Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 25. Okt. 2016 - 19 K 4601/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme der Kosten für den Besuch der I. Privatschule in N. sowie der schultäglichen Taxifahrtkosten für das Schuljahr 2015/2016.
3Die am 17. Dezember 2002 geborene Klägerin leidet seit ihrer Geburt unter einer motorischen Entwicklungsverzögerung in Form einer Gang- und Standataxie sowie einem Intentionstremor, mit der (zunächst) auch eine Sprachbehinderung einherging. Sie erhielt in ihren ersten Lebensjahren täglich bis zu acht Stunden Physiotherapie, zum Teil durch ihre Mutter. Ein Kindergartenbesuch erfolgte dadurch nur eingeschränkt am Nachmittag. Im Hinblick auf die nur durch intensive Therapie zu erreichende angestrebte motorische Weiterentwicklung wurde die Klägerin im Jahr 2009 zunächst ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt. Zum Schuljahresbeginn 2010/2011 wurde die Klägerin auf einer Sprachförderschule eingeschult; wegen ihrer Körperbehinderung wurde sie von einem durch den Sozialhilfeträger finanzierten Integrationshelfer begleitet. Seit April 2012 befindet sich die Klägerin in Behandlung bei der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin C. -T. . Zum zweiten Halbjahr des Schuljahres 2012/2013 wechselte die Klägerin auf die S. -I1. -Schule in E. , ebenfalls einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sprache. Der Schulbesuch erfolgte auch hier in Begleitung eines vom Sozialhilfeträger finanzierten Integrationshelfers. Am Nachmittag nahm die Klägerin von 2011 bis 2015 am Angebot der offenen Ganztagsschule (OGATA) der T2. schule im Stadtgebiet der Beklagten teil.
4Nachdem die Eltern der Klägerin einen für diese Ende Oktober 2014 gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten für die Beschulung auf der I. Privatschule N. sowie der schultäglichen Taxifahrtkosten zunächst zurückgenommen hatten, stellten sie unter dem 11. November 2014 erneut einen entsprechenden Antrag und legten einen Kurzbericht der behandelnden Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin C. -T. vom 7. November 2014 vor. Darin stellte die Diplom-Psychologin die Diagnosen Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (ICD-10: F), emotionale Störung des Kindesalters (ICD-10: F98.8) und motorische Entwicklungsverzögerung (Gang- und Standataxie und Intentionstremor). Weiter heißt es, durch die über sieben Jahre erhaltene tägliche mehrstündige Physiotherapie im 1:1 Verhältnis habe die Klägerin altersadäquate Alltags- und Sozialerfahrungen nicht machen können. Dies zeige sich heute an einem deutlich bindenden Verhalten gegenüber Erwachsenen. Die Klägerin suche Aufmerksamkeit durch triviale und sich ständig wiederholende Fragen, womit sie auf Ablehnung stoße, und zeige sich in Situationen hilflos, die sie eigentlich gut bewältigen könne. Auch altersangemessene Freizeitaktivitäten seien der Klägerin nicht möglich. Daher sei ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet. Hinzu kämen massive Konzentrationsprobleme, die vor allem in größeren Gruppen aufträten. Sie benötige eine sehr enge Strukturierung von außen, neige dennoch immer wieder zu Tagträumen und zeige ein verlangsamtes Arbeitsverhalten. Daher und auf Grund der beschriebenen Schwierigkeiten in Bezug auf soziale Situationen sei derzeit der Besuch einer staatlichen Schule auf Grund der hohen Klassenstärke nicht möglich. Als behandelnde Therapeutin empfehle sie den Besuch der I. Privatschule in N. .
5Unter dem 3. Dezember 2014 forderte die Beklagte den Chefarzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Prof. Dr. med. S1. der X. Klinik E1. zur Berichterstattung und Stellungnahme auf und bat um fachärztliche Einschätzung, inwieweit eine seelische Behinderung sowie eine Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der Klägerin bestehe oder zu erwarten sei. In seinem unter dem 17. Dezember 2014 erstellten Bericht führt er zunächst – ohne Bezugnahme auf die ICD-10 – die Diagnosen motorische Entwicklungsverzögerung mit Gang- und Standataxie sowie Intentionstremor, Anlagestörung des Kleinhirns, Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität und emotionale Störung des Kindesalters an. Nach Schilderung der bisherigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen in Bezug auf die motorische Entwicklungsverzögerung heißt es, trotz des Erlernens zahlreicher motorischer Fähigkeiten durch die intensive Physiotherapie sei die Klägerin weiterhin auf ständige Hilfestellung und Unterstützung angewiesen. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich die Klägerin in einer ihr unbekannten „nicht geschützten“ Umgebung bewege. Hier sei die Klägerin insbesondere bei schnellen Bewegungsabläufen, beim plötzlichen Ausweichen von Hindernissen oder auf unebenem bzw. unübersichtlichem Untergrund sehr unsicher und sturzanfällig und benötige daher ständige Unterstützung. Die körperlichen Einschränkungen sowie die langjährige intensive physiotherapeutische Förderung hätten dazu geführt, dass die Klägerin eine in verschiedener Hinsicht untypische Entwicklung durchgemacht habe. So sei sie über viele Jahre eine intensive Zuwendung und 1:1 Betreuung gewöhnt, wogegen sie die für den Sozialisationsprozess wichtigen Auseinandersetzungen in einer Gruppe gleichaltriger Kinder nicht in dem sonst üblichen Maße durchgemacht habe. Dies habe sicher ihre Teilhabe am Leben in einer Gemeinschaft zusätzlich zu der körperlichen Behinderung weiter beeinträchtigt. Selbst auf der Sprachförderschule mit einer geringen Klassenstärke habe die Klägerin nach ihrer Einschulung viele Leistungsziele der Schule nicht erfüllen können, obwohl sie dazu aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten durchaus in der Lage gewesen sei. Um die Klägerin ihren tatsächlichen Fähigkeiten entsprechend zu fördern und ihre langfristige Teilnahme am Leben in der Gesellschaft nicht zu gefährden, komme daher nur der Besuch einer Schule mit möglichst geringer Klassenstärke in Frage, darüber hinaus sollte eine solche Schule ein sehr intensives pädagogisches Konzept verfolgen und dieses auch an Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung anpassen können. Die beantragte Beschulung durch die I. Privatschule N. unterstütze er eindringlich.
6Der Bericht der S. -I1. -Schule E. vom 7. Januar 2015 beschreibt die Klägerin als ein überwiegend gut gelauntes und fröhliches Mädchen, das sich gegenüber ihren Lehrerinnen und Mitschülern meist freundlich verhalte. Von einer anfangs eher zurückhaltend abwartenden Haltung habe die Klägerin Fortschritte darin gemacht, von sich aus Kontakt aufzunehmen und teilweise auch einzufordern. Zu einigen Mitschülern habe sie einen guten Kontakt aufgebaut, so dass sie sich manchmal auch außerhalb der Schule mit ihnen treffe. Häufig erzähle sie auch von Freundinnen, die sie aus anderen sozialen Zusammenhängen kenne. Die Klägerin verfolge den gesamten Unterricht mit teilnehmendem Interesse. Sie habe in letzter Zeit deutliche Fortschritte darin gemacht, sich aktiv zu beteiligen. Ihr Konzentrationsvermögen habe sie steigern können, wobei sie immer daran erinnert haben werden müssen, sich nicht vom Geschehen innerhalb der Klasse ablenken zu lassen. Es komme vor, dass die Klägerin vor sich hin träume. Als Unterstützungsbedarf werden unter anderem genannt: Kleine Lerngruppe aufgrund von eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit sowie Unterstützung durch eine Schulassistenz.
7Nachdem die Beklagte die Eltern der Klägerin über die beabsichtigte Ablehnung des Antrags auf Kostenübernahme in Kenntnis gesetzt und diese hierzu Stellung genommen hatten, lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme der Beschulung durch die I. Privatschule N. mit Bescheid vom 19. Februar 2015 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Aufgabe, eine geeignete Schule zu finden, obliege dem Schulamt. Demgegenüber sei die Jugendhilfe nachrangig. Für die Klägerin bestünde die Möglichkeit, an der L. T1. Schule, einer Förderschule für den Förderschwerpunkt Sprache, beschult zu werden. Sollte eine Beschulung dort nicht möglich sein, wäre der Sozialhilfeträger zuständig, da die Klägerin sowohl körperlich, als auch seelisch beeinträchtigt sei.
8Die Klägerin legte unter dem 16. März 2015 Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein und begründete diesen unter dem 13. April 2015 damit, die Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich daraus, dass es sich bei der Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule nicht um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch, Sozialhilfe (SGB XII) handele. Die Beschulung auf der L. T1. Schule sei nicht möglich, weil der Förderbedarf „Sprache“ aufgehoben worden sei. Aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse – übliche Klassenstärke – scheide auch eine Beschulung auf der N1. -M. -L1. Gesamtschule im Stadtgebiet der Beklagten aus. Das Jugendamt der Beklagten habe die I. Privatschule N. als geeignete Schule für sie – die Klägerin – genannt.
9Mit Bescheid vom 31. März 2015 hob das Schulamt E. den Förderbedarf der Klägerin mit Wirkung zum 1. August 2015 auf.
10Unter dem 13. April 2015 führte der Chefarzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Prof. Dr. med. S1. der X. Kliniken E1. in einem weiteren Schreiben an das Jugendamt der Beklagten aus, auch wenn die Klägerin in den vergangenen Jahren mit den intensiven und kontinuierlichen Therapien erstaunliche motorische Fortschritte gemacht habe, seien diese noch nicht ausreichend. Der Besuch einer Regelschule mit den üblichen Klassenstärken von bis zu über 28 Kindern werde für die Klägerin auch für die nächsten Jahre nicht möglich sein. Allein ihre Konzentrationsstörung sowie die emotionale Störung schlössen dies aus. Eine Schulsituation mit kleinen Klassen, einer sehr engen Struktur und ADS Unterstützung seien für die Entwicklung der Klägerin unabdingbar. Die Klägerin sei bereits in ihrer Teilhabe am Leben beeinträchtigt und würde durch eine Regelbeschulung in der üblichen Klassenstärke nahezu ausgeschlossen.
11Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2015, zugestellt am 2. Juli 2015, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 19. Februar 2015 zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine seelische Störung der Klägerin im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) sei nicht ausdrücklich von Fachärzten bestätigt worden. Ebenfalls eine (drohende) Teilhabebeeinträchtigung könne nicht festgestellt werden. Die Klägerin werde von der pädagogischen Fachkraft als fröhliches Mädchen beschrieben, das im Kontakt mit den Mitschülern gute Fortschritte erreiche, gut in der Klasse integriert sei und guten Kontakt zu den Mitschülern pflege. Zudem seien eine vorrangige Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers wegen der Mehrfachbehinderung der Klägerin und die des Schulamtes gegeben. Ggf. komme eine Beschulung auf der L. T1. Schule auch ohne festgestellten Förderbedarf in Betracht. In Rahmen eines fachpädagogischen Gesprächs sei zwar die I. Privatschule N. als mögliche Schule genannt worden, ohne aber anderweitige Schulen auszuschließen und die I. Privatschule N. als allein zur Verfügung stehende Schule hervorzuheben.
12Die Klägerin hat am 29. Juni 2015 Klage erhoben. Sie trägt vor, aufgrund der umfangreichen Therapien in ihren ersten Lebensjahren habe sie keine altersgerechten Alltags- und Sozialerfahrungen sammeln können. Der Aufbau von Kontakten zu Gleichaltrigen sowie von sozialen Kompetenzen sei während dieser intensiven Therapiezeit nicht möglich gewesen. Sie habe eine ernsthafte soziale Beeinträchtigung, eine seelische Störung (Emotionale Störung des Kindesalters ICD-10: F98.8) und eine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (ICD-10: F), welche von der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Frau C. -T. bestätigt worden seien. In Folge der vorliegenden seelischen Störung sei ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt, bzw. auf jeden Fall sei eine derartige Beeinträchtigung zu erwarten. Tatsächlich würden ihre Lebensumstände in nachhaltiger und schwerwiegender Weise von denen Gleichaltriger in allen relevanten Lebensbereichen abweichen. Ihr Leben weise sowohl manifeste Schwierigkeiten im elterlichen Haushalt, als auch im Schulalltag auf. Darüber hinaus habe sie diese Schwierigkeiten auch im Freizeitbereich bei ihren wenigen privaten Kontakten. Unter Verweis auf die Berichte von Prof. Dr. med. S1. und Frau C. -T. führt die Klägerin weiter aus, nur unter den besonderen Bedingungen der Sprachförderschule (geringe Klassenstärke, hoher Betreuungsschlüssel, enge Strukturierung) habe sie die von der Klassenlehrerin beschriebenen Fortschritte erzielen können. Für eine weitere positive schulische und damit verbundene positive Persönlichkeitsentwicklung seien diese Umgebungsvariablen auch für die weiterführende Schule unabdingbar. Der Kontakt zu Mitschülern auf der Förderschule habe sich auf den Kontakt zu einem Mädchen mit Asperger Syndrom einerseits und einem stark verhaltensauffälligen Jungen anderseits bezogen. In der OGATA an der T2. schule habe sie keinen Kontakt zu Gleichaltrigen gehabt, sei nicht integriert gewesen und habe den Kontakt zu den erwachsenen Betreuungspersonen gesucht. In der dortigen Hausaufgabenbetreuung mit hoher Klassenstärke habe sie massive Probleme gehabt sich zu konzentrieren und habe die Hausaufgaben nicht vollständig bearbeiten können. Aufgrund ihrer Körperbehinderung seien altersangemessene Freizeitaktivitäten nicht möglich, selbst bei Geburtstagseinladungen sei die Begleitung durch einen Erwachsenen erforderlich. Müsste sie eine Schule mit der üblichen Klassenstärke besuchen, würde sie nicht die notwendigen Bedingungen vorfinden. Da das Lernumfeld unruhig, der Unterricht nicht störungsfrei und auch nicht reizarm wäre, würde sie mit Sicherheit vom Unterricht extrem abgelenkt werden, würde in ihrer Konzentrationsfähigkeit erheblich gestört werden mit der zwangsläufigen Konsequenz, dass ihre schulischen Leistungen drastisch abfallen und die erreichten Fortschritte massiv gefährdet würden. Ihr Selbstwertgefühl würde beeinträchtigt werden, letztlich eine Lernverweigerung entstehen. Das Jugendamt der Beklagten habe unter Berücksichtigung der Diagnosen und ihrer persönlichen Situation die I. Privatschule N. als geeignete Schule genannt. Die Beschulung auf der fünfzügigen N1. -M. -L1. Gesamtschule mit Klassen bis zu 30 Schülern im Stadtgebiet der Beklagten scheide aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse einerseits und der übereinstimmenden Beurteilungen und Empfehlungen andererseits als geeignete Schule aus. Zwar könnte grundsätzlich auch eine Hauptschule mit kleinen Klassen und einem auf die Aufmerksamkeitsstörung abgestimmten, intensiven pädagogischen Konzept als geeignete staatliche Regelschule in Betracht kommen, allerdings gebe es im Stadtgebiet der Beklagten keine Hauptschule. Aufgrund ihrer körperlichen Behinderung könne sie den Schulweg nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen, weshalb die schultägliche Fahrt mit dem Taxi erforderlich und die Übernahme der Kosten durch die Beklagte entsprechend geboten sei.
13Die Klägerin beantragt,
14die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. Februar 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2015 zu verpflichten, ihr Eingliederungshilfe durch die Übernahme der Kosten des Besuchs der I. Privatschule N. und der schultäglichen Taxifahrtkosten für das Schuljahr 2015/2016 zu bewilligen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung führt sie aus, es bestünden schon Zweifel am Vorliegen einer seelischen Störung im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII. Darüber hinaus liege keine (drohende) Teilhabebeeinträchtigung im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII vor. Im Übrigen verweist sie auf den Inhalt des Ablehnungsbescheides.
18Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
19Während bzw. im Nachgang zum durchgeführten Eilrechtsschutzverfahren (19 L 2392/15), welches mit ablehnendem Beschluss der Kammer vom 5. August 2015 und zurückweisendem Beschwerdebeschluss (12 B 968/15) des Oberverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2015 endete, legte die Klägerin weitere Berichte und Stellungnahmen vor.
20In ihrem Bericht vom 21. August 2015 wiederholt die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin C. -T. im Wesentlichen ihre bisherigen Ausführungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem ergänzend aus, der massiven Aufmerksamkeitsstörung und der emotionalen Störung der Klägerin könne in einer Klasse mit über 28 Kindern nicht Rechnung getragen werden und Störungen im Lern- und Leistungsbereich, Versagengsängste, Schul- und Lernverweigerung seien sicher zu erwarten. Im häuslichen Bereich bestünden zunehmend große Spannungen. Insbesondere bei der Hausaufgabenbewältigung bekomme die Klägerin starke Wutanfälle, schlage um sich und habe Angst vor Misserfolgen.
21Nach dem Bericht des Trägers der OGATA, des Vereins zur Förderung der Über-Mittag-Betreuung in S2. e.V., vom 25. August 2015 waren aufgrund der bei der Klägerin bekannten Erkrankung vielfältige Aufgaben zur Betreuung notwendig, die ohne eine zusätzliche Betreuungskraft nicht zu leisten waren. Dazu gehörten die Inempfangnahme am Taxi und die Begleitung zu den Räumen der OGATA, grundsätzliche Unterstützung (u.a. Schutz vor Stürzen) bei der Bewegung auf dem Pausenhof, beim Spiel, Begleitung innerhalb der OGATA, zu der Toilette, den Hausaufgabenräumen, bei den Hausaufgaben selbst. Besonderer Betreuungs- und Förderbedarf habe in der Hilfestellung bei den Hausaufgaben und der Weiterentwicklung der sozialen Kompetenz bestanden. Im sozialen Bereich habe die Klägerin extreme Schwierigkeiten gehabt, Kontakt zu anderen Kindern aufzubauen. Ihr Verhalten habe nicht den altersentsprechenden Erwartungen entsprochen. Die Klägerin sei von ihrer Peergruppe nicht akzeptiert gewesen, sie sei ausgeschlossen worden, weshalb sie sich vor allem an den Erwachsenen und deutlich jüngeren Kindern orientiert habe. Durch ihr Verhalten habe sie Hänseleien und Verspottungen provoziert. Es kam auch zu abfälligen Äußerungen bezogen auf ihr durch die Körperbehinderung geprägtes Gangbild. Es habe einen Kontakt zu einem ebenfalls ausgegrenzten zwei Jahre jüngeren Mädchen gegeben.
22Frau J. I2. begleitete die Klägerin im 4. Schuljahr über mehrere Wochen hinweg als Integrationshelferin sowohl auf der Förderschule als auch in der OGATA. In ihrem Bericht vom 13. November 2015 schreibt sie, schon bei der ersten Begegnung sei ihr die Fröhlichkeit der Klägerin aufgefallen. Die Klasse der Klägerin sei auch gegenüber der Klägerin äußerst zuvorkommend gewesen. Die soziale Interaktion auf dem Schulhof sei eingeschränkt gewesen, da die Klägerin während der Zeit, in der die anderen Kinder draußen getobt hätten, mit ihr auf dem Flur gesessen habe. Die Klägerin habe verstärkt den Kontakt zu ihr gesucht und den Kontakt zu den anderen Kindern gemieden. Es habe der Klägerin an Interaktions- und Kommunikationsstrategien gemangelt. Die anderen Kinder hätten sich über die wiederholt gestellten trivialen Fragen lustig gemacht und sich von der Klägerin distanziert. Sobald eine 1:1 Betreuung stattgefunden habe, sei die Klägerin in der Lage gewesen, ihre Aufmerksamkeit und Konzentration über einen längeren Zeitraum hinweg auf ihre Aufgaben zu lenken und diese angemessen zu lösen. Sie habe eine hohe Lernbereitschaft gezeigt und sich stets über jeden Lernerfolg, den sie erzielen konnte, gefreut. In der regulären Unterrichtssituation habe sich die Klägerin sehr schnell ablenken lassen und habe starke Konzentrationsprobleme gezeigt. Sie habe vor sich hingeträumt, ohne ihre Umgebung wahrzunehmen. Es sei ihr nicht möglich gewesen, Aufgabenstellungen selbstständig zu befolgen. In der OGATA habe die Klägerin erst gar nicht versucht, in den kommunikativen Austausch mit Gleichaltrigen zu kommen. Sie habe sich stets an sie – die Integrationshelferin – gehalten. Auch habe die Klägerin während der Hausaufgabenbetreuung keine Leistungsbereitschaft gezeigt, sondern erst, als sie mit ihr den Raum verlassen habe. Auch dann sei die Arbeitsmotivation gering gewesen.
23In dem Bericht der Integrationshelferin Frau Q. , die die Klägerin vom Schuljahr 2011/2012 bis zum Schuljahr 2014/2015 täglich in OGATA und bei Verhinderung der Schulintegrationskraft in die Förderschule begleitete heißt es, in der OGATA sei es der Klägerin extrem schwer gefallen, Kontakte zu anderen Kindern aufzunehmen und zu knüpfen. Anfänglich sei es so gewesen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Gehbehinderung Bewegungsspiele wie Rennen, Hüpfen, Verstecken oder Fangenspielen nicht mitmachen habe können. Diese Einschränkungen hätten sie von vielen gemeinsamen Unternehmungen und Spielen mit anderen Kindern ausgeschlossen. Anfänglich sei hinzugekommen, dass die Klägerin durch ihre Probleme beim Sprechen nicht in der Lage gewesen sei, unbefangen auf andere Kinder zuzugehen und zu fragen, ob sie bei anderen Aktivitäten wie Basteln oder Brettspiele mitmachen dürfe. Auch als sich später ihre Gehbehinderung und das Sprechen deutlich verbessert hätten, habe sie immer noch nicht gewusst, wie man sich gegenüber den anderen Kindern verhält, um Kontakt zu bekommen. Das erfolglose Bemühen um Kontakte auch durch das wiederholende Stellen von trivialen Fragen habe eine ablehnende Haltung der Kinder gegenüber der Klägerin hervorgerufen. Dies habe dazu geführt, dass die Klägerin verstärkt den Kontakt zu Erwachsenen gesucht habe. Sie sei von den anderen Kindern ausgegrenzt worden. Im Rahmen der 45 minütigen Hausaufgabenbetreuung, an der durchschnittlich 15 Kinder teilgenommen hätten, sei die Klägerin nicht in der Lage gewesen, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren. Sie habe sich von allem sofort ablenken lassen, habe ständig beobachtet was die anderen Kinder machten. Auch in der Förderschule habe sich die Klägerin trotz der geringen Klassengröße und der individuellen Hilfe durch die Lernkräfte und die Integrationshelferin schwer getan, sich über einen längeren Zeitraum motiviert auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Die Atmosphäre an der Schule und in der Klasse sei sehr positiv gewesen. Die Kinder hätten Verständnis für die Körperbehinderung der Klägerin gehabt und den unsicheren, schwankenden Gang akzeptiert und ihr geholfen – zum Beispiel beim Tornister tragen, Schuhe zubinden und Ähnliches. In der Pause allerdings sei die Klägerin wieder alleine geblieben. Das Problem, das gemeinsame Aktivitäten mit anderen erschwerte, sei, dass die Klägerin nicht wisse, wie sie von sich aus Kontakt zu anderen aufnehmen kann. Erschwerend sei hinzugekommen, dass sie nicht wie die anderen Kinder, auf dem Kletterplatz Klettern oder auf dem Pausenhof herumrennen habe können. Die Kontakte hätten sich auf zwei Kinder beschränkt. Die Klägerin habe sich nie ausführlich zu der Situation geäußert. Tränen habe es nur ganz selten gegeben. Sie habe sich abgekapselt und so getan, als sei alles in Ordnung.
24Die Leiterin der OGATA der T2. schule Frau U. hielt in ihrem Bericht vom 25. November 2015 fest, die Klägerin habe zu allen Zeiten erhebliche Schwierigkeiten gehabt, sich auf eine Sache zu konzentrieren, was sich insbesondere bei der Erledigung der Hausaufgaben bemerkbar gemacht habe. Zudem sei festzustellen gewesen, dass die Klägerin gravierende Probleme gehabt habe, mit anderen Kindern soziale Kontakte aufzubauen. Dies sei zum Teil gelungen, wenn es situativ von einem Betreuer initiiert worden sei, doch auch nur für die Dauer des Spiels und in einer Kleingruppe von Kindern. Trotz aller Bemühungen sei die Integration in eine Gruppe nicht gelungen.
25In einem Schreiben an die Eltern der Klägerin vom 14. Januar 2016 teilte die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Frau C. -T. mit, sie gehe von einer bereits vorliegenden Teilhabebeeinträchtigung auf Basis der seelischen Störung „emotionale Störung des Kindesalters“ aus. Dies begründete sie damit, die soziale Funktionsfähigkeit der Klägerin sei massiv und nachhaltig eingeschränkt, was bereits seit vielen Jahren zu einem Rückzug aus sozialen Kontakten, einer totalen Vereinzelung in der Schule und OGATA sowie in der Freizeit geführt habe. Die Klägerin sei in einer Klasse einer Regelschule massiv überfordert. Ein Schulversagen mit weiterem sozialen Rückzug und weiterer Vereinzelung würde erfolgen. Im Hinblick auf die massive Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität sei eine Teilhabebeeinträchtigung sicher zu erwarten. Ein konzentriertes, ausdauerndes Arbeiten in großen Gruppen sei für die Klägerin nicht möglich. Die optimale Umgebung der Sprachförderschule habe bisher Störungen im Lern- und Leistungsbereich, Versagensängste und eine Schul- und Lernverweigerung verhindern können und zu einer Steigerung des Konzentrationsvermögens geführt. Selbst unter diesen Bedingungen habe die Klägerin immer wieder daran erinnert werden müssen, nicht zu träumen und sich nicht vom Geschehen der Klasse ablenken zu lassen. Die bisher erreichten, guten Fortschritte würden durch eine Beschulung in einer Schule mit großer Klassenstärke massiv gefährdet. Die Klägerin habe in einer größeren Gruppe keine Chance kontinuierlich dem Unterricht zu folgen und die Lernziele zu erreichen. Mit einer Exazerbation der Symptomatik, einer Schul- und Lernverweigerung, Schulversagen sei dann sicher zu rechnen.
26Die I. Privatschule N. , deren 5. Klasse mit einer Klassenstärke von 7 Kindern die Klägerin seit August 2015 besucht, berichtete unter dem 11. Februar 2016, auch wenn die Klägerin noch Probleme habe, in ihrer Klasse Anschluss zu finden, sei sie ein offenes, freundliches und sehr positiv eingestelltes Mädchen. Ihre Unfähigkeit soziale Kontakte zu knüpfen, entstehe durch das Unvermögen, mit anderen Menschen auf altersgerechte Weise zu kommunizieren und den Wunsch, unbedingt deren Aufmerksamkeit erlangen zu wollen. Anfänglich habe die Klägerin versucht, durch ständig wiederholende triviale Fragen und „Herumgealbere“ die Aufmerksamkeit zu erreichen. Durch Versuche dieser Art habe die Klägerin das genaue Gegenteil erreicht und werde von den Mitschülern eher ausgegrenzt und gemieden. In den Pausen suche die Klägerin meistens noch den Kontakt zu einem Mädchen, welche ebenfalls Defizite in ihrem sozialen Handeln besitze. Es hätten sich erste positive Entwicklungsfortschritte ergeben, indem das mehrfache Stellen der trivialen Fragen unterbunden habe werden können. Die Klägerin habe trotz der aktuellen sehr geringen Klassenstärke enorme Schwierigkeiten, sich im Unterricht und während der Hausaufgabenbetreuung zu konzentrieren.
27In dem Bericht der I. Privatschule N. vom 18. Juli 2016 wird im Wesentlichen der Inhalt des Berichtes vom 11. Februar 2016 wiederholt und ergänzend ausgeführt, in den letzten Monaten sei die Klägerin deutlich selbstständiger und selbstbewusster geworden, auch wenn hier noch ein großer Entwicklungsraum vorhanden sei. Es habe sich ein erster sozialer Kontakt angebahnt. Die Eltern der Klägerin hätten gemeinsam mit einem Mädchen aus der Klasse einen Ausflug unternommen. Dieser Kontakt sei noch nicht gefestigt und bedürfe weiterhin der Unterstützung der Pädagogen, Lehrer und Eltern. Die Klägerin sei ein offenes, freundliches und positiv eingestelltes Mädchen. Ihre Fähigkeit altersgerechte, soziale Kontakte zu knüpfen sei immer noch stark eingeschränkt. Die Konzentrationsspanne der Klägerin sei sehr gering. Sie lasse sich massiv durch das Geschehen im Unterricht ablenken, nutze jede Gelegenheit sich selber und andere abzulenken. Es falle ihr sehr schwer, im Unterricht aufmerksam zu bleiben, sie „drifte“ gerne ab und könne ihr Leistungsvermögen/Potential nicht komplett zeigen. Sie müsse ständig angehalten werden aufmerksam zu sein. In der 1:1 Betreuung neben dem Unterricht könne sie sich deutlich länger konzentrieren und zeige hier auch eine gute Lernbereitschaft und Ausdauer.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den der Akte des Verfahrens 19 L 2392/15 und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
29Entscheidungsgründe:
30I. Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid vom 19. Februar 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für den Besuch der I. Privatschule in N. sowie der schultäglichen Taxi Fahrtkosten für das Schuljahr 2015/2016.
31Da die Klägerin seit August 2015 die I. Privatschule N. ohne vorherige positive Entscheidung über die Hilfegewährung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe besucht, liegt ein Fall der unzulässigen Selbstbeschaffung vor, bei der vor dem Hintergrund des Entscheidungsprimats des Jugendamtes (§ 36a Abs. 1 SGB VIII) grundsätzlich kein Anspruch auf Ersatz der hierfür getätigten Aufwendungen besteht. Nach § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur dann verpflichtet, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen. Da es in dem vorliegend maßgeblichen Zeitraum hieran bereits fehlt, kommt es darauf, ob die weiteren Bedingungen für die Kostenübernahme einer selbstbeschafften Maßnahme nach § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII gegeben sind, nicht an.
321. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII und § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der I. Privatschule N. für das Schuljahr 2015/2016 zur Erreichung einer angemessenen Schulbildung.
33Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht (a.), und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist (b.).
34a. Es bestehen hier bereits erhebliche Zweifel an dem Vorliegen einer seelischen Störung im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII. Im Hinblick auf die (erstmals) von der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin C. -T. attestierte „Emotionale Störung des Kindesalters“ fehlt es schon an einer (nachvollziehbaren) Darlegung der Diagnosestellung. Weder wurden die tatsächlichen Umstände genannt, auf deren Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgt ist, noch die Methode (z.B. Fragenkatalog) der Tatsachenerhebung. Lediglich zu Beginn des Kurzberichts vom 7. November 2014 wird die Diagnose „Emotionale Störung des Kindesalters“ unter Angabe einer unzutreffenden ICD-10 Kategorisierung (ICD-10: F 98.8 statt ICD-10: F 93) gestellt. Die weiteren Ausführungen sowie die nachfolgenden Berichte machen nicht deutlich, welche der unter der Kategorisierung ICD-10: F.93 zusammengefassten Störungen bei der Klägerin vorliegen soll: Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters (F.93.0), phobische Störung des Kindesalters (F.93.1), Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters (F.93.2), emotionale Störung mit Geschwisterrivalität (F.93.3), sonstige emotionale Störungen des Kindesalters (F.93.8), nicht näher bezeichnete Störung des Kindesalters (F.93.9). Insbesondere die Einführung zu der Kategorisierung ICD-10: F93 zugrunde gelegt, wonach die emotionalen Störungen des Kindesalters in erster Linie Verstärkungen normaler Entwicklungstrends und weniger eigenständige, qualitativ abnorme Phänomene darstellen, kann anhand der Feststellungen der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin C. -T. nicht nachvollzogen werden, inwiefern die Klägerin unter einer solchen „Verstärkung normaler Entwicklungstrends“ im Sinne einer der unter der Kategorisierung ICD-10: F.93 aufgelisteten Störungen leidet. Es wird lediglich – neben der Problematik der Aufmerksamkeitsstörung – berichtet, die Klägerin habe – therapiebedingt – eine altersadäquate Alltags- und Sozialerfahrung nicht machen können, was sich an einem deutlich bindenden Verhalten gegenüber Erwachsenen zeige. Sie habe massive Schwierigkeiten im Kontakt mit Gleichaltrigen.
35Der Bericht des Chefarztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Prof. Dr. med. S1. der X. Klinik E1. vom 17. Dezember 2014 wie auch seine weiteren Stellungnahmen enthalten keine im Hinblick auf die Diagnostizierung einer seelischen Störung weitergehenden Erkenntnisse. Hinzu kommt, dass es sich bei Prof. Dr. med. S1. nicht erkennbar um einen Arzt im Sinne von § 35a Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 SGB VIII handelt, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt.
36Betreffend die diagnostizierte Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität ist fraglich, ob diese überhaupt – ohne das Hinzutreten weiterer (sekundärer) seelischer Störungen – eine Abweichung der seelischen Gesundheit i.S.d. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII darstellt,
37für die einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10: F90.0) ohne Hinzutreten weiterer (sekundärer) seelischer Störungen verneinend etwa: OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2010 - 12 B 105/10 -, juris Rn. 10. Offen gelassen auch im Beschluss des OVG NRW vom 14. Oktober 2015 – 12 B 968/15 –, juris Rn. 8 ff.
38b. Indes braucht das Vorliegen einer seelischen Störung im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII nicht abschließend beurteilt zu werden. Denn es fehlte sowohl bezogen auf die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (aa.) als auch auf die emotionale Störung des Kindesalters (bb.) an einer auf diesen (unterstellten) seelischen Störungen beruhenden (drohenden) Teilhabebeeinträchtigung im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII.
39aa. Die Einschätzung, ob eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, fällt in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 12 A 662/15 –, juris Rn. 8 mit Verweis auf die Beschlüsse vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -, juris und vom 15. Oktober 2014 - 12 B 870/14 -, juris.
41Hierbei ist das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 12 B 870/14 -, juris Rn. 23.
43Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris Rn. 15.
45Die Eingliederung in die Gesellschaft im Sinne einer Partizipation wird gekennzeichnet durch die aktive, selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den das Kind betreffenden Lebensbereichen wie Familie, Verwandtschaft, Freunde, Schule und Freizeit. Ob die Partizipation beeinträchtigt ist, ist nach der Intensität der Auswirkungen auf die genannten Lebensbereiche zu beurteilen und zu den regelmäßig und häufiger im Entwicklungsprozess auftretenden Problemen abzugrenzen, wobei ausreichend ist, wenn sich die Störung in einem der genannten Lebensbereiche hinlänglich auswirkt,
46vgl. Vondung, in: Kunkel (Hrsg.), SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Lehr- und Praxiskommentar, 6. Auflage 2016, § 35a Rn. 19.
47Erforderlich ist eine nachhaltige Beeinträchtigung der sozialen Funktions- bzw. Integrationsfähigkeit.
48Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2015 - 12 A 662/15 -, juris Rn. 11.
49Dies ist beispielsweise bezogen auf den – hier zu beurteilenden – schulischen Bereich bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris Rn. 9f.
51Geht es - wie im Fall der Klägerin - um die Würdigung der aus dem Schulbesuch erwachsenden Belastungssituation eines Kindes oder Jugendlichen, sind Stellungnahmen der beteiligten Lehrkräfte regelmäßig ein gewichtiges Entscheidungskriterium, weil sie einen pädagogisch reflektierten Einblick „aus erster Hand“ vermitteln.
52Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2015 - 12 B 598/15 -, juris Rn. 6.
53Dies zugrunde gelegt kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund der bei ihr diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität bis zum Wechsel auf die I. Privatschule N. in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im von § 35a SGB VIII geforderten Maße beeinträchtigt war. Dem Bericht der S. -I1. -Schule vom 7. Januar 2015 lässt sich insoweit entnehmen, dass die Klägerin ihr Konzentrationsvermögen habe steigern können, wobei sie immer wieder daran habe erinnert werden müssen, sich nicht vom Geschehen innerhalb der Klasse ablenken zu lassen; es sei vorgekommen, dass sie vor sich hin geträumt habe. In dem Bericht der Leiterin der OGATA der T2. schule Frau U. vom 25. November 2015 heißt es, die Klägerin habe zu allen Zeiten erhebliche Schwierigkeiten gehabt, sich auf eine Sache zu konzentrieren, was sich insbesondere bei der Erledigung der Hausaufgaben bemerkbar gemacht habe. Diesen Berichten kann aber nicht entnommen werden, dass die Konzentrationsprobleme bei der Klägerin ein Ausmaß erreicht hatten, das an die oben beispielhaft genannten Beeinträchtigungen heranreicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Teilnahme am Unterricht oder die Erledigung ihrer Hausaufgaben verweigert hat; vielmehr heißt es in dem Schulbericht vom 7. Januar 2015, die Klägerin habe den gesamten Unterricht mit teilnehmendem Interesse verfolgt. Die Integrationshelferin Frau I2. führt in ihrem Bericht vom November 2015 aus, die Klägerin habe im Unterricht eine hohe Lernbereitschaft gezeigt und sich stets über jeden Lernerfolg, den sie erzielen konnte, gefreut. Dies wird auch durch die Stellungnahme der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015, wonach die Klägerin bei der Hausaufgabenbewältigung Wutanfälle bekomme, um sich schlage und Angst vor Misserfolgen habe, nicht in Frage gestellt, da auch nach diesem Verhalten nicht von einer totalen Schul- oder Leistungsverweigerung oder gleichzustellenden Schwierigkeiten auszugehen ist. Gleiches gilt für die Schilderung der Integrationshelferin Frau I2. im vorgenannten Bericht, die Klägerin habe während der Hausaufgabenbetreuung keine Leistungsbereitschaft gezeigt, sondern erst, als die Integrationshelferin mit ihr den Raum verlassen habe und selbst dann die Arbeitsmotivation gering gewesen sei. Auch die von der Klägerin erzielten Noten von „gut“ bis „ausreichend“ sprechen gegen gravierende schulische Probleme im oben dargestellten Sinne.
54So auch OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 12 B 968/15 –, juris Rn. 22.
55Dass die von der Klägerin geltend gemachten Probleme im Umgang mit anderen Schülerinnen und Schülern auf die Aufmerksamkeitsstörung zurückzuführen sein könnten, ist weder vorgetragen noch sonst aus den vorgelegten Berichten ersichtlich.
56Eine auf der Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität beruhende Teilhabebeeinträchtigung der Klägerin ist im Rahmen der allein möglichen Prognose auf der Grundlage der bisherigen Verhältnisse auch für die Zukunft, insbesondere für einen Besuch einer weiterführenden Regelschule, nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit,
57vgl. zum Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris Rn. 16,
58zu erwarten. Dass sich die Konzentrationsschwierigkeiten der Klägerin in einer Regelschule mit einer größeren Klassenstärke in einem Maße verstärken würden, dass die oben dargestellte Schwelle erreicht würde, ist nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Zwar führt die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin C. -T. in ihrer Stellungnahme vom 14. Januar 2016 aus, ein konzentriertes, ausdauerndes Arbeiten in großen Gruppen sei für die Klägerin nicht möglich und nur die optimale Umgebung der Sprachförderschule habe bisher Störungen im Lern- und Leistungsbereich, Versagensängste und eine Schul- und Lernverweigerung verhindern können und zu einer Steigerung des Konzentrationsvermögens geführt. Die bisher erreichten, guten Fortschritte würden durch eine Beschulung in einer Schule mit großer Klassenstärke massiv gefährdet, da die Klägerin in einer größeren Gruppe keine Chance habe kontinuierlich dem Unterricht zu folgen und die Lernziele zu erreichen, weshalb mit einer Exazerbation der Symptomatik, einer Schul- und Lernverweigerung und Schulversagen sicher zu rechnen sei. Diese Annahme ist jedoch – unabhängig davon, dass die Feststellung der Beeinträchtigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGBVIII grundsätzlich nicht Gegenstand der Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII ist –,
59vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2010 - 12 A 1237/09 -, juris Rn. 11,
60vor dem Hintergrund, dass die Konzentrationsprobleme der Klägerin sich nach den vorliegenden Unterlagen in der größeren Gruppe der OGATA und der wohl eher ablenkungsträchtigen Situation der Hausaufgabenbetreuung mit ca. 15 Kindern im Durchschnitt nicht als wesentlich stärker als in der kleinen Lerngruppe der Förderschule mit ca. sieben Schülern dargestellt haben, als weitgehend spekulativ anzusehen,
61so auch OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 12 B 968/15 –, juris Rn. 27.
62Es ist bei der gegebenen Ausgangslage zumindest ebenso wahrscheinlich, dass sich die Konzentrationsprobleme der Klägerin bei einer weiter gedachten Verdoppelung der Schülerzahl auf 30 ebenso nicht weiter verstärken und dementsprechend keine nachhaltigen Beeinträchtigungen der sozialen Funktion- bzw. Integrationsfähigkeit im vorgenannten Sinne eintreten würden. Auch die vorliegenden Berichte können diese Möglichkeit nicht hinreichend ausschließen.
63bb. Ebenso kann nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund der diagnostizierten emotionalen Störung des Kindesalters an einer Teilhabebeeinträchtigung leidet bzw. von einer solchen bedroht ist. Den vorgelegten Unterlagen lässt sich schon nichts Konkretes zu dieser seelischen Beeinträchtigung der Klägerin, ihren Symptomen und Auswirkungen entnehmen. Soweit die Gutachten so zu verstehen sein sollten, dass die beschriebenen Kontakt- und Kommunikationsschwierigkeiten der Klägerin Ausdruck der emotionalen Störung des Kindesalters - und nicht lediglich fehlender Erfahrung und Übung im Umgang mit Gleichaltrigen oder einer anderen bisher nicht diagnostizierten Störung - sein sollten, ist aber ebenfalls keine (drohende) Teilhabebeeinträchtigung festzustellen.
64So im Ergebnis auch OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 12 B 968/15 –, juris Rn. 28.
65Im Schulbericht vom 7. Januar 2015 ist ausgeführt, die Klägerin sei ein überwiegend gut gelauntes und fröhliches Mädchen, das sich ihren Lehrerinnen und Mitschülern gegenüber meist freundlich verhalte. Von einer anfangs eher zurückhaltend abwartenden Haltung habe die Klägerin Fortschritte darin machen können, von sich aus Kontakte aufzunehmen und teilweise auch einzufordern. Zu einigen Mitschülern habe sie einen guten Kontakt aufgebaut, so dass sie sich manchmal auch außerhalb der Schule mit ihnen treffe. Häufig erzähle sie auch von Freundinnen, die sie aus anderen sozialen Zusammenhängen kenne. Soweit die Klägerin hierzu vorträgt, dass der Kontakt in der Schule sich auf ein Mädchen mit Asperger-Syndrom und einen stark verhaltensauffälligen Jungen konzentriert habe, können diesem Vorbringen - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags, dass in der Klasse der Klägerin auf der Förderschule neben einem Mädchen (offenbar dem genannten) nur Jungen mit Verhaltensauffälligkeiten gewesen seien - keine Rückschlüsse auf erhebliche Probleme bei der Sozialintegration der Klägerin entnommen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Berichten der Integrationshelferinnen. In ihrem Bericht vom 13. November 2015 schreibt Frau I2. , schon bei der ersten Begegnung sei ihr die Fröhlichkeit der Klägerin aufgefallen. Die Klasse der Klägerin sei gegenüber der Klägerin äußerst zuvorkommend gewesen. In dem Bericht der Integrationshelferin Frau Q. heißt es, die Atmosphäre an der Schule und in der Klasse sei sehr positiv gewesen. Die Kinder hätten Verständnis für die Körperbehinderung der Klägerin gehabt und den unsicheren, schwankenden Gang akzeptiert und ihr geholfen – zum Beispiel beim Tornister tragen, Schuhe zubinden und Ähnlichem. Die Klägerin habe sich zu der Situation nie ausführlich geäußert, Tränen habe es nur ganz selten gegeben. Sie habe sich abgekapselt und so getan, als sei alles in Ordnung. Die anzuerkennenden und auch von den Integrationshelferinnen im Einzelnen geschilderten Schwierigkeiten der Klägerin, Kontakte zu Gleichaltrigen aufzubauen, erreichen demnach nicht den Grad einer nachhaltigen Beeinträchtigung der sozialen Funktionsfähigkeit im Sinne einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, einer totalen Schul- und Lernverweigerung, einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder einer Vereinzelung in der Schule.
66Darüber hinaus ist jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass diese Schwierigkeiten auf der (unterstellt angenommenen) seelischen Störung in Form der emotionalen Störung des Kindesalters beruhen. Denn die von der Klägerin geschilderten Kommunikations- und dadurch letztlich Integrationsprobleme könnten ebenso Folge der körperlichen Behinderung der Klägerin sein. Diese Annahme wird insbesondere auch durch die Berichte der Integrationshelferinnen Frau Q. und Frau I2. bekräftigt. So heißt es in dem Bericht der Frau I2. nachvollziehbar, die soziale Interaktion auf dem Schulhof sei eingeschränkt gewesen, da die Klägerin während der Zeit, in der die anderen Kinder draußen getobt hätten, mit ihr auf dem Flur gesessen habe. Die Klägerin habe deshalb verstärkt den Kontakt zu ihr gesucht und den Kontakt zu den anderen Kindern gemieden. Frau Q. schilderte, anfänglich sei es so gewesen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Gehbehinderung Bewegungsspiele wie Rennen, Hüpfen, Verstecken oder Fangenspielen nicht habe mitmachen können. Diese Einschränkungen hätten sie von vielen gemeinsamen Unternehmungen und Spielen mit anderen Kindern ausgeschlossen. Anfänglich sei hinzugekommen, dass die Klägerin durch ihre Probleme beim Sprechen nicht in der Lage gewesen sei, unbefangen auf andere Kinder zuzugehen und zu fragen, ob sie bei anderen Aktivitäten wie Basteln oder Brettspiele mitmachen dürfe.
67Vor diesem Hintergrund kann auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, der Klägerin drohe insoweit bei dem Wechsel auf eine Regelschule mit größeren Klassen eine Teilhabebeeinträchtigung. Soweit in der Stellungnahme der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin C. -T. vom 14. Januar 2016 angenommen wird, die Klägerin sei in einer Klasse einer Regelschule massiv überfordert; ein Schulversagen mit weiterem sozialen Rückzug und weiterer Vereinzelung würde sicher erfolgen, wird dies bereits durch die Stellungnahme des Vereins zur Förderung der Über-Mittag-Betreuung in S2. e.V. vom 25. August 2015 in Frage gestellt, nach der die Klägerin in der OGATA jedenfalls – wenn auch nur vorübergehend – Kontakt zu einem anderen Mädchen aufgebaut hat. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, dass es an der Sprachförderschule kein soziales Umfeld mit positiven Vorbildern gegeben habe, könnte sich insoweit die Situation durch den Besuch einer Regelschule unter Umständen sogar entspannen. Letztlich zeigt der nunmehr seit August 2015 erfolgende Besuch der I. Privatschule N. bei einer Klassenstärke von sieben bzw. acht Schülern, dass die (fehlende) Fähigkeit der Klägerin, soziale Kontakte aufzubauen, nicht zwingend von der Größe der Klassenstärke abhängt. Denn sowohl die Stellungnahme der I. Privatschule N. vom 11. Februar 2016, als auch die vom 18. Juli 2016 bringen zum Ausdruck, dass trotz der geringen Klassenstärke die Klägerin Probleme habe, Anschluss zu finden. Ihr wurde – selbst in diesem geschützten Umfeld – die Unfähigkeit zum Knüpfen sozialer Kontakte zugeschrieben.
68Gegen eine drohende Teilhabebeeinträchtigung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass das Schulamt für die Landeshauptstadt E. den sonderpädagogischen Förderbedarf der Klägerin mit Bescheid vom 31. März 2015 generell aufgehoben hat. Dem liegt zugrunde, dass die S. -I1. -Schule, nachdem der Förderbedarf im Schwerpunkt „Sprache“ bei der Klägerin entfallen war, einen Wechsel des Förderschwerpunkts nicht für notwendig erachtet hat; anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke - Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung - AO-SF). Insofern lag nach der fachlichen Einschätzung der Förderschule kein anderweitig in Betracht kommender sonderpädagogischer Förderbedarf bei der Klägerin vor, wobei nach dem diagnostizierten Behinderungsbild der Klägerin namentlich auch an den Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung (§ 6 AO-SF) oder aber emotionale und soziale Entwicklung zu denken wäre (§ 4 Abs. 4 AO-SF). Wenn bei der Klägerin aber auch in diesen Bereichen keine gravierenden Einschränkungen vorliegen, die durch sonderpädagogische Förderung auszugleichen bzw. abzumildern sind, deutet dies – zumindest in Bezug auf die seelische Behinderung – eher darauf hin, dass eine adäquate Teilhabe auch im Falle eines Regelschulbesuchs gewährleistet ist.
69So auch OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 12 B 968/15 –, juris Rn. 30.
70c. Ungeachtet der fehlenden (drohenden) Teilhabebeeinträchtigung bezogen auf beide (unterstellten) seelischen Störungen drängt sich schließlich nicht auf, dass wegen der wohl mangelnden Finanzierbarkeit des Besuchs der I. Privatschule N. durch die Eltern der Klägerin aus eigenen Mitteln demnächst nicht mehr von einer - den Bedürfnissen der Klägerin gerecht werdenden - Beschulung unter den nach Meinung von Medizinern und Pädagogen notwendigen Bedingungen auszugehen ist. Es ist bisher nämlich offen, ob der Klägerin eine angemessene schulische Bildung nicht auch an einer öffentlichen schulischen Einrichtung zuteilwerden kann, für die kein zusätzliches Schulgeld aufzubringen wäre, wie etwa an einer – von der Klägerin selbst benannten – Hauptschule mit kleinen Klassen und einem ggf. speziellen pädagogischen Konzept in einer der umliegenden im Vergleich zur 40 km vom Wohnort der Klägerin entfernten I. Privatschule in N. näher liegenden Städte, wie zum Beispiel W. , F. , I3. und E. . Bei dieser Überlegung darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beschulung der Klägerin an einer Regelschule möglicherweise schon aufgrund ihrer Körperbehinderung unter Hinzuziehung eines Integrationshelfers erfolgen dürfte, was die Berichte von Prof. Dr. med. S1. , Frau U. , Leiterin der GATA der T2. schule S2. sowie der Integrationshelferinnen zumindest eindrücklich nahe legen. In den Blick zu nehmen ist dabei schließlich auch, dass § 35a SGB VIII allenfalls einen Anspruch auf eine angemessene schulische Förderung und nicht auf optimale Hilfe verschafft.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. März 2010 – 12 A 1239/09 –, juris Rn. 8 mit Verweis auf das Urteil vom 4. Februar 2009 - 12 A 255/08 - juris.
72d. Zudem dürfte es für einen Anspruch aus § 35a Abs. 1 SGB VIII auf Übernahme der Kosten der Beschulung durch die I. Privatschule N. auch an der Geeignetheit der Maßnahme fehlen. Dass eine Mitarbeiterin des Jugendamtes der Beklagten diese Schule gerade als geeignete Schule für die Klägerin genannt haben soll, bindet – ungeachtet der Darstellung der Beklagten, die I. Privatschule N. als mögliche Schule zwar genannt zu haben, ohne aber anderweitige Schulen auszuschließen und sie als allein zur Verfügung stehende Schule hervorzuheben – dies weder die Beklagte noch das Gericht. Diese Einschätzung wird letztlich bestätigt durch die Berichte der I. Privatschule N. . Denn bezogen auf beide (unterstellten) seelischen Störungen im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, bietet die I. Privatschule N. ausweislich der Berichte vom 11. Februar 2016 und vom 18. Juli 2016 selbst trotz der geringen Klassenstärke keine auf die Bedürfnisse der Klägerin im Einzelnen abgestimmte Hilfe zur angemessenen Schulbildung, da sowohl die Probleme in sozialer Hinsicht als auch bezogen auf die Aufmerksamkeitsstörung der Klägerin in nicht wesentlich geringerem Maße als bisher fortbestehen. So heißt es in den Berichten, die Klägerin habe Probleme, Anschluss zu finden, da sie unfähig sei, soziale Kontakte zu knüpfen, bzw. ihre Fähigkeit altersgerechte, soziale Kontakte zu knüpfen, sei immer noch stark eingeschränkt. Die Klägerin habe trotz der aktuellen sehr geringen Klassenstärke enorme Schwierigkeiten, sich im Unterricht und während der Hausaufgabenbetreuung zu konzentrieren. Die Konzentrationsspanne der Klägerin sei sehr gering. Sie lasse sich massiv durch das Geschehen im Unterricht ablenken, nutze jede Gelegenheit sich selber und andere abzulenken. Es falle ihr sehr schwer, im Unterricht aufmerksam zu bleiben, sie „drifte“ gerne ab und könne ihr Leistungsvermögen/Potential nicht komplett zeigen. Sie müsse ständig angehalten werden aufmerksam zu sein. In der 1:1 Betreuung neben dem Unterricht könne sie sich deutlich länger konzentrieren und zeige hier auch eine gute Lernbereitschaft und Ausdauer. Inwieweit sich die Einschränkungen der Klägerin bei einer Beschulung auf einer öffentlichen Regelschule verschärfen würden, ist wie bereits dargelegt, mangels anderweitigen Erkenntnissen bislang rein spekulativ.
732. Selbst wenn man die Zuständigkeit der Beklagten wegen der Regelung des § 14 SGB IX auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 53 ff SGB XII annehmen wollte, ist ein Anspruch der Klägerin darauf gründend nicht gegeben, weil Gegenstand der Eingliederungshilfe bei körperlicher Behinderung nicht die Übernahme der Kosten der Beschulung auf einer Privatschule sein kann,
74vgl. BSG, Urteil vom 15. November 2012 – B 8 SO 10/11 R – juris Rn. 15 ff.
753. Indes könnte einem – unterstellt gegebenen – Anspruch der Klägerin nach § 35a SGB VIII die Regelung des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII nicht entgegen gehalten werden, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach dem SGB VIII vorgehen. Zwar wäre ein gegebenenfalls neben dem Anspruch auf Hilfe nach § 35a SGB VIII bestehender Anspruch auf Eingliederungshilfe wegen körperlicher Behinderung nach den §§ 53 ff. SGB XII nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII – bei Leitungskonkurrenz – vorrangig. Der – bei Leistungskonkurrenz – gegebene Vorrang des – unterstellten – Anspruchs würde aber auf der Ebene der Verpflichtung zum Hilfebegehrenden nicht eine Freistellung des nachrangig verpflichteten Trägers, hier der Beklagten als Jugendhilfeträger, und eine alleinige Zuständigkeit des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers, hier des Sozialhilfeträgers, bewirken. Denn Maßnahmen der Eingliederungshilfe sind bezogen auf den streitigen Zeitraum durch letzteren nicht erbracht worden. Deshalb bestünde der Anspruch der Klägerin nach § 35a SGB VIII auch für den Fall, dass ihr noch zusätzlich ein Hilfeanspruch wegen körperlicher Behinderung nach § 53 SGB XII zustehen sollte. Ein möglicher Nachrang hat keine Auswirkung auf das Leistungsverhältnis zwischen der Klägerin als Hilfebegehrender und der Beklagten als Jugendhilfeträger, sondern erst für die Frage der Kostenerstattung zwischen dem Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger,
76vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 5 C 26/98 –, juris Rn. 14.
774. Da es an den Voraussetzungen nach §§ 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 35a Abs. 1 SGB VIII im Hinblick auf die Übernahme der Kosten für die Beschulung der Klägerin auf der I. Privatschule N. fehlt, scheidet – ungeachtet dessen, dass die Beklagte über den diesbezüglichen Antrag in ihrem Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid nicht entschieden hat – auch ein Anspruch auf Übernahme der schultäglichen Taxifahrtkosten aus. Hinzu kommt, dass die Klägerin zur Begründung dieses Anspruchs ausschließlich vorträgt, sie sei aufgrund ihrer Körperbehinderung nicht in der Lage, den Schulweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen.
78II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 154 Abs. 3, § 188 Satz 2 HS 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da dieser keinen Antrag gestellt und damit selbst kein Kostenrisiko eingegangen ist.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 25. Okt. 2016 - 19 K 4601/15
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(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des beigeladenen Landes, das seine Kosten selbst trägt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, nicht in Frage.
3Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass es an der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des mit dem Eilantrag verfolgten Anspruchs fehlt.
4Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
51. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
62. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
7Vorliegend ist zwar entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer seelischen Störung anzunehmen. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die attestierte „Emotionale Störung des Kindesalters“, wobei der Senat davon ausgeht, dass es sich bei der Angabe „ICD-10 F98.8“ um ein Schreibversehen der Kinder- und Jugendlichenpsychiaterin C. -T. handelt, da nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) „Emotionale Störungen des Kindesalters“ unter der Kodierung F93 kategorisiert sind.
8Zur Bedeutung der ICD-10-Kategorisierung vgl. auch: OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2010
9- 12 B 105/10 -, juris.
10Ob auch die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität eine Abweichung der seelischen Gesundheit i.S.d. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII darstellt,
11für die einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10 F90.0) ohne Hinzutreten weiterer (sekundärer) seelischer Störungen verneinend etwa: OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; Beschluss vom 2. März 2010 - 12 B 105/10 -, juris, jew. m.w.N.,
12kann offen bleiben. Zwar hat die Antragstellerin mit der Beschwerde hinreichend glaubhaft gemacht, dass sowohl die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität als auch die emotionale Störung des Kindesalters selbständige, nicht im Zusammenhang mit der bei ihr diagnostizierten Kleinhirnhypoplasie stehende Erkrankungen sind, die Antragstellerin hat aber das Vorliegen einer auf diesen seelischen Störungen beruhenden (drohenden) Teilhabebeeinträchtigung nicht hinreichend dargelegt.
13Die Einschätzung, ob eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, fällt in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juli 2011
15- 12 A 1168/11 -, juris, und vom 15. Oktober 2014
16- 12 B 870/14 -, juris, jew. m.w.N.
17Hierbei ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014
19- 12 A 659/14 -, juris; Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 12 B 870/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 12 CE 12.2104 -, juris, m.w.N.
20Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträch-tigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, juris, vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, juris, und vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -, juris; Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris, jew. m.w.N.
22Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispiels-weise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris, m.w.N.
24Geht es - wie im Fall der Antragstellerin - um die Würdigung der aus dem Schulbesuch erwachsenden Belastungssituation eines Kindes oder Jugendlichen, sind Stellungnahmen der beteiligten Lehrkräfte regelmäßig ein gewichtiges Entscheidungskriterium, weil sie einen pädagogisch reflektierten Einblick „aus erster Hand“ vermitteln.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2015
26- 12 B 598/15 -.
27Dies zugrunde gelegt besteht gegenwärtig keine überwiegende, geschweige denn hochgradige Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Beschulung auf der I. -Schule in N. hat.
28Zunächst kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin aufgrund der bei ihr diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörung bis zum Schulwechsel an ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im von § 35a SGB VIII geforderten Maße beeinträchtigt war. Dem Schulbericht der S. -I1. -Schule vom 7. Januar 2015 lässt sich insoweit entnehmen, dass die Antragstellerin ihr Konzentrationsvermögen habe steigern können, wobei sie immer wieder daran habe erinnert werden müssen, sich nicht vom Geschehen innerhalb der Klasse ablenken zu lassen; es sei vorgekommen, dass sie vor sich hin geträumt habe. Im Bericht des Vereins zur G. in S1. e.V. vom 25. August 2015 heißt es zum Verhalten der Antragstellerin bei der Hausaufgabenerledigung im Rahmen der Offenen Ganztagsbetreuung, dass die Antragstellerin bei der Erledigung der Hausaufgaben eine auffällige Konzentrationsschwäche gezeigt habe. Alles, was sie in irgendeiner Weise habe ablenken können, sei ihr willkommen gewesen. Die Hausaufgaben habe sie in der dafür vorgesehenen Zeit nie vollständig erledigen können. Diesen Berichten kann aber nicht entnommen werden, dass diese Konzentrationsprobleme bei der Antragstellerin ein Ausmaß erreicht hatten, das an die oben beispielhaft genannten Beeinträchtigungen heranreichte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin die Teilnahme am Unterricht oder die Erledigung ihrer Hausaufgaben verweigert hat; vielmehr führt der Schulbericht vom 7. Januar 2015 aus, dass die Antragstellerin den gesamten Unterricht mit teilnehmendem Interesse verfolgt habe. Dies wird auch durch die Darstellung in der Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015, dass die Antragstellerin bei der Hausaufgabenbewältigung Wutanfälle bekomme, um sich schlage und Angst vor Misserfolgen habe, nicht in Frage gestellt, da auch nach diesem Verhalten nicht von einer Schul- oder Leistungsverweigerung oder gleichzustellenden Schwierigkeiten auszugehen ist. Auch die von der Antragstellerin erzielten Noten von „gut“ bis „ausreichend“ sprechen gegen gravierende schulische Probleme im oben dargestellten Sinne. Dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Probleme im Umgang mit anderen Schülerinnen und Schülern auf die Aufmerksamkeitsstörung zurückzuführen sein könnten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
29Eine auf der Aufmerksamkeitsstörung der Antragstellerin beruhende Teilhabebeeinträchtigung ist im Rahmen der allein möglichen Prognose auf der Grundlage der bisherigen Verhältnisse jedoch auch für die Zukunft, insbesondere für einen Besuch einer weiterführenden Regelschule, nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998
31- 5 C 38.97 -, juris,
32zu erwarten. Dass sich die Konzentrationsschwierigkeiten der Antragstellerin in einer Regelschule mit einer größeren Klassenstärke in einem Maße verstärken würden, dass die oben dargestellte Schwelle erreicht würde, kann nicht mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Soweit die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015 angibt, dass bei einer Klassenstärke von über 28 Kindern der massiven Aufmerksamkeitsstörung der Antragstellerin nicht Rechnung getragen werden könne, Störungen im Lern- und Leistungsbereich, Versagensängste, Schul- und Lernverweigerung „sicher zu erwarten“ seien, mutet dies - unabhängig davon, dass die Feststellung der Beeinträchtigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGBVIII grundsätzlich nicht Gegenstand der Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII ist -,
33vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2010
34- 12 A 1237/09 -, juris,
35vor dem Hintergrund, dass die Konzentrationsprobleme der Antragstellerin sich nach den vorliegenden Unterlagen in der größeren Gruppe der Offenen Ganztagsbetreuung und der wohl eher ablenkungsträchtigen Situation der Hausaufgabenerledigung nicht als wesentlich stärker als in der kleinen Lerngruppe der Förderschule dargestellt haben, zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend spekulativ an. Das gleiche gilt für die Annahme der Antragstellerin, bei einer Klassenstärke, wie sie in einer Regelschule üblich sei, würde sie in ihrer Konzentrationsfähigkeit erheblich gestört, wodurch zwangsläufig ihre Leistungen drastisch abfallen und letztlich eine Leistungsverweigerung entstehen würde. Soweit in den vorgelegten ärztlichen und psychologischen Stellungnahmen davon ausgegangen wird, dass die Antragstellerin unbedingt eine kleine Lerngruppe benötige und aufgrund der hohen Klassenstärke keine staatliche Schule besuchen könne, wird diese Annahme bereits dadurch erheblich in Zweifel gezogen, dass die Klassenlehrerin der Antragstellerin - als die Person, die die Antragstellerin unmittelbar im schulischen Umfeld erlebt hat - nach deren eigenen Angaben den Besuch einer Gesamtschule empfohlen hat.
36Ebenso kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin aufgrund der diagnostizierten Emotionalen Störung des Kindesalters an einer Teilhabebeeinträchtigung leidet bzw. von einer solchen bedroht ist. Den vorgelegten Unterlagen lässt sich schon nichts Konkretes zu dieser seelischen Beeinträchtigung der Antragstellerin, ihren Symptomen und Auswirkungen entnehmen. Soweit die Gutachten so zu verstehen sein sollten, dass die beschriebenen Kontakt- und Kommunikationsschwierigkeiten der Antragstellerin Ausdruck der Emotionalen Störung des Kindesalters - und nicht lediglich fehlender Erfahrung und Übung im Umgang mit Gleichaltrigen - sein sollten, ist aber ebenfalls keine (drohende) Teilhabebeeinträchtigung festzustellen. Im Schulbericht vom 7. Januar 2015 ist ausgeführt, dass die Antragstellerin ein überwiegend gut gelauntes und fröhliches Mädchen sei, das sich ihren Lehrerinnen und Mitschülern gegenüber meist freundlich verhalte. Von einer anfangs eher zurückhaltend abwartenden Haltung habe die Antragstellerin Fortschritte darin machen können, von sich aus Kontakte aufzunehmen und teilweise auch einzufordern. Zu einigen MitschülerInnen habe sie einen guten Kontakt aufgebaut, so dass sie sich manchmal auch außerhalb der Schule mit ihnen treffe. Häufig erzähle sie auch von Freundinnen, die sie aus anderen sozialen Zusammenhängen kenne. Soweit die Antragstellerin hierzu vorträgt, dass der Kontakt in der Schule sich auf ein Mädchen mit Asperger-Syndrom und einen stark verhaltensauffälligen Jungen konzentriert habe, können diesem Vorbringen - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags, dass in der Klasse der Antragstellerin neben einem Mädchen (offenbar dem genannten) nur Jungen mit Verhaltensauffälligkeiten gewesen seien - keine Rückschlüsse auf Probleme bei der Sozialintegration der Antragstellerin entnommen werden. Die von der Antragstellerin geschilderten Schwierigkeiten, an Freizeitaktivitäten mit Gleichaltrigen teilzunehmen, stellen sich nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin als aus ihrer körperlichen Behinderung resultierend dar. Sie hat aber nach eigenen Angaben durchaus - wenn auch wenige - private Kontakte zu gleichaltrigen Kindern.
37Es kann aus den vorliegenden Unterlagen auch nicht mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Antragstellerin insoweit bei dem Wechsel auf eine Regelschule mit größeren Klassen eine Teilhabebeeinträchtigung droht. Soweit in der Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015 angenommen wird, dass der Aufbau von sozialen Kontakten innerhalb einer größeren Gruppe für die Antragstellerin nicht möglich sei, wird dies durch die Stellungnahme des Vereins zur Förderung der Über-Mittag-Betreuung in S1. e.V. vom 25. August 2015 in Frage gestellt, nach der die Antragstellerin in der Situation der Offenen Ganztagsbetreuung jedenfalls Kontakt zu einem anderen Mädchen aufgebaut hat. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorträgt, dass es an der Sprachförderschule kein soziales Umfeld mit positiven Vorbildern gegeben habe, könnte sich insoweit die Situation durch den Besuch einer Regelschule unter Umständen sogar entspannen.
38Gegen eine drohende Teilhabebeeinträchtigung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass das Schulamt für die Stadt E. eine sonderpädagogische Förderung der Antragstellerin generell nicht mehr für notwendig erachtet hat, wie aus dem Bescheid vom 31. März 2015 hervorgeht, demgemäß die Antragstellerin „ab 01.08.15 eine allgemeine Schule besuchen“ kann. Dem liegt zugrunde, dass die S. -I. -Schule, nachdem der Förderbedarf im Schwerpunkt „Sprache“ bei der Antragstelle-rin entfallen war, einen Wechsel des Förderschwerpunkts nicht für notwendig erachtet hat; anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke - Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung - AO-SF). Insofern lag nach der fachlichen Einschätzung der Förderschule kein anderweitig in Betracht kommender sonderpädagogischer Förderbedarf bei der Antragstellerin vor, wobei nach dem diagnostizierten Behinderungsbild der Antragstellerin namentlich auch an den Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung zu denken ist (§ 4 Abs. 4 AO-SF). Wenn bei der Antragstellerin aber auch in diesem Bereich keine gravierenden Einschränkungen vorliegen, die durch sonderpädagogische Förderung auszugleichen bzw. abzumildern sind, deutet das eher darauf hin, dass eine adäquate Teilhabe auch im Falle eines Regelschulbesuchs gewährleistet ist.
39Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
40Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Es fehlt bereits an der hinreichenden Bezeichnung eines Zulassungsgrundes i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 - 5 VwGO, aus dem die Berufung zugelassen werden soll. Mit Blick auf die den Rechtsmittelführer treffende Darlegungsobliegenheit des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO und die vom Gericht zu wahrende Neutralität ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, ein im Stil einer Berufungsbegründung gehaltenes Vorbringen im Interesse des jeweiligen Rechtsmittelführers dahingehend zu untersuchen, ob und ggfs. inwieweit das einzelne Vorbringen einem oder möglicherweise auch mehreren in Betracht kommenden Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 VwGO zugeordnet und damit die Darlegungsobliegenheit erfüllt werden kann.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2012
5- 12 A 2994/11 -, juris.
6Will man unter Rückstellung aller Bedenken annehmen, der Kläger hätte mit noch ausreichender Klarheit zumindest den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemacht, ist der Berufungszulassungsantrag unbegründet.
7Das Vorbringen des Klägers vermag die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, eine Teilhabebeeinträchtigung i. S. d. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII liege nicht vor, nicht durchgreifend in Zweifel zu ziehen.
8Soweit der Kläger vorträgt, dass die ihn behandelnden Ärzte zu dem sicheren Ergebnis gekommen seien, dass eine Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach den Befunden zu erwarten sei, begründet dies bereits deshalb keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, weil die Frage der Teilhabebeeinträchtigung grundsätzlich nicht Gegenstand der Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII ist,
9vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2010
10- 12 A 1237/09 -, juris,
11sondern in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe fällt.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juli 2011
13- 12 A 1168/11 -, juris, und vom 15. Oktober 2014
14- 12 B 870/14 -, juris, jew. m.w.N.
15Konsequenterweise stellt die Stellungnahme der W. Kinder- und Jugendklinik E. vom 8. Juli 2013 eine Teilhabebeeinträchtigung auch gerade nicht fest, sondern enthält nur die Annahme, dass diese „zu erwarten“ sei.
16Auch das weitere Vorbringen des Klägers führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass eine Teilhabebeeinträchtigung nicht bestehe. Die geschilderten, nach Angaben des Klägers zum Teil auf das Absetzen seines Medikaments zurückzuführenden Verhaltensweisen - positive Reaktion auf selbstgefährdendes Verhalten von Mitschülerinnen, die Weigerung, Schulbenachrichtigungen seinen Eltern vorzulegen, unvollständige Erledigung von Hausaufgaben und das Vergessen dieser, die Vorstellung, das Tagespraktikum zu Hause als „Hausfrau“ zu absolvieren, Angst vor Dunkelheit, Spinnen und Verkleidungen, das Sammeln und Verstecken von Lebensmittelresten und Müll, das Entwenden von Geld aus der Spar-dose seiner Mutter, das vermeintlich vorsätzliche Anzünden von Schulheften sowie Selbstverletzungen in Form von Haareausreißen und Kratzen - führen nicht zu der Annahme, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Klägers vorliegt oder eine solche droht. Das Verhalten des Klägers stellt sich auch insoweit weder als totale Schul- und Lernverweigerung noch als Rückzug aus jedem sozialen Kontakt, Vereinzelung oder ähnlich schwerwiegende Beeinträchtigung dar.
17Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26. November 1998
18- 5 C 38.97 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris, m.w.N.
19Insbesondere lässt sich der Bearbeitung der vorgelegten Leistungsnachweise durch den Kläger gerade nicht entnehmen, dass dieser die Erbringung der von der Schule erwarteten Leistungen vollständig verweigert. Auch die Aufgabe der Tätigkeit im Leichtathletikverein und die nach Angaben des Klägers eingeschränkte Teilnahme an Tätigkeiten als Messdiener vermögen angesichts der durch das Vorbringen des Klägers nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Integration des Klägers in die Klassengemeinschaft keine (drohende) Vereinzelung des Klägers aufzuzeigen.
20Soweit der Kläger schließlich pauschal auf früheren Vortrag im erstinstanzlichen Klageverfahren Bezug nimmt, entspricht dies ersichtlich nicht den Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
21Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
22Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem unter dem Aktenzeichen 11 K 1327/14 beim Verwal-tungsgericht Arnsberg anhängigen Hauptsacheverfahren Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII in Form einer ABA-Therapie in dem aus dem Antrag der Mutter des Antragstellers vom 24. Oktober 2013 hervorgehenden Umfang zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, weil der Antragsteller mit seinem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Prüfung zugrundezulegenden Beschwerdevorbringen glaubhaft gemacht hat, dass die erneute Aufnahme einer bereits in der Vergangenheit mit Mitteln der Jugendhilfe finanzierten ABA (Applied Behavior Analysis)-Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII bedarfsgerecht und unaufschiebbar ist.
3Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies erfordert die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
4Wird mit der begehrten Regelung die Hauptsache vorweggenommen, gelten gesteigerte Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, indem ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen muss, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1344, juris; Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258, juris, und vom 14. Dezember 1989 - 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15, juris; OVG NRW, Beschlüs-se vom 27. Januar 2014 - 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014 - 12 B 1478/13 -, juris, Beschlüsse vom 14. Februar 2013 - 12 B 107/13 -, juris, vom 27. Juni 2012 - 12 B 426/12 -, juris, vom 21. Februar 2011 - 13 B 1722/10 -, juris, vom 8. Januar 2010
6- 19 B 1004/09 -, NWVBl 2010, 328, juris, und vom 16. März 2007 - 7 B 134/07 -, NVwZ-RR 2007, 661, juris.
7Überdies kommt eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in Betracht, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014
9- 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014
10- 12 B 1478/13 -, juris, vom 14. Juni 2012
11- 12 B 433/12 -, juris, vom 29. September 2011
12- 12 B 983/11 -, juris, und vom 20. Januar 2010
13- 12 B 1655/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, juris, m. w. N.
14Diese Voraussetzungen für eine zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache liegen in beiderlei Hinsicht vor, soweit der Antragsteller die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form einer ABA-Therapie begehrt.
15Der Senat sieht es als hochgradig wahrscheinlich an, dass der Antragsteller die Bewilligung dieser Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII beanspruchen kann.
16Insoweit setzt § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass
171. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
182. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
19Bei kumulativem Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer „seelischen Behinderung“ aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
20Nach Lage der Akten spricht zunächst deutlich Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller - unbeschadet der Frage des Vorliegens weiterer Diagnosen - jedenfalls am Asperger-Syndrom und damit an einer seelischen Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII leidet. Das Asperger-Syndrom ist erstmals offenbar in 2005 und sodann über etliche Jahre hin mehrfach wiederholt für den Antragsteller fachärztlich diagnostiziert worden, so in der jüngeren Vergangenheit durch das Klinikum der K. X. H. -Universität G. (vgl. die Berichte vom 22. Dezember 2011 und vom 5. Juni 2012), den Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. T. (vgl. die Stellungnahme vom 13. März 2013) und das krankenhaus I. (vgl. den Entlassungsbrief vom 12. September 2013 und den Bericht vom 10. Dezember 2013). Demgegenüber fällt bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht entscheidend ins Gewicht, dass die vereinzelt gebliebene - und mittlerweile auch schon vier Jahre zurückliegende - fachärztliche Einschätzung der Kinder- und Jugendklinik E. zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, zumal die seinerzeit durchgeführte Diagnostik zum Teil durchaus Hinweise auf das Vorliegen einer Störung aus dem Autismusspektrum erbracht hatte (vgl. S. 6 f. des Befundberichts vom 24. September 2010). Substantielle Einwendungen gegen die mutmaßliche Richtigkeit der Asperger-Diagnose, die - wie dargelegt - wiederholt bestätigt worden ist, hat der Antragsgegner nicht erhoben. Die vormals in dem unter dem Aktenzeichen F vor dem Amtsgericht M. geführten familiengerichtlichen Verfahren - allerdings ohne Darlegung eigener medizinischer Beurteilungskompetenz - artikulierten Bedenken des Antragsgegners gegen die Aussagekraft der aus den Jahren 2005/2006 stammenden ärztlichen Unterlagen (vgl. seine Stellungnahme vom 25. September 2012) sind schon angesichts der o. a. jüngeren Erkenntnisse als überholt anzusehen.
21Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist auch von einer durch die seelische Erkrankung hervorgerufenen Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers auszugehen.
22Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, an die § 35a Abs. 1 SGB VIII anknüpft, ist gekennzeichnet durch die aktive, selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den das Kind oder den Jugendlichen betreffenden Lebensbereichen wie Familie, Schule/Ausbildung und Freizeit (Freundes- bzw. Bekanntenkreis), wobei eine Störung der Teilhabe bereits dann vorliegt, wenn sich die Störung in einem der Lebensbereiche auswirkt.
23Vgl. ThürOVG, Beschluss vom 10. Juni 2009 - 3 EO 136/09 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. Juli 2012 - 12 ZB 11.1742 -, juris, und Urteil vom 23. Februar 2011 - 12 B 10.1331 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 7 K 623/12 -, juris; v. Koppenfels-Spies, jurisPK-SGB VIII, 1. Auflage 2014, § 35a Rn. 37; Wiesner, in: ders., SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 35a Rn. 19; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 11; Vondung, in: LPK-SGB VIII, 5. Auflage 2014, § 35a Rn. 19; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand VI/14, § 35a Rn. 29; Kunkel, JAmt 2007, 17 (18).
24Eine (zu erwartende) Beeinträchtigung der Teilhabe setzt voraus, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010 - 12 A 1237/09 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris.
26Während die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, fällt die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
27Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 34, 48; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 13.
28Dieser muss, weil er möglichst den gesamten Hilfebedarf abzudecken hat, der durch eine seelische Behinderung hervorgerufen wird, alle von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche in den Blick nehmen.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
30- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris.
31Hierbei ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 12 CE 12.2104 -, juris, m. w. N.
33Ausgehend von diesen Grundsätzen spricht viel dafür, dass der Antragsgegner eine Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers zu Unrecht ausgeschlossen hat. Eine solche Beeinträchtigung, die beim Asperger-Autismus aufgrund des spezifischen Profils dieser seelischen Störung ohnehin nahe liegt,
34vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Januar 2013 - 7 B 11154/12 -, JAmt 2013, 213, juris,
35dürfte jedenfalls im Lebensbereich der Familie bestehen, mit dem sich der Antragsgegner in seinem Ablehnungsbescheid vom 17. April 2014 nicht konkret befasst hat.
36Dass der Antragsteller ein beträchtliches Aggressions- und Konfliktpotential aufweist, welches sich in auffälliger Weise im familiärem Umfeld gegenüber dem jüngeren Bruder D. und der Mutter Bahn bricht und eine adäquate Teilnahme am Familienleben massiv beeinträchtigt, ist aus einer Vielzahl von ärztlichen und pädagogischen Stellungnahmen in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners abzuleiten. Hervorzuheben sind in diesem Kontext die folgenden Passagen:
37- Verlaufsbericht der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2010: „Seit einiger Zeit ist aber vermehrt erkennbar, dass K1. zunehmend provokativ und abwehrendes Verhalten zeigt - sowohl seinem Bruder als auch seiner Mutter gegenüber.“ - „Die familiäre Situation ist weiterhin sehr angespannt. … Beide Kinder provozieren sich gegenseitig immer stärker, so dass bereits kleinere Situationen zur Eskalation führen können. Diese gegenseitige Abwehr führt häufig zu extremen Krisen.“
38- Verlaufsbericht der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen vom 21. März 2011:„K1. lebt seit Mai 2010 wieder bei seiner Mutter und seinem Bruder. Seitdem zeigt K1. zunehmend mehr Auffälligkeiten, vor allem durch seinen starken Macht- und Kontrollzwang. Er versucht immer wieder mit allem Mitteln die Oberhand zu behalten und vor allem gegenüber D. sich mit seinen Bedürfnissen durchzusetzen. Zunehmend gestaltete sich das Zusammenleben vor allem mit seinem Bruder sehr schwierig und ist kaum noch händelbar. … Jedoch ist er noch nicht dazu in der Lage, sich im normalen Familienleben zu integrieren und sich an familiäre Regeln und Grenzen zu halten. Außerhalb der Familie zeigt K1. wenig negatives Verhalten.“ - „Dies zeigt wieder sehr deutlich, dass er in belastenden oder überfordernden Situationen seine ‚Wut‘ gegen ihm vertraute Personen richtet. K1. hat gelernt, diese Situationen bewusst zu steuern, so dass er außerhalb der Familie nicht in negative Verhaltensweisen fällt. … Seine stark impulsgesteuerten Reaktionen (Schreien, Beschimpfen, Schlagen, etc.) kann und muss er schließlich im gewohnten, vertrauten Umfeld entladen, da er dem Druck nicht gewachsen ist.“ - „Insgesamt ist die familiäre Situation weiterhin sehr angespannt.“ - „Bereits im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass gemeinsame Zeiten (z. B. bei den Mahlzeiten) der Kinder in der Regel zur Eskalation führten. Häufig endeten gegenseitige Provokationen im gegenseitigen ‚Zerstören‘“.
39- Bericht des Klinikums der K. X. H. -Universität G. vom 22. Dezember 2011: „Im Vordergrund der Schwierigkeiten, die die Mutter schildert, steht weiterhin das sehr aggressive Verhalten zuhause, das offensichtlich schon im Vorschulalter zu einer stationären kinderpsychiatrischen Behandlung geführt hat. … Durch die Trennungssituation und den Sorgerechtsstreit mit dem Vater sowie auch den offensichtlichen Wegfall von externen Hilfen ist die Situation akut erneut eskaliert. … Im weiteren Verlauf verschlechterte sich das Verhalten von K1. zuhause, indem er sowohl die Mutter als auch den Bruder aggressiv anging, so dass eine zeitnahe Aufnahme auf die Kinderstation in unserer Klinik geplant wurde.“
40- Bericht des Klinikums der K. X. H. -Universität G. vom 5. Juni 2012: „K1. kommt mit seiner Mutter zur elektiven Aufnahme auf unsere Kinderstation. Es gebe zu Hause heftige aggressive Impulsdurchbrüche gegenüber dem jüngeren Bruder D. . Auslöser seien meist Kleinigkeiten. Seit D. Geburt seien die Impulsdurchbrüche ein Problem, jedoch hätten diese in den letzten Wochen zugenommen und auch eine andere Qualität erreicht. Zuletzt habe K1. dabei in einem Erregungszustand durch eine verschlossene Tür eine Heckenschere gerammt.“ - „Nachdem auf Station insgesamt wenig Problemverhalten - gerade auch in der Interaktion mit dem Bruder - beobachtet werden konnte, sehen wir die bestehenden Schwierigkeiten zu Hause vermutlich mit durch die familiäre Dynamik verstärkt, d. h. K1. scheint zu Hause zum einen auf den Bruder fokussiert zu sein, zum anderen spielt sicher auch die Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung des Bruders eine Rolle sowie die psychische Belastung der Mutter durch die Konflikte der Geschwister untereinander und den Scheidungskrieg mit gerichtlichen Auseinandersetzungen.“
41- Stellungnahme des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. T. vom 13. März 2013: „Die Mutter stellte K1. gemeinsam mit einer ABA-Co-Therapeutin zur weiteren Behandlung vor. K1. sei zu Hause vor allem zu seinem jüngeren Bruder D. extrem aggressiv, bereits aus Nichtigkeiten oder Handbewegungen entstünde Streit, wobei K1. seinen Bruder dann trete, schlage, von mehreren Erwachsenen habe festgehalten werden müssen. Er habe Einrichtungsgegenstände zerstört, müsse letztlich wegen dieser Konfliktsituation, unter welcher der Bruder massiv leide, ständig betreut und beaufsichtigt werden. Außerhalb der Familie könne er sich besser anpassen, …“ - „Psychopathologischer Befund: … Er (K1. ) konnte äußern, in dem Gespräch zu sein, ‚weil ich mich streite‘, auf Nachfrage gab er massive aggressive Übergriffe auf seinen jüngeren Bruder zu, konnte jedoch keine Ursache dafür nennen.“
42- Entlassungsbrief des krankenhauses I. vom 12. September 2013: „Die Mutter beschreibt, dass K1. nur im häuslichen Kontext oft sehr aggressiv-impulsiv reagiere. Seine impulsiven Reaktionen seien nicht immer vorhersehbar, teilweise raste er unberechenbar aus. Danach tue ihm sein Verhalten sehr leid. Zu diesen Impulsdurchbrüchen komme es, wenn er sich durch seinen jüngeren Bruder provoziert fühle, oder die Mutter Anforderungen oder Grenzsetzungen an ihn stelle. In anderen Kontexten wie Schule oder dem Fußballverein könne er sich gut kontrollieren, dort habe er gelernt, sich sehr gut anzupassen. K1. selbst beschreibt, dass er dort keine Wut verspüre. Zwischen den Geschwistern sei es auch zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen; als K1. erfahren habe, dass er hier aufgenommen werde, habe er regelrecht gewütet, Gegenstände zerstört und seine Mutter körperlich attackiert.“
43Das so gezeichnete Bild wird nicht durchgreifend dadurch in Frage gestellt, dass es maßgeblich auch auf Schilderungen der Mutter des Antragstellers zurückgeht. Deren Angaben erscheinen glaubhaft und werden nicht zuletzt durch die vorstehend zitierten Einlassungen der von der Lebenshilfe NRW eingesetzten Sozialpädagogischen Familienhilfe gestützt, die über einen eigenen profunden Einblick in die familiären Verhältnisse verfügte. Zweifel an der Richtigkeit des aus mütterlicher Perspektive beschriebenen Sachverhalts werden auch in den diversen ärztlichen Unterlagen nicht geäußert, wobei davon auszugehen ist, dass das Fachpersonal aus seinen praktischen Erfahrungen heraus durchaus in der Lage ist, Übertreibungstendenzen zu erkennen. Soweit das Jugendamt des Antragsgegners in seiner Stellungnahme an das Amtsgericht M. vom 25. September 2012 demgegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, die „Schilderungen über das aggressive Verhalten von K1. bzw. über die Geschwisterrivalität wirken überzogen“, ist keine konkrete Grundlage für diese Einschätzung aufgezeigt worden.
44Weiterhin ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII („und daher ihre Teilhabe … beeinträchtigt ist“) vorausgesetzte kausale Verknüpfung zwischen seelischer Störung und Teilhabebeeinträchtigung gegeben ist. Das Asperger-Syndrom des Antragstellers erscheint jedenfalls als wesentliche Ursache der beschriebenen Problematik, selbst wenn diese durch andere Faktoren (z. B. die Trennung und Scheidung der Eltern und die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung des Bruders) verstärkt wird. Dafür spricht schon der Umstand, dass die spezifisch auf Autismus zugeschnittene ABA-Therapie in dem Entlassungsbrief des Gemeinschaftskrankenhauses I. vom 12. Sep-tember 2013 als probates Mittel herausgestellt wurde, um den „familiären Krisensituationen“ zu begegnen (vgl. S. 4); auf gleicher Linie ist auch von dem Facharzt Dr. T. eine „Fortführung der erfolgreichen ABA-Therapie im häuslichen Umfeld“ für erforderlich erachtet worden (vgl. die Stellungnahme vom 13. März 2013, S. 5).
45Vor diesem Hintergrund dürfte es an dem - aller Voraussicht nach bestehenden - Eingliederungsbedarf des Antragstellers und dessen Genese vorbei gehen, wenn der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung vom 8. August 2014 ausführt, die Einrichtung einer - hier mit Bescheid vom 17. April 2014 bewilligten - Sozialpädagogischen Familienhilfe sei die geeignete Hilfeform für die „häuslichen Erziehungsprobleme der Familie I1. “. Indem der Antragsgegner eine Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers wohl verkannt und seine Hilfeplanung auf Hilfe zur Erziehung eingeengt hat, deutet alles darauf hin, dass eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation verfehlt wurde.
46Es spricht auch nichts Greifbares gegen die Eignung und Erforderlichkeit der ABA-Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe. Dass die Therapie bereits in der Vergangenheit mit Blick auf die Bedarfslage des Antragstellers erfolgreich gewirkt hat, wie aus diversen Berichten und Stellungnahmen hervorgeht, ist vom Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden; insofern erscheint auch unzweifelhaft, dass eine Neuaufnahme dieser Therapie aller Voraussicht nach den gleichen Positiveffekt haben wird. Andere, weniger aufwendige, aber gleichermaßen wirkungsvolle Maßnahmen sind nicht erkennbar. Der Senat geht davon aus, dass der entsprechend früherer Praxis beantragte Therapieumfang nicht unterschritten werden kann, ohne den gewünschten und zu erwartenden Erfolg zu gefährden, zumal andere Anbieter nach der Einführungsphase höhere Stundenkontingente ansetzen (vgl. Institut für Autismusforschung Hans E. Kehrer, Bremer Elterntrainingsprogramm, S. 7; http://ifa-bremen.de/bet-info2011_1.pdf) und der Antragsteller in der Vergangenheit auch in diesem Umfang therapiert worden ist.
47Schließlich steht auch zu befürchten, dass dem Antragsteller ohne die Fortführung der ABA-Therapie schwerwiegende und irreparable Nachteile drohen. Wirksame verhaltenssteuernde Maßnahmen zur Konfliktvermeidung und -bewältigung, die an dem Asperger-Syndrom ansetzen, erscheinen dringend geboten, um die schon seit geraumer Zeit schwer gestörte familiäre Lebenssituation zu verbessern und den Antragsteller zu einer adäquaten Teilhabe an einem friedvolleren Familienleben zu führen. Die bewilligte Sozialpädagogische Familienhilfe kann derartige Maßnahmen nicht ersetzen.
48Dass es neben der ABA-Therapie zwingend auch der weiter streitgegenständlichen „ambulanten Autismustherapie“ bedarf, um dem Eintritt von Nachteilen im vorgenannten Sinne vorzubeugen, hat der Antragsteller hingegen nicht glaubhaft gemacht, so dass es insoweit schon am notwendigen Anordnungsgrund fehlt. Die zugrundeliegende Formulierung im Antrag vom 24. Oktober 2013 („autismusspezifische Therapie mit Schwerpunkt ‚Soziales Kompetenztraining‘“) greift offenbar eine Empfehlung aus dem Entlassungsbrief des krankenhauses I. vom 12. September 2013 auf („Fortführung einer autismusspezifischen Therapie mit dem Schwerpunkt eines sozialen Kompetenztrainings“), ohne dass allerdings deutlich wird, inwieweit - über die ABA-Therapie hinaus - eine weitere an der Autismusproblematik ansetzende Behandlungsform geboten sein sollte. Das angesprochene Ziel einer sozial konformen Anpassung „eigener Verhaltensanteile“ dürfte gerade mittels der ABA-Thera-pie zu verfolgen sein. Auch ist weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus den vorliegenden Verwaltungsvorgängen zu ersehen, dass schon in der Vergangenheit eine zusätzliche parallele Autismustherapie stattgefunden hätte, die nun gleichermaßen „fortgeführt“ werden könnte.
49Soweit die Frage einer Teilhabebeeinträchtigung im schulischen Bereich, der durch eine Schulbegleitung zu begegnen wäre, in Rede steht, spricht aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen Einiges gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs des Antragstellers. Ungeachtet dessen erweist es sich jedenfalls auf der Ebene des Anordnungsgrundes als tragfähig, wenn das Verwaltungsgericht bei der Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf das Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs verwiesen hat. Zumal nachdem jetzt durch Bescheid der Bezirksregierung B. vom 18. September 2014 ein solcher Förderbedarf des Antragstellers (erneut) festgestellt worden ist, besteht nach gegenwärtigem Sachstand keine hinreichende Grundlage dafür anzunehmen, dass der Antragsteller trotz der nunmehr einsetzenden sonderpädagogischen Förderung gravierende und nicht mehr ausgleichbare Nachteile zu gewärtigen hat, wenn er nicht zusätzlich eine schulbegleitende Integrationshilfe erhält. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Einsatz eines Integrationshelfers in dem Gutachten zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs vom 22. Juli 2014 für „unumgänglich“ erachtet wurde, um dem Antragsteller einen „erfolgreichen Schulbesuch ermöglichen zu können“. Weder aus dem Gutachten noch aus anderen in Betracht kommenden Erkenntnisquellen erschließt sich konkret, weshalb es dem Antragsteller auch nur vorläufig nicht zuzumuten wäre, ohne die begehrte Schulbegleitung auszukommen. Schwerwiegende und akute Problemlagen, welche die sofortige Einrichtung einer schulischen Integrationshilfe selbst in Anbetracht der sonderpädagogischen Förderung und der im Gutachten aufgezeigten Möglichkeiten des behinderungsbedingten Nachteilsausgleichs unabdingbar erscheinen lassen könnten, sind nicht ansatzweise zu ersehen. Hinzu kommt, dass die nun aufzunehmende ABA-Therapie, selbst wenn sie zuvorderst an der innerfamiliären Problematik ansetzt, einen allgemeinen positiven Effekt auf problematische Verhaltensmuster des Antragstellers haben dürfte und damit auch gewisse Fortschritte im schulischen Bereich erhoffen lässt.
50Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Angesichts des Verhältnisses von Obsiegen und Unterliegen erscheint eine hälftige Kostenverteilung angemessen.
51Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn er ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vermag zu greifen.
3Namentlich folgen aus dem Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Entscheidungsergebnisses i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es vermag nicht in Frage zu stellen, dass nicht von einer Teilhabebeeinträchtigung des Klägers i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII auszugehen ist, so dass die Leistung von Eingliederungshilfe in Form einer Lerntherapie jedenfalls deshalb nicht in Betracht kommt.
4Der am 1992 geborene Kläger war im Zeitpunkt des Begehrens um Weiterförderung bereits deutlich über 18 Jahre alt und fiel damit nicht mehr als Jugendlicher unter § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII. Deshalb konnte ihm § 35a SGB VIII allein keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe verschaffen, denn diese ist nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ausdrücklich Kindern oder Jugendlichen vorbehalten. Als junger Volljähriger i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII hätte der Kläger Eingliederungshilfe viel-mehr nur beanspruchen können, wenn sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35a Abs. 1 SGB VIII als auch die Anspruchsvoraussetzungen der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 Abs. 1 SGB VIII vorgelegen hätten und die Eingliederungshilfe i. S. v. § 41 Abs. 2 SGB VIII das geeignete und erforderliche Mittel der Wahl gewe-sen wäre, seinen Entwicklungsrückständen entgegenzuwirken.
5Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2014
6-12 E 512/14 -.
7Schon das Vorliegen einer therapiebedürftigen Verzögerung in der Persönlichkeitsentwicklung und der Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung findet in den zum Kläger angelegten Unterlagen der Jahre 2010 ff. keinen hinreichenden Anklang, ist aber weder von der Beklagten noch vom Verwaltungsgericht näher problematisiert worden.
8Anders verhält es sich mit der Teilhabebeeinträchtigung als zwingende Tatbestands-voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe. Zwar hat die Beklagte auf dieses Element der seelischen Behinderung im Verwaltungsverfahren nicht abgestellt und sich im Klageverfahren lediglich dahingehend eingelassen, dass die früher angestellten Diagnosen möglicherweise nicht mehr in vollem Umfang vorlägen und somit die leistungsrechtlich notwendigen Voraussetzungen weggefallen sein könnten. Das Verwaltungsgericht hat indes bereits mit Verfügung vom 7. Januar 2003 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass es an der Darlegung einer Teilnahmebeeinträchtigung fehle, ohne dass die Klägerseite auf diesen Aspekt im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens auch nur annähernd eingegangen wäre.
9Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
10Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris; vom 28. Sep-tember 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98, juris; vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, NVwZ-RR 2010, 59, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -; Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, jeweils m. w. N.
11Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998
13- 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010
14- 12 1237/09 -; OVG Rhein-land-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07-, FEVS 58, 477.
15Vor diesem Hintergrund geben die Feststellungen in der fachärztlichen Stellungnahme des Jugendpsychiaters Dr. med. B. T. vom 19. August 2006 für den Anspruchszeitraum ab Mitte 2012 allein schon mangels der erforderlichen Aktualität nichts Hinreichendes mehr her. Hinzu kommt, dass zwar die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, jedoch in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst einmal in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe fällt.
16Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 34 und 48; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 13.
17Anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich auch voll überprüfbar und besteht auf Seiten des Jugendamtes kein Beurteilungsspielraum.
18Vgl. BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013
19- 12 CE 12.2104 -, juris, m. w. N.
20Mithin kann das Verwaltungsgericht bei einem Beurteilungsausfall auf Seiten der Behörde selbst über das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung entscheiden und
21- wie hier durch den rechtlichen Hinweis vom 7. Januar 2013 - zunächst von sich aus versuchen, die dazu notwendigen Informationen aus dem Lebensbereich des jungen Menschen zu erlangen. Die materiell-rechtliche Darlegungslast für das Vorliegen solcher Verhaltensmuster, die eine rechtsrelevante Teilhabebeeinträchtigung annehmen lassen können, verbleibt insoweit nämlich bei demjenigen, der Eingliederungshilfe beansprucht.
22Auch im Berufungszulassungsverfahren ist jedoch nichts zur sozialen Integration des Klägers in den Lebensbereichen Familie, Schule, Ausbildung und Freundeskreis/Ge-sellschaft vorgetragen worden. Der Kläger irrt, wenn er stattdessen dem Sinne nach geltend macht, die Beweislast liege bei der Beklagten. Ebenso wenig kommt es angesichts der Eigeninitiative des Verwaltungsgerichts darauf an, dass nicht schon die Beklagte von Amts wegen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine Aufklärung des Sachverhalts mit Blick auf das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung versucht hat. Soweit der schon erstinstanzlich fachanwaltlich vertretene Kläger zudem be-haupten will, nicht gewusst zu haben, welche Tatsachen er hätte vortragen müssen, um eine Untersuchung zur Ergründung einer Teilhabebeeinträchtigung zu ermög-lichen, betrachtet der Senat das als bloße Schutzbehauptung. Untauglich ist schließ-lich das Unterfangen, dem Abschlussbericht der Lerntherapeutin W. L. aus Januar 2013 verwertbare Angaben zur sozialen Integrationsfähigkeit des Klägers i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII entnehmen zu wollen, denn dort geht es
23- ebenso wie bei den Zeugnissen - nur um sein Schul- und Lernverhalten. Gleichfalls helfen auch Mutmaßungen über die Motive der Beklagten, der Frage einer Teilhabe-beeinträchtigung nicht weiter nachzugehen, nicht weiter. Dadurch wird ersichtlich kein Weg eröffnet, das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung schlicht zu vermu-ten oder zu unterstellen.
24Nach alledem kommt es auf die vom Kläger im Rahmen der Geltendmachung ernstlicher Zweifel im Übrigen erhobenen Einwendungen letztlich nicht an.
25Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden.
26Soweit der Kläger das Problem aufwirft, inwieweit die Lerntherapie in entscheidender Weise unterbrochen worden ist, so dass die Voraussetzungen einer über das 21. Le-bensjahr hinaus fortgesetzten Hilfe i. S. v. § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nicht vorlie-gen würden, ist die Frage schon nicht entscheidungserheblich.
27In Hinblick auf die Problematik der Teilhabebeeinträchtigung würde eine ordnungs-gemäße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache voraussetzen, dass eine oder mehrere bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für das Berufungsverfahren entscheidungserhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert werden; außerdem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind hier also neben der konkreten Frage auch ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre Klärungsfähigkeit und ihre allgemeine Bedeutung.
28Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124a Rn. 211; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 124a Rn. 54, jeweils m.w.N.
29Hier fehlt es bereits an der deutlichen und voneinander abgrenzbaren Formulierung einer überschaubaren Anzahl klärungsbedürftiger konkreter Fragen. Der Kläger reiht lediglich verschiedene Thesen und Behauptungen aneinander, auf die es teils gar nicht ankommt und die teils auf bloßen tatsächlichen oder rechtlichen Unterstellungen basieren.
30Letztendlich kommt auch eine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen eines Verfahrensmangels nicht in Betracht.
31Einer Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes aus § 86 Abs. 1 VwGO dadurch, dass kein ärztliches Fachgutachten dazu eingeholt worden ist, ob sich die Dyskalku-lie des Klägers „ausgewachsen“ hat, käme keine Entscheidungserheblichkeit zu. Denn maßgeblich für die Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts war die mangelnde Darlegung von - eine Teilhabebeeinträchtigung begründenden - Tatsachen, die eine Wertung der Fachkammer aus sozialpädagogischer Sicht ermöglicht hätten.
32Darauf, inwieweit das Verwaltungsgericht dem Kläger zu Recht den Vorwurf gemacht hat, die letzten Zeugnisse nicht vorgelegt zu haben, kommt es nicht an. An der mangelnden Darlegung der Umstände seines Integrationsverhaltens ändert sich nämlich durch diese Vorhaltung nichts. Die Anforderung ist allerdings im Zusammenhang damit zu sehen, dass Zweck der Eingliederungshilfe nicht allein die schulische Förderung auf dem Niveau der Nachhilfe sein kann, sondern sie maßgeblich den Integrationsmängeln des jungen Menschen - hier als Teil seines Entwicklungsrückstandes i. S. v. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - entgegenwirken muss. Das Verwaltungsgericht hat in den schulischen Erfolgen des Klägers mithin eine bloße Bestätigung dafür gesehen, dass eine Teilhabebeeinträchtigung jedenfalls im Anspruchszeitraum nicht mehr vorgelegen haben kann. Ungeachtet der Zulässigkeit dieser Schlussfolgerung ergibt sich aus den im Verlaufe des Zulassungsverfahrens nachgereichten Zeugnissen, dass das Sozialverhalten des Klägers bezeichnenderweise mit den Notenstufen „befriedigend“ und sogar „gut“ bewertet worden ist.
33Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO.
34Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, vgl. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn er ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vermag zu greifen.
3Namentlich folgen aus dem Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Entscheidungsergebnisses i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es vermag nicht in Frage zu stellen, dass nicht von einer Teilhabebeeinträchtigung des Klägers i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII auszugehen ist, so dass die Leistung von Eingliederungshilfe in Form einer Lerntherapie jedenfalls deshalb nicht in Betracht kommt.
4Der am 1992 geborene Kläger war im Zeitpunkt des Begehrens um Weiterförderung bereits deutlich über 18 Jahre alt und fiel damit nicht mehr als Jugendlicher unter § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII. Deshalb konnte ihm § 35a SGB VIII allein keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe verschaffen, denn diese ist nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ausdrücklich Kindern oder Jugendlichen vorbehalten. Als junger Volljähriger i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII hätte der Kläger Eingliederungshilfe viel-mehr nur beanspruchen können, wenn sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35a Abs. 1 SGB VIII als auch die Anspruchsvoraussetzungen der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 Abs. 1 SGB VIII vorgelegen hätten und die Eingliederungshilfe i. S. v. § 41 Abs. 2 SGB VIII das geeignete und erforderliche Mittel der Wahl gewe-sen wäre, seinen Entwicklungsrückständen entgegenzuwirken.
5Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2014
6-12 E 512/14 -.
7Schon das Vorliegen einer therapiebedürftigen Verzögerung in der Persönlichkeitsentwicklung und der Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung findet in den zum Kläger angelegten Unterlagen der Jahre 2010 ff. keinen hinreichenden Anklang, ist aber weder von der Beklagten noch vom Verwaltungsgericht näher problematisiert worden.
8Anders verhält es sich mit der Teilhabebeeinträchtigung als zwingende Tatbestands-voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe. Zwar hat die Beklagte auf dieses Element der seelischen Behinderung im Verwaltungsverfahren nicht abgestellt und sich im Klageverfahren lediglich dahingehend eingelassen, dass die früher angestellten Diagnosen möglicherweise nicht mehr in vollem Umfang vorlägen und somit die leistungsrechtlich notwendigen Voraussetzungen weggefallen sein könnten. Das Verwaltungsgericht hat indes bereits mit Verfügung vom 7. Januar 2003 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass es an der Darlegung einer Teilnahmebeeinträchtigung fehle, ohne dass die Klägerseite auf diesen Aspekt im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens auch nur annähernd eingegangen wäre.
9Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
10Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris; vom 28. Sep-tember 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98, juris; vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, NVwZ-RR 2010, 59, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -; Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, jeweils m. w. N.
11Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998
13- 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010
14- 12 1237/09 -; OVG Rhein-land-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07-, FEVS 58, 477.
15Vor diesem Hintergrund geben die Feststellungen in der fachärztlichen Stellungnahme des Jugendpsychiaters Dr. med. B. T. vom 19. August 2006 für den Anspruchszeitraum ab Mitte 2012 allein schon mangels der erforderlichen Aktualität nichts Hinreichendes mehr her. Hinzu kommt, dass zwar die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, jedoch in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst einmal in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe fällt.
16Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 34 und 48; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 13.
17Anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich auch voll überprüfbar und besteht auf Seiten des Jugendamtes kein Beurteilungsspielraum.
18Vgl. BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013
19- 12 CE 12.2104 -, juris, m. w. N.
20Mithin kann das Verwaltungsgericht bei einem Beurteilungsausfall auf Seiten der Behörde selbst über das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung entscheiden und
21- wie hier durch den rechtlichen Hinweis vom 7. Januar 2013 - zunächst von sich aus versuchen, die dazu notwendigen Informationen aus dem Lebensbereich des jungen Menschen zu erlangen. Die materiell-rechtliche Darlegungslast für das Vorliegen solcher Verhaltensmuster, die eine rechtsrelevante Teilhabebeeinträchtigung annehmen lassen können, verbleibt insoweit nämlich bei demjenigen, der Eingliederungshilfe beansprucht.
22Auch im Berufungszulassungsverfahren ist jedoch nichts zur sozialen Integration des Klägers in den Lebensbereichen Familie, Schule, Ausbildung und Freundeskreis/Ge-sellschaft vorgetragen worden. Der Kläger irrt, wenn er stattdessen dem Sinne nach geltend macht, die Beweislast liege bei der Beklagten. Ebenso wenig kommt es angesichts der Eigeninitiative des Verwaltungsgerichts darauf an, dass nicht schon die Beklagte von Amts wegen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine Aufklärung des Sachverhalts mit Blick auf das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung versucht hat. Soweit der schon erstinstanzlich fachanwaltlich vertretene Kläger zudem be-haupten will, nicht gewusst zu haben, welche Tatsachen er hätte vortragen müssen, um eine Untersuchung zur Ergründung einer Teilhabebeeinträchtigung zu ermög-lichen, betrachtet der Senat das als bloße Schutzbehauptung. Untauglich ist schließ-lich das Unterfangen, dem Abschlussbericht der Lerntherapeutin W. L. aus Januar 2013 verwertbare Angaben zur sozialen Integrationsfähigkeit des Klägers i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII entnehmen zu wollen, denn dort geht es
23- ebenso wie bei den Zeugnissen - nur um sein Schul- und Lernverhalten. Gleichfalls helfen auch Mutmaßungen über die Motive der Beklagten, der Frage einer Teilhabe-beeinträchtigung nicht weiter nachzugehen, nicht weiter. Dadurch wird ersichtlich kein Weg eröffnet, das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung schlicht zu vermu-ten oder zu unterstellen.
24Nach alledem kommt es auf die vom Kläger im Rahmen der Geltendmachung ernstlicher Zweifel im Übrigen erhobenen Einwendungen letztlich nicht an.
25Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden.
26Soweit der Kläger das Problem aufwirft, inwieweit die Lerntherapie in entscheidender Weise unterbrochen worden ist, so dass die Voraussetzungen einer über das 21. Le-bensjahr hinaus fortgesetzten Hilfe i. S. v. § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nicht vorlie-gen würden, ist die Frage schon nicht entscheidungserheblich.
27In Hinblick auf die Problematik der Teilhabebeeinträchtigung würde eine ordnungs-gemäße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache voraussetzen, dass eine oder mehrere bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für das Berufungsverfahren entscheidungserhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert werden; außerdem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind hier also neben der konkreten Frage auch ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre Klärungsfähigkeit und ihre allgemeine Bedeutung.
28Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124a Rn. 211; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 124a Rn. 54, jeweils m.w.N.
29Hier fehlt es bereits an der deutlichen und voneinander abgrenzbaren Formulierung einer überschaubaren Anzahl klärungsbedürftiger konkreter Fragen. Der Kläger reiht lediglich verschiedene Thesen und Behauptungen aneinander, auf die es teils gar nicht ankommt und die teils auf bloßen tatsächlichen oder rechtlichen Unterstellungen basieren.
30Letztendlich kommt auch eine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen eines Verfahrensmangels nicht in Betracht.
31Einer Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes aus § 86 Abs. 1 VwGO dadurch, dass kein ärztliches Fachgutachten dazu eingeholt worden ist, ob sich die Dyskalku-lie des Klägers „ausgewachsen“ hat, käme keine Entscheidungserheblichkeit zu. Denn maßgeblich für die Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts war die mangelnde Darlegung von - eine Teilhabebeeinträchtigung begründenden - Tatsachen, die eine Wertung der Fachkammer aus sozialpädagogischer Sicht ermöglicht hätten.
32Darauf, inwieweit das Verwaltungsgericht dem Kläger zu Recht den Vorwurf gemacht hat, die letzten Zeugnisse nicht vorgelegt zu haben, kommt es nicht an. An der mangelnden Darlegung der Umstände seines Integrationsverhaltens ändert sich nämlich durch diese Vorhaltung nichts. Die Anforderung ist allerdings im Zusammenhang damit zu sehen, dass Zweck der Eingliederungshilfe nicht allein die schulische Förderung auf dem Niveau der Nachhilfe sein kann, sondern sie maßgeblich den Integrationsmängeln des jungen Menschen - hier als Teil seines Entwicklungsrückstandes i. S. v. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - entgegenwirken muss. Das Verwaltungsgericht hat in den schulischen Erfolgen des Klägers mithin eine bloße Bestätigung dafür gesehen, dass eine Teilhabebeeinträchtigung jedenfalls im Anspruchszeitraum nicht mehr vorgelegen haben kann. Ungeachtet der Zulässigkeit dieser Schlussfolgerung ergibt sich aus den im Verlaufe des Zulassungsverfahrens nachgereichten Zeugnissen, dass das Sozialverhalten des Klägers bezeichnenderweise mit den Notenstufen „befriedigend“ und sogar „gut“ bewertet worden ist.
33Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO.
34Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, vgl. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, nicht in Frage.
3Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es an der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des mit dem Eilantrag verfolgten Anspruchs fehlt. Dabei ist das Verwaltungsgericht von dem zutreffenden Ansatz ausgegangen, dass dem Träger der Jugendhilfe bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Maßnahme ein Beurteilungsspielraum zusteht, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Diese Entscheidung stellt das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses dar, das nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation zu enthalten hat, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die gerichtliche Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob sachfremde Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt wurden.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Januar 2015
5- 12 B 1483/14 -, juris, m. w. N. auch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
6Die Entscheidung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Gestalt einer Schulbegleitung im Umfang von derzeit 20,5 Fachleistungsstunden pro Woche zu gewähren, dürfte diesen Anforderungen genügen. Namentlich spricht auch unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren gewonnenen Erkenntnisse nichts Durchgreifendes dafür, dass die Beschränkung der Schulbegleitung auf diesen Stundenumfang allgemein gültigen fachlichen Maßstäben nicht (mehr) standhielte.
7Geht es - wie im Fall der Antragstellerin - um die Würdigung der aus dem Schulbesuch erwachsenden Belastungssituation eines Kindes oder Jugendlichen, sind Stellungnahmen der beteiligten Lehrkräfte regelmäßig ein gewichtiges Entscheidungskriterium, weil sie einen pädagogisch reflektierten Einblick „aus erster Hand“ vermitteln. Ist bereits eine Schulbegleitung installiert, die - wie hier - von erzieherisch oder pädagogisch qualifizierten Integrationshelfern wahrgenommen wird, gilt Entsprechendes grundsätzlich auch für deren fachliche Äußerungen. Konträre Einschätzungen zur Belastungssituation unterliegen im Streitverfahren der freien Beweiswürdigung des Gerichts.
8Vgl. zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung nur BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 -, NVwZ 2015, 669, juris, m. w. N.
9Dies zugrunde gelegt, besteht gegenwärtig keine überwiegende, geschweige denn hochgradige Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin eine Erhöhung des Stundenumfangs der Schulbegleitung beanspruchen kann.
10Die vorliegenden Äußerungen der Schule zur Notwendigkeit einer vollumfänglichen, auch die Unterrichtsstunden mit pädagogischer „Doppelbesetzung“ erfassenden Schulbegleitung werden in ihrer Aussagekraft durch die vorliegende Stellungnahme des die Integrationshilfe durchführenden D. für den S. -C. Kreis e.V. vom 11. August 2015 jedenfalls insoweit relativiert, dass keine Grundlage für die Annahme besteht, eine Beschränkung der Schulbegleitung auf einen Umfang von 20,5 Wochenstunden, wie derzeit praktiziert, stelle sich bei einer Zahl von 28 Unterrichtswochenstunden aller Voraussicht nach als fachlich unvertretbar dar.
11In ihrer Stellungnahme hat Frau G. -P. für den D. „in Rücksprache mit den Fachkräften Frau X. und Frau I. “ ausgeführt:
12„Aus den Erfahrungen des letzten Schulhalbjahres könnte eine Begleitung in den Fächern Englisch (doppelt besetzt mit Sonderpädagogen), Mathe und Deutsch sinnvoll und nötig sein, da E. an diesen Fächern weniger interessiert ist und die Unterrichtsinhalte für E. schwerer erfassbar waren, als in anderen Fächern. In diesen Unterrichtsstunden musste E. immer wieder zur Ruhe und Mitarbeit aufgefordert und motiviert werden. Auch in der sogenannten „Lernzeit“ (doppelt besetzt), in der die SchülerInnen selbstständig den Wochenplan bearbeiten, war eine intensive Einzelbetreuung notwendig, da E. nicht selbstständig die Arbeiten erledigte und durch auffälliges Verhalten diese Lernzeit störte.
13In den naturwissenschaftlichen Fächern, die E. besonders interessieren, konnte sie dem Unterricht gut folgen und benötigte kaum Schulbegleitung. Auch in Musik, Kunst und Geschichte kam E. laut Aussagen der Fachlehrer ganz gut zurecht.
14Für das nächste Schuljahr könnte das so aussehen, dass E. auch in einigen „doppelt“ besetzten Fächern und in der Lernzeit begleitet werden sollte, aber in einigen Fächern - auch ohne Schulbegleitung - dem Unterricht folgen kann. Die Entwicklung wird sich in den nächsten Wochen zeigen und auch die notwendig werdenden Stunden der Schulbegleitung.
15Der im Juni 2015 mit der Klassenlehrerin, der Mutter und Frau I. aufgestellte „Regelplan“ für E. zeigte in den letzten zwei Wochen bereits Wirkung. E. s auffälliges und störendes Verhalten wurde weniger.
16Eine Vernetzung des Hilfesystems Lehrer, Familie und Schulbegleitung ist wichtig, damit E. ihr „soziales Verständnis“ trainieren kann und eine gleichbleibende Behandlung bei Fehlverhalten erfährt.“
17Die Antragstellerin vermag diesen - grundsätzlich plausibel erscheinenden - Ausführungen nicht entgegenzuhalten, sie beruhten „offensichtlich … nicht auf eigenen Wahrnehmungen“. Dass die Wahrnehmungen der eingesetzten Fachkräfte in die Stellungnahme eingeflossen sind, ergibt sich schon daraus, dass sie ausdrücklich „nach Rücksprache“ mit diesen gefertigt worden ist. Gründe dafür, dass die wiedergegebenen Erfahrungen und Einschätzungen nicht von den beiden beteiligten Fachkräften autorisiert sein sollten, sind nicht erkennbar und werden auch von der Antragstellerin nicht benannt.
18Da von einem regelmäßigen und intensiven fachlichen Austausch mit den beteiligten Lehrkräften der Schule auszugehen ist, können belastbare Aussagen zum Verhalten der Antragstellerin in unbegleiteten Unterrichtsstunden auch von Seiten der Schulbegleitung erwartet werden. Wenn in diesem Zusammenhang in der Stellungnahme des D. vom 11. August 2015 ausgeführt wird, die Antragstellerin habe „in den naturwissenschaftlichen Fächern … dem Unterricht gut folgen“ können und habe „kaum Schulbegleitung“ benötigt, „auch in Musik, Kunst und Geschichte“ (mit dem letztgenannten Fach ist offenbar Gesellschaftslehre gemeint) sei sie „laut Aussagen der Fachlehrer ganz gut zurecht“ gekommen, führt der Einwand der Antragstellerin, ihre Mutter habe „von der Schule bisher völlig gegensätzliche Informationen“ zu ihrem - der Antragstellerin - Verhalten im Unterricht bekommen, jedenfalls nicht dazu, dass die entsprechenden Aussagen in der Stellungnahme der D. als haltlos zu würdigen wären.
19Immerhin spricht nach allen vorliegenden Erkenntnissen durchaus viel dafür, dass das problematische Verhalten der Antragstellerin im Schulunterricht nicht in allen Fächern gleichermaßen ausgeprägt ist. So wurde schon in dem Bericht der vormals eingesetzten Schulbegleiterin A. vom 23. September 2014 darauf hingewiesen, dass die „Anstrengungsbereitschaft“ der Antragstellerin von ihrem Interesse an den Unterrichtsinhalten abhänge. Im Hilfeplangespräch am 29. September 2014 äußerte sich die Klassenlehrerin, Frau I1. , u. a. dahingehend, dass das Verhalten der Antragstellerin bei Fächern, die nicht ihrer „Neigung entsprechen, … besonders schwierig“ sei. Aus dem Protokoll über das weitere Hilfeplangespräch am 10. November 2014 geht die Aussage der Klassenlehrerin hervor, die Antragstellerin arbeite „nach dem Lustprinzip“; auch wenn sie ein grundsätzliches Interesse an einem Fach habe, arbeite sie nur mit, wenn ihr auch die Inhalte zusagten. Ähnliches ergibt sich aus der Stellungnahme des D. (Fr. S1. ) vom 11. Dezember 2014.
20Die im Beschwerdeverfahren eingeholte Stellungnahme der K. -M. -Gesamtschule vom 23. Juni 2015 gibt indes kaum zu erkennen, dass das Problemverhalten der Antragstellerin auch von den jeweiligen Fächern bzw. Unterrichtsinhalten abhängt. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Situation generell verschärft habe und die Antragstellerin nunmehr in sämtlichen Fächern gleichermaßen „schwierig“ agiere, liegen aber nicht vor. Im Gegenteil deutet das letzte Hilfeplangespräch am 20. April 2015 auf eine Entspannung der Problematik hin („Frau I1. schildert, dass bei E. eine sehr starke Veränderung zu beobachten sei. Sie habe sich in den Schulfächern verbessert, bearbeite die ihr gestellten Aufgaben, melde sich im Unterricht und beiße sich weniger in den Arm.“). Diese, bereits vom Verwaltungsgericht angesprochene Entwicklung ignoriert die Beschwerde, wenn sie - offenbar unter inhaltlicher Bezugnahme auf das am 10. November 2014 geführte Hilfeplangespräch - weiterhin geltend macht, es werde „aus den Hilfeplangesprächen sehr deutlich, dass die Antragstellerin mittlerweile sogar Rückschritte in ihrer schulischen Entwicklung macht“.
21In eine positive Richtung weist im Übrigen auch die Aussage des D. in seiner Stellungnahme vom 11. August 2015, wonach der im Juni 2015 mit der Klassenlehrerin, der Mutter der Antragstellerin und der Schulbegleiterin aufgestellte Regelplan in den letzten zwei Wochen bereits Wirkung gezeigt habe und das „auffällige und störende Verhalten“ der Antragstellerin abgenommen habe. Der hiergegen gerichtete Einwand der Beschwerde, es halte einer „fachlichen Einschätzung“ wohl nicht stand, „dass ein einfaches erzieherisches Konzept bei dem komplexen Behinderungsbild der Antragstellerin tatsächlich zu derart schnellen Verbesserungen führen könnte, dass eine Schulbegleitung in dem beantragten Umfang nicht mehr erforderlich wäre“, vernachlässigt, dass der Regelplan nicht isoliert zu betrachten ist, sondern als Bestandteil eines weiterreichenden pädagogischen Konzepts gesehen werden muss, in das Schule, Elternhaus und die Integrationshilfe als Ganzes ineinandergreifend eingebunden sind. Konkrete fachliche Grundsätze, die dagegen sprechen, dass ein Instrument wie das des Regelplans bei einer Behinderung aus dem Autismusspektrum unter diesen Vorzeichen schon kurzfristig Erfolge zeitigen kann, führt die Beschwerde nicht an. Soweit die Antragstellerin in diesem Kontext ferner geltend macht, die „bereits vorgetragenen Verhaltensweisen“ zeigten „sich auch im neuen Schuljahr deutlich“, bliebe bei etwaigen Rückschritten zunächst abzuwarten, ob diese nicht lediglich der Umstellung nach Ende der Schulferien geschuldet sind und alsbald wieder wettgemacht werden; offenbar hat die Antragstellerin auch in der Vergangenheit zu Beginn der Schulzeit - für ihr Behinderungsbild nicht untypische - temporäre Eingewöhnungsschwierigkeiten gezeigt (vgl. etwa aus dem Protokoll über das Hilfeplangespräch am 20. April 2015: „Frau X. schildert, dass die erste Woche nach den Osterferien sehr schwierig verlief.“).
22Der Umstand, dass sich der D. vormals für eine Schulbegleitung, die alle Unterrichtsstunden abdeckt, ausgesprochen hat (vgl. sein Schreiben vom 11. De-zember 2014), vermag die Validität der jüngsten, die weitere Entwicklung berück-sichtigenden Stellungnahme vom 11. August 2015 nicht in Frage zu stellen, zumal jene frühere Empfehlung noch mit anderer personeller Besetzung und - vor allem - vor dem Hintergrund eines wesentlich geringeren Stundenumfangs der Schulbegleitung, die seinerzeit nur 11 Wochenstunden umfasste, ausgesprochen worden war.
23Soweit die Schule unter dem 16. Dezember 2014 noch vermerkt hatte, es träten „vermehrt Situationen auf, die für eine einzelne Lehrperson in der Klasse in Bezug zur Aufsichtspflicht nicht tragbar sind“, ist der Stellungnahme vom 23. Juni 2015 zu entnehmen, dass die Antragstellerin nach der deutlichen Aufstockung des Umfangs der Schulbegleitung von 11 auf 20 Wochenstunden, die auf eine am 19. Januar 2015 getroffene Entscheidung zurückgeht, nur noch einmal aus dem Unterricht weggelaufen ist. Insofern ist ebenfalls von einer signifikanten Entspannung der Problematik auszugehen.
24Die Antragstellerin missversteht das Verwaltungsgericht, wenn sie ihm zuschreibt, es habe „eine Beschulung für zumindest 2 Stunden ohne Begleitung“ für möglich gehalten. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf eine Aussage der Klassenlehrerin, die Antragstellerin könne nach zwei Stunden ohne Begleitung nicht mehr zur Mitarbeit motiviert werden, lediglich ausgeführt, dass es der bewilligte Umfang der Schulbegleitung ohne Weiteres ermögliche, die Antragstellerin nicht in zwei aufeinanderfolgenden Stunden unbegleitet zu unterrichten (vgl. S. 17 des Beschluss-abdrucks). Dieser Argumentation ist allenfalls zu entnehmen, dass das Verwal-tungsgericht es für voraussichtlich gangbar angesehen hat, die Antragstellerin in einzelnen Stunden unbegleitet zu lassen. Diese Einschätzung wird - vorbehaltlich einer Festlegung der insoweit geeigneten Fächer und Stunden - offenbar nunmehr auch vom D. geteilt, wie sich aus der bereits zitierten Stellungnahme vom 11. August 2015 erschließt.
25Soweit sich die Beschwerde auf die fachärztlichen Berichte der Dres. F. und S2. vom 13. August 2014 und 13. Mai 2015 beruft, ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe fällt.
26Vgl. zur Kompetenzverteilung im Bereich von § 35a Abs. 1 SGB VIIII nur OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011- 12 A 1168/11 -, juris.
27Gleiches gilt, wie bereits dargelegt, auch für die Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Jugendhilfemaßnahme. Das schließt eine Berücksichtigung ärztlicher Stellungnahmen bei den vom Jugendamt in eigener Verantwortung vorzunehmenden Wertungen nicht aus. Jedoch ergibt sich auch aus dem jüngeren Bericht der Dres. F. und S2. vom 13. Mai 2015 nichts Stichhaltiges dafür, dass eine Beschränkung des Umfangs der Schulbegleitung auf 20,5 Wochenstunden nach gegenwärtigem Sachstand gegen allgemeingültige fachliche Maßstäbe jugendamtlicher Praxis verstößt.
28Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
29Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des beigeladenen Landes, das seine Kosten selbst trägt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, nicht in Frage.
3Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass es an der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des mit dem Eilantrag verfolgten Anspruchs fehlt.
4Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
51. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
62. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
7Vorliegend ist zwar entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer seelischen Störung anzunehmen. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die attestierte „Emotionale Störung des Kindesalters“, wobei der Senat davon ausgeht, dass es sich bei der Angabe „ICD-10 F98.8“ um ein Schreibversehen der Kinder- und Jugendlichenpsychiaterin C. -T. handelt, da nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) „Emotionale Störungen des Kindesalters“ unter der Kodierung F93 kategorisiert sind.
8Zur Bedeutung der ICD-10-Kategorisierung vgl. auch: OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2010
9- 12 B 105/10 -, juris.
10Ob auch die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität eine Abweichung der seelischen Gesundheit i.S.d. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII darstellt,
11für die einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10 F90.0) ohne Hinzutreten weiterer (sekundärer) seelischer Störungen verneinend etwa: OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; Beschluss vom 2. März 2010 - 12 B 105/10 -, juris, jew. m.w.N.,
12kann offen bleiben. Zwar hat die Antragstellerin mit der Beschwerde hinreichend glaubhaft gemacht, dass sowohl die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität als auch die emotionale Störung des Kindesalters selbständige, nicht im Zusammenhang mit der bei ihr diagnostizierten Kleinhirnhypoplasie stehende Erkrankungen sind, die Antragstellerin hat aber das Vorliegen einer auf diesen seelischen Störungen beruhenden (drohenden) Teilhabebeeinträchtigung nicht hinreichend dargelegt.
13Die Einschätzung, ob eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, fällt in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juli 2011
15- 12 A 1168/11 -, juris, und vom 15. Oktober 2014
16- 12 B 870/14 -, juris, jew. m.w.N.
17Hierbei ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014
19- 12 A 659/14 -, juris; Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 12 B 870/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 12 CE 12.2104 -, juris, m.w.N.
20Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträch-tigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, juris, vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, juris, und vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -, juris; Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris, jew. m.w.N.
22Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispiels-weise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris, m.w.N.
24Geht es - wie im Fall der Antragstellerin - um die Würdigung der aus dem Schulbesuch erwachsenden Belastungssituation eines Kindes oder Jugendlichen, sind Stellungnahmen der beteiligten Lehrkräfte regelmäßig ein gewichtiges Entscheidungskriterium, weil sie einen pädagogisch reflektierten Einblick „aus erster Hand“ vermitteln.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2015
26- 12 B 598/15 -.
27Dies zugrunde gelegt besteht gegenwärtig keine überwiegende, geschweige denn hochgradige Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Beschulung auf der I. -Schule in N. hat.
28Zunächst kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin aufgrund der bei ihr diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörung bis zum Schulwechsel an ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im von § 35a SGB VIII geforderten Maße beeinträchtigt war. Dem Schulbericht der S. -I1. -Schule vom 7. Januar 2015 lässt sich insoweit entnehmen, dass die Antragstellerin ihr Konzentrationsvermögen habe steigern können, wobei sie immer wieder daran habe erinnert werden müssen, sich nicht vom Geschehen innerhalb der Klasse ablenken zu lassen; es sei vorgekommen, dass sie vor sich hin geträumt habe. Im Bericht des Vereins zur G. in S1. e.V. vom 25. August 2015 heißt es zum Verhalten der Antragstellerin bei der Hausaufgabenerledigung im Rahmen der Offenen Ganztagsbetreuung, dass die Antragstellerin bei der Erledigung der Hausaufgaben eine auffällige Konzentrationsschwäche gezeigt habe. Alles, was sie in irgendeiner Weise habe ablenken können, sei ihr willkommen gewesen. Die Hausaufgaben habe sie in der dafür vorgesehenen Zeit nie vollständig erledigen können. Diesen Berichten kann aber nicht entnommen werden, dass diese Konzentrationsprobleme bei der Antragstellerin ein Ausmaß erreicht hatten, das an die oben beispielhaft genannten Beeinträchtigungen heranreichte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin die Teilnahme am Unterricht oder die Erledigung ihrer Hausaufgaben verweigert hat; vielmehr führt der Schulbericht vom 7. Januar 2015 aus, dass die Antragstellerin den gesamten Unterricht mit teilnehmendem Interesse verfolgt habe. Dies wird auch durch die Darstellung in der Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015, dass die Antragstellerin bei der Hausaufgabenbewältigung Wutanfälle bekomme, um sich schlage und Angst vor Misserfolgen habe, nicht in Frage gestellt, da auch nach diesem Verhalten nicht von einer Schul- oder Leistungsverweigerung oder gleichzustellenden Schwierigkeiten auszugehen ist. Auch die von der Antragstellerin erzielten Noten von „gut“ bis „ausreichend“ sprechen gegen gravierende schulische Probleme im oben dargestellten Sinne. Dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Probleme im Umgang mit anderen Schülerinnen und Schülern auf die Aufmerksamkeitsstörung zurückzuführen sein könnten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
29Eine auf der Aufmerksamkeitsstörung der Antragstellerin beruhende Teilhabebeeinträchtigung ist im Rahmen der allein möglichen Prognose auf der Grundlage der bisherigen Verhältnisse jedoch auch für die Zukunft, insbesondere für einen Besuch einer weiterführenden Regelschule, nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998
31- 5 C 38.97 -, juris,
32zu erwarten. Dass sich die Konzentrationsschwierigkeiten der Antragstellerin in einer Regelschule mit einer größeren Klassenstärke in einem Maße verstärken würden, dass die oben dargestellte Schwelle erreicht würde, kann nicht mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Soweit die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015 angibt, dass bei einer Klassenstärke von über 28 Kindern der massiven Aufmerksamkeitsstörung der Antragstellerin nicht Rechnung getragen werden könne, Störungen im Lern- und Leistungsbereich, Versagensängste, Schul- und Lernverweigerung „sicher zu erwarten“ seien, mutet dies - unabhängig davon, dass die Feststellung der Beeinträchtigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGBVIII grundsätzlich nicht Gegenstand der Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII ist -,
33vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2010
34- 12 A 1237/09 -, juris,
35vor dem Hintergrund, dass die Konzentrationsprobleme der Antragstellerin sich nach den vorliegenden Unterlagen in der größeren Gruppe der Offenen Ganztagsbetreuung und der wohl eher ablenkungsträchtigen Situation der Hausaufgabenerledigung nicht als wesentlich stärker als in der kleinen Lerngruppe der Förderschule dargestellt haben, zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend spekulativ an. Das gleiche gilt für die Annahme der Antragstellerin, bei einer Klassenstärke, wie sie in einer Regelschule üblich sei, würde sie in ihrer Konzentrationsfähigkeit erheblich gestört, wodurch zwangsläufig ihre Leistungen drastisch abfallen und letztlich eine Leistungsverweigerung entstehen würde. Soweit in den vorgelegten ärztlichen und psychologischen Stellungnahmen davon ausgegangen wird, dass die Antragstellerin unbedingt eine kleine Lerngruppe benötige und aufgrund der hohen Klassenstärke keine staatliche Schule besuchen könne, wird diese Annahme bereits dadurch erheblich in Zweifel gezogen, dass die Klassenlehrerin der Antragstellerin - als die Person, die die Antragstellerin unmittelbar im schulischen Umfeld erlebt hat - nach deren eigenen Angaben den Besuch einer Gesamtschule empfohlen hat.
36Ebenso kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin aufgrund der diagnostizierten Emotionalen Störung des Kindesalters an einer Teilhabebeeinträchtigung leidet bzw. von einer solchen bedroht ist. Den vorgelegten Unterlagen lässt sich schon nichts Konkretes zu dieser seelischen Beeinträchtigung der Antragstellerin, ihren Symptomen und Auswirkungen entnehmen. Soweit die Gutachten so zu verstehen sein sollten, dass die beschriebenen Kontakt- und Kommunikationsschwierigkeiten der Antragstellerin Ausdruck der Emotionalen Störung des Kindesalters - und nicht lediglich fehlender Erfahrung und Übung im Umgang mit Gleichaltrigen - sein sollten, ist aber ebenfalls keine (drohende) Teilhabebeeinträchtigung festzustellen. Im Schulbericht vom 7. Januar 2015 ist ausgeführt, dass die Antragstellerin ein überwiegend gut gelauntes und fröhliches Mädchen sei, das sich ihren Lehrerinnen und Mitschülern gegenüber meist freundlich verhalte. Von einer anfangs eher zurückhaltend abwartenden Haltung habe die Antragstellerin Fortschritte darin machen können, von sich aus Kontakte aufzunehmen und teilweise auch einzufordern. Zu einigen MitschülerInnen habe sie einen guten Kontakt aufgebaut, so dass sie sich manchmal auch außerhalb der Schule mit ihnen treffe. Häufig erzähle sie auch von Freundinnen, die sie aus anderen sozialen Zusammenhängen kenne. Soweit die Antragstellerin hierzu vorträgt, dass der Kontakt in der Schule sich auf ein Mädchen mit Asperger-Syndrom und einen stark verhaltensauffälligen Jungen konzentriert habe, können diesem Vorbringen - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags, dass in der Klasse der Antragstellerin neben einem Mädchen (offenbar dem genannten) nur Jungen mit Verhaltensauffälligkeiten gewesen seien - keine Rückschlüsse auf Probleme bei der Sozialintegration der Antragstellerin entnommen werden. Die von der Antragstellerin geschilderten Schwierigkeiten, an Freizeitaktivitäten mit Gleichaltrigen teilzunehmen, stellen sich nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin als aus ihrer körperlichen Behinderung resultierend dar. Sie hat aber nach eigenen Angaben durchaus - wenn auch wenige - private Kontakte zu gleichaltrigen Kindern.
37Es kann aus den vorliegenden Unterlagen auch nicht mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Antragstellerin insoweit bei dem Wechsel auf eine Regelschule mit größeren Klassen eine Teilhabebeeinträchtigung droht. Soweit in der Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015 angenommen wird, dass der Aufbau von sozialen Kontakten innerhalb einer größeren Gruppe für die Antragstellerin nicht möglich sei, wird dies durch die Stellungnahme des Vereins zur Förderung der Über-Mittag-Betreuung in S1. e.V. vom 25. August 2015 in Frage gestellt, nach der die Antragstellerin in der Situation der Offenen Ganztagsbetreuung jedenfalls Kontakt zu einem anderen Mädchen aufgebaut hat. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorträgt, dass es an der Sprachförderschule kein soziales Umfeld mit positiven Vorbildern gegeben habe, könnte sich insoweit die Situation durch den Besuch einer Regelschule unter Umständen sogar entspannen.
38Gegen eine drohende Teilhabebeeinträchtigung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass das Schulamt für die Stadt E. eine sonderpädagogische Förderung der Antragstellerin generell nicht mehr für notwendig erachtet hat, wie aus dem Bescheid vom 31. März 2015 hervorgeht, demgemäß die Antragstellerin „ab 01.08.15 eine allgemeine Schule besuchen“ kann. Dem liegt zugrunde, dass die S. -I. -Schule, nachdem der Förderbedarf im Schwerpunkt „Sprache“ bei der Antragstelle-rin entfallen war, einen Wechsel des Förderschwerpunkts nicht für notwendig erachtet hat; anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke - Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung - AO-SF). Insofern lag nach der fachlichen Einschätzung der Förderschule kein anderweitig in Betracht kommender sonderpädagogischer Förderbedarf bei der Antragstellerin vor, wobei nach dem diagnostizierten Behinderungsbild der Antragstellerin namentlich auch an den Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung zu denken ist (§ 4 Abs. 4 AO-SF). Wenn bei der Antragstellerin aber auch in diesem Bereich keine gravierenden Einschränkungen vorliegen, die durch sonderpädagogische Förderung auszugleichen bzw. abzumildern sind, deutet das eher darauf hin, dass eine adäquate Teilhabe auch im Falle eines Regelschulbesuchs gewährleistet ist.
39Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
40Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des beigeladenen Landes, das seine Kosten selbst trägt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, nicht in Frage.
3Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass es an der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des mit dem Eilantrag verfolgten Anspruchs fehlt.
4Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
51. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
62. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
7Vorliegend ist zwar entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer seelischen Störung anzunehmen. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die attestierte „Emotionale Störung des Kindesalters“, wobei der Senat davon ausgeht, dass es sich bei der Angabe „ICD-10 F98.8“ um ein Schreibversehen der Kinder- und Jugendlichenpsychiaterin C. -T. handelt, da nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) „Emotionale Störungen des Kindesalters“ unter der Kodierung F93 kategorisiert sind.
8Zur Bedeutung der ICD-10-Kategorisierung vgl. auch: OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2010
9- 12 B 105/10 -, juris.
10Ob auch die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität eine Abweichung der seelischen Gesundheit i.S.d. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII darstellt,
11für die einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10 F90.0) ohne Hinzutreten weiterer (sekundärer) seelischer Störungen verneinend etwa: OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; Beschluss vom 2. März 2010 - 12 B 105/10 -, juris, jew. m.w.N.,
12kann offen bleiben. Zwar hat die Antragstellerin mit der Beschwerde hinreichend glaubhaft gemacht, dass sowohl die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität als auch die emotionale Störung des Kindesalters selbständige, nicht im Zusammenhang mit der bei ihr diagnostizierten Kleinhirnhypoplasie stehende Erkrankungen sind, die Antragstellerin hat aber das Vorliegen einer auf diesen seelischen Störungen beruhenden (drohenden) Teilhabebeeinträchtigung nicht hinreichend dargelegt.
13Die Einschätzung, ob eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, fällt in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juli 2011
15- 12 A 1168/11 -, juris, und vom 15. Oktober 2014
16- 12 B 870/14 -, juris, jew. m.w.N.
17Hierbei ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014
19- 12 A 659/14 -, juris; Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 12 B 870/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 12 CE 12.2104 -, juris, m.w.N.
20Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträch-tigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, juris, vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, juris, und vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -, juris; Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris, jew. m.w.N.
22Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispiels-weise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris, m.w.N.
24Geht es - wie im Fall der Antragstellerin - um die Würdigung der aus dem Schulbesuch erwachsenden Belastungssituation eines Kindes oder Jugendlichen, sind Stellungnahmen der beteiligten Lehrkräfte regelmäßig ein gewichtiges Entscheidungskriterium, weil sie einen pädagogisch reflektierten Einblick „aus erster Hand“ vermitteln.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2015
26- 12 B 598/15 -.
27Dies zugrunde gelegt besteht gegenwärtig keine überwiegende, geschweige denn hochgradige Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Beschulung auf der I. -Schule in N. hat.
28Zunächst kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin aufgrund der bei ihr diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörung bis zum Schulwechsel an ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im von § 35a SGB VIII geforderten Maße beeinträchtigt war. Dem Schulbericht der S. -I1. -Schule vom 7. Januar 2015 lässt sich insoweit entnehmen, dass die Antragstellerin ihr Konzentrationsvermögen habe steigern können, wobei sie immer wieder daran habe erinnert werden müssen, sich nicht vom Geschehen innerhalb der Klasse ablenken zu lassen; es sei vorgekommen, dass sie vor sich hin geträumt habe. Im Bericht des Vereins zur G. in S1. e.V. vom 25. August 2015 heißt es zum Verhalten der Antragstellerin bei der Hausaufgabenerledigung im Rahmen der Offenen Ganztagsbetreuung, dass die Antragstellerin bei der Erledigung der Hausaufgaben eine auffällige Konzentrationsschwäche gezeigt habe. Alles, was sie in irgendeiner Weise habe ablenken können, sei ihr willkommen gewesen. Die Hausaufgaben habe sie in der dafür vorgesehenen Zeit nie vollständig erledigen können. Diesen Berichten kann aber nicht entnommen werden, dass diese Konzentrationsprobleme bei der Antragstellerin ein Ausmaß erreicht hatten, das an die oben beispielhaft genannten Beeinträchtigungen heranreichte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin die Teilnahme am Unterricht oder die Erledigung ihrer Hausaufgaben verweigert hat; vielmehr führt der Schulbericht vom 7. Januar 2015 aus, dass die Antragstellerin den gesamten Unterricht mit teilnehmendem Interesse verfolgt habe. Dies wird auch durch die Darstellung in der Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015, dass die Antragstellerin bei der Hausaufgabenbewältigung Wutanfälle bekomme, um sich schlage und Angst vor Misserfolgen habe, nicht in Frage gestellt, da auch nach diesem Verhalten nicht von einer Schul- oder Leistungsverweigerung oder gleichzustellenden Schwierigkeiten auszugehen ist. Auch die von der Antragstellerin erzielten Noten von „gut“ bis „ausreichend“ sprechen gegen gravierende schulische Probleme im oben dargestellten Sinne. Dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Probleme im Umgang mit anderen Schülerinnen und Schülern auf die Aufmerksamkeitsstörung zurückzuführen sein könnten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
29Eine auf der Aufmerksamkeitsstörung der Antragstellerin beruhende Teilhabebeeinträchtigung ist im Rahmen der allein möglichen Prognose auf der Grundlage der bisherigen Verhältnisse jedoch auch für die Zukunft, insbesondere für einen Besuch einer weiterführenden Regelschule, nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998
31- 5 C 38.97 -, juris,
32zu erwarten. Dass sich die Konzentrationsschwierigkeiten der Antragstellerin in einer Regelschule mit einer größeren Klassenstärke in einem Maße verstärken würden, dass die oben dargestellte Schwelle erreicht würde, kann nicht mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Soweit die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015 angibt, dass bei einer Klassenstärke von über 28 Kindern der massiven Aufmerksamkeitsstörung der Antragstellerin nicht Rechnung getragen werden könne, Störungen im Lern- und Leistungsbereich, Versagensängste, Schul- und Lernverweigerung „sicher zu erwarten“ seien, mutet dies - unabhängig davon, dass die Feststellung der Beeinträchtigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGBVIII grundsätzlich nicht Gegenstand der Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII ist -,
33vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2010
34- 12 A 1237/09 -, juris,
35vor dem Hintergrund, dass die Konzentrationsprobleme der Antragstellerin sich nach den vorliegenden Unterlagen in der größeren Gruppe der Offenen Ganztagsbetreuung und der wohl eher ablenkungsträchtigen Situation der Hausaufgabenerledigung nicht als wesentlich stärker als in der kleinen Lerngruppe der Förderschule dargestellt haben, zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend spekulativ an. Das gleiche gilt für die Annahme der Antragstellerin, bei einer Klassenstärke, wie sie in einer Regelschule üblich sei, würde sie in ihrer Konzentrationsfähigkeit erheblich gestört, wodurch zwangsläufig ihre Leistungen drastisch abfallen und letztlich eine Leistungsverweigerung entstehen würde. Soweit in den vorgelegten ärztlichen und psychologischen Stellungnahmen davon ausgegangen wird, dass die Antragstellerin unbedingt eine kleine Lerngruppe benötige und aufgrund der hohen Klassenstärke keine staatliche Schule besuchen könne, wird diese Annahme bereits dadurch erheblich in Zweifel gezogen, dass die Klassenlehrerin der Antragstellerin - als die Person, die die Antragstellerin unmittelbar im schulischen Umfeld erlebt hat - nach deren eigenen Angaben den Besuch einer Gesamtschule empfohlen hat.
36Ebenso kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin aufgrund der diagnostizierten Emotionalen Störung des Kindesalters an einer Teilhabebeeinträchtigung leidet bzw. von einer solchen bedroht ist. Den vorgelegten Unterlagen lässt sich schon nichts Konkretes zu dieser seelischen Beeinträchtigung der Antragstellerin, ihren Symptomen und Auswirkungen entnehmen. Soweit die Gutachten so zu verstehen sein sollten, dass die beschriebenen Kontakt- und Kommunikationsschwierigkeiten der Antragstellerin Ausdruck der Emotionalen Störung des Kindesalters - und nicht lediglich fehlender Erfahrung und Übung im Umgang mit Gleichaltrigen - sein sollten, ist aber ebenfalls keine (drohende) Teilhabebeeinträchtigung festzustellen. Im Schulbericht vom 7. Januar 2015 ist ausgeführt, dass die Antragstellerin ein überwiegend gut gelauntes und fröhliches Mädchen sei, das sich ihren Lehrerinnen und Mitschülern gegenüber meist freundlich verhalte. Von einer anfangs eher zurückhaltend abwartenden Haltung habe die Antragstellerin Fortschritte darin machen können, von sich aus Kontakte aufzunehmen und teilweise auch einzufordern. Zu einigen MitschülerInnen habe sie einen guten Kontakt aufgebaut, so dass sie sich manchmal auch außerhalb der Schule mit ihnen treffe. Häufig erzähle sie auch von Freundinnen, die sie aus anderen sozialen Zusammenhängen kenne. Soweit die Antragstellerin hierzu vorträgt, dass der Kontakt in der Schule sich auf ein Mädchen mit Asperger-Syndrom und einen stark verhaltensauffälligen Jungen konzentriert habe, können diesem Vorbringen - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags, dass in der Klasse der Antragstellerin neben einem Mädchen (offenbar dem genannten) nur Jungen mit Verhaltensauffälligkeiten gewesen seien - keine Rückschlüsse auf Probleme bei der Sozialintegration der Antragstellerin entnommen werden. Die von der Antragstellerin geschilderten Schwierigkeiten, an Freizeitaktivitäten mit Gleichaltrigen teilzunehmen, stellen sich nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin als aus ihrer körperlichen Behinderung resultierend dar. Sie hat aber nach eigenen Angaben durchaus - wenn auch wenige - private Kontakte zu gleichaltrigen Kindern.
37Es kann aus den vorliegenden Unterlagen auch nicht mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Antragstellerin insoweit bei dem Wechsel auf eine Regelschule mit größeren Klassen eine Teilhabebeeinträchtigung droht. Soweit in der Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015 angenommen wird, dass der Aufbau von sozialen Kontakten innerhalb einer größeren Gruppe für die Antragstellerin nicht möglich sei, wird dies durch die Stellungnahme des Vereins zur Förderung der Über-Mittag-Betreuung in S1. e.V. vom 25. August 2015 in Frage gestellt, nach der die Antragstellerin in der Situation der Offenen Ganztagsbetreuung jedenfalls Kontakt zu einem anderen Mädchen aufgebaut hat. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorträgt, dass es an der Sprachförderschule kein soziales Umfeld mit positiven Vorbildern gegeben habe, könnte sich insoweit die Situation durch den Besuch einer Regelschule unter Umständen sogar entspannen.
38Gegen eine drohende Teilhabebeeinträchtigung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass das Schulamt für die Stadt E. eine sonderpädagogische Förderung der Antragstellerin generell nicht mehr für notwendig erachtet hat, wie aus dem Bescheid vom 31. März 2015 hervorgeht, demgemäß die Antragstellerin „ab 01.08.15 eine allgemeine Schule besuchen“ kann. Dem liegt zugrunde, dass die S. -I. -Schule, nachdem der Förderbedarf im Schwerpunkt „Sprache“ bei der Antragstelle-rin entfallen war, einen Wechsel des Förderschwerpunkts nicht für notwendig erachtet hat; anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke - Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung - AO-SF). Insofern lag nach der fachlichen Einschätzung der Förderschule kein anderweitig in Betracht kommender sonderpädagogischer Förderbedarf bei der Antragstellerin vor, wobei nach dem diagnostizierten Behinderungsbild der Antragstellerin namentlich auch an den Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung zu denken ist (§ 4 Abs. 4 AO-SF). Wenn bei der Antragstellerin aber auch in diesem Bereich keine gravierenden Einschränkungen vorliegen, die durch sonderpädagogische Förderung auszugleichen bzw. abzumildern sind, deutet das eher darauf hin, dass eine adäquate Teilhabe auch im Falle eines Regelschulbesuchs gewährleistet ist.
39Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
40Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Behörde ist jede öffentliche Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
(1a) Öffentliche Stellen des Bundes sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.
(1b) Öffentliche Stellen der Länder sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder sonstiger der Aufsicht des Landes unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.
(1c) Vereinigungen des privaten Rechts von öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, gelten ungeachtet der Beteiligung nicht-öffentlicher Stellen als öffentliche Stellen des Bundes, wenn
- 1.
sie über den Bereich eines Landes hinaus tätig werden oder - 2.
dem Bund die absolute Mehrheit der Anteile gehört oder die absolute Mehrheit der Stimmen zusteht.
(1d) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter die Absätze 1a bis 1c fallen. Nimmt eine nicht-öffentliche Stelle hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, ist sie insoweit öffentliche Stelle im Sinne dieses Gesetzes.
(1e) Öffentliche Stellen des Bundes oder der Länder gelten als nicht-öffentliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen.
(2) Finanzbehörden im Sinne dieses Gesetzes sind die folgenden im Gesetz über die Finanzverwaltung genannten Bundes- und Landesfinanzbehörden:
- 1.
das Bundesministerium der Finanzen und die für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden als oberste Behörden, - 2.
das Bundeszentralamt für Steuern, das Informationstechnikzentrum Bund und die Generalzolldirektion als Bundesoberbehörden, - 3.
Rechenzentren sowie Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Finanzverwaltungsgesetzes die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist, als Landesoberbehörden, - 4.
die Oberfinanzdirektionen als Mittelbehörden, - 4a.
die nach dem Finanzverwaltungsgesetz oder nach Landesrecht an Stelle einer Oberfinanzdirektion eingerichteten Landesfinanzbehörden, - 5.
die Hauptzollämter einschließlich ihrer Dienststellen, die Zollfahndungsämter, die Finanzämter und die besonderen Landesfinanzbehörden als örtliche Behörden, - 6.
Familienkassen, - 7.
die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes und - 8.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 40a Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes).
Gesetz ist jede Rechtsnorm.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des beigeladenen Landes, das seine Kosten selbst trägt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, nicht in Frage.
3Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass es an der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des mit dem Eilantrag verfolgten Anspruchs fehlt.
4Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
51. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
62. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
7Vorliegend ist zwar entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer seelischen Störung anzunehmen. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die attestierte „Emotionale Störung des Kindesalters“, wobei der Senat davon ausgeht, dass es sich bei der Angabe „ICD-10 F98.8“ um ein Schreibversehen der Kinder- und Jugendlichenpsychiaterin C. -T. handelt, da nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) „Emotionale Störungen des Kindesalters“ unter der Kodierung F93 kategorisiert sind.
8Zur Bedeutung der ICD-10-Kategorisierung vgl. auch: OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2010
9- 12 B 105/10 -, juris.
10Ob auch die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität eine Abweichung der seelischen Gesundheit i.S.d. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII darstellt,
11für die einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10 F90.0) ohne Hinzutreten weiterer (sekundärer) seelischer Störungen verneinend etwa: OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; Beschluss vom 2. März 2010 - 12 B 105/10 -, juris, jew. m.w.N.,
12kann offen bleiben. Zwar hat die Antragstellerin mit der Beschwerde hinreichend glaubhaft gemacht, dass sowohl die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität als auch die emotionale Störung des Kindesalters selbständige, nicht im Zusammenhang mit der bei ihr diagnostizierten Kleinhirnhypoplasie stehende Erkrankungen sind, die Antragstellerin hat aber das Vorliegen einer auf diesen seelischen Störungen beruhenden (drohenden) Teilhabebeeinträchtigung nicht hinreichend dargelegt.
13Die Einschätzung, ob eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, fällt in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juli 2011
15- 12 A 1168/11 -, juris, und vom 15. Oktober 2014
16- 12 B 870/14 -, juris, jew. m.w.N.
17Hierbei ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014
19- 12 A 659/14 -, juris; Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 12 B 870/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 12 CE 12.2104 -, juris, m.w.N.
20Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträch-tigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, juris, vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, juris, und vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -, juris; Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris, jew. m.w.N.
22Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispiels-weise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris, m.w.N.
24Geht es - wie im Fall der Antragstellerin - um die Würdigung der aus dem Schulbesuch erwachsenden Belastungssituation eines Kindes oder Jugendlichen, sind Stellungnahmen der beteiligten Lehrkräfte regelmäßig ein gewichtiges Entscheidungskriterium, weil sie einen pädagogisch reflektierten Einblick „aus erster Hand“ vermitteln.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2015
26- 12 B 598/15 -.
27Dies zugrunde gelegt besteht gegenwärtig keine überwiegende, geschweige denn hochgradige Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Beschulung auf der I. -Schule in N. hat.
28Zunächst kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin aufgrund der bei ihr diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörung bis zum Schulwechsel an ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im von § 35a SGB VIII geforderten Maße beeinträchtigt war. Dem Schulbericht der S. -I1. -Schule vom 7. Januar 2015 lässt sich insoweit entnehmen, dass die Antragstellerin ihr Konzentrationsvermögen habe steigern können, wobei sie immer wieder daran habe erinnert werden müssen, sich nicht vom Geschehen innerhalb der Klasse ablenken zu lassen; es sei vorgekommen, dass sie vor sich hin geträumt habe. Im Bericht des Vereins zur G. in S1. e.V. vom 25. August 2015 heißt es zum Verhalten der Antragstellerin bei der Hausaufgabenerledigung im Rahmen der Offenen Ganztagsbetreuung, dass die Antragstellerin bei der Erledigung der Hausaufgaben eine auffällige Konzentrationsschwäche gezeigt habe. Alles, was sie in irgendeiner Weise habe ablenken können, sei ihr willkommen gewesen. Die Hausaufgaben habe sie in der dafür vorgesehenen Zeit nie vollständig erledigen können. Diesen Berichten kann aber nicht entnommen werden, dass diese Konzentrationsprobleme bei der Antragstellerin ein Ausmaß erreicht hatten, das an die oben beispielhaft genannten Beeinträchtigungen heranreichte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin die Teilnahme am Unterricht oder die Erledigung ihrer Hausaufgaben verweigert hat; vielmehr führt der Schulbericht vom 7. Januar 2015 aus, dass die Antragstellerin den gesamten Unterricht mit teilnehmendem Interesse verfolgt habe. Dies wird auch durch die Darstellung in der Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015, dass die Antragstellerin bei der Hausaufgabenbewältigung Wutanfälle bekomme, um sich schlage und Angst vor Misserfolgen habe, nicht in Frage gestellt, da auch nach diesem Verhalten nicht von einer Schul- oder Leistungsverweigerung oder gleichzustellenden Schwierigkeiten auszugehen ist. Auch die von der Antragstellerin erzielten Noten von „gut“ bis „ausreichend“ sprechen gegen gravierende schulische Probleme im oben dargestellten Sinne. Dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Probleme im Umgang mit anderen Schülerinnen und Schülern auf die Aufmerksamkeitsstörung zurückzuführen sein könnten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
29Eine auf der Aufmerksamkeitsstörung der Antragstellerin beruhende Teilhabebeeinträchtigung ist im Rahmen der allein möglichen Prognose auf der Grundlage der bisherigen Verhältnisse jedoch auch für die Zukunft, insbesondere für einen Besuch einer weiterführenden Regelschule, nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998
31- 5 C 38.97 -, juris,
32zu erwarten. Dass sich die Konzentrationsschwierigkeiten der Antragstellerin in einer Regelschule mit einer größeren Klassenstärke in einem Maße verstärken würden, dass die oben dargestellte Schwelle erreicht würde, kann nicht mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Soweit die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015 angibt, dass bei einer Klassenstärke von über 28 Kindern der massiven Aufmerksamkeitsstörung der Antragstellerin nicht Rechnung getragen werden könne, Störungen im Lern- und Leistungsbereich, Versagensängste, Schul- und Lernverweigerung „sicher zu erwarten“ seien, mutet dies - unabhängig davon, dass die Feststellung der Beeinträchtigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGBVIII grundsätzlich nicht Gegenstand der Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII ist -,
33vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2010
34- 12 A 1237/09 -, juris,
35vor dem Hintergrund, dass die Konzentrationsprobleme der Antragstellerin sich nach den vorliegenden Unterlagen in der größeren Gruppe der Offenen Ganztagsbetreuung und der wohl eher ablenkungsträchtigen Situation der Hausaufgabenerledigung nicht als wesentlich stärker als in der kleinen Lerngruppe der Förderschule dargestellt haben, zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend spekulativ an. Das gleiche gilt für die Annahme der Antragstellerin, bei einer Klassenstärke, wie sie in einer Regelschule üblich sei, würde sie in ihrer Konzentrationsfähigkeit erheblich gestört, wodurch zwangsläufig ihre Leistungen drastisch abfallen und letztlich eine Leistungsverweigerung entstehen würde. Soweit in den vorgelegten ärztlichen und psychologischen Stellungnahmen davon ausgegangen wird, dass die Antragstellerin unbedingt eine kleine Lerngruppe benötige und aufgrund der hohen Klassenstärke keine staatliche Schule besuchen könne, wird diese Annahme bereits dadurch erheblich in Zweifel gezogen, dass die Klassenlehrerin der Antragstellerin - als die Person, die die Antragstellerin unmittelbar im schulischen Umfeld erlebt hat - nach deren eigenen Angaben den Besuch einer Gesamtschule empfohlen hat.
36Ebenso kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin aufgrund der diagnostizierten Emotionalen Störung des Kindesalters an einer Teilhabebeeinträchtigung leidet bzw. von einer solchen bedroht ist. Den vorgelegten Unterlagen lässt sich schon nichts Konkretes zu dieser seelischen Beeinträchtigung der Antragstellerin, ihren Symptomen und Auswirkungen entnehmen. Soweit die Gutachten so zu verstehen sein sollten, dass die beschriebenen Kontakt- und Kommunikationsschwierigkeiten der Antragstellerin Ausdruck der Emotionalen Störung des Kindesalters - und nicht lediglich fehlender Erfahrung und Übung im Umgang mit Gleichaltrigen - sein sollten, ist aber ebenfalls keine (drohende) Teilhabebeeinträchtigung festzustellen. Im Schulbericht vom 7. Januar 2015 ist ausgeführt, dass die Antragstellerin ein überwiegend gut gelauntes und fröhliches Mädchen sei, das sich ihren Lehrerinnen und Mitschülern gegenüber meist freundlich verhalte. Von einer anfangs eher zurückhaltend abwartenden Haltung habe die Antragstellerin Fortschritte darin machen können, von sich aus Kontakte aufzunehmen und teilweise auch einzufordern. Zu einigen MitschülerInnen habe sie einen guten Kontakt aufgebaut, so dass sie sich manchmal auch außerhalb der Schule mit ihnen treffe. Häufig erzähle sie auch von Freundinnen, die sie aus anderen sozialen Zusammenhängen kenne. Soweit die Antragstellerin hierzu vorträgt, dass der Kontakt in der Schule sich auf ein Mädchen mit Asperger-Syndrom und einen stark verhaltensauffälligen Jungen konzentriert habe, können diesem Vorbringen - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags, dass in der Klasse der Antragstellerin neben einem Mädchen (offenbar dem genannten) nur Jungen mit Verhaltensauffälligkeiten gewesen seien - keine Rückschlüsse auf Probleme bei der Sozialintegration der Antragstellerin entnommen werden. Die von der Antragstellerin geschilderten Schwierigkeiten, an Freizeitaktivitäten mit Gleichaltrigen teilzunehmen, stellen sich nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin als aus ihrer körperlichen Behinderung resultierend dar. Sie hat aber nach eigenen Angaben durchaus - wenn auch wenige - private Kontakte zu gleichaltrigen Kindern.
37Es kann aus den vorliegenden Unterlagen auch nicht mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Antragstellerin insoweit bei dem Wechsel auf eine Regelschule mit größeren Klassen eine Teilhabebeeinträchtigung droht. Soweit in der Stellungnahme der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin C. -T. vom 21. August 2015 angenommen wird, dass der Aufbau von sozialen Kontakten innerhalb einer größeren Gruppe für die Antragstellerin nicht möglich sei, wird dies durch die Stellungnahme des Vereins zur Förderung der Über-Mittag-Betreuung in S1. e.V. vom 25. August 2015 in Frage gestellt, nach der die Antragstellerin in der Situation der Offenen Ganztagsbetreuung jedenfalls Kontakt zu einem anderen Mädchen aufgebaut hat. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorträgt, dass es an der Sprachförderschule kein soziales Umfeld mit positiven Vorbildern gegeben habe, könnte sich insoweit die Situation durch den Besuch einer Regelschule unter Umständen sogar entspannen.
38Gegen eine drohende Teilhabebeeinträchtigung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass das Schulamt für die Stadt E. eine sonderpädagogische Förderung der Antragstellerin generell nicht mehr für notwendig erachtet hat, wie aus dem Bescheid vom 31. März 2015 hervorgeht, demgemäß die Antragstellerin „ab 01.08.15 eine allgemeine Schule besuchen“ kann. Dem liegt zugrunde, dass die S. -I. -Schule, nachdem der Förderbedarf im Schwerpunkt „Sprache“ bei der Antragstelle-rin entfallen war, einen Wechsel des Förderschwerpunkts nicht für notwendig erachtet hat; anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke - Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung - AO-SF). Insofern lag nach der fachlichen Einschätzung der Förderschule kein anderweitig in Betracht kommender sonderpädagogischer Förderbedarf bei der Antragstellerin vor, wobei nach dem diagnostizierten Behinderungsbild der Antragstellerin namentlich auch an den Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung zu denken ist (§ 4 Abs. 4 AO-SF). Wenn bei der Antragstellerin aber auch in diesem Bereich keine gravierenden Einschränkungen vorliegen, die durch sonderpädagogische Förderung auszugleichen bzw. abzumildern sind, deutet das eher darauf hin, dass eine adäquate Teilhabe auch im Falle eines Regelschulbesuchs gewährleistet ist.
39Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
40Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.
(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
-
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
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Im Streit ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
- 2
-
Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten Rubinstein-Taybi-Syndrom mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den Landkreis G. und den V. stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum 1.8.2005 der staatlichen M.-Schule in G. zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des Klägers an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises G. geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab 1.8.2005 abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.4.2006).
- 3
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen LSG vom 22.11.2010) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des Klägers erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des Klägers. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private Ersatzschulwesen geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.
- 4
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 Eingliederungshilfe-VO sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des LSG liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG (Urteil vom 18.8.2010 - L 6 SO 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das LSG nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des Klägers) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden Beschulungskosten einzustehen. Unterblieben sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.
- 5
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 zu zahlen.
- 6
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 7
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Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.
- 9
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 iVm § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
vom 20.12.2004 - GVBl 488) . Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -; vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005) , Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 13); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).
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Nach § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch; für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
- 11
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Vorliegend ist es schon fraglich, ob der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 HAG/SGB XII idF des Gesetzes vom 20.12.2004) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 Bundessozialhilfegesetz(BSHG; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 HAG/SGB XII(bis 31.6.2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG/SGB XII bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des SGB XII (§ 13 SGB XII)ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwGE 95, 149, 152; Bundesverwaltungsgericht
, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) .
- 12
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Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu BVerwGE 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der Beklagte meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 SGB XII) auch die Begleitkosten übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-Kompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 HAG/SGB XII(in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der Kläger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des Beklagten keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Behinderung vor.
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Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 12 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; BSGE 109, 199 ff RdNr 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 37).
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Gehört der Kläger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).
- 16
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Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht(hier: Art 56 ff Hessische Landesverfassung iVm dem Hessischen Schulgesetz idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (BSG aaO). Auch das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 13.8.1992 - 5 C 70/88 - (Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 16 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das BVerwG in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
- 17
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu BVerwGE 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
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Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des Dritten bzw Vierten Kapitels des SGB XII zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des Klägers wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des LSG besteht für den Kläger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.
- 19
-
Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das LSG - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der Beklagte habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das LSG habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das LSG - trotz Zuweisung des Klägers in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.