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| Die Klage ist zulässig und begründet. |
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| Der Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 12.07.2013 wird aufgehoben und das beklagte Land wird verpflichtet, die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Malsch vom 09.06.2013 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 VwGO). |
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| Die Klage ist nach § 31 Abs. 3 Kommunalwahlgesetz i.d.F. vom 01.09.1983 (GBL. S. 429) - KomWG - als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Sie ist auch begründet. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. In allen Fällen können gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Die Voraussetzung des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG ist hinsichtlich der drei geltend gemachten Wahlanfechtungsgründe gegeben. |
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| Es bedarf keiner Entscheidung, ob die vom Beigeladenen zu 1 im Amtsblatt und im redaktionellen Teil des Gemeindeanzeigers Malsch veröffentlichten Artikel eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung darstellen. Denn es ist eine wesentliche Vorschrift über die Wahlhandlung verletzt, weil in einem von 14 Wahlbezirken, im Wahlbezirk Sulzbach, dadurch gegen das Wahlgeheimnis verstoßen wurde, dass die Möglich bestand, die Wahlhandlung im Nebenraum zu beobachten (1). Dieser Verstoß konnte das Ergebnis der Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 beeinflussen (2). Er hat die Aufhebung der gesamten Wahl zur Folge (3). |
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| Zu den wesentlichen Vorschriften über die Wahlhandlung gehören diejenigen, die die Verwirklichung der tragenden Grundsätze des Wahlrechts, die freie und geheime Wahl sichern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968 - I 652/67 - ESVGH 19, 159 ff., 160). Wesentlich sind u.a. die Vorschriften, die die tragenden Grundsätze des Wahlrechts, nämlich die allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahl sichern sollen (vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 S. 1 LVerf, § 26 Abs. 1 GemO; s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.01.1997 - 1 S 1741/96 - ESVGH 47, 130 ff. m.w.N.). Die Geheimheit der Wahl stellt den wichtigsten institutionellen Schutz der Wahlfreiheit dar, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für die demokratische Legitimation der Gewählten ist (BVerfG, Beschl. v. 16.07.1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1 ff., 13 m.w.N.). Die geheime Wahl steht in engem Zusammenhang mit der freien Wahl und soll eine unbeeinflusste Stimmabgabe garantieren. Sie erfordert deshalb eine technische Gestaltung des Wahlvorganges, die es unmöglich macht, die Wahlentscheidung eines Wählers zu erkennen oder zu rekonstruieren. Dies sollen u.a. die Vorschriften über die Ausstattung der Wahlräume sicherstellen. Die Abschirmungsvorrichtungen müssen deshalb so beschaffen sein, dass niemand beobachten kann, wie die Stimmzettel ausgefüllt und in den Umschlag gesteckt werden, und dass auch der Wahlberechtigte sicher sein muss, nicht daraufhin beobachtet zu werden, ob er auf seinem Stimmzettel schreibt, streicht oder ankreuzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160 zu § 20 Abs. 2 KomWO a.F.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.03.1990 - 10 M 5/90 - m.w.N.). Die Vorschriften des KomWG und der Kommunalwahlordnung - KomWO - verlangen nicht, Wahlkabinen bzw. -zellen einzurichten, auch Nebenräume sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nach § 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 1 KomWO sind in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einzurichten, in denen der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und in den Stimmzettelumschlag legen oder im Fall der Bürgermeisterwahl falten kann. Die Wahlzellen müssen vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden können. Als Wahlzelle kann auch ein nur durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum dienen, wenn dessen Eingang vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden kann. Ausreichend ist hiernach ein durch den Wahlraum zugänglicher Nebenraum (§ 17 KomWG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO). |
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| Der Nebenraum muss wie Abschirmungseinrichtungen so gestaltet sein, dass die Grundsätze der geheimen Wahl gewährleistet sind. Diese sind dann nicht gewahrt, wenn der Wahlberechtigte auf Grund der konkreten örtlichen Verhältnisse nicht sicher sein kann, bei der Ausübung des Stimmrechts beobachtet zu werden; d.h. es ist entscheidend, ob das behauptete subjektive Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten nach den Umständen des Einzelfalles objektiv gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn bei der Wahl beobachtet werden konnte, ob der Wahlberechtigte den Stimmzettel veränderte (schrieb, strich oder kreuzte) oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckte (VGH Bad.-Württ., Urt. v.08.04.1968, a.a.O., 160; vgl. auch Kunze/Merk/Quecke, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. § 17 Rn. 4; vgl. auch LAG Düsseldorf, Beschl. v. 03.08.2007 - 9 TaBV 41/07 - unter Hinweis auf OVG NRW, Beschl. v. 22.10.1979 zu § 16 LPVG NW; s. auch Hess. VGH, Fachsenat für Personalvertretungssachen, Beschl. v. 29.01.1986 - HPV TL 1436/85 - zu § 16 Abs. 1 bis 3 WO-HPVG). Der Wahlberechtigte ist nämlich nur dann in der Lage, wirklich frei zu wählen, wenn er sicher sein kann, bei der Stimmabgabe nicht beobachtet zu werden. Denn das Wahlgeheimnis soll, wie bereits ausgeführt, eine freie und unbeeinflusste Stimmabgabe gewährleisten. Deshalb ist der Grundsatz der geheimen Wahl nicht erst dann verletzt, wenn es möglich gewesen ist zu beobachten, welchem Kandidaten ein Wahlberechtigter die Stimme gegeben hat, und feststellbar ist, ob tatsächlich jemand beobachtet hat, sondern schon dann, wenn sich der Wahlberechtigte nicht unbeobachtet gefühlt hat und es möglich gewesen ist zu sehen, was er mit dem Stimmzettel gemacht hat: ob er ihn verändert oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag gesteckt hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.04.1968, a.a.O.). Rechtlich ohne Bedeutung ist, wie bei früheren Wahlen in Sulzbach gewählt worden ist. |
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| Aufgrund der bei Einnahme des Augenscheins in den Wahl- und Nebenraum im Wahlbezirk Sulzbach getroffenen Feststellungen und des dabei gewonnenen Eindrucks des erkennenden Gerichts von den Örtlichkeiten und dem Ablauf der Wahlhandlungen war das Wahlgeheimnis im Wahlbezirk Sulzbach bei der Bürgermeisterwahl am 09.06.2013 nicht gewährleistet, weil aufgrund objektiver Gegebenheiten die Möglichkeit bestand, die Wahlhandlung zu beobachten. Im Wahllokal in Sulzbach war ein nur vom Wahlraum aus zugänglicher Nebenraum für die Vornahme der Wahlhandlung eingerichtet. In diesem stand ein ca. 40 bis 50 cm von der offenen und ca. 90 cm breiten Eingangstür entfernter kleiner Wahltisch (ca. 65 cm x 65 cm) ohne Sichtschutzblende und ohne sonstige Abschirmung. Vor dem Wahltisch war ein ca. 80 cm hoher Stuhl mit einer ca. 45 cm breiten Rückenlehne bereitgestellt, an dem der Wähler mit dem Rücken zum Wahlraum Platz nehmen konnte. Hinter dem Wahltisch war ein breiter Schreibtisch. Die Tür zum Nebenraum war während der Wahl offen. |
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| Nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Beteiligten und den Erläuterungen des bei Einnahme des Augenscheins anwesend gewesenen Wahlvorstehers und seines Stellvertreters standen die wartenden Wähler im Wahlraum, dem Vorraum zum Nebenraum, entweder vor der dort in der Mitte des Vor- bzw. Wahlraumes befindlichen schmalen Säule oder, wenn mehrere Personen warten mussten, dahinter, in Höhe des Tisches des Beisitzers, an dem der Wähler die Wahlunterlagen erhielt. Dies bestätigten mehrere in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeugen. Je nachdem, wie groß die Zahl der wartenden Wähler im Wahlraum war, saßen wartende Wähler den Angaben des Wahlvorstandes zufolge auch links und rechts der Eingangstür zum Wahlraum. Der Abstand von der Säule bis zur Türschwelle zum Nebenraum beträgt nach den Feststellungen des Gerichts ca. 2,80 m, der von der Türschwelle bis zum Stuhl am Wahltisch im Nebenraum ca. 50 cm, bis zum Wahltisch verbleibt eine Stuhltiefe von etwa 50 cm. Der unmittelbar vor der Säule wartende Wähler war demnach höchstens ca. 3,80 m entfernt vom Wähler im Nebenraum. Eine hinter der Säule wartende Person war mehr als 3,80 m entfernt. Die weiteren von wartenden Wählern eingenommenen Positionen waren bis zu ca. 5 m vom Wähler im Nebenraum entfernt. Von allen aufgezeigten Positionen der Wartenden aus war der mit dem Rücken zum Wahlraum am Wahltisch sitzende oder stehende Wähler im Nebenraum durch die ca. 90 cm breite Türöffnung nach den Feststellungen des Gerichts gut sichtbar; erkennbar war dessen ganzer Körper oder eine Körperhälfte. Die vor der Säule wartenden Wähler konnten den Wähler im Nebenraum in der im Regelfall eingenommenen Sitzposition von seiner Rückseite sehen. Ebenfalls sichtbar war ein Wähler im Nebenraum für denjenigen, der nach ein oder zwei in den Wahlraum gesetzten Schritten stehen blieb, weil beispielsweise bereits mehrere Personen im Raum waren, was realistisch ist. Von dieser Position aus konnte jedenfalls die rechte Körperseite des Wählers im Nebenraum gesehen werden, was ausreichend ist, um bei einem Rechtshänder die Bewegung des rechten Armes oder die der Hand nachvollziehen zu können. Einsehbar war der Bereich im Nebenraum, an dem die Wahlhandlung vorgenommen wurde, zumindest teilweise auch von den links und rechts der Eingangstür sitzenden Personen. |
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| Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass bei einem mit dem Rücken zu den wartenden Wählern sitzenden oder stehenden Wähler anhand seiner Körperhaltung und -bewegung beobachtet und rekonstruiert werden kann, ob der Wähler den Stimmzettel verändert, ob er schreibt, streicht oder kreuzt oder ob er ihn unverändert in den Wahlumschlag steckt. Es kann zwar nicht gesehen werden, an welcher Stelle der Wähler ein Kreuz auf dem Stimmzettel macht, weil er dies mit seinem Rücken oder seinen Händen verdecken kann. Für einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist dies - wie dargelegt - auch nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein „Blick über die Schulter“ notwendig. Die Beobachtung der Wahlhandlung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der sitzende oder stehende Wähler mit dem Rücken zum einsehbaren Bereich die Wahlhandlung vornimmt. Denn die Bewegungen des Armes, mit dessen Hand er schreibt, streicht oder kreuzt sind in der Regel, auch wenn die Hand nicht gesehen werden kann, wahrnehmbar. Sie können isoliert oder zusammen mit Bewegungen des Oberkörpers bzw. der Schultern auf eine bestimmte Wahlhandlung schließen lassen. Bewegungen der Hand lassen ebenfalls Rückschlüsse auf das Wahlverhalten zu. Die 45 cm breite und ca. 80 cm hohe Stuhllehne vermochte diese Beobachtungsmöglichkeit nicht verhindern, weil eine Vielzahl von Menschen in sitzender Position größer als 80 cm ist. Unterlässt der Wähler jegliche Körperbewegung und nimmt er den bereitgelegten Schreibstift überhaupt nicht in die Hand, können ebenfalls Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung abgeleitet werden, auch wenn er nur von hinten gesehen werden kann. Bei einem neben oder vor dem bereitgestellten Stuhl stehenden Wähler können Körperbewegungen im Einzelfall, je nach Größe, Umfang und Bekleidung der Person, noch deutlicher erkennbar sein. |
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| Entgegen den Ausführungen des Vertreters der Beigeladenen zu 2 ist der Wähler nicht verpflichtet, sich beim Wahlvorgang so zu verhalten, dass seine Wahlhandlung anhand seiner Körperhaltung nicht beobachtet werden kann, z.B. indem er seine Körperhaltung so einrichtet, gegebenenfalls durch eine künstliche Haltung oder Bewegung, dass daraus keine Schlussfolgerungen auf seine Wahlhandlung gezogen werden können. Das Wahlgeheimnis verlangt nicht, dass der Wähler derartige Vorkehrungen zum Schutz des Wahlgeheimnisses trifft. Denn die Pflicht, eine Wahlzelle und einen Nebenraum nach den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 2 KomWO einzurichten, obliegt bei Wahlen nach § 1 KomWG den Gemeinden (§ 17 KomWG). Es liegt auf der Hand, dass vom Wähler auch nicht in rechtswirksamer Weise erwartet werden kann, dass er sich im Nebenraum eine vom Wahlraum aus nicht einsehbare Nische sucht, wie dies die Zeugin XXX nach ihren Bekundungen getan hat. Bei der Wahl am 09.06.2013 konnte die Eingangstür zum Nebenraum auch nicht von innen geschlossen werden, wie es nach der Aussage der Zeugin XXX bei früheren Wahlen in Sulzbach der Fall gewesen sei. Ob dies nach § 23 Abs. 2 KomWO zulässig und ausreichend ist, einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis zu verneinen, kann deshalb offen bleiben. |
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| Die hier entscheidungserhebliche Möglichkeit der Beobachtung und Rekonstruierbarkeit der Wahlhandlung infolge der Sicht auf den Wähler bzw. die Wahlhandlung im Nebenraum, war grundsätzlich aus einer Entfernung von ca. 3,30 m gegeben, ebenso bei einer darüber hinausgehenden Entfernung im Bereich zwischen 3,50 m bis 5,00 m. Sofern hiervon Einschränkungen für Sehbehinderte oder andere untypische Fallgestaltungen gemacht werden müssen, ist dies zu vernachlässigen. Die Möglichkeit der Sicht für die im Wahlraum wartenden Wähler in Richtung Nebenraum auf den Wahlvorgang war nur durch die schmale Säule eingeschränkt, am Wahltag zusätzlich zeitweise, nicht dauerhaft, durch Personen, die sich im Raum aufhielten, weil sie warteten oder nach ihrer Wahl weggingen und sich dabei noch einige Zeit im Wahlraum unterhielten. Im Übrigen gab es keine Sichtbehinderungen, etwa durch Abschirmungen im Wahlraum. Der Wahlraum hat nach den Feststellungen des Gerichts bei Einnahme des Augenscheins mehrere Fenster und ist ausreichend belichtet. Für den Wahltag gilt nichts anderes. Ob im Nebenraum die Vorhänge zur Jägerstraße hin geschlossen waren, also an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch, ist für die Möglichkeit der Wahrnehmung der Wahlbehandlung unbeachtlich. Der Nebenraum war nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts bei Einnahme des Augenscheins bei geschlossenen Vorhängen ausreichend belichtet, um einen Wähler sehen und eine Körperbewegung des Wählers beobachten zu können. An den Fenstern im Nebenraum zur Ettlinger Straße hin waren am 09.06.2013 unstreitig keine Vorhänge zugezogen. Wie bereits ausgeführt, vermochte die Rückenlehne des Stuhls am Wahltisch eine mögliche Nachvollziehbarkeit der Wahlhandlung nicht nennenswert schmälern. Aufgrund dieser eine Beobachtung der Wahlhandlung ermöglichenden objektiven Gegebenheiten kann keine Rede davon sein, dass es lediglich ein subjektives Unsicherheitsgefühl des Wahlberechtigten im Wahllokal in Sulzbach gegeben habe. |
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| Es kommt deshalb nicht darauf an, wie groß oder kurz der Abstand der im Wahlraum vor der Säule wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum war. Auf die unterschiedlichen Angaben der Beteiligten und Zeugen zum kürzesten Abstand der wartenden Personen zum Wähler im Nebenraum und darauf, worauf die unterschiedliche Einschätzung dieser Gegebenheiten beruhen kann, braucht das Gericht deshalb nicht weiter einzugehen. Ferner bedarf es keiner Entscheidung darüber, wie groß der Abstand des Wahlvorstands zum Nebenraum bzw. Wähler im Nebenraum war und welche Sitzposition er eingenommen hat und ob diese den Vorgaben des § 23 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 KomWO entsprach. Ebenfalls nicht geklärt zu werden braucht, ob die Vorhänge an den Fenstern gegenüber dem Wahltisch während der Wahl, sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum, offen oder zugezogen waren und, falls sie offen waren, ob der Wähler in der dargestellten Weise beobachtet werden konnte. Den diesbezüglichen unterschiedlichen Zeugenaussagen braucht nicht nachgegangen zu werden. |
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| Der Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist erheblich. Ein Wahlmangel führt dann zur Ungültigerklärung der Wahl, wenn deren "Ergebnis" dadurch beeinflusst werden konnte (vgl. § 32 Abs. 1 KomWG). Das Gesetz verlangt nicht einen tatsächlichen, sondern einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Dieser ist nur gegeben, wenn sich aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007 - 1 S 567/07 - VBlBW 2007, 377 f. m.w.N.). Von wesentlicher Bedeutung kann insbesondere sein, wie knapp oder wie eindeutig das mit dem Wahleinspruch konkret in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist. Da der Beigeladene zu 1 mit einer Stimmenmehrheit von 16 Stimmen die absolute Mehrheit erreicht hat, ist bei Bejahung eines Wahlfehlers nicht auszuschließen, dass dieser Wahlfehler das Ergebnis für die Gesamtwahl ausschlaggebend beeinflusst hat (s. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.0., zu 9 Stimmen bei absoluter Mehrheit). |
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| Obgleich der erhebliche Wahlfehler nur für einen von 14 Wahlbezirken feststellbar ist, war das beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 in vollem Umfang aufzuheben. Das erkennende Gericht übt sein ihm im Falle eines nur in einem Wahlbezirk vorgekommenen erheblichen Wahlfehlers durch § 33 KomWG eingeräumte Ermessen (Kunze/Merk/Quecke, a.a.O. § 33 Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.1958 - 3 K 49/58 - ESVGH 9, 92 ff., 94 zu §§ 27, 28 KomWG a.F.) dahin aus, dass es die Bürgermeisterwahl vom 09.06.2013 insgesamt für ungültig erachtet und nicht nur begrenzt auf den Wahlbezirk Sulzbach. Dabei hat es sein Ermessen daran orientiert, dass § 34 Abs. 1 Satz 5 KomWG eine Wiederholungswahl nur innerhalb von sechs Monaten zulässt (s. auch § 35 Abs. 1 Satz 2 1. und 2. Halbsatz KomWG) und dass diese Frist im vorliegenden Fall bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Wahl realistischerweise angesetzt werden kann, ohne Weiteres ausgeschöpft sein kann. Hintergrund dieser Frist ist, dass sich der Kreis der Wahlberechtigten nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten regelmäßig ändert, sei es durch Zu- oder Wegzug oder infolge des Erreichens des Alters für die Wahlberechtigung. Ein Zeitraum von sechs Monaten ist im Hinblick auf die §§ 34, 35 KomWG als Richtschnur für einen relevanten Wechsel der Wahlberechtigten zu qualifizieren, der anstatt einer Wiederholungswahl eine Neuwahl erforderlich macht. Im Hinblick auf diese zeitliche Komponente hat der VGH Baden-Württemberg zur Ermessensentscheidung über eine teilweise Ungültigkeit einer Wahl auf der Grundlage der §§ 27, 28 KomWG a.F., den Vorgängerregelungen zu §§ 33, 34 KomWG, ausgeführt, dass beachtliche Mängel des Wahlverfahrens in der Regel zur Ungültigerklärung der ganzen Wahl führen müssen und dass nur ausnahmsweise, wenn hierdurch keine ins Gewicht fallende Verfälschung des Wählerwillens zu besorgen ist, von der Möglichkeit einer teilweisen Ungültigkeitserklärung (§ 28 KomWG a.F.) Gebrauch gemacht werden darf. Denn eine teilweise Ungültigerklärung kann nur hingenommen werden, wenn einen Neuwahl in kurzem Abstand nach der für ungültig erklärten Wahl durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Verfahren wird ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen der Wahl am 09.06.2013 und einer neu anzusetzenden Wahl aller Voraussicht nach erreicht, jedenfalls erscheint dies naheliegend, wenn man neben den für eine Wahlausschreibung einzuhaltenden Anforderungen und Fristen (§§ 1, 20, 34, 35 KomWO) mitberücksichtigt, dass den Beteiligten nach Zustellung des Urteils eine Bedenkzeit bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zusteht, ob gegen das Urteil des erkennenden Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt wird. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3 Satz 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie mit ihren Anträgen ein Kostenrisiko eingegangen und unterlegen sind. |
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| Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die klärungsbedürftige Frage, ob das Wahlgeheimnis deshalb verletzt ist, weil der Nebenraum des Wahlraums i.S.d. § 23 Abs. 2 Satz 3 KomWO so eingerichtet ist, dass der mit dem Rücken zum Wahlraum unweit von der offenen Tür sitzende oder stehende Wähler von den im Wahlraum wartenden Wählern aus einer Entfernung von ca. 3,80 m bis ca. 5 m beobachtet werden kann. |
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| Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000.--festgesetzt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2007, a.a.O. und Beschl. v. 09.05.2007 - 1 S 984/07 -, ). |
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