2570/95 –, juris, Rn. 46, 47).
36 
Im vorliegenden Fall konnte durch die im Einspruch gerügten Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG das Wahlergebnis nicht beeinflusst werden.
37 
Soweit die Klägerin die nichtöffentliche Nachprüfung der Wahl durch die Verwaltungsmitarbeiter V., R. und H. rügt, vermag dies der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn das Wahlergebnis konnte durch diese Nachprüfung nicht im Sinne von § 32 Abs. 1 KomWG beeinflusst werden. Der nach § 32 Abs. 1 KomWG erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, juris, Rn. 29; Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2014, § 32 Rn. 105). Hat bei einer Bürgermeisterwahl einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 10.11.2015 – 5 K 1472/15 –, juris).
38 
Ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses liegt im vorliegenden Fall zwar vor. Insbesondere wurde gegen § 11 Abs. 1 KomWG i.V.m. § 43 Abs. 1 KomWO, § 21 KomWG und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO verstoßen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG obliegt dem Gemeindewahlausschuss die Leitung der Gemeindewahlen und die Feststellung des Wahlergebnisses. Der Gemeindewahlausschuss hat gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 KomWO die Wahlniederschriften der Wahlvorstände auf Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit zu prüfen und dabei die Feststellungen der Wahlvorstände nachzuprüfen. Ergeben sich aus den Wahlniederschriften oder aus sonstigen Gründen Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts, ist es gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO Aufgabe des Gemeindewahlausschusses, diese so weit wie möglich aufzuklären. Gemäß § 21 KomWG sind die Wahlhandlung und die Feststellung des Wahlergebnisses öffentlich. Nach § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO verhandeln und entscheiden die Wahlausschüsse in öffentlicher Sitzung. Die Befugnis zur Feststellung des Wahlergebnisses beinhaltet das Recht des Gemeindewahlausschusses eine Nachzählung der Stimmen anzuordnen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 24.06.1998 - 4 ZB 97.2164 -, juris).
39 
Vorliegend hat der Gemeindewahlausschuss über eine Nachzählung am Morgen des 27.04.2015 zuvor keinen Beschluss gefasst. In dem Hinweis von Herrn H. um 15.30 Uhr am Wahltag auf die Vorprüfung der Wahlunterlagen und dem Schweigen des Gemeindewahlausschusses kann auch kein Auftrag des Gemeindewahlausschusses gesehen werden. Am Wahltag, dem 26.04.2015, traf sich der Gemeindewahlausschuss als Briefwahlvorstand, um die Briefwahlunterlagen auszuzählen, worüber eine Niederschrift als Briefwahlvorstand gefertigt wurde. Eine Sitzung als Gemeindewahlausschuss ist nicht durch ein Protokoll o.ä. belegt. Nach der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1 vom 13.05.2015 hielten sich die Mitglieder des Gemeindewahlausschusses nach der Ermittlung des Briefwahlergebnisses teilweise im Bürgerbüro, teilweise im an das Bürgerbüro angrenzenden Büro von Herrn R. sowie teilweise vor dem Rathaus auf. Es sei seit Jahrzehnten gängige Praxis, die Sitzung des Gemeindewahlausschusses zur Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses auf den Folgetag zu terminieren. Aus dieser Stellungnahme lässt sich schließen, dass der Gemeindewahlausschuss am Wahltag keine Beschlüsse hinsichtlich einer Nachzählung in einer Sitzung getroffen hat. Das Schweigen der Mitglieder des Briefwahlvorstandes/Gemeindewahlausschusses auf den Hinweis von Herrn H. hin kann unter diesen Umständen nicht als Willenserklärung („Auftrag“) verstanden werden, so dass die Nachprüfung durch die Verwaltungsmitarbeiter gegen § 11 Abs. 1 KomWG i.V.m. § 43 Abs. 1 KomWO verstieß. Dadurch, dass die Nachprüfung nicht öffentlich erfolgte, liegt ferner ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz, § 21 KomWG und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO, vor. Denn auch vorbereitende Sitzungen bedürfen der Öffentlichkeit (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 11 Rn. 19). Zudem hätte eine Nachzählung in einer öffentlichen Sitzung erfolgen müssen (vgl. VG Köln, Urteil vom 25.03.2015 - 4 K 7076/14 -, juris). Schließlich spricht Vieles dafür, dass die Nachprüfung gegen das Verwahrungsgebot des § 39 KomWO verstoßen hat. Nach § 39 Abs. 2 KomWO hat der Bürgermeister die vom Wahlvorstand übergebenen Pakete bis zur Vernichtung der Wahlunterlagen zu verwahren. Er hat sicherzustellen, dass die Pakete Unbefugten nicht zugänglich sind. Nach § 39 Abs. 4 KomWO hat der Bürgermeister die Unterlagen auf Anforderung dem Gemeindewahlausschuss sowie der Wahlprüfungsbehörde vorzulegen. Da die Bürgermeisterin hier selbst kandidierte, dürfte entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 3 KomWG der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses bzw. stellvertretende Bürgermeister Herr S. zuständig gewesen sein. Selbst wenn man - wie die Beigeladene zu 1 vorträgt - von einer Delegation an Herrn R. ausgehen sollte, so hätte dieser die Pakete nicht den Herren V. und H. zur Nachzählung zugänglich machen dürfen.
40 
Die verletzten Vorschriften sind wesentlich im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG. Wesentliche Vorschriften sind solche, die entweder die tragenden Grundsätze des Wahlrechts sichern sollen, oder solche, welche die Öffentlichkeit des Verfahrens und korrekte wahlrechtliche Entscheidungen sowie die richtige Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses gewährleisten sollen (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 32 Rn. 97). Die Regelungen der § 21 KomWG, § 21 Abs. 3 KomWO, die die Öffentlichkeit der Ermittlung sowie Feststellung des Ergebnisses der Wahl sichern sollen, sind wesentlich (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 21 Rn. 12, § 32 Rn. 98). Als wesentlich sind auch § 11 Abs. 1 KomWG, § 43 Abs. 1 KomWO anzusehen (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 11 Rn. 14), weil diese die Ordnungsmäßigkeit der Wahl dadurch gewährleisten sollen, dass der Gemeindewahlausschuss selbst die Ermittlung des Wahlergebnisses vornimmt. Die Wesentlichkeit des § 39 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergibt sich daraus, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtmäßigkeit der Wahl erheblich erschüttert werden kann, wenn die verschlossenen Wahlpakete Unbefugten zugänglich sind.
41 
Jedoch konnte das Ergebnis der Wahl durch die Nachprüfung durch die Verwaltungsmitarbeiter nicht beeinflusst werden. Auch bei einem Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz ist die abstrakte Möglichkeit von Manipulationen nicht ausreichend, um die Wahl für ungültig zu erklären; vielmehr ist zu ermitteln, ob die festgestellten Mängel im konkreten Fall Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben konnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.03.2012 - 8 C 7/11 -, juris). Soweit obergerichtliche Rechtsprechung im Einzelfall eine abstrakte Möglichkeit von Manipulationen ausreichen lässt (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.02.2009 - 4 L 364/08 -, juris) oder in jedem Fall die Ungültigkeit der Wahl annimmt (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.12.1990 - 7 A 11827/90 -, juris), folgt das Gericht dem im vorliegenden Fall nicht. Denn vorliegend wurde gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz nicht bei der ersten Ermittlung des Wahlergebnisses in den Wahlvorständen verstoßen, sondern diese hatten bereits ein Ergebnis ermittelt, welches durch die nichtöffentliche Nachprüfung nur überprüft werden sollte. Es lässt sich daher trotz Verstoßes gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz ermitteln, ob im konkreten Fall Auswirkungen auf das Wahlergebnis vorliegen könnten. Der Gemeindewahlausschuss hat das - auch bereits am Wahlabend telefonisch mitgeteilte - Ergebnis in sechs Wahlbezirken und das Briefwahlergebnis unverändert übernommen. Insofern eröffnete die nichtöffentliche Nachprüfung keine Manipulationsmöglichkeiten. Soweit der Gemeindewahlausschuss eine Stimme im Wahlbezirk 507 für gültig erklärt hat, die der Wahlvorstand als ungültig gewertet hatte, war der Gemeindewahlausschuss dazu gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 KomWO befugt. Der Wahlvorstand hat mit Schreiben vom 18.05.2015 bestätigt, dass der Stimmzettel in dieser Form bereits am Wahlabend im Wahllokal vorlag. Insoweit ist nicht ersichtlich, wie eine Manipulation hätte erfolgen können. Zudem ist der Stimmzettel, bei dem die Beigeladene zu 2 angekreuzt und die Berufsbezeichnung des weiteren Bewerbers unterstrichen war, zu Recht als gültig gewertet worden. Denn nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 KomWG sind Stimmen ungültig, wenn die Person des Gewählten auf dem Stimmzettel nicht unzweifelhaft erkennbar ist. Vorliegend ist das Kreuz bei der Beigeladenen zu 2 jedoch eindeutig und somit die gewählte Person unzweifelhaft erkennbar, woran auch die Unterstreichung der Berufsbezeichnung nichts zu ändern vermag. Soweit der Gemeindewahlausschuss eine Stimme, die bei dem weiteren Bewerber einsortiert gewesen sein soll, aber die Kennzeichnung „F. M.“ enthält, als ungültig gewertet hat, belegen zwei Stellungnahmen von Mitgliedern des Wahlvorstandes, dass dieser Stimmzettel am Wahlabend bereits vorhanden war. Die Zahl der gültigen Stimmen und die auf die Bewerber abgegebenen Stimmen konnte durch die nachprüfenden Verwaltungsmitarbeiter allenfalls im Hinblick auf die eine Stimme „F. M.“ verändert werden, weil telefonisch am Wahlabend bereits das Wahlergebnis gemeldet worden war. Selbst wenn man eine theoretisch denkbare Manipulation annehmen sollte, dahingehend, dass die Stimme „F. M.“ sich im Stapel der ungültigen Stimmen befunden hätte, in den Stapel des weiteren Bewerbers verschoben und dafür eine gültige Stimme des weiteren Bewerbers unterschlagen worden wäre, hätte dies das Wahlergebnis nicht verändern können, weil die Beigeladene zu 2 trotzdem mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erreicht hätte (1.729 Stimmen von dann 3.455 gültigen Stimmen).
42 
Ferner hat auch die Rüge der Klägerin, dass die Sitzung des Gemeindewahlausschusses vom 27.04.2015 erst kurzfristig zwölf Minuten vor Sitzungsbeginn ausgehängt wurde, keinen Erfolg. Zwar ist dadurch wohl gegen § 21 Abs. 3 Satz 2 KomWO verstoßen worden. Nach § 21 Abs. 3 Satz 2 KomWO gibt der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses Zeit, Ort und Gegenstand der Sitzung durch Aushang am oder im Eingang des Sitzungsgebäudes mit dem Hinweis bekannt, dass jedermann Zutritt zu der Sitzung hat. Durch Aushang zwölf Minuten vor Sitzungsbeginn ist fraglich, ob eine rechtzeitige Bekanntgabe vorliegt, weil Zuschauer nur durch Zufall davon erfahren können und nur dann, wenn sie sich schon vor Ort befinden. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, wie das Ergebnis der Wahl durch diesen wahrscheinlichen Verstoß beeinflusst werden konnte, zumal 13 Zuschauer einschließlich der Klägerin in der Sitzung anwesend waren.
43 
Die Rüge der Klägerin, dass für das Verschließen der Umschläge für die Stimmzettel die Wahlvorsteher nur teilweise die dafür vorgesehenen Siegelmarken verwendet hätten, wodurch gegen § 39 Abs. 1 KomWG verstoßen worden sei, ist nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG präkludiert. Denn diese Rüge findet im Einspruchsschreiben vom 06.05.2015 keine Erwähnung, sondern wurde erst im Klageverfahren ausgeführt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich dieser Umstand auf das Wahlergebnis auswirken konnte. Dass die Umschläge mit den Stimmzetteln von den Herren V., R. und H. geöffnet wurden, ist unstreitig. Die Kammer brauchte daher auch nicht der Frage nachzugehen, ob die Umschläge am nächsten Tag offen oder verschlossen in den Gemeindewahlausschuss verbracht wurden.
44 
Schließlich bestehen Zweifel, ob die Klägerin mit ihrer Rüge in der Klageschrift, dass die Stimmenanzahl in der Gegenliste und im Wählerverzeichnis in den Wahlbezirken 101 und 103 nicht übereinstimme und somit die Wahlniederschriften unrichtig seien, im Einspruchsverfahren gehört werden kann. Der diesbezügliche Tatsachenvortrag findet sich - zumindest ausdrücklich - nicht in der Einspruchsschrift und wurde nicht innerhalb der einwöchigen Frist vorgebracht. In ihrem Einspruch verweist die Klägerin darauf, dass man davon ausgehen müsse, dass die Auszählung in den Wahllokalen fehlerhaft war, so dass eine öffentliche Nachzählung erforderlich gewesen wäre. Fehlertatbestände müssen zumindest so weit konkretisiert werden, dass sie einer Nachprüfung zugänglich sind (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 31 Rn. 50). Der Einspruchsgrund, die Stimmenauszählung sei fehlerhaft gewesen, ist ohne nähere Darlegung nicht hinreichend konkretisiert. Allerdings dürfen die Anforderungen daran, was ein Einspruchsführer vortragen muss, um eine Überprüfung der Wahl bezogen auf den von ihm beanstandeten Fehler zu erreichen, nicht überspannt werden oder gar Unmögliches gefordert werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 – 1 S 2570/95 –, juris). Vorliegend hatte die Klägerin von den konkreten Unstimmigkeiten bezüglich der Stimmenanzahl und der Wahlniederschriften in den Wahlbezirken 101 und 103 während der Einspruchsfrist noch keine Kenntnis und es ist fraglich, ob von ihr Unmögliches gefordert würde, wenn man eine weitere Konkretisierung der Fehlertatbestände fordern würde. Die Klägerin hat erst am 10.06.2015 um Akteneinsicht nachgesucht, also nach Ablauf der Einspruchsfrist. Allerdings wurde ihr versagt, in die Wahlprüfungsakte, aus der sich die Unregelmäßigkeiten in den Niederschriften der Wahlbezirke 101 und 103 ergeben hätten, Einsicht zu nehmen.
45 
Im Ergebnis kann offen bleiben, ob die Klägerin mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen präkludiert ist. Denn jedenfalls konnte durch diese Unstimmigkeiten das Wahlergebnis nicht im Sinne von § 32 Abs. 1 KomWG beeinflusst werden. Zwar liegt ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG vor. Im Wahlbezirk 101 hätte der Gemeindewahlausschuss über die Abweichung der Zahl der Stimmzettel und der Kontrollvermerke informiert werden müssen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG obliegt dem Gemeindewahlausschuss die Leitung der Gemeindewahlen und die Feststellung des Wahlergebnisses. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 KomWO hat der Gemeindewahlausschuss die Wahlniederschriften der Wahlvorstände auf Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit nachzuprüfen. Ergeben sich aus den Wahlniederschriften oder aus sonstigen Gründen Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts, klärt er sie so weit wie möglich auf (§ 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO). Nach § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Nr. 10 KomWO ist es in der Wahlniederschrift zu vermerken, wenn die Zahl der Stimmzettel und der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis nicht übereinstimmen. Die Wahlniederschrift des Wahlvorstandes des Wahlbezirks 101 enthält keinen Hinweis, obwohl am Wahlabend die Zahl der Stimmzettel mit 457 und der Stimmabgabevermerke mit (vermeintlich) 456 nicht übereinstimmten. Weil sich der Wahlvorstand am Morgen des 27.04.2015 an die Herren V. und R. wandte, war diesen die Diskrepanz bewusst, so dass sich „aus sonstigen Gründen“ Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts ergaben und diese den Gemeindewahlausschuss in der Sitzung am Nachmittag des 27.04.2015 hätten informieren müssen, auch wenn sich die Diskrepanz durch die Nachzählung der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis und eine undeutliche Kennzeichnung auf Seite 6 aus ihrer Sicht hatte aufklären lassen. Bei den verletzten Vorschriften handelt es sich um wesentliche Vorschriften im Sinne des § 32 Abs. 1 KomWG (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 11 Rn. 14).
46 
Allerdings konnte das Ergebnis der Wahl durch diese Verstöße nicht beeinflusst werden. Das Gericht hat die Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis des Wahlbezirks 101 nachgeprüft. Dieses enthält 457 Stimmabgabevermerke, was mit der Zahl der Stimmzettel übereinstimmt. Die Diskrepanz zwischen am Wahlabend gezählten 456 und vom Gericht festgestellten 457 Stimmabgabevermerken dürfte allerdings auf einer unrichtigen Addition der Stimmabgabevermerke auf S. 31 des Wählerverzeichnisses beruhen, anstatt auf einer undeutlichen Kennzeichnung auf S. 6. Die bloße Tatsache, dass der im Wählerverzeichnis „abgehakte“ Wähler mit der Nr. 254 in der Gegenliste nicht notiert wurde, führt angesichts der Übereinstimmung der Zahl von Stimmabgabevermerken und Stimmzetteln nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Es ist zudem nicht ersichtlich, wie der Fehler – mangelnde Information des Gemeindewahlausschusses und unrichtige Niederschrift – sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben könnte.
47 
Im Wahlbezirk 103 hat der Wahlvorstand gegen § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Nr. 10 KomWO verstoßen, indem er die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Stimmzettel, der Zahl der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis und der Zahl in der Gegenliste vermerkten Wähler nicht in die Wahlniederschrift aufnahm und statt dessen zwei Stimmzettel zur Seite legte. Dabei handelt es sich auch um wesentliche Vorschriften im Sinne des § 32 Abs. 1 KomWG. Hingegen hat der Gemeindewahlausschuss in seiner Sitzung am 27.04.2015 nicht gegen § 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO verstoßen, weil er von dieser Unstimmigkeit noch nichts wissen konnte. Aus der Niederschrift des Wahlbezirks 103 ergab sich diese Unstimmigkeit nicht. Erst das Landratsamt als Wahlprüfungsbehörde deckte diese Unstimmigkeit auf und der Wahlvorstand nahm mit Erklärung vom 30.04.2015 dazu Stellung. Bei der Sitzung des Gemeindewahlausschusses am 27.04.2015 zur Feststellung des Wahlergebnisses ergaben sich aus der Wahlniederschrift oder aus sonstigen Gründen noch keine Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts. Soweit der Wahlvorstand gegen wesentliche Vorschriften im Sinne des § 32 Abs. 1 KomWG verstoßen hat, konnte das Ergebnis der Wahl durch diesen Verstoß nicht beeinflusst werden. Nach der Erklärung des Wahlvorstandes vom 30.04.2015, die von allen acht Mitgliedern unterschrieben ist, hat es sich um zwei leere, d.h. nicht gekennzeichnete, Stimmzettel gehandelt. Diese ungültigen Stimmzettel konnten das Wahlergebnis nicht beeinflussen. Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit der übereinstimmenden Erklärung des Wahlvorstandes zu zweifeln. Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, sei auf folgendes hingewiesen: Selbst wenn man unterstellt, dass es sich entgegen der Erklärung des Wahlvorstandes um zwei gültige Stimmen zugunsten des weiteren Bewerbers gehandelt hätte, hätte dies das Wahlergebnis nicht beeinflussen können. Denn dann hätte die Beigeladene zu 2 mit 1.729 Stimmen immer noch mehr als die Hälfte (1.728) der dann 3.456 gültigen Stimmen erreicht. Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, dass zwei Wähler jeweils zwei Stimmen für die Beigeladene zu 2 abgegeben haben könnten, wenn ihnen versehentlich zwei Stimmzettel ausgehändigt worden waren, so fehlt dafür jeder konkrete Anhaltspunkt. Der Stimmzettel wurde gefaltet und war einzeln in die Wahlurne einzuwerfen (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 2 KomWO). Wenn zwei Stimmzettel ineinander gefaltet eingeworfen worden wären, so wäre dies spätestens bei der Auszählung bemerkt worden. Selbst wenn man dennoch unterstellt, dass zwei Wähler jeweils zwei Stimmen für die Beigeladene zu 2 abgegeben hätten, konnte dies das Wahlergebnis nicht beeinflussen, weil die Beigeladene zu 2 mit dann noch 1.727 (1.729 - 2) Stimmen immer noch mehr als die Hälfte (1.726) der dann 3.452 gültigen Stimmen erreicht hätte.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Zwar hat die Beigeladene zu 1 einen Antrag gestellt und ist damit ein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Nachdem die Beigeladene zu 1 aber gegen wesentliche Vorschriften zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses verstoßen hat und damit die Ursache für die Wahlanfechtung gesetzt hat, entspricht es nicht der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 aufzuerlegen (vgl. auch Rechtsgedanke des § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG). Die Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt, so dass es ebenfalls nicht der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
49 
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.

Gründe

 
30 
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Durch die ablehnende Einspruchsentscheidung vom 01.06.2015 ist die Klägerin beschwert und möglicherweise in ihren Rechten verletzt. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 31 Abs. 3 KomWG kann der Wahlberechtigte, der Einspruch erhoben hat, ohne Widerspruchsverfahren unmittelbar Verpflichtungsklage erheben.
31 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 01.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, die Wahl des Bürgermeisters der Beigeladenen zu 1 vom 26.04.2015 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
32 
Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG kann gegen die Wahl binnen einer Woche nach der öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses von jedem Wahlberechtigten und von jedem Bewerber Einspruch bei der Rechtsaufsichtsbehörde erhoben werden. Nach § 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG ist der Einspruch eines Wahlberechtigten und eines Bewerbers, der nicht die Verletzung seiner Rechte geltend macht, nur zulässig, wenn ihm 1 vom Hundert der Wahlberechtigten, mindestens jedoch fünf Wahlberechtigte, bei mehr als 10.000 Wahlberechtigten mindestens 100 Wahlberechtigte beitreten.
33 
Diese Voraussetzungen erfüllt der Einspruch der Klägerin, so dass er zulässig ist. Insbesondere sind dem Einspruch 159 Wahlberechtigte beigetreten, so dass das notwendige Quorum von 58 Unterstützern erreicht ist.
34 
Auf einen Einspruch ist nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG eine Bürgermeisterwahl u.a. dann für ungültig zu erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
35 
Es können dabei gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Der gesetzliche Ausschluss von Einspruchsgründen, die nach Ablauf der Frist zur Wahlanfechtung geltend gemacht werden, gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (materielle Präklusion), weil es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Gültigkeit einer Wahl alsbald geklärt wird. Gegenstand der Klage ist nicht unmittelbar die Gültigkeit der angefochtenen Wahl, sondern der auf den zulässigen Einspruch ergangene Einspruchsbescheid. Folglich ist auch die gerichtliche Prüfung auf die fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe beschränkt und nicht auf weitere Anfechtungsgründe zu erstrecken (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -; Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 26.01.2012 - 2 K 2293/11 -; jeweils juris). Der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, muss hinreichend konkretisiert werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2007 – 1 S 567/07 –, juris, Rn. 39). Das im Wahlprüfungsrecht enthaltene Substantiierungsgebot soll sicherstellen, dass das sich auf der Grundlage der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses ergebende Ergebnis nicht vorschnell in Frage gestellt wird und dadurch Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit geweckt werden. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, dürfen deshalb als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (BVerfG, Beschluss vom 12.12.1991 - 2 BvR 562.91 -, BVerfGE 85, 148; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 – 1 S 2570/95 –, juris, Rn. 46, 47).
36 
Im vorliegenden Fall konnte durch die im Einspruch gerügten Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG das Wahlergebnis nicht beeinflusst werden.
37 
Soweit die Klägerin die nichtöffentliche Nachprüfung der Wahl durch die Verwaltungsmitarbeiter V., R. und H. rügt, vermag dies der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn das Wahlergebnis konnte durch diese Nachprüfung nicht im Sinne von § 32 Abs. 1 KomWG beeinflusst werden. Der nach § 32 Abs. 1 KomWG erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, juris, Rn. 29; Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2014, § 32 Rn. 105). Hat bei einer Bürgermeisterwahl einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 10.11.2015 – 5 K 1472/15 –, juris).
38 
Ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses liegt im vorliegenden Fall zwar vor. Insbesondere wurde gegen § 11 Abs. 1 KomWG i.V.m. § 43 Abs. 1 KomWO, § 21 KomWG und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO verstoßen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG obliegt dem Gemeindewahlausschuss die Leitung der Gemeindewahlen und die Feststellung des Wahlergebnisses. Der Gemeindewahlausschuss hat gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 KomWO die Wahlniederschriften der Wahlvorstände auf Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit zu prüfen und dabei die Feststellungen der Wahlvorstände nachzuprüfen. Ergeben sich aus den Wahlniederschriften oder aus sonstigen Gründen Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts, ist es gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO Aufgabe des Gemeindewahlausschusses, diese so weit wie möglich aufzuklären. Gemäß § 21 KomWG sind die Wahlhandlung und die Feststellung des Wahlergebnisses öffentlich. Nach § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO verhandeln und entscheiden die Wahlausschüsse in öffentlicher Sitzung. Die Befugnis zur Feststellung des Wahlergebnisses beinhaltet das Recht des Gemeindewahlausschusses eine Nachzählung der Stimmen anzuordnen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 24.06.1998 - 4 ZB 97.2164 -, juris).
39 
Vorliegend hat der Gemeindewahlausschuss über eine Nachzählung am Morgen des 27.04.2015 zuvor keinen Beschluss gefasst. In dem Hinweis von Herrn H. um 15.30 Uhr am Wahltag auf die Vorprüfung der Wahlunterlagen und dem Schweigen des Gemeindewahlausschusses kann auch kein Auftrag des Gemeindewahlausschusses gesehen werden. Am Wahltag, dem 26.04.2015, traf sich der Gemeindewahlausschuss als Briefwahlvorstand, um die Briefwahlunterlagen auszuzählen, worüber eine Niederschrift als Briefwahlvorstand gefertigt wurde. Eine Sitzung als Gemeindewahlausschuss ist nicht durch ein Protokoll o.ä. belegt. Nach der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1 vom 13.05.2015 hielten sich die Mitglieder des Gemeindewahlausschusses nach der Ermittlung des Briefwahlergebnisses teilweise im Bürgerbüro, teilweise im an das Bürgerbüro angrenzenden Büro von Herrn R. sowie teilweise vor dem Rathaus auf. Es sei seit Jahrzehnten gängige Praxis, die Sitzung des Gemeindewahlausschusses zur Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses auf den Folgetag zu terminieren. Aus dieser Stellungnahme lässt sich schließen, dass der Gemeindewahlausschuss am Wahltag keine Beschlüsse hinsichtlich einer Nachzählung in einer Sitzung getroffen hat. Das Schweigen der Mitglieder des Briefwahlvorstandes/Gemeindewahlausschusses auf den Hinweis von Herrn H. hin kann unter diesen Umständen nicht als Willenserklärung („Auftrag“) verstanden werden, so dass die Nachprüfung durch die Verwaltungsmitarbeiter gegen § 11 Abs. 1 KomWG i.V.m. § 43 Abs. 1 KomWO verstieß. Dadurch, dass die Nachprüfung nicht öffentlich erfolgte, liegt ferner ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz, § 21 KomWG und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO, vor. Denn auch vorbereitende Sitzungen bedürfen der Öffentlichkeit (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 11 Rn. 19). Zudem hätte eine Nachzählung in einer öffentlichen Sitzung erfolgen müssen (vgl. VG Köln, Urteil vom 25.03.2015 - 4 K 7076/14 -, juris). Schließlich spricht Vieles dafür, dass die Nachprüfung gegen das Verwahrungsgebot des § 39 KomWO verstoßen hat. Nach § 39 Abs. 2 KomWO hat der Bürgermeister die vom Wahlvorstand übergebenen Pakete bis zur Vernichtung der Wahlunterlagen zu verwahren. Er hat sicherzustellen, dass die Pakete Unbefugten nicht zugänglich sind. Nach § 39 Abs. 4 KomWO hat der Bürgermeister die Unterlagen auf Anforderung dem Gemeindewahlausschuss sowie der Wahlprüfungsbehörde vorzulegen. Da die Bürgermeisterin hier selbst kandidierte, dürfte entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 3 KomWG der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses bzw. stellvertretende Bürgermeister Herr S. zuständig gewesen sein. Selbst wenn man - wie die Beigeladene zu 1 vorträgt - von einer Delegation an Herrn R. ausgehen sollte, so hätte dieser die Pakete nicht den Herren V. und H. zur Nachzählung zugänglich machen dürfen.
40 
Die verletzten Vorschriften sind wesentlich im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG. Wesentliche Vorschriften sind solche, die entweder die tragenden Grundsätze des Wahlrechts sichern sollen, oder solche, welche die Öffentlichkeit des Verfahrens und korrekte wahlrechtliche Entscheidungen sowie die richtige Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses gewährleisten sollen (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 32 Rn. 97). Die Regelungen der § 21 KomWG, § 21 Abs. 3 KomWO, die die Öffentlichkeit der Ermittlung sowie Feststellung des Ergebnisses der Wahl sichern sollen, sind wesentlich (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 21 Rn. 12, § 32 Rn. 98). Als wesentlich sind auch § 11 Abs. 1 KomWG, § 43 Abs. 1 KomWO anzusehen (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 11 Rn. 14), weil diese die Ordnungsmäßigkeit der Wahl dadurch gewährleisten sollen, dass der Gemeindewahlausschuss selbst die Ermittlung des Wahlergebnisses vornimmt. Die Wesentlichkeit des § 39 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergibt sich daraus, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtmäßigkeit der Wahl erheblich erschüttert werden kann, wenn die verschlossenen Wahlpakete Unbefugten zugänglich sind.
41 
Jedoch konnte das Ergebnis der Wahl durch die Nachprüfung durch die Verwaltungsmitarbeiter nicht beeinflusst werden. Auch bei einem Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz ist die abstrakte Möglichkeit von Manipulationen nicht ausreichend, um die Wahl für ungültig zu erklären; vielmehr ist zu ermitteln, ob die festgestellten Mängel im konkreten Fall Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben konnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.03.2012 - 8 C 7/11 -, juris). Soweit obergerichtliche Rechtsprechung im Einzelfall eine abstrakte Möglichkeit von Manipulationen ausreichen lässt (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.02.2009 - 4 L 364/08 -, juris) oder in jedem Fall die Ungültigkeit der Wahl annimmt (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.12.1990 - 7 A 11827/90 -, juris), folgt das Gericht dem im vorliegenden Fall nicht. Denn vorliegend wurde gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz nicht bei der ersten Ermittlung des Wahlergebnisses in den Wahlvorständen verstoßen, sondern diese hatten bereits ein Ergebnis ermittelt, welches durch die nichtöffentliche Nachprüfung nur überprüft werden sollte. Es lässt sich daher trotz Verstoßes gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz ermitteln, ob im konkreten Fall Auswirkungen auf das Wahlergebnis vorliegen könnten. Der Gemeindewahlausschuss hat das - auch bereits am Wahlabend telefonisch mitgeteilte - Ergebnis in sechs Wahlbezirken und das Briefwahlergebnis unverändert übernommen. Insofern eröffnete die nichtöffentliche Nachprüfung keine Manipulationsmöglichkeiten. Soweit der Gemeindewahlausschuss eine Stimme im Wahlbezirk 507 für gültig erklärt hat, die der Wahlvorstand als ungültig gewertet hatte, war der Gemeindewahlausschuss dazu gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 KomWO befugt. Der Wahlvorstand hat mit Schreiben vom 18.05.2015 bestätigt, dass der Stimmzettel in dieser Form bereits am Wahlabend im Wahllokal vorlag. Insoweit ist nicht ersichtlich, wie eine Manipulation hätte erfolgen können. Zudem ist der Stimmzettel, bei dem die Beigeladene zu 2 angekreuzt und die Berufsbezeichnung des weiteren Bewerbers unterstrichen war, zu Recht als gültig gewertet worden. Denn nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 KomWG sind Stimmen ungültig, wenn die Person des Gewählten auf dem Stimmzettel nicht unzweifelhaft erkennbar ist. Vorliegend ist das Kreuz bei der Beigeladenen zu 2 jedoch eindeutig und somit die gewählte Person unzweifelhaft erkennbar, woran auch die Unterstreichung der Berufsbezeichnung nichts zu ändern vermag. Soweit der Gemeindewahlausschuss eine Stimme, die bei dem weiteren Bewerber einsortiert gewesen sein soll, aber die Kennzeichnung „F. M.“ enthält, als ungültig gewertet hat, belegen zwei Stellungnahmen von Mitgliedern des Wahlvorstandes, dass dieser Stimmzettel am Wahlabend bereits vorhanden war. Die Zahl der gültigen Stimmen und die auf die Bewerber abgegebenen Stimmen konnte durch die nachprüfenden Verwaltungsmitarbeiter allenfalls im Hinblick auf die eine Stimme „F. M.“ verändert werden, weil telefonisch am Wahlabend bereits das Wahlergebnis gemeldet worden war. Selbst wenn man eine theoretisch denkbare Manipulation annehmen sollte, dahingehend, dass die Stimme „F. M.“ sich im Stapel der ungültigen Stimmen befunden hätte, in den Stapel des weiteren Bewerbers verschoben und dafür eine gültige Stimme des weiteren Bewerbers unterschlagen worden wäre, hätte dies das Wahlergebnis nicht verändern können, weil die Beigeladene zu 2 trotzdem mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erreicht hätte (1.729 Stimmen von dann 3.455 gültigen Stimmen).
42 
Ferner hat auch die Rüge der Klägerin, dass die Sitzung des Gemeindewahlausschusses vom 27.04.2015 erst kurzfristig zwölf Minuten vor Sitzungsbeginn ausgehängt wurde, keinen Erfolg. Zwar ist dadurch wohl gegen § 21 Abs. 3 Satz 2 KomWO verstoßen worden. Nach § 21 Abs. 3 Satz 2 KomWO gibt der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses Zeit, Ort und Gegenstand der Sitzung durch Aushang am oder im Eingang des Sitzungsgebäudes mit dem Hinweis bekannt, dass jedermann Zutritt zu der Sitzung hat. Durch Aushang zwölf Minuten vor Sitzungsbeginn ist fraglich, ob eine rechtzeitige Bekanntgabe vorliegt, weil Zuschauer nur durch Zufall davon erfahren können und nur dann, wenn sie sich schon vor Ort befinden. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, wie das Ergebnis der Wahl durch diesen wahrscheinlichen Verstoß beeinflusst werden konnte, zumal 13 Zuschauer einschließlich der Klägerin in der Sitzung anwesend waren.
43 
Die Rüge der Klägerin, dass für das Verschließen der Umschläge für die Stimmzettel die Wahlvorsteher nur teilweise die dafür vorgesehenen Siegelmarken verwendet hätten, wodurch gegen § 39 Abs. 1 KomWG verstoßen worden sei, ist nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG präkludiert. Denn diese Rüge findet im Einspruchsschreiben vom 06.05.2015 keine Erwähnung, sondern wurde erst im Klageverfahren ausgeführt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich dieser Umstand auf das Wahlergebnis auswirken konnte. Dass die Umschläge mit den Stimmzetteln von den Herren V., R. und H. geöffnet wurden, ist unstreitig. Die Kammer brauchte daher auch nicht der Frage nachzugehen, ob die Umschläge am nächsten Tag offen oder verschlossen in den Gemeindewahlausschuss verbracht wurden.
44 
Schließlich bestehen Zweifel, ob die Klägerin mit ihrer Rüge in der Klageschrift, dass die Stimmenanzahl in der Gegenliste und im Wählerverzeichnis in den Wahlbezirken 101 und 103 nicht übereinstimme und somit die Wahlniederschriften unrichtig seien, im Einspruchsverfahren gehört werden kann. Der diesbezügliche Tatsachenvortrag findet sich - zumindest ausdrücklich - nicht in der Einspruchsschrift und wurde nicht innerhalb der einwöchigen Frist vorgebracht. In ihrem Einspruch verweist die Klägerin darauf, dass man davon ausgehen müsse, dass die Auszählung in den Wahllokalen fehlerhaft war, so dass eine öffentliche Nachzählung erforderlich gewesen wäre. Fehlertatbestände müssen zumindest so weit konkretisiert werden, dass sie einer Nachprüfung zugänglich sind (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 31 Rn. 50). Der Einspruchsgrund, die Stimmenauszählung sei fehlerhaft gewesen, ist ohne nähere Darlegung nicht hinreichend konkretisiert. Allerdings dürfen die Anforderungen daran, was ein Einspruchsführer vortragen muss, um eine Überprüfung der Wahl bezogen auf den von ihm beanstandeten Fehler zu erreichen, nicht überspannt werden oder gar Unmögliches gefordert werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 – 1 S 2570/95 –, juris). Vorliegend hatte die Klägerin von den konkreten Unstimmigkeiten bezüglich der Stimmenanzahl und der Wahlniederschriften in den Wahlbezirken 101 und 103 während der Einspruchsfrist noch keine Kenntnis und es ist fraglich, ob von ihr Unmögliches gefordert würde, wenn man eine weitere Konkretisierung der Fehlertatbestände fordern würde. Die Klägerin hat erst am 10.06.2015 um Akteneinsicht nachgesucht, also nach Ablauf der Einspruchsfrist. Allerdings wurde ihr versagt, in die Wahlprüfungsakte, aus der sich die Unregelmäßigkeiten in den Niederschriften der Wahlbezirke 101 und 103 ergeben hätten, Einsicht zu nehmen.
45 
Im Ergebnis kann offen bleiben, ob die Klägerin mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen präkludiert ist. Denn jedenfalls konnte durch diese Unstimmigkeiten das Wahlergebnis nicht im Sinne von § 32 Abs. 1 KomWG beeinflusst werden. Zwar liegt ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG vor. Im Wahlbezirk 101 hätte der Gemeindewahlausschuss über die Abweichung der Zahl der Stimmzettel und der Kontrollvermerke informiert werden müssen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG obliegt dem Gemeindewahlausschuss die Leitung der Gemeindewahlen und die Feststellung des Wahlergebnisses. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 KomWO hat der Gemeindewahlausschuss die Wahlniederschriften der Wahlvorstände auf Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit nachzuprüfen. Ergeben sich aus den Wahlniederschriften oder aus sonstigen Gründen Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts, klärt er sie so weit wie möglich auf (§ 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO). Nach § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Nr. 10 KomWO ist es in der Wahlniederschrift zu vermerken, wenn die Zahl der Stimmzettel und der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis nicht übereinstimmen. Die Wahlniederschrift des Wahlvorstandes des Wahlbezirks 101 enthält keinen Hinweis, obwohl am Wahlabend die Zahl der Stimmzettel mit 457 und der Stimmabgabevermerke mit (vermeintlich) 456 nicht übereinstimmten. Weil sich der Wahlvorstand am Morgen des 27.04.2015 an die Herren V. und R. wandte, war diesen die Diskrepanz bewusst, so dass sich „aus sonstigen Gründen“ Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts ergaben und diese den Gemeindewahlausschuss in der Sitzung am Nachmittag des 27.04.2015 hätten informieren müssen, auch wenn sich die Diskrepanz durch die Nachzählung der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis und eine undeutliche Kennzeichnung auf Seite 6 aus ihrer Sicht hatte aufklären lassen. Bei den verletzten Vorschriften handelt es sich um wesentliche Vorschriften im Sinne des § 32 Abs. 1 KomWG (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 11 Rn. 14).
46 
Allerdings konnte das Ergebnis der Wahl durch diese Verstöße nicht beeinflusst werden. Das Gericht hat die Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis des Wahlbezirks 101 nachgeprüft. Dieses enthält 457 Stimmabgabevermerke, was mit der Zahl der Stimmzettel übereinstimmt. Die Diskrepanz zwischen am Wahlabend gezählten 456 und vom Gericht festgestellten 457 Stimmabgabevermerken dürfte allerdings auf einer unrichtigen Addition der Stimmabgabevermerke auf S. 31 des Wählerverzeichnisses beruhen, anstatt auf einer undeutlichen Kennzeichnung auf S. 6. Die bloße Tatsache, dass der im Wählerverzeichnis „abgehakte“ Wähler mit der Nr. 254 in der Gegenliste nicht notiert wurde, führt angesichts der Übereinstimmung der Zahl von Stimmabgabevermerken und Stimmzetteln nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Es ist zudem nicht ersichtlich, wie der Fehler – mangelnde Information des Gemeindewahlausschusses und unrichtige Niederschrift – sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben könnte.
47 
Im Wahlbezirk 103 hat der Wahlvorstand gegen § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Nr. 10 KomWO verstoßen, indem er die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Stimmzettel, der Zahl der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis und der Zahl in der Gegenliste vermerkten Wähler nicht in die Wahlniederschrift aufnahm und statt dessen zwei Stimmzettel zur Seite legte. Dabei handelt es sich auch um wesentliche Vorschriften im Sinne des § 32 Abs. 1 KomWG. Hingegen hat der Gemeindewahlausschuss in seiner Sitzung am 27.04.2015 nicht gegen § 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO verstoßen, weil er von dieser Unstimmigkeit noch nichts wissen konnte. Aus der Niederschrift des Wahlbezirks 103 ergab sich diese Unstimmigkeit nicht. Erst das Landratsamt als Wahlprüfungsbehörde deckte diese Unstimmigkeit auf und der Wahlvorstand nahm mit Erklärung vom 30.04.2015 dazu Stellung. Bei der Sitzung des Gemeindewahlausschusses am 27.04.2015 zur Feststellung des Wahlergebnisses ergaben sich aus der Wahlniederschrift oder aus sonstigen Gründen noch keine Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts. Soweit der Wahlvorstand gegen wesentliche Vorschriften im Sinne des § 32 Abs. 1 KomWG verstoßen hat, konnte das Ergebnis der Wahl durch diesen Verstoß nicht beeinflusst werden. Nach der Erklärung des Wahlvorstandes vom 30.04.2015, die von allen acht Mitgliedern unterschrieben ist, hat es sich um zwei leere, d.h. nicht gekennzeichnete, Stimmzettel gehandelt. Diese ungültigen Stimmzettel konnten das Wahlergebnis nicht beeinflussen. Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit der übereinstimmenden Erklärung des Wahlvorstandes zu zweifeln. Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, sei auf folgendes hingewiesen: Selbst wenn man unterstellt, dass es sich entgegen der Erklärung des Wahlvorstandes um zwei gültige Stimmen zugunsten des weiteren Bewerbers gehandelt hätte, hätte dies das Wahlergebnis nicht beeinflussen können. Denn dann hätte die Beigeladene zu 2 mit 1.729 Stimmen immer noch mehr als die Hälfte (1.728) der dann 3.456 gültigen Stimmen erreicht. Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, dass zwei Wähler jeweils zwei Stimmen für die Beigeladene zu 2 abgegeben haben könnten, wenn ihnen versehentlich zwei Stimmzettel ausgehändigt worden waren, so fehlt dafür jeder konkrete Anhaltspunkt. Der Stimmzettel wurde gefaltet und war einzeln in die Wahlurne einzuwerfen (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 2 KomWO). Wenn zwei Stimmzettel ineinander gefaltet eingeworfen worden wären, so wäre dies spätestens bei der Auszählung bemerkt worden. Selbst wenn man dennoch unterstellt, dass zwei Wähler jeweils zwei Stimmen für die Beigeladene zu 2 abgegeben hätten, konnte dies das Wahlergebnis nicht beeinflussen, weil die Beigeladene zu 2 mit dann noch 1.727 (1.729 - 2) Stimmen immer noch mehr als die Hälfte (1.726) der dann 3.452 gültigen Stimmen erreicht hätte.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Zwar hat die Beigeladene zu 1 einen Antrag gestellt und ist damit ein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Nachdem die Beigeladene zu 1 aber gegen wesentliche Vorschriften zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses verstoßen hat und damit die Ursache für die Wahlanfechtung gesetzt hat, entspricht es nicht der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 aufzuerlegen (vgl. auch Rechtsgedanke des § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG). Die Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt, so dass es ebenfalls nicht der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
49 
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Juli 2016 - 7 K 3161/15

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Juli 2016 - 7 K 3161/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Juli 2016 - 7 K 3161/15 zitiert 5 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Juli 2016 - 7 K 3161/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Nov. 2015 - 5 K 1472/15

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Tenor Der Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 wird aufgehoben. Das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Stadt X vom 19.04.2015 für ungültig zu

Verwaltungsgericht Köln Urteil, 25. März 2015 - 4 K 7076/14

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Tenor Die Beschlüsse des Rates der Beklagten vom 13. November 2014 (TOP 10.23 III: Gültigerklärung der Ratswahl vom 25. Mai 2014) und vom 30. September 2014 (TOP 10.19.1: Zurückweisung des Einspruchs der Kläger) werden aufgehoben. Der Rat der Beklag

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 07. März 2012 - 8 C 7/11

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Ungültigerklärung der Wahl des Bürgermeisters sowie der Wahl des Rates der Gemeinde Kalletal vom 30. August 2009 im Wahlbe

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 26. Jan. 2012 - 2 K 2293/11

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Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1 Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit einer Bürgermeisterwahl. 2 Am ... fand in der Gemeinde ... die Wahl des hauptamtlichen Bürgermei

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Mai 2007 - 1 S 567/07

bei uns veröffentlicht am 16.05.2007

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert. Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Bekl
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 10. März 2017 - 1 S 1652/16

bei uns veröffentlicht am 10.03.2017

Tenor Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Juli 2016 - 7 K 3161/15 - wird abgelehnt.Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit einer Bürgermeisterwahl.
Am ... fand in der Gemeinde ... die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters statt, für die ausschließlich der Kläger und der Beigeladene - ein Beigeordneter der Gemeinde - kandidierten. Es wurden insgesamt 3.264 gültige Stimmen abgegeben, wovon 3.121 Stimmen auf den Beigeladenen und 112 Stimmen auf den Kläger entfielen. Das amtlich festgestellte Ergebnis der Wahl wurde am ... öffentlich bekanntgemacht.
Der Kläger legte gegen die Bürgermeisterwahl mit Schreiben vom ... Einspruch ein, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er nicht die gleichen Chancen wie sein Mitbewerber gehabt habe. Der Beigeladene habe gar nicht kandidieren wollen. Erst als er von der ... ... dazu ermuntert worden sei, habe er „in letzter Sekunde“ seine Bewerbung eingereicht. Außerdem sei der Beigeladene charakterlich nicht als Bürgermeister geeignet.
Das Landratsamt ... wies den Einspruch des Klägers mit Bescheid vom ... - zugestellt am ... - zurück. Gründe nach § 32 Abs. 1 KomWG, die zu einer Ungültigkeit der Wahl führten, seien nicht erkennbar. Insbesondere sei eine Verletzung der Chancengleichheit nicht feststellbar. Der Umstand, dass der Kläger bei der Kandidatenvorstellung trotz rechtzeitiger Einladung nicht erschienen sei, habe keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Wahl. Auch die Frage, durch welche Motive sich der Beigeladene bei seiner Kandidatur habe leiten lassen, berühre die Rechtmäßigkeit der Wahl nicht. Dass der Beigeladene nach Auffassung des Klägers charakterlich ungeeignet sei, sei unbeachtlich. Der Beigeladene sei vom Gemeindewahlausschuss zur Bürgermeisterwahl zu Recht zugelassen worden, da die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen vorgelegen hätten. Ein Grund für eine Wahlanfechtung könne nicht darin erblickt werden, dass der Kläger von der Partei, in der er Mitglied sei, im Wahlkampf nicht unterstützt worden sei. Erklärungen des Beigeladenen im Zuge der Vorstellung und Wahl zum Beigeordneten der Gemeinde ... im Jahre ... hätten keine Auswirkungen auf die Chancen des Klägers als Bewerber um das Amt des Bürgermeisters. Auch eine mögliche Parteinahme eines ... Landtagsabgeordneten für einen Mitbewerber verstoße weder gegen gesetzliche Bestimmungen des Kommunalwahlrechtes noch gegen die Chancengleichheit der übrigen Wahlbewerber. Die Unterstützung einer politisch tätigen Person für einen der Wahlbewerber sei nicht zu beanstanden. Die Gemeindeverwaltung ... und die Organe der Gemeinde hätten in keiner Weise für einen der Bewerber Partei ergriffen, sondern sich strikt an das Gebot der Neutralität gehalten. Mit seinen Aussagen im Wahlkampf habe der Beigeladene zum Ausdruck gebracht, dass er persönlich und politisch unabhängig sei. Der Beigeladene habe sich nicht dahingehend geäußert, dass er bei seiner Amtsführung nicht das Grundgesetz und die Landesverfassung achten und verteidigen werde.
Der Kläger hat am ... (Montag) Klage erhoben.
Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, der Beigeladene sei befangen, da er seit acht Monaten Stellvertreter des Bürgermeisters sei. Er selbst sei bis zum ... um zehn Uhr der einzige Kandidat gewesen. In Baden-Württemberg sei es nicht üblich, dass sich ein zweiter Kandidat bewerbe, wenn es bereits einen Kandidaten gebe. Der Beigeladene hätte sich erst dann für die Wahl bewerben können, nachdem der Bürgermeister ihn aus seinem bisherigen Amt als erster Beigeordneter entlassen hätte. Es liege ein Verstoß gegen § 32 GemO vor. Es stelle keine gewissenhafte Erfüllung der Amtspflichten dar, wenn der Gemeinderat seinen ersten Beigeordneten nach acht Monaten entlasse, damit dieser sich als Bürgermeister bewerben könne. Der Gemeinderat sowie der frühere Bürgermeister hätten damit gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen. Obwohl er ...-Mitglied sei, habe er im Gegensatz zum Beigeladenen, der keiner Partei angehöre, von der ... ... keinerlei Unterstützung erfahren. Er sei zudem öffentlich bedroht worden und es habe im Internet Verleumdungen bezüglich seiner Person gegeben. Zu Gunsten des Beigeladenen habe eine Wahlbeeinflussung stattgefunden. Der frühere Bürgermeister habe sich öffentlich für eine Wahl des Beigeladenen ausgesprochen und dadurch strafbar gemacht.
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
den Bescheid des Landratsamtes ... vom ... aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde ... vom ... für ungültig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Er führt aus, an der Wählbarkeit des Beigeladenen bestünden auch unter dem Aspekt, dass dieser Beigeordneter der Gemeinde gewesen sei, keine Zweifel. Es liege kein Hinderungsgrund i.S.d. § 46 GemO vor. Im Zeitpunkt der Bewerbung sei eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis weder gesetzlich vorgesehen noch erforderlich gewesen. Beim Amtsantritt als Amtsverweser trete nach § 22 Abs. 3 BeamtStG eine Entlassung aus dem bisherigen Beamtenverhältnis kraft Gesetzes ein. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften sei nicht ersichtlich. Auch ein Verstoß gegen § 32 GemO sei nicht erkennbar. Bewerbungen zur Bürgermeisterwahl seien bis zum Bewerbungsschluss ohne zahlenmäßige Begrenzung zulässig gewesen. Die Reihenfolge des Bewerbereingangs sei bei der Bekanntmachung der zugelassenen Bewerber und bei der Gestaltung der Stimmzettel berücksichtigt worden. Öffentliche Bedrohungen des Klägers seien nicht bekannt. Die durch Gemeinderatsfraktionen erfolgte Ermunterung einzelner Kandidaten, sich zur Kandidatur zu stellen, verletze die Neutralitätspflicht des Gemeinderates nicht. Der seinerzeitige Bürgermeister habe nicht zur Kandidatur „ermuntert“. Im Übrigen nimmt der Beklagte auf die Ausführungen im Bescheid des Landratsamtes ... vom ... Bezug.
12 
Der mit Beschluss vom 21.10.2011 Beigeladene stellt keinen Antrag.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte der Gemeinde ... sowie die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Landratsamtes ... vom ... ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, das beklagte Land zu verpflichten, die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde ... vom ... für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
15 
Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
16 
In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Der gesetzliche Ausschluss von Einspruchsgründen, die nach Ablauf der Frist zur Wahlanfechtung geltend gemacht werden, gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (materielle Präklusion), weil es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Gültigkeit einer Wahl alsbald geklärt wird. Gegenstand der Klage ist nicht unmittelbar die Gültigkeit der angefochtenen Wahl, sondern der auf den zulässigen Einspruch ergangene Einspruchsbescheid. Folglich ist auch die gerichtliche Prüfung auf die fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe beschränkt und nicht auf weitere Anfechtungsgründe zu erstrecken (VGH Bad.-Württ, Urt. v. 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, NVwZ-RR 1992, 261; Urt. v. 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris). Das Gericht ist daher weder auf Antrag des Klägers noch von Amts wegen befugt, neue Anfechtungsgründe zur Grundlage seiner Prüfung und Entscheidung zu machen. Zwar gilt auch in diesem Verfahren der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO), aber nur in dem engen Rahmen des rechtshängigen Sachverhalts, also nur im Rahmen von fristgerecht geltend gemachten Einspruchsgründen; (nur) insoweit können die Parteien neue Beweismittel einführen (VG Freiburg, Urt. v. 06.12.2006 - 2 K 1555/06 -, juris m. w. N.).
17 
Vorliegend steht die Bürgermeisterwahl daher nur im Rahmen der vom Kläger bereits in seinem Einspruchsschreiben vom ... genannten Rügen einer rechtlichen Überprüfung durch das Verwaltungsgericht offen. Der Kläger rügte im Wesentlichen einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht durch den Gemeinderat und den früheren Bürgermeister sowie den Umstand, dass der Beigeladene aufgrund seines Amtes als Beigeordneter der Gemeinde nicht wählbar sowie zudem charakterlich ungeeignet sei.
18 
Es ist nicht ersichtlich, dass insoweit eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung i. S. d. § 32 Abs. 1 KomWG stattgefunden hat.
19 
Nach dem alle Wahlen beherrschenden Grundgedanken dürfen amtliche Befugnisse nicht im Sinn einer Wahlwerbung ausgeübt werden. Amtsträger unterliegen im Wahlkampf daher einer Neutralitätspflicht (vgl. zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.01.1997 - 1 S 1748/96 -, VBlBW 1997, 177; Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 -, VBlBW 1986, 310). Diese Neutralitätspflicht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Die vom Volke ausgehende Willensbildung bei Kommunalwahlen verbietet es, dass amtliche Organe das ihnen aufgrund ihrer amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die ihnen kraft ihrer Ämter gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise nutzen, die mit ihrer der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist; insbesondere dürfen sie sich nicht in amtlicher Funktion mit Wahlbewerbern identifizieren und sie mit öffentlichen Mitteln unterstützen oder bekämpfen. Entscheidend ist folglich eine Trennung von amtlicher Eigenschaft und persönlicher Meinungsäußerung. Mit dem Grundsatz der freien Wahl und dem Gebot der Neutralität der öffentlichen Gewalt im Wahlkampf unvereinbar sind grundsätzlich daher nur Äußerungen eines Amtsinhabers in amtlicher Funktion. Wer sich im Wahlkampf für einen Bewerber einsetzt, darf nicht seine Funktion als Amtsträger missbrauchen und versuchen, hierdurch Einfluss auf die Wählerentscheidung auszuüben. Ebenso wenig darf er durch seinen Einsatz in Widerstreit zu seinen jeweiligen Amtspflichten geraten, wobei jedoch noch nicht pflichtwidrig handelt, wer als einzelnes Mitglied von Gemeinderat oder Wahlausschuss für oder gegen einen Bewerber Partei ergreift (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 06.12.2006, a.a.O.).
20 
Anhaltspunkte dafür, dass der Bürgermeister oder andere Mitglieder des Gemeinderates ... gemessen an diesen Maßstäben die Grenzen zulässiger Wahlwerbung überschritten und damit gegen die ihnen als Amtsträger obliegende Neutralitätspflicht verstoßen hätten, wurden vom Kläger weder substantiiert vorgetragen noch sind diese sonst auch nur ansatzweise ersichtlich. Gründe, die der Wählbarkeit des Beigeladenen entgegenstünden (vgl. § 46 GemO), sind ebenfalls nicht erkennbar.
21 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
22 
Beschluss
23 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 22.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, NVwZ 2004, 1327).
24 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
14 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Landratsamtes ... vom ... ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, das beklagte Land zu verpflichten, die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde ... vom ... für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
15 
Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
16 
In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Der gesetzliche Ausschluss von Einspruchsgründen, die nach Ablauf der Frist zur Wahlanfechtung geltend gemacht werden, gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (materielle Präklusion), weil es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Gültigkeit einer Wahl alsbald geklärt wird. Gegenstand der Klage ist nicht unmittelbar die Gültigkeit der angefochtenen Wahl, sondern der auf den zulässigen Einspruch ergangene Einspruchsbescheid. Folglich ist auch die gerichtliche Prüfung auf die fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe beschränkt und nicht auf weitere Anfechtungsgründe zu erstrecken (VGH Bad.-Württ, Urt. v. 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, NVwZ-RR 1992, 261; Urt. v. 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris). Das Gericht ist daher weder auf Antrag des Klägers noch von Amts wegen befugt, neue Anfechtungsgründe zur Grundlage seiner Prüfung und Entscheidung zu machen. Zwar gilt auch in diesem Verfahren der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO), aber nur in dem engen Rahmen des rechtshängigen Sachverhalts, also nur im Rahmen von fristgerecht geltend gemachten Einspruchsgründen; (nur) insoweit können die Parteien neue Beweismittel einführen (VG Freiburg, Urt. v. 06.12.2006 - 2 K 1555/06 -, juris m. w. N.).
17 
Vorliegend steht die Bürgermeisterwahl daher nur im Rahmen der vom Kläger bereits in seinem Einspruchsschreiben vom ... genannten Rügen einer rechtlichen Überprüfung durch das Verwaltungsgericht offen. Der Kläger rügte im Wesentlichen einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht durch den Gemeinderat und den früheren Bürgermeister sowie den Umstand, dass der Beigeladene aufgrund seines Amtes als Beigeordneter der Gemeinde nicht wählbar sowie zudem charakterlich ungeeignet sei.
18 
Es ist nicht ersichtlich, dass insoweit eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung i. S. d. § 32 Abs. 1 KomWG stattgefunden hat.
19 
Nach dem alle Wahlen beherrschenden Grundgedanken dürfen amtliche Befugnisse nicht im Sinn einer Wahlwerbung ausgeübt werden. Amtsträger unterliegen im Wahlkampf daher einer Neutralitätspflicht (vgl. zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.01.1997 - 1 S 1748/96 -, VBlBW 1997, 177; Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 -, VBlBW 1986, 310). Diese Neutralitätspflicht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Die vom Volke ausgehende Willensbildung bei Kommunalwahlen verbietet es, dass amtliche Organe das ihnen aufgrund ihrer amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die ihnen kraft ihrer Ämter gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise nutzen, die mit ihrer der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist; insbesondere dürfen sie sich nicht in amtlicher Funktion mit Wahlbewerbern identifizieren und sie mit öffentlichen Mitteln unterstützen oder bekämpfen. Entscheidend ist folglich eine Trennung von amtlicher Eigenschaft und persönlicher Meinungsäußerung. Mit dem Grundsatz der freien Wahl und dem Gebot der Neutralität der öffentlichen Gewalt im Wahlkampf unvereinbar sind grundsätzlich daher nur Äußerungen eines Amtsinhabers in amtlicher Funktion. Wer sich im Wahlkampf für einen Bewerber einsetzt, darf nicht seine Funktion als Amtsträger missbrauchen und versuchen, hierdurch Einfluss auf die Wählerentscheidung auszuüben. Ebenso wenig darf er durch seinen Einsatz in Widerstreit zu seinen jeweiligen Amtspflichten geraten, wobei jedoch noch nicht pflichtwidrig handelt, wer als einzelnes Mitglied von Gemeinderat oder Wahlausschuss für oder gegen einen Bewerber Partei ergreift (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 06.12.2006, a.a.O.).
20 
Anhaltspunkte dafür, dass der Bürgermeister oder andere Mitglieder des Gemeinderates ... gemessen an diesen Maßstäben die Grenzen zulässiger Wahlwerbung überschritten und damit gegen die ihnen als Amtsträger obliegende Neutralitätspflicht verstoßen hätten, wurden vom Kläger weder substantiiert vorgetragen noch sind diese sonst auch nur ansatzweise ersichtlich. Gründe, die der Wählbarkeit des Beigeladenen entgegenstünden (vgl. § 46 GemO), sind ebenfalls nicht erkennbar.
21 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
22 
Beschluss
23 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 22.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, NVwZ 2004, 1327).
24 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert.

Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 im Berufungsverfahren je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 in Kappel-Grafenhausen.
Am Freitag, dem 30.06.2006, berichtete die Badischen Zeitung (BZ) unter der Überschrift „Klagen aus dem Gewerbe“ über eine Wahlveranstaltung des Bürgermeisterkandidaten Z. mit Gewerbetreibenden der Gemeinde, und führte aus, dass das Verhalten des Amtsinhabers von Betriebsinhabern teilweise massiv kritisiert worden sei.
Am Samstag, dem 01.07.2006, erschien unter dem Titel „‘Zustimmung, Freundlichkeit’ - K. kontert Vorwürfe“ ein weiterer Artikel in der BZ in Gesprächsform, in dem die Sicht des amtierenden - und zur Wiederwahl stehenden - Bürgermeisters, des Beigeladenen zu 1, wiedergegeben wurde.
Am selben Tag wurden auch vier Leserbriefe in der BZ veröffentlicht, die sich kritisch mit dem Artikel vom 30.06.2006 auseinander setzten.
Unter der Titelzeile „Unverständlich“ wurde ein Leserbrief mit folgendem Wortlaut abgedruckt:
„Der leider von privater Seite verfasste Bericht gegenüber unserem Herrn K. entspricht nicht den Tatsachen.
Es waren nur einzelne Gewerbetreibende von knapp 40, die die Tätigkeit von Herrn K. kritisierten.
Bis jetzt hieß es in beiden Wahlkampfreden, dass ein fairer Wahlkampf betrieben wird, dies geht jedoch weit unter die Gürtellinie. Mit dem Bericht wird auf infame Weise versucht, Bürgermeister K. kurz vor der Wahl zu diskreditieren.
Ich bin der Meinung, dass man es nicht jedem recht machen kann, und dass bei allen zukünftigen Bürgermeistern immer ein Haar in der Suppe gefunden werden kann, wenn man danach sucht.
Mehrere Gewerbetreibende riefen mich als Gewerbevereinsvorsitzender an, dass sie den Artikel überhaupt nicht verstehen können, und mit Herrn K. sehr zufrieden sind. Sie baten mich, eine Gegendarstellung in die BZ und in den Guller zu setzen.
H. U.“
Unter der Zeile „Faires Miteinander“ hieß es:
„Wir auch von der O. GmbH, ... und ..., ... ... in ..., können diesen Bericht nicht nachvollziehen. In der Amtszeit von Herrn Bürgermeister K. war es für uns ein faires wirtschaftliches Miteinander.
W. O., O. GmbH, ...- und ... ...“
Unter der Überschrift „Ist das fair?“ erschien folgender Leserbrief:
10 
„Fair“ und „ehrlich“ sollte die Bewerbung um den Bürgermeisterposten in Kappel-Grafenhausen laufen - so wurde es zwischen den beiden Bewerbern, Amtsinhaber A. K. und dem Konkurrenten J. Z. öffentlich vereinbart. Nun scheinen unterschiedliche Ansichten darüber zu bestehen, was unter „fair“ und „ehrlich verstanden wird.
Manches an der Informationsbeschaffung des Kandidaten Z. im Wahlkampf erscheint mir nicht dem von ihm gesetzten moralischen Maß zu entsprechen.
... B. E., ...“
11 
Ein letzter Leserbrief folgte unter dem Stichwort „Verwundert“:
12 
Über den Bericht in der Badischen Zeitung vom 30. Juni „Klagen aus den Gewerbe“ kann ich, milde ausgedrückt, nur meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. In diesem Bericht wird die Glaubwürdigkeit und Integrität des Amtsinhabers, Herrn Bürgermeister K., in Frage gestellt und ihm meines Erachtens auch Unrecht getan.
G. K., ...“
13 
Bei der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 erhielt der Beigeladene zu 1 1.160 von 2.301 gültigen und damit 50,4% der Stimmen; der unterlegene Bewerber Z. kam auf 1.135 Stimmen, sonstige Bewerber erhielten insgesamt sechs Stimmen. Das Wahlergebnis wurde zunächst am 03.07.2006 bekannt gemacht; die öffentliche Bekanntmachung wurde wegen eines Formfehlers am 14.07.2006 wiederholt.
14 
Am 10.07.2006 erhob der Kläger, ein wahlberechtigter Einwohner der Gemeinde, Einspruch gegen die Wahl und fügte eine Unterschriftenliste mit Beitretenden bei. Zur Begründung machte er geltend, dass eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung mit der Folge der Verletzung elementarer Wahlrechtsgrundsätze wie der Freiheit und Gleichheit der Wahl vorliege. Der stellvertretende Leiter des Wahlprüfungsausschusses, der Zeuge U., habe sich entgegen seiner Pflicht zur Neutralität am Samstag vor der Wahl in einem Leserbrief zugunsten des gewählten Bürgermeisters eingesetzt und darin falsche Behauptungen aufgestellt. Der Brief sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden. Wegen der Veröffentlichung hätten der Bürgermeister und der Zeuge U. massiven Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
15 
Gegenüber dem Landratsamt Ortenaukreis gab der Zeuge U. im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens u.a. an, dass die in der BZ veröffentlichte Stellungnahme von ihm selbst stamme und per E-Mail von seinem eigenen Computer an die Redaktion übermittelt worden sei. Irgendeine vorherige Kontaktaufnahme oder gar eine Absprache mit dem Beigeladenen zu 1 habe es nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1 erklärte gegenüber dem Landratsamt, die Behauptung, der Leserbrief sei von ihm diktiert und im Rathaus geschrieben worden, sei unzutreffend. Die Beigeladene zu 2 teilte dem Landratsamt mit, dass der Bürgermeister-Stellvertreter bei allen Bediensteten in den beiden Rathäusern der Frage nachgegangen sei, ob der Leserbrief im Rathaus geschrieben bzw. vom Bürgermeister diktiert worden sei; alle Befragten hätten dies verneint.
16 
Das Landratsamt Ortenaukreis erklärte mit Wahlprüfungsbescheid vom 03.08.2006 die Bürgermeisterwahl unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche für gültig.
17 
Mit weiterem Bescheid vom 03.08.2006 wies das Landratsamt den Einspruch des Klägers zurück. Der zulässige Einspruch sei nicht begründet. Die gerügte gesetzwidrige Wahlbeeinflussung durch einen Bewerber oder Dritte liege nicht vor. Der Zeuge U. habe mit seinem Leserbrief nicht gegen die den amtlichen Organen obliegende Neutralitätspflicht verstoßen; diese gelte nur für die Gemeindeorgane selbst, nicht aber für deren Mitglieder. Im Übrigen habe der Zeuge U. diesen Brief mit seinem Namen, nicht aber mit Hinweis auf sein Amt als stellvertretendes Mitglied des Gemeindewahlausschusses unterzeichnet. Inhaltlich sei mit dem Leserbrief angesichts der kontroversen Berichterstattung die Grenze der zulässigen Wahlpropaganda und Wahlagitation nicht überschritten worden. Die weitere Rüge, wonach der Brief im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden sei, sei nicht belegt. Nach glaubhafter Darstellung des Zeugen U. habe dieser die Stellungnahme selbst verfasst und per E-Mail vom eigenen Computer an die Redaktion der BZ übermittelt. Auch der Beigeladene zu 1 habe den Vorwurf als falsch bestritten. Nach Stellungnahme der Gemeinde unter Einbeziehung einer Befragung der Bediensteten des Bürgermeisteramtes bestünden ebenso wenig Anhaltspunkte im Sinne des Vorbringens. Nicht nachgewiesen sei weiter der Vorwurf, der Beigeladene zu 1 oder der Zeuge U. hätten Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
18 
Der Kläger hat am 01.09.2006 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere geltend gemacht, dass der fragliche Leserbrief vom Bürgermeister initiiert und diktiert und im Rathaus der Entwurf für den Strohmann U. geschrieben worden sei. Der Bürgermeister habe über die Gemeindeverwaltung z.B. durch E-Mails an den Zeugen U. Einfluss auf diesen ausgeübt, damit der Leserbrief in der BZ abgedruckt werde. Diese amtliche Beeinflussung durch die Gemeindeverwaltung bzw. den Bürgermeister sei auch rechtserheblich gewesen, sie habe das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 sind der Klage entgegengetreten. Die Beigeladene zu 2 hat im laufenden Verfahren schriftliche Stellungnahmen von zwei im Büro des Beigeladenen zu 1 tätigen Bediensteten, darunter die Zeugin F., vorgelegt, die - abweichend von ihren ursprünglichen Einlassungen - bekundet haben, dass am 30.06.2006 auf Geheiß des Beigeladenen zu 1 dort Leserbriefe geschrieben worden seien und deren Veröffentlichung vorbereitet worden sei.
19 
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006, in der der Zeuge U. und die Zeugin F. vernommen worden sind, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung liege bei Berücksichtigung der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe, die den Prüfungsumfang auch des Gerichts beschränkten, nicht vor. Mit seinem Leserbrief habe der Zeuge U., der stellvertretender Beisitzer des Wahlausschusses und Gemeinderat sei, die Grenzen zulässiger Wahlwerbung nicht überschritten. Denn er habe diesen Brief nicht in diesen Funktionen, sondern allein als Gewerbevereinsvorsitzender geschrieben. Als Inhaber eines Ehrenamtes könne er nicht von Äußerungen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeschlossen werden. Auch im Hinblick auf die Autorenschaft des fraglichen Leserbriefs sei eine gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung nicht festzustellen. Objektiv unrichtig seien Tatsachenbehauptungen zwar nicht nur dann, wenn sie inhaltlich falsch seien, sondern auch in Fällen, in denen der Wähler über den Urheber einer Äußerung im Wahlkampf getäuscht werde; denn die Bewertung einer solchen Äußerung hänge entscheidend auch davon ab, von wem sie stamme. Der Zeuge U. sei jedoch in rechtlicher Hinsicht als Urheber des mit seinem Namen unterzeichneten Leserbriefs anzusehen. Die Beweisaufnahme habe zwar ergeben, dass der Beigeladene zu 1 einen erheblichen Beitrag an der Entstehung und am Inhalt des Leserbriefs habe, der Zeuge U. habe sich den Inhalt des Briefs jedoch vollständig zu eigen gemacht. Er habe nämlich ein persönliches Interesse daran gehabt, dem seiner Auffassung nach durch den Bericht entstandenen falschen Anschein, die Gewerbetreibenden insgesamt und auch er als der Vereinsvorsitzende sei dem amtierenden Bürgermeister gegenüber kritisch eingestellt, durch eine eigene veröffentlichte Stellungnahme entgegenzutreten. Des Weiteren habe der Zeuge U. den aus dem Rathaus stammenden Entwurf nicht unbesehen übernommen, sondern um eigene Passagen ergänzt. Da der Zeuge U. somit als Urheber des Leserbriefs anzusehen sei, liege allein darin, dass ohne ein Eingreifen des Beigeladenen zu 1 der Leserbrief vermutlich mit anderem Wortlaut, möglicherweise aber auch gar nicht, erschienen wäre, keine rechtserhebliche Täuschung des Wählers. Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1 den Entwurf für den Leserbrief durch eine Angestellte des Rathauses habe schreiben und mailen lassen. Es spreche vieles dafür, dass eine unparteiische Amtsführung es gebiete, Einrichtungen und Bedienstete der Gemeindeverwaltung nicht für Wahlpropaganda zu verwenden. Ein Textbeitrag von sechs Zeilen, der von der Angestellten zudem lediglich nach Diktat geschrieben, nicht aber entworfen worden sei, reiche dafür jedenfalls nicht aus, da einem derart geringen Beitrag die Eignung dafür fehle, die Wahl zu beeinflussen.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 07.03.2007 - 1 S 182/07 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen, wonach der Zeuge U. als Unterzeichner des Leserbriefs lediglich vorgeschoben worden sei und die Wähler dadurch über den wahren Urheber getäuscht worden seien. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1 habe den Leserbrief initiiert, der Zeuge U. habe den per E-Mail übermittelten Entwurf in zentralen Aussagen übernommen, so dass amtliche Stellen bei der Veröffentlichung eine ausschlaggebende Rolle gespielt hätten. Es reiche nicht aus, dass der Zeuge U. bekräftigt habe, dass es sein Leserbrief gewesen sei und er inhaltlich voll dahinter stehe; eine formale Autorenschaft genüge nicht. Schließlich gehe es nicht an, den unzulässigen amtlichen Einfluss des Bürgermeisters angesichts des knappen Wahlergebnisses zu verharmlosen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
26 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Er trägt vor: Zutreffend sei im angefochtenen Urteil festgestellt worden, dass der Zeuge U. „wahrer Urheber“ des Leserbriefs gewesen sei; er habe dessen Inhalt und Form selbst verantwortet. Im Übrigen komme es nicht darauf an, wer der geistige Urheber eines Leserbriefs im Wahlkampf sei; entscheidend sei allein, wer durch seine Unterschrift die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Text dokumentiere und damit die inhaltliche Verantwortung für das Druckwerk gegenüber der Öffentlichkeit und der Wählerschaft übernehme. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht sei rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie in den öffentlichen Raum hineinwirke und zu einer Beeinflussung des Wählerwillens führen könne. Demgegenüber seien Verstöße, die rein verwaltungsintern blieben und keine Auswirkungen auf den Wählerwillen haben könnten, irrelevant. Außerdem müssten die Verstöße von solchem Gewicht sein, dass eine unzulässige Beeinflussung des Wahlergebnisses durch sie möglich sei. Dies habe das angefochtene Urteil bezüglich des völlig untergeordneten Beitrags der Zeugin F. zutreffend verneint.
29 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
30 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
31 
Sie trägt vor: Der Beigeladene zu 1 habe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Leserbriefs Gemeindebedienstete für seine Wahlkampfzwecke eingesetzt und dadurch unter Verletzung der ihm insoweit obliegenden Neutralitätspflicht eine gesetzeswidrige Wahlbeeinflussung begangen. Angesichts des knappen Stimmenvorsprungs des Beigeladenen zu 1 sei auch anzunehmen, dass dieser Wahlfehler Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben könnte.
32 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin F.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 wird aufgehoben. Das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Stadt X vom 19.04.2015 für ungültig zu erklären und auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind.

Die Gerichtskosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen das beklagte Land zur Hälfte und die Beigeladenen zu 1 und 2 zu je einem Viertel. Das beklagte Land und die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des beklagten Landes, eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären.
Die beigeladene Stadt bestimmte laut Bekanntmachung in ihrem Amtsblatt ("Stadtzeitung") vom 13.02.2015 den 19.04.2015 als Tag der Wahl des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin. Neben dem Beigeladenen zu 2, der amtierender Bürgermeister war, bewarb sich u.a. auch die Klägerin.
In der Ausgabe des Amtsblatts vom 13.03.2015 erschien auf den Seiten 5 und 6 ein Bericht, verfasst von X, Journalist des "netzwerks Südbaden“ „mit“ Bürgermeister X zum Thema "In X wird kräftig investiert“. Darin heißt es auszugsweise:
"Im April stellt sich Xs Bürgermeister X (58) noch einmal zur Wahl. Zum vierten Mal will der gebürtige Schwabe Stadtoberhaupt der alten Zähringerstadt werden und dagegen spricht rein gar nichts. Seit 1991, seit X zum ersten Mal zum Bürgermeister der Stadt gewählt wurde - der Xgrößten im Landkreis X, ist X auf einem ziemlich strikten Erfolgskurs. … Erst in diesen Tagen hat eine Meldung über eine neue Industrieansiedlung in der 12.000 Einwohner Stadt Schlagzeilen gemacht. Das ambitionierte schweizerisch deutsche Möbelunternehmen X … hat ein 16 ha großes Industriegebiet auf Xer Markung erworben. … Für die Gemeinde und Bürgermeister X ist der Deal mit X einerseits ein Glücksfall, andererseits wohl auch ein Erfolg geschickter kommunaler Wirtschaftspolitik. Ursprünglich hatte der international aufgestellte Automobilzulieferer X 1970 in X ein 60 ha großes Industriegebiet erworben. 3000 Arbeitsplätze, so die Planung damals, sollten hier im X entstehen. Das Projekt wurde eingedampft: Heute sind 600 Mitarbeiter bei der Nachfolgefirma… in X tätig, die Gemeinde erwarb 25 ha aus dem Grundstücksgeschäft wieder zurück. Kein schlechtes Geschäft. Es gelang X, auf einen Teil des Areals neben der deutschlandweit X Bäckerei X… die Firmen… anzusiedeln... X, der auch Wirtschaftsförderer der Stadt ist ("Die Unternehmer wollen mit dem Bürgermeister reden, deshalb mache ich das lieber selbst“), ist jedenfalls zufrieden … Es gibt spezielle Programme, um die Abgänger von Xer Schulen … für eine Ausbildung vor Ort zu interessieren. Durchaus mit Erfolg, sagt Bürgermeister X. … Dabei war Xs Weg zu einer der erfolgreichsten Städte in Südbaden keineswegs programmiert, im Gegenteil. … Heute steht die Stadt vor der Herausforderung, im Wettbewerb der Kommunen auch eine gewichtige Rolle zu spielen. X, übrigens auch Teamchef der Deutschen Fußballnationalmannschaft der Bürgermeister und Inhaber einer Trainer-A-Lizenz, sieht das sportlich: Bis 2022, dann kommt eine Landesgartenschau nach X, wird die Stadt wieder an den Rhein gerückt sein. Es ist ein Mammutprojekt, eng verzahnt mit der Weiterentwicklung des Integrierten Rheinprogramms … In der Innenstadt wird derzeit ein über 3000 m² großes Areal entwickelt, das sich im Besitz der Stadt befindet – zur Zeit sind allerdings noch die Archäologen dabei, die historische Substanz zu erkunden. Projektentwickler ist der Bürgermeister, der sich auf der jüngsten Immobilienmesse ExpoReal schon mal umgeschaut hat, welcher Einzelhändler als Publikumsmagnet nach X mit seiner ganz besonderen Stadtstruktur passen könnte. …“
Der Ausgabe des Amtsblatts vom 17.04.2015 lag eine vierseitige Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 bei. Das Titelblatt zeigt sein Bild mit den Worten: „X“, „Bürgermeister“ „Gemeinsam und weiter erfolgreich in die Zukunft“. Die Broschüre, die kein Impressum enthält, schließt mit den Worten „Ihr X, Bürgermeister“.
Bei der Wahl am 19.04.2015 gaben laut der öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses im Amtsblatt vom 24.04.2015 von 9.470 Wahlberechtigten 4190 (44,25 %) ihre Stimme ab. 23 Stimmen waren ungültig, 4.167 Stimmen waren gültig. Es entfielen auf den Beigeladenen zu 2 2.456 (58,94 %), auf die Klägerin 1.552 (37,25%), auf den weiteren Bewerber X 156 (3,46 %) und auf sonstige Personen 15 gültige Stimmen.
Die Klägerin erhob am 30.04.2015 Einspruch und trug vor: Bei dem Bericht in der „Stadtzeitung“ vom 13.03.2015 handele es sich um eine unzulässige Wahlbeeinflussung, weil dieser Bericht offenkundig eine Wahlempfehlung in amtlicher Eigenschaft darstelle. Dafür spreche das Medium Amtsblatt, die Verantwortlichkeit des Beigeladenen zu 2 für die Stadtzeitung und seine Nennung als Mitverantwortlicher für die Berichterstattung. In dem Bericht würden die Grenzen einer zulässigen Öffentlichkeitsarbeit überschritten. Hinzu komme, dass der Bericht anders als andere im Stadtanzeiger enthaltenen Berichte keine bzw. kaum aktuelle Geschehnisse zum Gegenstand habe. Der darin liegende Verstoß gegen das Neutralitätsgebot werde dadurch verstärkt, dass ihr Wunsch vom 07.04.2015 um Veröffentlichung eines werbenden Textes im Amtsblatt von einer Mitarbeiterin der Stabsstelle des Bürgermeisters mit einem Vorschlag zur neutralen Veröffentlichung beantwortet worden sei. Daran zeige sich, dass die beigeladene Stadt nur zum Vorteil des Amtsinhabers werbende Veröffentlichungen im Amtsblatt gestattet habe. Nach alldem könne dahinstehen, ob auch die dem Amtsblatt vom 07.04.2015 beigefügte Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 gegen das Neutralitätsgebot verstoße. Dafür spreche allerdings schon die enge räumliche Verbindung von Broschüre und Amtsblatt und der Umstand, dass der Broschüre kein Impressum beigefügt gewesen sei. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen über die Wahlzeit und eine rechtswidrige Wahlbeeinflussung liege darin, dass auf der Homepage der beigeladenen Stadt am Wahltag in der Zeit zwischen 16:00 Uhr und 17:51 Uhr in Fettdruck zu lesen gewesen sei:
"Keiner der Bewerber hat die notwendige Mehrheit von über 50 % der gültigen Stimmen erreicht.
Die Neuwahl findet am 3.5.2015 statt.“
Darunter seien unter der Überschrift „TEST Ergebnis der Bewerber TEST“ unter einem Balkendiagramm mit Prozentangaben auch eine Tabelle mit Stimmergebnissen und eine Wahlstatistik gezeigt worden. Damit habe die Beigeladene zu 1 gegen ihre Verpflichtung verstoßen, während der Wahlzeit (bis 18:00 Uhr) die Veröffentlichung von (angeblichen) Wahlergebnissen zu unterlassen. Es sei nicht auszuschließen, dass ein unbefangener, flüchtiger Leser übersehen hätte, dass es sich nur um ein Testbild gehandelt habe, und deshalb zur Auffassung gelangt sei, dass es auf seine Stimme nicht mehr entscheidend ankomme, weil sowieso eine Neuwahl stattfinden müsse. Denkbar sei auch, dass Wähler den Eindruck erhalten hätten, die Entscheidung könne knapp zulasten des Beigeladenen zu 2 ausgehen und nur deshalb in der verbleibenden Wahlzeit noch ihre Stimme abgegeben hätten. Durch diese Vorabveröffentlichung habe die Beigeladene zu 1 auch gegen das Verbot unzulässiger Wahlpropaganda in und nahe der Wahlräume verstoßen. Schließlich habe die Beigeladene zu 1 gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Wahl verstoßen, indem der Wahlvorstand des Wahllokals 5 (Kreisgymnasium) bei der Auszählung der Stimmen mehrere Wähler angewiesen habe, 4 bis 5 m von den Zähltischen Abstand zu halten; denn dadurch hätten die Zeugen die Auszählung der Stimmen nicht einsehen können. Die geltend gemachten Verstöße seien auch jeweils erheblich. Insoweit genüge ein möglicher, nicht ganz fernliegender Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Ein solcher Zusammenhang sei bei einer unzulässigen Wahlbeeinflussung regelmäßig anzunehmen, wenn es dafür keine gegenteiligen Anhaltspunkte gebe. Hinsichtlich des Verstoßes gegen die Öffentlichkeit der Stimmauszählung sei insoweit von Bedeutung, dass sie im Wahlbezirk 5 mit lediglich 32 % der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis erhalten habe, während der Beigeladene zu 2 dort außergewöhnlich gut abgeschnitten habe.
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Die beigeladene Stadt nahm am 15.05.2015 wie folgt Stellung: Der Bericht im Amtsblatt vom 13.03.2015 sei in dessen redaktionellem Teil erschienen. Verantwortlich für diesen Teil sei ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Es handele sich um einen Bericht über ein Gespräch des genannten Journalisten mit dem Beigeladenen zu 2 zur wirtschaftlichen Situation und Entwicklung von X, das im Januar 2015 stattgefunden habe und in der Februarausgabe von „X“ veröffentlicht worden sei. Zu der Wiedergabe eines Test-Wahlergebnisses sei es wie folgt gekommen: Ab 16.30 Uhr sei auf der Homepage der Stadt ein Link freigeschaltet gewesen. Statt des vorgesehenen Textes „das Ergebnis der Bürgermeisterwahl können sie am 19.04.2015 ab ca. 19:00 Uhr hier abrufen“ sei ein nicht gelöschtes Testergebnis gezeigt worden. Der von der Klägerin vorgelegte Screenshot sei unvollständig. Am obersten Rand des Bildschirms sei (ebenfalls) in großen Buchstaben zweimal das Wort Test erschienen. Der Fehler habe um 17:05 Uhr behoben werden können. Das Bild sei insgesamt 28 mal extern aufgerufen worden. Der Einspruch der Klägerin sei unzulässig. Sie mache nicht die Verletzung eigener Rechte geltend, sondern rüge nur objektiv-rechtliche Verstöße. Der Einspruch sei im Übrigen auch unbegründet. Der Artikel in der „Stadtzeitung“ vom 13.03.2015 könne die Wahl nicht unzulässig beeinflusst haben, weil er vom Wahltermin zu weit entfernt gewesen sei. Damals sei der Beigeladene zu 2 noch der einzige Bewerber gewesen. Der Artikel sei zudem sachlich, neutral, frei von Wahlwerbung und Wahlkampfpolemik. Auch die Verteilung des Wahlprospekts des Beigeladene zu 2 mit der „Stadtzeitung“ vom 17.04.2015 über den X Verlag sei nicht zu beanstanden. Diese Praxis sei von einem Gemeinderatsbeschluss aus dem Dezember 1992 gedeckt. Die versehentliche Veröffentlichung eines Test-Wahlergebnisses auf der Homepage der Stadt sei dem Themenkreis der Bekanntmachung des Wahlergebnisses zuzurechnen. Fehler dabei könnten bei der Anfechtung der Wahl nicht gerügt werden. Es habe sich auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung gehandelt. Bei der Auszählung der Stimmen sei die Öffentlichkeit gewahrt worden. Die Mitglieder des Wahlausschusses hätten Beobachter der Auszählung auf einen zulässigen Mindestabstand von 2 bis 3 m verwiesen. Die geltend gemachten Verstöße wären auch nicht erheblich.
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Auf Nachfrage des Landratsamts teilte der Beigeladene zu 2 laut einem Vermerk des Landratsamts vom 22.05.2015 telefonisch mit, dass er die Kosten für den Druck und die Verteilung seines Wahlprospekts aus eigenen Mitteln getragen habe und legte insoweit an ihn ausgestellte Rechnungen vor.
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Mit Bescheid vom 02.06.2015 wies das Landratsamt den Einspruch der Klägerin zurück und führte aus: Der Einspruch sei zulässig. Die Klägerin mache die Verletzung eigener Rechte geltend. Der Einspruch sei aber nicht begründet. Mit dem Bericht „In X wird kräftig investiert“ sei allerdings gegen den Grundsatz der freien Wahl, die daraus folgende Neutralitätspflicht des Bürgermeisters und das Gebot der Chancengleichheit verstoßen worden. Der Bericht sei nicht ausschließlich neutral gehalten und sachbezogen. Zahlreiche Äußerungen darin seien als positiv gegenüber dem amtierenden und wieder kandidierenden Beigeladenen zu 2 einzuordnen, es sei auch nicht auszuschließen, dass dies auch als Werbung für den Verbleib des bisherigen Bürgermeisters verstanden werde. Die Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit seien insoweit überschritten. Es bestehe aber nicht die - erforderliche - konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit, dass dieser Wahlfehler das Wahlergebnis beeinflusst habe. Dazu sei der Vorsprung des Beigeladenen zu 2 mit 904 Stimmen zum Ergebnis der Klägerin zu groß; auch habe er die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit von 2.084 Stimmen um 372 Stimmen nicht nur knapp übertroffen. Dass dieses deutliche Wahlergebnis auf den festgestellten Wahlfehler zurückzuführen sei, sei damit eine allenfalls theoretische und äußerst fernliegende Möglichkeit. Auch sei der Bericht mehr als fünf Wochen vor der Wahl zu einem Zeitpunkt erschienen, als sich noch keine weiteren Bewerber gemeldet gehabt hätten; es erscheine als sehr fraglich, ob der Bericht dem Wähler bei der Stimmabgabe in Anbetracht der geänderten Bewerberkonstellation und des sich anschließenden Wahlkampfs noch in Erinnerung gewesen war. Zudem entspreche es der Lebenserfahrung, dass zahlreiche Wähler bis kurz vor der Wahl relativ offen seien und sich erst zuletzt (spontan) entschieden, ob und ggf. welchen Bewerber oder welche Bewerberin sie überhaupt wählten. Die weiteren gerügten Wahlmängel lägen nicht vor. Die Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit der Ausgabe der „Stadtzeitung“ vom 17.04.2015 habe nicht gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Diese Wahlbroschüre habe nicht den Eindruck eines amtlichen Schriftstücks erweckt. Sie sei von dem Beschluss des Gemeinderats vom 07.02.1992 gedeckt, der zulasse, dass in der „Stadtzeitung“ Wahlwerbung in Anzeigen- oder Beilagenform vor den anstehenden Wahlterminen aufgenommen werden dürften. Auch habe der Beigeladene zu 2 die Wahlbroschüre selbst in Auftrag gegeben und deren Verteilung bezahlt. Soweit erkennbar, sei die Wahlbroschüre damit auch nicht durch den Einsatz persönlicher oder sachlicher Mittel der Beigeladenen zu 1 verteilt worden. Von der Veröffentlichung eines Testwahlergebnisses seien die Vorschriften über die Wahlzeit nicht berührt. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Veröffentlichung objektiv geeignet gewesen sei, den Wählerwillen zu beeinflussen, weil es als Testbild und nicht als Wiedergabe eines amtlichen (Zwischen-)Ergebnisses erkennbar gewesen sei. In der Veröffentlichung des Testbilds liege auch keine unzulässige Wahlpropaganda. Schließlich ergebe sich aus der Wahlniederschrift des Wahlvorstands im Wahlbezirk 5 und aus den Angaben der Beigeladenen nicht, dass die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen verletzt worden seien.
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Die Klägerin hat am 01.07.2015 Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor: Auch die gemeinsame Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit der Ausgabe des Amtsblatts der Beigeladenen zu 1 vom 17.04 2015 sei rechtswidrig gewesen. Es verstoße gegen das Neutralitätsgebot, dass diese Möglichkeit nicht jedem Kandidaten in gleicher Weise zur Verfügung gestanden habe. Der vorgelegte Gemeinderatsbeschluss beziehe sich nicht auf den Vertrag mit dem X Verlag. Er betreffe auch nur Parteien und Gruppierungen, nicht aber Kandidaten für eine Bürgermeisterwahl. Dementsprechend seien die anderen Kandidaten auch nicht über eine solche Möglichkeit informiert worden. Gegen das Neutralitätsgebot verstoße auch, dass die Wahlbroschüre vor allem wegen der wiederholten Nennung der Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ und auch wegen der darin angegebenen e-mail Adresse „[email protected]“ den Eindruck habe erwecken müssen, dass es sich bei der Beilage um eine amtliche Information handele. Nach Aktenlage sei zudem davon auszugehen, dass die Wahlbeilage nicht von dem Beigeladenen zu 2 persönlich, sondern durch öffentliche Mittel finanziert worden sei. Mit diesem Einwand sei sie auch nicht präkludiert, es reiche vielmehr aus, dass sie mit ihrem Einspruch auch die Verteilung der Wahlbroschüre mit dem Amtsblatt gerügt habe. Die vorgelegten Rechnungen seien erst nach der Wahl erstellt worden; in der Rechnung des X Verlags sei zudem als Datum der Bestellung der 13.05.2015 angegeben. Dies alles begründe den Anschein, dass der Beigeladene zu 2 vereinbart habe oder stillschweigend davon ausgegangen sei, dass die Verteilung der Prospekte für ihn kostenfrei sei. Dass bei der Auszählung der Stimmen im Wahlbezirk 5 von dem Stadtrat X. und von Frau X. angewiesen worden sei, von dem Auszähltisch einen Abstand von 4 bis 5 m einzuhalten, könne von mehreren Zeugen bestätigt werden. Auch dieser Wahlfehler führe zur Ungültigkeit der Wahl. Ob eine Stimmenmehrheit von 372 Stimmen deutlich oder weniger deutlich sei, hänge vom Stimmenverhältnis und von der Wahlbeteiligung ab. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Bericht in der „Stadtzeitung“ allen Haushalten und damit allen Wählern zugegangen sei. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei eine Ursächlichkeit eines Wahlfehlers bei einem vergleichbaren Ergebnis angenommen worden. Der zeitliche Abstand des Wahlfehlers zum Wahltag ändere daran nichts, zumal den Wählern der Artikel durch einen kritischen Leserbrief in der Badischen Zeitung vom 10.04.2015 nochmals in Erinnerung gerufen worden sei. In der Rechtsprechung werde davon ausgegangen, dass das Gebot äußerster Zurückhaltung amtlicher Organe mit der Bestimmung des Wahltags bzw. für einen Zeitraum von drei Monaten bis zum Wahltag gelte. Überhaupt werde bei einer unzulässigen Wahlbeeinflussung ohne weiteres die konkrete Möglichkeit der Erheblichkeit des Wahlfehlers angenommen. Gleiches gelte hinsichtlich der gemeinsamen Verteilung von Amtsblatt und Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 und auch hinsichtlich der Veröffentlichung des Testwahlergebnisses. Insoweit treffe - was Zeugenaussagen und eine von der Klägerin eingeholte gutachterliche Stellungnahme des Informatikers X. vom 04.08.2015 erweisen würden - nicht zu, dass diese nur bis 17:05 Uhr abrufbar gewesen sei.
14 
Die Klägerin beantragt,
15 
den Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl der Stadt X vom 19.04.2015 für ungültig zu erklären und auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind,
16 
hilfsweise, den Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, das Ergebnis der Bürgermeisterwahl neu festzustellen und auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind,
17 
weiter hilfsweise, den Ergänzungsbescheid vom 02.11.2015 aufzuheben das beklagte Land zu verpflichten, auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind.
18 
Das beklagte Land und die Beigeladenen zu 1 beantragen,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Das beklagte Land verteidigt den angefochtenen Bescheid.
21 
Die Beigeladene zu 1 trägt ergänzend vor: Der Bericht im Amtsblatt vom 13.03.2015 sei keine unzulässige Wahlwerbung gewesen. Es handele sich um zulässige Öffentlichkeitsarbeit, mit der auf die erfolgreiche Entwicklung der Stadt hingewiesen werde. In der Gesamtschau werde der Beigeladene zu 2 zwar lobend erwähnt, stehe aber nicht derart im Vordergrund, dass der gesamte Artikel als persönlicher Erfolgsbericht und Wahlempfehlung erscheine. Es fehle auch, was in der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefordert werde, an einer Häufung von Anzeigen und Erfolgsberichten in der Wahlkampfzeit, die zu jenem Zeitpunkt mangels weiterer Bewerber noch gar nicht begonnen gehabt habe. Die gemeinsame Verteilung von Amtsblatt und Wahlbroschüre sei nach dem erwähnten Gemeinderatsbeschluss und der Praxis seit 1992 auch Einzelpersonen offen gestanden. Auf diese Möglichkeit habe sie die Klägerin nicht gesondert hinweisen müssen; insoweit habe ihr Verweis auf den X Verlag genügt. Die Annahme der Klägerin, die Wahlbroschüre habe den Eindruck erweckt, eine amtliche Bekanntmachung zu sein, liege fern. Der Beigeladene zu 2 habe die Wahlbroschüre privat organisiert, bestellt und bezahlt. Das zeigten die vorgelegten Rechnungen. Durch die - kurzfristige - Veröffentlichung von Testergebnissen könne nicht gegen die Bestimmungen über die Wahlzeit verstoßen werden; im Übrigen habe dadurch auch nicht der Wählerwille beeinflusst werden können. Der insoweit auch erhobene Vorwurf einer unzulässigen Wahlpropaganda in der Nähe des Wahllokals sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen habe die Klägerin selbst am Wahltag auf ihrer Facebook-Seite mit folgendem Aufruf um Stimmen geworben: „Die Wahllokale haben noch 1 h geöffnet. Wir können es schaffen. Die Sensation ist möglich.“ Die geltend gemachten Wahlmängel wären auch nicht erheblich. Für den Bericht im Amtsblatt vom 13.03.2015 folge dies aus dem deutlichen Vorsprung des Beigeladenen zu 2.
22 
Mit Bescheid vom 02.11.2015 hat das Landratsamt den angefochtenen Bescheid vom 02.06.2015 ergänzt um die Entscheidung, dass die der Klägerin im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen Aufwendungen von der Beigeladenen zu 1 nicht zu erstatten seien. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ob und im welchem Umfang die Aufwendungen des Einsprechenden zu erstatten seien, entscheide die Rechtsaufsichtsbehörde nach ihrem Ermessen. Von den vier gerügten Wahlfehlern habe nur einer vorgelegen; dieser sei aber nicht für das Ergebnis der Wahl erheblich gewesen. In Anbetracht des gesamten Wahlvorgangs sei dieser Fehler als geringfügig zu bewerten.
23 
Der Kammer liegt ein Heft Akten des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vor.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG) und auch sonst zulässig. Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO); denn sie macht die Verletzung ihrer Rechte als Bewerberin geltend; deshalb bedurfte es für ihren fristgerechten Einspruch (§ 31 Abs. 1 KomWG) auch nicht des Beitritts weiterer Wahlberechtigter (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG). Ein Widerspruchsverfahren war nicht geboten (§ 31 Abs. 3 KomWG).
25 
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Wahlprüfungsbescheid in der Fassung des Ergänzungsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; denn die Klägerin kann beanspruchen, dass das beklagte Land die Wahl für ungültig erklärt und dass ihr die notwendigen Aufwendungen im Einspruchsverfahren von der Beigeladenen zu 1 erstattet werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
Die Wahl ist gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG u.a. dann für ungültig zu erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
27 
Zu Recht hat schon das Landratsamt in dem erwähnten, vom Beigeladenen zu 2 mitverfassten Beitrag im Amtsblatt vom 13.03.2015 eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinn von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG gesehen. Verstoßen wurde dadurch gegen die Wahlgrundsätze der freien und der gleichen Wahl (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 GemO), wovon das Recht auf Chancengleichheit und das Gebot der Neutralität staatlicher Stellen im Wahlkampf umfasst ist.
28 
Eine von den Organen der Gemeinde im Wahlkampf ausgehende Beeinflussung der Wähler zugunsten oder zum Nachteil eines Bewerbers stellt insbesondere dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, wenn dies unter Inanspruchnahme des Amtsblatts geschieht. Denn das Amtsblatt ist das amtliche Verkündungsorgan der Gemeinde und muss daher dem Gebot parteipolitischer Neutralität in besonderem Maße Rechnung tragen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423 m.w.N.).
29 
Dies gilt auch und insbesondere für jegliche, auf den ersten Blick neutrale Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichten. So ist etwa die Wiedergabe einer Rede (eines Rechenschaftsberichts) des kandidierenden Bürgermeisters vor dem Gemeinderat im Amtsblatt, zehn Tage vor dem Wahltag, als eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewertet worden, obwohl diese Rede durchaus ausgewogen auch den Anteil des Stadtrats und der Vereine an der positiven Entwicklung der Gemeinde betont hatte (VG Meiningen, Urt. v. 24.10.2006 - 2 K 444/06 - juris, Rdnr. 38 ff.).
30 
Der hier zu beurteilende Artikel geht über eine solche auf den ersten Blick neutrale (und dennoch bereits unzulässige) Öffentlichkeitsarbeit noch weit hinaus, weil er die - vor allem wirtschaftlichen - Erfolge der Stadt während der zurückliegenden Amtsperioden des Beigeladenen zu 2 im Wesentlichen auf ihn allein zurückführt, ihm für die angeführten Aufgaben der Stadt in der Zukunft eine gleichsam alleinige Lösungskompetenz zuspricht und ihn zudem gleich zu Beginn ausdrücklich zur Wiederwahl empfiehlt („gegen seine Wiederwahl spricht rein gar nichts“).
31 
Dass der Beitrag erst auf Seite 5 und 6 des Amtsblatt im sogenannten redaktionellen Teil des Amtsblatts stand, der allerdings auch nicht klar von seinem amtlichen Teil abgegrenzt ist, mindert den amtlichen Charakter der Veröffentlichung nicht wesentlich. Denn auch für den redaktionellen Teil des Amtsblatts trägt die Beigeladene die Verantwortung; auch die darin stehenden Beiträge werden vom Leser der Gemeinde zugeordnet.
32 
Durch diesen Bericht konnte das Ergebnis der Wahl auch im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG beeinflusst werden.
33 
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377) dient diese "Erheblichkeitsklausel" dem Ziel, das Wahlergebnis möglichst weitgehend zu sichern. Dieser Grundsatz der Bestandssicherung ist zwar weniger ausgeprägt als in manchen anderen Bundesländern (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BbgKWahlG und dazu OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 20.07.2015 - OVG N 12 18.14 -). Nach ihm werden aber Rechtsverstöße, die nicht eine konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses begründen, in Kauf genommen, weil die Wähler im Rahmen des Vertretbaren vor unnötiger Belastung mit Neuwahlen und Gemeinden und Landkreise vor dem damit verbundenen Aufwand bewahrt werden sollen.
34 
Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist daher nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2083/85 -, EKBW, KomWG, § 32 E 36, S. 4).
35 
Das Ergebnis einer Bürgermeisterwahl, bei der lediglich zwei Bewerber angetreten sind, ist dann durch einen Wahlfehler möglicherweise beeinflusst, wenn ohne den Verstoß die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass der andere Bewerber gewählt worden wäre. Das Stimmenverhältnis kann dabei von entscheidender Bedeutung sein; je knapper der Wahlausgang, desto leichter wird ein möglicher Einfluss auf das Wahlergebnis nachzuweisen sein und umgekehrt (vgl VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423).
36 
Hat, wie hier, einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte.
37 
Anders als dies der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, ist hinsichtlich der möglichen Kausalität und damit Erheblichkeit eines Wahlfehlers kein weniger strenger Maßstab anzulegen als bei der Feststellung des Wahlfehlers selbst. Für beide Voraussetzungen bedarf es der Überzeugungsgewissheit (vgl., für das gerichtliche Verfahren, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gibt es, wie hier, Umstände, die für die Möglichkeit sprechen, dass der Wahlfehler das Ergebnis beeinflusst hat, und solche, die eher dagegen sprechen, ist damit nicht etwa eine entsprechende Überzeugungsgewissheit ausgeschlossen. Denn die Wahlprüfungsbehörde muss sich nicht davon überzeugen, dass der Wahlfehler auf das Ergebnis durchgeschlagen hat (so, siehe oben, die Rechtslage in Brandenburg), sondern nur, dass eine solche Möglichkeit besteht. Diese ist nur ausgeschlossen, wenn kein Zweifel daran besteht, dass diese Möglichkeit eine rein abstrakte, ganz fernliegende ist.
38 
Dies kann die Kammer in dem hier zu beurteilenden Fall nicht feststellen. Es ist nicht ganz fernliegend und deshalb nicht auszuschließen, dass der Beigeladene zu 2, wäre der ihn immer wieder lobend herausstellende Bericht im Amtsblatt nicht erschienen, die absolute Mehrheit der Stimmen (knapp) verfehlt und die Klägerin in einem zweiten Wahlgang eine nicht ganz fernliegende Chance gehabt hätte.
39 
Dafür spricht neben dem Stimmergebnis der Klägerin das vergleichsweise knappe Überschreiten der Schwelle zur absoluten Mehrheit. Denn 372 Stimmen entsprechen nur etwa 4 % der Wahlberechtigten bzw. weniger als 9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen.
40 
In der Rechtsprechung ist die Erheblichkeit eines festgestellten Wahlmangels schon bei deutlich größeren Stimmenabständen (in absoluten Zahlen wie in Prozent) bejaht worden. Dabei ist zu Grunde gelegt worden, dass eine im Amtsblatt erscheinende unzulässige Wählerbeeinflussung zahlreiche Leser des Amtsblatts veranlasst haben kann, sich für die bevorstehende Wahl auf den Amtsinhaber festzulegen. Andere Wähler könnten den Artikel zum Anlass genommen haben, sich zu entschließen, auf keinen Fall zur Wahl zu gehen, weil sie den später hinzugekommenen Bewerbern keine Chance einräumten (vgl., VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.).
41 
Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu einem als Werbung für den wieder kandidierenden Bürgermeister zu verstehenden Wahlaufruf durch den Wahlvorstand den Wahlfehler als möglicherweise ursächlich für das Ergebnis angesehen, obwohl der Vorsprung des Amtsinhabers 67,5 % zu 28,9 % bei einer Wahlbeteiligung von 49,9 % betrug (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.; vgl. auch zu amtlichen Wahlbeeinflussungen seitens außenstehender Amtsträger VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 - VBlBW 1986, 310 und Urt. v. 07.11.1983 - 1 S 1311/83 - DVBl 1985, 170, sowie VG Koblenz, Urt. v. 02.07.2013 - 1 K 62/13.KO - juris, Rdnr. 35 das die Ursächlichkeit des Wahlfehlers bei einem Stimmenunterschied von 10% bejaht hat).
42 
Gegen diese Rechtsprechung ließe sich einwenden, dass auch die Vermutung nicht fernliegend ist, ein solcher Bericht könnte im Gegenteil zu einer Mobilisierung von Wählern geführt haben, die gerade nicht den Amtsinhaber wieder wählen wollten. Auch ist letztlich nicht zu beantworten, wie groß der Anteil der Wählerschaft sein könnte, der überhaupt das Amtsblatt liest und der eine solche Wahlempfehlung bewusst oder auch nur unterbewusst (wie bei Werbung häufig) zur Kenntnis nimmt.
43 
Diese Ungewissheit führt aber nicht dazu, nach den oben dargelegten Grundsätzen schon die Möglichkeit einer Wahlbeeinflussung durch die Veröffentlichung auszuschließen. So spricht für eine erhebliche Breitenwirkung, dass ein Amtsblatt, das an jeden Haushalt ausgeteilt wird, im Unterschied zu allen anderen Medien, jeden Wähler erreichen kann, weiter, wie schon ausgeführt, der amtliche Charakter der Wahlempfehlung als Empfehlung der Gemeinde selbst und nicht nur des Amtsinhabers. Auch liegt nahe, dass jedenfalls der politisch besonders interessierte Teil der Bevölkerung die Wahlempfehlung wahrgenommen und, soweit von ihr beeinflusst, auch im jeweiligen Einflussbereich weitergegeben hat.
44 
Allerdings ist der Wahlausgang nicht allein maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Wahlfehler für das Wahlergebnis ursächlich gewesen sein kann. Insoweit kommt es auch auf das Gewicht des Wahlfehlers an (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.07.2015 - 12 N 18.14 - juris, Rdnr. 6 und 12).
45 
Dieses Gewicht ist bei unzulässigen Wahlempfehlungen jedoch allgemein sehr und im hier zu entscheidenden Fall - wie schon ausgeführt - besonders hoch. Dieses Gewicht wird nicht dadurch gemindert, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens des Amtsblatts sich neben dem Beigeladenen zu 2 noch kein weiterer Bewerber gemeldet hatte. Unerheblich ist auch, ob der Zeitpunkt, gut fünf Wochen vor der Wahl, der sogenannten „heißen Wahlkampfphase“ zuzurechnen ist. Denn der Zeitpunkt lag jedenfalls weit jenseits des Zeitpunkts der Bekanntmachung der Wahl und schon sehr nahe an dem Tag des Ablaufs der Einreichungsfrist (vgl. § 10 KomWO) und deshalb gerade nicht mehr im sogenannten Vorwahlkampf.
46 
Dass die Wähler am Wahltag nicht mehr unter dem „frischen“ Eindruck des Berichts standen, sondern danach noch Gelegenheit hatten, in dem - vergleichsweise kurzen - Wahlkampf die Kandidaten kennen zu lernen und sich mit ihren Fähigkeiten und Leistungen näher zu befassen, nimmt dem den Beigeladenen zu 2 empfehlenden Bericht im Amtsblatt nicht seine wesentliche und möglicherweise wahlentscheidende Bedeutung. Denn diese Bedeutung ist nicht nur durch die amtlich erscheinende Empfehlung des Beigeladenen zu 2 geprägt, sondern auch dadurch, dass das Amtsblatt, anders als jedes andere Medium, praktisch jeden Wähler im Ort erreicht hat. Auch stand den anderen Bewerbern - anders als bei anderen Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung, etwa als beim Aufstellen unrichtiger Behauptungen über einen Bewerber - nicht die Möglichkeit eines „Gegenschlags“ zur Verfügung. Denn sie konnten ihre Vorzüge nur in eigenen Wahlprospekten oder durch Anzeigen und damit weder in amtlicher Form noch mit der gleichen Breitenwirkung herausstellen.
47 
Damit kommt es auf das Vorliegen weiterer möglicherweise ursächlicher Wahlfehler nicht an. Insoweit bemerkt die Kammer gleichwohl:
48 
In der Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit dem letzten, zwei Tage vor der Wahl erschienenen Amtsblatt liegt wohl kein Wahlfehler. Diese Möglichkeit hat die Beigeladene zu 1 allen Kandidaten eröffnet. Dass dies nicht für Einzelkandidaten gegolten hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin von dieser Möglichkeit nichts wusste, ist nicht der Beigeladenen zu 1 zuzurechnen. Insbesondere hätte diese die Klägerin auf diese Möglichkeit nicht hinweisen müssen, auch wenn dies dem Gedanken der Fairness entsprochen hätte. Die Beigeladene zu 1 hat die Klägerin durch ihren Hinweis zur Möglichkeit, im Amtsblatt Anzeigen aufzugeben, insoweit auch nicht getäuscht. Der Wahlprospekt des Beigeladenen zu 2 konnte von einem verständigen Leser auch nicht als Bestandteil des Amtsblatts aufgefasst werden. Zwar entsprach sein Format dem des Amtsblatts. Die Papierqualität war aber erheblich aufwändiger, das Layout deutlich anders und der Text zweifelsfrei als allein werbend abgefasst. Die Verwendung der Berufsbezeichnung Bürgermeister ist dabei nicht zu beanstanden. Dass ein Impressum fehlte, führte nicht dazu, dass der Leser von einer amtlichen Beilage ausgehen musste.
49 
Soweit die Klägerin im Anschluss an die Ermittlungen des Landratsamts im Einspruchsverfahren erstmals im Klageverfahren angesprochen hat, dass die vom Beigeladenen zu 2 eingereichten Rechnungen für die Verteilung des Wahlprospekts und die Beilage im Amtsblatt erst nachträglich erstellt worden sein könnten, und damit, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, angedeutet hat, der Beigeladene zu 2 könnte diese Leistungen zunächst umsonst in Anspruch genommen haben, hätte die Kammer dem wohl schon deshalb nicht weiter nachzugehen brauchen, weil die Klägerin diesen Einwand innerhalb der Einspruchsfrist nicht erhoben hatte (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG). In ihrem Einspruch wird auch nicht mittelbar angedeutet, der Beigeladene zu 2 könnte sich insoweit staatlicher Mittel bedient haben; insoweit liegt der Sachverhalt anders als beim Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.05.2007 (1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377).
50 
Die Vorabveröffentlichung von Zwischenwahlergebnissen auf der Homepage stellt nach den konkreten Umständen wohl schon keinen Wahlfehler dar. Ein Verstoß gegen die Wahlzeit (§ 20 KomWG) und eine unzulässige Wahlpropaganda in oder in der Nähe des Wahlraums (§ 28 Abs. 2 KomWO) liegen fern. Es handelte sich wohl auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung. Ob dies schon daraus folgt, dass ein vernünftiger Wähler jedenfalls nach kurzem Nachdenken kaum davon ausgehen konnte, dass die Stimmenauszählung schon vor 18.00 Uhr begonnen hatte und nahezu vollständig abgeschlossen war, kann dahinstehen. Jedenfalls aber hätte dieser Umstand für den vernünftigen Wähler Anlass sein müssen, das gezeigte Bild näher zu betrachten. Dann müsste ihm aufgefallen sein, dass auch wenn man den von der Klägerin vorgelegten Screenshot zugrunde legt, mehrfach das Wort Test auftauchte und die angegebene Wahlbeteiligung unrealistisch hoch war. Im Übrigen wäre diese Veröffentlichungspanne wohl auch nicht erheblich für das Wahlergebnis gewesen. Denn es liegt fern, dass eine nennenswerte Zahl von Wählerinnen und Wählern den betreffenden Link auf der Homepage der Beigeladenen zu 1 vor 18.00 Uhr überhaupt aufgerufen hat und dadurch in der Wahlentscheidung noch hätte beeinflusst werden können.
51 
Schließlich lag wohl auch kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen vor (§ 21 KomWG, § 37 Abs. 8 KomWO). Einzuhalten ist ein „gehöriger Mindestabstand“ zu den Zähltischen, der allerdings nicht ermöglichen soll, dass die amtlichen Stimmzettel und Wahlunterlagen eingesehen werden können; vielmehr geht es darum, dass die Öffentlichkeit darauf achten kann, dass der Gesamtvorgang der Stimmauszählung insgesamt ordnungsgemäß erfolgt (Quecke u.a., Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 21 Rdnr. 9), dass also etwa die vorhandenen Wahlurnen vollständig - und nur diese - geleert und alle Stimmen ordnungsgemäß gezählt werden. Dabei hat der Gesetzgeber aus gutem Grund keinen festen Abstand festgelegt. Denn im Einzelfall können die Einrichtung des Wahlraums und auch die Zahl der Beobachter mit dafür ausschlaggebend sein, welcher Mindestabstand als gehörig anzusehen ist. Ohnehin dürfte im Allgemeinen ein Abstand von 4 m zum Auszählungstisch durchaus noch als „gehörig“ anzusehen sein (vgl. für den umgekehrten Fall, dass das Wahlgeheimnis verletzt ist, wenn die Wähler aus einer Entfernung von 3,80 bis 5 m beim Wahlvorgang beobachtet werden können, VG Karlsruhe, Urt. v. 16.10.2013 - 4 K 2001/13 - juris).
52 
Die Klägerin hat, wegen ihres Erfolgs im Wahlanfechtungsverfahren, Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen im Einspruchsverfahren durch die Beigeladene zu 1 (§ 31 Abs. 2 Satz 1 KomWG). Der dies verneinende Ergänzungsbescheid des Landratsamts vom 02.11.2015 (der noch aufgrund von § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergangen ist) war auch deshalb rechtswidrig, weil er angenommen hat, insoweit sei maßgeblich, wieviele der geltend gemachten Wahlfehler festgestellt worden seien. Denn darauf kommt es nicht an. Vielmehr kann eine Erstattung der Aufwendungen im Einspruchsverfahren, wie die Erstattung von notwendigen Aufwendungen in einem Widerspruchsverfahren (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO) vollständig nur abgelehnt werden, wenn es solcher Aufwendungen zur Verfolgung des Rechtsschutzziels nicht bedurfte. Für die Beauftragung eines Rechtsanwalts bedeutet dies, dass die Aufwendungen insoweit nur dann als nicht notwendig angesehen werden können, wenn der Einsprechende seine Einspruchsgründe ohne Weiteres selbst hätte vorbringen können. Dies war hier aber ersichtlich nicht der Fall. Ob die von der Klägerin noch im Einzelnen zu benennenden Aufwendungen jeweils notwendig waren, etwa ihre evtl. Aufwendungen für die von ihr eingeholte sachverständige Beurteilung der Angaben der Beigeladenen zu 1 zu der Veröffentlichungspanne im Internet, ist erst im Festsetzungsverfahren (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 2 KomWO) zu prüfen.
53 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Gründe

 
24 
Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG) und auch sonst zulässig. Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO); denn sie macht die Verletzung ihrer Rechte als Bewerberin geltend; deshalb bedurfte es für ihren fristgerechten Einspruch (§ 31 Abs. 1 KomWG) auch nicht des Beitritts weiterer Wahlberechtigter (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG). Ein Widerspruchsverfahren war nicht geboten (§ 31 Abs. 3 KomWG).
25 
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Wahlprüfungsbescheid in der Fassung des Ergänzungsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; denn die Klägerin kann beanspruchen, dass das beklagte Land die Wahl für ungültig erklärt und dass ihr die notwendigen Aufwendungen im Einspruchsverfahren von der Beigeladenen zu 1 erstattet werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
Die Wahl ist gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG u.a. dann für ungültig zu erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
27 
Zu Recht hat schon das Landratsamt in dem erwähnten, vom Beigeladenen zu 2 mitverfassten Beitrag im Amtsblatt vom 13.03.2015 eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinn von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG gesehen. Verstoßen wurde dadurch gegen die Wahlgrundsätze der freien und der gleichen Wahl (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 GemO), wovon das Recht auf Chancengleichheit und das Gebot der Neutralität staatlicher Stellen im Wahlkampf umfasst ist.
28 
Eine von den Organen der Gemeinde im Wahlkampf ausgehende Beeinflussung der Wähler zugunsten oder zum Nachteil eines Bewerbers stellt insbesondere dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, wenn dies unter Inanspruchnahme des Amtsblatts geschieht. Denn das Amtsblatt ist das amtliche Verkündungsorgan der Gemeinde und muss daher dem Gebot parteipolitischer Neutralität in besonderem Maße Rechnung tragen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423 m.w.N.).
29 
Dies gilt auch und insbesondere für jegliche, auf den ersten Blick neutrale Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichten. So ist etwa die Wiedergabe einer Rede (eines Rechenschaftsberichts) des kandidierenden Bürgermeisters vor dem Gemeinderat im Amtsblatt, zehn Tage vor dem Wahltag, als eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewertet worden, obwohl diese Rede durchaus ausgewogen auch den Anteil des Stadtrats und der Vereine an der positiven Entwicklung der Gemeinde betont hatte (VG Meiningen, Urt. v. 24.10.2006 - 2 K 444/06 - juris, Rdnr. 38 ff.).
30 
Der hier zu beurteilende Artikel geht über eine solche auf den ersten Blick neutrale (und dennoch bereits unzulässige) Öffentlichkeitsarbeit noch weit hinaus, weil er die - vor allem wirtschaftlichen - Erfolge der Stadt während der zurückliegenden Amtsperioden des Beigeladenen zu 2 im Wesentlichen auf ihn allein zurückführt, ihm für die angeführten Aufgaben der Stadt in der Zukunft eine gleichsam alleinige Lösungskompetenz zuspricht und ihn zudem gleich zu Beginn ausdrücklich zur Wiederwahl empfiehlt („gegen seine Wiederwahl spricht rein gar nichts“).
31 
Dass der Beitrag erst auf Seite 5 und 6 des Amtsblatt im sogenannten redaktionellen Teil des Amtsblatts stand, der allerdings auch nicht klar von seinem amtlichen Teil abgegrenzt ist, mindert den amtlichen Charakter der Veröffentlichung nicht wesentlich. Denn auch für den redaktionellen Teil des Amtsblatts trägt die Beigeladene die Verantwortung; auch die darin stehenden Beiträge werden vom Leser der Gemeinde zugeordnet.
32 
Durch diesen Bericht konnte das Ergebnis der Wahl auch im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG beeinflusst werden.
33 
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377) dient diese "Erheblichkeitsklausel" dem Ziel, das Wahlergebnis möglichst weitgehend zu sichern. Dieser Grundsatz der Bestandssicherung ist zwar weniger ausgeprägt als in manchen anderen Bundesländern (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BbgKWahlG und dazu OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 20.07.2015 - OVG N 12 18.14 -). Nach ihm werden aber Rechtsverstöße, die nicht eine konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses begründen, in Kauf genommen, weil die Wähler im Rahmen des Vertretbaren vor unnötiger Belastung mit Neuwahlen und Gemeinden und Landkreise vor dem damit verbundenen Aufwand bewahrt werden sollen.
34 
Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist daher nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2083/85 -, EKBW, KomWG, § 32 E 36, S. 4).
35 
Das Ergebnis einer Bürgermeisterwahl, bei der lediglich zwei Bewerber angetreten sind, ist dann durch einen Wahlfehler möglicherweise beeinflusst, wenn ohne den Verstoß die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass der andere Bewerber gewählt worden wäre. Das Stimmenverhältnis kann dabei von entscheidender Bedeutung sein; je knapper der Wahlausgang, desto leichter wird ein möglicher Einfluss auf das Wahlergebnis nachzuweisen sein und umgekehrt (vgl VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423).
36 
Hat, wie hier, einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte.
37 
Anders als dies der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, ist hinsichtlich der möglichen Kausalität und damit Erheblichkeit eines Wahlfehlers kein weniger strenger Maßstab anzulegen als bei der Feststellung des Wahlfehlers selbst. Für beide Voraussetzungen bedarf es der Überzeugungsgewissheit (vgl., für das gerichtliche Verfahren, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gibt es, wie hier, Umstände, die für die Möglichkeit sprechen, dass der Wahlfehler das Ergebnis beeinflusst hat, und solche, die eher dagegen sprechen, ist damit nicht etwa eine entsprechende Überzeugungsgewissheit ausgeschlossen. Denn die Wahlprüfungsbehörde muss sich nicht davon überzeugen, dass der Wahlfehler auf das Ergebnis durchgeschlagen hat (so, siehe oben, die Rechtslage in Brandenburg), sondern nur, dass eine solche Möglichkeit besteht. Diese ist nur ausgeschlossen, wenn kein Zweifel daran besteht, dass diese Möglichkeit eine rein abstrakte, ganz fernliegende ist.
38 
Dies kann die Kammer in dem hier zu beurteilenden Fall nicht feststellen. Es ist nicht ganz fernliegend und deshalb nicht auszuschließen, dass der Beigeladene zu 2, wäre der ihn immer wieder lobend herausstellende Bericht im Amtsblatt nicht erschienen, die absolute Mehrheit der Stimmen (knapp) verfehlt und die Klägerin in einem zweiten Wahlgang eine nicht ganz fernliegende Chance gehabt hätte.
39 
Dafür spricht neben dem Stimmergebnis der Klägerin das vergleichsweise knappe Überschreiten der Schwelle zur absoluten Mehrheit. Denn 372 Stimmen entsprechen nur etwa 4 % der Wahlberechtigten bzw. weniger als 9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen.
40 
In der Rechtsprechung ist die Erheblichkeit eines festgestellten Wahlmangels schon bei deutlich größeren Stimmenabständen (in absoluten Zahlen wie in Prozent) bejaht worden. Dabei ist zu Grunde gelegt worden, dass eine im Amtsblatt erscheinende unzulässige Wählerbeeinflussung zahlreiche Leser des Amtsblatts veranlasst haben kann, sich für die bevorstehende Wahl auf den Amtsinhaber festzulegen. Andere Wähler könnten den Artikel zum Anlass genommen haben, sich zu entschließen, auf keinen Fall zur Wahl zu gehen, weil sie den später hinzugekommenen Bewerbern keine Chance einräumten (vgl., VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.).
41 
Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu einem als Werbung für den wieder kandidierenden Bürgermeister zu verstehenden Wahlaufruf durch den Wahlvorstand den Wahlfehler als möglicherweise ursächlich für das Ergebnis angesehen, obwohl der Vorsprung des Amtsinhabers 67,5 % zu 28,9 % bei einer Wahlbeteiligung von 49,9 % betrug (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.; vgl. auch zu amtlichen Wahlbeeinflussungen seitens außenstehender Amtsträger VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 - VBlBW 1986, 310 und Urt. v. 07.11.1983 - 1 S 1311/83 - DVBl 1985, 170, sowie VG Koblenz, Urt. v. 02.07.2013 - 1 K 62/13.KO - juris, Rdnr. 35 das die Ursächlichkeit des Wahlfehlers bei einem Stimmenunterschied von 10% bejaht hat).
42 
Gegen diese Rechtsprechung ließe sich einwenden, dass auch die Vermutung nicht fernliegend ist, ein solcher Bericht könnte im Gegenteil zu einer Mobilisierung von Wählern geführt haben, die gerade nicht den Amtsinhaber wieder wählen wollten. Auch ist letztlich nicht zu beantworten, wie groß der Anteil der Wählerschaft sein könnte, der überhaupt das Amtsblatt liest und der eine solche Wahlempfehlung bewusst oder auch nur unterbewusst (wie bei Werbung häufig) zur Kenntnis nimmt.
43 
Diese Ungewissheit führt aber nicht dazu, nach den oben dargelegten Grundsätzen schon die Möglichkeit einer Wahlbeeinflussung durch die Veröffentlichung auszuschließen. So spricht für eine erhebliche Breitenwirkung, dass ein Amtsblatt, das an jeden Haushalt ausgeteilt wird, im Unterschied zu allen anderen Medien, jeden Wähler erreichen kann, weiter, wie schon ausgeführt, der amtliche Charakter der Wahlempfehlung als Empfehlung der Gemeinde selbst und nicht nur des Amtsinhabers. Auch liegt nahe, dass jedenfalls der politisch besonders interessierte Teil der Bevölkerung die Wahlempfehlung wahrgenommen und, soweit von ihr beeinflusst, auch im jeweiligen Einflussbereich weitergegeben hat.
44 
Allerdings ist der Wahlausgang nicht allein maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Wahlfehler für das Wahlergebnis ursächlich gewesen sein kann. Insoweit kommt es auch auf das Gewicht des Wahlfehlers an (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.07.2015 - 12 N 18.14 - juris, Rdnr. 6 und 12).
45 
Dieses Gewicht ist bei unzulässigen Wahlempfehlungen jedoch allgemein sehr und im hier zu entscheidenden Fall - wie schon ausgeführt - besonders hoch. Dieses Gewicht wird nicht dadurch gemindert, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens des Amtsblatts sich neben dem Beigeladenen zu 2 noch kein weiterer Bewerber gemeldet hatte. Unerheblich ist auch, ob der Zeitpunkt, gut fünf Wochen vor der Wahl, der sogenannten „heißen Wahlkampfphase“ zuzurechnen ist. Denn der Zeitpunkt lag jedenfalls weit jenseits des Zeitpunkts der Bekanntmachung der Wahl und schon sehr nahe an dem Tag des Ablaufs der Einreichungsfrist (vgl. § 10 KomWO) und deshalb gerade nicht mehr im sogenannten Vorwahlkampf.
46 
Dass die Wähler am Wahltag nicht mehr unter dem „frischen“ Eindruck des Berichts standen, sondern danach noch Gelegenheit hatten, in dem - vergleichsweise kurzen - Wahlkampf die Kandidaten kennen zu lernen und sich mit ihren Fähigkeiten und Leistungen näher zu befassen, nimmt dem den Beigeladenen zu 2 empfehlenden Bericht im Amtsblatt nicht seine wesentliche und möglicherweise wahlentscheidende Bedeutung. Denn diese Bedeutung ist nicht nur durch die amtlich erscheinende Empfehlung des Beigeladenen zu 2 geprägt, sondern auch dadurch, dass das Amtsblatt, anders als jedes andere Medium, praktisch jeden Wähler im Ort erreicht hat. Auch stand den anderen Bewerbern - anders als bei anderen Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung, etwa als beim Aufstellen unrichtiger Behauptungen über einen Bewerber - nicht die Möglichkeit eines „Gegenschlags“ zur Verfügung. Denn sie konnten ihre Vorzüge nur in eigenen Wahlprospekten oder durch Anzeigen und damit weder in amtlicher Form noch mit der gleichen Breitenwirkung herausstellen.
47 
Damit kommt es auf das Vorliegen weiterer möglicherweise ursächlicher Wahlfehler nicht an. Insoweit bemerkt die Kammer gleichwohl:
48 
In der Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit dem letzten, zwei Tage vor der Wahl erschienenen Amtsblatt liegt wohl kein Wahlfehler. Diese Möglichkeit hat die Beigeladene zu 1 allen Kandidaten eröffnet. Dass dies nicht für Einzelkandidaten gegolten hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin von dieser Möglichkeit nichts wusste, ist nicht der Beigeladenen zu 1 zuzurechnen. Insbesondere hätte diese die Klägerin auf diese Möglichkeit nicht hinweisen müssen, auch wenn dies dem Gedanken der Fairness entsprochen hätte. Die Beigeladene zu 1 hat die Klägerin durch ihren Hinweis zur Möglichkeit, im Amtsblatt Anzeigen aufzugeben, insoweit auch nicht getäuscht. Der Wahlprospekt des Beigeladenen zu 2 konnte von einem verständigen Leser auch nicht als Bestandteil des Amtsblatts aufgefasst werden. Zwar entsprach sein Format dem des Amtsblatts. Die Papierqualität war aber erheblich aufwändiger, das Layout deutlich anders und der Text zweifelsfrei als allein werbend abgefasst. Die Verwendung der Berufsbezeichnung Bürgermeister ist dabei nicht zu beanstanden. Dass ein Impressum fehlte, führte nicht dazu, dass der Leser von einer amtlichen Beilage ausgehen musste.
49 
Soweit die Klägerin im Anschluss an die Ermittlungen des Landratsamts im Einspruchsverfahren erstmals im Klageverfahren angesprochen hat, dass die vom Beigeladenen zu 2 eingereichten Rechnungen für die Verteilung des Wahlprospekts und die Beilage im Amtsblatt erst nachträglich erstellt worden sein könnten, und damit, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, angedeutet hat, der Beigeladene zu 2 könnte diese Leistungen zunächst umsonst in Anspruch genommen haben, hätte die Kammer dem wohl schon deshalb nicht weiter nachzugehen brauchen, weil die Klägerin diesen Einwand innerhalb der Einspruchsfrist nicht erhoben hatte (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG). In ihrem Einspruch wird auch nicht mittelbar angedeutet, der Beigeladene zu 2 könnte sich insoweit staatlicher Mittel bedient haben; insoweit liegt der Sachverhalt anders als beim Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.05.2007 (1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377).
50 
Die Vorabveröffentlichung von Zwischenwahlergebnissen auf der Homepage stellt nach den konkreten Umständen wohl schon keinen Wahlfehler dar. Ein Verstoß gegen die Wahlzeit (§ 20 KomWG) und eine unzulässige Wahlpropaganda in oder in der Nähe des Wahlraums (§ 28 Abs. 2 KomWO) liegen fern. Es handelte sich wohl auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung. Ob dies schon daraus folgt, dass ein vernünftiger Wähler jedenfalls nach kurzem Nachdenken kaum davon ausgehen konnte, dass die Stimmenauszählung schon vor 18.00 Uhr begonnen hatte und nahezu vollständig abgeschlossen war, kann dahinstehen. Jedenfalls aber hätte dieser Umstand für den vernünftigen Wähler Anlass sein müssen, das gezeigte Bild näher zu betrachten. Dann müsste ihm aufgefallen sein, dass auch wenn man den von der Klägerin vorgelegten Screenshot zugrunde legt, mehrfach das Wort Test auftauchte und die angegebene Wahlbeteiligung unrealistisch hoch war. Im Übrigen wäre diese Veröffentlichungspanne wohl auch nicht erheblich für das Wahlergebnis gewesen. Denn es liegt fern, dass eine nennenswerte Zahl von Wählerinnen und Wählern den betreffenden Link auf der Homepage der Beigeladenen zu 1 vor 18.00 Uhr überhaupt aufgerufen hat und dadurch in der Wahlentscheidung noch hätte beeinflusst werden können.
51 
Schließlich lag wohl auch kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen vor (§ 21 KomWG, § 37 Abs. 8 KomWO). Einzuhalten ist ein „gehöriger Mindestabstand“ zu den Zähltischen, der allerdings nicht ermöglichen soll, dass die amtlichen Stimmzettel und Wahlunterlagen eingesehen werden können; vielmehr geht es darum, dass die Öffentlichkeit darauf achten kann, dass der Gesamtvorgang der Stimmauszählung insgesamt ordnungsgemäß erfolgt (Quecke u.a., Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 21 Rdnr. 9), dass also etwa die vorhandenen Wahlurnen vollständig - und nur diese - geleert und alle Stimmen ordnungsgemäß gezählt werden. Dabei hat der Gesetzgeber aus gutem Grund keinen festen Abstand festgelegt. Denn im Einzelfall können die Einrichtung des Wahlraums und auch die Zahl der Beobachter mit dafür ausschlaggebend sein, welcher Mindestabstand als gehörig anzusehen ist. Ohnehin dürfte im Allgemeinen ein Abstand von 4 m zum Auszählungstisch durchaus noch als „gehörig“ anzusehen sein (vgl. für den umgekehrten Fall, dass das Wahlgeheimnis verletzt ist, wenn die Wähler aus einer Entfernung von 3,80 bis 5 m beim Wahlvorgang beobachtet werden können, VG Karlsruhe, Urt. v. 16.10.2013 - 4 K 2001/13 - juris).
52 
Die Klägerin hat, wegen ihres Erfolgs im Wahlanfechtungsverfahren, Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen im Einspruchsverfahren durch die Beigeladene zu 1 (§ 31 Abs. 2 Satz 1 KomWG). Der dies verneinende Ergänzungsbescheid des Landratsamts vom 02.11.2015 (der noch aufgrund von § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergangen ist) war auch deshalb rechtswidrig, weil er angenommen hat, insoweit sei maßgeblich, wieviele der geltend gemachten Wahlfehler festgestellt worden seien. Denn darauf kommt es nicht an. Vielmehr kann eine Erstattung der Aufwendungen im Einspruchsverfahren, wie die Erstattung von notwendigen Aufwendungen in einem Widerspruchsverfahren (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO) vollständig nur abgelehnt werden, wenn es solcher Aufwendungen zur Verfolgung des Rechtsschutzziels nicht bedurfte. Für die Beauftragung eines Rechtsanwalts bedeutet dies, dass die Aufwendungen insoweit nur dann als nicht notwendig angesehen werden können, wenn der Einsprechende seine Einspruchsgründe ohne Weiteres selbst hätte vorbringen können. Dies war hier aber ersichtlich nicht der Fall. Ob die von der Klägerin noch im Einzelnen zu benennenden Aufwendungen jeweils notwendig waren, etwa ihre evtl. Aufwendungen für die von ihr eingeholte sachverständige Beurteilung der Angaben der Beigeladenen zu 1 zu der Veröffentlichungspanne im Internet, ist erst im Festsetzungsverfahren (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 2 KomWO) zu prüfen.
53 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Tenor

Die Beschlüsse des Rates der Beklagten vom 13. November 2014 (TOP 10.23 III: Gültigerklärung der Ratswahl vom 25. Mai 2014) und vom 30. September 2014 (TOP 10.19.1: Zurückweisung des Einspruchs der Kläger) werden aufgehoben. Der Rat der Beklagten wird verpflichtet, die Feststellung des Wahlergebnisses für ungültig zu erklären, sie aufzuheben und die Neufeststellung mit der Maßgabe anzuordnen, dass ein gegenüber der Feststellung vom 30. Mai 2014 verändertes Wahlergebnis nur aufgrund von rechnerischen Berichtigungen im Stimmbezirk 20874 unter Bindung an die Grundsätze dieses Urteils festgestellt werden darf.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 82 85 87 89 98 100 102 103 104

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Ungültigerklärung der Wahl des Bürgermeisters sowie der Wahl des Rates der Gemeinde Kalletal vom 30. August 2009 im Wahlbezirk 130 - Ortsteil Lüdenhausen.

2

Der Wahlausschuss der Gemeinde Kalletal ermittelte auf seiner Sitzung am 3. September 2009 für die beiden angegriffenen Wahlen die Ergebnisse. Der Beigeladene zu 1 wurde im Wahlbezirk 130 - Lüdenhausen - direkt in die Vertretung gewählt. Der Beigeladene zu 2 erhielt die Mehrheit bei der Wahl des Bürgermeisters der Beklagten. Mit Schreiben vom 28. September 2009 legte der Vorsitzende des SPD-Gemeindeverbandes Kalletal im Namen des Gemeindeverbandes beim Wahlleiter der Beklagten gegen die Wahl des Rates und die Wahl des Bürgermeisters Einspruch ein und beanstandete u.a. unter Angabe von Zeugen, dass das Wahllokal im Wahlbezirk 130 bei der Ergebnisfeststellung verschlossen gewesen und die Öffentlichkeit nicht hergestellt worden sei. Auf eine Nachfrage des Gemeindewahlleiters räumten der Wahlvorsteher und die stellvertretende Wahlvorsteherin ein, dass das Wahllokal nach Abschluss des Wahlvorgangs nicht rechtzeitig wieder geöffnet worden sei. Beide versicherten, das Wahlergebnis sei zu keiner Zeit der Ergebnisermittlung beeinflusst worden.

3

Am 26. November 2009 erklärte der Rat der Beklagten mehrheitlich die Wahlen des Bürgermeisters und der Vertretung der Gemeinde Kalletal im Wahlbezirk 130 - Lüdenhausen - für ungültig und ordnete zugleich die Durchführung von Wiederholungswahlen in diesem Wahlbezirk an. Der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Ermittlung und Feststellung der Wahlergebnisse stelle eine Unregelmäßigkeit nach § 40 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Nordrhein-Westfalen (KWahlG) dar.

4

Am 22. Dezember 2009 hat der damalige Vorsitzende des Klägers unter dem Briefkopf des Gemeindeverbandes beim Verwaltungsgericht Klage gegen den Rat der Gemeinde Kalletal erhoben mit dem Ziel, die gefassten Beschlüsse aufzuheben. Zum Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz bei der Stimmenauszählung gebe es widersprüchliche Aussagen. Ein Wahlfehler müsse erheblich sein, um zur Ungültigkeit und Nachholung einer Wahl zu führen. Auch die SPD vermute keine Manipulationen. Der achtköpfige Wahlvorstand sei parteipolitisch ausgewogen besetzt gewesen. Das Mehraugen-Prinzip gewährleiste hinreichende Neutralität bei der Auszählung. Wiederholungswahlen seien mit der naheliegenden Gefahr einer Verfälschung des Ergebnisses verbunden.

5

Der Kläger hat beantragt, den Beschluss der Beklagten vom 26. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Wahl vom 30. August 2009 im Wahlbezirk Lüdenhausen hinsichtlich der Bürgermeisterwahl und der Ratswahl für gültig zu erklären.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Mit Urteil vom 24. Februar 2010 hat das Verwaltungsgericht nach der Einvernahme von Zeugen und einer erneuten Auszählung der Stimmzettel des Wahlbezirks 130 der Klage stattgegeben. Sie sei als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Die Klagebefugnis folge aus § 42 Abs. 2 VwGO. Der Kläger sei als Leitung einer an den Kommunalwahlen beteiligten Partei entsprechend § 39 KWahlG klageberechtigt. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Wahlvorschläge der CDU bei den Wiederholungswahlen weniger Stimmen erringen und dies zu einer anderen Sitzverteilung im Rat führe oder der Beigeladene zu 2 bei einer erneuten Wahl des Bürgermeisters unterliege. Damit liege eine hinreichende Betroffenheit vor. Die Klage sei auch begründet. Zwar hätten die Zeugenaussagen zweifelsfrei ergeben, dass ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 KWahlG vorliege. Die Unregelmäßigkeit habe sich aber nicht entscheidend auf das Ergebnis der Wahl ausgewirkt. Die erneute Auszählung der Stimmzettel habe zwar einige Abweichungen ergeben, der Ausschluss der Öffentlichkeit sei aber nicht von entscheidendem Einfluss für die Mandatszuteilung gewesen. Damit liege kein kausaler Verfahrensfehler nach § 40 Abs. 1 Buchst. b KWahlG vor.

8

Mit Beschluss vom 5. November 2010 hat das Oberverwaltungsgericht das angegriffene Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Aus der befürchteten Verfälschung des Wahlergebnisses durch eine Wiederholungswahl bei knappem Wahlausgang lasse sich keine Klagebefugnis herleiten. Es bestünden schon Zweifel, ob der Kläger zum Kreis der Klageberechtigten gehöre und nicht allein sein Vorstand. Ungeachtet dessen sei aber auch eine Klage des Vorstands unzulässig. Parteileitungen könnten wie Wahlberechtigte zulässigerweise nur klagen, wenn sie zuvor Einspruch gegen die Wahl eingelegt hätten und ihrem Einspruch nicht oder nicht vollständig stattgegeben worden sei. § 39 Abs. 1 Satz 1 KWahlG gewähre lediglich einen Wahlprüfungsanspruch, aber kein Recht auf Gültigerklärung einer Wahl. Neben der Aufsichtsbehörde seien die Mandatsträger, die infolge des Wahlprüfungsbeschlusses ihr Mandat verlören, klagebefugt. Damit bestehe ausreichender Rechtsschutz. Dass die über die Reserveliste Gewählten grundsätzlich nicht klagebefugt seien, sei unbedenklich, weil ihre Wahl nicht für ungültig erklärt werde und eine Wiederholungswahl allenfalls mittelbar Auswirkungen auf die Sitzverteilung habe.

9

Zur Begründung seiner Revision beruft sich der Kläger auf den aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 21, 28, 38 GG und § 5 PartG abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien. Er sei auch für Kommunalwahlen beachtlich und gewährleiste den fairen Wettbewerb der Parteien. § 41 KWahlG könne dahin ausgelegt werden, dass der Kreis der Klageberechtigten nicht auf diejenigen beschränkt sei, die nach § 39 Abs. 1 Satz 1 KWahlG erfolglos Einspruch eingelegt hätten. Mit dem Grundsatz der Chancengleichheit sei unvereinbar, dass eine Partei gegen die Gültigkeit einer Wahl Einspruch einlegen und bei dessen Erfolglosigkeit klagen könne, während eine andere Partei, die die Wahl für gültig halte, nicht gegen eine stattgebende Wahlprüfungsentscheidung vorgehen können solle. Für eine solche Ungleichbehandlung bestehe kein einleuchtender Grund.

10

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. November 2010 zu ändern und die Berufung des Rates der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 24. Februar 2010 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beschluss des Rates der Beklagten vom 26. November 2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, den Einspruch des Gemeindeverbandes der SPD gegen die Wahlen des Bürgermeisters der Beklagten und des Rates der Beklagten vom 30. August 2009 in vollem Umfang zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gebiete nicht, dass eine Partei die Rechtmäßigkeit einer Wahl geltend machen können müsse. Anderenfalls müsse auch jedem Wahlberechtigten ein solches Recht zustehen, denn die Einspruchsberechtigten gemäß § 39 KWahlG seien gleich zu behandeln. Nach der bindenden Auslegung des Oberverwaltungsgerichts bestehe kein Anspruch auf Gültigerklärung der Wahl.

13

Der Beigeladene zu 1 beantragt ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen,

und schließt sich der Begründung der Beklagten an.

14

Der Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision des Klägers ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) begründet. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger sei nicht klagebefugt, weil das Klagerecht gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 KWahlG nur solchen Parteien und Wählergruppen zukomme, die gemäß § 39 Abs. 1 KWahlG Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl eingelegt haben, verletzt Bundesrecht.

16

1.a) Allerdings kann der Kläger nicht geltend machen, durch die Beschlüsse des Rates der Beklagten über die Ungültigkeit der Wahlen, bei denen es sich um rechtsgestaltende Verwaltungsakte handelt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 28. November 1980 - 15 A 1660/80 - OVGE 35, 144 <145>), im Sinne des § 42 Abs. 2 Alt. 2 VwGO in eigenen Rechten verletzt zu sein. Um eine Klagebefugnis nach dieser Norm zu bejahen, ist das Bestehen subjektiver Rechte Voraussetzung, § 42 Abs. 2 VwGO begründet sie nicht. Das Berufungsgericht hat sie dem Landesrecht nicht entnommen, auch aus Bundesrecht ergeben sich derartige subjektive Rechte des Klägers nicht. Zwar sind danach auch Parteien mit eigenen Rechten ausgestattet. Da sie aber selbst weder über aktives noch über passives Wahlrecht verfügen, kommt ihnen im Wahlprüfungsverfahren keine subjektive Berechtigung zu.

17

b) Der Kläger kann auch nicht im Sinne einer Prozessstandschaft die Rechte der über "seine" Liste gewählten Ratsmitglieder geltend machen. Das könnte hier zwar erwogen werden, weil das Berufungsgericht den über eine Reserveliste gewählten Ratsmitgliedern ein eigenes Klagerecht abspricht (UA S. 9), zugleich aber selbst - mit Recht - verfassungsrechtliche Zweifel gegen eine Rechtslage zu erkennen gibt, die darauf hinausläuft, gewählten Listenbewerbern jeden Rechtsschutz zu versagen (UA S. 8). Für eine Prozessstandschaft der die Reserveliste aufstellenden Partei besteht aber kein Anlass; denn die gewählten Listenbewerber sind selbst klagebefugt. Das ergibt sich aus Bundesrecht, von dem das Landesrecht nicht abweichen darf (Art. 31 GG).

18

Zwar obliegt die Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts im Einzelnen dem Landesrecht. Das bundesrechtliche Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) gebietet aber, dass gewählte Wahlbewerber nicht nur ihr Mandat antreten, sondern ihr Mandat im Wahlprüfungsverfahren auch verteidigen dürfen. Dabei gibt es keinen Unterschied danach, ob das Mandat direkt oder über eine Liste errungen wurde. Zwar mag das Landesrecht - wie in Nordrhein-Westfalen - vorsehen, dass ein im Wahlbezirk direkt gewählter Bewerber sein Mandat unmittelbar durch den Beschluss der Wahlprüfungsbehörde verliert, mit dem die Wahl für ungültig erklärt wird (§ 40 Abs. 3 KWahlG), während der über die Reserveliste Gewählte von der Wahlprüfungsentscheidung in dem Sinne nur mittelbar betroffen wird, dass nach den Ergebnissen der Wiederholungswahl die Verteilung der Sitze aus den Reservelisten neu zu berechnen ist (§ 42 Abs. 3 KWahlG). Dieser Unterschied führt aber nicht dazu, dass der über eine Liste Gewählte durch die Ungültigerklärung der Wahl und die Anordnung einer Wiederholungswahl in seinem passiven Wahlrecht weniger oder anders betroffen wäre als der in einem Wahlbezirk direkt Gewählte. Beide leiten ihre demokratische Legitimation aus der ursprünglichen Wahl her. Eine "Wiederholungswahl" vermittelt eine andere Legitimität, schon weil sie zu einem anderen - späteren - Zeitpunkt und in Kenntnis der Ergebnisse der ursprünglichen Wahl stattfindet. Die Möglichkeit einer Verletzung des passiven Wahlrechts besteht deshalb schon, wenn durch die Anordnung einer Wiederholungswahl das Mandat in Frage gestellt wird; die Legitimation des Mandats aus der ursprünglichen Wahl entfällt bereits, wenn die zugrunde liegende Wahl für ungültig erklärt wird.

19

c) Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich aber daraus, dass im Sinne von § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO gesetzlich ein anderes bestimmt ist. Gemäß § 40 Abs. 1 KWahlG beschließt die Vertretung der Gemeinde als Wahlprüfungsbehörde über die erhobenen Einsprüche sowie über die Gültigkeit der Wahl von Amts wegen. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 KWahlG kann gegen diesen Beschluss der Vertretung Klage erhoben werden. Wer - neben der Aufsichtsbehörde - diese Klage erheben darf, sagt die Vorschrift nicht. Das Berufungsgericht legt die Bestimmung dahin aus, dass das Klagerecht denjenigen zusteht, denen § 39 Abs. 1 Satz 1 KWahlG auch das Einspruchsrecht gegen die Gültigkeit der Wahl einräumt, also auch den Parteien und Wählergruppen, die an der Wahl teilgenommen haben. Dagegen ist nichts zu erinnern. Bundesrecht gebietet zwar nicht, Parteien und Wählergruppen das Klagerecht gegen Beschlüsse der Wahlprüfungsbehörde über die Gültigkeit einer Kommunalwahl zu gewähren, steht dem aber auch nicht entgegen.

20

Die einschränkende Auslegung des Berufungsgerichts, dass dieses Klagerecht nur solchen Parteien zusteht, die auch gemäß § 39 KWahlG Einspruch eingelegt haben, verletzt jedoch Bundesrecht. Denn sie führt dazu, dass zwar die angestrebte Ungültigerklärung einer Wahl vor dem Verwaltungsgericht weiter verfolgt, nicht aber die Gültigkeit der Wahl verteidigt werden kann. Das missachtet den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, der seine Grundlage in Art. 21 Abs. 1 GG findet und sich als Bestandteil der demokratischen Grundordnung von selbst versteht (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 - BVerfGE 1, 208 <242>). Er ergibt sich aus der Bedeutung, die der Freiheit der Parteigründung und dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie zukommt, und aus dem vom Grundgesetz gewollten freien und offenen Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes. Inhaltlich verlangt der Grundsatz der Chancengleichheit, dass jeder Partei, jeder Wählergruppe und ihren Wahlbewerbern grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren eingeräumt werden. Auf Landesebene folgt das Recht der Parteien auf Chancengleichheit bei Wahlen aus ihrem in Art. 21 Abs. 1 GG umschriebenen verfassungsrechtlichen Status, der unmittelbar auch für die Länder gilt und Bestandteil der Landesverfassungen ist (BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 - BVerfGE 120, 82 <104> m.w.N.).

21

Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Deshalb ist in diesem Bereich - ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler - Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn zu fordern (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008 a.a.O. <105>; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - BVerwG 8 C 1.08 - BVerwGE 132, 166 <174 f.> = Buchholz 415.10 KommWahlR Nr. 7). Der Grundsatz der Chancengleichheit unterliegt zwar keinem absoluten Differenzierungsverbot, wegen der strikten und formalen Gleichheit hat der Gesetzgeber aber nur einen eng bemessenen Spielraum für Differenzierungen (Urteil vom 22. Oktober 2008 a.a.O. <175>).

22

Beherrscht der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien das gesamte Wahlverfahren, so gilt er auch im Verfahren der Wahlprüfung einschließlich eines sich hieran anschließenden Rechtsstreits. Es mag offen bleiben, ob deshalb Parteien und Wählergruppen durch das jeweilige Verfahrens- und Prozessrecht in jeder Hinsicht gleichgestellt sein müssen oder ob Besonderheiten, die etwa mit der jeweiligen Rolle im Verfahren (als Kläger, als Beigeladener, als Rechtsmittelführer usw.) verbunden sind, Rechnung getragen werden kann. Der Grundsatz der Chancengleichheit ist jedoch berührt, wenn Verfahrensrechte zuerkannt oder vorenthalten werden und dies die Möglichkeiten der Parteien betrifft, ihre Rolle im politischen Prozess, namentlich bei der Wahl, wirksam zur Geltung zu bringen. So liegt es, wenn das jeweilige Wahlrecht - wie hier das Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen - den Parteien und Wählergruppen nicht nur das Recht einräumt, Wahlvorschläge einzureichen (§§ 15 ff. KWahlG), sondern auch das Recht, gegen die Wahl Einspruch einzulegen oder gegen einen Beschluss der Wahlprüfungsbehörde über die Gültigkeit der Wahl Klage zu erheben. Dies eröffnet den Parteien die Möglichkeit, ihre Rolle im politischen Prozess im Wahlprüfungsverfahren fortzusetzen. Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gebietet dann im Verfahren der Wahlprüfung die strikte Waffengleichheit der konkurrierenden Parteien.

23

Damit ist nicht vereinbar, Parteien und Wählergruppen, die an einer Kommunalwahl teilgenommen haben und die die Wahl für ungültig halten, das Recht einzuräumen, gegen die Entscheidung der Wahlprüfungsbehörde, mit der die Wahl für gültig erklärt wird, Klage zu erheben, zugleich aber anderen Parteien und Wählergruppen, die die Wahl für gültig halten, ein Klagerecht gegen die Entscheidung der Wahlprüfungsbehörde, mit der die Wahl für ungültig erklärt wird, zu versagen. Sachliche Gründe, welche diese Ungleichbehandlung ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

24

Das Berufungsgericht verweist auf den Umstand, dass das Landesrecht nur den Anspruch vorsieht, eine Wahl für ungültig zu erklären (§ 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 1 Buchst. a bis c KWahlG), dass es jedoch einen gegenläufigen Anspruch, die Wahl für gültig zu erklären, keinem Verfahrensbeteiligten einräumt (§ 40 Abs. 1 Buchst. d KWahlG), und knüpft hieran die Schlussfolgerung, dass nur klagen dürfe, wer zuvor - erfolglos - Einspruch gegen die Wahl erhoben habe. Dies vermag nicht zu überzeugen. Richtig und naheliegend ist, dass Einspruch gegen die Wahl nur einlegen darf, wer die Wahl für fehlerhaft und deshalb für ungültig hält; wer die Wahl hingegen für einwandfrei erachtet, hat keinen Anlass zu einem Einspruch. Schon deshalb verbietet sich aber, hieraus Folgerungen auch für die Befugnis abzuleiten, den Beschluss der Wahlprüfungsbehörde über die Gültigkeit der Wahl zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Eine solche Folgerung beschränkt das Klagerecht von vornherein auf den Angreifer, schließt aber den Verteidiger der Wahl aus, ohne für diese Ungleichbehandlung einen anderen Grund als eben den des vorgängigen Einspruchs anzuführen.

25

Auch der Hinweis der Beklagten auf die Besonderheiten des Wahlprüfungsrechts vermag die Ungleichbehandlung der Parteien nicht zu rechtfertigen. Richtig ist, dass das Wahlprüfungsrecht bei Bundestags- ebenso wie bei Landtags- und Kommunalwahlen ein weitgehend objektiviertes Verfahren ist, das auf eine rasche Klärung der Gültigkeit einer Wahl zielt, um so die Legitimationsgrundlage der gewählten Vertretungskörperschaft und der von ihr gefassten Beschlüsse möglichst zu sichern. Aus diesem Grunde können auch Einspruchs- und Klagerechte - jedenfalls jenseits der Wahrnehmung subjektiver Wahlrechte - beschränkt oder gar ausgeschlossen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 2 BvR 562/91 - BVerfGE 85, 148 <159>). Das rechtfertigt aber nicht, den Kreis der Klageberechtigten ungleich zu beschränken. Die mit der Inanspruchnahme von Einspruchs- und Klagerechten zwangsläufig verbundenen Verzögerungen bei der endgültigen Feststellung des Wahlergebnisses nimmt der Gesetzgeber in Kauf, wenn er solche Rechte einräumt. Eine ungleiche Verkürzung dieser Klagerechte kann nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, deren Wahrnehmung koste zuviel Zeit.

26

Die Beklagte hat schließlich vorgebracht, die Parteien dürften gegenüber den Wahlberechtigten nicht privilegiert werden, schon weil beide Gruppen in § 39 Abs. 1 KWahlG nebeneinander gestellt seien; auch Wahlberechtigte dürften aber nur klagen, um einen vorherigen Einspruch weiter zu verfolgen; wenn das Klagerecht für Parteien auf Beschlüsse der Wahlprüfungsbehörde ausgedehnt werde, welche die Wahl für ungültig erklären, dann müsse dies auch für alle Wahlberechtigten gelten, was aber dem Ziel einer Konzentration und Beschleunigung des Wahlprüfungsverfahrens zuwiderlaufe. Auch damit wird ein tragfähiger Grund für eine Verschiedenbehandlung der Parteien nicht dargetan. Die Beklagte verkennt schon, dass für die gebotene Gleichbehandlung der Parteien untereinander die Behandlung anderer Verfahrensbeteiligter - und damit auch diejenige der Wahlberechtigten - unerheblich ist. Richtig ist, dass für eine unterschiedliche Behandlung von Parteien und Wählergruppen einerseits und von Wahlberechtigten andererseits sachliche Gründe bestehen müssen; das folgt freilich nicht aus dem Gebot der Chancengleichheit der Parteien, sondern aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Solche sachlichen Gründe bestehen aber. Zum einen ergibt sich ein Klagerecht der Wahlberechtigten in bestimmtem Umfang schon aus ihrem aktiven und passiven Wahlrecht. Wenn das Kommunalwahlrecht Wahlberechtigten auch unabhängig hiervon ein weitergehendes Einspruchs- und Klagerecht einräumt - was vielfach an den Nachweis eines Unterstützerquorums gebunden wird -, so muss sich auch dies nicht zwangsläufig an den Einspruchs- und Klagerechten der Parteien und Wählergruppen orientieren. Der Gesetzgeber kann nämlich - zum anderen - bei der Zubilligung von Verfahrensrechten im Wahlprüfungsverfahren in Rechnung stellen, dass den Parteien und Wählergruppen eine besondere Bedeutung für die politische Willensbildung des Volkes und eine besondere Funktion in der parlamentarischen Demokratie zukommt.

27

§ 41 Abs. 1 Satz 1 KWahlG ist für die nach allem gebotene Gleichbehandlung der Parteien und Wählergruppen bei der Eröffnung der Klage gegen den Beschluss der Wahlprüfungsbehörde offen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift bestehen daher nicht; einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht. Mit seiner einschränkenden Auslegung der genannten Vorschrift verletzt das Berufungsgericht jedoch Bundesrecht; seine Entscheidung über die Berufung des Klägers kann deshalb keinen Bestand haben.

28

2. Da sich das Berufungsgericht mit den weiteren Fragen des Verfahrens noch nicht befasst hat, war sein Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Dabei wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass seine - nicht entscheidungstragend - geäußerte Auffassung, der Kläger gehöre als "CDU-Gemeindeverband" von vornherein nicht zum Kreis der Klageberechtigten, klageberechtigt sei vielmehr nur der Vorstand eines Gebietsverbandes einer Partei, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Aus § 11 Abs. 3 Satz 2 PartG i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ergibt sich, dass der Vorstand den Gebietsverband vertritt. Eine solche Vertretung erfolgt aber immer im Namen und für den Gebietsverband der Partei. Dieser kann gemäß § 61 Nr. 2 VwGO nach Maßgabe der Satzung der Partei unter seinem Namen klagen und verklagt werden. Mit der Regelung ihrer Vertretung in § 11 Abs. 3 PartG werden keine eigenen Rechte des Vorstandes begründet. Hiervon will § 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz1 KWahlG nicht abweichen; das Berufungsgericht verweist vielmehr selbst auf § 11 PartG und § 26 BGB.

29

Darüber hinaus wird das Berufungsgericht vor einer Entscheidung in der Sache den SPD-Gemeindeverband beizuladen haben (§ 65 Abs. 2 VwGO entspr.). Zwar begründet die Wahlprüfung kein Rechtsverhältnis, an dem die einspruchführende Partei mit eigenen Rechten beteiligt wäre. Wenn aber das jeweilige Wahlprüfungsrecht auch Parteien das Recht einräumt, den Beschluss der Wahlprüfungsbehörde über die Gültigkeit der Wahl mit der Klage anzufechten, dann setzt sich die gebotene Waffengleichheit der Parteien im gerichtlichen Verfahren dahin fort, dass die einspruchführende Partei, wenn sie nicht Klägerin ist, dann jedenfalls als Dritte am Prozess zu beteiligen ist; über die Klage und über ihren Einspruch kann nur einheitlich entschieden werden.

30

Ob die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zur Ungültigerklärung der Wahl führt, wird das Berufungsgericht nach Maßgabe des Landeswahlrechts zu entscheiden haben. Dabei wird es berücksichtigen, dass sowohl nach Bundesrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 a.a.O. <158 f., 160 f.>) als auch nach nordrhein-westfälischem Landesrecht (vgl. OVG Münster, Urteil vom 22. Februar 1991 - 15 A 1518/90 - OVGE 42, 152 <156>) die abstrakte Möglichkeit von Manipulationen nicht ausreicht, um die Wahl für ungültig zu erklären. Vielmehr muss in jedem Fall ein Einfluss auf die Mandatsverteilung möglich erscheinen; es muss also ermittelt werden, ob die festgestellten Mängel im konkreten Fall Auswirkungen auf das Wahlergebnis und darüber hinaus auf die Zuteilung von Mandaten haben konnten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit einer Bürgermeisterwahl.
Am ... fand in der Gemeinde ... die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters statt, für die ausschließlich der Kläger und der Beigeladene - ein Beigeordneter der Gemeinde - kandidierten. Es wurden insgesamt 3.264 gültige Stimmen abgegeben, wovon 3.121 Stimmen auf den Beigeladenen und 112 Stimmen auf den Kläger entfielen. Das amtlich festgestellte Ergebnis der Wahl wurde am ... öffentlich bekanntgemacht.
Der Kläger legte gegen die Bürgermeisterwahl mit Schreiben vom ... Einspruch ein, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er nicht die gleichen Chancen wie sein Mitbewerber gehabt habe. Der Beigeladene habe gar nicht kandidieren wollen. Erst als er von der ... ... dazu ermuntert worden sei, habe er „in letzter Sekunde“ seine Bewerbung eingereicht. Außerdem sei der Beigeladene charakterlich nicht als Bürgermeister geeignet.
Das Landratsamt ... wies den Einspruch des Klägers mit Bescheid vom ... - zugestellt am ... - zurück. Gründe nach § 32 Abs. 1 KomWG, die zu einer Ungültigkeit der Wahl führten, seien nicht erkennbar. Insbesondere sei eine Verletzung der Chancengleichheit nicht feststellbar. Der Umstand, dass der Kläger bei der Kandidatenvorstellung trotz rechtzeitiger Einladung nicht erschienen sei, habe keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Wahl. Auch die Frage, durch welche Motive sich der Beigeladene bei seiner Kandidatur habe leiten lassen, berühre die Rechtmäßigkeit der Wahl nicht. Dass der Beigeladene nach Auffassung des Klägers charakterlich ungeeignet sei, sei unbeachtlich. Der Beigeladene sei vom Gemeindewahlausschuss zur Bürgermeisterwahl zu Recht zugelassen worden, da die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen vorgelegen hätten. Ein Grund für eine Wahlanfechtung könne nicht darin erblickt werden, dass der Kläger von der Partei, in der er Mitglied sei, im Wahlkampf nicht unterstützt worden sei. Erklärungen des Beigeladenen im Zuge der Vorstellung und Wahl zum Beigeordneten der Gemeinde ... im Jahre ... hätten keine Auswirkungen auf die Chancen des Klägers als Bewerber um das Amt des Bürgermeisters. Auch eine mögliche Parteinahme eines ... Landtagsabgeordneten für einen Mitbewerber verstoße weder gegen gesetzliche Bestimmungen des Kommunalwahlrechtes noch gegen die Chancengleichheit der übrigen Wahlbewerber. Die Unterstützung einer politisch tätigen Person für einen der Wahlbewerber sei nicht zu beanstanden. Die Gemeindeverwaltung ... und die Organe der Gemeinde hätten in keiner Weise für einen der Bewerber Partei ergriffen, sondern sich strikt an das Gebot der Neutralität gehalten. Mit seinen Aussagen im Wahlkampf habe der Beigeladene zum Ausdruck gebracht, dass er persönlich und politisch unabhängig sei. Der Beigeladene habe sich nicht dahingehend geäußert, dass er bei seiner Amtsführung nicht das Grundgesetz und die Landesverfassung achten und verteidigen werde.
Der Kläger hat am ... (Montag) Klage erhoben.
Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, der Beigeladene sei befangen, da er seit acht Monaten Stellvertreter des Bürgermeisters sei. Er selbst sei bis zum ... um zehn Uhr der einzige Kandidat gewesen. In Baden-Württemberg sei es nicht üblich, dass sich ein zweiter Kandidat bewerbe, wenn es bereits einen Kandidaten gebe. Der Beigeladene hätte sich erst dann für die Wahl bewerben können, nachdem der Bürgermeister ihn aus seinem bisherigen Amt als erster Beigeordneter entlassen hätte. Es liege ein Verstoß gegen § 32 GemO vor. Es stelle keine gewissenhafte Erfüllung der Amtspflichten dar, wenn der Gemeinderat seinen ersten Beigeordneten nach acht Monaten entlasse, damit dieser sich als Bürgermeister bewerben könne. Der Gemeinderat sowie der frühere Bürgermeister hätten damit gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen. Obwohl er ...-Mitglied sei, habe er im Gegensatz zum Beigeladenen, der keiner Partei angehöre, von der ... ... keinerlei Unterstützung erfahren. Er sei zudem öffentlich bedroht worden und es habe im Internet Verleumdungen bezüglich seiner Person gegeben. Zu Gunsten des Beigeladenen habe eine Wahlbeeinflussung stattgefunden. Der frühere Bürgermeister habe sich öffentlich für eine Wahl des Beigeladenen ausgesprochen und dadurch strafbar gemacht.
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
den Bescheid des Landratsamtes ... vom ... aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde ... vom ... für ungültig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Er führt aus, an der Wählbarkeit des Beigeladenen bestünden auch unter dem Aspekt, dass dieser Beigeordneter der Gemeinde gewesen sei, keine Zweifel. Es liege kein Hinderungsgrund i.S.d. § 46 GemO vor. Im Zeitpunkt der Bewerbung sei eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis weder gesetzlich vorgesehen noch erforderlich gewesen. Beim Amtsantritt als Amtsverweser trete nach § 22 Abs. 3 BeamtStG eine Entlassung aus dem bisherigen Beamtenverhältnis kraft Gesetzes ein. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften sei nicht ersichtlich. Auch ein Verstoß gegen § 32 GemO sei nicht erkennbar. Bewerbungen zur Bürgermeisterwahl seien bis zum Bewerbungsschluss ohne zahlenmäßige Begrenzung zulässig gewesen. Die Reihenfolge des Bewerbereingangs sei bei der Bekanntmachung der zugelassenen Bewerber und bei der Gestaltung der Stimmzettel berücksichtigt worden. Öffentliche Bedrohungen des Klägers seien nicht bekannt. Die durch Gemeinderatsfraktionen erfolgte Ermunterung einzelner Kandidaten, sich zur Kandidatur zu stellen, verletze die Neutralitätspflicht des Gemeinderates nicht. Der seinerzeitige Bürgermeister habe nicht zur Kandidatur „ermuntert“. Im Übrigen nimmt der Beklagte auf die Ausführungen im Bescheid des Landratsamtes ... vom ... Bezug.
12 
Der mit Beschluss vom 21.10.2011 Beigeladene stellt keinen Antrag.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte der Gemeinde ... sowie die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Landratsamtes ... vom ... ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, das beklagte Land zu verpflichten, die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde ... vom ... für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
15 
Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
16 
In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Der gesetzliche Ausschluss von Einspruchsgründen, die nach Ablauf der Frist zur Wahlanfechtung geltend gemacht werden, gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (materielle Präklusion), weil es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Gültigkeit einer Wahl alsbald geklärt wird. Gegenstand der Klage ist nicht unmittelbar die Gültigkeit der angefochtenen Wahl, sondern der auf den zulässigen Einspruch ergangene Einspruchsbescheid. Folglich ist auch die gerichtliche Prüfung auf die fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe beschränkt und nicht auf weitere Anfechtungsgründe zu erstrecken (VGH Bad.-Württ, Urt. v. 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, NVwZ-RR 1992, 261; Urt. v. 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris). Das Gericht ist daher weder auf Antrag des Klägers noch von Amts wegen befugt, neue Anfechtungsgründe zur Grundlage seiner Prüfung und Entscheidung zu machen. Zwar gilt auch in diesem Verfahren der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO), aber nur in dem engen Rahmen des rechtshängigen Sachverhalts, also nur im Rahmen von fristgerecht geltend gemachten Einspruchsgründen; (nur) insoweit können die Parteien neue Beweismittel einführen (VG Freiburg, Urt. v. 06.12.2006 - 2 K 1555/06 -, juris m. w. N.).
17 
Vorliegend steht die Bürgermeisterwahl daher nur im Rahmen der vom Kläger bereits in seinem Einspruchsschreiben vom ... genannten Rügen einer rechtlichen Überprüfung durch das Verwaltungsgericht offen. Der Kläger rügte im Wesentlichen einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht durch den Gemeinderat und den früheren Bürgermeister sowie den Umstand, dass der Beigeladene aufgrund seines Amtes als Beigeordneter der Gemeinde nicht wählbar sowie zudem charakterlich ungeeignet sei.
18 
Es ist nicht ersichtlich, dass insoweit eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung i. S. d. § 32 Abs. 1 KomWG stattgefunden hat.
19 
Nach dem alle Wahlen beherrschenden Grundgedanken dürfen amtliche Befugnisse nicht im Sinn einer Wahlwerbung ausgeübt werden. Amtsträger unterliegen im Wahlkampf daher einer Neutralitätspflicht (vgl. zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.01.1997 - 1 S 1748/96 -, VBlBW 1997, 177; Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 -, VBlBW 1986, 310). Diese Neutralitätspflicht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Die vom Volke ausgehende Willensbildung bei Kommunalwahlen verbietet es, dass amtliche Organe das ihnen aufgrund ihrer amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die ihnen kraft ihrer Ämter gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise nutzen, die mit ihrer der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist; insbesondere dürfen sie sich nicht in amtlicher Funktion mit Wahlbewerbern identifizieren und sie mit öffentlichen Mitteln unterstützen oder bekämpfen. Entscheidend ist folglich eine Trennung von amtlicher Eigenschaft und persönlicher Meinungsäußerung. Mit dem Grundsatz der freien Wahl und dem Gebot der Neutralität der öffentlichen Gewalt im Wahlkampf unvereinbar sind grundsätzlich daher nur Äußerungen eines Amtsinhabers in amtlicher Funktion. Wer sich im Wahlkampf für einen Bewerber einsetzt, darf nicht seine Funktion als Amtsträger missbrauchen und versuchen, hierdurch Einfluss auf die Wählerentscheidung auszuüben. Ebenso wenig darf er durch seinen Einsatz in Widerstreit zu seinen jeweiligen Amtspflichten geraten, wobei jedoch noch nicht pflichtwidrig handelt, wer als einzelnes Mitglied von Gemeinderat oder Wahlausschuss für oder gegen einen Bewerber Partei ergreift (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 06.12.2006, a.a.O.).
20 
Anhaltspunkte dafür, dass der Bürgermeister oder andere Mitglieder des Gemeinderates ... gemessen an diesen Maßstäben die Grenzen zulässiger Wahlwerbung überschritten und damit gegen die ihnen als Amtsträger obliegende Neutralitätspflicht verstoßen hätten, wurden vom Kläger weder substantiiert vorgetragen noch sind diese sonst auch nur ansatzweise ersichtlich. Gründe, die der Wählbarkeit des Beigeladenen entgegenstünden (vgl. § 46 GemO), sind ebenfalls nicht erkennbar.
21 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
22 
Beschluss
23 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 22.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, NVwZ 2004, 1327).
24 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
14 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Landratsamtes ... vom ... ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, das beklagte Land zu verpflichten, die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde ... vom ... für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
15 
Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
16 
In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Der gesetzliche Ausschluss von Einspruchsgründen, die nach Ablauf der Frist zur Wahlanfechtung geltend gemacht werden, gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (materielle Präklusion), weil es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Gültigkeit einer Wahl alsbald geklärt wird. Gegenstand der Klage ist nicht unmittelbar die Gültigkeit der angefochtenen Wahl, sondern der auf den zulässigen Einspruch ergangene Einspruchsbescheid. Folglich ist auch die gerichtliche Prüfung auf die fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe beschränkt und nicht auf weitere Anfechtungsgründe zu erstrecken (VGH Bad.-Württ, Urt. v. 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, NVwZ-RR 1992, 261; Urt. v. 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris). Das Gericht ist daher weder auf Antrag des Klägers noch von Amts wegen befugt, neue Anfechtungsgründe zur Grundlage seiner Prüfung und Entscheidung zu machen. Zwar gilt auch in diesem Verfahren der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO), aber nur in dem engen Rahmen des rechtshängigen Sachverhalts, also nur im Rahmen von fristgerecht geltend gemachten Einspruchsgründen; (nur) insoweit können die Parteien neue Beweismittel einführen (VG Freiburg, Urt. v. 06.12.2006 - 2 K 1555/06 -, juris m. w. N.).
17 
Vorliegend steht die Bürgermeisterwahl daher nur im Rahmen der vom Kläger bereits in seinem Einspruchsschreiben vom ... genannten Rügen einer rechtlichen Überprüfung durch das Verwaltungsgericht offen. Der Kläger rügte im Wesentlichen einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht durch den Gemeinderat und den früheren Bürgermeister sowie den Umstand, dass der Beigeladene aufgrund seines Amtes als Beigeordneter der Gemeinde nicht wählbar sowie zudem charakterlich ungeeignet sei.
18 
Es ist nicht ersichtlich, dass insoweit eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung i. S. d. § 32 Abs. 1 KomWG stattgefunden hat.
19 
Nach dem alle Wahlen beherrschenden Grundgedanken dürfen amtliche Befugnisse nicht im Sinn einer Wahlwerbung ausgeübt werden. Amtsträger unterliegen im Wahlkampf daher einer Neutralitätspflicht (vgl. zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.01.1997 - 1 S 1748/96 -, VBlBW 1997, 177; Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 -, VBlBW 1986, 310). Diese Neutralitätspflicht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Die vom Volke ausgehende Willensbildung bei Kommunalwahlen verbietet es, dass amtliche Organe das ihnen aufgrund ihrer amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die ihnen kraft ihrer Ämter gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise nutzen, die mit ihrer der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist; insbesondere dürfen sie sich nicht in amtlicher Funktion mit Wahlbewerbern identifizieren und sie mit öffentlichen Mitteln unterstützen oder bekämpfen. Entscheidend ist folglich eine Trennung von amtlicher Eigenschaft und persönlicher Meinungsäußerung. Mit dem Grundsatz der freien Wahl und dem Gebot der Neutralität der öffentlichen Gewalt im Wahlkampf unvereinbar sind grundsätzlich daher nur Äußerungen eines Amtsinhabers in amtlicher Funktion. Wer sich im Wahlkampf für einen Bewerber einsetzt, darf nicht seine Funktion als Amtsträger missbrauchen und versuchen, hierdurch Einfluss auf die Wählerentscheidung auszuüben. Ebenso wenig darf er durch seinen Einsatz in Widerstreit zu seinen jeweiligen Amtspflichten geraten, wobei jedoch noch nicht pflichtwidrig handelt, wer als einzelnes Mitglied von Gemeinderat oder Wahlausschuss für oder gegen einen Bewerber Partei ergreift (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 06.12.2006, a.a.O.).
20 
Anhaltspunkte dafür, dass der Bürgermeister oder andere Mitglieder des Gemeinderates ... gemessen an diesen Maßstäben die Grenzen zulässiger Wahlwerbung überschritten und damit gegen die ihnen als Amtsträger obliegende Neutralitätspflicht verstoßen hätten, wurden vom Kläger weder substantiiert vorgetragen noch sind diese sonst auch nur ansatzweise ersichtlich. Gründe, die der Wählbarkeit des Beigeladenen entgegenstünden (vgl. § 46 GemO), sind ebenfalls nicht erkennbar.
21 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
22 
Beschluss
23 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 22.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, NVwZ 2004, 1327).
24 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert.

Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 im Berufungsverfahren je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 in Kappel-Grafenhausen.
Am Freitag, dem 30.06.2006, berichtete die Badischen Zeitung (BZ) unter der Überschrift „Klagen aus dem Gewerbe“ über eine Wahlveranstaltung des Bürgermeisterkandidaten Z. mit Gewerbetreibenden der Gemeinde, und führte aus, dass das Verhalten des Amtsinhabers von Betriebsinhabern teilweise massiv kritisiert worden sei.
Am Samstag, dem 01.07.2006, erschien unter dem Titel „‘Zustimmung, Freundlichkeit’ - K. kontert Vorwürfe“ ein weiterer Artikel in der BZ in Gesprächsform, in dem die Sicht des amtierenden - und zur Wiederwahl stehenden - Bürgermeisters, des Beigeladenen zu 1, wiedergegeben wurde.
Am selben Tag wurden auch vier Leserbriefe in der BZ veröffentlicht, die sich kritisch mit dem Artikel vom 30.06.2006 auseinander setzten.
Unter der Titelzeile „Unverständlich“ wurde ein Leserbrief mit folgendem Wortlaut abgedruckt:
„Der leider von privater Seite verfasste Bericht gegenüber unserem Herrn K. entspricht nicht den Tatsachen.
Es waren nur einzelne Gewerbetreibende von knapp 40, die die Tätigkeit von Herrn K. kritisierten.
Bis jetzt hieß es in beiden Wahlkampfreden, dass ein fairer Wahlkampf betrieben wird, dies geht jedoch weit unter die Gürtellinie. Mit dem Bericht wird auf infame Weise versucht, Bürgermeister K. kurz vor der Wahl zu diskreditieren.
Ich bin der Meinung, dass man es nicht jedem recht machen kann, und dass bei allen zukünftigen Bürgermeistern immer ein Haar in der Suppe gefunden werden kann, wenn man danach sucht.
Mehrere Gewerbetreibende riefen mich als Gewerbevereinsvorsitzender an, dass sie den Artikel überhaupt nicht verstehen können, und mit Herrn K. sehr zufrieden sind. Sie baten mich, eine Gegendarstellung in die BZ und in den Guller zu setzen.
H. U.“
Unter der Zeile „Faires Miteinander“ hieß es:
„Wir auch von der O. GmbH, ... und ..., ... ... in ..., können diesen Bericht nicht nachvollziehen. In der Amtszeit von Herrn Bürgermeister K. war es für uns ein faires wirtschaftliches Miteinander.
W. O., O. GmbH, ...- und ... ...“
Unter der Überschrift „Ist das fair?“ erschien folgender Leserbrief:
10 
„Fair“ und „ehrlich“ sollte die Bewerbung um den Bürgermeisterposten in Kappel-Grafenhausen laufen - so wurde es zwischen den beiden Bewerbern, Amtsinhaber A. K. und dem Konkurrenten J. Z. öffentlich vereinbart. Nun scheinen unterschiedliche Ansichten darüber zu bestehen, was unter „fair“ und „ehrlich verstanden wird.
Manches an der Informationsbeschaffung des Kandidaten Z. im Wahlkampf erscheint mir nicht dem von ihm gesetzten moralischen Maß zu entsprechen.
... B. E., ...“
11 
Ein letzter Leserbrief folgte unter dem Stichwort „Verwundert“:
12 
Über den Bericht in der Badischen Zeitung vom 30. Juni „Klagen aus den Gewerbe“ kann ich, milde ausgedrückt, nur meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. In diesem Bericht wird die Glaubwürdigkeit und Integrität des Amtsinhabers, Herrn Bürgermeister K., in Frage gestellt und ihm meines Erachtens auch Unrecht getan.
G. K., ...“
13 
Bei der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 erhielt der Beigeladene zu 1 1.160 von 2.301 gültigen und damit 50,4% der Stimmen; der unterlegene Bewerber Z. kam auf 1.135 Stimmen, sonstige Bewerber erhielten insgesamt sechs Stimmen. Das Wahlergebnis wurde zunächst am 03.07.2006 bekannt gemacht; die öffentliche Bekanntmachung wurde wegen eines Formfehlers am 14.07.2006 wiederholt.
14 
Am 10.07.2006 erhob der Kläger, ein wahlberechtigter Einwohner der Gemeinde, Einspruch gegen die Wahl und fügte eine Unterschriftenliste mit Beitretenden bei. Zur Begründung machte er geltend, dass eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung mit der Folge der Verletzung elementarer Wahlrechtsgrundsätze wie der Freiheit und Gleichheit der Wahl vorliege. Der stellvertretende Leiter des Wahlprüfungsausschusses, der Zeuge U., habe sich entgegen seiner Pflicht zur Neutralität am Samstag vor der Wahl in einem Leserbrief zugunsten des gewählten Bürgermeisters eingesetzt und darin falsche Behauptungen aufgestellt. Der Brief sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden. Wegen der Veröffentlichung hätten der Bürgermeister und der Zeuge U. massiven Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
15 
Gegenüber dem Landratsamt Ortenaukreis gab der Zeuge U. im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens u.a. an, dass die in der BZ veröffentlichte Stellungnahme von ihm selbst stamme und per E-Mail von seinem eigenen Computer an die Redaktion übermittelt worden sei. Irgendeine vorherige Kontaktaufnahme oder gar eine Absprache mit dem Beigeladenen zu 1 habe es nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1 erklärte gegenüber dem Landratsamt, die Behauptung, der Leserbrief sei von ihm diktiert und im Rathaus geschrieben worden, sei unzutreffend. Die Beigeladene zu 2 teilte dem Landratsamt mit, dass der Bürgermeister-Stellvertreter bei allen Bediensteten in den beiden Rathäusern der Frage nachgegangen sei, ob der Leserbrief im Rathaus geschrieben bzw. vom Bürgermeister diktiert worden sei; alle Befragten hätten dies verneint.
16 
Das Landratsamt Ortenaukreis erklärte mit Wahlprüfungsbescheid vom 03.08.2006 die Bürgermeisterwahl unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche für gültig.
17 
Mit weiterem Bescheid vom 03.08.2006 wies das Landratsamt den Einspruch des Klägers zurück. Der zulässige Einspruch sei nicht begründet. Die gerügte gesetzwidrige Wahlbeeinflussung durch einen Bewerber oder Dritte liege nicht vor. Der Zeuge U. habe mit seinem Leserbrief nicht gegen die den amtlichen Organen obliegende Neutralitätspflicht verstoßen; diese gelte nur für die Gemeindeorgane selbst, nicht aber für deren Mitglieder. Im Übrigen habe der Zeuge U. diesen Brief mit seinem Namen, nicht aber mit Hinweis auf sein Amt als stellvertretendes Mitglied des Gemeindewahlausschusses unterzeichnet. Inhaltlich sei mit dem Leserbrief angesichts der kontroversen Berichterstattung die Grenze der zulässigen Wahlpropaganda und Wahlagitation nicht überschritten worden. Die weitere Rüge, wonach der Brief im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden sei, sei nicht belegt. Nach glaubhafter Darstellung des Zeugen U. habe dieser die Stellungnahme selbst verfasst und per E-Mail vom eigenen Computer an die Redaktion der BZ übermittelt. Auch der Beigeladene zu 1 habe den Vorwurf als falsch bestritten. Nach Stellungnahme der Gemeinde unter Einbeziehung einer Befragung der Bediensteten des Bürgermeisteramtes bestünden ebenso wenig Anhaltspunkte im Sinne des Vorbringens. Nicht nachgewiesen sei weiter der Vorwurf, der Beigeladene zu 1 oder der Zeuge U. hätten Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
18 
Der Kläger hat am 01.09.2006 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere geltend gemacht, dass der fragliche Leserbrief vom Bürgermeister initiiert und diktiert und im Rathaus der Entwurf für den Strohmann U. geschrieben worden sei. Der Bürgermeister habe über die Gemeindeverwaltung z.B. durch E-Mails an den Zeugen U. Einfluss auf diesen ausgeübt, damit der Leserbrief in der BZ abgedruckt werde. Diese amtliche Beeinflussung durch die Gemeindeverwaltung bzw. den Bürgermeister sei auch rechtserheblich gewesen, sie habe das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 sind der Klage entgegengetreten. Die Beigeladene zu 2 hat im laufenden Verfahren schriftliche Stellungnahmen von zwei im Büro des Beigeladenen zu 1 tätigen Bediensteten, darunter die Zeugin F., vorgelegt, die - abweichend von ihren ursprünglichen Einlassungen - bekundet haben, dass am 30.06.2006 auf Geheiß des Beigeladenen zu 1 dort Leserbriefe geschrieben worden seien und deren Veröffentlichung vorbereitet worden sei.
19 
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006, in der der Zeuge U. und die Zeugin F. vernommen worden sind, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung liege bei Berücksichtigung der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe, die den Prüfungsumfang auch des Gerichts beschränkten, nicht vor. Mit seinem Leserbrief habe der Zeuge U., der stellvertretender Beisitzer des Wahlausschusses und Gemeinderat sei, die Grenzen zulässiger Wahlwerbung nicht überschritten. Denn er habe diesen Brief nicht in diesen Funktionen, sondern allein als Gewerbevereinsvorsitzender geschrieben. Als Inhaber eines Ehrenamtes könne er nicht von Äußerungen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeschlossen werden. Auch im Hinblick auf die Autorenschaft des fraglichen Leserbriefs sei eine gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung nicht festzustellen. Objektiv unrichtig seien Tatsachenbehauptungen zwar nicht nur dann, wenn sie inhaltlich falsch seien, sondern auch in Fällen, in denen der Wähler über den Urheber einer Äußerung im Wahlkampf getäuscht werde; denn die Bewertung einer solchen Äußerung hänge entscheidend auch davon ab, von wem sie stamme. Der Zeuge U. sei jedoch in rechtlicher Hinsicht als Urheber des mit seinem Namen unterzeichneten Leserbriefs anzusehen. Die Beweisaufnahme habe zwar ergeben, dass der Beigeladene zu 1 einen erheblichen Beitrag an der Entstehung und am Inhalt des Leserbriefs habe, der Zeuge U. habe sich den Inhalt des Briefs jedoch vollständig zu eigen gemacht. Er habe nämlich ein persönliches Interesse daran gehabt, dem seiner Auffassung nach durch den Bericht entstandenen falschen Anschein, die Gewerbetreibenden insgesamt und auch er als der Vereinsvorsitzende sei dem amtierenden Bürgermeister gegenüber kritisch eingestellt, durch eine eigene veröffentlichte Stellungnahme entgegenzutreten. Des Weiteren habe der Zeuge U. den aus dem Rathaus stammenden Entwurf nicht unbesehen übernommen, sondern um eigene Passagen ergänzt. Da der Zeuge U. somit als Urheber des Leserbriefs anzusehen sei, liege allein darin, dass ohne ein Eingreifen des Beigeladenen zu 1 der Leserbrief vermutlich mit anderem Wortlaut, möglicherweise aber auch gar nicht, erschienen wäre, keine rechtserhebliche Täuschung des Wählers. Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1 den Entwurf für den Leserbrief durch eine Angestellte des Rathauses habe schreiben und mailen lassen. Es spreche vieles dafür, dass eine unparteiische Amtsführung es gebiete, Einrichtungen und Bedienstete der Gemeindeverwaltung nicht für Wahlpropaganda zu verwenden. Ein Textbeitrag von sechs Zeilen, der von der Angestellten zudem lediglich nach Diktat geschrieben, nicht aber entworfen worden sei, reiche dafür jedenfalls nicht aus, da einem derart geringen Beitrag die Eignung dafür fehle, die Wahl zu beeinflussen.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 07.03.2007 - 1 S 182/07 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen, wonach der Zeuge U. als Unterzeichner des Leserbriefs lediglich vorgeschoben worden sei und die Wähler dadurch über den wahren Urheber getäuscht worden seien. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1 habe den Leserbrief initiiert, der Zeuge U. habe den per E-Mail übermittelten Entwurf in zentralen Aussagen übernommen, so dass amtliche Stellen bei der Veröffentlichung eine ausschlaggebende Rolle gespielt hätten. Es reiche nicht aus, dass der Zeuge U. bekräftigt habe, dass es sein Leserbrief gewesen sei und er inhaltlich voll dahinter stehe; eine formale Autorenschaft genüge nicht. Schließlich gehe es nicht an, den unzulässigen amtlichen Einfluss des Bürgermeisters angesichts des knappen Wahlergebnisses zu verharmlosen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
26 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Er trägt vor: Zutreffend sei im angefochtenen Urteil festgestellt worden, dass der Zeuge U. „wahrer Urheber“ des Leserbriefs gewesen sei; er habe dessen Inhalt und Form selbst verantwortet. Im Übrigen komme es nicht darauf an, wer der geistige Urheber eines Leserbriefs im Wahlkampf sei; entscheidend sei allein, wer durch seine Unterschrift die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Text dokumentiere und damit die inhaltliche Verantwortung für das Druckwerk gegenüber der Öffentlichkeit und der Wählerschaft übernehme. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht sei rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie in den öffentlichen Raum hineinwirke und zu einer Beeinflussung des Wählerwillens führen könne. Demgegenüber seien Verstöße, die rein verwaltungsintern blieben und keine Auswirkungen auf den Wählerwillen haben könnten, irrelevant. Außerdem müssten die Verstöße von solchem Gewicht sein, dass eine unzulässige Beeinflussung des Wahlergebnisses durch sie möglich sei. Dies habe das angefochtene Urteil bezüglich des völlig untergeordneten Beitrags der Zeugin F. zutreffend verneint.
29 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
30 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
31 
Sie trägt vor: Der Beigeladene zu 1 habe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Leserbriefs Gemeindebedienstete für seine Wahlkampfzwecke eingesetzt und dadurch unter Verletzung der ihm insoweit obliegenden Neutralitätspflicht eine gesetzeswidrige Wahlbeeinflussung begangen. Angesichts des knappen Stimmenvorsprungs des Beigeladenen zu 1 sei auch anzunehmen, dass dieser Wahlfehler Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben könnte.
32 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin F.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 wird aufgehoben. Das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Stadt X vom 19.04.2015 für ungültig zu erklären und auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind.

Die Gerichtskosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen das beklagte Land zur Hälfte und die Beigeladenen zu 1 und 2 zu je einem Viertel. Das beklagte Land und die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des beklagten Landes, eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären.
Die beigeladene Stadt bestimmte laut Bekanntmachung in ihrem Amtsblatt ("Stadtzeitung") vom 13.02.2015 den 19.04.2015 als Tag der Wahl des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin. Neben dem Beigeladenen zu 2, der amtierender Bürgermeister war, bewarb sich u.a. auch die Klägerin.
In der Ausgabe des Amtsblatts vom 13.03.2015 erschien auf den Seiten 5 und 6 ein Bericht, verfasst von X, Journalist des "netzwerks Südbaden“ „mit“ Bürgermeister X zum Thema "In X wird kräftig investiert“. Darin heißt es auszugsweise:
"Im April stellt sich Xs Bürgermeister X (58) noch einmal zur Wahl. Zum vierten Mal will der gebürtige Schwabe Stadtoberhaupt der alten Zähringerstadt werden und dagegen spricht rein gar nichts. Seit 1991, seit X zum ersten Mal zum Bürgermeister der Stadt gewählt wurde - der Xgrößten im Landkreis X, ist X auf einem ziemlich strikten Erfolgskurs. … Erst in diesen Tagen hat eine Meldung über eine neue Industrieansiedlung in der 12.000 Einwohner Stadt Schlagzeilen gemacht. Das ambitionierte schweizerisch deutsche Möbelunternehmen X … hat ein 16 ha großes Industriegebiet auf Xer Markung erworben. … Für die Gemeinde und Bürgermeister X ist der Deal mit X einerseits ein Glücksfall, andererseits wohl auch ein Erfolg geschickter kommunaler Wirtschaftspolitik. Ursprünglich hatte der international aufgestellte Automobilzulieferer X 1970 in X ein 60 ha großes Industriegebiet erworben. 3000 Arbeitsplätze, so die Planung damals, sollten hier im X entstehen. Das Projekt wurde eingedampft: Heute sind 600 Mitarbeiter bei der Nachfolgefirma… in X tätig, die Gemeinde erwarb 25 ha aus dem Grundstücksgeschäft wieder zurück. Kein schlechtes Geschäft. Es gelang X, auf einen Teil des Areals neben der deutschlandweit X Bäckerei X… die Firmen… anzusiedeln... X, der auch Wirtschaftsförderer der Stadt ist ("Die Unternehmer wollen mit dem Bürgermeister reden, deshalb mache ich das lieber selbst“), ist jedenfalls zufrieden … Es gibt spezielle Programme, um die Abgänger von Xer Schulen … für eine Ausbildung vor Ort zu interessieren. Durchaus mit Erfolg, sagt Bürgermeister X. … Dabei war Xs Weg zu einer der erfolgreichsten Städte in Südbaden keineswegs programmiert, im Gegenteil. … Heute steht die Stadt vor der Herausforderung, im Wettbewerb der Kommunen auch eine gewichtige Rolle zu spielen. X, übrigens auch Teamchef der Deutschen Fußballnationalmannschaft der Bürgermeister und Inhaber einer Trainer-A-Lizenz, sieht das sportlich: Bis 2022, dann kommt eine Landesgartenschau nach X, wird die Stadt wieder an den Rhein gerückt sein. Es ist ein Mammutprojekt, eng verzahnt mit der Weiterentwicklung des Integrierten Rheinprogramms … In der Innenstadt wird derzeit ein über 3000 m² großes Areal entwickelt, das sich im Besitz der Stadt befindet – zur Zeit sind allerdings noch die Archäologen dabei, die historische Substanz zu erkunden. Projektentwickler ist der Bürgermeister, der sich auf der jüngsten Immobilienmesse ExpoReal schon mal umgeschaut hat, welcher Einzelhändler als Publikumsmagnet nach X mit seiner ganz besonderen Stadtstruktur passen könnte. …“
Der Ausgabe des Amtsblatts vom 17.04.2015 lag eine vierseitige Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 bei. Das Titelblatt zeigt sein Bild mit den Worten: „X“, „Bürgermeister“ „Gemeinsam und weiter erfolgreich in die Zukunft“. Die Broschüre, die kein Impressum enthält, schließt mit den Worten „Ihr X, Bürgermeister“.
Bei der Wahl am 19.04.2015 gaben laut der öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses im Amtsblatt vom 24.04.2015 von 9.470 Wahlberechtigten 4190 (44,25 %) ihre Stimme ab. 23 Stimmen waren ungültig, 4.167 Stimmen waren gültig. Es entfielen auf den Beigeladenen zu 2 2.456 (58,94 %), auf die Klägerin 1.552 (37,25%), auf den weiteren Bewerber X 156 (3,46 %) und auf sonstige Personen 15 gültige Stimmen.
Die Klägerin erhob am 30.04.2015 Einspruch und trug vor: Bei dem Bericht in der „Stadtzeitung“ vom 13.03.2015 handele es sich um eine unzulässige Wahlbeeinflussung, weil dieser Bericht offenkundig eine Wahlempfehlung in amtlicher Eigenschaft darstelle. Dafür spreche das Medium Amtsblatt, die Verantwortlichkeit des Beigeladenen zu 2 für die Stadtzeitung und seine Nennung als Mitverantwortlicher für die Berichterstattung. In dem Bericht würden die Grenzen einer zulässigen Öffentlichkeitsarbeit überschritten. Hinzu komme, dass der Bericht anders als andere im Stadtanzeiger enthaltenen Berichte keine bzw. kaum aktuelle Geschehnisse zum Gegenstand habe. Der darin liegende Verstoß gegen das Neutralitätsgebot werde dadurch verstärkt, dass ihr Wunsch vom 07.04.2015 um Veröffentlichung eines werbenden Textes im Amtsblatt von einer Mitarbeiterin der Stabsstelle des Bürgermeisters mit einem Vorschlag zur neutralen Veröffentlichung beantwortet worden sei. Daran zeige sich, dass die beigeladene Stadt nur zum Vorteil des Amtsinhabers werbende Veröffentlichungen im Amtsblatt gestattet habe. Nach alldem könne dahinstehen, ob auch die dem Amtsblatt vom 07.04.2015 beigefügte Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 gegen das Neutralitätsgebot verstoße. Dafür spreche allerdings schon die enge räumliche Verbindung von Broschüre und Amtsblatt und der Umstand, dass der Broschüre kein Impressum beigefügt gewesen sei. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen über die Wahlzeit und eine rechtswidrige Wahlbeeinflussung liege darin, dass auf der Homepage der beigeladenen Stadt am Wahltag in der Zeit zwischen 16:00 Uhr und 17:51 Uhr in Fettdruck zu lesen gewesen sei:
"Keiner der Bewerber hat die notwendige Mehrheit von über 50 % der gültigen Stimmen erreicht.
Die Neuwahl findet am 3.5.2015 statt.“
Darunter seien unter der Überschrift „TEST Ergebnis der Bewerber TEST“ unter einem Balkendiagramm mit Prozentangaben auch eine Tabelle mit Stimmergebnissen und eine Wahlstatistik gezeigt worden. Damit habe die Beigeladene zu 1 gegen ihre Verpflichtung verstoßen, während der Wahlzeit (bis 18:00 Uhr) die Veröffentlichung von (angeblichen) Wahlergebnissen zu unterlassen. Es sei nicht auszuschließen, dass ein unbefangener, flüchtiger Leser übersehen hätte, dass es sich nur um ein Testbild gehandelt habe, und deshalb zur Auffassung gelangt sei, dass es auf seine Stimme nicht mehr entscheidend ankomme, weil sowieso eine Neuwahl stattfinden müsse. Denkbar sei auch, dass Wähler den Eindruck erhalten hätten, die Entscheidung könne knapp zulasten des Beigeladenen zu 2 ausgehen und nur deshalb in der verbleibenden Wahlzeit noch ihre Stimme abgegeben hätten. Durch diese Vorabveröffentlichung habe die Beigeladene zu 1 auch gegen das Verbot unzulässiger Wahlpropaganda in und nahe der Wahlräume verstoßen. Schließlich habe die Beigeladene zu 1 gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Wahl verstoßen, indem der Wahlvorstand des Wahllokals 5 (Kreisgymnasium) bei der Auszählung der Stimmen mehrere Wähler angewiesen habe, 4 bis 5 m von den Zähltischen Abstand zu halten; denn dadurch hätten die Zeugen die Auszählung der Stimmen nicht einsehen können. Die geltend gemachten Verstöße seien auch jeweils erheblich. Insoweit genüge ein möglicher, nicht ganz fernliegender Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Ein solcher Zusammenhang sei bei einer unzulässigen Wahlbeeinflussung regelmäßig anzunehmen, wenn es dafür keine gegenteiligen Anhaltspunkte gebe. Hinsichtlich des Verstoßes gegen die Öffentlichkeit der Stimmauszählung sei insoweit von Bedeutung, dass sie im Wahlbezirk 5 mit lediglich 32 % der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis erhalten habe, während der Beigeladene zu 2 dort außergewöhnlich gut abgeschnitten habe.
10 
Die beigeladene Stadt nahm am 15.05.2015 wie folgt Stellung: Der Bericht im Amtsblatt vom 13.03.2015 sei in dessen redaktionellem Teil erschienen. Verantwortlich für diesen Teil sei ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Es handele sich um einen Bericht über ein Gespräch des genannten Journalisten mit dem Beigeladenen zu 2 zur wirtschaftlichen Situation und Entwicklung von X, das im Januar 2015 stattgefunden habe und in der Februarausgabe von „X“ veröffentlicht worden sei. Zu der Wiedergabe eines Test-Wahlergebnisses sei es wie folgt gekommen: Ab 16.30 Uhr sei auf der Homepage der Stadt ein Link freigeschaltet gewesen. Statt des vorgesehenen Textes „das Ergebnis der Bürgermeisterwahl können sie am 19.04.2015 ab ca. 19:00 Uhr hier abrufen“ sei ein nicht gelöschtes Testergebnis gezeigt worden. Der von der Klägerin vorgelegte Screenshot sei unvollständig. Am obersten Rand des Bildschirms sei (ebenfalls) in großen Buchstaben zweimal das Wort Test erschienen. Der Fehler habe um 17:05 Uhr behoben werden können. Das Bild sei insgesamt 28 mal extern aufgerufen worden. Der Einspruch der Klägerin sei unzulässig. Sie mache nicht die Verletzung eigener Rechte geltend, sondern rüge nur objektiv-rechtliche Verstöße. Der Einspruch sei im Übrigen auch unbegründet. Der Artikel in der „Stadtzeitung“ vom 13.03.2015 könne die Wahl nicht unzulässig beeinflusst haben, weil er vom Wahltermin zu weit entfernt gewesen sei. Damals sei der Beigeladene zu 2 noch der einzige Bewerber gewesen. Der Artikel sei zudem sachlich, neutral, frei von Wahlwerbung und Wahlkampfpolemik. Auch die Verteilung des Wahlprospekts des Beigeladene zu 2 mit der „Stadtzeitung“ vom 17.04.2015 über den X Verlag sei nicht zu beanstanden. Diese Praxis sei von einem Gemeinderatsbeschluss aus dem Dezember 1992 gedeckt. Die versehentliche Veröffentlichung eines Test-Wahlergebnisses auf der Homepage der Stadt sei dem Themenkreis der Bekanntmachung des Wahlergebnisses zuzurechnen. Fehler dabei könnten bei der Anfechtung der Wahl nicht gerügt werden. Es habe sich auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung gehandelt. Bei der Auszählung der Stimmen sei die Öffentlichkeit gewahrt worden. Die Mitglieder des Wahlausschusses hätten Beobachter der Auszählung auf einen zulässigen Mindestabstand von 2 bis 3 m verwiesen. Die geltend gemachten Verstöße wären auch nicht erheblich.
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Auf Nachfrage des Landratsamts teilte der Beigeladene zu 2 laut einem Vermerk des Landratsamts vom 22.05.2015 telefonisch mit, dass er die Kosten für den Druck und die Verteilung seines Wahlprospekts aus eigenen Mitteln getragen habe und legte insoweit an ihn ausgestellte Rechnungen vor.
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Mit Bescheid vom 02.06.2015 wies das Landratsamt den Einspruch der Klägerin zurück und führte aus: Der Einspruch sei zulässig. Die Klägerin mache die Verletzung eigener Rechte geltend. Der Einspruch sei aber nicht begründet. Mit dem Bericht „In X wird kräftig investiert“ sei allerdings gegen den Grundsatz der freien Wahl, die daraus folgende Neutralitätspflicht des Bürgermeisters und das Gebot der Chancengleichheit verstoßen worden. Der Bericht sei nicht ausschließlich neutral gehalten und sachbezogen. Zahlreiche Äußerungen darin seien als positiv gegenüber dem amtierenden und wieder kandidierenden Beigeladenen zu 2 einzuordnen, es sei auch nicht auszuschließen, dass dies auch als Werbung für den Verbleib des bisherigen Bürgermeisters verstanden werde. Die Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit seien insoweit überschritten. Es bestehe aber nicht die - erforderliche - konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit, dass dieser Wahlfehler das Wahlergebnis beeinflusst habe. Dazu sei der Vorsprung des Beigeladenen zu 2 mit 904 Stimmen zum Ergebnis der Klägerin zu groß; auch habe er die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit von 2.084 Stimmen um 372 Stimmen nicht nur knapp übertroffen. Dass dieses deutliche Wahlergebnis auf den festgestellten Wahlfehler zurückzuführen sei, sei damit eine allenfalls theoretische und äußerst fernliegende Möglichkeit. Auch sei der Bericht mehr als fünf Wochen vor der Wahl zu einem Zeitpunkt erschienen, als sich noch keine weiteren Bewerber gemeldet gehabt hätten; es erscheine als sehr fraglich, ob der Bericht dem Wähler bei der Stimmabgabe in Anbetracht der geänderten Bewerberkonstellation und des sich anschließenden Wahlkampfs noch in Erinnerung gewesen war. Zudem entspreche es der Lebenserfahrung, dass zahlreiche Wähler bis kurz vor der Wahl relativ offen seien und sich erst zuletzt (spontan) entschieden, ob und ggf. welchen Bewerber oder welche Bewerberin sie überhaupt wählten. Die weiteren gerügten Wahlmängel lägen nicht vor. Die Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit der Ausgabe der „Stadtzeitung“ vom 17.04.2015 habe nicht gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Diese Wahlbroschüre habe nicht den Eindruck eines amtlichen Schriftstücks erweckt. Sie sei von dem Beschluss des Gemeinderats vom 07.02.1992 gedeckt, der zulasse, dass in der „Stadtzeitung“ Wahlwerbung in Anzeigen- oder Beilagenform vor den anstehenden Wahlterminen aufgenommen werden dürften. Auch habe der Beigeladene zu 2 die Wahlbroschüre selbst in Auftrag gegeben und deren Verteilung bezahlt. Soweit erkennbar, sei die Wahlbroschüre damit auch nicht durch den Einsatz persönlicher oder sachlicher Mittel der Beigeladenen zu 1 verteilt worden. Von der Veröffentlichung eines Testwahlergebnisses seien die Vorschriften über die Wahlzeit nicht berührt. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Veröffentlichung objektiv geeignet gewesen sei, den Wählerwillen zu beeinflussen, weil es als Testbild und nicht als Wiedergabe eines amtlichen (Zwischen-)Ergebnisses erkennbar gewesen sei. In der Veröffentlichung des Testbilds liege auch keine unzulässige Wahlpropaganda. Schließlich ergebe sich aus der Wahlniederschrift des Wahlvorstands im Wahlbezirk 5 und aus den Angaben der Beigeladenen nicht, dass die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen verletzt worden seien.
13 
Die Klägerin hat am 01.07.2015 Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor: Auch die gemeinsame Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit der Ausgabe des Amtsblatts der Beigeladenen zu 1 vom 17.04 2015 sei rechtswidrig gewesen. Es verstoße gegen das Neutralitätsgebot, dass diese Möglichkeit nicht jedem Kandidaten in gleicher Weise zur Verfügung gestanden habe. Der vorgelegte Gemeinderatsbeschluss beziehe sich nicht auf den Vertrag mit dem X Verlag. Er betreffe auch nur Parteien und Gruppierungen, nicht aber Kandidaten für eine Bürgermeisterwahl. Dementsprechend seien die anderen Kandidaten auch nicht über eine solche Möglichkeit informiert worden. Gegen das Neutralitätsgebot verstoße auch, dass die Wahlbroschüre vor allem wegen der wiederholten Nennung der Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ und auch wegen der darin angegebenen e-mail Adresse „[email protected]“ den Eindruck habe erwecken müssen, dass es sich bei der Beilage um eine amtliche Information handele. Nach Aktenlage sei zudem davon auszugehen, dass die Wahlbeilage nicht von dem Beigeladenen zu 2 persönlich, sondern durch öffentliche Mittel finanziert worden sei. Mit diesem Einwand sei sie auch nicht präkludiert, es reiche vielmehr aus, dass sie mit ihrem Einspruch auch die Verteilung der Wahlbroschüre mit dem Amtsblatt gerügt habe. Die vorgelegten Rechnungen seien erst nach der Wahl erstellt worden; in der Rechnung des X Verlags sei zudem als Datum der Bestellung der 13.05.2015 angegeben. Dies alles begründe den Anschein, dass der Beigeladene zu 2 vereinbart habe oder stillschweigend davon ausgegangen sei, dass die Verteilung der Prospekte für ihn kostenfrei sei. Dass bei der Auszählung der Stimmen im Wahlbezirk 5 von dem Stadtrat X. und von Frau X. angewiesen worden sei, von dem Auszähltisch einen Abstand von 4 bis 5 m einzuhalten, könne von mehreren Zeugen bestätigt werden. Auch dieser Wahlfehler führe zur Ungültigkeit der Wahl. Ob eine Stimmenmehrheit von 372 Stimmen deutlich oder weniger deutlich sei, hänge vom Stimmenverhältnis und von der Wahlbeteiligung ab. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Bericht in der „Stadtzeitung“ allen Haushalten und damit allen Wählern zugegangen sei. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei eine Ursächlichkeit eines Wahlfehlers bei einem vergleichbaren Ergebnis angenommen worden. Der zeitliche Abstand des Wahlfehlers zum Wahltag ändere daran nichts, zumal den Wählern der Artikel durch einen kritischen Leserbrief in der Badischen Zeitung vom 10.04.2015 nochmals in Erinnerung gerufen worden sei. In der Rechtsprechung werde davon ausgegangen, dass das Gebot äußerster Zurückhaltung amtlicher Organe mit der Bestimmung des Wahltags bzw. für einen Zeitraum von drei Monaten bis zum Wahltag gelte. Überhaupt werde bei einer unzulässigen Wahlbeeinflussung ohne weiteres die konkrete Möglichkeit der Erheblichkeit des Wahlfehlers angenommen. Gleiches gelte hinsichtlich der gemeinsamen Verteilung von Amtsblatt und Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 und auch hinsichtlich der Veröffentlichung des Testwahlergebnisses. Insoweit treffe - was Zeugenaussagen und eine von der Klägerin eingeholte gutachterliche Stellungnahme des Informatikers X. vom 04.08.2015 erweisen würden - nicht zu, dass diese nur bis 17:05 Uhr abrufbar gewesen sei.
14 
Die Klägerin beantragt,
15 
den Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl der Stadt X vom 19.04.2015 für ungültig zu erklären und auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind,
16 
hilfsweise, den Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, das Ergebnis der Bürgermeisterwahl neu festzustellen und auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind,
17 
weiter hilfsweise, den Ergänzungsbescheid vom 02.11.2015 aufzuheben das beklagte Land zu verpflichten, auszusprechen, dass der Klägerin die im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen durch die Beigeladene zu 1 zu erstatten sind.
18 
Das beklagte Land und die Beigeladenen zu 1 beantragen,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Das beklagte Land verteidigt den angefochtenen Bescheid.
21 
Die Beigeladene zu 1 trägt ergänzend vor: Der Bericht im Amtsblatt vom 13.03.2015 sei keine unzulässige Wahlwerbung gewesen. Es handele sich um zulässige Öffentlichkeitsarbeit, mit der auf die erfolgreiche Entwicklung der Stadt hingewiesen werde. In der Gesamtschau werde der Beigeladene zu 2 zwar lobend erwähnt, stehe aber nicht derart im Vordergrund, dass der gesamte Artikel als persönlicher Erfolgsbericht und Wahlempfehlung erscheine. Es fehle auch, was in der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefordert werde, an einer Häufung von Anzeigen und Erfolgsberichten in der Wahlkampfzeit, die zu jenem Zeitpunkt mangels weiterer Bewerber noch gar nicht begonnen gehabt habe. Die gemeinsame Verteilung von Amtsblatt und Wahlbroschüre sei nach dem erwähnten Gemeinderatsbeschluss und der Praxis seit 1992 auch Einzelpersonen offen gestanden. Auf diese Möglichkeit habe sie die Klägerin nicht gesondert hinweisen müssen; insoweit habe ihr Verweis auf den X Verlag genügt. Die Annahme der Klägerin, die Wahlbroschüre habe den Eindruck erweckt, eine amtliche Bekanntmachung zu sein, liege fern. Der Beigeladene zu 2 habe die Wahlbroschüre privat organisiert, bestellt und bezahlt. Das zeigten die vorgelegten Rechnungen. Durch die - kurzfristige - Veröffentlichung von Testergebnissen könne nicht gegen die Bestimmungen über die Wahlzeit verstoßen werden; im Übrigen habe dadurch auch nicht der Wählerwille beeinflusst werden können. Der insoweit auch erhobene Vorwurf einer unzulässigen Wahlpropaganda in der Nähe des Wahllokals sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen habe die Klägerin selbst am Wahltag auf ihrer Facebook-Seite mit folgendem Aufruf um Stimmen geworben: „Die Wahllokale haben noch 1 h geöffnet. Wir können es schaffen. Die Sensation ist möglich.“ Die geltend gemachten Wahlmängel wären auch nicht erheblich. Für den Bericht im Amtsblatt vom 13.03.2015 folge dies aus dem deutlichen Vorsprung des Beigeladenen zu 2.
22 
Mit Bescheid vom 02.11.2015 hat das Landratsamt den angefochtenen Bescheid vom 02.06.2015 ergänzt um die Entscheidung, dass die der Klägerin im Rahmen des Einspruchsverfahrens entstandenen Aufwendungen von der Beigeladenen zu 1 nicht zu erstatten seien. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ob und im welchem Umfang die Aufwendungen des Einsprechenden zu erstatten seien, entscheide die Rechtsaufsichtsbehörde nach ihrem Ermessen. Von den vier gerügten Wahlfehlern habe nur einer vorgelegen; dieser sei aber nicht für das Ergebnis der Wahl erheblich gewesen. In Anbetracht des gesamten Wahlvorgangs sei dieser Fehler als geringfügig zu bewerten.
23 
Der Kammer liegt ein Heft Akten des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vor.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG) und auch sonst zulässig. Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO); denn sie macht die Verletzung ihrer Rechte als Bewerberin geltend; deshalb bedurfte es für ihren fristgerechten Einspruch (§ 31 Abs. 1 KomWG) auch nicht des Beitritts weiterer Wahlberechtigter (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG). Ein Widerspruchsverfahren war nicht geboten (§ 31 Abs. 3 KomWG).
25 
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Wahlprüfungsbescheid in der Fassung des Ergänzungsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; denn die Klägerin kann beanspruchen, dass das beklagte Land die Wahl für ungültig erklärt und dass ihr die notwendigen Aufwendungen im Einspruchsverfahren von der Beigeladenen zu 1 erstattet werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
Die Wahl ist gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG u.a. dann für ungültig zu erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
27 
Zu Recht hat schon das Landratsamt in dem erwähnten, vom Beigeladenen zu 2 mitverfassten Beitrag im Amtsblatt vom 13.03.2015 eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinn von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG gesehen. Verstoßen wurde dadurch gegen die Wahlgrundsätze der freien und der gleichen Wahl (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 GemO), wovon das Recht auf Chancengleichheit und das Gebot der Neutralität staatlicher Stellen im Wahlkampf umfasst ist.
28 
Eine von den Organen der Gemeinde im Wahlkampf ausgehende Beeinflussung der Wähler zugunsten oder zum Nachteil eines Bewerbers stellt insbesondere dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, wenn dies unter Inanspruchnahme des Amtsblatts geschieht. Denn das Amtsblatt ist das amtliche Verkündungsorgan der Gemeinde und muss daher dem Gebot parteipolitischer Neutralität in besonderem Maße Rechnung tragen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423 m.w.N.).
29 
Dies gilt auch und insbesondere für jegliche, auf den ersten Blick neutrale Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichten. So ist etwa die Wiedergabe einer Rede (eines Rechenschaftsberichts) des kandidierenden Bürgermeisters vor dem Gemeinderat im Amtsblatt, zehn Tage vor dem Wahltag, als eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewertet worden, obwohl diese Rede durchaus ausgewogen auch den Anteil des Stadtrats und der Vereine an der positiven Entwicklung der Gemeinde betont hatte (VG Meiningen, Urt. v. 24.10.2006 - 2 K 444/06 - juris, Rdnr. 38 ff.).
30 
Der hier zu beurteilende Artikel geht über eine solche auf den ersten Blick neutrale (und dennoch bereits unzulässige) Öffentlichkeitsarbeit noch weit hinaus, weil er die - vor allem wirtschaftlichen - Erfolge der Stadt während der zurückliegenden Amtsperioden des Beigeladenen zu 2 im Wesentlichen auf ihn allein zurückführt, ihm für die angeführten Aufgaben der Stadt in der Zukunft eine gleichsam alleinige Lösungskompetenz zuspricht und ihn zudem gleich zu Beginn ausdrücklich zur Wiederwahl empfiehlt („gegen seine Wiederwahl spricht rein gar nichts“).
31 
Dass der Beitrag erst auf Seite 5 und 6 des Amtsblatt im sogenannten redaktionellen Teil des Amtsblatts stand, der allerdings auch nicht klar von seinem amtlichen Teil abgegrenzt ist, mindert den amtlichen Charakter der Veröffentlichung nicht wesentlich. Denn auch für den redaktionellen Teil des Amtsblatts trägt die Beigeladene die Verantwortung; auch die darin stehenden Beiträge werden vom Leser der Gemeinde zugeordnet.
32 
Durch diesen Bericht konnte das Ergebnis der Wahl auch im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG beeinflusst werden.
33 
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377) dient diese "Erheblichkeitsklausel" dem Ziel, das Wahlergebnis möglichst weitgehend zu sichern. Dieser Grundsatz der Bestandssicherung ist zwar weniger ausgeprägt als in manchen anderen Bundesländern (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BbgKWahlG und dazu OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 20.07.2015 - OVG N 12 18.14 -). Nach ihm werden aber Rechtsverstöße, die nicht eine konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses begründen, in Kauf genommen, weil die Wähler im Rahmen des Vertretbaren vor unnötiger Belastung mit Neuwahlen und Gemeinden und Landkreise vor dem damit verbundenen Aufwand bewahrt werden sollen.
34 
Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist daher nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2083/85 -, EKBW, KomWG, § 32 E 36, S. 4).
35 
Das Ergebnis einer Bürgermeisterwahl, bei der lediglich zwei Bewerber angetreten sind, ist dann durch einen Wahlfehler möglicherweise beeinflusst, wenn ohne den Verstoß die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass der andere Bewerber gewählt worden wäre. Das Stimmenverhältnis kann dabei von entscheidender Bedeutung sein; je knapper der Wahlausgang, desto leichter wird ein möglicher Einfluss auf das Wahlergebnis nachzuweisen sein und umgekehrt (vgl VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423).
36 
Hat, wie hier, einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte.
37 
Anders als dies der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, ist hinsichtlich der möglichen Kausalität und damit Erheblichkeit eines Wahlfehlers kein weniger strenger Maßstab anzulegen als bei der Feststellung des Wahlfehlers selbst. Für beide Voraussetzungen bedarf es der Überzeugungsgewissheit (vgl., für das gerichtliche Verfahren, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gibt es, wie hier, Umstände, die für die Möglichkeit sprechen, dass der Wahlfehler das Ergebnis beeinflusst hat, und solche, die eher dagegen sprechen, ist damit nicht etwa eine entsprechende Überzeugungsgewissheit ausgeschlossen. Denn die Wahlprüfungsbehörde muss sich nicht davon überzeugen, dass der Wahlfehler auf das Ergebnis durchgeschlagen hat (so, siehe oben, die Rechtslage in Brandenburg), sondern nur, dass eine solche Möglichkeit besteht. Diese ist nur ausgeschlossen, wenn kein Zweifel daran besteht, dass diese Möglichkeit eine rein abstrakte, ganz fernliegende ist.
38 
Dies kann die Kammer in dem hier zu beurteilenden Fall nicht feststellen. Es ist nicht ganz fernliegend und deshalb nicht auszuschließen, dass der Beigeladene zu 2, wäre der ihn immer wieder lobend herausstellende Bericht im Amtsblatt nicht erschienen, die absolute Mehrheit der Stimmen (knapp) verfehlt und die Klägerin in einem zweiten Wahlgang eine nicht ganz fernliegende Chance gehabt hätte.
39 
Dafür spricht neben dem Stimmergebnis der Klägerin das vergleichsweise knappe Überschreiten der Schwelle zur absoluten Mehrheit. Denn 372 Stimmen entsprechen nur etwa 4 % der Wahlberechtigten bzw. weniger als 9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen.
40 
In der Rechtsprechung ist die Erheblichkeit eines festgestellten Wahlmangels schon bei deutlich größeren Stimmenabständen (in absoluten Zahlen wie in Prozent) bejaht worden. Dabei ist zu Grunde gelegt worden, dass eine im Amtsblatt erscheinende unzulässige Wählerbeeinflussung zahlreiche Leser des Amtsblatts veranlasst haben kann, sich für die bevorstehende Wahl auf den Amtsinhaber festzulegen. Andere Wähler könnten den Artikel zum Anlass genommen haben, sich zu entschließen, auf keinen Fall zur Wahl zu gehen, weil sie den später hinzugekommenen Bewerbern keine Chance einräumten (vgl., VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.).
41 
Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu einem als Werbung für den wieder kandidierenden Bürgermeister zu verstehenden Wahlaufruf durch den Wahlvorstand den Wahlfehler als möglicherweise ursächlich für das Ergebnis angesehen, obwohl der Vorsprung des Amtsinhabers 67,5 % zu 28,9 % bei einer Wahlbeteiligung von 49,9 % betrug (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.; vgl. auch zu amtlichen Wahlbeeinflussungen seitens außenstehender Amtsträger VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 - VBlBW 1986, 310 und Urt. v. 07.11.1983 - 1 S 1311/83 - DVBl 1985, 170, sowie VG Koblenz, Urt. v. 02.07.2013 - 1 K 62/13.KO - juris, Rdnr. 35 das die Ursächlichkeit des Wahlfehlers bei einem Stimmenunterschied von 10% bejaht hat).
42 
Gegen diese Rechtsprechung ließe sich einwenden, dass auch die Vermutung nicht fernliegend ist, ein solcher Bericht könnte im Gegenteil zu einer Mobilisierung von Wählern geführt haben, die gerade nicht den Amtsinhaber wieder wählen wollten. Auch ist letztlich nicht zu beantworten, wie groß der Anteil der Wählerschaft sein könnte, der überhaupt das Amtsblatt liest und der eine solche Wahlempfehlung bewusst oder auch nur unterbewusst (wie bei Werbung häufig) zur Kenntnis nimmt.
43 
Diese Ungewissheit führt aber nicht dazu, nach den oben dargelegten Grundsätzen schon die Möglichkeit einer Wahlbeeinflussung durch die Veröffentlichung auszuschließen. So spricht für eine erhebliche Breitenwirkung, dass ein Amtsblatt, das an jeden Haushalt ausgeteilt wird, im Unterschied zu allen anderen Medien, jeden Wähler erreichen kann, weiter, wie schon ausgeführt, der amtliche Charakter der Wahlempfehlung als Empfehlung der Gemeinde selbst und nicht nur des Amtsinhabers. Auch liegt nahe, dass jedenfalls der politisch besonders interessierte Teil der Bevölkerung die Wahlempfehlung wahrgenommen und, soweit von ihr beeinflusst, auch im jeweiligen Einflussbereich weitergegeben hat.
44 
Allerdings ist der Wahlausgang nicht allein maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Wahlfehler für das Wahlergebnis ursächlich gewesen sein kann. Insoweit kommt es auch auf das Gewicht des Wahlfehlers an (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.07.2015 - 12 N 18.14 - juris, Rdnr. 6 und 12).
45 
Dieses Gewicht ist bei unzulässigen Wahlempfehlungen jedoch allgemein sehr und im hier zu entscheidenden Fall - wie schon ausgeführt - besonders hoch. Dieses Gewicht wird nicht dadurch gemindert, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens des Amtsblatts sich neben dem Beigeladenen zu 2 noch kein weiterer Bewerber gemeldet hatte. Unerheblich ist auch, ob der Zeitpunkt, gut fünf Wochen vor der Wahl, der sogenannten „heißen Wahlkampfphase“ zuzurechnen ist. Denn der Zeitpunkt lag jedenfalls weit jenseits des Zeitpunkts der Bekanntmachung der Wahl und schon sehr nahe an dem Tag des Ablaufs der Einreichungsfrist (vgl. § 10 KomWO) und deshalb gerade nicht mehr im sogenannten Vorwahlkampf.
46 
Dass die Wähler am Wahltag nicht mehr unter dem „frischen“ Eindruck des Berichts standen, sondern danach noch Gelegenheit hatten, in dem - vergleichsweise kurzen - Wahlkampf die Kandidaten kennen zu lernen und sich mit ihren Fähigkeiten und Leistungen näher zu befassen, nimmt dem den Beigeladenen zu 2 empfehlenden Bericht im Amtsblatt nicht seine wesentliche und möglicherweise wahlentscheidende Bedeutung. Denn diese Bedeutung ist nicht nur durch die amtlich erscheinende Empfehlung des Beigeladenen zu 2 geprägt, sondern auch dadurch, dass das Amtsblatt, anders als jedes andere Medium, praktisch jeden Wähler im Ort erreicht hat. Auch stand den anderen Bewerbern - anders als bei anderen Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung, etwa als beim Aufstellen unrichtiger Behauptungen über einen Bewerber - nicht die Möglichkeit eines „Gegenschlags“ zur Verfügung. Denn sie konnten ihre Vorzüge nur in eigenen Wahlprospekten oder durch Anzeigen und damit weder in amtlicher Form noch mit der gleichen Breitenwirkung herausstellen.
47 
Damit kommt es auf das Vorliegen weiterer möglicherweise ursächlicher Wahlfehler nicht an. Insoweit bemerkt die Kammer gleichwohl:
48 
In der Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit dem letzten, zwei Tage vor der Wahl erschienenen Amtsblatt liegt wohl kein Wahlfehler. Diese Möglichkeit hat die Beigeladene zu 1 allen Kandidaten eröffnet. Dass dies nicht für Einzelkandidaten gegolten hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin von dieser Möglichkeit nichts wusste, ist nicht der Beigeladenen zu 1 zuzurechnen. Insbesondere hätte diese die Klägerin auf diese Möglichkeit nicht hinweisen müssen, auch wenn dies dem Gedanken der Fairness entsprochen hätte. Die Beigeladene zu 1 hat die Klägerin durch ihren Hinweis zur Möglichkeit, im Amtsblatt Anzeigen aufzugeben, insoweit auch nicht getäuscht. Der Wahlprospekt des Beigeladenen zu 2 konnte von einem verständigen Leser auch nicht als Bestandteil des Amtsblatts aufgefasst werden. Zwar entsprach sein Format dem des Amtsblatts. Die Papierqualität war aber erheblich aufwändiger, das Layout deutlich anders und der Text zweifelsfrei als allein werbend abgefasst. Die Verwendung der Berufsbezeichnung Bürgermeister ist dabei nicht zu beanstanden. Dass ein Impressum fehlte, führte nicht dazu, dass der Leser von einer amtlichen Beilage ausgehen musste.
49 
Soweit die Klägerin im Anschluss an die Ermittlungen des Landratsamts im Einspruchsverfahren erstmals im Klageverfahren angesprochen hat, dass die vom Beigeladenen zu 2 eingereichten Rechnungen für die Verteilung des Wahlprospekts und die Beilage im Amtsblatt erst nachträglich erstellt worden sein könnten, und damit, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, angedeutet hat, der Beigeladene zu 2 könnte diese Leistungen zunächst umsonst in Anspruch genommen haben, hätte die Kammer dem wohl schon deshalb nicht weiter nachzugehen brauchen, weil die Klägerin diesen Einwand innerhalb der Einspruchsfrist nicht erhoben hatte (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG). In ihrem Einspruch wird auch nicht mittelbar angedeutet, der Beigeladene zu 2 könnte sich insoweit staatlicher Mittel bedient haben; insoweit liegt der Sachverhalt anders als beim Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.05.2007 (1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377).
50 
Die Vorabveröffentlichung von Zwischenwahlergebnissen auf der Homepage stellt nach den konkreten Umständen wohl schon keinen Wahlfehler dar. Ein Verstoß gegen die Wahlzeit (§ 20 KomWG) und eine unzulässige Wahlpropaganda in oder in der Nähe des Wahlraums (§ 28 Abs. 2 KomWO) liegen fern. Es handelte sich wohl auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung. Ob dies schon daraus folgt, dass ein vernünftiger Wähler jedenfalls nach kurzem Nachdenken kaum davon ausgehen konnte, dass die Stimmenauszählung schon vor 18.00 Uhr begonnen hatte und nahezu vollständig abgeschlossen war, kann dahinstehen. Jedenfalls aber hätte dieser Umstand für den vernünftigen Wähler Anlass sein müssen, das gezeigte Bild näher zu betrachten. Dann müsste ihm aufgefallen sein, dass auch wenn man den von der Klägerin vorgelegten Screenshot zugrunde legt, mehrfach das Wort Test auftauchte und die angegebene Wahlbeteiligung unrealistisch hoch war. Im Übrigen wäre diese Veröffentlichungspanne wohl auch nicht erheblich für das Wahlergebnis gewesen. Denn es liegt fern, dass eine nennenswerte Zahl von Wählerinnen und Wählern den betreffenden Link auf der Homepage der Beigeladenen zu 1 vor 18.00 Uhr überhaupt aufgerufen hat und dadurch in der Wahlentscheidung noch hätte beeinflusst werden können.
51 
Schließlich lag wohl auch kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen vor (§ 21 KomWG, § 37 Abs. 8 KomWO). Einzuhalten ist ein „gehöriger Mindestabstand“ zu den Zähltischen, der allerdings nicht ermöglichen soll, dass die amtlichen Stimmzettel und Wahlunterlagen eingesehen werden können; vielmehr geht es darum, dass die Öffentlichkeit darauf achten kann, dass der Gesamtvorgang der Stimmauszählung insgesamt ordnungsgemäß erfolgt (Quecke u.a., Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 21 Rdnr. 9), dass also etwa die vorhandenen Wahlurnen vollständig - und nur diese - geleert und alle Stimmen ordnungsgemäß gezählt werden. Dabei hat der Gesetzgeber aus gutem Grund keinen festen Abstand festgelegt. Denn im Einzelfall können die Einrichtung des Wahlraums und auch die Zahl der Beobachter mit dafür ausschlaggebend sein, welcher Mindestabstand als gehörig anzusehen ist. Ohnehin dürfte im Allgemeinen ein Abstand von 4 m zum Auszählungstisch durchaus noch als „gehörig“ anzusehen sein (vgl. für den umgekehrten Fall, dass das Wahlgeheimnis verletzt ist, wenn die Wähler aus einer Entfernung von 3,80 bis 5 m beim Wahlvorgang beobachtet werden können, VG Karlsruhe, Urt. v. 16.10.2013 - 4 K 2001/13 - juris).
52 
Die Klägerin hat, wegen ihres Erfolgs im Wahlanfechtungsverfahren, Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen im Einspruchsverfahren durch die Beigeladene zu 1 (§ 31 Abs. 2 Satz 1 KomWG). Der dies verneinende Ergänzungsbescheid des Landratsamts vom 02.11.2015 (der noch aufgrund von § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergangen ist) war auch deshalb rechtswidrig, weil er angenommen hat, insoweit sei maßgeblich, wieviele der geltend gemachten Wahlfehler festgestellt worden seien. Denn darauf kommt es nicht an. Vielmehr kann eine Erstattung der Aufwendungen im Einspruchsverfahren, wie die Erstattung von notwendigen Aufwendungen in einem Widerspruchsverfahren (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO) vollständig nur abgelehnt werden, wenn es solcher Aufwendungen zur Verfolgung des Rechtsschutzziels nicht bedurfte. Für die Beauftragung eines Rechtsanwalts bedeutet dies, dass die Aufwendungen insoweit nur dann als nicht notwendig angesehen werden können, wenn der Einsprechende seine Einspruchsgründe ohne Weiteres selbst hätte vorbringen können. Dies war hier aber ersichtlich nicht der Fall. Ob die von der Klägerin noch im Einzelnen zu benennenden Aufwendungen jeweils notwendig waren, etwa ihre evtl. Aufwendungen für die von ihr eingeholte sachverständige Beurteilung der Angaben der Beigeladenen zu 1 zu der Veröffentlichungspanne im Internet, ist erst im Festsetzungsverfahren (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 2 KomWO) zu prüfen.
53 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Gründe

 
24 
Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG) und auch sonst zulässig. Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO); denn sie macht die Verletzung ihrer Rechte als Bewerberin geltend; deshalb bedurfte es für ihren fristgerechten Einspruch (§ 31 Abs. 1 KomWG) auch nicht des Beitritts weiterer Wahlberechtigter (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG). Ein Widerspruchsverfahren war nicht geboten (§ 31 Abs. 3 KomWG).
25 
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Wahlprüfungsbescheid in der Fassung des Ergänzungsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; denn die Klägerin kann beanspruchen, dass das beklagte Land die Wahl für ungültig erklärt und dass ihr die notwendigen Aufwendungen im Einspruchsverfahren von der Beigeladenen zu 1 erstattet werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
Die Wahl ist gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG u.a. dann für ungültig zu erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
27 
Zu Recht hat schon das Landratsamt in dem erwähnten, vom Beigeladenen zu 2 mitverfassten Beitrag im Amtsblatt vom 13.03.2015 eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinn von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG gesehen. Verstoßen wurde dadurch gegen die Wahlgrundsätze der freien und der gleichen Wahl (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 GemO), wovon das Recht auf Chancengleichheit und das Gebot der Neutralität staatlicher Stellen im Wahlkampf umfasst ist.
28 
Eine von den Organen der Gemeinde im Wahlkampf ausgehende Beeinflussung der Wähler zugunsten oder zum Nachteil eines Bewerbers stellt insbesondere dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, wenn dies unter Inanspruchnahme des Amtsblatts geschieht. Denn das Amtsblatt ist das amtliche Verkündungsorgan der Gemeinde und muss daher dem Gebot parteipolitischer Neutralität in besonderem Maße Rechnung tragen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423 m.w.N.).
29 
Dies gilt auch und insbesondere für jegliche, auf den ersten Blick neutrale Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichten. So ist etwa die Wiedergabe einer Rede (eines Rechenschaftsberichts) des kandidierenden Bürgermeisters vor dem Gemeinderat im Amtsblatt, zehn Tage vor dem Wahltag, als eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewertet worden, obwohl diese Rede durchaus ausgewogen auch den Anteil des Stadtrats und der Vereine an der positiven Entwicklung der Gemeinde betont hatte (VG Meiningen, Urt. v. 24.10.2006 - 2 K 444/06 - juris, Rdnr. 38 ff.).
30 
Der hier zu beurteilende Artikel geht über eine solche auf den ersten Blick neutrale (und dennoch bereits unzulässige) Öffentlichkeitsarbeit noch weit hinaus, weil er die - vor allem wirtschaftlichen - Erfolge der Stadt während der zurückliegenden Amtsperioden des Beigeladenen zu 2 im Wesentlichen auf ihn allein zurückführt, ihm für die angeführten Aufgaben der Stadt in der Zukunft eine gleichsam alleinige Lösungskompetenz zuspricht und ihn zudem gleich zu Beginn ausdrücklich zur Wiederwahl empfiehlt („gegen seine Wiederwahl spricht rein gar nichts“).
31 
Dass der Beitrag erst auf Seite 5 und 6 des Amtsblatt im sogenannten redaktionellen Teil des Amtsblatts stand, der allerdings auch nicht klar von seinem amtlichen Teil abgegrenzt ist, mindert den amtlichen Charakter der Veröffentlichung nicht wesentlich. Denn auch für den redaktionellen Teil des Amtsblatts trägt die Beigeladene die Verantwortung; auch die darin stehenden Beiträge werden vom Leser der Gemeinde zugeordnet.
32 
Durch diesen Bericht konnte das Ergebnis der Wahl auch im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG beeinflusst werden.
33 
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377) dient diese "Erheblichkeitsklausel" dem Ziel, das Wahlergebnis möglichst weitgehend zu sichern. Dieser Grundsatz der Bestandssicherung ist zwar weniger ausgeprägt als in manchen anderen Bundesländern (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BbgKWahlG und dazu OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 20.07.2015 - OVG N 12 18.14 -). Nach ihm werden aber Rechtsverstöße, die nicht eine konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses begründen, in Kauf genommen, weil die Wähler im Rahmen des Vertretbaren vor unnötiger Belastung mit Neuwahlen und Gemeinden und Landkreise vor dem damit verbundenen Aufwand bewahrt werden sollen.
34 
Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist daher nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2083/85 -, EKBW, KomWG, § 32 E 36, S. 4).
35 
Das Ergebnis einer Bürgermeisterwahl, bei der lediglich zwei Bewerber angetreten sind, ist dann durch einen Wahlfehler möglicherweise beeinflusst, wenn ohne den Verstoß die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass der andere Bewerber gewählt worden wäre. Das Stimmenverhältnis kann dabei von entscheidender Bedeutung sein; je knapper der Wahlausgang, desto leichter wird ein möglicher Einfluss auf das Wahlergebnis nachzuweisen sein und umgekehrt (vgl VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - VBlBW 1992, 423).
36 
Hat, wie hier, einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte.
37 
Anders als dies der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, ist hinsichtlich der möglichen Kausalität und damit Erheblichkeit eines Wahlfehlers kein weniger strenger Maßstab anzulegen als bei der Feststellung des Wahlfehlers selbst. Für beide Voraussetzungen bedarf es der Überzeugungsgewissheit (vgl., für das gerichtliche Verfahren, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gibt es, wie hier, Umstände, die für die Möglichkeit sprechen, dass der Wahlfehler das Ergebnis beeinflusst hat, und solche, die eher dagegen sprechen, ist damit nicht etwa eine entsprechende Überzeugungsgewissheit ausgeschlossen. Denn die Wahlprüfungsbehörde muss sich nicht davon überzeugen, dass der Wahlfehler auf das Ergebnis durchgeschlagen hat (so, siehe oben, die Rechtslage in Brandenburg), sondern nur, dass eine solche Möglichkeit besteht. Diese ist nur ausgeschlossen, wenn kein Zweifel daran besteht, dass diese Möglichkeit eine rein abstrakte, ganz fernliegende ist.
38 
Dies kann die Kammer in dem hier zu beurteilenden Fall nicht feststellen. Es ist nicht ganz fernliegend und deshalb nicht auszuschließen, dass der Beigeladene zu 2, wäre der ihn immer wieder lobend herausstellende Bericht im Amtsblatt nicht erschienen, die absolute Mehrheit der Stimmen (knapp) verfehlt und die Klägerin in einem zweiten Wahlgang eine nicht ganz fernliegende Chance gehabt hätte.
39 
Dafür spricht neben dem Stimmergebnis der Klägerin das vergleichsweise knappe Überschreiten der Schwelle zur absoluten Mehrheit. Denn 372 Stimmen entsprechen nur etwa 4 % der Wahlberechtigten bzw. weniger als 9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen.
40 
In der Rechtsprechung ist die Erheblichkeit eines festgestellten Wahlmangels schon bei deutlich größeren Stimmenabständen (in absoluten Zahlen wie in Prozent) bejaht worden. Dabei ist zu Grunde gelegt worden, dass eine im Amtsblatt erscheinende unzulässige Wählerbeeinflussung zahlreiche Leser des Amtsblatts veranlasst haben kann, sich für die bevorstehende Wahl auf den Amtsinhaber festzulegen. Andere Wähler könnten den Artikel zum Anlass genommen haben, sich zu entschließen, auf keinen Fall zur Wahl zu gehen, weil sie den später hinzugekommenen Bewerbern keine Chance einräumten (vgl., VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.).
41 
Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu einem als Werbung für den wieder kandidierenden Bürgermeister zu verstehenden Wahlaufruf durch den Wahlvorstand den Wahlfehler als möglicherweise ursächlich für das Ergebnis angesehen, obwohl der Vorsprung des Amtsinhabers 67,5 % zu 28,9 % bei einer Wahlbeteiligung von 49,9 % betrug (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - a.a.O.; vgl. auch zu amtlichen Wahlbeeinflussungen seitens außenstehender Amtsträger VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.12.1985 - 1 S 2428/85 - VBlBW 1986, 310 und Urt. v. 07.11.1983 - 1 S 1311/83 - DVBl 1985, 170, sowie VG Koblenz, Urt. v. 02.07.2013 - 1 K 62/13.KO - juris, Rdnr. 35 das die Ursächlichkeit des Wahlfehlers bei einem Stimmenunterschied von 10% bejaht hat).
42 
Gegen diese Rechtsprechung ließe sich einwenden, dass auch die Vermutung nicht fernliegend ist, ein solcher Bericht könnte im Gegenteil zu einer Mobilisierung von Wählern geführt haben, die gerade nicht den Amtsinhaber wieder wählen wollten. Auch ist letztlich nicht zu beantworten, wie groß der Anteil der Wählerschaft sein könnte, der überhaupt das Amtsblatt liest und der eine solche Wahlempfehlung bewusst oder auch nur unterbewusst (wie bei Werbung häufig) zur Kenntnis nimmt.
43 
Diese Ungewissheit führt aber nicht dazu, nach den oben dargelegten Grundsätzen schon die Möglichkeit einer Wahlbeeinflussung durch die Veröffentlichung auszuschließen. So spricht für eine erhebliche Breitenwirkung, dass ein Amtsblatt, das an jeden Haushalt ausgeteilt wird, im Unterschied zu allen anderen Medien, jeden Wähler erreichen kann, weiter, wie schon ausgeführt, der amtliche Charakter der Wahlempfehlung als Empfehlung der Gemeinde selbst und nicht nur des Amtsinhabers. Auch liegt nahe, dass jedenfalls der politisch besonders interessierte Teil der Bevölkerung die Wahlempfehlung wahrgenommen und, soweit von ihr beeinflusst, auch im jeweiligen Einflussbereich weitergegeben hat.
44 
Allerdings ist der Wahlausgang nicht allein maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Wahlfehler für das Wahlergebnis ursächlich gewesen sein kann. Insoweit kommt es auch auf das Gewicht des Wahlfehlers an (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.07.2015 - 12 N 18.14 - juris, Rdnr. 6 und 12).
45 
Dieses Gewicht ist bei unzulässigen Wahlempfehlungen jedoch allgemein sehr und im hier zu entscheidenden Fall - wie schon ausgeführt - besonders hoch. Dieses Gewicht wird nicht dadurch gemindert, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens des Amtsblatts sich neben dem Beigeladenen zu 2 noch kein weiterer Bewerber gemeldet hatte. Unerheblich ist auch, ob der Zeitpunkt, gut fünf Wochen vor der Wahl, der sogenannten „heißen Wahlkampfphase“ zuzurechnen ist. Denn der Zeitpunkt lag jedenfalls weit jenseits des Zeitpunkts der Bekanntmachung der Wahl und schon sehr nahe an dem Tag des Ablaufs der Einreichungsfrist (vgl. § 10 KomWO) und deshalb gerade nicht mehr im sogenannten Vorwahlkampf.
46 
Dass die Wähler am Wahltag nicht mehr unter dem „frischen“ Eindruck des Berichts standen, sondern danach noch Gelegenheit hatten, in dem - vergleichsweise kurzen - Wahlkampf die Kandidaten kennen zu lernen und sich mit ihren Fähigkeiten und Leistungen näher zu befassen, nimmt dem den Beigeladenen zu 2 empfehlenden Bericht im Amtsblatt nicht seine wesentliche und möglicherweise wahlentscheidende Bedeutung. Denn diese Bedeutung ist nicht nur durch die amtlich erscheinende Empfehlung des Beigeladenen zu 2 geprägt, sondern auch dadurch, dass das Amtsblatt, anders als jedes andere Medium, praktisch jeden Wähler im Ort erreicht hat. Auch stand den anderen Bewerbern - anders als bei anderen Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung, etwa als beim Aufstellen unrichtiger Behauptungen über einen Bewerber - nicht die Möglichkeit eines „Gegenschlags“ zur Verfügung. Denn sie konnten ihre Vorzüge nur in eigenen Wahlprospekten oder durch Anzeigen und damit weder in amtlicher Form noch mit der gleichen Breitenwirkung herausstellen.
47 
Damit kommt es auf das Vorliegen weiterer möglicherweise ursächlicher Wahlfehler nicht an. Insoweit bemerkt die Kammer gleichwohl:
48 
In der Verteilung der Wahlbroschüre des Beigeladenen zu 2 mit dem letzten, zwei Tage vor der Wahl erschienenen Amtsblatt liegt wohl kein Wahlfehler. Diese Möglichkeit hat die Beigeladene zu 1 allen Kandidaten eröffnet. Dass dies nicht für Einzelkandidaten gegolten hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin von dieser Möglichkeit nichts wusste, ist nicht der Beigeladenen zu 1 zuzurechnen. Insbesondere hätte diese die Klägerin auf diese Möglichkeit nicht hinweisen müssen, auch wenn dies dem Gedanken der Fairness entsprochen hätte. Die Beigeladene zu 1 hat die Klägerin durch ihren Hinweis zur Möglichkeit, im Amtsblatt Anzeigen aufzugeben, insoweit auch nicht getäuscht. Der Wahlprospekt des Beigeladenen zu 2 konnte von einem verständigen Leser auch nicht als Bestandteil des Amtsblatts aufgefasst werden. Zwar entsprach sein Format dem des Amtsblatts. Die Papierqualität war aber erheblich aufwändiger, das Layout deutlich anders und der Text zweifelsfrei als allein werbend abgefasst. Die Verwendung der Berufsbezeichnung Bürgermeister ist dabei nicht zu beanstanden. Dass ein Impressum fehlte, führte nicht dazu, dass der Leser von einer amtlichen Beilage ausgehen musste.
49 
Soweit die Klägerin im Anschluss an die Ermittlungen des Landratsamts im Einspruchsverfahren erstmals im Klageverfahren angesprochen hat, dass die vom Beigeladenen zu 2 eingereichten Rechnungen für die Verteilung des Wahlprospekts und die Beilage im Amtsblatt erst nachträglich erstellt worden sein könnten, und damit, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, angedeutet hat, der Beigeladene zu 2 könnte diese Leistungen zunächst umsonst in Anspruch genommen haben, hätte die Kammer dem wohl schon deshalb nicht weiter nachzugehen brauchen, weil die Klägerin diesen Einwand innerhalb der Einspruchsfrist nicht erhoben hatte (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG). In ihrem Einspruch wird auch nicht mittelbar angedeutet, der Beigeladene zu 2 könnte sich insoweit staatlicher Mittel bedient haben; insoweit liegt der Sachverhalt anders als beim Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.05.2007 (1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377).
50 
Die Vorabveröffentlichung von Zwischenwahlergebnissen auf der Homepage stellt nach den konkreten Umständen wohl schon keinen Wahlfehler dar. Ein Verstoß gegen die Wahlzeit (§ 20 KomWG) und eine unzulässige Wahlpropaganda in oder in der Nähe des Wahlraums (§ 28 Abs. 2 KomWO) liegen fern. Es handelte sich wohl auch nicht um eine unzulässige Wahlbeeinflussung. Ob dies schon daraus folgt, dass ein vernünftiger Wähler jedenfalls nach kurzem Nachdenken kaum davon ausgehen konnte, dass die Stimmenauszählung schon vor 18.00 Uhr begonnen hatte und nahezu vollständig abgeschlossen war, kann dahinstehen. Jedenfalls aber hätte dieser Umstand für den vernünftigen Wähler Anlass sein müssen, das gezeigte Bild näher zu betrachten. Dann müsste ihm aufgefallen sein, dass auch wenn man den von der Klägerin vorgelegten Screenshot zugrunde legt, mehrfach das Wort Test auftauchte und die angegebene Wahlbeteiligung unrealistisch hoch war. Im Übrigen wäre diese Veröffentlichungspanne wohl auch nicht erheblich für das Wahlergebnis gewesen. Denn es liegt fern, dass eine nennenswerte Zahl von Wählerinnen und Wählern den betreffenden Link auf der Homepage der Beigeladenen zu 1 vor 18.00 Uhr überhaupt aufgerufen hat und dadurch in der Wahlentscheidung noch hätte beeinflusst werden können.
51 
Schließlich lag wohl auch kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen vor (§ 21 KomWG, § 37 Abs. 8 KomWO). Einzuhalten ist ein „gehöriger Mindestabstand“ zu den Zähltischen, der allerdings nicht ermöglichen soll, dass die amtlichen Stimmzettel und Wahlunterlagen eingesehen werden können; vielmehr geht es darum, dass die Öffentlichkeit darauf achten kann, dass der Gesamtvorgang der Stimmauszählung insgesamt ordnungsgemäß erfolgt (Quecke u.a., Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 21 Rdnr. 9), dass also etwa die vorhandenen Wahlurnen vollständig - und nur diese - geleert und alle Stimmen ordnungsgemäß gezählt werden. Dabei hat der Gesetzgeber aus gutem Grund keinen festen Abstand festgelegt. Denn im Einzelfall können die Einrichtung des Wahlraums und auch die Zahl der Beobachter mit dafür ausschlaggebend sein, welcher Mindestabstand als gehörig anzusehen ist. Ohnehin dürfte im Allgemeinen ein Abstand von 4 m zum Auszählungstisch durchaus noch als „gehörig“ anzusehen sein (vgl. für den umgekehrten Fall, dass das Wahlgeheimnis verletzt ist, wenn die Wähler aus einer Entfernung von 3,80 bis 5 m beim Wahlvorgang beobachtet werden können, VG Karlsruhe, Urt. v. 16.10.2013 - 4 K 2001/13 - juris).
52 
Die Klägerin hat, wegen ihres Erfolgs im Wahlanfechtungsverfahren, Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen im Einspruchsverfahren durch die Beigeladene zu 1 (§ 31 Abs. 2 Satz 1 KomWG). Der dies verneinende Ergänzungsbescheid des Landratsamts vom 02.11.2015 (der noch aufgrund von § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergangen ist) war auch deshalb rechtswidrig, weil er angenommen hat, insoweit sei maßgeblich, wieviele der geltend gemachten Wahlfehler festgestellt worden seien. Denn darauf kommt es nicht an. Vielmehr kann eine Erstattung der Aufwendungen im Einspruchsverfahren, wie die Erstattung von notwendigen Aufwendungen in einem Widerspruchsverfahren (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO) vollständig nur abgelehnt werden, wenn es solcher Aufwendungen zur Verfolgung des Rechtsschutzziels nicht bedurfte. Für die Beauftragung eines Rechtsanwalts bedeutet dies, dass die Aufwendungen insoweit nur dann als nicht notwendig angesehen werden können, wenn der Einsprechende seine Einspruchsgründe ohne Weiteres selbst hätte vorbringen können. Dies war hier aber ersichtlich nicht der Fall. Ob die von der Klägerin noch im Einzelnen zu benennenden Aufwendungen jeweils notwendig waren, etwa ihre evtl. Aufwendungen für die von ihr eingeholte sachverständige Beurteilung der Angaben der Beigeladenen zu 1 zu der Veröffentlichungspanne im Internet, ist erst im Festsetzungsverfahren (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 2 KomWO) zu prüfen.
53 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Tenor

Die Beschlüsse des Rates der Beklagten vom 13. November 2014 (TOP 10.23 III: Gültigerklärung der Ratswahl vom 25. Mai 2014) und vom 30. September 2014 (TOP 10.19.1: Zurückweisung des Einspruchs der Kläger) werden aufgehoben. Der Rat der Beklagten wird verpflichtet, die Feststellung des Wahlergebnisses für ungültig zu erklären, sie aufzuheben und die Neufeststellung mit der Maßgabe anzuordnen, dass ein gegenüber der Feststellung vom 30. Mai 2014 verändertes Wahlergebnis nur aufgrund von rechnerischen Berichtigungen im Stimmbezirk 20874 unter Bindung an die Grundsätze dieses Urteils festgestellt werden darf.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 82 85 87 89 98 100 102 103 104

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Ungültigerklärung der Wahl des Bürgermeisters sowie der Wahl des Rates der Gemeinde Kalletal vom 30. August 2009 im Wahlbezirk 130 - Ortsteil Lüdenhausen.

2

Der Wahlausschuss der Gemeinde Kalletal ermittelte auf seiner Sitzung am 3. September 2009 für die beiden angegriffenen Wahlen die Ergebnisse. Der Beigeladene zu 1 wurde im Wahlbezirk 130 - Lüdenhausen - direkt in die Vertretung gewählt. Der Beigeladene zu 2 erhielt die Mehrheit bei der Wahl des Bürgermeisters der Beklagten. Mit Schreiben vom 28. September 2009 legte der Vorsitzende des SPD-Gemeindeverbandes Kalletal im Namen des Gemeindeverbandes beim Wahlleiter der Beklagten gegen die Wahl des Rates und die Wahl des Bürgermeisters Einspruch ein und beanstandete u.a. unter Angabe von Zeugen, dass das Wahllokal im Wahlbezirk 130 bei der Ergebnisfeststellung verschlossen gewesen und die Öffentlichkeit nicht hergestellt worden sei. Auf eine Nachfrage des Gemeindewahlleiters räumten der Wahlvorsteher und die stellvertretende Wahlvorsteherin ein, dass das Wahllokal nach Abschluss des Wahlvorgangs nicht rechtzeitig wieder geöffnet worden sei. Beide versicherten, das Wahlergebnis sei zu keiner Zeit der Ergebnisermittlung beeinflusst worden.

3

Am 26. November 2009 erklärte der Rat der Beklagten mehrheitlich die Wahlen des Bürgermeisters und der Vertretung der Gemeinde Kalletal im Wahlbezirk 130 - Lüdenhausen - für ungültig und ordnete zugleich die Durchführung von Wiederholungswahlen in diesem Wahlbezirk an. Der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Ermittlung und Feststellung der Wahlergebnisse stelle eine Unregelmäßigkeit nach § 40 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Nordrhein-Westfalen (KWahlG) dar.

4

Am 22. Dezember 2009 hat der damalige Vorsitzende des Klägers unter dem Briefkopf des Gemeindeverbandes beim Verwaltungsgericht Klage gegen den Rat der Gemeinde Kalletal erhoben mit dem Ziel, die gefassten Beschlüsse aufzuheben. Zum Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz bei der Stimmenauszählung gebe es widersprüchliche Aussagen. Ein Wahlfehler müsse erheblich sein, um zur Ungültigkeit und Nachholung einer Wahl zu führen. Auch die SPD vermute keine Manipulationen. Der achtköpfige Wahlvorstand sei parteipolitisch ausgewogen besetzt gewesen. Das Mehraugen-Prinzip gewährleiste hinreichende Neutralität bei der Auszählung. Wiederholungswahlen seien mit der naheliegenden Gefahr einer Verfälschung des Ergebnisses verbunden.

5

Der Kläger hat beantragt, den Beschluss der Beklagten vom 26. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Wahl vom 30. August 2009 im Wahlbezirk Lüdenhausen hinsichtlich der Bürgermeisterwahl und der Ratswahl für gültig zu erklären.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Mit Urteil vom 24. Februar 2010 hat das Verwaltungsgericht nach der Einvernahme von Zeugen und einer erneuten Auszählung der Stimmzettel des Wahlbezirks 130 der Klage stattgegeben. Sie sei als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Die Klagebefugnis folge aus § 42 Abs. 2 VwGO. Der Kläger sei als Leitung einer an den Kommunalwahlen beteiligten Partei entsprechend § 39 KWahlG klageberechtigt. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Wahlvorschläge der CDU bei den Wiederholungswahlen weniger Stimmen erringen und dies zu einer anderen Sitzverteilung im Rat führe oder der Beigeladene zu 2 bei einer erneuten Wahl des Bürgermeisters unterliege. Damit liege eine hinreichende Betroffenheit vor. Die Klage sei auch begründet. Zwar hätten die Zeugenaussagen zweifelsfrei ergeben, dass ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 KWahlG vorliege. Die Unregelmäßigkeit habe sich aber nicht entscheidend auf das Ergebnis der Wahl ausgewirkt. Die erneute Auszählung der Stimmzettel habe zwar einige Abweichungen ergeben, der Ausschluss der Öffentlichkeit sei aber nicht von entscheidendem Einfluss für die Mandatszuteilung gewesen. Damit liege kein kausaler Verfahrensfehler nach § 40 Abs. 1 Buchst. b KWahlG vor.

8

Mit Beschluss vom 5. November 2010 hat das Oberverwaltungsgericht das angegriffene Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Aus der befürchteten Verfälschung des Wahlergebnisses durch eine Wiederholungswahl bei knappem Wahlausgang lasse sich keine Klagebefugnis herleiten. Es bestünden schon Zweifel, ob der Kläger zum Kreis der Klageberechtigten gehöre und nicht allein sein Vorstand. Ungeachtet dessen sei aber auch eine Klage des Vorstands unzulässig. Parteileitungen könnten wie Wahlberechtigte zulässigerweise nur klagen, wenn sie zuvor Einspruch gegen die Wahl eingelegt hätten und ihrem Einspruch nicht oder nicht vollständig stattgegeben worden sei. § 39 Abs. 1 Satz 1 KWahlG gewähre lediglich einen Wahlprüfungsanspruch, aber kein Recht auf Gültigerklärung einer Wahl. Neben der Aufsichtsbehörde seien die Mandatsträger, die infolge des Wahlprüfungsbeschlusses ihr Mandat verlören, klagebefugt. Damit bestehe ausreichender Rechtsschutz. Dass die über die Reserveliste Gewählten grundsätzlich nicht klagebefugt seien, sei unbedenklich, weil ihre Wahl nicht für ungültig erklärt werde und eine Wiederholungswahl allenfalls mittelbar Auswirkungen auf die Sitzverteilung habe.

9

Zur Begründung seiner Revision beruft sich der Kläger auf den aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 21, 28, 38 GG und § 5 PartG abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien. Er sei auch für Kommunalwahlen beachtlich und gewährleiste den fairen Wettbewerb der Parteien. § 41 KWahlG könne dahin ausgelegt werden, dass der Kreis der Klageberechtigten nicht auf diejenigen beschränkt sei, die nach § 39 Abs. 1 Satz 1 KWahlG erfolglos Einspruch eingelegt hätten. Mit dem Grundsatz der Chancengleichheit sei unvereinbar, dass eine Partei gegen die Gültigkeit einer Wahl Einspruch einlegen und bei dessen Erfolglosigkeit klagen könne, während eine andere Partei, die die Wahl für gültig halte, nicht gegen eine stattgebende Wahlprüfungsentscheidung vorgehen können solle. Für eine solche Ungleichbehandlung bestehe kein einleuchtender Grund.

10

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. November 2010 zu ändern und die Berufung des Rates der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 24. Februar 2010 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beschluss des Rates der Beklagten vom 26. November 2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, den Einspruch des Gemeindeverbandes der SPD gegen die Wahlen des Bürgermeisters der Beklagten und des Rates der Beklagten vom 30. August 2009 in vollem Umfang zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gebiete nicht, dass eine Partei die Rechtmäßigkeit einer Wahl geltend machen können müsse. Anderenfalls müsse auch jedem Wahlberechtigten ein solches Recht zustehen, denn die Einspruchsberechtigten gemäß § 39 KWahlG seien gleich zu behandeln. Nach der bindenden Auslegung des Oberverwaltungsgerichts bestehe kein Anspruch auf Gültigerklärung der Wahl.

13

Der Beigeladene zu 1 beantragt ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen,

und schließt sich der Begründung der Beklagten an.

14

Der Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision des Klägers ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) begründet. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger sei nicht klagebefugt, weil das Klagerecht gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 KWahlG nur solchen Parteien und Wählergruppen zukomme, die gemäß § 39 Abs. 1 KWahlG Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl eingelegt haben, verletzt Bundesrecht.

16

1.a) Allerdings kann der Kläger nicht geltend machen, durch die Beschlüsse des Rates der Beklagten über die Ungültigkeit der Wahlen, bei denen es sich um rechtsgestaltende Verwaltungsakte handelt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 28. November 1980 - 15 A 1660/80 - OVGE 35, 144 <145>), im Sinne des § 42 Abs. 2 Alt. 2 VwGO in eigenen Rechten verletzt zu sein. Um eine Klagebefugnis nach dieser Norm zu bejahen, ist das Bestehen subjektiver Rechte Voraussetzung, § 42 Abs. 2 VwGO begründet sie nicht. Das Berufungsgericht hat sie dem Landesrecht nicht entnommen, auch aus Bundesrecht ergeben sich derartige subjektive Rechte des Klägers nicht. Zwar sind danach auch Parteien mit eigenen Rechten ausgestattet. Da sie aber selbst weder über aktives noch über passives Wahlrecht verfügen, kommt ihnen im Wahlprüfungsverfahren keine subjektive Berechtigung zu.

17

b) Der Kläger kann auch nicht im Sinne einer Prozessstandschaft die Rechte der über "seine" Liste gewählten Ratsmitglieder geltend machen. Das könnte hier zwar erwogen werden, weil das Berufungsgericht den über eine Reserveliste gewählten Ratsmitgliedern ein eigenes Klagerecht abspricht (UA S. 9), zugleich aber selbst - mit Recht - verfassungsrechtliche Zweifel gegen eine Rechtslage zu erkennen gibt, die darauf hinausläuft, gewählten Listenbewerbern jeden Rechtsschutz zu versagen (UA S. 8). Für eine Prozessstandschaft der die Reserveliste aufstellenden Partei besteht aber kein Anlass; denn die gewählten Listenbewerber sind selbst klagebefugt. Das ergibt sich aus Bundesrecht, von dem das Landesrecht nicht abweichen darf (Art. 31 GG).

18

Zwar obliegt die Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts im Einzelnen dem Landesrecht. Das bundesrechtliche Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) gebietet aber, dass gewählte Wahlbewerber nicht nur ihr Mandat antreten, sondern ihr Mandat im Wahlprüfungsverfahren auch verteidigen dürfen. Dabei gibt es keinen Unterschied danach, ob das Mandat direkt oder über eine Liste errungen wurde. Zwar mag das Landesrecht - wie in Nordrhein-Westfalen - vorsehen, dass ein im Wahlbezirk direkt gewählter Bewerber sein Mandat unmittelbar durch den Beschluss der Wahlprüfungsbehörde verliert, mit dem die Wahl für ungültig erklärt wird (§ 40 Abs. 3 KWahlG), während der über die Reserveliste Gewählte von der Wahlprüfungsentscheidung in dem Sinne nur mittelbar betroffen wird, dass nach den Ergebnissen der Wiederholungswahl die Verteilung der Sitze aus den Reservelisten neu zu berechnen ist (§ 42 Abs. 3 KWahlG). Dieser Unterschied führt aber nicht dazu, dass der über eine Liste Gewählte durch die Ungültigerklärung der Wahl und die Anordnung einer Wiederholungswahl in seinem passiven Wahlrecht weniger oder anders betroffen wäre als der in einem Wahlbezirk direkt Gewählte. Beide leiten ihre demokratische Legitimation aus der ursprünglichen Wahl her. Eine "Wiederholungswahl" vermittelt eine andere Legitimität, schon weil sie zu einem anderen - späteren - Zeitpunkt und in Kenntnis der Ergebnisse der ursprünglichen Wahl stattfindet. Die Möglichkeit einer Verletzung des passiven Wahlrechts besteht deshalb schon, wenn durch die Anordnung einer Wiederholungswahl das Mandat in Frage gestellt wird; die Legitimation des Mandats aus der ursprünglichen Wahl entfällt bereits, wenn die zugrunde liegende Wahl für ungültig erklärt wird.

19

c) Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich aber daraus, dass im Sinne von § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO gesetzlich ein anderes bestimmt ist. Gemäß § 40 Abs. 1 KWahlG beschließt die Vertretung der Gemeinde als Wahlprüfungsbehörde über die erhobenen Einsprüche sowie über die Gültigkeit der Wahl von Amts wegen. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 KWahlG kann gegen diesen Beschluss der Vertretung Klage erhoben werden. Wer - neben der Aufsichtsbehörde - diese Klage erheben darf, sagt die Vorschrift nicht. Das Berufungsgericht legt die Bestimmung dahin aus, dass das Klagerecht denjenigen zusteht, denen § 39 Abs. 1 Satz 1 KWahlG auch das Einspruchsrecht gegen die Gültigkeit der Wahl einräumt, also auch den Parteien und Wählergruppen, die an der Wahl teilgenommen haben. Dagegen ist nichts zu erinnern. Bundesrecht gebietet zwar nicht, Parteien und Wählergruppen das Klagerecht gegen Beschlüsse der Wahlprüfungsbehörde über die Gültigkeit einer Kommunalwahl zu gewähren, steht dem aber auch nicht entgegen.

20

Die einschränkende Auslegung des Berufungsgerichts, dass dieses Klagerecht nur solchen Parteien zusteht, die auch gemäß § 39 KWahlG Einspruch eingelegt haben, verletzt jedoch Bundesrecht. Denn sie führt dazu, dass zwar die angestrebte Ungültigerklärung einer Wahl vor dem Verwaltungsgericht weiter verfolgt, nicht aber die Gültigkeit der Wahl verteidigt werden kann. Das missachtet den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, der seine Grundlage in Art. 21 Abs. 1 GG findet und sich als Bestandteil der demokratischen Grundordnung von selbst versteht (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 - BVerfGE 1, 208 <242>). Er ergibt sich aus der Bedeutung, die der Freiheit der Parteigründung und dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie zukommt, und aus dem vom Grundgesetz gewollten freien und offenen Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes. Inhaltlich verlangt der Grundsatz der Chancengleichheit, dass jeder Partei, jeder Wählergruppe und ihren Wahlbewerbern grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren eingeräumt werden. Auf Landesebene folgt das Recht der Parteien auf Chancengleichheit bei Wahlen aus ihrem in Art. 21 Abs. 1 GG umschriebenen verfassungsrechtlichen Status, der unmittelbar auch für die Länder gilt und Bestandteil der Landesverfassungen ist (BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 - BVerfGE 120, 82 <104> m.w.N.).

21

Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Deshalb ist in diesem Bereich - ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler - Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn zu fordern (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008 a.a.O. <105>; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - BVerwG 8 C 1.08 - BVerwGE 132, 166 <174 f.> = Buchholz 415.10 KommWahlR Nr. 7). Der Grundsatz der Chancengleichheit unterliegt zwar keinem absoluten Differenzierungsverbot, wegen der strikten und formalen Gleichheit hat der Gesetzgeber aber nur einen eng bemessenen Spielraum für Differenzierungen (Urteil vom 22. Oktober 2008 a.a.O. <175>).

22

Beherrscht der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien das gesamte Wahlverfahren, so gilt er auch im Verfahren der Wahlprüfung einschließlich eines sich hieran anschließenden Rechtsstreits. Es mag offen bleiben, ob deshalb Parteien und Wählergruppen durch das jeweilige Verfahrens- und Prozessrecht in jeder Hinsicht gleichgestellt sein müssen oder ob Besonderheiten, die etwa mit der jeweiligen Rolle im Verfahren (als Kläger, als Beigeladener, als Rechtsmittelführer usw.) verbunden sind, Rechnung getragen werden kann. Der Grundsatz der Chancengleichheit ist jedoch berührt, wenn Verfahrensrechte zuerkannt oder vorenthalten werden und dies die Möglichkeiten der Parteien betrifft, ihre Rolle im politischen Prozess, namentlich bei der Wahl, wirksam zur Geltung zu bringen. So liegt es, wenn das jeweilige Wahlrecht - wie hier das Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen - den Parteien und Wählergruppen nicht nur das Recht einräumt, Wahlvorschläge einzureichen (§§ 15 ff. KWahlG), sondern auch das Recht, gegen die Wahl Einspruch einzulegen oder gegen einen Beschluss der Wahlprüfungsbehörde über die Gültigkeit der Wahl Klage zu erheben. Dies eröffnet den Parteien die Möglichkeit, ihre Rolle im politischen Prozess im Wahlprüfungsverfahren fortzusetzen. Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gebietet dann im Verfahren der Wahlprüfung die strikte Waffengleichheit der konkurrierenden Parteien.

23

Damit ist nicht vereinbar, Parteien und Wählergruppen, die an einer Kommunalwahl teilgenommen haben und die die Wahl für ungültig halten, das Recht einzuräumen, gegen die Entscheidung der Wahlprüfungsbehörde, mit der die Wahl für gültig erklärt wird, Klage zu erheben, zugleich aber anderen Parteien und Wählergruppen, die die Wahl für gültig halten, ein Klagerecht gegen die Entscheidung der Wahlprüfungsbehörde, mit der die Wahl für ungültig erklärt wird, zu versagen. Sachliche Gründe, welche diese Ungleichbehandlung ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

24

Das Berufungsgericht verweist auf den Umstand, dass das Landesrecht nur den Anspruch vorsieht, eine Wahl für ungültig zu erklären (§ 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 1 Buchst. a bis c KWahlG), dass es jedoch einen gegenläufigen Anspruch, die Wahl für gültig zu erklären, keinem Verfahrensbeteiligten einräumt (§ 40 Abs. 1 Buchst. d KWahlG), und knüpft hieran die Schlussfolgerung, dass nur klagen dürfe, wer zuvor - erfolglos - Einspruch gegen die Wahl erhoben habe. Dies vermag nicht zu überzeugen. Richtig und naheliegend ist, dass Einspruch gegen die Wahl nur einlegen darf, wer die Wahl für fehlerhaft und deshalb für ungültig hält; wer die Wahl hingegen für einwandfrei erachtet, hat keinen Anlass zu einem Einspruch. Schon deshalb verbietet sich aber, hieraus Folgerungen auch für die Befugnis abzuleiten, den Beschluss der Wahlprüfungsbehörde über die Gültigkeit der Wahl zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Eine solche Folgerung beschränkt das Klagerecht von vornherein auf den Angreifer, schließt aber den Verteidiger der Wahl aus, ohne für diese Ungleichbehandlung einen anderen Grund als eben den des vorgängigen Einspruchs anzuführen.

25

Auch der Hinweis der Beklagten auf die Besonderheiten des Wahlprüfungsrechts vermag die Ungleichbehandlung der Parteien nicht zu rechtfertigen. Richtig ist, dass das Wahlprüfungsrecht bei Bundestags- ebenso wie bei Landtags- und Kommunalwahlen ein weitgehend objektiviertes Verfahren ist, das auf eine rasche Klärung der Gültigkeit einer Wahl zielt, um so die Legitimationsgrundlage der gewählten Vertretungskörperschaft und der von ihr gefassten Beschlüsse möglichst zu sichern. Aus diesem Grunde können auch Einspruchs- und Klagerechte - jedenfalls jenseits der Wahrnehmung subjektiver Wahlrechte - beschränkt oder gar ausgeschlossen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 2 BvR 562/91 - BVerfGE 85, 148 <159>). Das rechtfertigt aber nicht, den Kreis der Klageberechtigten ungleich zu beschränken. Die mit der Inanspruchnahme von Einspruchs- und Klagerechten zwangsläufig verbundenen Verzögerungen bei der endgültigen Feststellung des Wahlergebnisses nimmt der Gesetzgeber in Kauf, wenn er solche Rechte einräumt. Eine ungleiche Verkürzung dieser Klagerechte kann nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, deren Wahrnehmung koste zuviel Zeit.

26

Die Beklagte hat schließlich vorgebracht, die Parteien dürften gegenüber den Wahlberechtigten nicht privilegiert werden, schon weil beide Gruppen in § 39 Abs. 1 KWahlG nebeneinander gestellt seien; auch Wahlberechtigte dürften aber nur klagen, um einen vorherigen Einspruch weiter zu verfolgen; wenn das Klagerecht für Parteien auf Beschlüsse der Wahlprüfungsbehörde ausgedehnt werde, welche die Wahl für ungültig erklären, dann müsse dies auch für alle Wahlberechtigten gelten, was aber dem Ziel einer Konzentration und Beschleunigung des Wahlprüfungsverfahrens zuwiderlaufe. Auch damit wird ein tragfähiger Grund für eine Verschiedenbehandlung der Parteien nicht dargetan. Die Beklagte verkennt schon, dass für die gebotene Gleichbehandlung der Parteien untereinander die Behandlung anderer Verfahrensbeteiligter - und damit auch diejenige der Wahlberechtigten - unerheblich ist. Richtig ist, dass für eine unterschiedliche Behandlung von Parteien und Wählergruppen einerseits und von Wahlberechtigten andererseits sachliche Gründe bestehen müssen; das folgt freilich nicht aus dem Gebot der Chancengleichheit der Parteien, sondern aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Solche sachlichen Gründe bestehen aber. Zum einen ergibt sich ein Klagerecht der Wahlberechtigten in bestimmtem Umfang schon aus ihrem aktiven und passiven Wahlrecht. Wenn das Kommunalwahlrecht Wahlberechtigten auch unabhängig hiervon ein weitergehendes Einspruchs- und Klagerecht einräumt - was vielfach an den Nachweis eines Unterstützerquorums gebunden wird -, so muss sich auch dies nicht zwangsläufig an den Einspruchs- und Klagerechten der Parteien und Wählergruppen orientieren. Der Gesetzgeber kann nämlich - zum anderen - bei der Zubilligung von Verfahrensrechten im Wahlprüfungsverfahren in Rechnung stellen, dass den Parteien und Wählergruppen eine besondere Bedeutung für die politische Willensbildung des Volkes und eine besondere Funktion in der parlamentarischen Demokratie zukommt.

27

§ 41 Abs. 1 Satz 1 KWahlG ist für die nach allem gebotene Gleichbehandlung der Parteien und Wählergruppen bei der Eröffnung der Klage gegen den Beschluss der Wahlprüfungsbehörde offen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift bestehen daher nicht; einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht. Mit seiner einschränkenden Auslegung der genannten Vorschrift verletzt das Berufungsgericht jedoch Bundesrecht; seine Entscheidung über die Berufung des Klägers kann deshalb keinen Bestand haben.

28

2. Da sich das Berufungsgericht mit den weiteren Fragen des Verfahrens noch nicht befasst hat, war sein Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Dabei wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass seine - nicht entscheidungstragend - geäußerte Auffassung, der Kläger gehöre als "CDU-Gemeindeverband" von vornherein nicht zum Kreis der Klageberechtigten, klageberechtigt sei vielmehr nur der Vorstand eines Gebietsverbandes einer Partei, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Aus § 11 Abs. 3 Satz 2 PartG i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ergibt sich, dass der Vorstand den Gebietsverband vertritt. Eine solche Vertretung erfolgt aber immer im Namen und für den Gebietsverband der Partei. Dieser kann gemäß § 61 Nr. 2 VwGO nach Maßgabe der Satzung der Partei unter seinem Namen klagen und verklagt werden. Mit der Regelung ihrer Vertretung in § 11 Abs. 3 PartG werden keine eigenen Rechte des Vorstandes begründet. Hiervon will § 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz1 KWahlG nicht abweichen; das Berufungsgericht verweist vielmehr selbst auf § 11 PartG und § 26 BGB.

29

Darüber hinaus wird das Berufungsgericht vor einer Entscheidung in der Sache den SPD-Gemeindeverband beizuladen haben (§ 65 Abs. 2 VwGO entspr.). Zwar begründet die Wahlprüfung kein Rechtsverhältnis, an dem die einspruchführende Partei mit eigenen Rechten beteiligt wäre. Wenn aber das jeweilige Wahlprüfungsrecht auch Parteien das Recht einräumt, den Beschluss der Wahlprüfungsbehörde über die Gültigkeit der Wahl mit der Klage anzufechten, dann setzt sich die gebotene Waffengleichheit der Parteien im gerichtlichen Verfahren dahin fort, dass die einspruchführende Partei, wenn sie nicht Klägerin ist, dann jedenfalls als Dritte am Prozess zu beteiligen ist; über die Klage und über ihren Einspruch kann nur einheitlich entschieden werden.

30

Ob die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zur Ungültigerklärung der Wahl führt, wird das Berufungsgericht nach Maßgabe des Landeswahlrechts zu entscheiden haben. Dabei wird es berücksichtigen, dass sowohl nach Bundesrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 a.a.O. <158 f., 160 f.>) als auch nach nordrhein-westfälischem Landesrecht (vgl. OVG Münster, Urteil vom 22. Februar 1991 - 15 A 1518/90 - OVGE 42, 152 <156>) die abstrakte Möglichkeit von Manipulationen nicht ausreicht, um die Wahl für ungültig zu erklären. Vielmehr muss in jedem Fall ein Einfluss auf die Mandatsverteilung möglich erscheinen; es muss also ermittelt werden, ob die festgestellten Mängel im konkreten Fall Auswirkungen auf das Wahlergebnis und darüber hinaus auf die Zuteilung von Mandaten haben konnten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.