Verwaltungsgericht München Beschluss, 01. Juli 2015 - M 21 S7 15.50576

published on 01/07/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 01. Juli 2015 - M 21 S7 15.50576
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. Januar 2014 (Az. M 21 S 13.31382) wird geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... Dezember 2013 (Gesch.-Z. ...) angeordnete Abschiebung nach Ungarn wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Abänderungsverfahrens. Die Kostenentscheidung im Beschluss vom 10. Januar 2014 (M 21 S 13. 31382) bleibt unberührt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, der sich nicht mit Personaldokumenten ausweisen kann, nach eigener Angabe die sierra-leonische Staatsangehörigkeit besitzt und am ... 1994 geboren wurde, stellte am ... September 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) in ... einen Asylantrag.

Eine EURODAC-Recherche ergab, dass der Antragsteller Asylanträge bereits in Griechenland und in Ungarn gestellt hatte (Bl. ... ff. der Asylverfahrensakte).

Auf ein Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom ... November 2013, das auf den EURODAC-Treffer Nr. ... Bezug nahm (Bl. ... ff. der Asylverfahrensakte), bestätigte Ungarn mit Schreiben vom ... November 2013 die eigene Zuständigkeit unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO). Im Übrigen wurde (in englischer Sprache) mitgeteilt, dass der Antragsteller am ... März 2013 in Ungarn einen Antrag auf Asyl gestellt habe, der zurückgewiesen worden sei. Der Antragsteller habe eine richterliche Überprüfung beantragt, die noch nicht abgeschlossen sei. Zwischenzeitlich sei der Antragsteller verschwunden (Bl. ... der Asylverfahrensakte).

Bei einer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gem. § 25 AsylVfG am... November 2013 (Bl. ... ff. der Asylverfahrensakte) gab der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt an, er habe Sierra Leone im März 2012 verlassen und sei über Guinea zunächst nach Dakar (Senegal) gefahren und sei von dort mit dem Schiff als illegaler Passagier in die Türkei gereist. Er sei dann circa zwei Wochen zu Fuß unterwegs nach Griechenland gewesen. Dort habe ihn die Polizei in ein Flüchtlingslager gebracht und erkennungsdienstlich behandelt. Sein in Griechenland gestellter Asylantrag sei abgelehnt worden. Nach einigen Monaten Aufenthalt in Griechenland sei er von Saloniki zu Fuß über Serbien bis nach Ungarn zu Fuß gelaufen. Das habe etwa zwei Monate gedauert. In Ungarn sei er von der Polizei aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden. Er habe nach Beantragung von Asyl in Ungarn eine sechsmonatige Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Er sei zunächst fünf Monate in Debrecen in einem Lager gewesen und habe sich danach einen Monat und zwanzig Tage in einem Flüchtlingslager in Budapest aufgehalten. Von Ungarn aus sei er Anfang September 2013 mit dem Zug nach Deutschland (...) gefahren.

Mit Bescheid vom ... Dezember 2013, der dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde (Bl. ..., ... der Gerichtsakte M 21 K 13.31381) am ... Dezember 2013 zugestellt wurde, erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ... den Asylantrag des Antragstellers für unzulässig (Ziff. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an (Ziff. 2). Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich die Unzulässigkeit aus § 27a AsylVfG ergebe, da Ungarn aufgrund eines dort zuvor gestellten Asylantrags gem. Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) der Dublin-II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, das Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Die Antragsgegnerin sei gehalten, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in der Dublin-II-Verordnung festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG.

Am 27. Dezember 2013 hat der Antragsteller durch Erklärung zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben (M 21 K 13.31381). Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 30. Dezember 2013 hat er in der Hauptsache beantragt, den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... Dezember 2013 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und das Asylverfahren des Antragstellers in eigener Zuständigkeit durchzuführen und zu bescheiden.

Im Eilverfahren M 21 S 13.31382 beantragte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in der Sache,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom ... Dezember 2013 angeordnete Abschiebung nach Ungarn anzuordnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass der in Ungarn gestellte Asylantrag des Antragstellers abgelehnt worden sei. Hiergegen habe der Antragsteller Rechtsmittel eingelegt. Der Antragsteller sei in den Aufnahmelagern in Ungarn bereits unzumutbaren Verhältnissen ausgesetzt gewesen sei. Es werde insofern zur Glaubhaftmachung auf die eingereichte eidesstaatliche Versicherung des Antragstellers vom ...12.2013 verwiesen (vgl. Bl. ... f. der Gerichtsakten). Der Antragsteller könne beanspruchen, dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung Gebrauch mache. In Ungarn habe er eine mit Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta unvereinbare unmenschliche und erniedrigende Behandlung zu befürchten. In Ungarn bestünden - worauf auch der UNHCR wiederholt hingewiesen habe - systemische Mängel hinsichtlich des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen, zumal eine am 1. Juli 2013 in Kraft getretene Gesetzesänderung in Ungarn weitreichend Inhaftierungen von Asylbewerbern bis zu sechs Monaten zulasse.

Die Antragsgegnerin hat die Asylakte vorgelegt und sich zunächst zur Sache nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 10. Januar 2014 (M 21 S 13.31382) hat das Verwaltungsgericht München im Verfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO auf den Eilantrag des Antragstellers im Rahmen einer allgemeinen Interessenabwägung die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom... Dezember 2013 verfügte Abschiebung nach Ungarn angeordnet.

Mit Beschluss vom 11. Februar 2014 (M 21 S7 14.30248) hat das Verwaltungsgericht München den gem. § 80 Abs. 7 Satz VwGO gestellten Antrag der Antragsgegnerin, den im Verfahren M 21 S 13.31382 ergangenen Beschluss des Gerichts vom 10. Januar 2014 abzuändern, abgelehnt.

Mit Schreiben vom 23. Juni 2015 hat das Verwaltungsgericht München den Bevollmächtigten des Antragstellers mitgeteilt, dass in Erwägung gezogen wird, den Beschluss vom 10. Januar 2014 (M 21 S 13.31382) im Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO von Amts wegen (mit Wirkung ex nunc) aufzuheben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nunmehr abzulehnen. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang u. a. auf eine aktuelle Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH v. 12.06.2015, Az. 13a ZB 15.50097), die auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR v. 03.07.2014, Az. 71932/12) rekurriert, sowie auf neuere erstinstanzliche Entscheidungen verwiesen, die zu der Bewertung kommen, dass auch und gerade unter Berücksichtigung der in Ungarn zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelungen systemische Mängel des dortigen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen von Asylsuchenden am Maßstab von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta nicht ersichtlich sind.

Hierauf nahmen die Bevollmächtigten des Antragstellers unter dem 30. Juni 2015 dahingehend Stellung, dass zwischenzeitlich neue Tatsachen eingetreten seien. Die Kapazitäten des ungarischen Aufnahmesystems seien ausgelastet. Asylsuchende könnten nunmehr weder in Abschiebehaftanstalten noch in Aufnahmeeinrichtungenuntergebracht werden. Das Dublin-Unit Ungarn habe bereits am 29. Mai 2015 mitgeteilt, es könnten bis 5. August 2015 nur noch an wenigen Tagen Überstellungen erfolgen, da die Kapazitäten erschöpft seien. Ungarn habe sodann am 23. Juni 2015 mitgeteilt, das Land könne keine Flüchtlinge mehr zurücknehmen. Am nächsten Tag sei dies - wie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. Juni 2015 berichtet werde - dahingehend modifiziert worden, dass Ungarn nur die Flüchtlinge nicht mehr aufnehmen werde, die irrtümlich nach Ungarn abgeschoben werden sollten. Es gehe um Personen, die bei ihrer Flucht als erstes Land Griechenland betreten hätten. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sei völlig unklar, ob Ungarn den Antragsteller tatsächlich zurücknehmen werde. Zwischenzeitlich hätten diverse Verwaltungsgerichte aufgrund des „Transfer-Stopps“ in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zugunsten von Antragstellern entschieden (VG Aachenv. 19.06.2015, Az. 5 L 496/15.A; VG Düsseldorf v. 25.06.2015, Az. 22 L 1626/15.A; VG Hannover v. 05.06.2015, Az. 7 B 2136/15). So habe das VG Aachen ausgeführt, dass einerseits zwar keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylverfahrens in Ungarn bestünden, dass andererseits aber derzeit nicht gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG feststehe, ob die Abschiebung nach Ungarn durchgeführt werden könne. Aktuell seien Hindernisse gegeben, die eine nicht nur eine kurzfristige, sondern eine erhebliche Verzögerung nach sich zögen, weil Ungarn die Bundesrepublik Deutschland unter dem 29. Mai 2015 gebeten habe, keine weiteren Rückführungen vorzunehmen. Auch im Fall des Antragstellers sei völlig unklar, ob Ungarn diesen wieder aufnehmen werde. Zum einen sei er über Griechenland eingereist, zum anderen sei nicht klar, ob Ungarn nach dem 5. August 2015 wieder Dublin-Rückkehrer aufnehmen oder den „Transfer-Stopp“ verlängern werde. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei daher aufrechtzuerhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, auf die Gerichtsakte des Verfahrens in der Hauptsache (M 21 K 13.31381), auf die Gerichtsakten der abgeschlossenen Eilverfahren M 21 S 13.31382 und M 21 S7 14.30248 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben.

Anders als noch im Beschluss vom 10. Januar 2014 geht das Gericht nunmehr davon aus, dass der (zulässige) Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom ... Dezember 2013 verfügte Abschiebung nach Ungarn unbegründet ist. Das erkennende Gericht, bei dem das Klageverfahren M 21 K 13.31381 weiterhin anhängig ist, macht - anders als noch im vorangegangenen Abänderungsverfahren M 21 S7 14.30248 - nunmehr von seiner Abänderungsbefugnis aufgrund der zwischenzeitlich weitgehend gefestigten und obergerichtlich gedeckten Rechtsprechung und insbesondere aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH v. 12.06.2015, Az. 13a ZB 15.50097) von Amts wegen Gebrauch.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier v. 18.09.2013, Az. 5 L 1234/13.TR; VG Göttingen v. 09.12.2013, Az. 2 B 869/13; VG Düsseldorf v. 12.02.2014, Az. 13 L 2428/13.A). Das Gericht hat nach den allgemeinen Grundsätzen zu § 80 Abs. 5 VwGO bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Anordnung gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Nach der gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum relevanten Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ist davon auszugehen, dass der Antragsteller durch die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung nach Ungarn nicht in subjektiven Rechten verletzt wird. Der angegriffene Bundesamtsbescheid vom ... Dezember 2013 erweist sich in Ansehung aller im relevanten Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts erkennbaren Umstände als rechtmäßig. Der in Deutschland gestellte Asylantrag des Antragstellers ist von der Antragsgegnerin zu Recht als unzulässig eingestuft worden. Die hierauf gründende Abschiebungsanordnung nach Ungarn ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids) und für die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids) ist § 34a Abs. 1 AsylVfG i.V. mit § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid in nicht zu beanstandender Weise eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags unterlassen und diesen auf Basis von § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Anzuwenden ist im vorliegenden Fall wegen Art. 49 UAbs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) noch die Dublin-II-VO, da sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das Übernahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. den in dieser Sache ergangenen Eilbeschluss VG München v. 10.01.2014, Az. M 21 S 13.31363, sowie: Bergmann, ZAR 2015, 81 [83]; BVerwG v. 13.02.2014, Az. 10 C 6.13; BVerwG v. 17.06.2014, Az. 10 C 7.13; BayVGH v. 28.02.2014, Az. 13a B 13.30295; OVG Münster v. 07.03.2014, Az. 1 A 21/12.A; OVG Koblenz v. 21.02.2014, Az. 10 A 10656/13; VG Aachen v. 22.08.2014, Az. 4 K 122/14.A; VG Oldenburg v. 20.02.2014, Az. 3 B 145/14; VG Düsseldorf v. 23.09.2014, Az. 8 K 4481/14.A; VG Düsseldorf v. 12.02.2014, Az. 13 L 2428/13.A; VG Düsseldorf v. 02.04.2014, Az. 13 L 155/14.A; VG München v. 17.04.2014, Az. M 21 S 14.30557; VG Regensburg v. 14.02.2014, Az. RN 5 S 14.30112).

1. Ungarn ist vorliegend der nach der einschlägigen Dublin-II-VO für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständiger Mitgliedstaat. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin-II-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatenangehöriger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Nach Satz 2 der Regelung wird der Antrag grundsätzlich nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-VO (§§ 5 ff. Dublin-II-VO) als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird.

Der Antragsteller räumt selbst ein, sich vor der Antragstellung in Deutschland in Ungarn aufgehalten zu haben, dort erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein und einen Asylantrag gestellt zu haben. Letzteres ergibt sich zudem aus der Wiederaufnahmebestätigung Ungarns (Schreiben vom ... November 2013) sowie aus dem EURODAC-Treffer mit der Kennziffer ... Hierbei handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 vom 28.02.2002 (EURODAC-DVO) um einen Treffer der Kategorie „1“. Daraus folgt, dass der Antragsteller in Ungarn als Asylbewerber erfasst worden ist (vgl. auch VG Trier v. 06.11.2013, Az. 5 L 1539/13.TR; VG Trier v. 11.02.2014, Az. 5 L 95/14.TR; VG Hamburg v. 18.07.2013, Az. 10 A 581/13).

Eine Überstellung des Antragstellers nach Griechenland, dem gemäß Art. 5 Abs. 2, 10 Abs. 1 bzw. Art. 13 Dublin-II-VO für seinen Asylantrag an sich primär zuständigen Mitgliedstaat, kam nicht in Betracht. Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Griechenland weisen grundlegende systemische Mängel auf, die einer Abschiebung dorthin aufgrund der humanitären Situation entgegenstehen (vgl. EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09 = NVwZ 2011, 413; vgl. auch BVerfG v. 08.09.2009, Az. 2 BvQ 56/09 = NVwZ 2009, 1281; zur Weisung des Bundesministeriums des Innern, Asylsuchende nicht mehr nach Griechenland zu überstellen: BVerfG v. 25.01.2011, Az. 2 BvR 2015/09; allg. zur diesbezüglichen Problematik s. ausführlich unten 3.) und die nach wie vor fortbestehen (VG München v. 20.02.2015, Az. M 24 S 15.50091; vgl. die Pressemitteilung des UNHCR vom 30.01.2015, im Internet abrufbar unter: http://www.unhcr.de/no_cache/archiv/nachrichten.html?tx_n4mteaserlist_pi1%5Bpointer%5D=3; s. auch Schott-Mehrings, ZAR 2014, 142 [145 f.]). Unverändert kommt deshalb eine vorrangige Zuständigkeit Griechenlands vor Ungarn im Rahmen des Dublin-Systems nicht in Betracht. Ist die Überstellung eines Asylsuchenden an den nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-VO an sich primär zuständigen Mitgliedstaat nicht möglich, so hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, die Prüfung der Kriterien dieses Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines der nachrangigen Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann. Lässt sich danach nicht bestimmen, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, so ist nach Art. 13 Dublin-II-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig (EuGH v. 21.12.2011, Rs. C-411/10 und C-493/10, Rn. 96, 97; EuGH v. 14.11.2013, Az. C-4/11, Rn. 33, 34). Es ist bei dieser Sachlage dann aber auch systemgerecht, dass einerseits der Mitgliedstaat, in dem sich der Betroffene nunmehr aufhält (hier Deutschland), zwar zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gem. § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO berechtigt wäre, hierzu aber nicht verpflichtet ist, und dass andererseits Ungarn spätestens mit seiner Einverständniserklärung zur Wiederaufnahme gegenüber der Antragsgegnerin nach Art. 16 Abs. 1 Dublin-II-VO - sei es als Folge der in diesem Fall fortzuführenden Prüfung der Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-VO, sei es über Art. 13 Dublin-II-VO - als „nächster“ zuständiger Staat nach Griechenland die Zuständigkeit übernimmt bzw. erhält (VG Karlsruhe v. 10.12.2013, Az. A 9 K 3150/13, Rn. 6 bei juris; VG München v. 04.10.2013, Az. M 23 S 13.30926; VG München v. 31.10.2013, Az. M 23 S 13.31091; VG München v. 25.02.2014, Az. M 21 S 14.30357; auf Basis der Dublin-III-VO: VG München v. 15.01.2015, Az. M 12 14.30500; VG München v. 20.02.2015, Az. M 24 S 15.50091).

Der Antragsteller hat im Übrigen schon keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin im Einzelnen überprüft, welcher Mitgliedsstaat nach den Kriterien der Dublin-II-VO ursprünglich zuständig war, wenn der „an sich“ primär zuständige Mitgliedsstaat (hier Griechenland) wegen systemischer Mängel im Asylverfahren für eine Rücküberstellung nicht in Betracht kommt. Denn die Dublin-II-VO enthält insofern (nur) organisatorische Vorgaben, die die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten regeln, vermittelt aber diesbezüglich keine subjektiven Anspruchspositionen (hierzu z. B. VG München v. 18.03.2015, Az. M 12 S 15.50040; VG Augsburg v. 23.03.2015, Az. Au 4 K 14.50156; VG Oldenburg v. 20.02.2014, Az. 3 B 145/14; VG München v. 06.02.2014, Az. M 23 S 14.30153; VG Regensburg v. 29.01.2014, Az. RN 5 S 14.30057; VG Regensburg v. 14.02.2014, Az. RN 5 S 14.30112; VG Regensburg v. 07.03.2014, Az. RN 5 S 14.30199; VG Ansbach v. 10.02.2014, Az. AN 1 S 14.30086 - jeweils m. w. N.; auf Basis der Dublin-III-VO: VG München v. 15.01.2015, Az. M 12 14.30500). Dies entspricht auch der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 10.12.2013, Rs. C- 394/12, entschieden, dass Art. 19 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung dahin auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu werden (hierzu ausführlich unten 3.). Diese Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs sind auch auf die vergleichbare- hier vorliegende - Konstellation der Zustimmung eines Mitgliedstaates zur Wiederaufnahme eines Asylbewerbers nach Art. 16, Art. 20 Buchst. d) und e) Dublin-II-VO zu übertragen (VG Oldenburg v. 20.02.2014, Az. 3 B 145/14; VG München v. 06.02.2014, Az. M 23 S 14.30153; VG Ansbach v. 10.02.2014, Az. AN 1 S 14.30086; auf Basis der Dublin-III-VO: VG München v. 15.01.2015, Az. M 12 14.30500).

Im Übrigen hat Ungarn spätestens durch die gegenüber der Antragsgegnerin erklärte Anerkennung seiner Zuständigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 - hier: Buchst. c) - Dublin-II-VO und die ebenso erklärte Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Antragstellers zumindest konkludent Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO seinerseits das Selbsteintrittsrecht ausgeübt und ist jedenfalls zumindest hierüber für den Antragsteller tatsächlich zuständig geworden (ebenso: VG Augsburgv. 05.12.2013, Az. Au 7 S 13.30454; VG München v. 11.02.2014, Az. M 24 S 13.31330; VG München v. 25.02.2014, Az. M 21 S 14.30357; VG München v. 07.04.2014, Az. M 21 S 14.30513; auf Basis von § 17 Abs. 2 Dublin-III-VO: VG Münchenv. 15.01.2015, Az. M 12 14.30500).

Das erkennende Gericht teilt nicht die singulär gebliebene Ansicht des VG Saarlouis (Beschl. v. 11.02.2014, Az. 3 L 95/14), wonach die Begründung einer Zuständigkeit Ungarns aufgrund der Übernahmeerklärung wegen Art. 20 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-II-VO voraussetze, dass in dem Formular für das Wiederaufnahmegesuch unter der Rubrik „In welches Land (in welche Länder) hat er sich begeben“ und „Reiseweg“ der vollständige Reiseweg sowie der Umstand der Asylantragstellung in Griechenland angegeben werden müsse. Denn der ersuchte Staat - hier: Ungarn - hat innerhalb der zweiwöchigen Bearbeitungszeit gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b) Dublin-II-VO ohne Weiteres die Möglichkeit, selbst eine EURODAC-Abfrage vorzunehmen, um eine mögliche vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können, und kann zudem von sich aus vom ersuchenden Staat - hier: Deutschland - weitere Informationen verlangen (vgl. VG Ansbach v. 10.02.2014, Az. AN 1 S 14.30086). Das VG Saarlouis hat den vorgenannten Ansatz zwischenzeitlich ausdrücklich aufgegeben (VG Saarl. v. 07.01.2015, Az. 3 L 1999/14, Rn. 11 bei juris). Darüber hinaus gilt auch insofern, dass die Formularvorgaben aus Art. 17 Abs. 3 Dublin-II-VO i.V. mit den hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen als bloße Ordnungsvorschriften allein dem Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und nicht subjektiven Interessen der Verfahrensbetroffenen zu dienen bestimmt sind.

2. Der Antragsteller kann auch nicht erfolgreich einwenden, dass eine Überstellung nach Ungarn unzulässig ist, weil die ursprünglich begründete Zuständigkeit Ungarns - s.o. 1 - zwischenzeitlich entfallen wäre. Der Unzulässigkeitserklärung des Asylantrags nach § 27a AsylVfG und die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG steht weder der Zeitablauf zwischen der Asylantragstellung in Deutschland und dem gestellten Übernahmeersuchen an Ungarn noch der Zeitablauf seit der Wiederaufnahmeerklärung Ungarns entgegen.

Ein Zuständigkeitswechsel auf die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Ablaufs der Dreimonatsfrist des Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 Dublin-II-VO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil zwischen Asylantragstellung in Deutschland (... September 2013) und dem Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn (... November 2013) tatsächlich weniger als drei Monate verstrichen sind. Zudem ist Art. 17 Dublin-II-VO weder auf die Fälle des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO anwendbar (OVG Koblenz v. 21.02.2014, Az. 10 A 10656/13, Rn. 34 bei juris; VG Regensburg v. 28.02.2014, Az. RN 5 S 14.30203, Rn. 32 bei juris; VG Düsseldorf v. 31.03.2014, Az. 13 L 119/14.A; VG Oldenburg v. 06.03.2014, Az. 3 B 402/14; VG Stade v. 05.03.2014, Az. 1 B 168/14; VG München v. 05.02.2014, Az. M 4 S 14.30079; VG Augsburg v. 29.05.2013, Az. Au 7 K 13.30134) noch vermögen die Fristen dieser Regelung subjektive Rechte des Asylantragstellers zu begründen (BayVGH v. 27.04.2015, Az. 14 ZB 13.30076, Rn. 17 bei juris, m. w. N.; Bergmann, ZAR 2015, 81 [84]). Der vorliegende Zeitablauf von etwa eineinhalb Monaten zwischen der Stellung des Asylantrags in Deutschland und der Stellung des Übernahmegesuchs an Ungarn erreicht ersichtlich keinen besonderen Umfang, wonach unter dem Gesichtspunkt einer grundrechtsverletzenden unangemessen langen Verfahrensdauer (vgl. EuGH v. 21.12.2011, Rs. C-411/10 u. a., Rn. 108 bei juris) zu eruieren wäre, ob der Antragsgegnerin die Berufung auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats verwehrt wäre und sie deshalb das Selbsteintrittsrecht gem. § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausüben müsste (vgl. auch VG Düsseldorf v. 20.03.2015, Az. 13 K 501/14.A, Rn. 43 m. w. N.; vgl. auch die Überlegungen bei VG Augsburg v. 29.05.2013, Az. Au 7 K 13.30134, wonach der Asylsuchende durch Verfahrensverzögerungen eher begünstigt wird, eben weil er sich während des Verfahrens bereits in dem Staat seiner Wahl aufhalten kann, in dem er nun Asyl begehrt).

Die sechsmonatige Überstellungsfrist gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO ist noch nicht abgelaufen. Denn aufgrund der Eilentscheidung des Gerichts vom 10. Januar 2014 (M 21 S 13.31382) kommt der vorliegenden Klage aufschiebende Wirkung zu, so dass die Sechsmonatsfrist bislang noch gar nicht angelaufen ist.

3. Die Antragsgegnerin ist nicht gehindert, den Antragsteller nach Ungarn zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächten. Auch wenn nach aktueller Erkenntnislage die Lebensbedingungen von Asylsuchenden in Ungarn weiterhin schwierig sind und insbesondere die Praxis der Inhaftierung von Asylsuchenden bedenklich ist, sind die Missstände nicht so gravierend bzw. erreichen nicht ein solches Ausmaß, dass sie sog. systemische Mängel am Maßstab von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta /Art. 3 EMRK begründen könnten.

Das hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Artikel 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV) stehende Prinzip des gegenseitigen Vertrauens hat in der Dublin-II-Verordnung (und nunmehr auch in der Dublin-III-Verordnung) sowie in weiteren Rechtsakten der EU eine Ausgestaltung gefunden. Dieses Prinzip beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, in der Genfer Flüchtlingskonvention sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheit (EMRK) finden, beachten und dass die Mitglied- bzw. Vertragsstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung von Antragstellern in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten steht (hierzu: EuGH v. 21.12. 2011, Rs. C-411/10 und C-493/10, Rn. 78 ff.; EuGH v. 10.12.2013, Rs. C-394/12, Rn. 52, 53; hierzu auch: Bergmann, ZAR 2015, 81 [84 ff.]; Hailbronner /Thym, NVwZ 2012, 406 ff.; vgl. auch: BVerwG v. 19.03.2014, Az. 10 B 6.14, Rn. 5 bei juris; BVerwG v. 06.06.2014, Az. 10 B 35.14, Rn. 5 bei juris; BayVGH v. 28.02.2014, Az. 13a B 13.30295, Rn. 38 bei juris; OVG Münster v. 07.03.2014, Az. 1 A 21/12.A, Rn. 66 bei juris; OVG Koblenz v. 21.02.2014, Az. 10 A 10656/13, Rn. 38 bei juris; VGH Mannheim v. 06.08.2013, Az. 12 S 675/13, Rn. 3 bei juris). Eine Abweichung hiervon kann allerdings in besonderen Ausnahmefällen geboten sein. Nach dem grundlegenden Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2011 (Rs. C-411/10 u. a.) steht das Unionsrecht der Geltung einer unwiderlegbaren Vermutung entgegen, wonach der nach dem Dublin-Verfahren zuständige Mitgliedstaat die Unionsgrundrechte beachtet. Zwar genügt für die Widerlegung der Vermutung kein schlichter Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne normative Bestimmungen des Flüchtlingsrechts. Anderes gilt hingegen, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine Verletzung des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta implizieren (vgl. nunmehr die positive Normierung dieser zur Dublin-II-VO ergangenen EuGH-Rechtsprechung in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin-III-VO). Ein Asylbewerber kann daher einer Rücküberstellung im sog. Dublin-Verfahren (grundsätzlich nur) damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH v. 21.12.2011 a. a. O., Rn. 81 ff.; bestätigt durch: EuGH v. 14.11.2013, Rs. C-4/11, Rn. 30; EuGH v. 10.12.2013 a. a. O., Rn. 62 bei juris; vgl. auch: BVerwG v. 19.03.2014 a. a. O., Rn. 6, 7 bei juris; BVerwG v. 06.06.2014 a. a. O., Rn. 5 bei juris; BayVGH v. 28.02.2014 a. a. O., Rn. 38, 39 bei juris; OVG Münster v. 07.03.2014 a. a. O., Rn. 70 ff. bei juris; OVG Koblenz v. 21.02.2014 a. a. O., Rn. 39, 40 bei juris; VGH Mannheim v. 06.8.2013, a. a. O., Rn. 4 bei juris; zusammenfassend: Bergmann, ZAR 2015, 81 [84 ff.]).

Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen“, auf die sich „systemische Mängel“ im vorgenannten Sinn beziehen können, ist der Gesamtkomplex des Asylsystems in dem Mitgliedstaat gemeint und es genügt, wenn in irgendeinem Bereich dieses Gesamtsystems Mängel dieser Art auftreten. Das Gesamtsystem umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Verfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung. Systemische Mängel setzen damit zwar nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel - die auch im Sinne einer Selbstbetroffenheit speziell auch gerade für den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Situation relevant werden müssten (BVerwG v. 19.03.2014 a. a. O., Rn. 9 bei juris; BVerwG v. 06.06.2014 a. a. O., Rn. 5 bei juris; Lübbe, ZAR 2014, 105 [109]; Bergmann, ZAR 2015, 81 [87]) - so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird (OVG Koblenz v. 21.02.2014 a. a. O., Rn. 46 ff. bei juris; OVG Münster v. 07.03.2014 a. a. O., Rn. 89 ff. bei juris). Die Verantwortlichkeit eines Staates nach Art. 4 EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 EMRK wegen der Behandlung eines Ausländers kann mit Blick auf die Aufnahmebedingungen etwa ausnahmsweise begründet sein, wenn der Asylsuchende vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. zur Situation in Griechenland: EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09, NVwZ 2011, 413 [insbes. dort Rn. 253 ff., 263]; vgl. dazu auch: Schott-Mehrings, ZAR 2014, 142 ff.; Thym, ZAR 2011, 368 ff.).

Inhaltlich vermögen einzelne Missstände keine systemischen Mängel im o.g. Sinn zu begründen. Eine Widerlegung der Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft. Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Unerlässlich ist mithin, dass festgestellte Mängel aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrecht-Charta bzw. des Art. 3 EMRK droht. Darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war, kommt es nicht an (zum Ganzen: BVerwG v. 19.03.2014 a. a. O., Rn. 9 bei juris; BVerwG v. 06.06.2014 a. a. O., Rn. 6 bei juris; OVG Münster v. 07.03.2014 a. a. O., Rn. 83 bei juris; VG Regensburg v. 19.05.2015, Az. RO 4 K 14.50346, Rn. 31 bei juris [dort zur Dublin-III-VO]; VG Düsseldorf v. 11.05.2015, Az. 22 L 1329/15.A, Rn. 25 ff. bei juris). Insbesondere reicht eine drohende Überstellung in einen Mitgliedstaat, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem überstellenden Mitgliedstaat, nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Nach dem EGMR kann Art. 3 EMRK sogar nicht dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen; sie enthalten keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Ausländern, die von einer Überstellung betroffen sind, gewähren die genannten Regelungen grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, in einem Mitgliedstaat zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe (auch unter Berücksichtigung einzelfallbezogener Umstände) vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bedeutend geschmälert würden, falls ein Antragsteller überstellt werden würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09, Rn. 249 = NVwZ 2011, 413 ff.; EGMR v. 02.04.2013, Az. 27725/10, Rn. 70 = ZAR 2013, 336 ff.; OVG Münster v. 07.03.2014, Az. 1 A 21/12.A, Rn. 118 bei juris).

Nach diesen Maßstäben kann eine derartige Gefahr systemischer Schwachstellen in Ungarn auf Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials derzeit nicht festgestellt werden. Nach den o.g. Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Ungarn mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer dem Antragsteller drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta, Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Ungarn nach sich ziehen könnten. Soweit im Eilverfahren (Beschl. v. 10.01.2014, Az. M 21 S 13.31382) vertreten wurde, die Lage in Ungarn sei in einem Hauptsacheverfahren weiter aufklärungsbedürftig, wird hieran nicht weiter festgehalten (vgl. bereits den unter dem Aktenzeichen M 21 S 14.30105 am 5. Februar 2014 ergangenen Kammerbeschluss). Insofern kann ferner die Beantwortung der Frage dahingestellt bleiben, ob im Falle relevanter systemischer Mängel der Betroffene neben einer Abwehrposition in Bezug auf die Rücküberstellung in den anderen Mitgliedstaat kraft Ermessensreduzierung auch einen Anspruch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland auf Ausübung des sog. Selbsteintrittsrechts aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (heute: Art. 17 Abs. 2 Dublin-III-VO) hat (in diese Richtung noch BayVGHv. 28.02.2014, Az. 13a B 13.30295, Rn. 40 bei juris; Schott-Mehrings, ZAR 2014, 142 [146]; a.A. OVG Schleswig-Holstein v. 13.04.2015, Az. 2 LA 39/15, Rn. 4 bei juris: Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat wegen systemischer Mängel hindert grundsätzlich nur die Überstellung dorthin, begründet aber kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gem. § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO bzw. § 17 Abs. 2 Dublin-III-VO; vgl. insofern auch EuGH v. 14.11.2013, Rs. C 4/11, Rn. 36 ff. bei juris; EuGH v. 10.12.2013 a. a. O., Rn. 57 bei juris).

Vormals kritische Berichte über die Situation in Ungarn aus dem Jahr 2012 (vgl. z. B. den Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen /UNHCR „Hungary as a country of asylum - Observations on the situation of asylum-seekers and refugees in Hungary“ datiert vom April 2012 [deutsche Fassung: „Ungarn als Asylland - Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn, April 2012] sowie das Positionspapier des UNHCR „Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn“ vom 24. April 2012), die zunächst im Oktober 2012 in der Forderung des UNHCR gipfelten, keine Asylbewerber nach den Dublin-II-Regularien nach Ungarn zu überstellen, wenn diese vor ihrer Ankunft in Ungarn durch Serbien gekommen waren („Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia“), wurden bereits Ende des Jahres 2012 relativiert, indem der UNHCR diese Aufforderung im Dezember 2012 ausdrücklich wieder aufgehoben („amends its previous position“) und die Veränderungen in der ungarischen Asylpraxis ausdrücklich positiv gewürdigt hatte („Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update“, December 2012).

Es liegen nach den aktuellen Erkenntnisquellen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn über ihren Asylantrag sachlich noch nicht entschieden worden ist (EGMR v. 03.07.2014, Az. 71932/12, Rn. 72, 73; VG Düsseldorf v. 20.03.2015, Az. 13 K 501/14.A, Rn. 133 bei juris; VG Düsseldorf v. 15.04.2015, Az. 13 L 1259/15.A, Rn. 120 bei juris; VG Düsseldorf v. 11.05.2015, Az. 22 L 1329/15.A, Rn. 110 bei juris). Soweit ein Asylsuchender in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat, das dortige Verfahren aber, bevor es zu einer Sachentscheidung in seinem Asylverfahren kam, eingestellt wurde, weil er das Land verlassen hat (vgl. Bl. ... der Asylverfahrensakte), wird dessen Verfahren nach Maßgabe von Art. 18 Abs. Dublin-III-VO in Ungarn nach Rückkehr fortgeführt bzw. wiederaufgegriffen. Das neue Asylbegehren wird dann wie ein Erstverfahren behandelt, d. h. der Antragsteller kann insbesondere seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen und erhält ein Aufenthaltsrecht in Ungarn während der Dauer des Asylverfahrens (Auskunft AA an VG München v. 02.03.2015, zu Frage 2; Auskunft von Pro Asyl an das VG München vom 31.10.2014, zu Frage 2, Seite 2 f.; Auskunft AA an VG München v. 04.07.2014, zu Frage 4; Auskunft des AA an VG München v. 19.11.2014, zu Frage b, S. 1 f.; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2014, S. 20; vgl. auch bereits Auskunft AA an VG Augsburg v. 23.05.2013, zu Frage 1; vgl. auch VG Regensburg v. 10.04.2015, Az. RO 1 S 15.50123, Rn. 30 bei juris).

Dasselbe gilt, wenn - wie in der vorliegenden Fallgestaltung (vgl. die Wiederaufnahmebestätigung Ungarns vom ... November 2013, Bl. ..., sowie Seite 2 des Schriftsatzes der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 30. Dezember 2013) - in Ungarn gegen den betroffenen Asylsuchenden eine in der Sache negative Entscheidung ergangen ist, dieser aber hiergegen Rechtsmittel eingelegt hat und sodann das Land verlassen hat, bevor es zu einer gerichtlichen Entscheidung kam (Auskunft von Pro Asyl an das VG München vom 31.10.2014, zu Frage 2, Seite 2 f.).

Soweit in Ungarn rechtspolitische Überlegungen im Raume stehen, wonach der Regierung die Befugnis eingeräumt werden könnte, eigenmächtig bestimmte Länder zu „sicheren Drittstaaten“ zu erklären, wodurch nach den Befürchtungen von Medienberichten eine Grundlage zur Zurückweisung von Flüchtlingen geschaffen werden könnte, die über das Nachbarland Serbien nach Ungarn gelangt seien (vgl. hierzu: http://www.wiwo.de/politik/ausland/dublin-ii-abkommen-ungarn-gibt-im-fluechtlingsstreit-nach/11963050.html), handelt es sich nicht um derzeit gültiges Recht, so dass sich nach dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (s.o.) die Berücksichtigung eines potentiell zukünftigen kritischen Rechtszustands derzeit verbietet.

Asylbewerber haben in Ungarn im Rahmen der materiellen Aufnahmeleistungen Zugang auch zur medizinischen Versorgung. Dadurch werden notwendige medizinische Behandlungen abgedeckt; der Umfang entspricht der medizinischen Gratisversorgung für legal im Land lebende ausländische Staatsangehörige. Asylbewerber haben ein Recht darauf, von Allgemeinärzten untersucht und behandelt zu werden. Die ungarische Gesetzeslage sieht vor, dass Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen medizinische Versorgung, Rehabilitationsmaßnahmen, ambulante und stationäre psychologische Versorgung oder psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch nehmen können, die gesundheitlich geboten sind (Auskunft des AA an VG München v. 02.03.2015, zu Frage 4; AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Reception Conditions /C. Health Care, S. 49 f.; insbesondere zur Behandlung psychisch kranker Asylbewerber in Ungarn resp. „Dublin-Rückkehrer“: Auskunft AA an VG München v. 04.07.2014, zu Fragen 1 - 3). Die Versorgungslage in Aufnahmeeinrichtungen im Übrigen gibt keinen Anlass zur Annahme systemischer Mängel am Maßstab von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 EMRK (vgl. auch die Auskunft des AA an VG München v. 02.03.2015, zu Frage 3). Asylbewerber, die in Aufnahmezentren untergebracht sind, erhalten Unterkunft und Verpflegung sowie einen monatlichen Geldbetrag für Körperpflegeprodukte und Taschengeld (AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Reception Conditions /A. 2. Forms and levels of material reception conditions, S. 41).

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung stand zuletzt im Wesentlichen nur noch die ungarische Praxis der Inhaftierung Asylsuchender im Focus der rechtlichen Betrachtung. Maßnahmen, in denen einer Person - wie bei einer Haft - die Freiheit entzogen wird, haben notwendig Leiden und Erniedrigung zur Folge. Solche Umstände verletzen jedoch nicht per se Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-Grundrechte-Charta. Die genannten Vorschriften legen dem Staat jedoch die Verpflichtung auf, sich zu vergewissern, dass ein Gefangener unter Bedingungen festgehalten wird, die mit der Achtung seiner Menschenwürde vereinbar sind, dass die Haftbedingungen ihm nicht Leiden oder Härten auferlegen, die das mit der Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigen und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse der Haft angemessen sichergestellt werden. Der EGMR nimmt in seiner Rechtsprechung regelmäßig eine Würdigung der Haftbedingungen in ihrer Gesamtheit vor und nimmt dabei auch einen kumulativen Effekt in den Blick. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen zählen beispielsweise die räumliche Unterbringung, eine mögliche Überbelegung, die Möglichkeit, den Raum zeitweise verlassen zu können, Kontaktmöglichkeiten zu Angehörigen, eine hinreichende Ernährung, die hygienischen Verhältnisse, das Vorhandensein sanitärer Einrichtungen und eine angemessene Versorgung bei Erkrankungen (zum Ganzen: EGMR v. 22.07.2010, Az. 12186/08, Rn. 55 ff. = NVwZ 2011, 418; EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09, Rn. 220 = NVwZ 2011, 413; VG Magdeburg v. 24.02.2015, Az. 9 B 144/15; Rn. 14 bei juris; VG Aachen v. 26.02.2015, Az. 5 L 54/15.A, Rn. 27 ff. bei juris, m. w. N.). Sind die Mitgliedstaaten aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, kommt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-Grundrechte-Charta ein besonderes Gewicht zu (vgl. z. B.: VG Magdeburg v. 24.02.2015 a. a. O., Rn. 14 bei juris; VG Düsseldorf v. 16.06.2014, Az. 13 L 141/14, Rn. 59 bei juris, unter Rekurs u. a. auf EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09, Rn. 250, 265 = NVwZ 2011, 413 ff.).

Das Auswärtige Amt hat sich insofern bereits im Jahr 2013 in zwei Stellungnahmen zur ungarischen Asylgesetzgebung und -praxis geäußert (Auskunft an VG Augsburg v. 23.05.2013 und an den BayVGH v. 09.07.2013), wonach sich die Situation in Ungarn erheblich verbessert habe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kommt bereits in seiner Entscheidung vom 6. Juni 2013 (Mohammed gegen Österreich, Nr. 2283/12, InfAuslR 2014, 197 ff.) zu dem Ergebnis, dass der dortige Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-Regelungen nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliegen würde, einer den Art. 3 EMRK verletzenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Der Gerichtshof hat hierzu umfangreich Stellungnahmen von UNHCR und anderer Stellen ausgewertet. Gestützt wird dieses Ergebnis auch durch die Erkenntnis des Österreichischen Asylgerichtshofes vom 9. Juli 2013 (S 21 436096-1/2013 - RIS; abrufbar unter www.ris.bka.gv.at). Dieser hat ausdrücklich festgestellt, dass in Ungarn am 1. Januar 2013 ein überarbeitetes Asylgesetz in Kraft getreten ist, das die nötigen Verbesserungen gebracht habe, weshalb nicht erkannt werden könne, „dass im Hinblick auf Asylbewerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Ungarn rücküberstellt werden, aufgrund der ungarischen Rechtslage oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten nach der EMRK erfolgen würden, so dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne einer realen Gefahr für den Einzelnen bestehen würde“. Ein Bericht zweier Berichterstatter einer Arbeitsgruppe des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR), „Working Group on Arbitrary Detention, Statement upon the Conclusion of its Visit to Hungary, 23 September - 2 October 2013“ kritisiert zwar u. a. den exzessiven Gebrauch der Inhaftierung von Asylsuchende, es werden aber ebenso ausdrücklich die Verbesserungen durch im Juli 2013 in Kraft getretene Gesetzesänderungen gewürdigt. In seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (Rs C-394/12) problematisiert auch der Europäische Gerichtshof die Aufnahmebedingungen in Ungarn nicht näher, obwohl es in dem dort entschiedenen Fall um Rückführungen von Asylbewerbern nach Ungarn im Dublin-Verfahren ging (vgl. insbes. dort Rn. 60, 61).

An diesen Erkenntnissen und Bewertungen aus dem Jahr 2013 hat sich zwischenzeitlich auch nichts geändert (wie hier - z.T. bereits zur Dublin-III-VO - aus der neueren Rechtsprechung: BayVGH v. 12.06.2015, Az. 13a ZB 15.50097; VG München v. 20.05.2015, Az. M 1 S 14.50568 u. a.; VG München v. 30.03.2015, Az. M 12 S 15.50022, Rn. 33 ff. bei juris; VG München v. 18.03.2015, Az. M 12 S 15.50040, Rn. 37 ff. bei juris; VG München v. 15.01.2015, Az. M 12 14.30500; VG Augsburg v. 10.04.2015, Az. Au 2 S 15.50197, Rn. 23 ff. bei juris; VG Augsburg v.01.04.2015, Az. Au 2 S 15.50171, Rn. 21 ff. bei juris, VG Würzburg v. 21.03.2014, Az. W 1 S 14.30147, Rn. 19 - 21 bei juris; VG Regensburg v. 10.04.2015, Az. RO 1 S 15.50123, Rn. 28 ff. bei juris; VG Regensburg v. 19.05.2015, Az. RO 4 K 14.50346, Rn. 33, 34 bei juris; VG Regensburg v. 20.02.2015, Az. RN 3 K 14.50264, Rn. 33 ff. bei juris; VG Ansbach v. 06.02.2015, Az. AN 14 K 14.50206. Rn. 25 ff. bei juris; VG Saarlouis v. 01.04.2015, Az. 3 L 184/15, Rn. 6 ff. bei juris; VG Aachen v. 26.02.2015, Az. 5 L 54/15.A, Rn. 34 ff. bei juris; VG Hamburg v. 18.02.2015, Az. 2 AE 354/15, Rn. 12 ff. bei juris; VG Düsseldorf v. 11.05.2015, Az. 22 L 1329/15.A, Rn. 31 ff.; VG Düsseldorf v. 15.04.2015, Az. 13 L 1259/15.A, Rn. 34 ff. bei juris; VG Düsseldorf v. 11.05.2015, Az. 22 L 1329/15.A, Rn. 31 ff. bei juris; VG Düsseldorf v. 13.04.2015, Az. 8 L 243/15.A, Rn. 18 ff.; VG Düsseldorf v. 13.04.2015, Az. 8 L 94/15.A, Rn. 17 ff. bei juris; VG Düsseldorf v. 01.04.2015, Az. 13 L 1031/15.A, Rn. 21 ff. bei juris; VG Düsseldorf v. 20.03.2015, Az. 13 K 501/14.A, Rn. 50 ff. bei juris; VG Gelsenkirchen v. 10.04.2015, Az. 18a L 453/15.A, Rn. 26 ff. bei juris; a.A.: VG Bremen v. 02.04.2015, Az. 3 V 123/15; s.a. speziell für Familien mit Kindern: VG Köln v. 28.04.2015, Az. 17 L 1024/15.A). Dass insbesondere aufgrund der zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Neuregelungen und ihrer Umsetzung das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylsuchenden zur Folge hätten, ist nach zwischenzeitlich zweijähriger Geltungszeit der Neuregelungen zur ungarischen Asylhaft und ihrer praktischer Anwendung nicht ersichtlich.

In einer neueren Entscheidung vom 3. Juli 2014 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann (BVerfG v. 14.10.2004, Az. 2 BvR 1481/04, Rn. 32 bei juris) und dessen Rechtsprechung maßgeblich für die Auslegung der Menschenrechte der EMRK ist, das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn unter Berücksichtigung der zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen neuen Rechtslage (§§ 31/A, 31 /B und 31/C Asylum Act Hungary) verneint. Unter Randnummern 68 bis 70 heißt es bei EGMR v. 03.07.2014, Az. 71932/12 (Mohammadi gegen Österreich):

„(…) The country reports showed that there is still a practice of detaining asylum-seekers, and that so-called asylum detention is also applicable to Dublin returnees. The grounds for detention are vaguely formulated, and there is no legal remedy against asylum detention. However, the reports also showed that there is no systematic detention of asylum-seekers anymore, and that alternatives to detention are now provided for by law. The maximum period of detention has been limited to six months. Turning to the conditions of detention, it is noted that while there are still reports of shortcomings in the detention system, from an overall view there seem to have been improvements.

Moreover, the Court notes that the UNHCR never issued a position paper requesting EU member States to refrain from transferring asylum-seekers to Hungary under the Dublin II or Dublin III Regulation (compare the situation relating to Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195, and the UNHCR recommendation of 2 January 2013 to halt transfers to Bulgaria).

Under those circumstances and as regards the possible detention of the applicant and the related complaints, the Court concludes that in view of the recent reports cited above, the applicant would currently not be at a real and individual risk of being subjected to treatment in violation of Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary under the Dublin Regulation.“

Zusammenfassend kommt der EGMR in dieser Entscheidung vom 3. Juli 2014 erneut zu der Einschätzung, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Asylsuchender nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliege, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-VO einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die Art. 3 EMRK verletzen würde (vgl. hierzu auch BayVGH v. 12.06.2015, Az. 13a ZB 15.50097; Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Report „Following his visit to Hungary from 1 to 4 July 2014“ v. 16.12.2015, Rn. 153). An der schon im Urteil vom 6. Juni 2013 (Nr. 2283/12 - Mohammed ./. Österreich) getroffenen Bewertung werde festgehalten. Seither seien keine neuen Umstände bekannt geworden, die nunmehr zu dem Schluss führen könnten, dass das ungarische Asyl- und Asylhaftsystem systemische Mängel aufweise und dass für den Antragsteller die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bestehe (Rn. 74 f.). Zwar zeigten Länderberichte, dass es noch eine Praxis der Inhaftierung von Asylbewerbern gebe und auch Dublin-Rückkehrer davon betroffen wären. Auch seien die Haftgründe vage formuliert und es gebe kein spezielles Rechtsmittel gegen Asylhaft. Aus den Berichten würde sich allerdings auch ergeben, dass es keine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden mehr gebe und jetzt im Gesetz Alternativen zur Haft vorgesehen seien. Die Höchstdauer des Gewahrsams sei auf sechs Monate beschränkt. Hinsichtlich der Haftbedingungen sei anzumerken, dass es zwar immer noch Berichte über Mängel gebe, in einer Gesamtschau aber von Verbesserungen auszugehen sei (Rn. 68). Erneut weist der Gerichtshof darauf hin, dass sich auch der UNHCR bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe (Rn. 69). Zudem verweist er in seiner Entscheidung im Übrigen ausdrücklich auf die Stellungnahmen von AIDA und des Ungarischen Helsinki Committees (Rn. 33 ff.).

Insbesondere unter Rekurs auf die aktuelle Rechtsprechung des EGMR hat nunmehr auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. Juni 2015 (Az. 13a ZB 15.50097) Stellung bezogen und deckt unter Ablehnung des Antrags des dortigen Klägers auf Zulassung der Berufung gegen VG München v. 15.01.2015, Az. M 12 K 14.30500 das Ergebnis der Vorinstanz, wonach in Ungarn am Maßstab von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufenthaltsbedingungen für Asylsuchende bestehen. Insbesondere hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dem sich das erkennende Gericht anschließt, in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2015 (a. a. O.) dem Ansatz u. a. der 24. Kammer des Verwaltungsgerichts München, wonach die Anwendung der sog. Asylhaft auf die meisten „Dublin-Rückkehrer“ wegen Verstoßes gegen Art. 6 EU-Grundrechte-Charta zu einem Überstellungsverbot nach Ungarn führe (so z. B. VG München [24. Kammer] v. 20.02.2015, Az. M 24 S 15.50091, Rn. 45 ff. bei juris; VG München [24. Kammer] v. 16.04.2015, Az. M 24 K 15.50098; ebenso VG Berlin v. 15.01.2015, 23 L 899.14 A, Rn. 8 bei juris; ähnlich VG Köln v. 28.04.2015, Az. 17 L 1024/15.A, Rn. 21 ff. bei juris) eine Absage erteilt. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union (s.o.; exemplarisch EuGH v. 10.12.2013, Rs. C-394/12, Rn. 52 ff. bei juris) hat den Maßstab zur Überprüfung der Überstellungsentscheidung nach der Dublin-II-VO - der nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin-III-VO positiv festgeschrieben wurde - ausschließlich dem Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Art. 4 EU-Grundrechte-Charta entnommen, das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 6 EU-Grundrechte-Charta ist demnach nicht unmittelbarer Prüfmaßstab im Rahmen einer Entscheidung gem. §§ 27a, 34a AsylVfG im „Dublin-Verfahren“ (s. auch VG Hamburg v. 18.02.2015, Az. 2 AE 354/15, Rn. 15 bei juris). In BayVGH v. 12.06.2015, Az. 13a ZB 15.50097 heißt es insofern unter Rn. 4 der Beschlussausfertigung (dort schon zur Dublin-III-Verordnung):

„(…) Abgesehen davon gehen sowohl das Verwaltungsgericht Berlin (B.v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - Asylmagazin 2015, 80 = juris) wie das Verwaltungsgericht München (B.v. 20.2.2015 - M 24 S 15.50091 - juris) nicht von einem systemischen Verstoß gegen Art. 4 EU-Grundrechtscharta aus, wie in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bestimmt ist. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrunde gelegt haben (vgl. auch OVG SH, B.v. 13.4.2015 - 2 LA 39/15 - juris). Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die Dublin II-VO verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 82; vgl. auch BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677) Im Übrigen verneint auch der Großteil der nationalen Verwaltungsgerichte systemische Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn.

In gleicher Zielrichtung argumentiert das Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein (vgl. Beschl. v. 13.04.2015, Az. 2 LA 39/15, Rn. 3 bei juris):

„(…) Abgesehen davon erlaubt auch nach Auffassung des VG Berlin (Beschluss vom 15. Januar 2015 a. a. O., juris Rn. 8) die Auskunftslage nicht die Feststellung systemischer Mängel aufgrund unmenschlicher und erniedrigender Haftbedingungen in Ungarn; das VG Stuttgart (Beschluss vom 19. Februar 2015 a. a. O. juris Rn. 9) sieht es als offen an, ob die Asylhaftpraxis in Ungarn gegen Art. 6 EuGrCh verstößt. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin-III-Verordnung festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrundegelegt haben. Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die vorangehende Dublin-II-Verordnung verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C - 411/10 u. a. - juris Rn. 82).“

Insbesondere dem Umstand, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen, kommt eine besondere Indizbedeutung zu. Denn die vom UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtenden - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-528/11; VG München v. 20.05.2015, Az. M 1 S 14.50568 u. a., Rn. 15 bei juris).

Allein der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 wieder Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält (§§ 31/A ff. Asylum Act Hungary) und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehr häufig bis regelmäßig inhaftiert werden (Auskunft des UNHCR an das VG Düsseldorf v. 30.09.2014 zu Frage 3, S. 2; Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014 zu Frage 3 b, S. 2; AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Detention of Asylum Seekers /B. Ground for detention, S. 52 ff.; s. auch Hungarian Helsinki Committee, Briefing paper of the Hungarian Helsinki Committee für the Working Group on Arbitrary Detention, 8. October 2013, S. 17 f.), begründet für sich genommen noch keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems mit Blick auf Art. 4 EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Durch die Änderungen des ungarischen Asylsystems zum 1. Juli 2013 wurden umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. asylum detention, in das ungarische Asylrecht aufgenommen. Solange Asylhaft nicht nur wegen der Durchführung des Asylverfahrens erfolgt - vgl. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL) sowie im Einklang hiermit § 31/B Abs. 1 Asylum Act Hungary -, stellt diese dem Grunde nach keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK dar. Eine - für maximal sechs Monate zulässige - Inhaftierung ist gemäß § 31/A Abs. 1 Asylum Act Hungary u. a. möglich zur Überprüfung der Identität und Staatsangehörigkeit des Antragstellers, nach dessen Untertauchen oder anderweitiger Behinderung der Durchführung des Asylverfahrens oder wenn dies aus gewichtigen Gründen zu befürchten ist oder wenn der Antragsteller seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen, und damit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert hat (zu den Haftgründen für die sog. Aslyhaft vgl. auch Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014 zu Frage 34, S. 3). Die Haftgründe des ungarischen Rechts entsprechen im Wesentlichen den in der Europäischen Union zulässigen Haftgründen in Art. 8 Abs. 3 AufnahmeRL und sind damit dem Grunde nach zulässig (hierzu und zum Folgenden auch: VG Münchenv. 20.05.2015, Az. M 1 S 14.50568, Rn. 14 bei juris, unter Rekurs auf EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-534/11 = NVwZ 2013, 1142 ff.; VG Düsseldorf v. 20.03.2015, Az. 13 K 501/14.A, Rn. 83 ff. bei juris; v. 01.04.2015, Az. 13 L 1031/15.A, Rn. 57 ff. bei juris; v. 11.05.2015, Az. 22 L 1329/15.A, Rn. 60 ff. bei juris). Entsprechend den Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 AufnahmeRL darf nach § 31/A Absatz 3 des ungarischen Gesetzes eine Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen und nur, wenn nicht durch andere Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Asylbewerber sich dem Asylverfahren nicht entzieht. Nach weiteren Regelungen des § 31/A Asylum Act Hungary ist die Haft ist u. a. zu beenden, wenn der Haftgrund entfallen ist, soll die Asylhaft nur in speziellen Einrichtungen vollzogen werden (gem. § 31/F Asylum Act Hungary unter Trennung von Männern und Frauen sowie von Familien mit Minderjährigen von sonstigen Bewohnern) und wird die zulässige Höchstdauer von Asylhaft begrenzt (zunächst 72 Stunden mit Verlängerungsmöglichkeiten, maximal auf insgesamt sechs Monate), woraus folgt, dass eine Überprüfung der Inhaftierung von Amts wegen nach 72 Stunden und anschließend nach 60 Tagen erfolgt (vgl. auch Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 11, S. 9; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 13). Familien mit Minderjährigen dürfen gemäß § 31/B Absatz 2 Asylum Act Hungary nur als ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus besteht gemäß § 31/C Absatz 3 Asylum Act Hungary die begrenzte Möglichkeit, gegen die Inhaftierung Einspruch einzulegen (hierzu und zu weiteren Einzelheiten exemplarisch VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 85 bei juris). Die Haftanordnung ergeht in Ungarn gegenüber den betroffenen Asylsuchenden in Übereinstimmung mit Art. 9 Abs. 2 AufnahmeRL schriftlich unter Angabe der sachlichen und rechtlichen Haftgründe und unter verbaler Übersetzung (Auskunft von Pro Asyl an VG München v. 30.10.2010, zu Frage 1, S. 1; zur Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 2 EMRK: VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 112 ff. bei juris, m. w. N.).

Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden die gesetzlichen Vorgaben bei ihrer Entscheidung über die Inhaftierung von Asylbewerbern - speziell Dublin-Rückkehrern - nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch /systematisch nicht beachten (ebenso VG Düsseldorf v. 20.03.2015, Az. 13 K 501/14.A; VG München v. 18.03.2015, Az. M 12 S 15.50040; VG München v. 20.05.2015, Az. M 1 S 14.50568). Allein der Umstand, dass etwa 40% der männlichen Asylbewerber inhaftiert sind (vgl. Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf v. 30.09.2014, zu Frage 1: Inhaftierung von 25% aller Asylsuchenden, 40% der männlichen Asylbewerber [1. Halbjahr 2014]; AIDA, Asylum Information Database, Country Report Hungary [Stand 17. Februar 2015], Detention of Asylum Seekers, A. General, S. 51: 26% aller Asylbewerber, 42% der männlichen Asylbewerber; EGMR v. 03.07.2014, Az. Nr. 71932/12, Rn. 38, auf Basis des vormaligen AIDA-Reports zu Ungarn [update /Stand 30. April 2014]; VG Gelsenkirchen v. 10.04.2015, Az. 18a L 453/15.A, Rn. 54 bei juris; vgl. auch: Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 5; Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Report „Following his visit to Hungary from 1 to 4 July 2014“ v. 16.12.2015, Rn. 155), begründet für sich keine systemischen Mängel des ungarischen Asylverfahrens am Maßstab von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta. Es erscheint nämlich angesichts der hohen Zahl an Asylbewerbern, die sich dem Asylverfahren in Ungarn entziehen und beispielsweise in Deutschland entgegen den Regelungen der Dublin-II oder Dublin-III-Verordnung einen weiteren Asylantrag stellen, nicht ausgeschlossen, dass bei 40% aller (männlichen) Asylantragsteller in Ungarn tatsächlich Fluchtgefahr gem. Art. 8 Abs. 3 b) AufnahmeRL besteht (s.o. VG München v. 18.03.2015 Az. M 12 S 15.50040, Rn. 41 bei juris).

Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass die Inhaftierung speziell von Dublin-Rückkehrern in der Praxis unter systematischem Verstoß gegen das Einzelfallprüfungsgebot (Art. 8 Absatz 2 AufnahmeRL, § 31/A Asylum Act Hungary) angeordnet wird. Auch wenn die Haftanordnung regelmäßig schematisch erfolgt (Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 9, Seite 8; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 6), lässt sich daraus nicht bereits ableiten, dass eine Einzelfallprüfung auch tatsächlich nicht stattgefunden hat. Vielmehr erscheint es dem Gericht - in Übereinstimmung mit dem VG Düsseldorf (exemplarisch Urt. v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 99 ff. bei juris) - speziell bei Dublin-Rückkehrern (wie dem Antragsteller) nachvollziehbar, dass die Haftanordnungen größtenteils inhaltlich identisch aussehen und von einer individuellen Begründung absehen, da dann regelmäßig auf den Haftgrund der Fluchtgefahr rekurriert werden kann, was vor dem Hintergrund, dass die Dublin-Rückkehr sich bereits einmal dem Asylverfahren in Ungarn entzogen haben, nicht willkürlich erscheint. Zudem sind auch einige Fälle belegt, in denen die Haftanordnung individuelle Besonderheiten berücksichtigt und in denen Haftalternativen ausdrücklich eruiert worden sind (Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 10, S. 9; speziell für Familien und besonders schutzbedürftige Personen, die in der Regel nicht inhaftiert werden: Auskunft des UNHCR an das VG Düsseldorf v. 30.09.2014, zu Frage 6, S. 6). Daraus geht hervor, dass die gesetzlich vorgesehenen Haftalternativen in der Praxis - wenn auch in Ausnahmefällen - tatsächlich angewendet werden. Die geringe Anzahl von Fällen, in denen eine Kaution angeordnet wurde, überrascht dabei nicht, da Asylsuchende in der Regel nicht über entsprechende finanzielle Mittel verfügen, um eine Kaution bezahlen zu können (VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 109, 110; vgl. auch: Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014 a. a. O.; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 11).

Soweit in der ungarischen Haftpraxis über die ausdrücklich in § 31/A Abs. 1 Asylum Act Hungary geregelten Tatbestandsvoraussetzungen hinaus auf weitere Haftgründe zurückgegriffen wird, die nicht unter die im Asylum Act genannten Haftgründe fallen, wie z. B. „unrechtmäßiger Aufenthalt“, „irreguläre Einreise“, „Fehlen ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts“, „Fehlen von Verbindungen nach Ungarn“ (vgl. Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 9, S. 8; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2014, S. 6 ff.), ist - unabhängig von der Frage, inwieweit diese Haftgründe tatsächlich bei Dublin-Rückkehrern angewendet werden - insofern zu berücksichtigen, dass jedenfalls bei Dublin-Rückkehrern tragfähige Anhaltspunkte dafür bestehen, die die dann häufige bis regelmäßige Einschlägigkeit und Heranziehung des auch in der AufnahmeRL aufgeführten Haftgrunds der Fluchtgefahr belegen (s.o.). Im Übrigen lässt sich nicht allein aus einer etwaigen europarechtswidrigen Annahme eines Haftgrundes ohne Weiteres auf das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-Grundrechte-Charta schließen. Entscheidend ist vielmehr, dass das ungarische Recht den Asylbewerbern in solchen Fällen ermöglicht, sich gegen eine unrechtmäßige Inhaftierung zu wehren. Insofern wird auf die folgenden Passagen bei VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 91 ff. verwiesen, die sich das erkennende Gericht zu Eigen macht:

„Zwar gibt es gemäß § 31/C Absatz 2 Asylum Act Hungary keine individuellen Rechtsmittel, sondern gemäß Absatz 3 nur die Möglichkeit eines Einspruchs („objection“), gegen die Haftanordnung.

Vgl. auch Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 9 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.

Dahingestellt bleiben kann, inwieweit dieser Rechtsbehelf hinreichenden Rechtschutz zu gewähren vermag. Denn die Asylbewerber haben jedenfalls die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung im Rahmen der von Amts wegen erfolgenden Überprüfung nach 72 Stunden bzw. 60 Tagen vor dem Amtsgericht geltend zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristregelungen gegen Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL - der seinerseits keine konkreten Fristvorgaben enthält - verstoßen und /oder diese Vorgaben in der Praxis nicht umgesetzt werden, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vorgeschriebenen gerichtlichen Haftüberprüfungen nicht geeignet sind, den Asylbewerbern effektiven Rechtschutz zu gewähren. Zwar kritisieren Pro Asyl und der UNHCR, dass es in der Praxis so gut wie nie zu einer Entlassung komme.

Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 10 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.

Zum einen konnte keine der drei befragten Organisationen verlässliche Auskünfte zu der Frage, wie viele der nach dem 1. Juli 2013 erlassenen Anordnungen von Asylhaft aufgrund der bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten tatsächlich aufgehoben worden sind, geben.

Vgl. die Antworten des Auswärtigen Amtes, UNHCR und von Pro Asyl zu Frage 12 des Beweisbeschlusses.

Zum anderen ließe sich allein aus einer geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe auch nicht ohne weiteres darauf schließen, dass die ungarischen Gerichte keinen effektiven Rechtschutz gewährleisten. Dass derartige Haftprüfungsanträge durch die Gerichte angeblich mit schematisierten Entscheidungen abgelehnt werden und die Verhandlungen nur wenige Minuten dauern, muss nicht bedeuten, dass diese Rechtsbehelfe nicht individuell geprüft würden. Vielmehr kann in Haftsachen, die Massenverfahren darstellen, aus Gründen der Vereinfachung auch eine individuelle richterliche Überprüfung zu einer schematisierten Begründung führen, wenn das Gericht keine besonders begründungsbedürftigen Umstände des Einzelfalles angenommen hat, ohne dass grundlegende rechtsstaatliche Garantien verletzt wären; die Annahme von (fortbestehender) Fluchtgefahr bei Personen, die sich dem Asylverfahren bereits in der Vergangenheit entzogen haben, erscheint dem erkennenden Gericht zumindest nicht unvertretbar.

Vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 23. September 2014 - W 1 K 14.50050 -, juris, Rn. 37.“

In Bezug auf die Haftdauer sind keine systemischen Mängel am Maßstab von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 EMRK erkennbar. Auch insofern nimmt das erkennende Gericht auf VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O. Bezug, wo es heißt (Rn. 116 ff. bei juris):

„Auch aus den Erkenntnissen des Gerichts zur Haftdauer lässt sich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Dublin-Rückkehrern ableiten. Vielmehr steht die Rechtslage und tatsächlich gelebte Praxis in Ungarn auch insoweit in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Laut Auskunft von Pro Asyl beobachtete das HHC in der Vergangenheit, dass die maximale Haftdauer von sechs Monaten in vielen Fällen ausgeschöpft worden sei. Seit Kurzem würden inhaftierte Asylsuchende aus der Asylhaft entlassen, sobald das OIN im „in-merit procedure“ über das Asylgesuch entschieden hat und zwar auch dann, wenn diese Entscheidung negativ ausgefallen sei und der Betroffene Rechtmittel eingelegt habe. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass die Höchstgrenze der zulässigen Haftdauer überschritten wird.

vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2 Buchstabe b, Seite 2.

Es erscheint zumindest nicht unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr - bis zu einer Entscheidung über das Asylbegehren bzw. unter Umständen auch nach einer ablehnenden Entscheidung - fortlaufend gegeben ist.

Vgl. Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 1 B 862/14 -, juris, Rn. 15.

Hinzu kommt, dass die Inhaftierung von Amts wegen alle 60 Tage überprüft wird (s.o.), die Asylbewerber mithin die Möglichkeit haben, ihre Inhaftierung auf die fortbestehende Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.“

Ferner sind den vorliegenden Auskünften (vgl. z. B. Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 5 b bis f, S. 3 ff.; Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf v. 30.09.2014, zu Frage 5 b bis f, S. 3 f.; Auskunft des AA an VG München v. 19.11.2014, zu Frage b, S. 2; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 15 ff.) auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Inhaftierungsbedingungen inhaftierter Asylbewerber in Ungarn zu einer systematischen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen, auch wenn bisweilen Defizite in den Haftbedingungen festgestellt werden konnten (vgl. auch insofern BayVGH v. 12.06.2015, Az. 13a ZB 15.50097, Rn. 5 der Beschlussausfertigung). In den vorzitierten Erkenntnisquellen wird vielmehr ausgeführt, dass die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Versorgung) in Ungarn auch während der Asylhaft in einer noch zumutbaren Weise erfüllt werden (zum Ganzen auch: VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 121 ff. bei juris; VG Aachen v. 26.02.2015, Az. 5 L 54/15.A, Rn. 60 ff. bei juris, VG München v. 20.05.2015 a. a. O.; VG München v. 30.03.2015, Az. M 2 K 15.50224; VG Augsburg v. 02.02.2015, Az. Au 2 S 15.50041, Rn. 28 bei juris). So können sich die Asylsuchenden tagsüber frei bewegen, eine ausreichende medizinische und sonstige Versorgung ist gewährleistet, Freizeiteinrichtungen sind vorhanden. Rechtlicher Beistand wird ebenfalls gewährleistet. Dass die hygienischen Einrichtungen in Teilbereichen defizitär sein mögen und die Art der Ernährung wenig befriedigend sein mag, wie dies im Übrigen auch bei einem nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass die Haftbedingungen generell nicht menschenwürdig sind. Solange die hygienischen Standards keine Gefahren für die Gesundheit begründen und die Qualität der Ernährung keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, können die Haftbedingungen nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenrechtsgemäße Schlechterbehandlung angesehen werden. Es mag zwar im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Asylsuchenden in Ungarn - wie in anderen Ländern auch - in Einzelfällen Verstöße gegen die entsprechenden rechtlichen Vorgaben geben. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass diese systemisch bedingt sind. Einzelfälle von Misshandlungen, wie sie etwa im Bericht des Hungarian Helsinki Comitees („Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary“, May 2014, S. 18) genannt werden, lassen daher keine Rückschlüsse auf systemische Mängel zu. Mehr als eine Einzelfallimpression kann hierdurch nicht belegt werden (VG Regensburg v. 20.02.2015, Az. RN 3 K 14.50264, Rn. 49 bei juris).

Sollte der Antragsteller bei Rückkehr nach Ungarn nicht in Asylhaft genommen werden, sind auch keine Anhaltspunkte für systemische Mängel mit Blick auf Art. 4 EU-Grundrechte-Charta wegen drohender Obdachlosigkeit ersichtlich. Es ist im gesamten vergangenen Jahr 2014 kein Fall bekannt, in dem einem Asylsuchenden - etwa wegen Überbesetzung der Unterbringungseinrichtungen - in Ungarn kein Obdach gewährt worden ist (AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Reception Conditions /A. 3. Types of accommodation, S. 43; vgl. bereits den vorangegangenen AIDA-Report, Stand 30. April 2014, S. 40; VG Gelsenkirchen v. 10.04.2015, Az. 18a L 453/15.A, Rn. 61 ff. bei juris).

Auch für den Fall, dass der Antragsteller in Ungarn nach dem dortigen Abschluss des Verfahrens Flüchtlingsschutz bzw. einen subsidiären Schutzstatus erhalten sollte, bestehen gegen eine Rückführung dorthin keine Bedenken. Das Gericht geht zwar davon aus, dass nach derzeitiger Erkenntnislage die Lebensbedingungen insbesondere für anerkannte Asylbewerber und subsidiär Schutzberechtigte schwierig sind (vgl. hierzu den Bericht von bordermonotoring.eu, Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Oktober 2013, S. 16 ff.). Diese stellen sich aber - auch unter Berücksichtigung von gesetzlichen Integrationsleistungen (Auskunft AA an VG München v. 02.03.2015, zu Frage 3) - als nicht so gravierend dar, dass diese entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta zur Folge hätten (VG Münchenv. 30.03.2015, Az. M 12 S 15.50022, Rn. 43, 44 bei juris; VG München v. 30.03.2015, Az. M 12 S 15.50038, Rn. 44, 45 bei juris). Von einem schwierigen Arbeitsmarkt sind die ungarischen Staatsangehörigen gleichermaßen betroffen. Speziell im Fall des Antragstellers als alleinstehendem, gesundem und arbeitsfähigem jungen Mann sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine besondere Bewertung erforderten. Auch insofern gilt im Übrigen, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichtet sind, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen (s.o.). Die Norm enthält - ebenso wenig wie Art. 4 EU-Grundrechte-Charta - auch keine allgemeine Pflicht des jeweiligen Staates, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten (s. o.).

Im vorliegenden Fall liegt bereits eine in der Sache ablehnende Entscheidung der ungarischen Asylbehörde vor, gegen die der Antragsteller aber ein Rechtsmittel eingelegt hat, über das nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Sollte das gegen die ablehnende Sachentscheidung eingelegte gerichtliche Rechtsmittel keinen Erfolg haben und sollte hierauf die Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers in Ungarn bestandskräftig werden, müsste der Antragsteller mit geringerer staatlicher Versorgung rechnen. Soweit Asylanträge in Ungarn in der Sache abgelehnt werden, sind die betroffenen Antragsteller nur noch bis zur Bestandskraft bzw. bis zur Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung berechtigt, in offenen Unterbringungseinrichtungen Aufenthalt zu nehmen; nach unanfechtbarer Ablehnung bestünde noch zwei Monate Anspruch auf Unterkunft und Basisversorgung nach den Regelungen des ungarischen Asylgesetzes. Es verbleibt dann nur die Berechtigung, in den öffentlichen Notunterkunftsplätzen des jeweiligen Komitats Aufenthalt zu nehmen und zur kostenfreien Notfallversorgung der öffentlichen Gesundheitszentren (vgl. Auskunft AA an VG München v. 02.03.2015, zu Frage 3). Entsprechendes gilt für Asylsuchende, die in Ungarn einen Folgeantrag stellen, weil sie ihren ersten Asylantrag schriftlich zurückgezogen haben, weil die Ablehnung ihres Asylerstantrags bestandskräftig wurde, weil ein gerichtliches Rechtsmittel gegen den Ablehnungsbescheid rechtskräftig abschlägig beschieden wurde oder weil ihr erster Asylantrag wegen Unzulässigkeit oder offensichtlicher Unbegründetheit abgelehnt und das Verfahren eingestellt worden ist (zu den Fallgruppen im Einzelnen: Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 19; AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Asylum Procedure /D. Subsequent applications, S. 31). Auch solche Folgeantragsteller werden in der Regel lediglich für einen Höchstzeitraum von zwei Monaten in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht (Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 21; Auskunft Pro Asyl an VG München v. 31.10.2014, zu Frage 3, S. 3; Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014 zu Frage 13, S. 10 f.). Auch insofern ist nicht ersichtlich, dass der ungarische Staat Asylsuchende im Folgeverfahren generell oder regelmäßig über einen unabsehbar langen Zeitraum sich selbst überlässt und sie - ohne Aussicht auf Verbesserung ihrer Lage - im Sinne eines systemischen Mangels mit Blick auf Art. 4 EU-Grundrechte-Charta /Art. 3 EMRK hoffnungsloser, extremer materieller Armut aussetzen würde (VG Gelsenkirchen v. 10.04.2015, Az. 18a L 453/15.A, Rn. 69 ff. bei juris). Zudem folgt aus der bestandskräftigen Ablehnung die grundsätzliche Ausreisepflicht in den Herkunftsstaat. Ausländern, die von einer Ausweisung betroffen sind, gewährt auch die EMRK grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werden (vgl. auch VG Aachen v. 01.04.2015, Az. 8 L 56/15.A, Rn. 12 ff. bei juris, m. w. N.). Dass in der Situation einer vollziehbaren Ausreisepflicht nach bestandskräftiger Ablehnung des Asylantrags in Ungarn oder bei Folgeantragsstellern, deren Antrag als offensichtlich unzulässig oder unbegründet abgelehnt wurde, unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Auskunft AA an VG München v. 02.03.2015, zu Frage 1; Auskunft AA an VG Augsburg v. 23.05.2013, zu Frage 2) auch Abschiebehaft in Betracht kommt (AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Detention of Asylum Seekers /B. Grounds for detention, S. 52 f.; vgl. auch VG München v. 18.03.2015, Az. M 12 S 15.50040, Rn. 52 f.; VG Regensburg v. 10.04.2015, Az. RO 1 S 15.50123, Rn. 32 ff. bei juris), begründet für sich keine „systemischen Mängel“ des Asylverfahrens bzw. der Unterbringungsbedingungen am Maßstab von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta, da Haft in dieser Situation typischerweise der Sicherung der sich abzeichnenden Abschiebung des Betroffenen in seinen Herkunftsstaat dient.

4. Vor diesem Hintergrund ist der Asylantrag des Antragstellers deshalb zu Recht von der Antragsgegnerin gem. § 27a AsylVfG ohne materielle Prüfung als unzulässig abgelehnt worden. Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO zwingend gebieten würden, sind nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Des Weiteren bestehen gegen die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn am Maßstab von § 34a Abs. 1 AsylVfG keine Bedenken.

Einer Rückführung des Antragstellers nach Ungarn stehen insbesondere keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse im Sinne des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG entgegen (zur Einbeziehung auch sog. inlandsbezogener Abschiebungs- oder Vollzugshindernisse: BVerfG v. 17.09.2014, Az. 2 BvR 732/14, Rn. 11 bei juris; BVerfG v. 17.09.2014, Az. 2 BvR 1795/14, Rn. 9 bei juris; BayVGH v. 12.03.2014, Az. 10 CE 14.427, Rn. 4 bei juris; OVG Sachsen-Anhalt v. 03.09.2014, Az. 2 M 68/14, Rn. 3 bei juris; OVG Saarl. v. 25.04.2014, Az. 2 B 215/14; OVG Berlin-Brandenburg v. 01.02.2012, Az. OVG 2 S 6.12; OVG Hamburg v. 03.12.2010, Az. 4 Bs 223/10; VG München v. 17.11.2014, Az. M 1 S 14.50570 u. a.; VG Augsburg v. 18.02.2015, Az. Au 3 S 15.50060, Rn. 31 ff. bei juris; VG Ansbach v. 13.11.2014, Az. AN 3 S 14.30863, Rn. 34 bei juris; VG Würzburg v. 22.12.2014, Az. W 3 S 14.50146; VG Oldenburg v. 15.12.2014, Az. 12 B 2771/14; Bergmann, ZAR 2015, 81 [86]). Es steht zwar nur dann fest, dass die Abschiebung tatsächlich durchgeführt werden kann, wenn die Übernahmebereitschaft des Drittstaates, in den abgeschoben werden soll (hier: Ungarn), geklärt ist. Denn Grundvoraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung ist, dass eine Rückführung alsbald auch möglich sein wird (zu dieser Schlussfolgerung zwingt die Wortwahl „sobald“ des Normtextes, Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: Mai 2015, zu § 34a, Rn. 20). Es ist derzeit aber nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung nach Ungarn aufgrund einer fehlenden Willigkeit Ungarns zur Rücknahme des Antragstellers scheitern würde. Den noch am 23. Juni 2015 verlautbarten Aufnahmestopp im Rahmen des Dublin-Verfahrens hat die ungarische Regierung schon am 24. Juni 2015 revidiert und klargestellt, die EU-Regelungen zur Dublin-III-Verordnung nicht zu suspendieren (vgl. Süddeutsche Zeitung unter http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-kritik-aus-bruessel-ungarn-rudert-bei-aufnahmestopp-fuer-asylsuchende-zurueck-1.2536039; Wirtschaftswoche unter http://www.wiwo.de/politik/ausland/dublin-ii-abkommen-ungarn-gibt-im-fluechtlingsstreit-nach/11963050.html; Frankfurter Allgemeine Zeitung unter http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/dublin-iii-abkommen-ungarn-nimmt-fluechtlinge-weiter-auf-13665801.html). Im Übrigen ist im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen, dass es in Bezug auf den Antragsteller um ein „Alt-Verfahren“ nach der Dublin-II-Verordnung geht, bezüglich dessen eine Wiederaufnahme des Antragstellers seitens Ungarn schon deshalb außer Frage stehen dürfte, weil Ungarn im Dublin-Verfahren ausdrücklich sich gegenüber der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 15. November 2013 zur Wiederaufnahme des Antragstellers gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c), Art. 20 Dublin-II-VO einverstanden erklärt hat (s. oben 1.). Selbst wenn - worauf die Antragstellerseite im Schriftsatz vom 30. Juni 2015 verweist und worüber in den vorzitierten Presseberichten vom 24. Juni 2015 berichtet wird - Ungarn weiterhin vertreten sollte, dass die Rücknahmepflicht nach der Dublin-III-Verordnung nicht Personen betreffe, die andere EU-Staaten irrtümlich nach Ungarn abschieben wollten, weil diese bei ihrer Flucht als erstes EU-Land Griechenland betreten hätten und deswegen nach der Dublin-III-Verordnung nur dort einen Asylantrag stellen dürften, ist insbesondere unter Berücksichtigung des EU-Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (s.o.) sowie mit Blick auf den jüngst ausdrücklich erklärten Willen Ungarns, die Verpflichtungen aus den EU-Regelungen zum Dublin-System auch zukünftig gerecht zu werden, nicht ersichtlich, dass Asylsuchende, deren Wiederaufnahme aufgrund schriftlicher und verbindlicher Erklärung Ungarns gegenüber der Bundesrepublik Deutschland längst ausdrücklich akzeptiert wurde, nicht mehr in Umsetzung des Dublin-Verfahrens (hier noch der Dublin-II-Verordnung) nach Ungarn zurücküberstellt werden könnten. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt maßgeblich darauf ab, dass eine Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 AsylVfG i.V. mit § 26a AsylVfG dann ergehen darf, wenn der Zielstaat der Abschiebung einer Übernahme des Betroffenen zugestimmt hat (vgl. BVerfG v. 14.05.1996, Az. 2 BvR 1938/93 und 2315/93, Rn. 156 bei juris).

5. Die Klage in der Hauptsache wird daher voraussichtlich keinen Erfolg haben. Mit Blick auf diese Bewertung war daher der Beschluss vom 10. Januar 2014 (Az. M 21 S 13.31382) gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO zu korrigieren.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Klarstellend wird auf Folgendes hingewiesen: Die Kostenentscheidung im Beschluss vom 10. Januar 2014 (M 21 S 13.31382) bleibt von dieser Abänderungsentscheidung unberührt. Die vorliegende Kostenentscheidung bezieht sich nur auf das Abänderungsverfahren und würde sich daher nur für ggf. im Abänderungsverfahren neu angefallene Kosten auswirken, welche vorliegend allerdings nicht ersichtlich sind. Die Abänderung erfolgte von Amts wegen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Tätigkeit eines sowohl im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch im nachfolgenden Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO beauftragten Rechtsanwalts würde „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG betreffen, so dass im Abänderungsverfahren Gebühren nicht nochmals erstattungsfähig wären. Die Kostengrundentscheidung im Abänderungsverfahren ersetzt nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung, trifft also nicht etwa eine für den vorliegenden Rechtszug insgesamt neue einheitliche Kostenentscheidung. Denn das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt keine besondere Art eines Rechtsmittelverfahrens für Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 VwGO dar, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbstständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Absatz 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn ist (zum Ganzen: VGH Mannheimv. 08.11.2011, Az. 8 S 1247/11; VG München v. 20.05.2015, Az. M 16 S7 15.50485; VG Düsseldorf v. 15.08.2014, Az. 13 L 644/14.A, Rn. 11 ff. bei juris).

7. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

...

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
53 Referenzen - Urteile

moreResultsText

{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 20/05/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt. II. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt. III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfa
published on 19/05/2015 00:00

Tenor I. Der Bescheid vom 8. Dezember 2014 wird aufgehoben. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Gegenstand des Verfahrens ist ein B
published on 10/04/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der am ... 1995 in ... (Syrien) geborene Antragste
published on 27/04/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gema
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.

(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.

(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.