Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 20. Aug. 2015 - 26 K 3451/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 0.0.1961 geborene Kläger steht seit dem 1. Juli 2011 als Beamter im gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten. Als Feuerwehrbeamter im Führungsdienst leistet der Kläger grundsätzlich Tagesdienst im Rahmen einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden innerhalb einer Fünf-Tage-Woche (montags bis freitags) gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen (AZVO NRW).
3Neben seinen regulär während dieser Arbeitszeiten anfallenden dienstlichen Aufgaben (Teamleitungsaufgaben, spezifische Sachgebietsaufgaben) nimmt der Kläger – wie auch die weiteren Beamten im gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten – im Einsatzfall die Aufgaben des Einsatzführungsdienstes (sog. B-Dienst) wahr. Diese Aufgaben entsprechen der Führungsstufe B gemäß der bundeseinheitlichen Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 (FwDV 100) mit dem Titel „Führung und Leitung im Einsatz – Führungssystem“, Ausgabe März 1999,
4in Nordrhein-Westfalen erstmals in Kraft gesetzt durch Runderlass des Innenministeriums vom 23. Dezember 1999 und aktuell weiter in Kraft durch Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 11. September 2012 - 73-52.06.04 -, MBI. NRW S. 635.
5Gemäß Ziffer 3.2.5 der FwDV 100 ergeben sich die Gliederung und die personelle Besetzung der Einsatzleitung fließend aus der Entwicklung des Schadens- bzw. Aufgabenumfanges, wobei es hierbei zweckmäßigerweise die folgenden vier Führungsstufen gibt:
6- 7
Führungsstufe A: “Führen ohne Führungseinheit”,
- 8
Führungsstufe B: “Führen mit örtlichen Führungseinheiten”,
- 9
Führungsstufe C: “Führen mit einer Führungsgruppe”,
- 10
Führungsstufe D: “Führen mit einer Führungsgruppe beziehungsweise mit einem Führungsstab”.
Die Führungsstufe A entspricht dabei dem geringstdenkbaren Schadens- bzw. Aufgabenumfang und kommt bei taktischen Einheiten bis zur Stärke von zwei Gruppen zum Einsatz. Bei darüber hinausgehender Einsatzstärke in Form eines kompletten Zuges oder Verbandes kommt die Führungsstufe B zum Tragen. Der Beamte des Einsatzführungsdienstes erfüllt in einem derartigen Einsatzfall die Aufgaben eines Einsatzleiters im Sinne von § 26 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG NRW).
12Um die Wahrnehmung der Aufgaben des Einsatzführungsdienstes (B-Dienstes) außerhalb der regulären Arbeitszeiten – insbesondere während der Abend- und Nachtstunden sowie der gesamten Wochenend- und Feiertage – sicherzustellen, ordnet die Beklagte durch Dienstpläne gegenüber dem Kläger im Wechsel mit den weiteren Beamten im gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst regelmäßig Rufbereitschaft an, und zwar je Beamten in der Regel ca. siebenmal pro Jahr über einen Zeitraum von jeweils sieben zusammenhängenden Tagen. Während einer derartigen Rufbereitschaftswoche versieht der Kläger seinen regulären Tagesdienst im Rahmen der 41-Stunden-Woche auf der Feuerwache und leistet nach jeweiligem Dienstende bis zum Dienstbeginn des nächsten Tages bzw. im Falle fehlenden Dienstes bis 7 Uhr des nächsten Tages Rufbereitschaft. An Wochenend- und Feiertagen beginnt die Rufbereitschaft um 7 Uhr und endet ebenfalls zum Dienstbeginn des nächsten Tages bzw. im Falle fehlenden Dienstes um 7 Uhr des nächsten Tages. Montags bis donnerstags beginnt die Rufbereitschaft damit regelmäßig um 16 Uhr, freitags um 11 bzw. 12 Uhr und samstags, sonntags und an Feiertagen um 7 Uhr, und endet in allen Fällen regelmäßig um 7 Uhr des nachfolgenden Tages.
13Die Rufbereitschaft beinhaltet, dass der Kläger über einen Funkmeldeempfänger ständig erreichbar ist und zudem Einsatzkleidung bereithält und ein von der Beklagten als seiner Dienstherrin zur Verfügung gestelltes Feuerwehrdienstfahrzeug in erreichbarer Entfernung mit sich führt, um im Falle einer Alarmierung unverzüglich mit dem Dienstfahrzeug mit Sonderwegerechten und unter Nutzung von Blaulicht und bedarfsweise Martinshorn zur jeweiligen Einsatzstelle im Stadtgebiet W. zu fahren und dort sodann Dienst in der Funktion eines Einsatzleiters zu leisten. Während der Rufbereitschaftszeiten darf sich der Kläger zuhause oder sonst außerhalb der Feuerwache aufhalten. Dabei wird von ihm zumindest erwartet, sich räumlich nicht so weit vom Stadtgebiet W. zu entfernen, dass die schnellstmögliche Erreichung einer möglichen Einsatzstelle nicht mehr gewährleistet wäre; ob über eine derartige unstreitige Erwartungshaltung der Beklagten als Dienstherrin hinaus sogar eine diesbezügliche ausdrückliche Dienstanweisung existiert(e), bleibt offen.
14Mit dieser dienstlichen Organisation des Einsatzführungsdienstes bei der freiwilligen Feuerwehr der Beklagten korrespondiert auch der – weiterhin aktuelle – Brandschutzbedarfsplan 2004 der Beklagten. Gemäß dessen Kapitel 5 zählt im Rahmen der Schutzzielfestlegung die Funktion des dem B-Dienst angehörigen Einsatzleiters zu den ersten zehn Funktionen (Einsatzkräften), die am Einsatzort sein müssen. Als Schutzziel enthält der Brandschutzbedarfsplan dabei die Festlegung, dass die ersten zehn Funktionen im Falle eines kritischen Wohnungsbrandes in einem Obergeschoss mit Menschenleben in Gefahr zur Menschenrettung nach einer Dispositionszeit von 1,5 Minuten in 90 % aller Fälle in acht Minuten am Einsatzort sein müssen.
15Mit Widerspruch vom 24. Oktober 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten u.a. die Anerkennung der im Rahmen des B-Dienstes geleisteten Rufbereitschaftszeiten als Arbeitszeit sowie die dementsprechende rückwirkende Bezahlung als Mehrarbeit.
16Am 21. Mai 2014 hat der Kläger Klage erhoben, nachdem die Beklagte diesen Antrag bis dahin nicht beschieden hatte.
17Der Kläger vertritt die Ansicht, bei den im Rahmen des B-Dienstes geleisteten Rufbereitschaftszeiten handele es sich nicht um Rufbereitschaft, sondern um Bereitschaftsdienst im Rechtssinne, woraus folge, dass diese Zeiten entgegen der bisherigen bei der Beklagten geübten Praxis der Arbeitszeit zuzurechnen und entsprechend zu vergüten seien. Dies folge insbesondere daraus, dass sämtliche Rufbereitschaftszeiten im Rahmen des B-Dienstes angesichts der Verpflichtung zur sofortigen und schnellstmöglichen Dienstaufnahme im Falle einer Alarmierung das Gepräge eines bloßen Wartens und Bereithaltens für einen Einsatz und damit für die Erbringung der vollen Arbeitsleistung hätten. Dabei erfolge zugleich eine faktische Aufenthaltsbestimmung durch die Beklagte als Dienstherrin durch die Vorgabe, sich räumlich nur innerhalb oder in der unmittelbaren Nähe der Stadt W. aufhalten zu dürfen, um im Einsatzfall den Einsatzort in der gemäß Brandschutzbedarfsplan vorgegebenen Zeit erreichen zu können.
18Da die von ihm abgeleisteten Rufbereitschaftszeiten entsprechend den Regeln der AZVO NRW bislang lediglich mit einem Achtel pro Stunde in Freizeit oder Geld ausgeglichen worden seien, stehe ihm die Differenz in Höhe von sieben Achteln pro Stunde in Freizeit oder Geld noch zu. Konkret bestehe ein Anspruch nicht in Freizeit, sondern in Geld, weil die Beklagte mögliche Freizeitausgleichsansprüche nicht binnen eines Jahres ohne Gefährdung der Einsatzbereitschaft der Feuerwehr erfüllen könne.
19Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
20die Beklagte zu verpflichten, ihm rückwirkend für im Zeitraum 1. August 2011 bis 30. April 2014 oberhalb einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden geleistete Zuvielarbeit einen Freizeitausgleich im Umfang von 2311 Stunden und 22 Minuten zu gewähren,
21hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihm einen finanziellen Ausgleich hierfür in Höhe von 42.156,75 EUR zu gewähren, und die Beklagte zu verurteilen, ihm bezogen auf diesen Betrag Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie steht auf dem Standpunkt, für die rechtliche Einordnung von Zeiten als Bereitschaftsdienst komme es neben der Frage, ob sich der Beamte an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten habe, wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen sei, auch darauf an, ob eine Einsatzalarmierung während solcher Zeiten die Regel und nicht die Ausnahme darstelle. Während der Rufbereitschaftszeiten des Klägers stelle sich die Einsatzalarmierung mit anschließender dienstlicher Inanspruchnahme als Ausnahme dar, weil er im klagegegenständlichen Zeitraum nur ca. einmal während eines Zeitraums von einer Woche in Anspruch genommen worden sei.
25Der Kläger des vorliegenden Verfahrens sowie die Kläger der Verfahren 26 K 3505/14 und 26 K 3720/14, die ebenso als Beamte im gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten stehen und Aufgaben des Einsatzführungsdienstes wahrnehmen, haben im gemeinsamen Erörterungstermin vom 24. Juli 2015 Angaben zu ihrer jeweiligen Alltagsgestaltung während der Rufbereitschaftszeiten gemacht. Wegen dieser Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll vom 24. Juli 2015 Bezug genommen.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und der Verfahren 26 K 3505/14 und 26 K 3720/14 sowie auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs des vorliegenden Verfahrens verwiesen.
27Entscheidungsgründe:
28Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung, weil der Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsmeinungen ausgetauscht sind.
29Die erhobene Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg; sie zwar als sog. Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch weder auf – mit dem Hauptantrag geltend gemachte – Gewährung von Freizeitausgleich im Umfang von 2311 Stunden und 22 Minuten noch auf einen – mit dem Hilfsantrag geltend gemachten – finanziellen Ausgleich in Höhe von 42.156,75 EUR.
30Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Freizeitausgleichsanspruch ergibt sich nicht aus § 61 Abs. 1 S. 2 Beamtengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG NRW), denn hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Rufbereitschaftszeiten fehlt es jedenfalls an der im Rahmen dieser Vorschrift erforderlichen Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit, weil die Rufbereitschaftszeiten lediglich durch Dienstpläne festgelegt wurden.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28/02 -, ZBR 2003, 383 ff. = juris, Rn. 13 ff.
32Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Freizeitausgleichsanspruch ergibt sich ebensowenig aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.
33Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Anspruch eines Beamten gegen seinen Dienstherrn auf zeitlichen Ausgleich nach Maßgabe der jeweiligen Vorschriften der Mehrarbeitsvergütungsverordnung (MVergV) dann, wenn der Dienstherr den Beamten über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus zum Dienst heranzieht, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind,
34vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28/02 -, a.a.O., juris, Rn. 19 ff.,
35oder wenn der Dienstherr den Beamten in rechtswidriger Weise über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus in Anspruch nimmt,
36vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 2 C 32/10 -, BVerwGE 140, 351 ff. = juris, Rn. 9.
37Ein derartiger Anspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben scheitert daran, dass es sich bei den vom Kläger geltend gemachten Rufbereitschaftszeiten weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht um Arbeitszeit handelt, so dass insoweit weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht eine rechtswidrige Heranziehung des Klägers zum Dienst über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bzw. über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus vorliegt.
38Bei den vom Kläger geltend gemachten Rufbereitschaftszeiten handelt es sich nicht um Arbeitszeit im nationalen dienstrechtlichen Sinne.
39Maßgeblich für die Frage der Einordnung dieser Rufbereitschaftszeiten als Arbeitszeit sind im Falle des Klägers die §§ 6 und 7 der AZVO NRW, wie sich aus deren § 1 bzw. aus § 7 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes im Lande Nordrhein-Westfalen (AZVOFeu NRW) ergibt.
40Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 AZVO NRW liegt Rufbereitschaft vor, wenn sich die Beamtin oder der Beamte auf Anordnung der oder des Dienstvorgesetzten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer der oder dem Dienstvorgesetzten anzuzeigenden Stelle aufhält, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Gemäß § 6 Abs. 2 AZVO NRW werden Zeiten einer Rufbereitschaft mit Ausnahme der Zeiten der Heranziehung zur Dienstleistung nicht auf die Arbeitszeit angerechnet (Satz 1), sondern innerhalb von zwölf Monaten zu einem Achtel bei fester Arbeitszeit als Freizeitausgleich gewährt und bei flexibler Arbeitszeit dem Stundenkonto gutgeschrieben, soweit nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen (Satz 2). In Abgrenzung zur Rufbereitschaft leisten gemäß § 7 S. 1 AZVO NRW Beamtinnen und Beamte, die sich auf Anordnung der oder des Dienstvorgesetzten an einer von der oder vom Dienstvorgesetzten bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, Bereitschaftsdienst.
41In Ergänzung der §§ 6, 7 AZVO NRW ist zur Abgrenzung zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft und damit zwischen Arbeitszeit und Nicht-Arbeitszeit die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts heranzuziehen. Nach dieser kommt es für die Abgrenzung des Bereitschaftsdienstes insbesondere von der Rufbereitschaft allein darauf an, ob der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat, wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 2 C 90/07 -, NVwZ-RR 2009, 525 ff. = juris, Rn. 14, mit vielen weiteren Nachweisen.
43Die Voraussetzung für die Qualifizierung als Bereitschaftsdienst und damit zugleich als Arbeitszeit, dass sich der Beamte an einem von seinem Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat, ist im Falle der hier in Rede stehenden Rufbereitschaftszeiten des Klägers nicht erfüllt. Die Beklagte als Dienstherrin des Klägers hat gerade keinen Ort außerhalb des Privatbereichs des Klägers bestimmt, an dem er sich während dieser Zeiten aufhalten müsste, sondern im Gegenteil war es dem Kläger gestattet bzw. wurde sogar als Regelfall angenommen, dass sich dieser zu Hause und damit in seinem privaten Bereich aufhält.
44Aus der – sei es in Form einer ausdrücklichen Dienstanweisung, sei es ungeschrieben im Rahmen der beamtenrechtlichen Treuepflicht – bestehenden Erwartung an den Kläger, sich während der Rufbereitschaftszeiten räumlich nicht so weit vom Stadtgebiet W. zu entfernen, dass die schnellstmögliche Erreichung einer möglichen Einsatzstelle nicht mehr gewährleistet wäre, ergibt sich nichts anderes, denn hierbei handelt es sich nicht um die Bestimmung eines Ortes außerhalb des Privatbereichs, an dem sich der Kläger während der Rufbereitschaftszeiten aufzuhalten hätte, sondern um eine Begrenzung des Radius, innerhalb dessen ein Aufenthalt des Klägers während der Rufbereitschaftszeiten erlaubt ist bzw. erwartet wird, der aber den Privatbereich des Klägers, insbesondere dessen Zuhause, einschließt.
45Auch aus dem Brandschutzbedarfsplan 2004 der Beklagten ergibt sich nichts anderes. Aus der Schutzzielfestlegung, dass die ersten zehn Funktionen (Einsatzkräfte), zu denen der Kläger während der Rufbereitschaftszeiten zählt, im Falle eines kritischen Wohnungsbrandes in einem Obergeschoss mit Menschenleben in Gefahr zur Menschenrettung nach einer Dispositionszeit von 1,5 Minuten in 90 % aller Fälle in acht Minuten am Einsatzort sein müssen, folgt keine individuelle dienstliche Verpflichtung des Klägers, im Falle einer Alarmierung innerhalb einer bestimmten Zeit am Einsatzort zu sein. Ungeachtet dessen, dass der Brandschutzbedarfsplan formalrechtlich nicht als an den Kläger gerichtete Dienstanweisung zu qualifizieren ist, wäre eine an den Kläger gerichtete Dienstanweisung, im Falle der Alarmierung während der Rufbereitschaftszeiten ausnahmslos innerhalb von acht Minuten an jedwedem denkbaren Einsatzort innerhalb des Stadtgebiets W. einzutreffen, analog § 275 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unbeachtlich, weil auf eine unmögliche Leistung gerichtet, denn selbst der Brandschutzbedarfsplan unterstellt nicht in 100 %, sondern nur in 90 % der Fälle ein Eintreffen am Einsatzort innerhalb von acht Minuten nach Alarmierung. Dienstlich erwartet werden kann vom Kläger lediglich, sich innerhalb eines bestimmten Radius um das Stadtgebiet W. aufzuhalten, innerhalb dessen prognostisch in der großen Mehrzahl der Fälle im Normalfall mit einem Erreichen des Einsatzortes innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu rechnen ist, und sich nach Alarmierung unverzüglich mit dem zur Verfügung gestellten Einsatzfahrzeug an den Einsatzort zu begeben, wobei die genaue Eintreffzeit dann von den Umständen des Einzelfalls wie exakte Entfernung des Einsatzortes vom aktuellen Aufenthaltsort sowie Wetterlage und Verkehrslage abhängt, auf die der Kläger keinen Einfluss hat. Eine dienstliche Verpflichtung ohne zeitliche Vorgabe sieht die erst nach dem klagegegenständlichen Zeitraum in Kraft getreten schriftliche Dienstanweisung der Freiwilligen Feuerwehr W. „Organisation des Einsatzführungsdienstes“ vom 13. März 2015 nunmehr auch ausdrücklich vor, indem es dort unter „Führungsstufe B (B Dienst)“ – „Eintreffzeit“ heißt: „unverzügliche Einsatzaufnahme“.
46Nichts anderes ergibt sich ferner daraus, dass vollkommen unabhängig von möglichen dienstlichen Anweisungen oder Vorgaben gemäß Brandschutzbedarfsplan allein schon aus der Natur („Berufskodex“ der Feuerwehr) und dem insoweit übereinstimmenden Verständnis des Einsatzführungsdienstes folgt, dass die Aufenthaltsmöglichkeiten des Klägers während der Bereitschaftsdienstzeiten innerhalb eines engen Radius um das Stadtgebiet W. herum begrenzt sind und im Falle der Alarmierung eine unverzügliche, sofortige Dienstaufnahme durch den Kläger erwartet wird,
47vgl. zu diesem Aspekt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2013 - 4 S 94/12 -, juris, Rn. 19,
48mit der Konsequenz, dass der Kläger während der Rufbereitschaftszeiten in seiner Freizeitgestaltung eingeschränkt ist. Dass die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung während der Zeiten einer Rufbereitschaft eingeschränkt sind, ist der Rufbereitschaft immanent. Inhalt jeglicher Rufbereitschaft ist es – auch bereits begrifflich –, dass sich der Beamte bereithält, um von seinem Dienstherrn abgerufen zu werden, was impliziert, dass der Beamte Vorkehrungen für den Fall eines solchen Abrufs zu treffen hat und deshalb nicht uneingeschränkt in seiner Freizeitgestaltung ist. Dies ergibt sich auch aus § 44 LBG NRW, der gesetzlichen Grundlage für die Anordnung von Rufbereitschaft. Nach dieser Vorschrift kann der Beamte, wenn besondere dienstliche Verhältnisse es dringend erfordern, angewiesen werden, sich während der dienstfreien Zeit erreichbar in der Nähe seines Dienstortes aufzuhalten. Damit kommt zugleich klar zum Ausdruck, dass eine Radiusbegrenzung jeglicher Rufbereitschaft immanent ist, denn ohne gewisse – im einzelnen von den jeweiligen „besonderen dienstlichen Verhältnissen“ abhängige – räumliche Nähe zum Dienstort ist eine Dienstaufnahme innerhalb von Zeiten einer Rufbereitschaft gar nicht möglich. Der Verweis auf die „besonderen dienstlichen Verhältnisse“ macht gerade deutlich, dass die Dringlichkeit der Dienstaufnahme im Einzelfall unterschiedlich gelagert sein kann. Dass bei einem Feuerwehrbeamten die Dringlichkeit für die dienstliche Inanspruchnahme während einer Rufbereitschaftszeit im Zweifel besonders hoch ist und deshalb eine größere Begrenzung des Aufenthaltsradius zu rechtfertigen vermag als bei manch anderem Rufbereitschaft leistendem Beamten, der im Falle der Dienstaufnahme während der Rufbereitschaftszeit weniger dringliche Aufgaben wahrzunehmen hat, liegt wiederum in der Natur der Sache. Das Gericht folgt deshalb nicht der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, nach der Rufbereitschaft zu verneinen ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, ohne dessen Aufenthaltsort konkret festzulegen, dadurch in der Wahl des Aufenthaltsorts beschränkt, dass er die Zeit zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit eng bestimmt (10 oder 20 Minuten) und dem Arbeitnehmer dadurch die Gestaltung seiner an sich arbeitsfreien Zeit faktisch entzieht,
49vgl. BAG, Urteile vom 19. Dezember 1991 - 6 AZR 592/89 -, NZA 1992, 560 f. = juris, und vom 31. Januar 2002 - 6 AZR 214/00 -, ZTR 2002, 432 = juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. September 2012 - 11 Sa 81/12 -, ZTR 2013, 19 = juris; LAG Köln, Urteil vom 13. August 2008 - 3 Sa 1453/07 -, ZTR 2009, 76 = juris; Hessisches LAG, Urteil vom 6. Oktober 2006 – 3 Sa 1439/05 -, juris; diesen Aspekt im Rahmen einer Gesamtschau heranziehend ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 -, juris.
50Abgesehen davon, dass arbeitsrechtliche Grundsätze wegen der Besonderheiten des beamtenrechtlichen Verhältnisses, insbesondere der beamtenrechtlichen Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn und dem Fehlen eines synallagmatischen Austauschverhältnisses, nicht uneingeschränkt auf das Beamtenrecht übertragbar sind, sieht das Gericht in der im vorliegenden Fall bestehenden Pflicht zur unverzüglichen, sofortigen Dienstaufnahme während der Rufbereitschaftszeiten auch keinen faktischen Entzug der dienstfreien Zeit, sondern lediglich eine Beschränkung der Möglichkeiten der Freizeitgestaltung währenddessen, die jedoch nicht derart gravierend ist, dass sie einem faktischen Entzug gleichkommt.
51Weil – wie ausgeführt – die Rufbereitschaft impliziert, dass der Beamte Vorkehrungen für den Fall eines Abrufs durch seinen Dienstherrn währenddessen zu treffen hat, sind Freizeitaktivitäten, die Verpflichtungen gegenüber Dritten enthalten, währenddessen von vornherein ausgeschlossen. Zu denken ist hier insbesondere an die Betreuung von Kindern, die während Rufbereitschaftszeiten – übrigens nicht nur für Rufbereitschaft leistende Feuerwehrbeamte wie den Kläger, sondern für sämtliche Rufbereitschaft leistende Beamte – nicht möglich ist, ohne dass eine andere Person unmittelbar zur Verfügung steht, um im Abruffall, mit dem jederzeit zu rechnen ist, die Betreuung fortzuführen. Jenseits derartiger ausgeschlossener Freizeitaktivitäten verbleibt jedoch – und hierin liegt der entscheidende Unterschied zu Bereitschaftsdienstzeiten, während derer der Dienstherr den Aufenthalt des Beamten außerhalb dessen Privatbereichs vorgibt – ein ausreichend großes Spektrum möglicher Freizeitaktivitäten, die von Rufbereitschaft leistenden Feuerwehrbeamten wie dem Kläger ausgeübt werden können. Als Kerninhalt möglicher Freizeitgestaltung sieht das Gericht insbesondere einen Aufenthalt zu Hause einschließlich der Möglichkeiten des schlichten (Aus-)Ruhens, der Durchführung entspannender Tätigkeiten und der Erledigung typischer alltäglicher Hausarbeiten an. All dies ist im Falle des Klägers gerade möglich. Auch außerhalb von Zuhause ist der Kläger zur Überzeugung des Gerichts unter Wahrung der zu beachtenden Radiusbegrenzung in zwar begrenztem, aber ausreichendem Maße in der Lage, seine Freizeit zu gestalten. Als mögliche Beispiele sind zu nennen etwa die Erledigung von Einkäufen, der Besuch kultureller oder sonstiger Veranstaltungen oder eigene sportliche Aktivitäten, sofern diese ortsgebunden in Reichweite des mitgeführten Dienstfahrzeuges durchgeführt werden. Soweit der Kläger im Erörterungstermin angegeben hat, er verzichte während der Rufbereitschaftszeiten auf seine übliche sportliche Betätigung in Form von Snooker, sieht das Gericht darin eine persönliche Entscheidung des Klägers, die angesichts der durch die Rufbereitschaft bestehenden Einschränkungen gerade nicht zwingend oder zumindest naheliegend ist, denn bei keinem der drei Kläger des vorliegenden Verfahrens, des Verfahrens 26 K 3505/14 und des Verfahrens 26 K 3720/14 erfolgte im streitgegenständlichen Zeitraum eine häufigere Alarmierung als durchschnittlich 1,28 mal pro Woche (Siebentageszeitraum). Der Kläger durfte deshalb das Risiko, während einer Snooker-Trainingseinheit alarmiert zu werden, als äußerst gering ansehen und musste sich nicht an deren Wahrnehmung gehindert sehen, sofern er sein Dienstfahrzeug in Reichweite abstellte. Gleiches gilt unter der Prämisse der Wahrung der Radiusbegrenzung für anderweitige Veranstaltungsbesuche oder Einkäufe. Sogar die Mitnahme von Familienangehörigen mit dem Dienstfahrzeug war dem Kläger nach übereinstimmenden Angaben von ihm und der Beklagten während der Rufbereitschaftszeiten gestattet und lediglich mit dem Risiko behaftet, dass die Familienangehörigen das Dienstfahrzeug im Falle eines Einsatzbefehls unverzüglich zu verlassen haben – ein Risiko, das das Gericht bei einem durchschnittlichen Einsatzbefehl von nur maximal 1,28 mal pro Woche als überschaubar und im Zeitalter der Mobiltelefonie, das es den Familienangehörigen in einem solchen seltenerweise denkbaren Fall ermöglicht, sofort ein Taxi herbeizurufen, fast vernachlässigenswert einstuft. Dementsprechend hat auch weder der Kläger des vorliegenden Verfahrens noch einer der beiden Kläger der Verfahren 26 K 3505/14 und 26 K 3720/14 vorgetragen, dass es jemals zu einem derartigen Vorfall gekommen sei.
52Soweit der Kläger darüber hinaus während der Rufbereitschaftszeiten Vorkehrungen für eine schnelle Einsatzfähigkeit getroffen hat, wie etwa – entsprechend dem Vortrag von ihm und den Klägern der Verfahren 26 K 3505/14 und 26 K 3720/14 im Erörterungstermin vom 24. Juli 2015 – in Form des Bereithaltens der Dienstkleidung während der Ruhezeiten direkt neben dem Bett oder in Form des vorsorglichen Entfernens des Schnees vom Einsatzfahrzeug und um das Einsatzfahrzeug herum im Falle von Schneefall im Winter nach gewissen Zeitabständen auch während der Nachtzeiten, um im Einsatzfall sofort losfahren zu können, handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts ungeachtet der Frage, inwieweit es sich hierbei um die Erfüllung dienstlicher Verpflichtungen oder um überobligatorische, dem „Berufskodex“ der Feuerwehr entwachsene Vorkehrungen handelte, nicht um Einschränkungen, die die grundsätzliche Möglichkeit für den Kläger, während dieser Zeiten in zumindest begrenztem Maße Ruhe und Entspannung zu finden und auch eigenen Freizeitaktivitäten nachzugehen, in entscheidendem Maße in Frage stellen. Diese Einschränkungen ändern nämlich nichts daran, dass während der Rufbereitschaftszeiten Möglichkeiten der Freizeitgestaltung bestehen, die für auf der Feuerwache Bereitschaftsdienst leistende Beamte nicht bestehen, was die qualitativ unterschiedliche Behandlung von Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst hinsichtlich der Frage der Zuordnung zur Arbeitszeit rechtfertigt.
53Selbst wenn man hinsichtlich der streitgegenständlichen Rufbereitschaftszeiten entgegen der hier vertretenen Ansicht das Vorliegen der Voraussetzung, dass sich der Beamte an einem von seinem Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat, bejaht, fehlt es an der Erfüllung der weiteren Voraussetzung für die Qualifizierung als Bereitschaftsdienst und damit als Arbeitszeit gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass währenddessen erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist.
54Letztere Voraussetzung ist nicht bereits dann erfüllt, wenn überhaupt jemals während der maßgeblichen Zeiten eine dienstliche Inanspruchnahme erfolgt, sondern hängt ab von der im Regelfall zu erwartende Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme während dieser Zeiten. Danach entscheidet sich, ob während dieser Zeiten typischerweise mit nennenswerten Einsätzen zu rechnen ist, die diesen das Gepräge eines Bereithaltens für einen jederzeit möglichen Einsatz geben, oder ob sich diese Zeiten bei wertender Betrachtung als Freizeit oder eine Form der Rufbereitschaft darstellen, die allenfalls sporadisch von Einsätzen unterbrochen wird.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 2 C 90/07 -, a.a.O., juris, Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2013 – 4 S 94/12 -, juris, Rn. 23.
56Die Rufbereitschaftszeiten des Klägers wurden im streitgegenständlichen Zeitraum allenfalls sporadisch von Einsätzen unterbrochen. Die dienstliche Inanspruchnahme des Klägers für Einsätze während der Rufbereitschaftszeiten stellte bei quantitativer Betrachtung nicht die Regel, sondern die Ausnahme dar, wie sich aus folgenden Zahlen ergibt – und worin ein entscheidender Unterschied zum Sachverhalt, der dem in Bezug genommenen Urteil des VGH Baden-Württemberg zugrundeliegt, besteht: Der Kläger leistete im Zeitraum 1. August 2011 bis 30. April 2014 insgesamt 139 Rufbereitschaftsdienste; ein einzelner Rufbereitschaftsdienst begann dabei entweder um 7 Uhr oder mit Ende des regulären Tagesdienstes des jeweiligen Tages und endete jeweils um 7 Uhr des nachfolgenden Tages. Innerhalb von 19 dieser 139 Rufbereitschaftsdienste kam es zu einem Einsatz des Klägers. Dies entspricht einer Quote von 14 %. Fasst man die Rufbereitschaftsdienste zu Rufbereitschaftswochen à sieben Tage zusammen, was der regelmäßigen Dienstplangestaltung entspricht, ergibt sich eine durchschnittliche Einsatzhäufigkeit von 0,96-mal, also knapp einmal pro Siebentage-Rufbereitschaftswoche. Hinzu kommt, dass auch das durchschnittliche zeitliche Maß der Inanspruchnahme pro Einsatz äußerst geringfügig war. Auf insgesamt aufgerundet 2567 vom Kläger geleistete Rufbereitschaftsstunden im vorgenannten Zeitraum entfielen lediglich aufgerundet 26 Einsatzstunden. Durchschnittlich kam es somit nur während 1 % der Rufbereitschaftsstunden zu Einsätzen.
57Bei den vom Kläger geltend gemachten Rufbereitschaftszeiten handelt es sich auch nicht um Arbeitszeit im unionsrechtlichen Sinne, woraus folgt, dass durch diese Zeiten keine einen Ausgleichsanspruch begründende Überschreitung der nach Art. 6 Buchst. b Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG, ABl. EG Nr. L 299 vom 18. November 2003 S. 9) höchstzulässigen Arbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden pro Siebentageszeitraum erfolgt sein kann.
58Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zählt die sogenannte Rufbereitschaft, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Arbeitnehmer in der Weise Bereitschaftsdienst leistet, dass er ständig erreichbar ist, ohne jedoch zur Anwesenheit am Arbeitsplatz verpflichtet zu sein, nicht zur Arbeitszeit. Begründet wird dies damit, dass der Arbeitnehmer, selbst wenn er seinem Arbeitgeber in dem Sinne zur Verfügung steht, dass er erreichbar sein muss, in dieser Situation doch freier über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen kann, so dass nur Zeit für die tatsächliche Erbringung von Arbeitsleistungen als Arbeitszeit anzusehen sei.
59Vgl. EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2000 - Rs. C-303/98 -, Simap, Rn. 50, und vom 9. September 2003 – Rs. C-151/02 -, Jaeger, Rn. 51.
60Die vorgenannten Erwägungen gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes treffen exakt auf die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Rufbereitschaftszeiten des Klägers zu. Während dieser Rufbereitschaftszeiten kann er freier über seine Zeit verfügen, als er es könnte, wenn er entsprechend den Bereitschaftsdienstzeiten der Beamten des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes zur Anwesenheit auf der Feuerwache verpflichtet wäre. Insbesondere kann er während dieser Zeiten zumindest in – durch die für die sofortige Einsatzaufnahme erforderliche Radiusbegrenzung hinsichtlich seines Aufenthaltsortes bedingtem – beschränktem Maße auch eigenen Interessen nachgehen. Beispiele möglicher Freizeitbeschäftigungen des Klägers während der Rufbereitschaftszeiten hat das Gericht oben bereits benannt.
61Vor allem lässt es angesichts der geringen durchschnittlichen dienstlichen Inanspruchnahme des Klägers für Einsätze während der Rufbereitschaftszeiten auch der Regelungszweck der Richtlinie 2003/88/EG, Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung der Arbeitnehmer aufzustellen, nicht als geboten erscheinen, die Rufbereitschaftszeiten als Arbeitszeit im unionsrechtlichen Sinne anzusehen. Da nämlich im Falle von Einsätzen während der Rufbereitschaftszeiten die Einsatzzeiten selbst zweifellos als Arbeitszeit einzustufen sind, resultiert aus solchen Einsatzzeiten ein an diese in Verbindung mit den sonstigen Arbeitszeiten anknüpfender Mindestschutz in Form von täglichen Ruhezeiten nach Art. 3, Ruhepausen nach Art. 4, wöchentlichen Ruhezeiten nach Art. 5 und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten nach Art. 6 Richtlinie 2003/88/EG. Im Falle von tatsächlichen Einsätzen während der Rufbereitschaftszeiten ist dadurch sichergestellt, dass der Kläger den für seine Gesundheit und Sicherheit erforderlichen arbeitszeitrechtlichen Mindestschutz zu erlangen hat und zu diesem Zweck nötigenfalls seine sonstigen Arbeitszeiten im Rahmen des Tagesdienstes und auch eventuelle sich unmittelbar anschließende Rufbereitschaftszeiten zu reduzieren sind, um ihm die im Mindestmaß erforderlichen Ruhezeiten zu ermöglichen.
62Aus letzteren Ausführungen folgt zugleich, dass der vom Kläger mit dem Hauptantrag geltend gemachte Freizeitausgleichsanspruch auch nicht auf den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch,
63vgl. zu diesem EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - NZA 2011, 53 Rn. 47 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 70/11 -, NVwZ 2012, 1472 ff. = juris,
64gestützt werden kann, denn es fehlt an einem qualifizierten Verstoß der Beklagten gegen eine unionsrechtliche Norm. Insbesondere hat die Beklagte durch die Anordnung der Rufbereitschaftszeiten gegenüber dem Kläger nicht gegen Art. 6 Buchst. b Richtlinie 2003/88/EG, wonach die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich Überstunden nicht überschreiten darf, verstoßen.
65Weitere – ernsthaft in Betracht kommende – Anspruchsgrundlagen für den mit dem Hauptantrag geltend gemachten Freizeitausgleichsanspruch sind nicht ersichtlich.
66Aus dem Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Freizeitausgleichsanspruchs sowohl auf der Grundlage des Grundsatzes von Treu und Glauben als auch auf der Grundlage des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs folgt, dass zugleich der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte finanzielle Ausgleichsanspruch einschließlich des von diesem abhängigen Rechtshängigkeitszinsanspruchs nicht besteht, denn dieser kann nur dann zum Tragen kommen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für den Freizeitausgleichsanspruch vorliegen, in der Rechtsfolge aber aus vom Beamten nicht zu vertretenden Gründen ein Freizeitausgleich nicht in angemessener Zeit gewährt werden kann, so dass sich der Anspruch auf Freizeitausgleich in einen solchen auf finanziellen Ausgleich umwandelt.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 70/11 -, a.a.O., juris, Rn. 28 ff.
68Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
(1) Kommt eine Einigung über die Entschädigung nicht zustande, so findet zur Festsetzung einer Geldentschädigung, einer Naturalwertrente (§ 25), einer zusätzlichen Geldentschädigung (§ 24 Satz 1) oder einer Ausgleichszahlung (§ 24 Satz 2) das Entschädigungsverfahren statt.
(2) Die Enteignungsbehörde hat die Entschädigung in einem nötigenfalls an Ort und Stelle abzuhaltenden Termin (Entschädigungstermin) mit den Beteiligten zu erörtern. Das Entschädigungsverfahren ist möglichst mit dem Planprüfungsverfahren zu verbinden.
(3) Zum Termin sind die Beteiligten zu laden. Die Ladungsfrist beträgt zwei Wochen. § 33 Abs. 4 ist anzuwenden; auf den Inhalt dieser Vorschrift ist in der Ladung hinzuweisen.
(4) § 33 Abs. 6 ist sinngemäß anzuwenden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.