Verwaltungsgericht München Beschluss, 01. Juli 2015 - M 21 S7 15.50575
Gericht
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Abänderungsverfahrens. Die Kostenentscheidung im
Gründe
I.
Der Antragsteller, der sich nicht mit Personaldokumenten ausweisen kann, nach eigener Angabe die nigerianische Staatsangehörigkeit besitzt und am ... 1975 geboren wurde, stellte am ... September 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) in ... einen Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in ... am ... September 2013 (Bl. ... ff. der Asylverfahrensakte) erklärte der Antragsteller, er habe zwar in Griechenland, nicht aber in Ungarn Asyl beantragt; dort sei er nur erkennungsdienstlich behandelt worden. Er habe Nigeria im Jahr 2008, etwa drei oder vier Monate nach Weihnachten, verlassen. Er habe fünf Kinder, die zusammen mit ihrer Mutter weiterhin in Nigeria lebten. Er habe neun Jahre die Schule besucht. Eine berufliche Ausbildung habe er nicht durchlaufen; er habe in der Landwirtschaft gearbeitet. Zu seiner Ausreise aus seinem Heimatland und zu seiner Einreise nach Deutschland teilte der Antragsteller mit, er sei über die Elfenbeinküste im Jahr 2009 nach Tripolis (Libyen) gekommen. Er sei dann mit Schleusern in einem Boot in die Türkei gefahren. Von dort habe er sich nach Griechenland begeben. Im Januar 2010 sei er in Thessaloniki angekommen und dann nach Athen gegangen. Dort habe er sich im Stadtteil ... aufgehalten. Am ... August 2013 habe er Athen verlassen und sei über Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland (...) gereist, wo er am ... August 2013 angekommen sei. Zu seinem Verfolgungsschicksal und den Gründen für seinen Asylantrag erklärte der Antragsteller, dass sein Vater und ein anderer Mann einen Konflikt über die Innehabung der Funktion des Dorfältesten gehabt hätten. Als der andere Mann nach Krankheit gestorben sei, habe man seinen Vater beschuldigt, den Tod dieses Mannes verursacht zu haben. Zwar sei zwischenzeitlich auch sein Vater gestorben, es bestehe aber zwischen den Familien weiterhin eine Feindschaft. Seine Schwester sei von der anderen Familie geblendet worden; sie sehe jetzt nichts mehr. Im August 2008 sei er von der anderen Familie mit einer Machete in Tötungsabsicht angegriffen worden. Deshalb sei er (zunächst) in die Elfenbeinküste geflohen, wo er sich habe behandeln lassen können. Zur Polizei in Nigeria habe er aufgrund seiner Verletzung nicht gehen können. Im Übrigen hätte der Gang zur Polizei keinen Sinn gemacht, da er nicht die Mittel gehabt habe, um diese zu bestechen. In Nigeria könne die verfeindete Familie ihn überall finden.
Auf ein Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom ... November 2013, das auf den EURODAC-Treffer Nr. ... Bezug nahm (Bl. ... ff. der Asylverfahrensakte), bestätigte Ungarn mit Schreiben vom ... November 2013 die eigene Zuständigkeit unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO). Im Übrigen wurde (in englischer Sprache) mitgeteilt, dass der Antragsteller am ... Juli 2013 in Ungarn einen Asylantrag gestellt habe. Sein Asylverfahren sei in Ungarn am 12. November 2013 eingestellt worden, weil er verschwunden sei (Bl. ... der Asylverfahrensakte).
Mit Bescheid vom ... Dezember 2013, der dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde (Bl. ... der Gerichtsakte des Klageverfahrens M 21 K 13.31362) am ... Dezember 2013 zugestellt wurde, erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ... den Asylantrag des Antragstellers für unzulässig (Ziff. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an (Ziff. 2). Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich die Unzulässigkeit aus § 27a AsylVfG ergebe, da Ungarn aufgrund eines dort zuvor gestellten Asylantrags gem. Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) der Dublin-II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, das Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Es sei davon auszugehen, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechte-Charta) implizierten. Das ungarische Asylrecht stehe im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards und enthalte die wichtigsten Garantien. Dies sei auch von verschiedenen deutschen Verwaltungsgerichten bestätigt worden. Die derzeit vorliegenden Berichte von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen zu dem Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen in Ungarn führten zu keiner anderen Einschätzung bezüglich der Überstellungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Ungarn. Weder der UNHCR, das Hungarian Helsinki Committee noch der European Refugee Council hätten eine generelle Empfehlung ausgesprochen, Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Verfahrens nicht nach Ungarn zu überstellen. Die Antragsgegnerin sei gehalten, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in der Dublin-II-Verordnung festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG.
Am 20. Dezember 2013 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben (M 21 K 13.31362). Er beantragt in der Hauptsache, den Bescheid vom ... Dezember 2013 aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen sowie (weiter hilfsweise) das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
Im Eilverfahren M 21 S 13.31363 beantragte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in der Sache,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom ... Dezember 2013 angeordnete Abschiebung nach Ungarn anzuordnen.
Zur Begründung führt der Bevollmächtigte des Antragstellers aus, dass Ungarn kein sicherer Drittstaat sei. In Ungarn bestünden systemische Mängel sowohl im Asylverfahren als auch hinsichtlich der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge. U. a. werde auf einen UNHCR-Bericht vom 2. Oktober 2013 sowie auf eine im Internet abrufbare Stellungnahme von „bordermonitoring“ vom 20. August 2013 verwiesen. Nach einer zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderung in Ungarn könnten Flüchtlinge bis zu sechs Monaten inhaftiert werden. Die Gründe für die Inhaftierung Asylsuchender seien zu vage formuliert. Zudem berichte das ungarische Helsinki Committee davon, dass im Hinblick auf die steigende Zahl der Asylsuchenden in Ungarn die Hauptaufnahmeeinrichtungen in Debrecen deutlich überbelegt sei, was zu ernsthaften Problemen, insbesondere zu einer eklatanten Verschlechterung der hygienischen Bedingungen geführt habe. Für den Antragsteller bestehe mithin die konkrete Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung.
Die Antragsgegnerin hat die Asylakte vorgelegt und sich zunächst zur Sache nicht geäußert.
Mit
Mit Beschluss vom 11. Februar 2014 (M 21 S7 14.30247) hat das Verwaltungsgericht München den gem. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestellten Antrag der Antragsgegnerin, den im Verfahren M 21 S 13.31363 ergangenen Beschluss des Gerichts vom 10. Januar 2014 abzuändern, abgelehnt.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2015 hat das Verwaltungsgericht München den Bevollmächtigten des Antragstellers mitgeteilt, dass in Erwägung gezogen wird, den
Hierauf nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers unter dem 30. Juni 2015 dahingehend Stellung, dass der Asylantrag, der bereits am ... September 2013 gestellt worden sei, aufgrund des Rechtsgedankens aus Art. 29 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) i. V. mit Art. 47 Satz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Grundrechte-Charta) mit Blick auf den Zeitablauf nunmehr von Deutschland zu prüfen sei. Der Kläger lebe seit knapp zwei Jahren in Deutschland und habe sich in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert. Im Übrigen habe Ungarn nach einer Meldung in zahlreichen Presseorganen - u. a. laut einer Meldung in der Süddeutschen Zeitung vom 24. Juni 2015 - die Rücknahme von Asylsuchenden im Dublin-Verfahren suspendiert. Da in diesem Jahr bereits 60.000 illegale Flüchtlinge über die grüne Grenze gekommen seien, Ungarn aber derzeit nur Kapazitäten zur Versorgung von maximal 3.000 Flüchtlingen habe, sei man dort nicht mehr in der Lage, der „Flüchtlingsflut“ Herr zu werden. Auch wenn die große Mehrheit der eingereisten Flüchtlinge umgehend weiterreise, bestünden Schwierigkeiten, wenn diejenigen, die beispielsweise nach Deutschland oder Österreich weiter gereist seien, im Rahmen des Dublin-Abkommens in Scharen nach Ungarn zurückgeschickt würden. Aus diesen Pressemeldungen sei zu schließen, dass bei einer Maximalkapazität von 3.000 Flüchtlingen eine menschenrechtskonforme Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge nicht mehr möglich sei. Zudem habe der ungarische Regierungssprecher zum Ausdruck gebracht, dass die Asylverfahren gar nicht mehr geprüft würden, sondern versucht werde, die Flüchtlinge in andere Staaten außerhalb der EU abzuschieben. Ferner scheitere nunmehr aufgrund der Suspendierungserklärung Ungarns die Durchführbarkeit der Abschiebung nach Ungarn, so dass insofern nunmehr auch ein Vollzugshindernis i. S. von § 34a AsylVfG nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestehe. Die Abschiebungsanordnung sei daher jetzt rechtswidrig geworden und sei daher aufzuheben. Auch wenn Ungarn die Aussage zwischenzeitlich etwas revidiert habe, sei von dort aber weiterhin erklärt worden, dass Personen, die vorher in Griechenland gelebt hätten, nicht zurückgenommen würden. Dies treffe aber für den Antragsteller zu.
Mit Beschluss des Einzelrichters vom 1. Juli 2015 ist die Rechtssache auf die Kammer übertragen worden (§ 76 Abs. 4 S. 2 AsylVfG).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, auf die Gerichtsakte des Verfahrens in der Hauptsache (M 21 K 13.31362), auf die Gerichtsakten der abgeschlossenen Eilverfahren M 21 S 13.31363 und M 21 S7 14.30247 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben.
Anders als noch im Beschluss vom 10. Januar 2014 geht das Gericht nunmehr davon aus, dass der (zulässige) Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom ... Dezember 2013 verfügte Abschiebung nach Ungarn unbegründet ist. Das erkennende Gericht, bei dem das Klageverfahren M 21 K 13.31362 weiterhin anhängig ist, macht - anders als noch im vorangegangenen Abänderungsverfahren M 21 S7 14.30247 - nunmehr von seiner Abänderungsbefugnis aufgrund der zwischenzeitlich weitgehend gefestigten und obergerichtlich gedeckten Rechtsprechung und insbesondere aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier
Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Anordnung gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Nach der gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum relevanten Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ist davon auszugehen, dass der Antragsteller durch die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung nach Ungarn nicht in subjektiven Rechten verletzt wird. Der angegriffene Bundesamtsbescheid vom ... Dezember 2013 erweist sich in Ansehung aller im relevanten Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts erkennbaren Umstände als rechtmäßig. Der in Deutschland gestellte Asylantrag des Antragstellers ist von der Antragsgegnerin zu Recht als unzulässig eingestuft worden. Die hierauf gründende Abschiebungsanordnung nach Ungarn ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids) und für die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids) ist § 34a Abs. 1 AsylVfG i. V. mit § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid in nicht zu beanstandender Weise eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags unterlassen und diesen auf Basis von § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Anzuwenden ist im vorliegenden Fall wegen Art. 49 UAbs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) noch die Dublin-II-VO, da sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das Übernahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. den in dieser Sache ergangenen Eilbeschluss VG München
1. Ungarn ist vorliegend der nach der einschlägigen Dublin-II-VO für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständiger Mitgliedstaat. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin-II-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatenangehöriger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Nach Satz 2 der Regelung wird der Antrag grundsätzlich nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-VO (§§ 5 ff. Dublin-II-VO) als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird.
Der Antragsteller räumt selbst ein, sich vor der Antragstellung in Deutschland in Ungarn aufgehalten zu haben und dort erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein. Es steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat. Dies ergibt sich sowohl aus der Wiederaufnahmebestätigung Ungarns (Schreiben vom 13. November 2013) als auch aus dem EURODAC-Treffer mit der Kennziffer .... Hierbei handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 vom 28.02.2002 (EURODAC-DVO) um einen Treffer der Kategorie „1“. Daraus folgt, dass der Antragsteller in Ungarn als Asylbewerber erfasst worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Daten unzutreffend sind, bestehen nicht, zumal nach Art. 13 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 v. 11.12.2000 (EURODAC-VO) eine europarechtliche Richtigkeitsgewähr der Mitgliedstaaten bzgl. der erhobenen und übermittelten Daten besteht (vgl. auch VG Trier
Eine Überstellung des Antragstellers nach Griechenland, dem gemäß Art. 5 Abs. 2, 10 Abs. 1 bzw. Art. 13 Dublin-II-VO für seinen Asylantrag an sich primär zuständigen Mitgliedstaat, kam nicht in Betracht. Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Griechenland weisen grundlegende systemische Mängel auf, die einer Abschiebung dorthin aufgrund der humanitären Situation entgegenstehen (vgl. EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09 = NVwZ 2011, 413; vgl. auch BVerfG v. 08.09.2009, Az. 2 BvQ 56/09 = NVwZ 2009, 1281; zur Weisung des Bundesministeriums des Innern, Asylsuchende nicht mehr nach Griechenland zu überstellen: BVerfG v. 25.01.2011, Az. 2 BvR 2015/09; allg. zur diesbezüglichen Problematik s. ausführlich unten 3.) und die nach wie vor fortbestehen (VG München
Der Antragsteller hat im Übrigen schon keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin im Einzelnen überprüft, welcher Mitgliedsstaat nach den Kriterien der Dublin-II-VO ursprünglich zuständig war, wenn der „an sich“ primär zuständige Mitgliedsstaat (hier Griechenland) wegen systemischer Mängel im Asylverfahren für eine Rücküberstellung nicht in Betracht kommt. Denn die Dublin-II-VO enthält insofern (nur) organisatorische Vorgaben, die die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten regeln, vermittelt aber diesbezüglich keine subjektiven Anspruchspositionen (hierzu z. B. VG München
Im Übrigen hat Ungarn spätestens durch die gegenüber der Antragsgegnerin erklärte Anerkennung seiner Zuständigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 - hier: Buchst. c) - Dublin-II-VO und die ebenso erklärte Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Antragstellers zumindest konkludent Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO seinerseits das Selbsteintrittsrecht ausgeübt und ist jedenfalls zumindest hierüber für den Antragsteller tatsächlich zuständig geworden (ebenso: VG Augsburg
Das erkennende Gericht teilt nicht die singulär gebliebene Ansicht des VG Saarlouis (Beschl. v. 11.02.2014, Az. 3 L 95/14), wonach die Begründung einer Zuständigkeit Ungarns aufgrund der Übernahmeerklärung wegen Art. 20 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-II-VO voraussetze, dass in dem Formular für das Wiederaufnahmegesuch unter der Rubrik „In welches Land (in welche Länder) hat er sich begeben“ und „Reiseweg“ der vollständige Reiseweg sowie der Umstand der Asylantragstellung in Griechenland angegeben werden müsse. Denn der ersuchte Staat - hier: Ungarn - hat innerhalb der zweiwöchigen Bearbeitungszeit gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b) Dublin-II-VO ohne Weiteres die Möglichkeit, selbst eine EURODAC-Abfrage vorzunehmen, um eine mögliche vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können, und kann zudem von sich aus vom ersuchenden Staat - hier: Deutschland - weitere Informationen verlangen (vgl. VG Ansbach
2. Der Antragsteller kann auch nicht erfolgreich einwenden, dass eine Überstellung nach Ungarn unzulässig ist, weil die ursprünglich begründete Zuständigkeit Ungarns - s. o. 1 - zwischenzeitlich entfallen wäre. Der Unzulässigkeitserklärung des Asylantrags nach § 27a AsylVfG und die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG steht weder der Zeitablauf zwischen der Asylantragstellung in Deutschland und dem gestellten Übernahmeersuchen an Ungarn noch der Zeitablauf seit der Wiederaufnahmeerklärung Ungarns entgegen.
Ein Zuständigkeitswechsel auf die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Ablaufs der Dreimonatsfrist des Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 Dublin-II-VO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil zwischen Asylantragstellung in Deutschland (... September 2013) und dem Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn (... November 2013) tatsächlich weniger als drei Monate verstrichen sind. Zudem ist Art. 17 Dublin-II-VO weder auf die Fälle des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO anwendbar (OVG Koblenz
Soweit sich der Bevollmächtigte des Antragstellers auf den Ablauf der Sechsmonatsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO beruft, wird darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall noch die Dublin-II-VO anwendbar ist und deswegen auf den - freilich im Wesentlichen identischen - Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO abzustellen ist. Die dort geregelte sechsmonatige Überstellungsfrist gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO ist noch nicht abgelaufen. Denn aufgrund der Eilentscheidung des Gerichts
3. Die Antragsgegnerin ist nicht gehindert, den Antragsteller nach Ungarn zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächten. Auch wenn nach aktueller Erkenntnislage die Lebensbedingungen von Asylsuchenden in Ungarn weiterhin schwierig sind und insbesondere die Praxis der Inhaftierung von Asylsuchenden bedenklich ist, sind die Missstände nicht so gravierend bzw. erreichen nicht ein solches Ausmaß, dass sie sog. systemische Mängel am Maßstab von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta/Art. 3 EMRK begründen könnten.
Das hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Artikel 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV) stehende Prinzip des gegenseitigen Vertrauens hat in der Dublin-II-Verordnung (und nunmehr auch in der Dublin-III-Verordnung) sowie in weiteren Rechtsakten der EU eine Ausgestaltung gefunden. Dieses Prinzip beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, in der Genfer Flüchtlingskonvention sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheit (EMRK) finden, beachten und dass die Mitglied- bzw. Vertragsstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung von Antragstellern in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten steht (hierzu: EuGH v. 21.12. 2011, Rs. C-411/10 und C-493/10
Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen“, auf die sich „systemische Mängel“ im vorgenannten Sinn beziehen können, ist der Gesamtkomplex des Asylsystems in dem Mitgliedstaat gemeint und es genügt, wenn in irgendeinem Bereich dieses Gesamtsystems Mängel dieser Art auftreten. Das Gesamtsystem umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Verfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung. Systemische Mängel setzen damit zwar nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel - die auch im Sinne einer Selbstbetroffenheit speziell auch gerade für den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Situation relevant werden müssten (BVerwG
Inhaltlich vermögen einzelne Missstände keine systemischen Mängel im o.g. Sinn zu begründen. Eine Widerlegung der Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft. Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Unerlässlich ist mithin, dass festgestellte Mängel aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrecht-Charta bzw. des Art. 3 EMRK droht. Darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war, kommt es nicht an (zum Ganzen: BVerwG
Nach diesen Maßstäben kann eine derartige Gefahr systemischer Schwachstellen in Ungarn auf Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials derzeit nicht festgestellt werden. Nach den o. g. Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Ungarn mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer dem Antragsteller drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta, Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Ungarn nach sich ziehen könnten. Soweit im Eilverfahren
Vormals kritische Berichte über die Situation in Ungarn aus dem Jahr 2012 (vgl. z. B. den Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen/UNHCR „Hungary as a country of asylum - Observations on the situation of asylum-seekers and refugees in Hungary“ datiert vom April 2012 [deutsche Fassung: „Ungarn als Asylland - Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn, April 2012] sowie das Positionspapier des UNHCR „Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn“ vom 24. April 2012), die zunächst im Oktober 2012 in der Forderung des UNHCR gipfelten, keine Asylbewerber nach den Dublin-II-Regularien nach Ungarn zu überstellen, wenn diese vor ihrer Ankunft in Ungarn durch Serbien gekommen waren („Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia“), wurden bereits Ende des Jahres 2012 relativiert, indem der UNHCR diese Aufforderung im Dezember 2012 ausdrücklich wieder aufgehoben („amends its previous position“) und die Veränderungen in der ungarischen Asylpraxis ausdrücklich positiv gewürdigt hatte („Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update“, December 2012).
Es liegen nach den aktuellen Erkenntnisquellen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn über ihren Asylantrag sachlich noch nicht entschieden worden ist (EGMR v. 03.07.2014, Az. 71932/12, Rn. 72, 73; VG Düsseldorf
Asylbewerber haben in Ungarn im Rahmen der materiellen Aufnahmeleistungen Zugang auch zur medizinischen Versorgung. Dadurch werden notwendige medizinische Behandlungen abgedeckt; der Umfang entspricht der medizinischen Gratisversorgung für legal im Land lebende ausländische Staatsangehörige. Asylbewerber haben ein Recht darauf, von Allgemeinärzten untersucht und behandelt zu werden. Die ungarische Gesetzeslage sieht vor, dass Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen medizinische Versorgung, Rehabilitationsmaßnahmen, ambulante und stationäre psychologische Versorgung oder psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch nehmen können, die gesundheitlich geboten sind (Auskunft des AA an VG München
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung stand zuletzt im Wesentlichen nur noch die ungarische Praxis der Inhaftierung Asylsuchender im Focus der rechtlichen Betrachtung. Maßnahmen, in denen einer Person - wie bei einer Haft - die Freiheit entzogen wird, haben notwendig Leiden und Erniedrigung zur Folge. Solche Umstände verletzen jedoch nicht per se Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-Grundrechte-Charta. Die genannten Vorschriften legen dem Staat jedoch die Verpflichtung auf, sich zu vergewissern, dass ein Gefangener unter Bedingungen festgehalten wird, die mit der Achtung seiner Menschenwürde vereinbar sind, dass die Haftbedingungen ihm nicht Leiden oder Härten auferlegen, die das mit der Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigen und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse der Haft angemessen sichergestellt werden. Der EGMR nimmt in seiner Rechtsprechung regelmäßig eine Würdigung der Haftbedingungen in ihrer Gesamtheit vor und nimmt dabei auch einen kumulativen Effekt in den Blick. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen zählen beispielsweise die räumliche Unterbringung, eine mögliche Überbelegung, die Möglichkeit, den Raum zeitweise verlassen zu können, Kontaktmöglichkeiten zu Angehörigen, eine hinreichende Ernährung, die hygienischen Verhältnisse, das Vorhandensein sanitärer Einrichtungen und eine angemessene Versorgung bei Erkrankungen (zum Ganzen: EGMR v. 22.07.2010, Az. 12186/08, Rn. 55 ff. = NVwZ 2011, 418; EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09, Rn. 220 = NVwZ 2011, 413; VG Magdeburg
Das Auswärtige Amt hat sich insofern bereits im Jahr 2013 in zwei Stellungnahmen zur ungarischen Asylgesetzgebung und -praxis geäußert (Auskunft an VG Augsburg
An diesen Erkenntnissen und Bewertungen aus dem Jahr 2013 hat sich zwischenzeitlich auch nichts geändert (wie hier - z. T. bereits zur Dublin-III-VO - aus der neueren Rechtsprechung: BayVGH
In einer neueren Entscheidung vom 3. Juli 2014 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann (BVerfG v. 14.10.2004, Az. 2 BvR 1481/04, Rn. 32 bei juris) und dessen Rechtsprechung maßgeblich für die Auslegung der Menschenrechte der EMRK ist, das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn unter Berücksichtigung der zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen neuen Rechtslage (§§ 31/A, 31/B und 31/C Asylum Act Hungary) verneint. Unter Randnummern 68 bis 70 heißt es bei EGMR v. 03.07.2014, Az. 71932/12 (Mohammadi gegen Österreich):
„(…) The country reports showed that there is still a practice of detaining asylum-seekers, and that so-called asylum detention is also applicable to Dublin returnees. The grounds for detention are vaguely formulated, and there is no legal remedy against asylum detention. However, the reports also showed that there is no systematic detention of asylum-seekers anymore, and that alternatives to detention are now provided for by law. The maximum period of detention has been limited to six months. Turning to the conditions of detention, it is noted that while there are still reports of shortcomings in the detention system, from an overall view there seem to have been improvements.
Moreover, the Court notes that the UNHCR never issued a position paper requesting EU member States to refrain from transferring asylum-seekers to Hungary under the Dublin II or Dublin III Regulation (compare the situation relating to Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195, and the UNHCR recommendation of 2 January 2013 to halt transfers to Bulgaria).
Under those circumstances and as regards the possible detention of the applicant and the related complaints, the Court concludes that in view of the recent reports cited above, the applicant would currently not be at a real and individual risk of being subjected to treatment in violation of Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary under the Dublin Regulation.“
Zusammenfassend kommt der EGMR in dieser Entscheidung vom 3. Juli 2014 erneut zu der Einschätzung, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Asylsuchender nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliege, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-VO einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die Art. 3 EMRK verletzen würde (vgl. hierzu auch BayVGH
Insbesondere unter Rekurs auf die aktuelle Rechtsprechung des EGMR hat nunmehr auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. Juni 2015 (Az. 13a ZB 15.50097) Stellung bezogen und deckt unter Ablehnung des Antrags des dortigen Klägers auf Zulassung der Berufung gegen VG München
„(…) Abgesehen davon gehen sowohl das Verwaltungsgericht Berlin (B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - Asylmagazin 2015, 80 = juris) wie das Verwaltungsgericht München (B. v. 20.2.2015 - M 24 S 15.50091 - juris) nicht von einem systemischen Verstoß gegen Art. 4 EU-Grundrechtscharta aus, wie in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bestimmt ist. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrunde gelegt haben (vgl. auch OVG SH, B. v. 13.4.2015 - 2 LA 39/15 - juris). Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die Dublin II-VO verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10
In gleicher Zielrichtung argumentiert das Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein (vgl. Beschl. v. 13.04.2015, Az. 2 LA 39/15, Rn. 3 bei juris):
„(…) Abgesehen davon erlaubt auch nach Auffassung des VG Berlin (Beschluss vom 15. Januar 2015 a. a. O., juris Rn. 8) die Auskunftslage nicht die Feststellung systemischer Mängel aufgrund unmenschlicher und erniedrigender Haftbedingungen in Ungarn; das VG Stuttgart (Beschluss vom 19. Februar 2015 a. a. O. juris Rn. 9) sieht es als offen an, ob die Asylhaftpraxis in Ungarn gegen Art. 6 EuGrCh verstößt. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin-III-Verordnung festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrunde gelegt haben. Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die vorangehende Dublin-II-Verordnung verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C - 411/10 u. a. - juris Rn. 82).“
Insbesondere dem Umstand, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen, kommt eine besondere Indizbedeutung zu. Denn die vom UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtenden - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-528/11; VG München
Allein der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 wieder Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält (§§ 31/A ff. Asylum Act Hungary) und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehr häufig bis regelmäßig inhaftiert werden (Auskunft des UNHCR an das VG Düsseldorf
Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden die gesetzlichen Vorgaben bei ihrer Entscheidung über die Inhaftierung von Asylbewerbern - speziell Dublin-Rückkehrern - nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch/systematisch nicht beachten (ebenso VG Düsseldorf
Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass die Inhaftierung speziell von Dublin-Rückkehrern in der Praxis unter systematischem Verstoß gegen das Einzelfallprüfungsgebot (Art. 8 Absatz 2 AufnahmeRL, § 31/A Asylum Act Hungary) angeordnet wird. Auch wenn die Haftanordnung regelmäßig schematisch erfolgt (Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf
Soweit in der ungarischen Haftpraxis über die ausdrücklich in § 31/A Abs. 1 Asylum Act Hungary geregelten Tatbestandsvoraussetzungen hinaus auf weitere Haftgründe zurückgegriffen wird, die nicht unter die im Asylum Act genannten Haftgründe fallen, wie z. B. „unrechtmäßiger Aufenthalt“, „irreguläre Einreise“, „Fehlen ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts“, „Fehlen von Verbindungen nach Ungarn“ (vgl. Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf
„Zwar gibt es gemäß § 31/C Absatz 2 Asylum Act Hungary keine individuellen Rechtsmittel, sondern gemäß Absatz 3 nur die Möglichkeit eines Einspruchs („objection“), gegen die Haftanordnung.
Vgl. auch Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Dahingestellt bleiben kann, inwieweit dieser Rechtsbehelf hinreichenden Rechtschutz zu gewähren vermag. Denn die Asylbewerber haben jedenfalls die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung im Rahmen der von Amts wegen erfolgenden Überprüfung nach 72 Stunden bzw. 60 Tagen vor dem Amtsgericht geltend zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristregelungen gegen Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL - der seinerseits keine konkreten Fristvorgaben enthält - verstoßen und/oder diese Vorgaben in der Praxis nicht umgesetzt werden, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vorgeschriebenen gerichtlichen Haftüberprüfungen nicht geeignet sind, den Asylbewerbern effektiven Rechtschutz zu gewähren. Zwar kritisieren Pro Asyl und der UNHCR, dass es in der Praxis so gut wie nie zu einer Entlassung komme.
Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Zum einen konnte keine der drei befragten Organisationen verlässliche Auskünfte zu der Frage, wie viele der nach dem 1. Juli 2013 erlassenen Anordnungen von Asylhaft aufgrund der bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten tatsächlich aufgehoben worden sind, geben.
Vgl. die Antworten des Auswärtigen Amtes, UNHCR und von Pro Asyl zu Frage 12 des Beweisbeschlusses.
Zum anderen ließe sich allein aus einer geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe auch nicht ohne weiteres darauf schließen, dass die ungarischen Gerichte keinen effektiven Rechtschutz gewährleisten. Dass derartige Haftprüfungsanträge durch die Gerichte angeblich mit schematisierten Entscheidungen abgelehnt werden und die Verhandlungen nur wenige Minuten dauern, muss nicht bedeuten, dass diese Rechtsbehelfe nicht individuell geprüft würden. Vielmehr kann in Haftsachen, die Massenverfahren darstellen, aus Gründen der Vereinfachung auch eine individuelle richterliche Überprüfung zu einer schematisierten Begründung führen, wenn das Gericht keine besonders begründungsbedürftigen Umstände des Einzelfalles angenommen hat, ohne dass grundlegende rechtsstaatliche Garantien verletzt wären; die Annahme von (fortbestehender) Fluchtgefahr bei Personen, die sich dem Asylverfahren bereits in der Vergangenheit entzogen haben, erscheint dem erkennenden Gericht zumindest nicht unvertretbar.
Vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 23. September 2014 - W 1 K 14.50050 -, juris, Rn. 37.”
In Bezug auf die Haftdauer sind keine systemischen Mängel am Maßstab von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 EMRK erkennbar. Auch insofern nimmt das erkennende Gericht auf VG Düsseldorf
„Auch aus den Erkenntnissen des Gerichts zur Haftdauer lässt sich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Dublin-Rückkehrern ableiten. Vielmehr steht die Rechtslage und tatsächlich gelebte Praxis in Ungarn auch insoweit in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Laut Auskunft von Pro Asyl beobachtete das HHC in der Vergangenheit, dass die maximale Haftdauer von sechs Monaten in vielen Fällen ausgeschöpft worden sei. Seit Kurzem würden inhaftierte Asylsuchende aus der Asylhaft entlassen, sobald das OIN im „in-merit procedure“ über das Asylgesuch entschieden hat und zwar auch dann, wenn diese Entscheidung negativ ausgefallen sei und der Betroffene Rechtmittel eingelegt habe. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass die Höchstgrenze der zulässigen Haftdauer überschritten wird.
vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Es erscheint zumindest nicht unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr - bis zu einer Entscheidung über das Asylbegehren bzw. unter Umständen auch nach einer ablehnenden Entscheidung - fortlaufend gegeben ist.
Vgl. Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 1 B 862/14 -, juris, Rn. 15.
Hinzu kommt, dass die Inhaftierung von Amts wegen alle 60 Tage überprüft wird (s. o.), die Asylbewerber mithin die Möglichkeit haben, ihre Inhaftierung auf die fortbestehende Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.“
Ferner sind den vorliegenden Auskünften (vgl. z. B. Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf
Sollte der Antragsteller bei Rückkehr nach Ungarn nicht in Asylhaft genommen werden, sind auch keine Anhaltspunkte für systemische Mängel mit Blick auf Art. 4 EU-Grundrechte-Charta wegen drohender Obdachlosigkeit ersichtlich. Es ist im gesamten vergangenen Jahr 2014 kein Fall bekannt, in dem einem Asylsuchenden - etwa wegen Überbesetzung der Unterbringungseinrichtungen - in Ungarn kein Obdach gewährt worden ist (AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Reception Conditions/A. 3. Types of accommodation, S. 43; vgl. bereits den vorangegangenen AIDA-Report, Stand 30. April 2014, S. 40; VG Gelsenkirchen
Auch für den Fall, dass der Antragsteller in Ungarn nach dem dortigen Abschluss des Verfahrens Flüchtlingsschutz bzw. einen subsidiären Schutzstatus erhalten sollte, bestehen gegen eine Rückführung dorthin keine Bedenken. Das Gericht geht zwar davon aus, dass nach derzeitiger Erkenntnislage die Lebensbedingungen insbesondere für anerkannte Asylbewerber und subsidiär Schutzberechtigte schwierig sind (vgl. hierzu den Bericht von bordermonotoring.eu, Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Oktober 2013, S. 16 ff.). Diese stellen sich aber - auch unter Berücksichtigung von gesetzlichen Integrationsleistungen (Auskunft AA an VG München
Sollte der Asylantrag des Antragstellers in Ungarn in der Sache abgelehnt werden, wäre der Antragsteller noch bis zur Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung berechtigt, in offenen Unterbringungseinrichtungen Aufenthalt zu nehmen; nach unanfechtbarer Ablehnung bestünde noch zwei Monate Anspruch auf Unterkunft und Basisversorgung nach den Regelungen des ungarischen Asylgesetzes. Es verbleibt dann nur die Berechtigung, in den öffentlichen Notunterkunftsplätzen des jeweiligen Komitats Aufenthalt zu nehmen und zur kostenfreien Notfallversorgung der öffentlichen Gesundheitszentren (vgl. Auskunft AA an VG München
4. Vor diesem Hintergrund ist der Asylantrag des Antragstellers deshalb zu Recht von der Antragsgegnerin gem. § 27a AsylVfG ohne materielle Prüfung als unzulässig abgelehnt worden. Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO zwingend gebieten würden, sind nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Des Weiteren bestehen gegen die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn am Maßstab von § 34a Abs. 1 AsylVfG keine Bedenken.
Einer Rückführung des Antragstellers nach Ungarn stehen insbesondere keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse im Sinne des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG entgegen (zur Einbeziehung auch sog. inlandsbezogener Abschiebungs- oder Vollzugshindernisse: BVerfG v. 17.09.2014, Az. 2 BvR 732/14, Rn. 11 bei juris; BVerfG v. 17.09.2014, Az. 2 BvR 1795/14, Rn. 9 bei juris; BayVGH
5. Die Klage in der Hauptsache wird daher voraussichtlich keinen Erfolg haben. Mit Blick auf diese Bewertung war daher der Beschluss vom 10. Januar 2014 (Az. M 21 S 13.31363) gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 i. V. mit § 80 Abs. 5 VwGO zu korrigieren.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Klarstellend wird auf Folgendes hingewiesen: Die Kostenentscheidung im
7. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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Annotations
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.
(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.
(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.
(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.
(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.
(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.