Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Okt. 2013 - 4 K 2001/13

bei uns veröffentlicht am16.10.2013

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären.

2. Das beklagte Land, der Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beigeladenen jeweils selbst.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Gültigkeit einer Bürgermeisterwahl.
Am 09.06.2013 fand in der Gemeinde Malsch, der Beigeladenen zu 2, die Bürgermeisterwahl statt. Von den insgesamt 6.539 gültigen Stimmen entfielen auf den bisherigen Amtsinhaber, den Beigeladenen zu 1, 3.285 Stimmen (50,2 %). Herr XXX erhielt 3.144 Stimmen (48,1 %). 94 Stimmen (1,4 %) gingen an Herrn XXX und weitere 16 Stimmen an sonstige Personen. Das Wahlergebnis wurde am 13.06.2013 öffentlich bekanntgemacht.
Vor der Wahl veröffentlichte der bisherige Amtsinhaber im „Gemeindeanzeiger“ für Malsch mehrere Artikel. Der Gemeindeanzeiger Malsch wird von der Druckerei XXX herausgegeben. Dies ist auf dem Titelblatt oben links vermerkt. Dem Titelblatt folgen die Notruftafel und die Seite „Malsch aktuell“, auf der aus dem Gemeinderat und zum örtlichen Geschehen berichtet wird. Auf Seite vier beginnt das im Schriftbild durch Fettdruck gekennzeichnete „Amtsblatt Malsch“ mit amtlichen und nichtamtlichen Mitteilungen. Als dessen Herausgeber ist oben links auf Seite vier die Gemeinde Malsch genannt. Darunter heißt es: „Verantwortlich für den amtlichen Teil ist: Bürgermeister XXX oder Vertreter im Amt.“ Nach dem Amtsblatt folgt der sog. redaktionelle bzw. kommerzielle Teil des Gemeindeanzeigers. Dort sind private Anzeigen, Texte und Werbetexte veröffentlicht. Im Amtsblatt vom 29.05.2013 (Nr. 22) war unter den amtlichen Nachrichten, in der Rubrik „Bürgermeister“, ein Bericht über den Besuch des Bundestags-Kandidaten, XXX, von Bündnis 90/Die Grünen abgedruckt.
In den Gemeindeanzeigern vom 08.05.2013 (Nr. 19), 16.05.2013 (Nr. 20), 23.05.2013 (Nr. 21), 29.05.2013 (Nr. 22) sowie vom 06.06.2013 (Nr. 23) war nach dem in Fettdruck gekennzeichneten „Ende der amtlichen und nichtamtlichen Mitteilungen“ jeweils ein Artikel mit der Überschrift: „Bürgermeister XXX“ veröffentlicht. Auf der Rückseite der Gemeindeanzeiger Nrn. 21, 22 und 23 finden sich jeweils eine die halbe Seite einnehmende Werbung für den bisherigen Amtsinhaber. In den Ausgaben Nr. 22, Seite 27 und Nr. 23, Seite 23 ist ein Text von XXX abgedruckt, in dem er seine Ziele darstellt.
Mit einem am 19.06.2013 beim Landratsamt Karlsruhe eingegangenen Schreiben vom 14.06.2013 erhob die Klägerin Einspruch gegen die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 mit folgender Begründung: Erstens: Im Amtsblatt Nr. 22 der Beigeladenen zu 2 vom 29.05.2013 habe der bisherige Amtsinhaber im amtlichen Teil einen Bericht mit Bild über den Besuch des Bundestags-Kandidaten von Bündnis 90/Die Grünen, Herrn XXX, veröffentlicht, in dem auf die anstehende Bürgermeisterwahl Bezug genommen und für seine Wiederwahl geworben werde. Dieser Text beinhalte eine unzulässige Wahlbeeinflussung, was im letzten Satz zum Ausdruck komme, der wie folgt laute: „Zum Ende des intensiven Meinungsaustauschs wünschte Herr XXX Bürgermeister XXX alles Gute für die anstehende Bürgermeisterwahl und würde sich freuen, im Herbst als Bundestagsabgeordneter mit ihm und der Gemeinde Malsch an dem begonnenen Gespräch wieder anknüpfen zu dürfen.“
Zweitens: In den verschiedenen Artikeln im redaktionellen Teil der Gemeindeanzeiger Nrn. 19, 20, 21, 22 und 23 seien zum Teil wörtliche Passagen aus der Wahlkampfbroschüre und jeweils ein Bild des bisherigen Amtsinhabers veröffentlicht worden. Für beide Sachverhalte gelte, dass es sich um eine unzulässige Wahlbeeinflussung handele, die sich auf das knappe Wahlergebnis auswirken konnte. Deshalb müsse die Wahl für ungültig erklärt werden.
Drittens: Ein weiterer Aufhebungsgrund sei in der räumlichen Situation des einzigen Wahllokals im Ortsteil Sulzbach zu sehen, in dem ein durch den Wahlraum zugängliches Schreibzimmer als Wahlzelle gedient habe. Der Tisch, an dem die Wahlberechtigten den Stimmzettel hätten ausfüllen können, habe über keinerlei Sichtschutzvorrichtungen verfügt. Sowohl vom Wahlvorstand als auch von wartenden Wählern habe beobachtet werden können, ob der mit dem Rücken zum Wahlraum sitzende Wähler z.B. einen Stimmzettel verändere oder nicht. Außerdem sei durch die vorhandenen Fenster ein Einblick von außen möglich gewesen.
Nachdem das Landratsamt Karlsruhe Stellungnahmen der Beigeladenen sowie der Druckerei XXX eingeholt und das Wahllokal im Ortsteil Sulzbach besichtigt hatte, wies es den Einspruch vom 14.06.2013 mit Bescheid vom 12.07.2013 zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, die Voraussetzungen einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung durch den Artikel im Amtsblatt lägen nicht vor. Die Grußformel des Kandidaten sei bei verständiger Würdigung als eine in Politikerkreisen übliche Höflichkeitsformel zu würdigen. Auch die Artikel des bisherigen Amtsinhabers im redaktionellen Teil der Gemeindeanzeiger stellten keine unzulässige Wahlbeeinflussung dar. Das Wahlgeheimnis sei auch im Ortsteil Sulzbach gewahrt gewesen. Nach dem vom Wahlvorstand noch am Wahltag gefertigten Foto, das die konkrete Situation nachstelle, sei der jeweilige Wähler im Wahlbezirk Sulzbach mit dem Rücken zu den hinter ihm wartenden Wählern gesessen. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten und der Anweisungen des Wahlvorstehers hätten die Wartenden in gerader Linie gut zwei bis drei Meter hinter dem Wähler gestanden, dessen Rücken den Stimmzettel komplett verdeckt habe. Allenfalls hinsichtlich des genauen Abstands der Wartenden zum Wähler bestehe Uneinigkeit. Dies spiele keine entscheidende Rolle. § 23 Abs. 2 Satz 3 Kommunalwahlordnung sei nicht verletzt. Die Fenster direkt gegenüber dem Wahltisch (zur Jägerstraße hin) seien nach Aussage des Wahlvorstands - im Unterschied zur Darstellung von Zeugen - am Wahltag mit Vorhängen bedeckt gewesen. Es sei aufgrund der doppelten Verglasung und den hierdurch bedingten Spiegelungen auch ohne Vorhänge unmöglich gewesen, etwas zu erkennen. Der Bescheid wurde am 15.07.2013 der Klägerin zugestellt.
Am 07.08.2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beantragt,
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1. den Bescheid des Beklagten vom 12.07.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären.
2. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem Einspruch im Wesentlichen vor: Der Bericht im Amtsblatt vom 29.05.2013 und die weiteren Artikel des bisherigen Amtsinhabers im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers seien nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 17.02.1992 - 1 S 2266/91 -) eine unzulässige Wahlbeeinflussung gewesen. Auch das Wahlgeheimnis sei im Wahllokal in Sulzbach nach den in der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 08.04.1968 aufgezeigten Maßstäben verletzt worden sei. Es werde bestritten, dass die Wartenden „in gerader Linie gut zwei bis drei Meter hinter dem Wähler“ gestanden seien. Der Abstand zu dem seitlich sitzenden Wahlvorstand als auch zu den Wartenden sei nach Aussagen von Zeugen deutlich geringer gewesen. Der Abstand zum Wahlvorstand habe weniger als ein Meter betragen. Dass in der Vergangenheit „schon immer so gewählt worden“ sei, sei kein Argument. Es gebe Zeugen, die sich schon früher darüber beschwert und deshalb Briefwahl vorgezogen hätten. Hinzu komme, dass der Nebenraum zum Wahlraum am Wahltag durch die Fenster einsehbar gewesen sei. Die Behauptung, dass aufgrund der doppelten Verglasung fraglich sei, ob etwas zu erkennen gewesen sei, werde bestritten. Auf die Lichtverhältnisse komme es ebenfalls nicht an.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Ergänzend zu den Ausführungen im Bescheid vom 12.07.2013 macht es geltend: Der Bescheid stehe in Einklang mit den einschlägigen Urteilen des VGH Baden-Württemberg vom 17.02.1992 - 1 S 2266/91 - und vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -.
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Bezüglich des Wahllokals in Sulzbach werde auf das Protokoll vom 25.06.2013 sowie hinsichtlich der unterschiedlichen Darstellungen der Abstände auf die Mitteilung der Gemeinde Malsch vom 10.09.2013 verwiesen. Die bisherige Sitzposition habe offenkundig über viele Jahre hinweg keine Wähler subjektiv verunsichert, da es bisher keine Beschwerden gegeben habe.
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Der Beigeladene zu 1 beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, die vorgebrachten Wahlanfechtungsgründe lägen nicht vor. Lege man den von der Rechtsprechung gezogenen Rahmen zur Wahlbeeinflussung zugrunde, sei die Äußerung des Bundestagskandidaten, so wie sie im Amtsblatt vom 29.05.2013 wiedergegeben worden sei, bereits objektiv nicht geeignet, unmittelbar auf die Wahlentscheidung der Wähler einzuwirken. Auch Textbeiträge im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers seien hierfür nicht geeignet. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und organisatorischen Maßnahmen der Beigeladenen zu 2 sei sichergestellt gewesen, dass im Wahllokal in Sulzbach eine unbeobachtete Ausführung des Wahlrechts gewährleistet gewesen sei.
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Die Beigeladene zu 2 beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt unter Hinweis auf ihre im Einspruchsverfahren übersandten Schreiben vom 05.07. und 26.07.2013 im Wesentlichen vor: Eine Gesamtwürdigung der Umstände ergebe, dass die veröffentlichte Äußerung des Bundestagskandidaten keine Wahlbeeinflussung im Sinne des Gesetzes gewesen sei. Bei dem Artikel im Amtsblatt des Gemeindeanzeigers vom 29.05.2013 sei für jeden Leser klar erkennbar gewesen, dass hier ein (Bundestags)-Kandidat einem anderen (Bürgermeister-)Kandidaten alles Gute wünsche und zum Ausdruck bringe, dass er sich freuen würde, wenn man sich im Herbst - jeweils in der betreffenden Funktion - wieder treffen könne. Dies sei nicht mehr als die jedenfalls im mitteleuropäischen und deutschen Raum übliche Höflichkeitsfloskel und -bekundung zwischen zwei Kandidaten, wobei der Bundestags-Kandidat eben nicht in irgendeiner Mandats- oder Amtsfunktion stehe, sondern lediglich als Bewerber um ein Mandat diesen Wunsch zum Ausdruck gebracht habe. Die Äußerung habe aus Sicht des Lesers nicht viel Substanz bzw. kein so hohes Gewicht, dass sie für die Willensbildung eines durchschnittlichen Wählers in irgendeiner Weise relevant oder wahlbeeinflussend sein könnte.
22 
Auch aus den jeweils im kommerziellen Teil des Gemeindeanzeigers erschienenen Artikeln könne keine unzulässige Wahlbeeinflussung abgeleitet werden. Zum einen bestehe für jedermann die Möglichkeit, derartige „redaktionelle“ Texte im Gemeindeanzeiger von Malsch zu platzieren, sofern dies nach den Bedingungen der herausgebenden Druckerei XXX erfolge. Zum anderen würden sich die Texte des bisherigen Amtsinhabers von dem erkennbar werblichen Charakter her nicht von den Anzeigen von Mitbewerbern, insbesondere denen von Herrn XXX, unterscheiden.
23 
Der Grundsatz der geheimen Wahl sei auch in Sulzbach gewährleistet gewesen. Die anwesenden wartenden Wähler, der Wahlvorstand und die Beisitzer hätten bei Wahlpersonen, die am Wahltisch im Nebenraum gesessen seien, weder beobachten können, wie der Wahlzettel ausgefüllt werde noch, ob er überhaupt ausgefüllt oder ob er sonst in irgendeiner Weise verändert worden sei. Denn es habe ein Abstand zwischen der wählenden Person und den übrigen Anwesenden bestanden, so dass ein „Blick über die Schulter“ nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen sei das Geschehen auf dem Wahltisch komplett durch den Wählenden selbst verdeckt worden, da er den Tisch mit seinem eigenen Körper abgeschirmt habe. Von den Fenstern im Nebenraum, die sich auf der linken Seite Richtung XXX Straße befänden, sei kein Einblick wegen der Höhenlage des Zimmers bzw. der Fenster von außen vom Straßen-/Gehwegniveau aus möglich gewesen. Bei den anderen, der Tür zum Nebenraum gegenüber liegenden Fenstern seien die Vorhänge während der Wahlzeit zugezogen gewesen, was durch Zeugen bestätigt werden könne. Aufgrund des Spiegeleffektes habe man von außen nicht in den Raum hineinsehen können. Die Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in der Entscheidung vom 08.04.1968 zu Wahlzellen mit Tischen seien nicht direkt auf die neue Rechtslage durch die Neufassung des § 23 Abs. 2 Satz 3 Kommunalwahlordnung übertragbar, der einen durch den Wahlraum zugänglichen Nebenraum zulasse. Nach der vorgenannten Entscheidung komme es nicht auf das subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten an, sondern allein darauf, ob dieses auch tatsächlich objektiv gerechtfertigt sei. Letzteres sei hier aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht der Fall gewesen.
24 
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht durch Einnahme eines Augenscheins und durch Vernehmung von 14 Zeugen Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die darüber gefertigten Protokolle verwiesen. Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten des beklagten Landes, einschließlich der Satzung der Beigeladenen zu 2 vom 23.08.1978 über öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinde vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird darauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Klage ist zulässig und begründet.
26 
Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27 
Die Klage ist nach § 31 Abs. 3 Kommunalwahlgesetz i.d.F. vom 01.09.1983 (GBL. S. 429) - KomWG - als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Sie ist auch begründet. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Die Voraussetzung des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG ist hinsichtlich der drei geltend gemachten Wahlanfechtungsgründe gegeben.
28 
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die vom Beigeladenen zu 1 im Amtsblatt und im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers Malsch veröffentlichten Artikel eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung darstellen. Denn es ist eine wesentliche Vorschrift über die Wahlhandlung verletzt, weil in einem von 14 Wahlbezirken, im Wahlbezirk Sulzbach, dadurch gegen das Wahlgeheimnis verstoßen wurde, dass die Möglich bestand, die Wahlhandlung im Nebenraum zu beobachten (1). Dieser Verstoß konnte das Ergebnis der Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 beeinflussen (2). Er hat die Aufhebung der gesamten Wahl zur Folge (3).
1.
29 
Zu den wesentlichen Vorschriften über die Wahlhandlung gehören diejenigen, die die Verwirklichung der tragenden Grundsätze des Wahlrechts, die freie und geheime Wahl sichern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968 - I 652/67 - ESVGH 19, 159 ff., 160). Wesentlich sind u.a. die Vorschriften, die die tragenden Grundsätze des Wahlrechts, nämlich die allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahl sichern sollen (vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 S. 1 LVerf, § 26 Abs. 1 GemO; s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.01.1997 - 1 S 1741/96 - ESVGH 47, 130 ff. m.w.N.). Die Geheimheit der Wahl stellt den wichtigsten institutionellen Schutz der Wahlfreiheit dar, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für die demokratische Legitimation der Gewählten ist (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1 ff., 13 m.w.N.). Die geheime Wahl steht in engem Zusammenhang mit der freien Wahl und soll eine unbeeinflusste Stimmabgabe garantieren. Sie erfordert deshalb eine technische Gestaltung des Wahlvorganges, die es unmöglich macht, die Wahlentscheidung eines Wählers zu erkennen oder zu rekonstruieren. Dies sollen u.a. die Vorschriften über die Ausstattung der Wahlräume sicherstellen. Die Abschirmungsvorrichtungen müssen deshalb so beschaffen sein, dass niemand beobachten kann, wie die Stimmzettel ausgefüllt und in den Umschlag gesteckt werden, und dass auch der Wahlberechtigte sicher sein muss, nicht daraufhin beobachtet zu werden, ob er auf seinem Stimmzettel schreibt, streicht oder ankreuzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160 zu § 20 Abs. 2 KomWO a.F.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.03.1990 - 10 M 5/90 - m.w.N.). Die Vorschriften des KomWG und der Kommunalwahlordnung - KomWO - verlangen nicht, Wahlkabinen bzw. -zellen einzurichten, auch Nebenräume sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nach § 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 1 KomWO sind in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einzurichten, in denen der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und in den Stimmzettelumschlag legen oder im Fall der Bürgermeisterwahl falten kann. Die Wahlzellen müssen vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden können. Als Wahlzelle kann auch ein nur durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum dienen, wenn dessen Eingang vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden kann. Ausreichend ist hiernach ein durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum (§ 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO).
30 
Der Nebenraum muss wie Abschirmungseinrichtungen so gestaltet sein, dass die Grundsätze der geheimen Wahl gewährleistet sind. Diese sind dann nicht gewahrt, wenn der Wahlberechtigte auf Grund der konkreten örtlichen Verhältnisse nicht sicher sein kann, bei der Ausübung des Stimmrechts beobachtet zu werden; d.h. es ist entscheidend, ob das behauptete subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten nach den Umständen des Einzelfalles objektiv gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn bei der Wahl beobachtet werden konnte, ob der Wahlberechtigte den Stimmzettel veränderte (schrieb, strich oder kreuzte) oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckte (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160; vgl. auch Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. § 17 Rn. 4; vgl. auch LAG Düsseldorf, Beschl. v. 03.08.2007 - 9 TaBV 41/07 - unter Hinweis auf OVG NRW, Beschl. v. 22.10.1979 zu § 16 LPVG NW; s. auch Hess. VGH, Fachsenat für Personalvertretungssachen, Beschl. v. 29.01.1986 - HPV TL 1436/85 - zu § 16 Abs. 1 bis 3 WO-HPVG). Der Wahlberechtigte ist nämlich nur dann in der Lage, wirklich frei zu wählen, wenn er sicher sein kann, bei der Stimmabgabe nicht beobachtet zu werden. Denn das Wahlgeheimnis soll, wie bereits ausgeführt, eine freie und unbeeinflusste Stimmabgabe gewährleisten. Deshalb ist der Grundsatz der geheimen Wahl nicht erst dann verletzt, wenn es möglich gewesen ist zu beobachten, welchem Kandidaten ein Wahlberechtigter die Stimme gegeben hat, und feststellbar ist, ob tatsächlich jemand beobachtet hat, sondern schon dann, wenn sich der Wahlberechtigte nicht unbeobachtet gefühlt hat und es möglich gewesen ist zu sehen, was er mit dem Stimmzettel gemacht hat: ob er ihn verändert oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag gesteckt hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.04.1968, a.a.O.). Rechtlich ohne Bedeutung ist, wie bei früheren Wahlen in Sulzbach gewählt worden ist.
31 
Aufgrund der bei Einnahme des Augenscheins in den Wahl- und Nebenraum im Wahlbezirk Sulzbach getroffenen Feststellungen und des dabei gewonnenen Eindrucks des erkennenden Gerichts von den Örtlichkeiten und dem Ablauf der Wahlhandlungen war das Wahlgeheimnis im Wahlbezirk Sulzbach bei der Bürgermeisterwahl am 09.06.2013 nicht gewährleistet, weil aufgrund objektiver Gegebenheiten die Möglichkeit bestand, die Wahlhandlung zu beobachten. Im Wahllokal in Sulzbach war ein nur vom Wahlraum aus zugänglicher Nebenraum für die Vornahme der Wahlhandlung eingerichtet. In diesem stand ein ca. 40 bis 50 cm von der offenen und ca. 90 cm breiten Eingangstür entfernter kleiner Wahltisch (ca. 65 cm x 65 cm) ohne Sichtschutzblende und ohne sonstige Abschirmung. Vor dem Wahltisch war ein ca. 80 cm hoher Stuhl mit einer ca. 45 cm breiten Rückenlehne bereitgestellt, an dem der Wähler mit dem Rücken zum Wahlraum Platz nehmen konnte. Hinter dem Wahltisch war ein breiter Schreibtisch. Die Tür zum Nebenraum war während der Wahl offen.
32 
Nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Beteiligten und den Erläuterungen des bei Einnahme des Augenscheins anwesend gewesenen Wahlvorstehers und seines Stellvertreters standen die wartenden Wähler im Wahlraum, dem Vorraum zum Nebenraum, entweder vor der dort in der Mitte des Vor- bzw. Wahlraumes befindlichen schmalen Säule oder, wenn mehrere Personen warten mussten, dahinter, in Höhe des Tisches des Beisitzers, an dem der Wähler die Wahlunterlagen erhielt. Dies bestätigten mehrere in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeugen. Je nachdem, wie groß die Zahl der wartenden Wähler im Wahlraum war, saßen wartende Wähler den Angaben des Wahlvorstandes zufolge auch links und rechts der Eingangstür zum Wahlraum. Der Abstand von der Säule bis zur Türschwelle zum Nebenraum beträgt nach den Feststellungen des Gerichts ca. 2,80 m, der von der Türschwelle bis zum Stuhl am Wahltisch im Nebenraum ca. 50 cm, bis zum Wahltisch verbleibt eine Stuhltiefe von etwa 50 cm. Der unmittelbar vor der Säule wartende Wähler war demnach höchstens ca. 3,80 m entfernt vom Wähler im Nebenraum. Eine hinter der Säule wartende Person war mehr als 3,80 m entfernt. Die weiteren von wartenden Wählern eingenommenen Positionen waren bis zu ca. 5 m vom Wähler im Nebenraum entfernt. Von allen aufgezeigten Positionen der Wartenden aus war der mit dem Rücken zum Wahlraum am Wahltisch sitzende oder stehende Wähler im Nebenraum durch die ca. 90 cm breite Türöffnung nach den Feststellungen des Gerichts gut sichtbar; erkennbar war dessen ganzer Körper oder eine Körperhälfte. Die vor der Säule wartenden Wähler konnten den Wähler im Nebenraum in der im Regelfall eingenommenen Sitzposition von seiner Rückseite sehen. Ebenfalls sichtbar war ein Wähler im Nebenraum für denjenigen, der nach ein oder zwei in den Wahlraum gesetzten Schritten stehen blieb, weil beispielsweise bereits mehrere Personen im Raum waren, was realistisch ist. Von dieser Position aus konnte jedenfalls die rechte Körperseite des Wählers im Nebenraum gesehen werden, was ausreichend ist, um bei einem Rechtshänder die Bewegung des rechten Armes oder die der Hand nachvollziehen zu können. Einsehbar war der Bereich im Nebenraum, an dem die Wahlhandlung vorgenommen wurde, zumindest teilweise auch von den links und rechts der Eingangstür sitzenden Personen.
33 
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass bei einem mit dem Rücken zu den wartenden Wählern sitzenden oder stehenden Wähler anhand seiner Körperhaltung und -bewegung beobachtet und rekonstruiert werden kann, ob der Wähler den Stimmzettel verändert, ob er schreibt, streicht oder kreuzt oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckt. Es kann zwar nicht gesehen werden, an welcher Stelle der Wähler ein Kreuz auf dem Stimmzettel macht, weil er dies mit seinem Rücken oder seinen Händen verdecken kann. Für einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist dies - wie dargelegt - auch nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein „Blick über die Schulter“ notwendig. Die Beobachtung der Wahlhandlung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der sitzende oder stehende Wähler mit dem Rücken zum einsehbaren Bereich die Wahlhandlung vornimmt. Denn die Bewegungen des Armes, mit dessen Hand er schreibt, streicht oder kreuzt sind in der Regel, auch wenn die Hand nicht gesehen werden kann, wahrnehmbar. Sie können isoliert oder zusammen mit Bewegungen des Oberkörpers bzw. der Schultern auf eine bestimmte Wahlhandlung schließen lassen. Bewegungen der Hand lassen ebenfalls Rückschlüsse auf das Wahlverhalten zu. Die 45 cm breite und ca. 80 cm hohe Stuhllehne vermochte diese Beobachtungsmöglichkeit nicht verhindern, weil eine Vielzahl von Menschen in sitzender Position größer als 80 cm ist. Unterlässt der Wähler jegliche Körperbewegung und nimmt er den bereitgelegten Schreibstift überhaupt nicht in die Hand, können ebenfalls Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung abgeleitet werden, auch wenn er nur von hinten gesehen werden kann. Bei einem neben oder vor dem bereitgestellten Stuhl stehenden Wähler können Körperbewegungen im Einzelfall, je nach Größe, Umfang und Bekleidung der Person, noch deutlicher erkennbar sein.
34 
Entgegen den Ausführungen des Vertreters der Beigeladenen zu 2 ist der Wähler nicht verpflichtet, sich beim Wahlvorgang so zu verhalten, dass seine Wahlhandlung anhand seiner Körperhaltung nicht beobachtet werden kann, z.B. indem er seine Körperhaltung so einrichtet, gegebenenfalls durch eine künstliche Haltung oder Bewegung, dass daraus keine Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung gezogen werden können. Das Wahlgeheimnis verlangt nicht, dass der Wähler derartige Vorkehrungen zum Schutz des Wahlgeheimnisses trifft. Denn die Pflicht, eine Wahlzelle und einen Nebenraum nach den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 2 KomWO einzurichten, obliegt bei Wahlen nach § 1 KomWG den Gemeinden (§ 17 KomWG). Es liegt auf der Hand, dass vom Wähler auch nicht in rechtswirksamer Weise erwartet werden kann, dass er sich im Nebenraum eine vom Wahlraum aus nicht einsehbare Nische sucht, wie dies die Zeugin XXX nach ihren Bekundungen getan hat. Bei der Wahl am 09.06.2013 konnte die Eingangstür zum Nebenraum auch nicht von innen geschlossen werden, wie es nach der Aussage der Zeugin XXX bei früheren Wahlen in Sulzbach der Fall gewesen sei. Ob dies nach § 23 Abs. 2 KomWO zulässig und ausreichend ist, einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis zu verneinen, kann deshalb offen bleiben.
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Die hier entscheidungserhebliche Möglichkeit der Beobachtung und Rekonstruierbarkeit der Wahlhandlung infolge der Sicht auf den Wähler bzw. die Wahlhandlung im Nebenraum, war grundsätzlich aus einer Entfernung von ca. 3,30 m gegeben, ebenso bei einer darüber hinausgehenden Entfernung im Bereich zwischen 3,50 m bis 5,00 m. Sofern hiervon Einschränkungen für Sehbehinderte oder andere untypische Fallgestaltungen gemacht werden müssen, ist dies zu vernachlässigen. Die Möglichkeit der Sicht für die im Wahlraum wartenden Wähler in Richtung Nebenraum auf den Wahlvorgang war nur durch die schmale Säule eingeschränkt, am Wahltag zusätzlich zeitweise, nicht dauerhaft, durch Personen, die sich im Raum aufhielten, weil sie warteten oder nach ihrer Wahl weggingen und sich dabei noch einige Zeit im Wahlraum unterhielten. Im Übrigen gab es keine Sichtbehinderungen, etwa durch Abschirmungen im Wahlraum. Der Wahlraum hat nach den Feststellungen des Gerichts bei Einnahme des Augenscheins mehrere Fenster und ist ausreichend belichtet. Für den Wahltag gilt nichts anderes. Ob im Nebenraum die Vorhänge zur Jägerstraße hin geschlossen waren, also an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch, ist für die Möglichkeit der Wahrnehmung der Wahlbehandlung unbeachtlich. Der Nebenraum war nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts bei Einnahme des Augenscheins bei geschlossenen Vorhängen ausreichend belichtet, um einen Wähler sehen und eine Körperbewegung des Wählers beobachten zu können. An den Fenstern im Nebenraum zur Ettlinger Straße hin waren am 09.06.2013 unstreitig keine Vorhänge zugezogen. Wie bereits ausgeführt, vermochte die Rückenlehne des Stuhls am Wahltisch eine mögliche Nachvollziehbarkeit der Wahlhandlung nicht nennenswert schmälern. Aufgrund dieser eine Beobachtung der Wahlhandlung ermöglichenden objektiven Gegebenheiten kann keine Rede davon sein, dass es lediglich ein subjektives Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten im Wahllokal in Sulzbach gegeben habe.
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Es kommt deshalb nicht darauf an, wie groß oder kurz der Abstand der im Wahlraum vor der Säule wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum war. Auf die unterschiedlichen Angaben der Beteiligten und Zeugen zum kürzesten Abstand der wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum und darauf, worauf die unterschiedliche Einschätzung dieser Gegebenheiten beruhen kann, braucht das Gericht deshalb nicht weiter einzugehen. Ferner bedarf es keiner Entscheidung darüber, wie groß der Abstand des Wahlvorstands zum Nebenraum bzw. Wähler im Nebenraum war und welche Sitzposition er eingenommen hat und ob diese den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 KomWO entsprach. Ebenfalls nicht geklärt zu werden braucht, ob die Vorhänge an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch während der Wahl, sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum, offen oder zugezogen waren und, falls sie offen waren, ob der Wähler in der dargestellten Weise beobachtet werden konnte. Den diesbezüglichen unterschiedlichen Zeugenaussagen braucht nicht nachgegangen zu werden.
2.
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Der Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist erheblich. Ein Wahlmangel führt dann zur Ungültigerklärung der Wahl, wenn deren "Ergebnis" dadurch beeinflusst werden konnte (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG). Das Gesetz verlangt nicht einen tatsächlichen, sondern einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Dieser ist nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377 f. m.w.N.). Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist. Da der Beigeladene zu 1 mit einer Stimmenmehrheit von 16 Stimmen die absolute Mehrheit erreicht hat, ist bei Bejahung eines Wahlfehlers nicht auszuschließen, dass dieser Wahlfehler das Ergebnis für die Gesamtwahl ausschlaggebend beeinflusst hat (s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.0., zu 9 Stimmen bei absoluter Mehrheit).
3.
38 
Obgleich der erhebliche Wahlfehler nur für einen von 14 Wahlbezirken feststellbar ist, war das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 in vollem Umfang aufzuheben. Das erkennende Gericht übt sein ihm im Falle eines nur in einem Wahlbezirk vorgekommenen erheblichen Wahlfehlers durch § 33 KomWG eingeräumte Ermessen (Kunze/Merk/Quecke, a.a.O. § 33 Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.1958 - 3 K 49/58 - ESVGH 9, 92 ff., 94 zu §§ 27, 28 KomWG a.F.) dahin aus, dass es die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 insgesamt für ungültig erachtet und nicht nur begrenzt auf den Wahlbezirk Sulzbach. Dabei hat es sein Ermessen daran orientiert, dass § 34 Abs. 1 Satz 5 KomWG eine Wiederholungswahl nur innerhalb von sechs Monaten zulässt (s. auch § 35 Abs. 1 Satz 2 1. und 2. Halbsatz KomWG) und dass diese Frist im vorliegenden Fall bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Wahl realistischerweise angesetzt werden kann, ohne Weiteres ausgeschöpft sein kann. Hintergrund dieser Frist ist, dass sich der Kreis der Wahlberechtigten nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten regelmäßig ändert, sei es durch Zu- oder Wegzug oder infolge des Erreichens des Alters für die Wahlberechtigung. Ein Zeitraum von sechs Monaten ist im Hinblick auf die §§ 34, 35 KomWG als Richtschnur für einen relevanten Wechsel der Wahlberechtigten zu qualifizieren, der anstatt einer Wiederholungswahl eine Neuwahl erforderlich macht. Im Hinblick auf diese zeitliche Komponente hat der VGH Baden-Württemberg zur Ermessensentscheidung über eine teilweise Ungültigkeit einer Wahl auf der Grundlage der §§ 27, 28 KomWG a.F., den Vorgängerregelungen zu §§ 33, 34 KomWG, ausgeführt, dass beachtliche Mängel des Wahlverfahrens in der Regel zur Ungültigerklärung der ganzen Wahl führen müssen und dass nur ausnahmsweise, wenn hierdurch keine ins Gewicht fallende Verfälschung des Wählerwillens zu besorgen ist, von der Möglichkeit einer teilweisen Ungültigkeitserklärung (§ 28 KomWG a.F.) Gebrauch gemacht werden darf. Denn eine teilweise Ungültigerklärung kann nur hingenommen werden, wenn einen Neuwahl in kurzem Abstand nach der für ungültig erklärten Wahl durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Verfahren wird ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen der Wahl am 09.06.2013 und einer neu anzusetzenden Wahl aller Voraussicht nach erreicht, jedenfalls erscheint dies naheliegend, wenn man neben den für eine Wahlausschreibung einzuhaltenden Anforderungen und Fristen (§§ 1, 20, 34, 35 KomWO) mitberücksichtigt, dass den Beteiligten nach Zustellung des Urteils eine Bedenkzeit bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zusteht, ob gegen das Urteil des erkennenden Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt wird.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3 Satz 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie mit ihren Anträgen ein Kostenrisiko eingegangen und unterlegen sind.
40 
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die klärungsbedürftige Frage, ob das Wahlgeheimnis deshalb verletzt ist, weil der Nebenraum des Wahlraums i.S.d. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO so eingerichtet ist, dass der mit dem Rücken zum Wahlraum unweit von der offenen Tür sitzende oder stehende Wähler von den im Wahlraum wartenden Wählern aus einer Entfernung von ca. 3,80 m bis ca. 5 m beobachtet werden kann.
41 
B E S C H L U S S
42 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000.--festgesetzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.O. und Beschl. v. 09.05.2007 - 1 S 984/07 -, ).
43 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
25 
Die Klage ist zulässig und begründet.
26 
Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27 
Die Klage ist nach § 31 Abs. 3 Kommunalwahlgesetz i.d.F. vom 01.09.1983 (GBL. S. 429) - KomWG - als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Sie ist auch begründet. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Die Voraussetzung des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG ist hinsichtlich der drei geltend gemachten Wahlanfechtungsgründe gegeben.
28 
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die vom Beigeladenen zu 1 im Amtsblatt und im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers Malsch veröffentlichten Artikel eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung darstellen. Denn es ist eine wesentliche Vorschrift über die Wahlhandlung verletzt, weil in einem von 14 Wahlbezirken, im Wahlbezirk Sulzbach, dadurch gegen das Wahlgeheimnis verstoßen wurde, dass die Möglich bestand, die Wahlhandlung im Nebenraum zu beobachten (1). Dieser Verstoß konnte das Ergebnis der Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 beeinflussen (2). Er hat die Aufhebung der gesamten Wahl zur Folge (3).
1.
29 
Zu den wesentlichen Vorschriften über die Wahlhandlung gehören diejenigen, die die Verwirklichung der tragenden Grundsätze des Wahlrechts, die freie und geheime Wahl sichern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968 - I 652/67 - ESVGH 19, 159 ff., 160). Wesentlich sind u.a. die Vorschriften, die die tragenden Grundsätze des Wahlrechts, nämlich die allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahl sichern sollen (vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 S. 1 LVerf, § 26 Abs. 1 GemO; s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.01.1997 - 1 S 1741/96 - ESVGH 47, 130 ff. m.w.N.). Die Geheimheit der Wahl stellt den wichtigsten institutionellen Schutz der Wahlfreiheit dar, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für die demokratische Legitimation der Gewählten ist (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1 ff., 13 m.w.N.). Die geheime Wahl steht in engem Zusammenhang mit der freien Wahl und soll eine unbeeinflusste Stimmabgabe garantieren. Sie erfordert deshalb eine technische Gestaltung des Wahlvorganges, die es unmöglich macht, die Wahlentscheidung eines Wählers zu erkennen oder zu rekonstruieren. Dies sollen u.a. die Vorschriften über die Ausstattung der Wahlräume sicherstellen. Die Abschirmungsvorrichtungen müssen deshalb so beschaffen sein, dass niemand beobachten kann, wie die Stimmzettel ausgefüllt und in den Umschlag gesteckt werden, und dass auch der Wahlberechtigte sicher sein muss, nicht daraufhin beobachtet zu werden, ob er auf seinem Stimmzettel schreibt, streicht oder ankreuzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160 zu § 20 Abs. 2 KomWO a.F.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.03.1990 - 10 M 5/90 - m.w.N.). Die Vorschriften des KomWG und der Kommunalwahlordnung - KomWO - verlangen nicht, Wahlkabinen bzw. -zellen einzurichten, auch Nebenräume sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nach § 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 1 KomWO sind in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einzurichten, in denen der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und in den Stimmzettelumschlag legen oder im Fall der Bürgermeisterwahl falten kann. Die Wahlzellen müssen vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden können. Als Wahlzelle kann auch ein nur durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum dienen, wenn dessen Eingang vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden kann. Ausreichend ist hiernach ein durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum (§ 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO).
30 
Der Nebenraum muss wie Abschirmungseinrichtungen so gestaltet sein, dass die Grundsätze der geheimen Wahl gewährleistet sind. Diese sind dann nicht gewahrt, wenn der Wahlberechtigte auf Grund der konkreten örtlichen Verhältnisse nicht sicher sein kann, bei der Ausübung des Stimmrechts beobachtet zu werden; d.h. es ist entscheidend, ob das behauptete subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten nach den Umständen des Einzelfalles objektiv gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn bei der Wahl beobachtet werden konnte, ob der Wahlberechtigte den Stimmzettel veränderte (schrieb, strich oder kreuzte) oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckte (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160; vgl. auch Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. § 17 Rn. 4; vgl. auch LAG Düsseldorf, Beschl. v. 03.08.2007 - 9 TaBV 41/07 - unter Hinweis auf OVG NRW, Beschl. v. 22.10.1979 zu § 16 LPVG NW; s. auch Hess. VGH, Fachsenat für Personalvertretungssachen, Beschl. v. 29.01.1986 - HPV TL 1436/85 - zu § 16 Abs. 1 bis 3 WO-HPVG). Der Wahlberechtigte ist nämlich nur dann in der Lage, wirklich frei zu wählen, wenn er sicher sein kann, bei der Stimmabgabe nicht beobachtet zu werden. Denn das Wahlgeheimnis soll, wie bereits ausgeführt, eine freie und unbeeinflusste Stimmabgabe gewährleisten. Deshalb ist der Grundsatz der geheimen Wahl nicht erst dann verletzt, wenn es möglich gewesen ist zu beobachten, welchem Kandidaten ein Wahlberechtigter die Stimme gegeben hat, und feststellbar ist, ob tatsächlich jemand beobachtet hat, sondern schon dann, wenn sich der Wahlberechtigte nicht unbeobachtet gefühlt hat und es möglich gewesen ist zu sehen, was er mit dem Stimmzettel gemacht hat: ob er ihn verändert oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag gesteckt hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.04.1968, a.a.O.). Rechtlich ohne Bedeutung ist, wie bei früheren Wahlen in Sulzbach gewählt worden ist.
31 
Aufgrund der bei Einnahme des Augenscheins in den Wahl- und Nebenraum im Wahlbezirk Sulzbach getroffenen Feststellungen und des dabei gewonnenen Eindrucks des erkennenden Gerichts von den Örtlichkeiten und dem Ablauf der Wahlhandlungen war das Wahlgeheimnis im Wahlbezirk Sulzbach bei der Bürgermeisterwahl am 09.06.2013 nicht gewährleistet, weil aufgrund objektiver Gegebenheiten die Möglichkeit bestand, die Wahlhandlung zu beobachten. Im Wahllokal in Sulzbach war ein nur vom Wahlraum aus zugänglicher Nebenraum für die Vornahme der Wahlhandlung eingerichtet. In diesem stand ein ca. 40 bis 50 cm von der offenen und ca. 90 cm breiten Eingangstür entfernter kleiner Wahltisch (ca. 65 cm x 65 cm) ohne Sichtschutzblende und ohne sonstige Abschirmung. Vor dem Wahltisch war ein ca. 80 cm hoher Stuhl mit einer ca. 45 cm breiten Rückenlehne bereitgestellt, an dem der Wähler mit dem Rücken zum Wahlraum Platz nehmen konnte. Hinter dem Wahltisch war ein breiter Schreibtisch. Die Tür zum Nebenraum war während der Wahl offen.
32 
Nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Beteiligten und den Erläuterungen des bei Einnahme des Augenscheins anwesend gewesenen Wahlvorstehers und seines Stellvertreters standen die wartenden Wähler im Wahlraum, dem Vorraum zum Nebenraum, entweder vor der dort in der Mitte des Vor- bzw. Wahlraumes befindlichen schmalen Säule oder, wenn mehrere Personen warten mussten, dahinter, in Höhe des Tisches des Beisitzers, an dem der Wähler die Wahlunterlagen erhielt. Dies bestätigten mehrere in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeugen. Je nachdem, wie groß die Zahl der wartenden Wähler im Wahlraum war, saßen wartende Wähler den Angaben des Wahlvorstandes zufolge auch links und rechts der Eingangstür zum Wahlraum. Der Abstand von der Säule bis zur Türschwelle zum Nebenraum beträgt nach den Feststellungen des Gerichts ca. 2,80 m, der von der Türschwelle bis zum Stuhl am Wahltisch im Nebenraum ca. 50 cm, bis zum Wahltisch verbleibt eine Stuhltiefe von etwa 50 cm. Der unmittelbar vor der Säule wartende Wähler war demnach höchstens ca. 3,80 m entfernt vom Wähler im Nebenraum. Eine hinter der Säule wartende Person war mehr als 3,80 m entfernt. Die weiteren von wartenden Wählern eingenommenen Positionen waren bis zu ca. 5 m vom Wähler im Nebenraum entfernt. Von allen aufgezeigten Positionen der Wartenden aus war der mit dem Rücken zum Wahlraum am Wahltisch sitzende oder stehende Wähler im Nebenraum durch die ca. 90 cm breite Türöffnung nach den Feststellungen des Gerichts gut sichtbar; erkennbar war dessen ganzer Körper oder eine Körperhälfte. Die vor der Säule wartenden Wähler konnten den Wähler im Nebenraum in der im Regelfall eingenommenen Sitzposition von seiner Rückseite sehen. Ebenfalls sichtbar war ein Wähler im Nebenraum für denjenigen, der nach ein oder zwei in den Wahlraum gesetzten Schritten stehen blieb, weil beispielsweise bereits mehrere Personen im Raum waren, was realistisch ist. Von dieser Position aus konnte jedenfalls die rechte Körperseite des Wählers im Nebenraum gesehen werden, was ausreichend ist, um bei einem Rechtshänder die Bewegung des rechten Armes oder die der Hand nachvollziehen zu können. Einsehbar war der Bereich im Nebenraum, an dem die Wahlhandlung vorgenommen wurde, zumindest teilweise auch von den links und rechts der Eingangstür sitzenden Personen.
33 
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass bei einem mit dem Rücken zu den wartenden Wählern sitzenden oder stehenden Wähler anhand seiner Körperhaltung und -bewegung beobachtet und rekonstruiert werden kann, ob der Wähler den Stimmzettel verändert, ob er schreibt, streicht oder kreuzt oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckt. Es kann zwar nicht gesehen werden, an welcher Stelle der Wähler ein Kreuz auf dem Stimmzettel macht, weil er dies mit seinem Rücken oder seinen Händen verdecken kann. Für einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist dies - wie dargelegt - auch nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein „Blick über die Schulter“ notwendig. Die Beobachtung der Wahlhandlung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der sitzende oder stehende Wähler mit dem Rücken zum einsehbaren Bereich die Wahlhandlung vornimmt. Denn die Bewegungen des Armes, mit dessen Hand er schreibt, streicht oder kreuzt sind in der Regel, auch wenn die Hand nicht gesehen werden kann, wahrnehmbar. Sie können isoliert oder zusammen mit Bewegungen des Oberkörpers bzw. der Schultern auf eine bestimmte Wahlhandlung schließen lassen. Bewegungen der Hand lassen ebenfalls Rückschlüsse auf das Wahlverhalten zu. Die 45 cm breite und ca. 80 cm hohe Stuhllehne vermochte diese Beobachtungsmöglichkeit nicht verhindern, weil eine Vielzahl von Menschen in sitzender Position größer als 80 cm ist. Unterlässt der Wähler jegliche Körperbewegung und nimmt er den bereitgelegten Schreibstift überhaupt nicht in die Hand, können ebenfalls Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung abgeleitet werden, auch wenn er nur von hinten gesehen werden kann. Bei einem neben oder vor dem bereitgestellten Stuhl stehenden Wähler können Körperbewegungen im Einzelfall, je nach Größe, Umfang und Bekleidung der Person, noch deutlicher erkennbar sein.
34 
Entgegen den Ausführungen des Vertreters der Beigeladenen zu 2 ist der Wähler nicht verpflichtet, sich beim Wahlvorgang so zu verhalten, dass seine Wahlhandlung anhand seiner Körperhaltung nicht beobachtet werden kann, z.B. indem er seine Körperhaltung so einrichtet, gegebenenfalls durch eine künstliche Haltung oder Bewegung, dass daraus keine Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung gezogen werden können. Das Wahlgeheimnis verlangt nicht, dass der Wähler derartige Vorkehrungen zum Schutz des Wahlgeheimnisses trifft. Denn die Pflicht, eine Wahlzelle und einen Nebenraum nach den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 2 KomWO einzurichten, obliegt bei Wahlen nach § 1 KomWG den Gemeinden (§ 17 KomWG). Es liegt auf der Hand, dass vom Wähler auch nicht in rechtswirksamer Weise erwartet werden kann, dass er sich im Nebenraum eine vom Wahlraum aus nicht einsehbare Nische sucht, wie dies die Zeugin XXX nach ihren Bekundungen getan hat. Bei der Wahl am 09.06.2013 konnte die Eingangstür zum Nebenraum auch nicht von innen geschlossen werden, wie es nach der Aussage der Zeugin XXX bei früheren Wahlen in Sulzbach der Fall gewesen sei. Ob dies nach § 23 Abs. 2 KomWO zulässig und ausreichend ist, einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis zu verneinen, kann deshalb offen bleiben.
35 
Die hier entscheidungserhebliche Möglichkeit der Beobachtung und Rekonstruierbarkeit der Wahlhandlung infolge der Sicht auf den Wähler bzw. die Wahlhandlung im Nebenraum, war grundsätzlich aus einer Entfernung von ca. 3,30 m gegeben, ebenso bei einer darüber hinausgehenden Entfernung im Bereich zwischen 3,50 m bis 5,00 m. Sofern hiervon Einschränkungen für Sehbehinderte oder andere untypische Fallgestaltungen gemacht werden müssen, ist dies zu vernachlässigen. Die Möglichkeit der Sicht für die im Wahlraum wartenden Wähler in Richtung Nebenraum auf den Wahlvorgang war nur durch die schmale Säule eingeschränkt, am Wahltag zusätzlich zeitweise, nicht dauerhaft, durch Personen, die sich im Raum aufhielten, weil sie warteten oder nach ihrer Wahl weggingen und sich dabei noch einige Zeit im Wahlraum unterhielten. Im Übrigen gab es keine Sichtbehinderungen, etwa durch Abschirmungen im Wahlraum. Der Wahlraum hat nach den Feststellungen des Gerichts bei Einnahme des Augenscheins mehrere Fenster und ist ausreichend belichtet. Für den Wahltag gilt nichts anderes. Ob im Nebenraum die Vorhänge zur Jägerstraße hin geschlossen waren, also an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch, ist für die Möglichkeit der Wahrnehmung der Wahlbehandlung unbeachtlich. Der Nebenraum war nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts bei Einnahme des Augenscheins bei geschlossenen Vorhängen ausreichend belichtet, um einen Wähler sehen und eine Körperbewegung des Wählers beobachten zu können. An den Fenstern im Nebenraum zur Ettlinger Straße hin waren am 09.06.2013 unstreitig keine Vorhänge zugezogen. Wie bereits ausgeführt, vermochte die Rückenlehne des Stuhls am Wahltisch eine mögliche Nachvollziehbarkeit der Wahlhandlung nicht nennenswert schmälern. Aufgrund dieser eine Beobachtung der Wahlhandlung ermöglichenden objektiven Gegebenheiten kann keine Rede davon sein, dass es lediglich ein subjektives Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten im Wahllokal in Sulzbach gegeben habe.
36 
Es kommt deshalb nicht darauf an, wie groß oder kurz der Abstand der im Wahlraum vor der Säule wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum war. Auf die unterschiedlichen Angaben der Beteiligten und Zeugen zum kürzesten Abstand der wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum und darauf, worauf die unterschiedliche Einschätzung dieser Gegebenheiten beruhen kann, braucht das Gericht deshalb nicht weiter einzugehen. Ferner bedarf es keiner Entscheidung darüber, wie groß der Abstand des Wahlvorstands zum Nebenraum bzw. Wähler im Nebenraum war und welche Sitzposition er eingenommen hat und ob diese den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 KomWO entsprach. Ebenfalls nicht geklärt zu werden braucht, ob die Vorhänge an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch während der Wahl, sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum, offen oder zugezogen waren und, falls sie offen waren, ob der Wähler in der dargestellten Weise beobachtet werden konnte. Den diesbezüglichen unterschiedlichen Zeugenaussagen braucht nicht nachgegangen zu werden.
2.
37 
Der Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist erheblich. Ein Wahlmangel führt dann zur Ungültigerklärung der Wahl, wenn deren "Ergebnis" dadurch beeinflusst werden konnte (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG). Das Gesetz verlangt nicht einen tatsächlichen, sondern einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Dieser ist nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377 f. m.w.N.). Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist. Da der Beigeladene zu 1 mit einer Stimmenmehrheit von 16 Stimmen die absolute Mehrheit erreicht hat, ist bei Bejahung eines Wahlfehlers nicht auszuschließen, dass dieser Wahlfehler das Ergebnis für die Gesamtwahl ausschlaggebend beeinflusst hat (s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.0., zu 9 Stimmen bei absoluter Mehrheit).
3.
38 
Obgleich der erhebliche Wahlfehler nur für einen von 14 Wahlbezirken feststellbar ist, war das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 in vollem Umfang aufzuheben. Das erkennende Gericht übt sein ihm im Falle eines nur in einem Wahlbezirk vorgekommenen erheblichen Wahlfehlers durch § 33 KomWG eingeräumte Ermessen (Kunze/Merk/Quecke, a.a.O. § 33 Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.1958 - 3 K 49/58 - ESVGH 9, 92 ff., 94 zu §§ 27, 28 KomWG a.F.) dahin aus, dass es die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 insgesamt für ungültig erachtet und nicht nur begrenzt auf den Wahlbezirk Sulzbach. Dabei hat es sein Ermessen daran orientiert, dass § 34 Abs. 1 Satz 5 KomWG eine Wiederholungswahl nur innerhalb von sechs Monaten zulässt (s. auch § 35 Abs. 1 Satz 2 1. und 2. Halbsatz KomWG) und dass diese Frist im vorliegenden Fall bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Wahl realistischerweise angesetzt werden kann, ohne Weiteres ausgeschöpft sein kann. Hintergrund dieser Frist ist, dass sich der Kreis der Wahlberechtigten nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten regelmäßig ändert, sei es durch Zu- oder Wegzug oder infolge des Erreichens des Alters für die Wahlberechtigung. Ein Zeitraum von sechs Monaten ist im Hinblick auf die §§ 34, 35 KomWG als Richtschnur für einen relevanten Wechsel der Wahlberechtigten zu qualifizieren, der anstatt einer Wiederholungswahl eine Neuwahl erforderlich macht. Im Hinblick auf diese zeitliche Komponente hat der VGH Baden-Württemberg zur Ermessensentscheidung über eine teilweise Ungültigkeit einer Wahl auf der Grundlage der §§ 27, 28 KomWG a.F., den Vorgängerregelungen zu §§ 33, 34 KomWG, ausgeführt, dass beachtliche Mängel des Wahlverfahrens in der Regel zur Ungültigerklärung der ganzen Wahl führen müssen und dass nur ausnahmsweise, wenn hierdurch keine ins Gewicht fallende Verfälschung des Wählerwillens zu besorgen ist, von der Möglichkeit einer teilweisen Ungültigkeitserklärung (§ 28 KomWG a.F.) Gebrauch gemacht werden darf. Denn eine teilweise Ungültigerklärung kann nur hingenommen werden, wenn einen Neuwahl in kurzem Abstand nach der für ungültig erklärten Wahl durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Verfahren wird ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen der Wahl am 09.06.2013 und einer neu anzusetzenden Wahl aller Voraussicht nach erreicht, jedenfalls erscheint dies naheliegend, wenn man neben den für eine Wahlausschreibung einzuhaltenden Anforderungen und Fristen (§§ 1, 20, 34, 35 KomWO) mitberücksichtigt, dass den Beteiligten nach Zustellung des Urteils eine Bedenkzeit bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zusteht, ob gegen das Urteil des erkennenden Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt wird.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3 Satz 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie mit ihren Anträgen ein Kostenrisiko eingegangen und unterlegen sind.
40 
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die klärungsbedürftige Frage, ob das Wahlgeheimnis deshalb verletzt ist, weil der Nebenraum des Wahlraums i.S.d. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO so eingerichtet ist, dass der mit dem Rücken zum Wahlraum unweit von der offenen Tür sitzende oder stehende Wähler von den im Wahlraum wartenden Wählern aus einer Entfernung von ca. 3,80 m bis ca. 5 m beobachtet werden kann.
41 
B E S C H L U S S
42 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000.--festgesetzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.O. und Beschl. v. 09.05.2007 - 1 S 984/07 -, ).
43 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Okt. 2013 - 4 K 2001/13

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Okt. 2013 - 4 K 2001/13

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Okt. 2013 - 4 K 2001/13 zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 28


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Okt. 2013 - 4 K 2001/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Okt. 2013 - 4 K 2001/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Mai 2007 - 1 S 567/07

bei uns veröffentlicht am 16.05.2007

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert. Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Bekl

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. Mai 2007 - 1 S 984/07

bei uns veröffentlicht am 09.05.2007

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. März 2007 - 6 K 3230/06 - geändert. Der Streitwert für das Verfahren im ersten Rechtszug wird
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Okt. 2013 - 4 K 2001/13.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 26. Feb. 2016 - 9 S 2445/15

bei uns veröffentlicht am 26.02.2016

Tenor Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. November 2015 - 10 K 3628/15 - geändert. Der Antrag wird abgelehnt.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschl

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Nov. 2015 - 5 K 1472/15

bei uns veröffentlicht am 10.11.2015

Tenor Der Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 02.06.2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 02.11.2015 wird aufgehoben. Das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Stadt X vom 19.04.2015 für ungültig zu

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(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert.

Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 im Berufungsverfahren je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 in Kappel-Grafenhausen.
Am Freitag, dem 30.06.2006, berichtete die Badischen Zeitung (BZ) unter der Überschrift „Klagen aus dem Gewerbe“ über eine Wahlveranstaltung des Bürgermeisterkandidaten Z. mit Gewerbetreibenden der Gemeinde, und führte aus, dass das Verhalten des Amtsinhabers von Betriebsinhabern teilweise massiv kritisiert worden sei.
Am Samstag, dem 01.07.2006, erschien unter dem Titel „‘Zustimmung, Freundlichkeit’ - K. kontert Vorwürfe“ ein weiterer Artikel in der BZ in Gesprächsform, in dem die Sicht des amtierenden - und zur Wiederwahl stehenden - Bürgermeisters, des Beigeladenen zu 1, wiedergegeben wurde.
Am selben Tag wurden auch vier Leserbriefe in der BZ veröffentlicht, die sich kritisch mit dem Artikel vom 30.06.2006 auseinander setzten.
Unter der Titelzeile „Unverständlich“ wurde ein Leserbrief mit folgendem Wortlaut abgedruckt:
„Der leider von privater Seite verfasste Bericht gegenüber unserem Herrn K. entspricht nicht den Tatsachen.
Es waren nur einzelne Gewerbetreibende von knapp 40, die die Tätigkeit von Herrn K. kritisierten.
Bis jetzt hieß es in beiden Wahlkampfreden, dass ein fairer Wahlkampf betrieben wird, dies geht jedoch weit unter die Gürtellinie. Mit dem Bericht wird auf infame Weise versucht, Bürgermeister K. kurz vor der Wahl zu diskreditieren.
Ich bin der Meinung, dass man es nicht jedem recht machen kann, und dass bei allen zukünftigen Bürgermeistern immer ein Haar in der Suppe gefunden werden kann, wenn man danach sucht.
Mehrere Gewerbetreibende riefen mich als Gewerbevereinsvorsitzender an, dass sie den Artikel überhaupt nicht verstehen können, und mit Herrn K. sehr zufrieden sind. Sie baten mich, eine Gegendarstellung in die BZ und in den Guller zu setzen.
H. U.“
Unter der Zeile „Faires Miteinander“ hieß es:
„Wir auch von der O. GmbH, ... und ..., ... ... in ..., können diesen Bericht nicht nachvollziehen. In der Amtszeit von Herrn Bürgermeister K. war es für uns ein faires wirtschaftliches Miteinander.
W. O., O. GmbH, ...- und ... ...“
Unter der Überschrift „Ist das fair?“ erschien folgender Leserbrief:
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„Fair“ und „ehrlich“ sollte die Bewerbung um den Bürgermeisterposten in Kappel-Grafenhausen laufen - so wurde es zwischen den beiden Bewerbern, Amtsinhaber A. K. und dem Konkurrenten J. Z. öffentlich vereinbart. Nun scheinen unterschiedliche Ansichten darüber zu bestehen, was unter „fair“ und „ehrlich verstanden wird.
Manches an der Informationsbeschaffung des Kandidaten Z. im Wahlkampf erscheint mir nicht dem von ihm gesetzten moralischen Maß zu entsprechen.
... B. E., ...“
11 
Ein letzter Leserbrief folgte unter dem Stichwort „Verwundert“:
12 
Über den Bericht in der Badischen Zeitung vom 30. Juni „Klagen aus den Gewerbe“ kann ich, milde ausgedrückt, nur meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. In diesem Bericht wird die Glaubwürdigkeit und Integrität des Amtsinhabers, Herrn Bürgermeister K., in Frage gestellt und ihm meines Erachtens auch Unrecht getan.
G. K., ...“
13 
Bei der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 erhielt der Beigeladene zu 1 1.160 von 2.301 gültigen und damit 50,4% der Stimmen; der unterlegene Bewerber Z. kam auf 1.135 Stimmen, sonstige Bewerber erhielten insgesamt sechs Stimmen. Das Wahlergebnis wurde zunächst am 03.07.2006 bekannt gemacht; die öffentliche Bekanntmachung wurde wegen eines Formfehlers am 14.07.2006 wiederholt.
14 
Am 10.07.2006 erhob der Kläger, ein wahlberechtigter Einwohner der Gemeinde, Einspruch gegen die Wahl und fügte eine Unterschriftenliste mit Beitretenden bei. Zur Begründung machte er geltend, dass eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung mit der Folge der Verletzung elementarer Wahlrechtsgrundsätze wie der Freiheit und Gleichheit der Wahl vorliege. Der stellvertretende Leiter des Wahlprüfungsausschusses, der Zeuge U., habe sich entgegen seiner Pflicht zur Neutralität am Samstag vor der Wahl in einem Leserbrief zugunsten des gewählten Bürgermeisters eingesetzt und darin falsche Behauptungen aufgestellt. Der Brief sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden. Wegen der Veröffentlichung hätten der Bürgermeister und der Zeuge U. massiven Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
15 
Gegenüber dem Landratsamt Ortenaukreis gab der Zeuge U. im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens u.a. an, dass die in der BZ veröffentlichte Stellungnahme von ihm selbst stamme und per E-Mail von seinem eigenen Computer an die Redaktion übermittelt worden sei. Irgendeine vorherige Kontaktaufnahme oder gar eine Absprache mit dem Beigeladenen zu 1 habe es nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1 erklärte gegenüber dem Landratsamt, die Behauptung, der Leserbrief sei von ihm diktiert und im Rathaus geschrieben worden, sei unzutreffend. Die Beigeladene zu 2 teilte dem Landratsamt mit, dass der Bürgermeister-Stellvertreter bei allen Bediensteten in den beiden Rathäusern der Frage nachgegangen sei, ob der Leserbrief im Rathaus geschrieben bzw. vom Bürgermeister diktiert worden sei; alle Befragten hätten dies verneint.
16 
Das Landratsamt Ortenaukreis erklärte mit Wahlprüfungsbescheid vom 03.08.2006 die Bürgermeisterwahl unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche für gültig.
17 
Mit weiterem Bescheid vom 03.08.2006 wies das Landratsamt den Einspruch des Klägers zurück. Der zulässige Einspruch sei nicht begründet. Die gerügte gesetzwidrige Wahlbeeinflussung durch einen Bewerber oder Dritte liege nicht vor. Der Zeuge U. habe mit seinem Leserbrief nicht gegen die den amtlichen Organen obliegende Neutralitätspflicht verstoßen; diese gelte nur für die Gemeindeorgane selbst, nicht aber für deren Mitglieder. Im Übrigen habe der Zeuge U. diesen Brief mit seinem Namen, nicht aber mit Hinweis auf sein Amt als stellvertretendes Mitglied des Gemeindewahlausschusses unterzeichnet. Inhaltlich sei mit dem Leserbrief angesichts der kontroversen Berichterstattung die Grenze der zulässigen Wahlpropaganda und Wahlagitation nicht überschritten worden. Die weitere Rüge, wonach der Brief im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden sei, sei nicht belegt. Nach glaubhafter Darstellung des Zeugen U. habe dieser die Stellungnahme selbst verfasst und per E-Mail vom eigenen Computer an die Redaktion der BZ übermittelt. Auch der Beigeladene zu 1 habe den Vorwurf als falsch bestritten. Nach Stellungnahme der Gemeinde unter Einbeziehung einer Befragung der Bediensteten des Bürgermeisteramtes bestünden ebenso wenig Anhaltspunkte im Sinne des Vorbringens. Nicht nachgewiesen sei weiter der Vorwurf, der Beigeladene zu 1 oder der Zeuge U. hätten Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
18 
Der Kläger hat am 01.09.2006 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere geltend gemacht, dass der fragliche Leserbrief vom Bürgermeister initiiert und diktiert und im Rathaus der Entwurf für den Strohmann U. geschrieben worden sei. Der Bürgermeister habe über die Gemeindeverwaltung z.B. durch E-Mails an den Zeugen U. Einfluss auf diesen ausgeübt, damit der Leserbrief in der BZ abgedruckt werde. Diese amtliche Beeinflussung durch die Gemeindeverwaltung bzw. den Bürgermeister sei auch rechtserheblich gewesen, sie habe das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 sind der Klage entgegengetreten. Die Beigeladene zu 2 hat im laufenden Verfahren schriftliche Stellungnahmen von zwei im Büro des Beigeladenen zu 1 tätigen Bediensteten, darunter die Zeugin F., vorgelegt, die - abweichend von ihren ursprünglichen Einlassungen - bekundet haben, dass am 30.06.2006 auf Geheiß des Beigeladenen zu 1 dort Leserbriefe geschrieben worden seien und deren Veröffentlichung vorbereitet worden sei.
19 
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006, in der der Zeuge U. und die Zeugin F. vernommen worden sind, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung liege bei Berücksichtigung der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe, die den Prüfungsumfang auch des Gerichts beschränkten, nicht vor. Mit seinem Leserbrief habe der Zeuge U., der stellvertretender Beisitzer des Wahlausschusses und Gemeinderat sei, die Grenzen zulässiger Wahlwerbung nicht überschritten. Denn er habe diesen Brief nicht in diesen Funktionen, sondern allein als Gewerbevereinsvorsitzender geschrieben. Als Inhaber eines Ehrenamtes könne er nicht von Äußerungen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeschlossen werden. Auch im Hinblick auf die Autorenschaft des fraglichen Leserbriefs sei eine gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung nicht festzustellen. Objektiv unrichtig seien Tatsachenbehauptungen zwar nicht nur dann, wenn sie inhaltlich falsch seien, sondern auch in Fällen, in denen der Wähler über den Urheber einer Äußerung im Wahlkampf getäuscht werde; denn die Bewertung einer solchen Äußerung hänge entscheidend auch davon ab, von wem sie stamme. Der Zeuge U. sei jedoch in rechtlicher Hinsicht als Urheber des mit seinem Namen unterzeichneten Leserbriefs anzusehen. Die Beweisaufnahme habe zwar ergeben, dass der Beigeladene zu 1 einen erheblichen Beitrag an der Entstehung und am Inhalt des Leserbriefs habe, der Zeuge U. habe sich den Inhalt des Briefs jedoch vollständig zu eigen gemacht. Er habe nämlich ein persönliches Interesse daran gehabt, dem seiner Auffassung nach durch den Bericht entstandenen falschen Anschein, die Gewerbetreibenden insgesamt und auch er als der Vereinsvorsitzende sei dem amtierenden Bürgermeister gegenüber kritisch eingestellt, durch eine eigene veröffentlichte Stellungnahme entgegenzutreten. Des Weiteren habe der Zeuge U. den aus dem Rathaus stammenden Entwurf nicht unbesehen übernommen, sondern um eigene Passagen ergänzt. Da der Zeuge U. somit als Urheber des Leserbriefs anzusehen sei, liege allein darin, dass ohne ein Eingreifen des Beigeladenen zu 1 der Leserbrief vermutlich mit anderem Wortlaut, möglicherweise aber auch gar nicht, erschienen wäre, keine rechtserhebliche Täuschung des Wählers. Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1 den Entwurf für den Leserbrief durch eine Angestellte des Rathauses habe schreiben und mailen lassen. Es spreche vieles dafür, dass eine unparteiische Amtsführung es gebiete, Einrichtungen und Bedienstete der Gemeindeverwaltung nicht für Wahlpropaganda zu verwenden. Ein Textbeitrag von sechs Zeilen, der von der Angestellten zudem lediglich nach Diktat geschrieben, nicht aber entworfen worden sei, reiche dafür jedenfalls nicht aus, da einem derart geringen Beitrag die Eignung dafür fehle, die Wahl zu beeinflussen.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 07.03.2007 - 1 S 182/07 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen, wonach der Zeuge U. als Unterzeichner des Leserbriefs lediglich vorgeschoben worden sei und die Wähler dadurch über den wahren Urheber getäuscht worden seien. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1 habe den Leserbrief initiiert, der Zeuge U. habe den per E-Mail übermittelten Entwurf in zentralen Aussagen übernommen, so dass amtliche Stellen bei der Veröffentlichung eine ausschlaggebende Rolle gespielt hätten. Es reiche nicht aus, dass der Zeuge U. bekräftigt habe, dass es sein Leserbrief gewesen sei und er inhaltlich voll dahinter stehe; eine formale Autorenschaft genüge nicht. Schließlich gehe es nicht an, den unzulässigen amtlichen Einfluss des Bürgermeisters angesichts des knappen Wahlergebnisses zu verharmlosen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
26 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Er trägt vor: Zutreffend sei im angefochtenen Urteil festgestellt worden, dass der Zeuge U. „wahrer Urheber“ des Leserbriefs gewesen sei; er habe dessen Inhalt und Form selbst verantwortet. Im Übrigen komme es nicht darauf an, wer der geistige Urheber eines Leserbriefs im Wahlkampf sei; entscheidend sei allein, wer durch seine Unterschrift die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Text dokumentiere und damit die inhaltliche Verantwortung für das Druckwerk gegenüber der Öffentlichkeit und der Wählerschaft übernehme. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht sei rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie in den öffentlichen Raum hineinwirke und zu einer Beeinflussung des Wählerwillens führen könne. Demgegenüber seien Verstöße, die rein verwaltungsintern blieben und keine Auswirkungen auf den Wählerwillen haben könnten, irrelevant. Außerdem müssten die Verstöße von solchem Gewicht sein, dass eine unzulässige Beeinflussung des Wahlergebnisses durch sie möglich sei. Dies habe das angefochtene Urteil bezüglich des völlig untergeordneten Beitrags der Zeugin F. zutreffend verneint.
29 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
30 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
31 
Sie trägt vor: Der Beigeladene zu 1 habe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Leserbriefs Gemeindebedienstete für seine Wahlkampfzwecke eingesetzt und dadurch unter Verletzung der ihm insoweit obliegenden Neutralitätspflicht eine gesetzeswidrige Wahlbeeinflussung begangen. Angesichts des knappen Stimmenvorsprungs des Beigeladenen zu 1 sei auch anzunehmen, dass dieser Wahlfehler Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben könnte.
32 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin F.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. März 2007 - 6 K 3230/06 - geändert.

Der Streitwert für das Verfahren im ersten Rechtszug wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde ist zulässig (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG)
und begründet.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung entspricht dem Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte, um die Bedeutung der Sache nach dem Klageantrag in einem Geldbetrag auszudrücken, ist der Streitwert nach § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festzusetzen (sog. Auffangwert).
Gegenstand des Klageverfahrens war das Begehren des Klägers auf Ungültigerklärung der Wahl des Bürgermeisters seiner Gemeinde. Der Kläger war bei der Bürgermeisterwahl als Mitbewerber aufgetreten und hatte Einspruch gegen die Wahl erhoben. Das Verwaltungsgericht hat für das erstinstanzliche Verfahren den Streitwert in Anlehnung an den Streitwertkatalog 2004, Ziff. 22.1.3, auf 7.500,-- EUR festgesetzt. Dieser sieht für die Anfechtung der Kommunalwahl durch Bürger den Auffangwert von 5.000,-- EUR vor (vgl. 22.1.1), für die Anfechtung durch eine Partei oder Wählergemeinschaft einen Streitwert von mindestens 15.000,-- EUR (vgl. 22.1.2) und für die Anfechtung durch einen Wahlbewerber mindestens 7.500,-- EUR (vgl. 22.1.3). Diesen differenzierenden Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2004 folgt der Senat nicht. Vielmehr entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, bei Wahlanfechtungssachen grundsätzlich den sog. Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG anzunehmen, da der Sach- und Streitstand für eine anderweitige Bestimmung des Streitwerts regelmäßig keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Das gilt auch für die Wahlanfechtungsklage eines unterlegenen Wahlbewerbers. Denn auch in diesem Falle findet die Wahlprüfung vorwiegend im öffentlichen Interesse an der Einhaltung wahlrechtlicher Vorschriften statt. Demgegenüber tritt das private Interesse eines Wahlbewerbers am Ausgang der Wahl zurück (so auch Bay. VGH, Beschluss vom 03.06.1998 - 4 C 97.1473 -, juris und Beschluss vom 25.07.1996 - 4 C 96.1922 -, NVwZ-RR 1997, 755 f.).
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - geändert.

Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 im Berufungsverfahren je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 in Kappel-Grafenhausen.
Am Freitag, dem 30.06.2006, berichtete die Badischen Zeitung (BZ) unter der Überschrift „Klagen aus dem Gewerbe“ über eine Wahlveranstaltung des Bürgermeisterkandidaten Z. mit Gewerbetreibenden der Gemeinde, und führte aus, dass das Verhalten des Amtsinhabers von Betriebsinhabern teilweise massiv kritisiert worden sei.
Am Samstag, dem 01.07.2006, erschien unter dem Titel „‘Zustimmung, Freundlichkeit’ - K. kontert Vorwürfe“ ein weiterer Artikel in der BZ in Gesprächsform, in dem die Sicht des amtierenden - und zur Wiederwahl stehenden - Bürgermeisters, des Beigeladenen zu 1, wiedergegeben wurde.
Am selben Tag wurden auch vier Leserbriefe in der BZ veröffentlicht, die sich kritisch mit dem Artikel vom 30.06.2006 auseinander setzten.
Unter der Titelzeile „Unverständlich“ wurde ein Leserbrief mit folgendem Wortlaut abgedruckt:
„Der leider von privater Seite verfasste Bericht gegenüber unserem Herrn K. entspricht nicht den Tatsachen.
Es waren nur einzelne Gewerbetreibende von knapp 40, die die Tätigkeit von Herrn K. kritisierten.
Bis jetzt hieß es in beiden Wahlkampfreden, dass ein fairer Wahlkampf betrieben wird, dies geht jedoch weit unter die Gürtellinie. Mit dem Bericht wird auf infame Weise versucht, Bürgermeister K. kurz vor der Wahl zu diskreditieren.
Ich bin der Meinung, dass man es nicht jedem recht machen kann, und dass bei allen zukünftigen Bürgermeistern immer ein Haar in der Suppe gefunden werden kann, wenn man danach sucht.
Mehrere Gewerbetreibende riefen mich als Gewerbevereinsvorsitzender an, dass sie den Artikel überhaupt nicht verstehen können, und mit Herrn K. sehr zufrieden sind. Sie baten mich, eine Gegendarstellung in die BZ und in den Guller zu setzen.
H. U.“
Unter der Zeile „Faires Miteinander“ hieß es:
„Wir auch von der O. GmbH, ... und ..., ... ... in ..., können diesen Bericht nicht nachvollziehen. In der Amtszeit von Herrn Bürgermeister K. war es für uns ein faires wirtschaftliches Miteinander.
W. O., O. GmbH, ...- und ... ...“
Unter der Überschrift „Ist das fair?“ erschien folgender Leserbrief:
10 
„Fair“ und „ehrlich“ sollte die Bewerbung um den Bürgermeisterposten in Kappel-Grafenhausen laufen - so wurde es zwischen den beiden Bewerbern, Amtsinhaber A. K. und dem Konkurrenten J. Z. öffentlich vereinbart. Nun scheinen unterschiedliche Ansichten darüber zu bestehen, was unter „fair“ und „ehrlich verstanden wird.
Manches an der Informationsbeschaffung des Kandidaten Z. im Wahlkampf erscheint mir nicht dem von ihm gesetzten moralischen Maß zu entsprechen.
... B. E., ...“
11 
Ein letzter Leserbrief folgte unter dem Stichwort „Verwundert“:
12 
Über den Bericht in der Badischen Zeitung vom 30. Juni „Klagen aus den Gewerbe“ kann ich, milde ausgedrückt, nur meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. In diesem Bericht wird die Glaubwürdigkeit und Integrität des Amtsinhabers, Herrn Bürgermeister K., in Frage gestellt und ihm meines Erachtens auch Unrecht getan.
G. K., ...“
13 
Bei der Bürgermeisterwahl am 02.07.2006 erhielt der Beigeladene zu 1 1.160 von 2.301 gültigen und damit 50,4% der Stimmen; der unterlegene Bewerber Z. kam auf 1.135 Stimmen, sonstige Bewerber erhielten insgesamt sechs Stimmen. Das Wahlergebnis wurde zunächst am 03.07.2006 bekannt gemacht; die öffentliche Bekanntmachung wurde wegen eines Formfehlers am 14.07.2006 wiederholt.
14 
Am 10.07.2006 erhob der Kläger, ein wahlberechtigter Einwohner der Gemeinde, Einspruch gegen die Wahl und fügte eine Unterschriftenliste mit Beitretenden bei. Zur Begründung machte er geltend, dass eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung mit der Folge der Verletzung elementarer Wahlrechtsgrundsätze wie der Freiheit und Gleichheit der Wahl vorliege. Der stellvertretende Leiter des Wahlprüfungsausschusses, der Zeuge U., habe sich entgegen seiner Pflicht zur Neutralität am Samstag vor der Wahl in einem Leserbrief zugunsten des gewählten Bürgermeisters eingesetzt und darin falsche Behauptungen aufgestellt. Der Brief sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden. Wegen der Veröffentlichung hätten der Bürgermeister und der Zeuge U. massiven Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
15 
Gegenüber dem Landratsamt Ortenaukreis gab der Zeuge U. im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens u.a. an, dass die in der BZ veröffentlichte Stellungnahme von ihm selbst stamme und per E-Mail von seinem eigenen Computer an die Redaktion übermittelt worden sei. Irgendeine vorherige Kontaktaufnahme oder gar eine Absprache mit dem Beigeladenen zu 1 habe es nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1 erklärte gegenüber dem Landratsamt, die Behauptung, der Leserbrief sei von ihm diktiert und im Rathaus geschrieben worden, sei unzutreffend. Die Beigeladene zu 2 teilte dem Landratsamt mit, dass der Bürgermeister-Stellvertreter bei allen Bediensteten in den beiden Rathäusern der Frage nachgegangen sei, ob der Leserbrief im Rathaus geschrieben bzw. vom Bürgermeister diktiert worden sei; alle Befragten hätten dies verneint.
16 
Das Landratsamt Ortenaukreis erklärte mit Wahlprüfungsbescheid vom 03.08.2006 die Bürgermeisterwahl unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche für gültig.
17 
Mit weiterem Bescheid vom 03.08.2006 wies das Landratsamt den Einspruch des Klägers zurück. Der zulässige Einspruch sei nicht begründet. Die gerügte gesetzwidrige Wahlbeeinflussung durch einen Bewerber oder Dritte liege nicht vor. Der Zeuge U. habe mit seinem Leserbrief nicht gegen die den amtlichen Organen obliegende Neutralitätspflicht verstoßen; diese gelte nur für die Gemeindeorgane selbst, nicht aber für deren Mitglieder. Im Übrigen habe der Zeuge U. diesen Brief mit seinem Namen, nicht aber mit Hinweis auf sein Amt als stellvertretendes Mitglied des Gemeindewahlausschusses unterzeichnet. Inhaltlich sei mit dem Leserbrief angesichts der kontroversen Berichterstattung die Grenze der zulässigen Wahlpropaganda und Wahlagitation nicht überschritten worden. Die weitere Rüge, wonach der Brief im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden sei, sei nicht belegt. Nach glaubhafter Darstellung des Zeugen U. habe dieser die Stellungnahme selbst verfasst und per E-Mail vom eigenen Computer an die Redaktion der BZ übermittelt. Auch der Beigeladene zu 1 habe den Vorwurf als falsch bestritten. Nach Stellungnahme der Gemeinde unter Einbeziehung einer Befragung der Bediensteten des Bürgermeisteramtes bestünden ebenso wenig Anhaltspunkte im Sinne des Vorbringens. Nicht nachgewiesen sei weiter der Vorwurf, der Beigeladene zu 1 oder der Zeuge U. hätten Druck auf die Mitarbeiterin der Badischen Zeitung ausgeübt.
18 
Der Kläger hat am 01.09.2006 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere geltend gemacht, dass der fragliche Leserbrief vom Bürgermeister initiiert und diktiert und im Rathaus der Entwurf für den Strohmann U. geschrieben worden sei. Der Bürgermeister habe über die Gemeindeverwaltung z.B. durch E-Mails an den Zeugen U. Einfluss auf diesen ausgeübt, damit der Leserbrief in der BZ abgedruckt werde. Diese amtliche Beeinflussung durch die Gemeindeverwaltung bzw. den Bürgermeister sei auch rechtserheblich gewesen, sie habe das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 sind der Klage entgegengetreten. Die Beigeladene zu 2 hat im laufenden Verfahren schriftliche Stellungnahmen von zwei im Büro des Beigeladenen zu 1 tätigen Bediensteten, darunter die Zeugin F., vorgelegt, die - abweichend von ihren ursprünglichen Einlassungen - bekundet haben, dass am 30.06.2006 auf Geheiß des Beigeladenen zu 1 dort Leserbriefe geschrieben worden seien und deren Veröffentlichung vorbereitet worden sei.
19 
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006, in der der Zeuge U. und die Zeugin F. vernommen worden sind, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung liege bei Berücksichtigung der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe, die den Prüfungsumfang auch des Gerichts beschränkten, nicht vor. Mit seinem Leserbrief habe der Zeuge U., der stellvertretender Beisitzer des Wahlausschusses und Gemeinderat sei, die Grenzen zulässiger Wahlwerbung nicht überschritten. Denn er habe diesen Brief nicht in diesen Funktionen, sondern allein als Gewerbevereinsvorsitzender geschrieben. Als Inhaber eines Ehrenamtes könne er nicht von Äußerungen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeschlossen werden. Auch im Hinblick auf die Autorenschaft des fraglichen Leserbriefs sei eine gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung nicht festzustellen. Objektiv unrichtig seien Tatsachenbehauptungen zwar nicht nur dann, wenn sie inhaltlich falsch seien, sondern auch in Fällen, in denen der Wähler über den Urheber einer Äußerung im Wahlkampf getäuscht werde; denn die Bewertung einer solchen Äußerung hänge entscheidend auch davon ab, von wem sie stamme. Der Zeuge U. sei jedoch in rechtlicher Hinsicht als Urheber des mit seinem Namen unterzeichneten Leserbriefs anzusehen. Die Beweisaufnahme habe zwar ergeben, dass der Beigeladene zu 1 einen erheblichen Beitrag an der Entstehung und am Inhalt des Leserbriefs habe, der Zeuge U. habe sich den Inhalt des Briefs jedoch vollständig zu eigen gemacht. Er habe nämlich ein persönliches Interesse daran gehabt, dem seiner Auffassung nach durch den Bericht entstandenen falschen Anschein, die Gewerbetreibenden insgesamt und auch er als der Vereinsvorsitzende sei dem amtierenden Bürgermeister gegenüber kritisch eingestellt, durch eine eigene veröffentlichte Stellungnahme entgegenzutreten. Des Weiteren habe der Zeuge U. den aus dem Rathaus stammenden Entwurf nicht unbesehen übernommen, sondern um eigene Passagen ergänzt. Da der Zeuge U. somit als Urheber des Leserbriefs anzusehen sei, liege allein darin, dass ohne ein Eingreifen des Beigeladenen zu 1 der Leserbrief vermutlich mit anderem Wortlaut, möglicherweise aber auch gar nicht, erschienen wäre, keine rechtserhebliche Täuschung des Wählers. Etwas anderes ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1 den Entwurf für den Leserbrief durch eine Angestellte des Rathauses habe schreiben und mailen lassen. Es spreche vieles dafür, dass eine unparteiische Amtsführung es gebiete, Einrichtungen und Bedienstete der Gemeindeverwaltung nicht für Wahlpropaganda zu verwenden. Ein Textbeitrag von sechs Zeilen, der von der Angestellten zudem lediglich nach Diktat geschrieben, nicht aber entworfen worden sei, reiche dafür jedenfalls nicht aus, da einem derart geringen Beitrag die Eignung dafür fehle, die Wahl zu beeinflussen.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 07.03.2007 - 1 S 182/07 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen, wonach der Zeuge U. als Unterzeichner des Leserbriefs lediglich vorgeschoben worden sei und die Wähler dadurch über den wahren Urheber getäuscht worden seien. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1 habe den Leserbrief initiiert, der Zeuge U. habe den per E-Mail übermittelten Entwurf in zentralen Aussagen übernommen, so dass amtliche Stellen bei der Veröffentlichung eine ausschlaggebende Rolle gespielt hätten. Es reiche nicht aus, dass der Zeuge U. bekräftigt habe, dass es sein Leserbrief gewesen sei und er inhaltlich voll dahinter stehe; eine formale Autorenschaft genüge nicht. Schließlich gehe es nicht an, den unzulässigen amtlichen Einfluss des Bürgermeisters angesichts des knappen Wahlergebnisses zu verharmlosen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
26 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Er trägt vor: Zutreffend sei im angefochtenen Urteil festgestellt worden, dass der Zeuge U. „wahrer Urheber“ des Leserbriefs gewesen sei; er habe dessen Inhalt und Form selbst verantwortet. Im Übrigen komme es nicht darauf an, wer der geistige Urheber eines Leserbriefs im Wahlkampf sei; entscheidend sei allein, wer durch seine Unterschrift die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Text dokumentiere und damit die inhaltliche Verantwortung für das Druckwerk gegenüber der Öffentlichkeit und der Wählerschaft übernehme. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht sei rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie in den öffentlichen Raum hineinwirke und zu einer Beeinflussung des Wählerwillens führen könne. Demgegenüber seien Verstöße, die rein verwaltungsintern blieben und keine Auswirkungen auf den Wählerwillen haben könnten, irrelevant. Außerdem müssten die Verstöße von solchem Gewicht sein, dass eine unzulässige Beeinflussung des Wahlergebnisses durch sie möglich sei. Dies habe das angefochtene Urteil bezüglich des völlig untergeordneten Beitrags der Zeugin F. zutreffend verneint.
29 
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
30 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 2006 - 2 K 1555/06 - zu ändern, den Einspruchsbescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 3. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen vom 2. Juli 2006 für ungültig zu erklären.
31 
Sie trägt vor: Der Beigeladene zu 1 habe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Leserbriefs Gemeindebedienstete für seine Wahlkampfzwecke eingesetzt und dadurch unter Verletzung der ihm insoweit obliegenden Neutralitätspflicht eine gesetzeswidrige Wahlbeeinflussung begangen. Angesichts des knappen Stimmenvorsprungs des Beigeladenen zu 1 sei auch anzunehmen, dass dieser Wahlfehler Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben könnte.
32 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin F.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
33 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftsatz des Beigeladenen zu 1 vom 15.05.2007 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
34 
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in Kappel-Grafenhausen vom 02.07.2006 für ungültig erklärt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn im Prüfungsrahmen der fristgerecht vorgebrachten Einspruchsgründe kann festgestellt werden, dass eine andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG vorliegt, die auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
35 
1. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat gemäß § 130b Satz 2 VwGO verweist, hat das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt, dass der vom Kläger in seinem Einspruch an erster Stelle gerügte Wahlfehler einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch den Zeugen U. nicht vorliegt.
36 
2. Mit der Rüge, in dem vom Zeugen U. unterzeichneten Leserbrief liege eine gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoßende Täuschung über die Autorenschaft, kann der Kläger ebenso wenig durchdringen.
37 
Der Zeuge U. hat seine Unterschrift freiwillig und ohne Zwang unter den Leserbrief gesetzt. Allein darauf kommt es an. Unbeachtlich ist, in welchem Umfang der Zeuge hierzu eigene Beiträge geliefert hat. Denn auch dem Amtsinhaber, der eine Wiederwahl anstrebt, ist es wie jedem Wahlbewerber unbenommen, im Wahlkampf eine Unterstützungskampagne zu initiieren und dabei den Unterstützern auch „die Feder zu führen“. Aus welchen Gründen der Unterstützer öffentlich zu Gunsten des Bewerbers Partei ergreift, ist grundsätzlich irrelevant (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 08.07.1966 - VII 192.64 -, BVerwGE 24, 315 <319 f.>, Urteil vom 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, BVerwGE 118, 101 <107 f.>); die Grenze einer noch zulässigen Motivation dürfte allerdings dann überschritten sein, wenn - wie hier nicht gegeben - der Unterstützer sich vom Bewerber bezahlen ließe.
38 
3. Zum Erfolg der Klage führt indessen die Rüge einer Verletzung der Neutralitätspflicht seitens des Beigeladenen zu 1 durch die Nutzung dienstlicher Mittel zu Wahlkampfzwecken.
39 
a) Ein solcher Wahlfehler ist entgegen der vom Beigeladenen zu 1 auch im Berufungsverfahren geäußerten Zweifel im fristgerecht eingereichten Einspruchsschreiben gerügt worden. Mit dem Vorbringen, der Leserbrief des Zeugen U. sei im Rathaus geschrieben und vom Bürgermeister diktiert worden, hat der Kläger neben dem ausdrücklich genannten Wahlfehler einer - vermeintlichen - Neutralitätspflichtverletzung durch den Zeugen U. auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1 der Sache nach mit hinreichender Deutlichkeit zur Überprüfung gestellt. Es reicht aus, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben soll, hinreichend konkretisiert wird; der Wahlfehler muss nicht ausdrücklich benannt und unter die Vorschrift des § 32 Abs. 1 KomWG subsumiert werden.
40 
b) Diese Rüge gibt Anlass zu einer inhaltlichen Prüfung; davon sind bezogen auf den unmittelbar beschriebenen Vorgang sowohl die Wahlprüfungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt aus Sinn und Zweck der im Sinne einer materiellen Präklusionsvorschrift verstandenen Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG über die Einspruchsfrist, dass der Einsprechende auch im gerichtlichen Verfahren nur mit solchen Wahlanfechtungsgründen gehört werden kann, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fristgerecht hinreichend konkretisiert worden sind. Daraus folgt indessen nicht, dass hier etwa die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs substantiiert und detailliert darzulegen wären; damit wäre der Einsprechende jedenfalls bei Vorgängen, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen, in aller Regel überfordert. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass - lediglich - Beanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <162 f.> m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.08.1993 - 2 BvR 1858/92 -, DVBl 1994, 41 <42>). Eine solche nachprüfbare Tatsachenbehauptung, die auf den Wahlfehler einer anderen gegen das Gesetz verstoßenden Wahlbeeinflussung i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 KomWG führt, steht hier in Rede. Soweit der Senat eine Konkretisierung auch in rechtlicher Hinsicht verlangt, bezieht sich dies in erster Linie auf die Situation, in der über das reine Wahlverfahren und die ordnungsgemäße Anwendung der Wahlvorschriften hinaus auch die Rechtsgrundlagen der Wahl als solche - im Wege einer inzidenten Normenkontrolle - zum Gegenstand der Wahlanfechtung gemacht werden (vgl. hierzu Beschluss des erk. Senats vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, VBlBW 1987, 420; Urteil des erk. Senats vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411). Dann ist auch die Aufarbeitung der aufgeworfenen Rechtsfragen gefordert (vgl. zuletzt Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 19/06 -).
41 
c) Die hiernach gebotene Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, die den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert, steht einer Bewertung aller Vorgänge im Zusammenhang mit den am 01.07.2006 in der BZ erschienenen Leserbriefen nicht entgegen.
42 
In § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausdrücklich normiert ist lediglich der Ausschluss weiterer Anfechtungsgründe. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsgründe ist indessen nicht gegeben, wenn der Vorwurf einer gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung nicht allein auf die Verwendung dienstlicher Mittel bei der Unterstützung eines, sondern mehrerer Leserbriefschreiber gestützt werden soll.
43 
Auch aus dem Gebot der Konkretisierung der Fehlertatbestände schon im fristgebundenen Einspruchsschreiben folgt nicht, dass die Prüfung auf den Leserbrief des Zeugen U. beschränkt ist und die anderen Leserbriefe ausgeblendet werden müssen. Zwar dürfen im Rahmen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes weitere Tatsachen grundsätzlich nicht vorgebracht werden; lediglich die Ergänzung und Erläuterung des schon vorliegenden Sachvortrags bleibt möglich (vgl. Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1989, § 31 Rdnr. 50 f.). Die danach vorzunehmende Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung kann jedoch nicht allein danach vorgenommen werden, ob die Vorgänge logisch („denkgesetzlich“) trennbar sind oder nicht. Vielmehr ist eine wertende Betrachtungsweise angezeigt. Handelt es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, so dass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten.
44 
Diese Rechtsauffassung steht dem Zweck der Präklusion nicht entgegen. Sie dient dem Interesse, möglichst bald Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit funktionsfähige Gemeindeorgane zu erhalten (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, ESVGH 42, 161 <163>). Eine beachtliche Verzögerung des Wahlanfechtungsverfahrens ist aber bei einem einheitlichen Sachverhalt nicht zu befürchten, da der enge Zusammenhang der Sachverhaltselemente dazu führt, dass schon die Sachverhaltsermittlung keinesfalls trennscharf erfolgen kann. Gerade vor diesem Hintergrund kommt der beschränkten Ausweitung des Prüfungsrahmens schließlich auch eine Befriedigungswirkung zu.
45 
d) Der folglich insgesamt der gerichtlichen Prüfung unterliegende Sachverhaltskomplex der Umstände des Entstehens und der Veröffentlichung der am 01.07.2006 in der BZ zur Bürgermeisterwahl erschienenen Leserbriefe stellt sich als eine inhaltlich und organisatorisch maßgeblich vom Beigeladenen zu 1 gesteuerte „Kampagne“ dar, mit deren Hilfe dieser - zusammen mit der hier mangels einer diesbezüglichen Rüge irrelevanten „Gegendarstellung“ - versucht hat, dem seiner Ansicht nach unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, den der am 30.06.2006 erschienene Zeitungsbericht über die Wahlkampfveranstaltung eines Gegenkandidaten mit Gewerbetreibenden vermitteln konnte. Diese Einschätzung stützt sich auf die glaubhaften Einlassungen der Zeugin F., denen auch der Beigeladene zu 1 letztlich nicht widersprochen hat. Die Zeugin hat, wie bereits vor dem Verwaltungsgericht, bekundet, dass sie am 30.06.2006, als sie von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr im Vorzimmer des Beigeladenen zu 1 tätig war, fast nur mit dem Verfassen, Schreiben und Versenden von Leserbriefen und entsprechenden Entwürfen sowie der Vermittlung von telefonischen Kontakten mit (potenziellen) Leserbriefschreibern beschäftigt war.
46 
Durch den Einsatz persönlicher und sächlicher Mittel der Gemeindeverwaltung für seinen Wahlkampf hat der Beigeladene zu 1 nicht nur gegen seine Dienstpflichten als Bürgermeister und Leiter der Gemeindeverwaltung, sondern zugleich gegen das Recht seiner Mitbewerber auf Chancengleichheit verstoßen. Denn dieses Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen und dabei gegen die ihnen zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung verstoßen (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 07.11.1983 - 1 S 1311/83 -, EKBW, KomWG § 32 E 35; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, BVerwGE 104, 323 <326 f.>). Der Beigeladene zu 1 war gehalten, zwischen seiner Funktion als Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Es war ihm verwehrt, sein Wahlkampfbüro in seinen Diensträumen zu unterhalten und für diese Zwecke auf Kosten der Gemeinde Gemeindebedienstete einzusetzen. Wie hier die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind und ob eine trennscharfe Abgrenzung in Randbereichen möglich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Auch geht es hier nicht darum, wie die zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Wahlkampfzeiten entwickelten Grundsätze auf die kommunale Ebene zu übertragen sind. Denn im vorliegenden Zusammenhang der „Leserbriefkampagne“ handelte der Beigeladene zu 1 nur als Wahlkämpfer, während er als Amtsträger nicht in Erscheinung trat und dies auch gar nicht wollte.
47 
Für die Bewertung als Wahlfehler von Bedeutung sind indessen nur Vorgänge, denen eine (Außen-)Wirkung auf den Wahlkampf zukommt, indem mit ihrer Hilfe auf die Meinungsbildung der Wählerschaft eingewirkt werden soll. Deswegen sind die „auf Vorrat“ geschriebenen Leserbriefe, die letztlich keine Verwendung gefunden haben, insoweit unbeachtlich. Auf drei der vier in der BZ veröffentlichten Leserbriefe hat der Beigeladene jedoch in unterschiedlichem Umfang, wegen der Nutzung dienstlicher Mittel aber immer in unzulässiger Weise Einfluss genommen. Der Leserbrief des Zeugen U. ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Zeugen und dem Beigeladenen zu 1; hierzu hat der Beigeladene zu 1 einen Entwurf beigesteuert, den er der Zeugin diktiert hatte. Der Leserbrief von ... E. ist ebenso wie derjenige von Herrn O. auf eine Anregung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen. Zwar hat der Beigeladene zu 1 für den nur wenige Zeilen umfassenden Leserbrief von Herrn O. jedenfalls schriftlich keine Vorlage geliefert; gleichwohl bleibt auch diese Veröffentlichung Teil der vom Beigeladenen zu 1 mit unerlaubten Mitteln geführten Kampagne. Der Beitrag des Beigeladenen zu 1 zum Leserbrief von ... E. hat sich in einer Bitte um diese besondere Form des öffentlichen Beistands nicht erschöpft. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 den Verfasser insoweit unterstützt, als er die Zeugin den Entwurf nach dem Diktat des Verfassers hat schreiben und diesem sodann hat zufaxen lassen. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Leserbrief nach den schriftlichen Einlassungen von ... E. von der BZ auch redaktionell überarbeitet worden ist; denn Grundlage dieser Leserbriefveröffentlichung war das mit „technischer“ Hilfestellung durch die Zeugin verfasste Schreiben.
48 
Die hiernach vorliegende gesetzwidrige Wahlbeeinflussung war auch für das Wahlergebnis relevant. Der vom Gesetz geforderte mögliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur dann gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, ESVGH 47, 130 <134> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1997 - 8 B 92.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 46). Angesichts der äußerst knappen Entscheidung, bei der der Beigeladene zu 1 die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, die ihm einen zweiten Wahlgang erspart hat, um nur neun Stimmen übertroffen hat, ist die Ergebnisrelevanz gegeben. Denn es erscheint nicht fernliegend, dass diese letzte Wahlkampfauseinandersetzung und ihre pressemäßige Begleitung samt der Resonanz durch Leserbriefe jedenfalls für eine bestimmte Anzahl von Wählern von maßgeblicher Bedeutung war. Auch der Beigeladene zu 1 hat auf eine solche Möglichkeit einer letztlich wahlentscheidenden Beeinflussung abgestellt, indem er gerade auch einen ortsansässigen Allgemeinarzt, dem er ein besonderes Ansehen in der Wählerschaft zugeschrieben hat, zum Verfassen eines Leserbriefs bewegt hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
50 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
51 
Beschluss
vom 15. Mai 2007
52 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
53 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. März 2007 - 6 K 3230/06 - geändert.

Der Streitwert für das Verfahren im ersten Rechtszug wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde ist zulässig (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG)
und begründet.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung entspricht dem Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte, um die Bedeutung der Sache nach dem Klageantrag in einem Geldbetrag auszudrücken, ist der Streitwert nach § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festzusetzen (sog. Auffangwert).
Gegenstand des Klageverfahrens war das Begehren des Klägers auf Ungültigerklärung der Wahl des Bürgermeisters seiner Gemeinde. Der Kläger war bei der Bürgermeisterwahl als Mitbewerber aufgetreten und hatte Einspruch gegen die Wahl erhoben. Das Verwaltungsgericht hat für das erstinstanzliche Verfahren den Streitwert in Anlehnung an den Streitwertkatalog 2004, Ziff. 22.1.3, auf 7.500,-- EUR festgesetzt. Dieser sieht für die Anfechtung der Kommunalwahl durch Bürger den Auffangwert von 5.000,-- EUR vor (vgl. 22.1.1), für die Anfechtung durch eine Partei oder Wählergemeinschaft einen Streitwert von mindestens 15.000,-- EUR (vgl. 22.1.2) und für die Anfechtung durch einen Wahlbewerber mindestens 7.500,-- EUR (vgl. 22.1.3). Diesen differenzierenden Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2004 folgt der Senat nicht. Vielmehr entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, bei Wahlanfechtungssachen grundsätzlich den sog. Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG anzunehmen, da der Sach- und Streitstand für eine anderweitige Bestimmung des Streitwerts regelmäßig keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Das gilt auch für die Wahlanfechtungsklage eines unterlegenen Wahlbewerbers. Denn auch in diesem Falle findet die Wahlprüfung vorwiegend im öffentlichen Interesse an der Einhaltung wahlrechtlicher Vorschriften statt. Demgegenüber tritt das private Interesse eines Wahlbewerbers am Ausgang der Wahl zurück (so auch Bay. VGH, Beschluss vom 03.06.1998 - 4 C 97.1473 -, juris und Beschluss vom 25.07.1996 - 4 C 96.1922 -, NVwZ-RR 1997, 755 f.).
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.