Verwaltungsgericht München Beschluss, 01. Juli 2015 - M 21 S7 15.50576
Gericht
Tenor
I.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Abänderungsverfahrens. Die Kostenentscheidung im Beschluss vom 10. Januar 2014 (M 21 S 13. 31382) bleibt unberührt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, der sich nicht mit Personaldokumenten ausweisen kann, nach eigener Angabe die sierra-leonische Staatsangehörigkeit besitzt und am ... 1994 geboren wurde, stellte am ... September 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) in ... einen Asylantrag.
Eine EURODAC-Recherche ergab, dass der Antragsteller Asylanträge bereits in Griechenland und in Ungarn gestellt hatte (Bl. ... ff. der Asylverfahrensakte).
Auf ein Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom ... November 2013, das auf den EURODAC-Treffer Nr. ... Bezug nahm (Bl. ... ff. der Asylverfahrensakte), bestätigte Ungarn mit Schreiben vom ... November 2013 die eigene Zuständigkeit unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO). Im Übrigen wurde (in englischer Sprache) mitgeteilt, dass der Antragsteller am ... März 2013 in Ungarn einen Antrag auf Asyl gestellt habe, der zurückgewiesen worden sei. Der Antragsteller habe eine richterliche Überprüfung beantragt, die noch nicht abgeschlossen sei. Zwischenzeitlich sei der Antragsteller verschwunden (Bl. ... der Asylverfahrensakte).
Bei einer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gem. § 25 AsylVfG am... November 2013 (Bl. ... ff. der Asylverfahrensakte) gab der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt an, er habe Sierra Leone im März 2012 verlassen und sei über Guinea zunächst nach Dakar (Senegal) gefahren und sei von dort mit dem Schiff als illegaler Passagier in die Türkei gereist. Er sei dann circa zwei Wochen zu Fuß unterwegs nach Griechenland gewesen. Dort habe ihn die Polizei in ein Flüchtlingslager gebracht und erkennungsdienstlich behandelt. Sein in Griechenland gestellter Asylantrag sei abgelehnt worden. Nach einigen Monaten Aufenthalt in Griechenland sei er von Saloniki zu Fuß über Serbien bis nach Ungarn zu Fuß gelaufen. Das habe etwa zwei Monate gedauert. In Ungarn sei er von der Polizei aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden. Er habe nach Beantragung von Asyl in Ungarn eine sechsmonatige Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Er sei zunächst fünf Monate in Debrecen in einem Lager gewesen und habe sich danach einen Monat und zwanzig Tage in einem Flüchtlingslager in Budapest aufgehalten. Von Ungarn aus sei er Anfang September 2013 mit dem Zug nach Deutschland (...) gefahren.
Mit Bescheid vom ... Dezember 2013, der dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde (Bl. ..., ... der Gerichtsakte M 21 K 13.31381) am ... Dezember 2013 zugestellt wurde, erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ... den Asylantrag des Antragstellers für unzulässig (Ziff. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an (Ziff. 2). Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich die Unzulässigkeit aus § 27a AsylVfG ergebe, da Ungarn aufgrund eines dort zuvor gestellten Asylantrags gem. Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) der Dublin-II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, das Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Die Antragsgegnerin sei gehalten, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in der Dublin-II-Verordnung festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG.
Am 27. Dezember 2013 hat der Antragsteller durch Erklärung zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben (M 21 K 13.31381). Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 30. Dezember 2013 hat er in der Hauptsache beantragt, den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... Dezember 2013 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und das Asylverfahren des Antragstellers in eigener Zuständigkeit durchzuführen und zu bescheiden.
Im Eilverfahren M 21 S 13.31382 beantragte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in der Sache,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom ... Dezember 2013 angeordnete Abschiebung nach Ungarn anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der in Ungarn gestellte Asylantrag des Antragstellers abgelehnt worden sei. Hiergegen habe der Antragsteller Rechtsmittel eingelegt. Der Antragsteller sei in den Aufnahmelagern in Ungarn bereits unzumutbaren Verhältnissen ausgesetzt gewesen sei. Es werde insofern zur Glaubhaftmachung auf die eingereichte eidesstaatliche Versicherung des Antragstellers vom ...12.2013 verwiesen (vgl. Bl. ... f. der Gerichtsakten). Der Antragsteller könne beanspruchen, dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung Gebrauch mache. In Ungarn habe er eine mit Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta unvereinbare unmenschliche und erniedrigende Behandlung zu befürchten. In Ungarn bestünden - worauf auch der UNHCR wiederholt hingewiesen habe - systemische Mängel hinsichtlich des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen, zumal eine am 1. Juli 2013 in Kraft getretene Gesetzesänderung in Ungarn weitreichend Inhaftierungen von Asylbewerbern bis zu sechs Monaten zulasse.
Die Antragsgegnerin hat die Asylakte vorgelegt und sich zunächst zur Sache nicht geäußert.
Mit
Mit Beschluss vom 11. Februar 2014 (M 21 S7 14.30248) hat das Verwaltungsgericht München den gem. § 80 Abs. 7 Satz VwGO gestellten Antrag der Antragsgegnerin, den im Verfahren M 21 S 13.31382 ergangenen Beschluss des Gerichts vom 10. Januar 2014 abzuändern, abgelehnt.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2015 hat das Verwaltungsgericht München den Bevollmächtigten des Antragstellers mitgeteilt, dass in Erwägung gezogen wird, den
Hierauf nahmen die Bevollmächtigten des Antragstellers unter dem 30. Juni 2015 dahingehend Stellung, dass zwischenzeitlich neue Tatsachen eingetreten seien. Die Kapazitäten des ungarischen Aufnahmesystems seien ausgelastet. Asylsuchende könnten nunmehr weder in Abschiebehaftanstalten noch in Aufnahmeeinrichtungenuntergebracht werden. Das Dublin-Unit Ungarn habe bereits am 29. Mai 2015 mitgeteilt, es könnten bis 5. August 2015 nur noch an wenigen Tagen Überstellungen erfolgen, da die Kapazitäten erschöpft seien. Ungarn habe sodann am 23. Juni 2015 mitgeteilt, das Land könne keine Flüchtlinge mehr zurücknehmen. Am nächsten Tag sei dies - wie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. Juni 2015 berichtet werde - dahingehend modifiziert worden, dass Ungarn nur die Flüchtlinge nicht mehr aufnehmen werde, die irrtümlich nach Ungarn abgeschoben werden sollten. Es gehe um Personen, die bei ihrer Flucht als erstes Land Griechenland betreten hätten. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sei völlig unklar, ob Ungarn den Antragsteller tatsächlich zurücknehmen werde. Zwischenzeitlich hätten diverse Verwaltungsgerichte aufgrund des „Transfer-Stopps“ in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zugunsten von Antragstellern entschieden (VG Aachen
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, auf die Gerichtsakte des Verfahrens in der Hauptsache (M 21 K 13.31381), auf die Gerichtsakten der abgeschlossenen Eilverfahren M 21 S 13.31382 und M 21 S7 14.30248 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben.
Anders als noch im Beschluss vom 10. Januar 2014 geht das Gericht nunmehr davon aus, dass der (zulässige) Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom ... Dezember 2013 verfügte Abschiebung nach Ungarn unbegründet ist. Das erkennende Gericht, bei dem das Klageverfahren M 21 K 13.31381 weiterhin anhängig ist, macht - anders als noch im vorangegangenen Abänderungsverfahren M 21 S7 14.30248 - nunmehr von seiner Abänderungsbefugnis aufgrund der zwischenzeitlich weitgehend gefestigten und obergerichtlich gedeckten Rechtsprechung und insbesondere aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier
Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Anordnung gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Nach der gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum relevanten Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ist davon auszugehen, dass der Antragsteller durch die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung nach Ungarn nicht in subjektiven Rechten verletzt wird. Der angegriffene Bundesamtsbescheid vom ... Dezember 2013 erweist sich in Ansehung aller im relevanten Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts erkennbaren Umstände als rechtmäßig. Der in Deutschland gestellte Asylantrag des Antragstellers ist von der Antragsgegnerin zu Recht als unzulässig eingestuft worden. Die hierauf gründende Abschiebungsanordnung nach Ungarn ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids) und für die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids) ist § 34a Abs. 1 AsylVfG i.V. mit § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid in nicht zu beanstandender Weise eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags unterlassen und diesen auf Basis von § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Anzuwenden ist im vorliegenden Fall wegen Art. 49 UAbs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) noch die Dublin-II-VO, da sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das Übernahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. den in dieser Sache ergangenen Eilbeschluss VG München
1. Ungarn ist vorliegend der nach der einschlägigen Dublin-II-VO für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständiger Mitgliedstaat. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin-II-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatenangehöriger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Nach Satz 2 der Regelung wird der Antrag grundsätzlich nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-VO (§§ 5 ff. Dublin-II-VO) als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird.
Der Antragsteller räumt selbst ein, sich vor der Antragstellung in Deutschland in Ungarn aufgehalten zu haben, dort erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein und einen Asylantrag gestellt zu haben. Letzteres ergibt sich zudem aus der Wiederaufnahmebestätigung Ungarns (Schreiben vom ... November 2013) sowie aus dem EURODAC-Treffer mit der Kennziffer ... Hierbei handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 vom 28.02.2002 (EURODAC-DVO) um einen Treffer der Kategorie „1“. Daraus folgt, dass der Antragsteller in Ungarn als Asylbewerber erfasst worden ist (vgl. auch VG Trier
Eine Überstellung des Antragstellers nach Griechenland, dem gemäß Art. 5 Abs. 2, 10 Abs. 1 bzw. Art. 13 Dublin-II-VO für seinen Asylantrag an sich primär zuständigen Mitgliedstaat, kam nicht in Betracht. Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Griechenland weisen grundlegende systemische Mängel auf, die einer Abschiebung dorthin aufgrund der humanitären Situation entgegenstehen (vgl. EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09 = NVwZ 2011, 413; vgl. auch BVerfG v. 08.09.2009, Az. 2 BvQ 56/09 = NVwZ 2009, 1281; zur Weisung des Bundesministeriums des Innern, Asylsuchende nicht mehr nach Griechenland zu überstellen: BVerfG v. 25.01.2011, Az. 2 BvR 2015/09; allg. zur diesbezüglichen Problematik s. ausführlich unten 3.) und die nach wie vor fortbestehen (VG München
Der Antragsteller hat im Übrigen schon keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin im Einzelnen überprüft, welcher Mitgliedsstaat nach den Kriterien der Dublin-II-VO ursprünglich zuständig war, wenn der „an sich“ primär zuständige Mitgliedsstaat (hier Griechenland) wegen systemischer Mängel im Asylverfahren für eine Rücküberstellung nicht in Betracht kommt. Denn die Dublin-II-VO enthält insofern (nur) organisatorische Vorgaben, die die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten regeln, vermittelt aber diesbezüglich keine subjektiven Anspruchspositionen (hierzu z. B. VG München
Im Übrigen hat Ungarn spätestens durch die gegenüber der Antragsgegnerin erklärte Anerkennung seiner Zuständigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 - hier: Buchst. c) - Dublin-II-VO und die ebenso erklärte Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Antragstellers zumindest konkludent Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO seinerseits das Selbsteintrittsrecht ausgeübt und ist jedenfalls zumindest hierüber für den Antragsteller tatsächlich zuständig geworden (ebenso: VG Augsburg
Das erkennende Gericht teilt nicht die singulär gebliebene Ansicht des VG Saarlouis (Beschl. v. 11.02.2014, Az. 3 L 95/14), wonach die Begründung einer Zuständigkeit Ungarns aufgrund der Übernahmeerklärung wegen Art. 20 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-II-VO voraussetze, dass in dem Formular für das Wiederaufnahmegesuch unter der Rubrik „In welches Land (in welche Länder) hat er sich begeben“ und „Reiseweg“ der vollständige Reiseweg sowie der Umstand der Asylantragstellung in Griechenland angegeben werden müsse. Denn der ersuchte Staat - hier: Ungarn - hat innerhalb der zweiwöchigen Bearbeitungszeit gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b) Dublin-II-VO ohne Weiteres die Möglichkeit, selbst eine EURODAC-Abfrage vorzunehmen, um eine mögliche vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können, und kann zudem von sich aus vom ersuchenden Staat - hier: Deutschland - weitere Informationen verlangen (vgl. VG Ansbach
2. Der Antragsteller kann auch nicht erfolgreich einwenden, dass eine Überstellung nach Ungarn unzulässig ist, weil die ursprünglich begründete Zuständigkeit Ungarns - s.o. 1 - zwischenzeitlich entfallen wäre. Der Unzulässigkeitserklärung des Asylantrags nach § 27a AsylVfG und die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG steht weder der Zeitablauf zwischen der Asylantragstellung in Deutschland und dem gestellten Übernahmeersuchen an Ungarn noch der Zeitablauf seit der Wiederaufnahmeerklärung Ungarns entgegen.
Ein Zuständigkeitswechsel auf die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Ablaufs der Dreimonatsfrist des Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 Dublin-II-VO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil zwischen Asylantragstellung in Deutschland (... September 2013) und dem Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn (... November 2013) tatsächlich weniger als drei Monate verstrichen sind. Zudem ist Art. 17 Dublin-II-VO weder auf die Fälle des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO anwendbar (OVG Koblenz
Die sechsmonatige Überstellungsfrist gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO ist noch nicht abgelaufen. Denn aufgrund der Eilentscheidung des Gerichts
3. Die Antragsgegnerin ist nicht gehindert, den Antragsteller nach Ungarn zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächten. Auch wenn nach aktueller Erkenntnislage die Lebensbedingungen von Asylsuchenden in Ungarn weiterhin schwierig sind und insbesondere die Praxis der Inhaftierung von Asylsuchenden bedenklich ist, sind die Missstände nicht so gravierend bzw. erreichen nicht ein solches Ausmaß, dass sie sog. systemische Mängel am Maßstab von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta /Art. 3 EMRK begründen könnten.
Das hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Artikel 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV) stehende Prinzip des gegenseitigen Vertrauens hat in der Dublin-II-Verordnung (und nunmehr auch in der Dublin-III-Verordnung) sowie in weiteren Rechtsakten der EU eine Ausgestaltung gefunden. Dieses Prinzip beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, in der Genfer Flüchtlingskonvention sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheit (EMRK) finden, beachten und dass die Mitglied- bzw. Vertragsstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung von Antragstellern in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten steht (hierzu: EuGH v. 21.12. 2011, Rs. C-411/10 und C-493/10
Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen“, auf die sich „systemische Mängel“ im vorgenannten Sinn beziehen können, ist der Gesamtkomplex des Asylsystems in dem Mitgliedstaat gemeint und es genügt, wenn in irgendeinem Bereich dieses Gesamtsystems Mängel dieser Art auftreten. Das Gesamtsystem umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Verfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung. Systemische Mängel setzen damit zwar nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel - die auch im Sinne einer Selbstbetroffenheit speziell auch gerade für den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Situation relevant werden müssten (BVerwG
Inhaltlich vermögen einzelne Missstände keine systemischen Mängel im o.g. Sinn zu begründen. Eine Widerlegung der Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft. Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Unerlässlich ist mithin, dass festgestellte Mängel aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrecht-Charta bzw. des Art. 3 EMRK droht. Darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war, kommt es nicht an (zum Ganzen: BVerwG
Nach diesen Maßstäben kann eine derartige Gefahr systemischer Schwachstellen in Ungarn auf Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials derzeit nicht festgestellt werden. Nach den o.g. Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Ungarn mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer dem Antragsteller drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta, Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Ungarn nach sich ziehen könnten. Soweit im Eilverfahren
Vormals kritische Berichte über die Situation in Ungarn aus dem Jahr 2012 (vgl. z. B. den Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen /UNHCR „Hungary as a country of asylum - Observations on the situation of asylum-seekers and refugees in Hungary“ datiert vom April 2012 [deutsche Fassung: „Ungarn als Asylland - Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn, April 2012] sowie das Positionspapier des UNHCR „Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn“ vom 24. April 2012), die zunächst im Oktober 2012 in der Forderung des UNHCR gipfelten, keine Asylbewerber nach den Dublin-II-Regularien nach Ungarn zu überstellen, wenn diese vor ihrer Ankunft in Ungarn durch Serbien gekommen waren („Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia“), wurden bereits Ende des Jahres 2012 relativiert, indem der UNHCR diese Aufforderung im Dezember 2012 ausdrücklich wieder aufgehoben („amends its previous position“) und die Veränderungen in der ungarischen Asylpraxis ausdrücklich positiv gewürdigt hatte („Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update“, December 2012).
Es liegen nach den aktuellen Erkenntnisquellen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn über ihren Asylantrag sachlich noch nicht entschieden worden ist (EGMR v. 03.07.2014, Az. 71932/12, Rn. 72, 73; VG Düsseldorf
Dasselbe gilt, wenn - wie in der vorliegenden Fallgestaltung (vgl. die Wiederaufnahmebestätigung Ungarns vom ... November 2013, Bl. ..., sowie Seite 2 des Schriftsatzes der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 30. Dezember 2013) - in Ungarn gegen den betroffenen Asylsuchenden eine in der Sache negative Entscheidung ergangen ist, dieser aber hiergegen Rechtsmittel eingelegt hat und sodann das Land verlassen hat, bevor es zu einer gerichtlichen Entscheidung kam (Auskunft von Pro Asyl an das VG München
Soweit in Ungarn rechtspolitische Überlegungen im Raume stehen, wonach der Regierung die Befugnis eingeräumt werden könnte, eigenmächtig bestimmte Länder zu „sicheren Drittstaaten“ zu erklären, wodurch nach den Befürchtungen von Medienberichten eine Grundlage zur Zurückweisung von Flüchtlingen geschaffen werden könnte, die über das Nachbarland Serbien nach Ungarn gelangt seien (vgl. hierzu: http://www.wiwo.de/politik/ausland/dublin-ii-abkommen-ungarn-gibt-im-fluechtlingsstreit-nach/11963050.html), handelt es sich nicht um derzeit gültiges Recht, so dass sich nach dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (s.o.) die Berücksichtigung eines potentiell zukünftigen kritischen Rechtszustands derzeit verbietet.
Asylbewerber haben in Ungarn im Rahmen der materiellen Aufnahmeleistungen Zugang auch zur medizinischen Versorgung. Dadurch werden notwendige medizinische Behandlungen abgedeckt; der Umfang entspricht der medizinischen Gratisversorgung für legal im Land lebende ausländische Staatsangehörige. Asylbewerber haben ein Recht darauf, von Allgemeinärzten untersucht und behandelt zu werden. Die ungarische Gesetzeslage sieht vor, dass Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen medizinische Versorgung, Rehabilitationsmaßnahmen, ambulante und stationäre psychologische Versorgung oder psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch nehmen können, die gesundheitlich geboten sind (Auskunft des AA an VG München
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung stand zuletzt im Wesentlichen nur noch die ungarische Praxis der Inhaftierung Asylsuchender im Focus der rechtlichen Betrachtung. Maßnahmen, in denen einer Person - wie bei einer Haft - die Freiheit entzogen wird, haben notwendig Leiden und Erniedrigung zur Folge. Solche Umstände verletzen jedoch nicht per se Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-Grundrechte-Charta. Die genannten Vorschriften legen dem Staat jedoch die Verpflichtung auf, sich zu vergewissern, dass ein Gefangener unter Bedingungen festgehalten wird, die mit der Achtung seiner Menschenwürde vereinbar sind, dass die Haftbedingungen ihm nicht Leiden oder Härten auferlegen, die das mit der Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigen und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse der Haft angemessen sichergestellt werden. Der EGMR nimmt in seiner Rechtsprechung regelmäßig eine Würdigung der Haftbedingungen in ihrer Gesamtheit vor und nimmt dabei auch einen kumulativen Effekt in den Blick. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen zählen beispielsweise die räumliche Unterbringung, eine mögliche Überbelegung, die Möglichkeit, den Raum zeitweise verlassen zu können, Kontaktmöglichkeiten zu Angehörigen, eine hinreichende Ernährung, die hygienischen Verhältnisse, das Vorhandensein sanitärer Einrichtungen und eine angemessene Versorgung bei Erkrankungen (zum Ganzen: EGMR v. 22.07.2010, Az. 12186/08, Rn. 55 ff. = NVwZ 2011, 418; EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09, Rn. 220 = NVwZ 2011, 413; VG Magdeburg
Das Auswärtige Amt hat sich insofern bereits im Jahr 2013 in zwei Stellungnahmen zur ungarischen Asylgesetzgebung und -praxis geäußert (Auskunft an VG Augsburg
An diesen Erkenntnissen und Bewertungen aus dem Jahr 2013 hat sich zwischenzeitlich auch nichts geändert (wie hier - z.T. bereits zur Dublin-III-VO - aus der neueren Rechtsprechung: BayVGH
In einer neueren Entscheidung vom 3. Juli 2014 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann (BVerfG v. 14.10.2004, Az. 2 BvR 1481/04, Rn. 32 bei juris) und dessen Rechtsprechung maßgeblich für die Auslegung der Menschenrechte der EMRK ist, das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn unter Berücksichtigung der zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen neuen Rechtslage (§§ 31/A, 31 /B und 31/C Asylum Act Hungary) verneint. Unter Randnummern 68 bis 70 heißt es bei EGMR v. 03.07.2014, Az. 71932/12 (Mohammadi gegen Österreich):
„(…) The country reports showed that there is still a practice of detaining asylum-seekers, and that so-called asylum detention is also applicable to Dublin returnees. The grounds for detention are vaguely formulated, and there is no legal remedy against asylum detention. However, the reports also showed that there is no systematic detention of asylum-seekers anymore, and that alternatives to detention are now provided for by law. The maximum period of detention has been limited to six months. Turning to the conditions of detention, it is noted that while there are still reports of shortcomings in the detention system, from an overall view there seem to have been improvements.
Moreover, the Court notes that the UNHCR never issued a position paper requesting EU member States to refrain from transferring asylum-seekers to Hungary under the Dublin II or Dublin III Regulation (compare the situation relating to Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195, and the UNHCR recommendation of 2 January 2013 to halt transfers to Bulgaria).
Under those circumstances and as regards the possible detention of the applicant and the related complaints, the Court concludes that in view of the recent reports cited above, the applicant would currently not be at a real and individual risk of being subjected to treatment in violation of Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary under the Dublin Regulation.“
Zusammenfassend kommt der EGMR in dieser Entscheidung vom 3. Juli 2014 erneut zu der Einschätzung, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Asylsuchender nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliege, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-VO einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die Art. 3 EMRK verletzen würde (vgl. hierzu auch BayVGH
Insbesondere unter Rekurs auf die aktuelle Rechtsprechung des EGMR hat nunmehr auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. Juni 2015 (Az. 13a ZB 15.50097) Stellung bezogen und deckt unter Ablehnung des Antrags des dortigen Klägers auf Zulassung der Berufung gegen VG München
„(…) Abgesehen davon gehen sowohl das Verwaltungsgericht Berlin (B.v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - Asylmagazin 2015, 80 = juris) wie das Verwaltungsgericht München (B.v. 20.2.2015 - M 24 S 15.50091 - juris) nicht von einem systemischen Verstoß gegen Art. 4 EU-Grundrechtscharta aus, wie in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bestimmt ist. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrunde gelegt haben (vgl. auch OVG SH, B.v. 13.4.2015 - 2 LA 39/15 - juris). Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die Dublin II-VO verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10
In gleicher Zielrichtung argumentiert das Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein (vgl. Beschl. v. 13.04.2015, Az. 2 LA 39/15, Rn. 3 bei juris):
„(…) Abgesehen davon erlaubt auch nach Auffassung des VG Berlin (Beschluss vom 15. Januar 2015 a. a. O., juris Rn. 8) die Auskunftslage nicht die Feststellung systemischer Mängel aufgrund unmenschlicher und erniedrigender Haftbedingungen in Ungarn; das VG Stuttgart (Beschluss vom 19. Februar 2015 a. a. O. juris Rn. 9) sieht es als offen an, ob die Asylhaftpraxis in Ungarn gegen Art. 6 EuGrCh verstößt. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin-III-Verordnung festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrundegelegt haben. Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die vorangehende Dublin-II-Verordnung verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C - 411/10 u. a. - juris Rn. 82).“
Insbesondere dem Umstand, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen, kommt eine besondere Indizbedeutung zu. Denn die vom UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtenden - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-528/11; VG München
Allein der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 wieder Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält (§§ 31/A ff. Asylum Act Hungary) und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehr häufig bis regelmäßig inhaftiert werden (Auskunft des UNHCR an das VG Düsseldorf
Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden die gesetzlichen Vorgaben bei ihrer Entscheidung über die Inhaftierung von Asylbewerbern - speziell Dublin-Rückkehrern - nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch /systematisch nicht beachten (ebenso VG Düsseldorf
Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass die Inhaftierung speziell von Dublin-Rückkehrern in der Praxis unter systematischem Verstoß gegen das Einzelfallprüfungsgebot (Art. 8 Absatz 2 AufnahmeRL, § 31/A Asylum Act Hungary) angeordnet wird. Auch wenn die Haftanordnung regelmäßig schematisch erfolgt (Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf
Soweit in der ungarischen Haftpraxis über die ausdrücklich in § 31/A Abs. 1 Asylum Act Hungary geregelten Tatbestandsvoraussetzungen hinaus auf weitere Haftgründe zurückgegriffen wird, die nicht unter die im Asylum Act genannten Haftgründe fallen, wie z. B. „unrechtmäßiger Aufenthalt“, „irreguläre Einreise“, „Fehlen ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts“, „Fehlen von Verbindungen nach Ungarn“ (vgl. Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf
„Zwar gibt es gemäß § 31/C Absatz 2 Asylum Act Hungary keine individuellen Rechtsmittel, sondern gemäß Absatz 3 nur die Möglichkeit eines Einspruchs („objection“), gegen die Haftanordnung.
Vgl. auch Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Dahingestellt bleiben kann, inwieweit dieser Rechtsbehelf hinreichenden Rechtschutz zu gewähren vermag. Denn die Asylbewerber haben jedenfalls die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung im Rahmen der von Amts wegen erfolgenden Überprüfung nach 72 Stunden bzw. 60 Tagen vor dem Amtsgericht geltend zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristregelungen gegen Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL - der seinerseits keine konkreten Fristvorgaben enthält - verstoßen und /oder diese Vorgaben in der Praxis nicht umgesetzt werden, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vorgeschriebenen gerichtlichen Haftüberprüfungen nicht geeignet sind, den Asylbewerbern effektiven Rechtschutz zu gewähren. Zwar kritisieren Pro Asyl und der UNHCR, dass es in der Praxis so gut wie nie zu einer Entlassung komme.
Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Zum einen konnte keine der drei befragten Organisationen verlässliche Auskünfte zu der Frage, wie viele der nach dem 1. Juli 2013 erlassenen Anordnungen von Asylhaft aufgrund der bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten tatsächlich aufgehoben worden sind, geben.
Vgl. die Antworten des Auswärtigen Amtes, UNHCR und von Pro Asyl zu Frage 12 des Beweisbeschlusses.
Zum anderen ließe sich allein aus einer geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe auch nicht ohne weiteres darauf schließen, dass die ungarischen Gerichte keinen effektiven Rechtschutz gewährleisten. Dass derartige Haftprüfungsanträge durch die Gerichte angeblich mit schematisierten Entscheidungen abgelehnt werden und die Verhandlungen nur wenige Minuten dauern, muss nicht bedeuten, dass diese Rechtsbehelfe nicht individuell geprüft würden. Vielmehr kann in Haftsachen, die Massenverfahren darstellen, aus Gründen der Vereinfachung auch eine individuelle richterliche Überprüfung zu einer schematisierten Begründung führen, wenn das Gericht keine besonders begründungsbedürftigen Umstände des Einzelfalles angenommen hat, ohne dass grundlegende rechtsstaatliche Garantien verletzt wären; die Annahme von (fortbestehender) Fluchtgefahr bei Personen, die sich dem Asylverfahren bereits in der Vergangenheit entzogen haben, erscheint dem erkennenden Gericht zumindest nicht unvertretbar.
Vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 23. September 2014 - W 1 K 14.50050 -, juris, Rn. 37.“
In Bezug auf die Haftdauer sind keine systemischen Mängel am Maßstab von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 EMRK erkennbar. Auch insofern nimmt das erkennende Gericht auf VG Düsseldorf
„Auch aus den Erkenntnissen des Gerichts zur Haftdauer lässt sich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Dublin-Rückkehrern ableiten. Vielmehr steht die Rechtslage und tatsächlich gelebte Praxis in Ungarn auch insoweit in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Laut Auskunft von Pro Asyl beobachtete das HHC in der Vergangenheit, dass die maximale Haftdauer von sechs Monaten in vielen Fällen ausgeschöpft worden sei. Seit Kurzem würden inhaftierte Asylsuchende aus der Asylhaft entlassen, sobald das OIN im „in-merit procedure“ über das Asylgesuch entschieden hat und zwar auch dann, wenn diese Entscheidung negativ ausgefallen sei und der Betroffene Rechtmittel eingelegt habe. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass die Höchstgrenze der zulässigen Haftdauer überschritten wird.
vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Es erscheint zumindest nicht unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr - bis zu einer Entscheidung über das Asylbegehren bzw. unter Umständen auch nach einer ablehnenden Entscheidung - fortlaufend gegeben ist.
Vgl. Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 1 B 862/14 -, juris, Rn. 15.
Hinzu kommt, dass die Inhaftierung von Amts wegen alle 60 Tage überprüft wird (s.o.), die Asylbewerber mithin die Möglichkeit haben, ihre Inhaftierung auf die fortbestehende Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.“
Ferner sind den vorliegenden Auskünften (vgl. z. B. Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf
Sollte der Antragsteller bei Rückkehr nach Ungarn nicht in Asylhaft genommen werden, sind auch keine Anhaltspunkte für systemische Mängel mit Blick auf Art. 4 EU-Grundrechte-Charta wegen drohender Obdachlosigkeit ersichtlich. Es ist im gesamten vergangenen Jahr 2014 kein Fall bekannt, in dem einem Asylsuchenden - etwa wegen Überbesetzung der Unterbringungseinrichtungen - in Ungarn kein Obdach gewährt worden ist (AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Reception Conditions /A. 3. Types of accommodation, S. 43; vgl. bereits den vorangegangenen AIDA-Report, Stand 30. April 2014, S. 40; VG Gelsenkirchen
Auch für den Fall, dass der Antragsteller in Ungarn nach dem dortigen Abschluss des Verfahrens Flüchtlingsschutz bzw. einen subsidiären Schutzstatus erhalten sollte, bestehen gegen eine Rückführung dorthin keine Bedenken. Das Gericht geht zwar davon aus, dass nach derzeitiger Erkenntnislage die Lebensbedingungen insbesondere für anerkannte Asylbewerber und subsidiär Schutzberechtigte schwierig sind (vgl. hierzu den Bericht von bordermonotoring.eu, Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Oktober 2013, S. 16 ff.). Diese stellen sich aber - auch unter Berücksichtigung von gesetzlichen Integrationsleistungen (Auskunft AA an VG München
Im vorliegenden Fall liegt bereits eine in der Sache ablehnende Entscheidung der ungarischen Asylbehörde vor, gegen die der Antragsteller aber ein Rechtsmittel eingelegt hat, über das nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Sollte das gegen die ablehnende Sachentscheidung eingelegte gerichtliche Rechtsmittel keinen Erfolg haben und sollte hierauf die Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers in Ungarn bestandskräftig werden, müsste der Antragsteller mit geringerer staatlicher Versorgung rechnen. Soweit Asylanträge in Ungarn in der Sache abgelehnt werden, sind die betroffenen Antragsteller nur noch bis zur Bestandskraft bzw. bis zur Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung berechtigt, in offenen Unterbringungseinrichtungen Aufenthalt zu nehmen; nach unanfechtbarer Ablehnung bestünde noch zwei Monate Anspruch auf Unterkunft und Basisversorgung nach den Regelungen des ungarischen Asylgesetzes. Es verbleibt dann nur die Berechtigung, in den öffentlichen Notunterkunftsplätzen des jeweiligen Komitats Aufenthalt zu nehmen und zur kostenfreien Notfallversorgung der öffentlichen Gesundheitszentren (vgl. Auskunft AA an VG München
4. Vor diesem Hintergrund ist der Asylantrag des Antragstellers deshalb zu Recht von der Antragsgegnerin gem. § 27a AsylVfG ohne materielle Prüfung als unzulässig abgelehnt worden. Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO zwingend gebieten würden, sind nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Des Weiteren bestehen gegen die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn am Maßstab von § 34a Abs. 1 AsylVfG keine Bedenken.
Einer Rückführung des Antragstellers nach Ungarn stehen insbesondere keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse im Sinne des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG entgegen (zur Einbeziehung auch sog. inlandsbezogener Abschiebungs- oder Vollzugshindernisse: BVerfG v. 17.09.2014, Az. 2 BvR 732/14, Rn. 11 bei juris; BVerfG v. 17.09.2014, Az. 2 BvR 1795/14, Rn. 9 bei juris; BayVGH
5. Die Klage in der Hauptsache wird daher voraussichtlich keinen Erfolg haben. Mit Blick auf diese Bewertung war daher der Beschluss vom 10. Januar 2014 (Az. M 21 S 13.31382) gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO zu korrigieren.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Klarstellend wird auf Folgendes hingewiesen: Die Kostenentscheidung im
7. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
...
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.
(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.
(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.
(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.
(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.
(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.