Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 13. Nov. 2014 - AN 3 S 14.30863

published on 13/11/2014 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 13. Nov. 2014 - AN 3 S 14.30863
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Gericht

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Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ohne Nachweis von Herkunft und Identität. Nach eigenen Angaben ist sie äthiopische Staatsangehörige amharischer Volkszugehörigkeit und orthodoxe Christin. Sie beantragte am ... 2014 politisches Asyl.

Im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates vor dem Bundesamt am 11. Februar 2014 und in der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gemäß § 25 AsylVfG am10. Februar 2014 in ... erklärte sie, sie sei am ... mit einem Boot in ... angekommen. Dort sei sie erkennungsdienstlich behandelt und nach 20 Tagen nach Sizilien in die Stadt ... verlegt worden. Dort habe sie sich ca. drei Monate in einem Flüchtlingslager aufgehalten, habe am 6. Februar 2008 einen Aufenthaltstitel bekommen und habe zu diesem Zeitpunkt das Lager verlassen müssen. Sie habe sich sechs Jahre lang in Italien aufgehalten, habe dort aber keinen festen Wohnsitz und keine Arbeit gehabt, weswegen sie am ... von der Stadt .../Italien über Frankreich mit dem Zug nach ... ausgereist sei. Dabei sei sie nicht im Besitz eines gültigen Passes gewesen. Ein somalischer Schleuser habe sie und andere arabische Flüchtlinge bis zur Grenze Italiens/Frankreich begleitet. Dann sei sie allein mit dem Zug weiter nach ... gefahren. Während der Zugreise habe es keine Polizeikontrollen gegeben. Sie sei am ... gegen 22.00 Uhr in ... angekommen. Von dort aus sei sie nach ... gefahren. Die Antragstellerin gab an, schwanger zu sein, Entbindungstermin sei voraussichtlich der 3. März 2014.

Mit Schreiben vom 10. April 2014 stellte das Bundesamt ein Aufnahmegesuch an die Republik Italien zur Prüfung der Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1 b Dublin III - VO. Die Antragstellerin habe bereits am 14. Dezember 2007 in Italien Asyl beantragt. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin seither das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten verlassen habe. In das Wiederaufnahmeersuchen wurde auch der Sohn der Klägerin, ..., ... geb. ... in .../Deutschland einbezogen.

Mit Schreiben vom 28. April 2014 lehnte die Republik Italien die Übernahme der Antragstellerin und ihres Sohnes ab. Sie habe bereits international Schutz in Italien und dort eine Aufenthaltserlaubnis mit subsidiären Schutzstatus erhalten. Deswegen sei Italien nach der Dublin III Verordnung nicht für die Übernahme der Antragstellerin und ihres Sohnes zuständig.

Vielmehr sei die Polizei für die Rückübernahme der Antragstellerin zuständig.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2014 teilte das Bundesamt dem Landratsamt ... als zuständige Ausländerbehörde mit, dass vorliegend eine Abschiebungsanordnung nach Italien gemäß § 34 a AsylVfG in Betracht komme. Die Ausländerbehörde habe das Einverständnis Italiens für die Rücküberstellung einzuholen. Sobald dies vorliege, werde das Bundesamt einen entsprechenden Bescheid fertigen und die Abschiebung nach Italien anordnen.

Mit Schreiben des Landratsamtes ... teilte dies am 24. Juli 2014 dem Bundesamt mit, dass die Übernahmezusicherung der italienischen Behörden nunmehr vorliege. Ausweislich eines in den Akten befindlichen Schreibens des Innenministeriums der Republik Italien vom 10. Juli 2014 erklärte sich Italien bereit, die Antragstellerin und ihren am ... in Deutschland geborenen Sohn in Italien aufzunehmen. Die Antragstellerin genieße dort subsidiären Schutz bis zum 15. Juni 2019.

Daraufhin stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 fest, dass der Antragstellerin in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe (Ziffer 1) und es wurde ihre Abschiebung nach Italien angeordnet (Ziffer 2).

Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Antragstellerin bereits in Italien ein Asylverfahren durchgeführt und in diesem Verfahren die Zuerkennung internationalen Schutzes erhalten habe.

Mit dem Asylantrag werde gemäß § 13 Abs. 2 AsylVfG sowohl die Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG, als auch die Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG beantragt, da der Antrag nicht auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkt worden sei. Der Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens werde abgelehnt, da die Antragstellerin, die aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26 a Abs. 2 AsylVfG i. V. m. Anlage I zum Asylverfahrensgesetz eingereist sei, sich nicht auf Art. 16 a Abs. 1 GG berufen könne. Auch Ausnahmen nach § 26 a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG lägen nicht vor. Es sei gemäß § 31 Abs. 4 AsylVfG lediglich festzustellen, dass der Antragstellerin kein Asylrecht zustehe, da der Asylantrag nur nach § 26 a Abs. 1 AsylVfG abgelehnt werde. In einem solchen Fall sei grundsätzlich weder über das Vorliegen der Voraussetzungen der Zuerkennung des internationalen Schutzes noch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG zu entscheiden. Die Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Der Bescheid wurde am 21. Oktober 2014 zur Post aufgegeben.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten erhob die Antragstellerin am 29. Oktober 2014 Klage (AN 3 K 14.30864) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17. Oktober 2014 mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, in Deutschland ein Asylverfahren durchzuführen und beantragte gleichzeitig,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen

Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass die Antragstellerin in Italien keinen Asylantrag gestellt habe. Sie habe lediglich in Deutschland derartige Anträge gestellt. Aus dem Bescheid gehe hervor, dass es lediglich um „Erkenntnisse“ des Bundesamtes handle. Derartige Erkenntnisse bzw. Vermutungen genügten jedoch nicht, hier das Verfahren nach Italien abzugeben.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag ist begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache, das vorliegend gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG durch die Einzelrichterin entscheidet, auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG München, Beschluss vom 27.1.2014 - M 4 S 14.30066; VG Trier, Beschluss vom 18.9.2013 - 5 L 1234/13.TR; VG Göttingen, Beschluss vom 9.12.2013 - 2 B 869/13).

Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Der Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung derzeit als rechtswidrig (§ 77 Abs. 1 2. Halbsatz AsylVfG).

Das Bundesamt hat seiner Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrundegelegt und die Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht beachtet. Sowohl aus dem Tenor der Entscheidung als auch aus ihren Gründen ist ersichtlich, dass das Bundesamt davon ausgeht, dass die Antragstellerin alleinstehend und ohne Kind ist.

Die Antragstellerin hat aber nach ihrer Einreise aus Italien (über Frankreich) in das Bundesgebiet am ... ein Kind geboren. Dies musste dem Bundesamt zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 17. Oktober 2014 aus den Akten auch bekannt sein, nachdem das italienische Innenministerium nach entsprechender Anfrage der Ausländerbehörde mit Schreiben vom 10. Juli 2014 die Übernahme der Antragstellerin sowie ihres Kindes nach Italien zugesagt hatte. Auch in ihrer Anhörung bei der Regierung von Mittelfranken - Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern - erklärte die Antragstellerin bereits am 11. Februar 2014, ein Kind zu erwarten.

1. Zwar geht das Bundesamt grundsätzlich zutreffend davon aus, dass sich die Antragstellerin, die aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfg nicht auf das Asylgrundrecht berufen kann. Sie wird nicht als Asylberechtigte anerkannt, sondern es wird nur gemäß § 31 Abs. 4 AsylVfG festgestellt, dass ihr kein Asylrecht zusteht. Die Ausländerin kann sich in diesem Fall grundsätzlich nicht auf Abschiebungsschutz nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 AsylVfG sowie nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG berufen, weil dieser Abschiebungsschutz grundsätzlich in das Konzept der normativen Vergewisserung miteinbezogen ist (vgl. BVerfG, U. v. 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris).

Die Antragstellerin ist nach eigenem Vorbringen und ausweislich der Stellungnahmen der italienischen Behörden in Italien als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden. Die Republik Italien hat auch mit Schreiben vom 10. Juli 2013 die Übernahme der Antragstellerin und ihres Kindes zugesagt, nachdem sie ihre Rücknahme im Rahmen der Dublin III-Verordnung zunächst abgelehnt hatte (Schreiben des Italienischen Innenministeriums vom 28. April 2014).

Die Dublin III-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 604/2013, ABl. EU Nr. L 180/31 vom 29. Juni 2013) gilt nicht für Personen, denen - wie der Antragstellerin - die Flüchtlingseigenschaft bereits in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zuerkannt worden ist (BVerwG vom 17. Juni 2014 - 10 C 7 /13, zit. nach juris, Rn. 26; vgl. weiter Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, November 2013, zu § 27a Rn. 34).

2. Nach den maßgeblichen Erkenntnisquellen, die die Einzelrichterin der Entscheidung im Eilverfahren zugrunde legt, besteht aber die beachtliche Möglichkeit, dass die Antragstellerin, die in Italien als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt und alleinerziehende Mutter eines sechs Monate alten Kindes ist, bei einer Rückkehr nach Italien dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4/Art. 19 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta oder dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt sein wird. Die aufgrund der Auskunftslage notwendige Einzelfallprüfung, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat ausgesetzt zu sein, hat die Antragsgegnerin bislang nicht vorgenommen. Sie ist im Eilverfahren auch dem Gericht nicht möglich.

a.

Die Antragstellerin gehört zum Kreis der Personen mit subsidiärem Schutzstatus. Nach der Erkenntnislage gestaltet sich die Situation für diese Personengruppe in Italien in der Regel schwieriger als für Personen, die dort im Asylverfahren stehen, da ihnen weniger staatliche Hilfen zur Verfügung stehen. Das italienische System geht grundsätzlich davon aus, dass Personen mit einem subsidiären Schutzstatus italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und sich ebenso wie diese selbst um eine Unterkunft und Arbeit in eigener Verantwortung bemühen müssen. Da ihr Kind hohen Betreuungsbedarf hat, ist es für die Antragstellerin nur sehr schwer möglich, sich Arbeit zu suchen und für ihren Unterhalt zu sorgen. Diese Personengruppe hat keinen Zugang mehr zu den Einrichtungen der Cara (Erstaufnahmeeinrichtungen) oder zu den FER-Projekten (Unterkünfte aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds). In diesem Sinn berichtete die Antragstellerin, dass sie die Einrichtung nach ihrer Anerkennung habe verlassen müssen. Anerkannte Schutzberechtigte werden auf das Zweitaufnahmesystem (SPRAR) verwiesen. Die Kapazität dieses Systems ist nicht ausreichend und bietet nur für eine geringe Zahl dieser Personengruppe eine - zeitlich beschränkte - Unterkunftsmöglichkeit (VG Aachen, a. a. O.; SFH, Italien, a. a. O. S. 22 f.).

b.

Außerdem gehören die Antragstellerin und ihr Kind zu der besonders schutzbedürftigen Personengruppe der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern. Die Mitgliedstaaten der EU haben sich verpflichtet, diese Personengruppe in besonderer Weise zu schützen. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich u. a. aus Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 (ABl. Nr. L 180 S. 96), die erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist ab 21. Juli 2015 (Art. 32 der Richtlinie 2013/33/EU) die bislang geltende Richtlinie 2003/9/EG vom 27. Januar 2003 (ABl. Nr. L 31 S. 18) ersetzen wird. Nach deren Art. 17 Abs. 1 gehört die Antragstellerin zum geschützten Personenkreis.

Für diese Personengruppe kann es im Einzelfall aus individuellen Gründen - ohne dass das Konzept der normativen Vergewisserung hinsichtlich Italien insgesamt in Frage gestellt werden muss - angezeigt sein, von Überstellungen nach Italien - wenn auch nur vorübergehend - abzusehen.

Auch wenn derzeit davon auszugehen ist, dass die Verhältnisse in Italien für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrer unterhalb der Schwelle eines systemischen Mangels anzusiedeln sind und dieser Personengruppe deshalb nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine durch das Verfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht, kann daraus nicht gefolgert werden, dass dies auch für die besonders empfindliche Personengruppe der „Alleinerziehenden mit Kleinkind“ gilt (VG Aachen, B. v. 26.6.2014 - 2 L 234/14.A mit ausführlicher Darstellung der Rechtsprechung - juris).

Die Antragstellerin ist hochschwanger aus Italien eingereist und gab in der Anhörung zur Feststellung der Zuständigkeit an, sie sei in Italien wohnungs- und arbeitslos gewesen. Nachdem sie sich sieben Jahre in Italien aufgehalten hatte, führte die Schwangerschaft offenbar dazu, Italien zu verlassen. Die Einschätzung ihrer Situation als Alleinerziehende mit Kind deckt sich mit den Ausführungen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zur „Situation der Verletzlichen“ bezüglich Unterkunft und Lebensunterhalt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013, S. 53 ff.).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Praxis der Behandlung von Familien in Italien in seiner Entscheidung vom 4. November 2014 als mit Art. 3 EMRK unvereinbar eingestuft (Tarakhel./. Switzerland, Application No. 29217/12). Auch das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Beschlüssen darauf hingewiesen, dass die deutschen Behörden bei der Rückführung von Familien mit Kindern unter drei Jahren nach Italien in Abstimmung mit den italienischen Behörden sicherstellen müssen, dass die Familie bei der Übergabe an italienische Behörden eine gesicherte Unterkunft erhalte, um eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefährdung für die im besonderen Maß auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen (BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 1795/14 und 2 BvR 732/14). Ein Abstimmungserfordernis besteht insbesondere deshalb, weil es bei der Aufnahme von schutzberechtigten Personen mit Kleinkindern zu Kapazitätsengpässen kommen kann (vgl. SFH, Italien, a. a. O. S. 54 f.).

3.

Unabhängig von der Frage, ob im Einzelfall für Personen, die das Kriterium „Alleinerziehend mit Kleinkind“ und zugleich „subsidiär Schutzberechtigt“ erfüllen, systemische Mängel in Italien derzeit wegen der anhaltend hohen Flüchtlingszahlen nicht ausgeschlossen werden können, hat das Bundesamt im Rahmen des § 34a Abs. 1 AsylVfG zu prüfen, ob feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (BVerfG, B. v. 17.9.2014, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, B. v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - InfAuslR 2011, S. 310).

Das BAMF hat sich in der angefochtenen Entscheidung nicht mit der persönlichen Situation der Antragstellerin und ihres Kindes auseinandergesetzt, sondern lediglich auf die in Fällen des in einem sicheren Drittstaat gewährten Flüchtlingsschutzes anwendbaren Vorschriften (§§ 26a, 31 Abs. 4, 34a AsylVfG) hingewiesen. Dies erscheint in Anbetracht der dargestellten Auskunftslage zu den Verhältnissen in Italien für Personen mit Schutzstatus und hinsichtlich der Zugehörigkeit der Antragstellerin und ihres Kindes zu einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe als nicht ausreichend. Das Bundesamt ist gehalten, gemäß § 24 AsylVfG den Sachverhalt zu ermitteln und ggf. zu begründen, wie sichergestellt werden kann, dass die Antragstellerin und ihr Kind in Italien menschenwürdig, insbesondere auch unter Beachtung von Art. 6 Abs. 1 GG, untergebracht werden.

Der aktuellen Presse ist zu entnehmen, dass das Bundesamt selbst davon ausgeht, dass für Flüchtlinge in Italien mit Schutzstatus die Versorgung nicht garantiert sei und prüfen wolle, wie sich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 4. November 2014 auf die bisherige Praxis auswirken werde (Süddeutsche Zeitung vom 5. November 2014 „Richter stellen Abschiebungen nach Italien in Frage“).

Demnach war dem Antrag stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc
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published on 25/06/2015 00:00

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach Aktenzeichen: AN 3 K 14.30864 Im Namen des Volkes Urteil vom 25. Juni 2015 3. Kammer Sachgebiets-Nr.: 710 01 Hauptpunkte: Italien subsidiärer Schu
published on 17/09/2014 00:00

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
published on 26/06/2014 00:00

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published on 09/01/2015 00:00

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published on 01/07/2015 00:00

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. Januar 2014 (Az. M 21 S 13.31363) wird geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migrat
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.