Sächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 21. Sept. 2016 - 2 L 98/13
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Biogasanlage.
- 2
Die Klägerin ist Miteigentümerin des in der Gemeinde T./Ortsteil (H.) gelegenen, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße (Flurstück 59/214{59/214}, Flur A{}, Gemarkung T.), das nördlich an die Weinbergstraße angrenzt. Östlich des Grundstücks bis zur Straße "Weinbergholz" befindet sich nördlich der Weinbergstraße weitere Wohnbebauung. Westlich des klägerischen Grundstücks liegt ein durch den Bebauungsplans Nr. 4 "Weinbergstraße" der Gemeinde T. festgesetztes allgemeines Wohngebiet. Südlich der Weinbergstraße befinden sich auf einer Fläche, die sich von einer Bahntrasse im Westen bis ca. 160 m nach Osten und ca. 270 m nach Süden erstreckt, Kleingärten. Weiter westlich bis zu einem nach Süden abzweigenden Nebenzug der Weinbergstraße befinden sich unbebaute, landwirtschaftlich genutzte Flächen, die ca. 130 m nach Süden reichen. Weiter südlich, in einem Abstand von ca. 180 bis 450 m zum Grundstück der Klägerin befinden sich die Betriebsstätten einer ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). Südlich davon, bis zur Mühlenstraße reichend, liegen das Betriebsgelände der Fa. (M.), die dort den An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen, eine KfZ-Werkstatt sowie einen Abschlepp- und Bergungsdienst betreibt, und das Betriebsgelände eines Tiefbauunternehmens.
- 3
Für die Anlagen der ehemaligen LPG beantragte deren Rechtsnachfolgerin im Jahr 1993 eine Änderungsgenehmigung zur Rinderhaltung und Güllelagerung. Die Kapazität für den Neubau eines Boxenlaufstalls wurde mit 306 neuen Kuhplätzen und der "Weiterbetrieb" der schon bestehenden Anlage mit 342 Bullenmastplätzen angegeben. Die Anlage wurde am 01.09.1993 in Betrieb genommen. Im Jahr 2003 zeigte der derzeitige Betreiber der Anlage, die MVA (H.) GmbH & Co. KG (MVA), beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt nach § 67 Abs. 2 BImSchG an, dass die Tierplatzzahl auf 782 Stück erweitert werde.
- 4
Die Beigeladene, die Gesellschafterin der Agrar GmbH und Kommanditistin der MVA ist, beantragte am 28.07.2010 beim Beklagten die Errichtung einer Biogasanlage auf dem im Eigentum der Agrar {GmbH stehenden Flurstück 64/140 der Flur A {der Gemarkung (H.). Das für die Biogasanlage vorgesehene Gelände liegt etwa 240 bis 340 m südlich des Grundstücks der Klägerin. Die Biogasanlage und die Rinderanlage werden durch den von Norden nach Süden verlaufenden, vom Hauptzug abzweigenden Nebenzug der Weinberg{}straße getrennt. Mit Bewilligung vom 16.06.2011 wurde für dieses Grundstück zu Gunsten der MVA{am 05.07.2011 eine Dienstbarkeit für das Unterhalten und Betreiben einer Biogas- und Siloanlage inklusive eines Blockheizkraftwerks (BHKW) eingetragen.
- 5
Die Biogasanlage umfasst nach der Baubeschreibung nebst Anlagen einen Fermenter mit einer gasdichten Abdeckung mit einem Nettovolumen von 3.385 m³, ein nicht abgedecktes, mit einer Schwimmschicht als Abschluss versehenes Gärrest-Endlager mit einem Nettovolumen von 4.731 m³, einen Annahmebehälter (Rindergülle) mit einer geruchsdichten Abdeckung mit einem Nettovolumen von 768 m³, einen BHKW-Container mit 370 kW elektrischer Leistung, ein Pumpen- und Technikgebäude, drei Fahrsiloanlagen mit jeweils zwei Kammern, einen Triolet-Bunker mit einem Fassungsvermögen von 60 m³, eine Futterhalle sowie ein Trafogebäude. Ferner sollen eine befestigte Zuwegung, eine Regenwasserentwässerung durch Versickerung sowie ein Silosickersaftschacht mit Überlauf in das Gärrestendlager hergestellt werden.
- 6
Nach der Betriebs- und Verfahrensbeschreibung sollen in der Biogasanlage 15.000 t Rindergülle, 3.000 t Maissilage, 2.000 t Grassilage, 1.000 t Ganzpflanzsilage, 500 t Hühnermist und 500 t Rindermist vergoren werden. Weiter heißt es, die Energiepflanzen, vor allem Mais, Roggen oder Hirse, würden auf den Feldern der näheren Umgebung der Biogasanlage angebaut. Von der benachbarten Tierzuchtanlage der MVA (H.) GmbH werde noch zusätzlich Frischgülle über unterirdische Rohrleitungssysteme in den Fermenter eingeleitet. In dem neu zu errichtenden ersten Gärrest-Endlagerbehälter (G 1) mit einem Freibord von 0,2 m bilde sich als Abschluss der Gärreste auf der Oberfläche eine Schwimmschicht durch die eingebrachten Pflanzenfasern. Der zweite und der dritte Gärrestebehälter (G 2 und G 3) mit einem Volumen von insgesamt 5.200 m³ seien auf dem Grundstück der MVA vorhanden. Das entstandene und gereinigte Biogas werde in einem zur Biogasanlage gehörenden Blockheizkraftwerk in einem Gas-Otto-Motor verbrannt.
- 7
Die Beigeladene legte eine Immissionsprognose der (I.) GmbH zur geplanten Errichtung der Biogasanlage vom 07.10.2010 vor, nach der erhebliche Geruchsbelästigungen durch die geplante Anlage auszuschließen seien. Die prognostizierte Zusatzbelastung an Geruchsstoffimmissionen sei an allen maßgeblichen Immissionsorten irrelevant, so dass eine Ermittlung der Vorbelastung und Gesamtbelastung entfallen könne.
- 8
Die Beigeladene legte ferner eine Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros für Lärmschutz (F.) vom 07.09.2010 vor. Darin geht der Gutachter im Ergebnis davon aus, dass von der Anlage der Beigeladenen unter folgenden Bedingungen keine Gefährdungen, erhebliche Benachteiligungen oder erhebliche Belästigungen durch Geräusche der Anlage in der Nachbarschaft verursacht werden:
- 9
1. In 10 m Abstand vom BHKW-Container dürfe ein Schalldruckpegel von LAeq = 65 dB (A) nicht überschritten werden (einschl. Schallaustrag aus den Zu- und Abluftöffnungen sowie einschl. Notkühler und Gemischkühler).
- 10
2. Der Schalldruckpegel der Abgasmündung des BHKW dürfe einen Wert von LWA = 60 dB (A) nicht überschreiten, d.h. in einem seitlichen Abstand von der Mitte der Mündung dürfe ein Schalldruckpegel von LAeq = 72 dB (A) nicht überschritten werden. Es müsse eine zusätzliche selektive Dämpfung der 80-Hz-Spektralkomponente mit einem (zusätzlichen) Resonanz-Schalldämpfer in der Abgasanlage erfolgen. Der zusätzliche Dämpfer müsse so ausgelegt sein, dass ein linearer Schalleistungspegel an der Abgasmündung von LW,Terz,80Hz,lin = 80 dB (A) für die Terz f = 80 Hz mit den maßgeblichen tieffrequenten Energieanteilen nicht überschritten werde.
- 11
3. Der Schalleistungspegel des Feststoffdosierers dürfe einen Wert von LWA = 95 dB (A) nicht überschreiten.
- 12
4. Fahrverkehr durch LKW, Traktoren und Radlader im Zusammenhang mit dem Betrieb der Biogasanlage sei im Nachtzeitraum (22 bis 6 Uhr) auszuschließen.
- 13
Mit Bescheid vom 15.04.2011 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die Baugenehmigung zur Errichtung der Biogasanlage. In den beigefügten Nebenbestimmungen Nr. 8.2 bis 8.5 übernahm der Beklagte die vom Lärmgutachter in seiner Schallimmissionsprognose aufgestellten Forderungen. Nach der Nebenbestimmung Nr. 8.6 ist für die im Einwirkungsbereich der Biogasanlage liegende Wohnbebauung unter Berücksichtigung der Vorbelastung der Immissionswert (Gesamtbelastung) für die Wahrnehmungshäufigkeit der Gerüche an der Erkennungsschwelle (1 GE/m³) von 0,10 (entspricht 10 % der Jahresstunden) entsprechend der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) einzuhalten. Die Nebenbestimmung Nr. 8.10 bestimmte ferner, dass das Gärrestlager nach dem Entwurf der VDI-Richtlinie 3475 Blatt 4, der den gegenwärtigen Stand der Technik repräsentiere, mit einer gasdichten Abdeckung zu versehen ist.
- 14
Mit Änderungsbescheid vom 15.09.2011 nahm der Beklagte die Nebenbestimmung Nr. 8.10 zurück und gab zur Begründung an, die Biogasanlage sei ohne Abdeckung beantragt worden. Der Antrag enthalte als geruchsmindernde Maßnahme eine sich an der Oberfläche des Endlagers bildende Schwimmschicht, die antragsgemäß zu realisieren sei. Von der Anwendung der VDI-Richtlinie 3475 Blatt 4 werde in diesem speziellen Einzelfall abgewichen, da in der geplanten Anlage weitaus überwiegend Gülle vergoren werde. Bei diesen Verfahren würden weniger Restmethanmengen emittiert als in landwirtschaftlichen Betrieben, die Gülle in nicht gasdichten Behältern lagern und die Gülle unvergoren ausbringen. Der Weißdruck der VDI-Richtlinie 3475 sei nicht zwingend anzuwenden.
- 15
Am 24.11.2011 nahm die Beigeladene die Biogasanlage erstmalig in Betrieb. Den von der Klägerin am 12.05.2011 erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2012 zurück.
- 16
Die Klägerin hat am 09.02.2012 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Biogasanlage, die die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB für eine Privilegierung im Außenbereich nicht erfülle, sei immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig. Sie sei eine Nebeneinrichtung zur bestehenden Milchviehanlage, die als Tierhaltungsanlage nach Nr. 7.1 Anlage 1 der 4. BImSchV der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG unterfalle. Die Anlage sei zudem als Anlage zur Lagerung von brennbaren Gasen (ab 3 t) nach der 4. BImSchV, Anhang, Nr. 9.1 b, Spalte 2, genehmigungspflichtig. Der Beklagte habe das Rechtsproblem zunächst übersehen, sei dann aber im Widerspruchsverfahren darauf aufmerksam gemacht worden. Daraufhin habe er verfügt, dass das Gärrestendlager nicht der gasdichten Abdeckung bedürfe, so dass es für die Berechnung der Gasmenge außer Betracht bleibe. Damit entspreche die Anlage aber nicht (mehr) dem Stand der Technik nach § 22 BImSchG, obwohl die Ergebnisse aller Stellungnahmen und Prognosen gerade dies voraussetzten. Wegen der Vergrößerung des Wirkungsspektrums der Basisanlage (MVA) und der Erweiterung des zu betrachtenden Wirkraumes sei auch eine standortbezogene Vorprüfung im Sinne des UVPG nach Anlage 1 Nr. 7.5.2 und 8.4.2 UVPG erforderlich, deren Ergebnis öffentlich bekannt zu geben sei. Zudem finde die Störfallverordnung (12. BImSchV) Anwendung, weil die Biogasmenge der Anlage 16,9 t erreiche und damit die Mengenschwelle von 10 t klar überschreite. Die Anlage unterfalle damit bei der erforderlichen gasdichten Abdeckung des Gärrestbehälters zumindest den Grundpflichten der Störfallverordnung hinsichtlich des zu berücksichtigenden Standes der Technik.
- 17
Mit Blick auf das offene Gärresteendlager werde der bei Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen erforderliche Sicherheitsabstand nach Nr. 5.4.8.6. der TA Luft von 500 m nicht eingehalten. Selbst bei einer geschlossenen Anlage werde der einzuhaltende Abstand von 300 m noch deutlich unterschritten. Hinzu komme, dass das Geländeprofil ein Gefälle hin zur Wohnsiedlung Weinberg{WW}straße aufweise, so dass die geplante Bebauung am Hügelkamm im Störfall verstärkte Auswirkungen zeitige. Es sei in diesem Zusammenhang in keinem Fall bei dem einzuhaltenden Abstand berücksichtigt worden, dass Biogas als hochentzündlicher Stoff einzustufen und damit als Stoff nach Nr. 8 des Anhangs I der Störfallverordnung anzunehmen sei. Der Beklagte habe bei der Genehmigung zudem das Auftreten von Schwefelwasserstoff vernachlässigt. Bei einer Konzentration von mehr als 200 ppm sei Biogas gesundheitsschädlich. Da nach den Bauvorlagen eine Mengenschwelle von 5.000 kg überschritten werde, sei nach dem Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit ein Abstand von 800 m einzuhalten.
- 18
Angesichts der geringen Entfernung zur Wohnbebauung werde sie in ihrer Lebensqualität deutlich durch Geruchsbelästigung, Verbreitung von Ungeziefer, Ausbreitung toxischer Stoffe sowie Lärm und Zulieferverkehr erheblich beeinträchtigt. Die von der Beigeladenen vorgelegte Geruchsimmissionsprognose vom 07.10.2010 gehe von falschen Ansätzen aus. Die Schallimmissionsprognose vom 07.09.2010 unterstelle zu Unrecht, dass sich ihr Wohngrundstück in einem allgemeinen Wohngebiet befinde; es liege vielmehr in einem reinen Wohngebiet mit der Folge, dass unter Berücksichtigung der Lärmvorbelastung nachts ein Wert von 29 dB (A) einzuhalten sei. Dieser Wert werde indessen deutlich überschritten. Das Gutachten berücksichtige zudem verschiedene Emissionsquellen wie Pumpen, Rührwerke, Tauchmotoren und Gasverdichter nicht. Die in der Nebenbestimmung Nr. 8.3 geforderten und angegebenen Werte für den Schallleistungspegel der Abgasmündung des Blockheizkraftwerks würden laut Datenblatt für den angegebenen BHKW-Typ trotz vorhandener Schalldämpfung nicht erreicht. Da der als Referenz angegebene BHKW-Container mit dem Gas-Otto-Motor vom Typ MB 3042 L4 sich nicht mehr im Angebot der Lieferfirma befinde, so dass ein anderes Modell angeliefert worden sei, besitze die vorgelegte Prognose keine Aussagekraft mehr. Schließlich solle der Anlieferverkehr nach der Baubeschreibung über die Pappelallee (heute "An den Pappeln") erfolgen. Es handele sich hierbei aber um einen landwirtschaftlichen Weg, der zu DDR-Zeiten von der damaligen LPG errichtet worden und für den Begegnungsverkehr nicht ausgelegt sei. Es sei deshalb zu erwarten, dass eine Umfahrung über die Weinbergstraße auch nach den Bauvorlagen durchaus als Option in Betracht gezogen werde. In der Immissionsprognose werde diese Variante in ihren Auswirkungen jedoch nicht geprüft.
- 19
Die Klägerin hat beantragt,
- 20
die Baugenehmigung des Beklagten vom 15.04.2011 sowie deren Änderungs- und Ergänzungsbescheide vom 24.05., 29.07. und 15.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 10.01.2012 aufzuheben.
- 21
Der Beklagte hat beantragt,
- 22
die Klage abzuweisen
- 23
und vorgetragen: Das nach Baurecht zu beurteilende Vorhaben verletze keine nachbarschützenden Vorschriften. Das BHKW habe eine elektrische Leistung von 370 kW und eine Feuerungswärmeleistung von 995 kW. Die Gaslagerkapazität sei kleiner als 3 t. Die Mengenschwellen der Nr. 9.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV würden nicht überschritten. Die streitige Biogasanlage sei keine Nebenanlage zur benachbarten Rinderanlage. Diese würden von unterschiedlichen Betreibern geführt. Feste Abstandsregeln für die Verträglichkeit von Biogasanlagen zur benachbarten Wohnbebauung existierten derzeit in Sachsen-Anhalt nicht. Auch die Abstandsregelungen der Störfallverordnung seien für die Bemessung des notwendigen Abstandes nicht anwendbar. Der Verkehr zu der Anlage erfolge nicht über die Weinbergstraße sondern über die Pappelallee. Beschwerden wegen Geruchs- und Lärmbelästigungen seien seit der Inbetriebnahme der Biogasanlage bei ihm nicht eingelegt worden. Eine gasdichte Abdichtung sei erst verbindlich seit der ergangenen Rundverfügung des Landesverwaltungsamts vom 29.02.2012. Zuvor sei die Forderung nach einer gasdichten Abdeckung eine unverhältnismäßige Härte für die Beigeladene gewesen, weil die gesamte Anlage ohne gasdichte Abdeckung statisch geplant gewesen sei. Die Biogasanlage unterliege auch nicht der Störfallverordnung.
- 24
Die Beigeladene hat beantragt,
- 25
die Klage abzuweisen
- 26
und u.a. Folgendes erwidert: Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides habe das Vorhaben nicht der Pflicht zur standortbezogenen Vorprüfung unterlegen. Insbesondere liege das Fassungsvermögen der Gaslageranlage unter 3 t, und die Biogasanlage stelle kein Vorhaben der Tierhaltung im Sinne von Nr. 7.5.2 der Anlage 1 zum UVPG dar. Es handele sich bei dem Vorhaben auch nicht um eine Anlage zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen, denn das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), das Gülle nunmehr als Abfall betrachte, sei im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung und des Widerspruchsbescheides noch nicht in Kraft gewesen. Es könne an sich auch offen bleiben, ob das Vorhaben nach dem Immissionsschutzrecht genehmigungspflichtig gewesen wäre. Aus einem solchen Verfahrensverstoß könne die Klägerin keine Rechte für sich herleiten. Im Übrigen sei das Vorhaben nicht nach Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftig. Es sei insbesondere keine Nebenanlage zu der benachbarten Milchviehanlage. Das Vorhaben verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Den befürchteten Lärm- und Geruchsbelästigungen habe der Beklagte durch entsprechende Auflagen zur Begrenzung der Lärmrichtwerte und der Geruchsschwellenüberschreitung Rechnung getragen. Die Klägerin könne in diesem Zusammenhang lediglich die Richtwerte für ein Wohn-/Mischgebiet beanspruchen. Die Störfallverordnung sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht anwendbar und enthalte auch keine spezifische Abstandsregelung. Auf die Abstandsregelung nach Nr. 5.4.8.6 TA Luft könne sich die Klägerin nicht berufen, weil es sich im Zeitpunkt der Genehmigung und der Widerspruchsentscheidung nicht um eine Anlage zur Vergärung von Bioabfällen gehandelt habe.
- 27
Mit dem angefochtenen Urteil vom 29.04.2013 hat das Verwaltungsgericht die Baugenehmigung vom 15.04.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.05.2011, 29.07.2011 und 15.09.2011 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt:
- 28
Die Baugenehmigung sei - objektiv-rechtlich - schon deshalb rechtswidrig, weil die unzuständige untere Bauordnungsbehörde anstelle der sachlich für das Immissionsschutzrecht zuständigen Behörde gehandelt habe. Dabei könne offen bleiben, ob die Anlage nach Anhang Nr. 8.6 und 9.1 Buchstabe b) Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV wegen Überschreitung der Mengenschwellen oder nach Nr. 9.36 Spalte 2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV genehmigungspflichtig sei, weil es unter Berücksichtigung der über Rohrleitungen genutzten Güllebehälter der MVA ein Fassungsvermögen von insgesamt 6.500 m³ überschreite. Jedenfalls sei nicht nur die nach Immissionsschutzrecht beantragte und genehmigte Erweiterung der Milchviehanlage nach Nr. 7.1 des Anhangs 1 der 4. BImSchV genehmigungspflichtig; vielmehr sei auch die begehrte Genehmigung der Errichtung der Biogasanlage als deren Nebeneinrichtung nach Immissionsschutzrecht zu beurteilen. Die Voraussetzungen der Genehmigungspflicht nach § 16 Abs. 1 BImSchG seien erfüllt. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit der benachbarten Milchviehanlage folge aus § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV. Zum genehmigungsbedürftigen Anlagenbereich gehörten außer dem Kernbestand gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV auch bestimmte Nebeneinrichtungen. Darunter falle die streitige Biogasanlage.
- 29
Zwar könne allein die Wahl des falschen Genehmigungsverfahrens der Klage noch nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Klägerin als Nachbarin lediglich Eingriffe in ihre Rechtsposition abwehren könne und Drittschutz nur solche Vorschriften des öffentlichen Baurechts oder des Immissionsschutzrechts vermitteln könnten, die nach ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt auch der Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Dritten dienen. Die Klägerin könne sich aber auf § 10 Abs. 2 bis 4, 6, 8 und 9 BImSchG berufen, der Drittbetroffenen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren einen „vorgezogenen Rechtsschutz“ einräume, indem er eine Beteiligung von Dritten am Verwaltungsverfahren vorsehe. Diesen Verfahrensvorschriften werde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Drittschutz zuerkannt, soweit das Vorbringen des Drittbetroffenen ergebe, dass sich der von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine materiell-rechtliche Position ausgewirkt haben könnte. Dies wiederum lasse sich nur dann ausschließen, wenn die vom Dritten behauptete Beeinträchtigung seiner materiellen Rechtsgüter „offensichtlich und eindeutig unmöglich sei“. Diese Feststellung könne hier jedoch nicht getroffen werden.
- 30
Das Vorhaben dürfte zwar für die Klägerin keinen unzumutbaren Lärm hervorrufen. In der Baugenehmigung sei in der Nebenbestimmung Nr. 8.1 sinngemäß festgelegt, dass die Biogasanlage am Wohnhaus der Klägerin die Lärmrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB (A) tagsüber und 40 dB (A) nachts nicht überschreiten dürfe. Auch sei es grundsätzlich zulässig, den Lärmschutz in dieser Weise durch zielorientierte Festlegungen zu regeln, wobei allerdings gewährleistet sein müsse, dass die Richtwerte im regelmäßigen Betrieb auch eingehalten werden können. Daran bestünden nach Aktenlage keine durchgreifenden Zweifel. Die Rüge der Klägerin, sie befürchte, dass der Zu- und Abgangsverkehr entgegen der Baugenehmigung nicht über die ihrem Grundstück abgewandte, jedoch zur Erschließung untaugliche Straße "An den Pappeln", sondern über die angrenzende Weinberg{}straße abgewickelt werde, greife nicht durch, weil Streitgegenstand lediglich die Baugenehmigung, nicht aber eine möglicherweise abweichende Nutzung sei.
- 31
Die materiell-rechtliche Betroffenheit der Klägerin könne aber jedenfalls nach dem von ihr vorgelegten Immissionsprotokoll und den dort dokumentierten, von weiteren Anliegern bestätigten Geruchsbelästigungen nicht schlechthin ausgeschlossen werden. Die Beigeladene könne sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass die Klägerin durch die Nebenstimmung Nr. 8.6 ausreichend geschützt werde, wonach die Wahrnehmungshäufigkeit 10 % der Jahresstunden nicht überschreiten dürfe. Es sei nicht gewährleistet, dass dieser Richtwert im allgemeinen Betrieb auch eingehalten werden könne. Dem stehe die von der Beigeladenen eingeholte Immissionsprognose vom 07.10.2010 nicht entgegen. Zum einen handele es sich lediglich um eine bloße Prognose der Zusatzbelastung durch die streitige Anlage ohne Ermittlung der bestehenden Vorbelastung durch die Milchviehanlage. Zum anderen erschienen die rechnerischen Prognosen des Privatgutachtens jedenfalls zum Teil nicht belastbar.
- 32
Schließlich sei entgegen der Auffassung des Beklagten nach dem Weißdruck der VDI-Richtlinie 3475 Bl. 4 vom August 2010 beim Neubau von Biogasanlagen das Gärrestendlager zwingend mit einer gasdichten Abdeckung zu versehen. Der Gärrest müsse dabei mindestens 150 Tage abgedeckt bleiben, um unter anderem eine Restmethanbildung von unter 1 % zu gewährleisten. Von dieser Auflage könne nach dem Weißdruck nur dann abgesehen werden, wenn die Biogasanlage ausschließlich mit Gülle beschickt werde, da sich dann nachhaltig schützende Schwimmschichten bilden könnten. Das sei aber unstreitig nicht der Fall, da der Gülleanteil an der Inputmenge gerade nicht 100 % betrage. Damit werde die streitige Anlage entgegen § 5 Abs. 1 BImSchG nicht entsprechend dem Stand der Technik betrieben, obwohl dies von der im Verwaltungsverfahren eingeholten Immissionsprognose unterstellt werde, wie der Sachverständige (W.) in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage erklärt habe. Nach Nr. 2 der Geruchsimmissionsrichtlinie sei aber vor einer Immissionsbeurteilung grundsätzlich zu prüfen, ob die nach dem Stand der Technik gegebenen Möglichkeiten zur Verminderung der Emissionen ausgeschöpft seien.
- 33
Die vom Senat zugelassene Berufung hat der Beklagte wie folgt begründet: Selbst wenn die Biogasanlage als Nebeneinrichtung der Milchviehanlage zu beurteilen sei, unterfalle sie den verfahrensrechtlichen Bestimmungen über das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG, da auch keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen gewesen sei. Zum Genehmigungszeitpunkt seien Biogasanlagen noch nicht in das UVPG aufgenommen worden. Die Biogasanlage sei auch nicht als Nebeneinrichtung der Milchviehanlage nach dem UVPG genehmigungspflichtig. Maßgeblich sei die tatsächliche Einbeziehung in den auf die Hauptanlage bezogenen Funktionszusammenhang. Die Biogasanlage diene ausschließlich der Stromerzeugung, die Milchviehanlage der Tierhaltung. Zwar werde die Gülle der Milchviehanlage in die Biogasanlage eingebracht; energetisch betrachtet sei dies jedoch ein geringer Anteil, weil 86 % des Biogases von Maissilage, Grassilage und Graspflanzsilage erzeugt werde. Außer der Gülleverwertung bestehe kein gemeinsamer Funktionszusammenhang. Selbst die Betreiber seien unterschiedliche. Im Übrigen habe keine standortbezogene Vorprüfungspflicht für die Biogasanlage nach Nr. 7.5.2 der Anlage 1 zum UVPG bestanden. Diese Regelung betreffe eine Tierhaltungsanlage. Das UVPG enthalte keine Regelung, wonach zwei verschiedene Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen gemeinsam eingestuft werden müssten. Vielmehr sei jede Anlage für sich zu betrachten.
- 34
Der Beklagte beantragt,
- 35
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
- 36
Die Beigeladene beruft sich zur Begründung ihrer Berufung ebenfalls darauf, dass eine Betroffenheit drittschützender Normen nicht aus einer möglicherweise falschen Wahl des Genehmigungsverfahrens folge, insbesondere weil in einem unterstellten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht § 10 BImSchG, sondern § 19 BImSchG anzuwenden sei, diese Vorschrift aber keinen Drittschutz vermittle. Das Vorhaben habe auch keiner standortbezogenen Vorprüfung nach dem UVPG unterzogen werden müssen. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren.
- 37
Die Beigeladene beantragt,
- 38
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
- 39
Die Klägerin beantragt,
- 40
die Berufungen zurückzuweisen.
- 41
Zur Begründung wiederholt sie ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und führt ergänzend aus: Biogasanlagen seien nur unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert. Das Tatbestandsmerkmal "im Rahmen eines Betriebes" hätte erfordert, dass die Biogasanlage einem Basisbetrieb rechtlich-organisatorisch zugeordnet ist. Sofern der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes nicht zugleich Eigentümer der zu genehmigenden Anlage sei, sei die organisatorische Zuordnung nur dann noch hinreichend gewährleistet, wenn der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, an den die Biogasanlage anknüpfe, maßgeblichen Einfluss auf die Betreibergesellschaft der Biogasanlage habe. Diese notwendigen Voraussetzungen hätten hier nicht vorgelegen. Die fehlende Privilegierung der Biogasanlage müsse zumindest bei der Zumutbarkeit der von ihr hervorgerufenen Immissionen Berücksichtigung finden.
- 42
Soweit die von der Beigeladenen eingeholte Immissionsprognose vom 07.10.2010 die Ermittlung der Vorbelastung durch den Tierhaltungsbetrieb und der Berechnung der sich kumulativ ergebenden Gesamtbelastung für Ammoniakemissionen für entbehrlich halte, weil eine "intern durchgeführte Ausbreitungsrechnung" ergeben habe, dass der Irrelevanzwert der TA Luft von 3 µg/m³ für keinen maßgeblichen Immissionsort überschritten werde, beruhten die Berechnungen auf fehlerhaften Annahmen.
- 43
Die gesundheitsschädigende und giftige bzw. sehr giftige Wirkung von im Biogas enthaltenem Schwefelwasserstoff werde unterschätzt. Rechnerisch würde sich bei der Mengenschwelle (nach der Störfall-Verordnung) von 5.000 kg ein Volumen von 54,6 kg Schwefelwasserstoff ergeben, was - bezogen auf das gesamte Volumen der Anlage - einem Anteil von 3.227 ppm (parts per million) entspräche. Der Arbeitsplatzgrenzwert von Schwefelwasserstoff in Biogas betrage 5 ppm. Sie, die Klägerin, habe zahlreiche Untersuchungen zu diesem Problemkreis ausgewertet. Trotz Luftentschwefelung weise Biogas häufig Konzentrationen über 500 ppm auf. Insbesondere bei einstufigen Anlagen bzw. Gesamtverweilzeiten unter 100 Tagen träten besonders hohe Konzentrationen auf, so dass eine gasdichte Abdeckung des Gärrestbehälters unbedingt notwendig sei, um Ausgasungen, Geruchsbelästigungen und die Emission von klimaschädlichem Methan zu verhindern. Bei Mengen an Biogas, wie sie z.B. bei der Entleerung von gasdicht abgedeckten Gärrestebehältern und Fermentern anzutreffen sei, könne die gleiche absolute Menge an Schwefelwasserstoff entstehen wie im Falle eines Gehalts von 10.000 ppm und einer Mengenschwelle von 5.000 kg Biogas nach der Störfall-Verordnung. Dies gelte insbesondere bei einer Beschickung mit erheblichen Mengen Gülle, wie sie hier erfolge.
- 44
Die Durchführung eines immissionsschutzrechtlichen Verfahrens sei erforderlich gewesen. Als Nebeneinrichtung der gewerblichen Tierhaltungsanlage unterfalle die Biogasanlage der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG. Es hätte ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchgeführt werden müssen, weil die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend erforderlich gewesen sei. Die erforderliche standortbezogene Vorprüfung habe indes nicht stattgefunden. Es handele sich um eine Anlage zur Lagerung von brennbaren Gasen ab 3 t nach Nr. 9.1 Buchstabe b) Spalte 2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV. Die Beklagte und die Beigeladene gingen zu Unrecht davon aus, dass die Mengenschwelle von 3 t nicht erreicht werde, weil die Gärrestebehälter offen und nicht gasdicht abgedeckt seien. Dies entspreche nicht dem Stand der Technik nach der VDI-Richtlinie 3475 Blatt 4, der für die Berechnung der Lagerkapazität zugrunde gelegt werden müsse. Eine Umgehung des gebotenen Einbezugs habe der Beklagte nicht dadurch zulassen dürfen, dass er unter ausdrücklichem Verstoß gegen das Abdeckungsgebot die bereits zutreffend erteilte Auflage in der Baugenehmigung wieder zurückgenommen habe. Nur so werde dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ausreichend Rechnung getragen. Mit der Rücknahme habe ihr eine Berufung auf die Verletzung drittschützender Vorschriften unmöglich gemacht werden sollen. Zudem benötigten Anlagen zur Lagerung von Gülle ab einer Kapazität von 6.500 m³ einer standortbezogenen Vorprüfung. Auch diese Mengenschwelle sei überschritten.
- 45
Das Vorhaben der Beigeladenen führe auch zu unzumutbaren Lärmbelastungen. Die im Genehmigungsverfahren vorgelegte Schallimmissionsprognose unterstelle zu Unrecht, dass ihr Grundstück in einem allgemeinen Wohngebiet liege. Tatsächlich handele es sich bei der näheren Umgebung ihres Grundstücks um ein reines Wohngebiet, für das niedrigere Immissionsrichtwerte gelten, die deutlich überschritten seien. Zudem habe der Gutachter nicht sämtliche Emissionsquellen der Biogasanlage berücksichtigt. Auch könne die in der Nebenbestimmung Nr. 8.3 der Baugenehmigung geforderte Schalldämpfung nicht erreicht werden.
- 46
Das Vorhaben der Beigeladenen verstoße gegen die Störfall-Verordnung, der die Anlage unterfalle. Die für hochentzündliches Gas maßgebliche Mengenschwelle von 10.000 kg werde überschritten. Im Fermenter und dem Gärrestlager 1 einschließlich des Speichervolumens über den Behältern könnten maximal 13.000 m³ Biogas vorhanden sein, was bei der anzunehmenden Dichte des Biogases von 1,3 kg/m³ einer Menge von 16.900 kg entspreche. Auch insoweit sei von der nach dem Stand der Technik geforderten Abdeckung des Gärrestbehälters auszugehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH entfalteten selbst die Vorsorgegrundsätze in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82 zur Beherrschung von Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen nicht nur drittschützende Wirkung, sondern seien unmittelbar zu beachten.
- 47
Das Vorhaben der Beigeladenen verstoße auch deshalb gegen das Rücksichtnahmegebot, weil bei bestimmten Betriebszuständen bis zu 13.000 m³ hochentzündliches Gas und ca. 8.000 m³ Gülle in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung lagerten. Zudem träten Methan, Ammoniak und Schwefelwasserstoff aus der Anlage aus. Die Anwohner des Ortsteils (H.) seien ohnehin schon durch die Tierhaltungsanlage beeinträchtigt. Die Anlage habe zudem durch ihre exponierte Lage an der Hangkante eine optisch bedrängende Wirkung. Bekannt sei, dass auch Ungeziefer, Mücken und Insekten durch Biogasanlagen angelockt würden, aber eben auch in der näheren Umgebung zu Belästigungen führten. Vor allem aber handele es sich letztlich um die Erweiterung eines im Außenbereich nicht privilegierten gewerblich-industriellen Komplexes hin zu einem Baugebiet, das in seiner Anlage mit hoher Wohnqualität und besonderem Erholungswert ausgestattet worden sei. Dieses Ziel der Dorfentwicklung werde durch das Vorhaben der Beigeladenen empfindlich zum Nachteil der Anwohner gestört.
- 48
Der Senat hat zu der Frage, welchen Geruchsimmissionen das Grundstück der Klägerin durch die streitige Biogasanlage unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch die Milchviehanlage ausgesetzt ist, ein Sachverständigengutachten eingeholt.
- 49
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 50
I. Die zulässigen Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen sind begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung zu Unrecht aufgehoben.
- 51
1. Die Klage ist zwar zulässig. Insbesondere ist die Klägerin nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann geltend machen, durch die angefochtene Baugenehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Für die Bejahung der Klagebefugnis genügt es, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen möglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.01.1993 - BVerwG 4 B 206.92 -, NVwZ 1993, 884 [885], RdNr. 8 in juris). Daran fehlt es nur, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Klägerin verletzt sein können (BVerwG, Urt. v. 07.05.1986 - BVerwG 1 C 10.95 -, BVerwGE 101, 157 [159], RdNr. 22 in juris). Es ist indessen nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin als Miteigentümerin eines von der streitigen Anlage ca. 240 m entfernten Grundstücks durch die angegriffene Baugenehmigung in subjektiven Rechten verletzt wird, weil auch ihrem Schutz dienende Vorschriften, insbesondere das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verankerte nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme und ggf. die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, verletzt werden.
- 52
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt nicht gegen ihre Aufhebung rechtfertigende Verfahrensvorschriften und auch nicht gegen materielle öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind. Dabei ist für die Entscheidung über die Anfechtungsklage grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend; nachträgliche Änderungen zu Gunsten des Bauherrn sind allerdings zu berücksichtigten (BVerwG, Beschl. v. 23.04.1998 - BVerwG 4 B 40.98 -, NVwZ 1998, 1179, RdNr. 3 in juris, m.w.N.).
- 53
2.1. Die Klägerin kann die Aufhebung der angefochtenen Genehmigung nicht wegen eines Verfahrensmangels im Genehmigungsverfahren beanspruchen.
- 54
Einen Anspruch auf Rechtsschutz gegen eine baurechtliche Genehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Genehmigung objektiv rechtswidrig ist, also öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Vielmehr setzt die Gewährung von Rechtsschutz voraus, dass die Nachbarn durch den Verwaltungsakt zugleich in ihren Rechten verletzt sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat.
- 55
2.1.1. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich im Rahmen von Nachbarklagen aus § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten (UmwRG). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 verlangt werden, wenn
- 56
1. eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften
- 57
a) erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder
- 58
b) erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist,
- 59
2. eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 9 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder
- 60
3. ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der
- 61
a) nicht geheilt worden ist,
- 62
b) nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und
- 63
c) der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
- 64
Es handelt sich insoweit um eine Sonderregelung, die die Relevanz bestimmter Verfahrensverstöße gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht erweitert (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2011 - BVerwG 9 A 23.10 -, BVerwGE 141, 171 [174], RdNr. 17). Indem § 4 Abs. 3 UmwRG die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO für entsprechend anwendbar erklärt, bringt er zum Ausdruck, dass auch insoweit die in § 4 Abs. 1 UmwRG bezeichneten Fehler unabhängig von den sonst nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geltenden einschränkenden Maßgaben zur Begründetheit der Klage führen. Die Norm lässt den individualrechtsbezogenen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet und weitet durch Verzicht auf die sonst geltenden Einschränkungen der Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern lediglich - insofern § 47 VwGO ähnelnd - den gerichtlichen Umfang der Begründetheitsprüfung gegenüber der Prüfung der Klagebefugnis aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12.2011 - BVerwG 9 A 30.10 -, NVwZ 2012, 573 [575], RdNr. 22). Ein zur Aufhebung führender Verfahrensfehler liegt hiernach nicht vor.
- 65
2.1.1.1. Die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder -vorprüfung war nicht erforderlich.
- 66
a) Dies gilt insbesondere auch dann, wenn - wie die Klägerin geltend macht - die Biogasanlage als Nebeneinrichtung der benachbarten Milchviehanlage anzusehen sein sollte.
- 67
Gemäß § 3e Abs. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 11.08.2010 (BGBl I S. 105) - UVPG a.F. - besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn (1.) in der Anlage 1 für Vorhaben der Spalte 1 angegebene Größen- oder Leistungswerte durch die Änderung oder Erweiterung selbst erreicht oder überschritten werden oder (2.) eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Bei dem Vorhaben der Beigeladenen handelt es sich indes um keine Änderung eines Vorhabens im Sinne von § 3e Abs. 1 UVPG a.F., für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht. Ein Änderungsvorhaben unterfällt nicht der UVP-Vorprüfungspflicht nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG a.F., wenn für das Grundvorhaben lediglich eine standortbezogene Vorprüfung vorgesehen ist, es sei denn, für das vorprüfungsbedürftige Grundvorhaben ist eine Einzelfallprüfung mit positivem Ergebnis tatsächlich schon durchgeführt worden (vgl. Urt. d. Senats v. 10.10.2013 - 2 K 98/12 -, juris, RdNr. 310; Beschl. d. Senats v. 22.10.2015 - 2 M 13/15 -, juris, RdNr. 34; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3e RdNr. 8; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 3e UVPG, RdNr. 12). Nach diesen Grundsätzen unterfällt die Errichtung und der Betrieb der Biogasanlage nicht der Vorprüfungspflicht des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG a.F. Denn für die Rinderhaltungsanlage der MVA (H.) GmbH mit 782 genehmigten Kuhplätzen hätte nach Nr. 7.5.2 der Anlage 1 zum UVPG a.F. lediglich eine standortbezogene Vorprüfungspflicht im Einzelfall gemäß § 3c Satz 2 UVPG a.F. bestanden. Für sie wurde auch keine Einzelfallprüfung mit positivem Ergebnis durchgeführt.
- 68
Eine UVP-Vorprüfungspflicht des Vorhabens der Beigeladenen ergibt sich auch nicht aus § 3c Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 Satz 1 und 2 UVPG a.F. Danach ist, wenn der maßgebende Größen- oder Leistungswert durch die Änderung oder Erweiterung eines bestehenden bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens erstmals erreicht oder überschritten wird, für die Änderung oder Erweiterung eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des bestehenden, bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens durchzuführen. Bestehende Vorhaben sind auch kumulierende Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 Satz 1. Die Vorschriften betreffen die Fälle des "Hineinwachsens in Schwellenwerte" (vgl. Sangenstedt, a.a.O., § 3b RdNr. 42 ff.) durch ein Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben. § 3b Abs. 3 UVPG a.F. gilt zwar auch für die Fälle der nachträglichen Kumulation, wenn also ein neues Vorhaben im engen räumlichen Zusammenhang mit einem anderen Vorhaben durchgeführt werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06.2015 - BVerwG 4 C 4.14 -, BVerwGE 152, 219 [224 f.], RdNr. 16 ff.) Es muss sich aber - wie bei § 3b Abs. 2 UVPG a.F. - um ein Vorhaben derselben Art handeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06.2015, a.a.O., RdNr. 21). Nur dann ist ein Erreichen oder Überschreiten von Schwellenwerten durch ein Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben überhaupt möglich. Dies scheidet hier schon deshalb aus, weil sich die standortbezogene Vorprüfungspflicht einer Rinderhaltungsanlage nach der Zahl der Rinderplätze richtet, die durch das Vorhaben der Beigeladenen unberührt bleibt. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, die Tierhaltungsanlage habe eine Anlage zur Lagerung von Gülle umfasst, deren Fassungsvermögen durch das Vorhaben der Beigeladenen erweitert werde. Anlagen zur Lagerung von Gülle sind im Katalog der UVP-pflichtigen bzw.- vorprüfungspflichtigen Vorhaben des Anhangs zum UVPG a.F. nicht enthalten.
- 69
b) Für das Vorhaben der Beigeladenen bestand auch als eigenständige Anlage keine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung oder -vorprüfung nach § 3b Abs. 1 bzw. § 3c Satz 1 oder 2 UVPG a.F. i.V.m. der Anlage 1 zum UVPG a.F.
- 70
aa) Eine Biogasanlage der hier streitigen Art lässt sich keinem der Nr. 1.1 der Anlage 1 zum UVPG a.F. aufgeführten Vorhaben zuordnen. Diese Nummer betraf die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warmwasser, Prozesswärme oder erhitztem Abgas durch den Einsatz von Brennstoffen in einer Verbrennungseinrichtung (wie Kraftwerk, Heizkraftwerk, Heizwerk, Gasturbine, Verbrennungsmotoranlage, sonstige Feuerungsanlage), einschließlich des jeweils zugehörigen Dampfkessels, je nach Feuerungswärmeleistung. Da nach der Baubeschreibung (Bl. 128 Beiakte A) das BHKW nur 426 kW thermische Leistung hat, könnte nach der Feuerungswärmeleistung nur die Nr. 1.1.7 (100 kW bis weniger als 1 MW) Anwendung finden, die eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles nach § 3c Satz 2 UVPG a.F. vorsieht. Diese gilt aber nur beim Einsatz anderer als in den Nummern 1.1.3 bis 1.1.5 genannter fester oder flüssiger Brennstoffe, für gasförmige Brennstoffe gilt sie hingegen nicht.
- 71
bb) Die streitige Anlage war auch nicht von Nr. 8.4 der Anlage 1 zum UVPG a.F. erfasst. Diese Nummer betraf die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen, auf die die Vorschriften des KrW-/AbfG Anwendung finden, mit einer Durchsatzleistung von 50 t Einsatzstoffen oder mehr je Tag (Spalte 1) bzw. 10 t bis weniger als 50 t Einsatzstoffen je Tag (Spalte 2). Bei den in der Anlage der Beigeladenen zum Einsatz kommenden Stoffen (Rindergülle, Rinder- und Hühnermist, Gras-, Mais- und Ganzpflanzsilage) handelt es sich nicht um (nicht gefährliche) Abfälle, auf die die Vorschriften des - bis zum 31.05.2012 geltenden - KrW-/AbfG Anwendung fanden.
- 72
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a KrW-/AbfG galten die Vorschriften dieses Gesetzes nicht für die nach der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 03.10.2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl. EG Nr. L 273 S. 1) - im Folgenden: EG-TierNebVO - in der jeweils geltenden Fassung, nach den zu ihrer Durchführung ergangenen Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, nach dem Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz oder nach den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen abzuholenden, zu sammelnden, zu befördernden, zu lagernden, zu behandelnden, zu verarbeitenden, zu verwendenden, zu beseitigenden oder in den Verkehr zu bringenden tierischen Nebenprodukte. Gülle und Mist wurden damit dem Rechtsregime des KrW-/AbfG entzogen (vgl. VGH BW, Beschl. v. 12.04.2010 - 3 S 2786/09 -, juris, RdNr. 4, m.w.N.). Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a EG-TierNebVO wird Gülle als Material der Kategorie 2 eingestuft. Es kann als unverarbeiteter Rohstoff direkt in einer technischen Anlage, Biogas- oder Kompostieranlage verwendet oder auf Böden ausgebracht werden (Art. 5 Abs. 2 Buchst. e EG-TierNebVO).
- 73
Gras- und Maissilage stellen keinen Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 bis 4 KrW-/AbfG dar (vgl. VGH BW, Beschl. v. 12.04.2010, a.a.O., RdNr. 4). Es handelt sich um landwirtschaftliche Produkte, die aus nachwachsenden (Primär-)Rohstoffen haltbar gemacht werden und auch als (hochwertige) Futtermittel verwendet werden können. Silage, Gärfutter oder Silo ist ein durch Milchsäuregärung konserviertes hochwertiges Futtermittel für Nutztiere, vor allem für Wiederkäuer (insbesondere das Hausrind). Es werden aber auch nachwachsende Rohstoffe, die als Energiequelle in Biogasanlagen dienen, durch Silierung haltbar gemacht (vgl. wikipedia zu Silage). Primärrohstoffe sind kein Abfall (vgl. Fluck, KrW-/AbfG § 3 RdNr. 126; Breuer, in: Jarras/Petersen, KrW-/AbfG § 3 RdNr. 81), auch wenn sie neben Sekundärrohstoffen in einem Verfahren eingesetzt werden. Gleiches gilt für landwirtschaftliche Produkte, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, wie etwa Mais- oder Grassilage. Im nunmehr geltenden § 2 Abs. 2 Nr. 4 KrWG (vgl. zur neuen Ausnahmeregelung: BT-Drs. 17/6052, S. 69) werden nur solche anderen nicht gefährlichen landwirtschaftlichen Materialien genannt, die keine (nachwachsenden) Primärrohstoffe bzw. landwirtschaftlichen Produkte darstellen, wie etwa Stroh, Heu oder sonstige Pflanzenreste, wie Rübenblätter oder Gemüsestrünke.
- 74
cc) Die Biogasanlage fiel auch nicht in den Anwendungsbereich der Nr. 9.1.4 der Anlage 1 zum UVPG a.F. über die Errichtung und den Betrieb einer Anlage, die der Lagerung von brennbaren Gasen in Behältern oder von Erzeugnissen, die brennbare Gase z.B. als Treibmittel oder Brenngas in Behältern enthalten, dient, mit einem Fassungsvermögen von 3 t bis weniger als 30 t, soweit es sich um Behältnisse mit einem Volumen von jeweils mehr als 1.000 cm3 handelt.
- 75
Den Schwellenwert von 3 t erreicht der im Dach des Fermenters befindliche Gasspeicher nicht. Er hat nach der Baubeschreibung (Bl. 106 der Beiakte A) ein Volumen von 1.851 m³. Legt man das gesamte Volumen des Speichers zugrunde, ergibt sich bei der von der Beigeladenen angegebenen Dichte von 1,2 kg/m³ eine Menge von 2.221,2 kg Biogas. Geht man von einer höheren Dichte von 1,3 kg/m³ aus, wie sie für den Regelfall angenommen wird (vgl. die Erläuterungen zur Berechnung der vorhandenen Masse von hochentzündlichem Biogas in Biogasanlagen zur Prüfung der Anwendung der StörfallV, Internet. http://www.biogas.org/edcom/webfvb.nsf), ergibt sich eine Menge von 2.406,3 kg. Auch dieser Wert liegt noch deutlich unter dem Schwellenwert von 3 t, so dass auch bei Hinzurechnung von Gasmengen in den Rohrleitungen eine Überschreitung des Schwellenwerts ausgeschlossen werden kann. Deshalb bedarf keiner Vertiefung, ob entsprechend der in der Anlage 5.2 zum Bauantrag (Ermittlung der Lagerkapazität für Biogas, Beiakte A, B. 106) erfolgten Berechnung von einem deutlich geringeren anrechenbaren Gasvolumen (von nur 723 m³) und dem entsprechend von einem deutlich geringeren Gasgewicht (von nur 0,87 t) auszugehen ist (vgl. dazu die Ausführungen im Biogas-Handbuch von Monika Agatz vom Oktober 2014 im Abschnitt "Gaslagerung" / Ziffer 9.1", S. 13 f.; Internet: http://www.windenergie-handbuch.de/wp/wp-content/uploads/).
- 76
Für die Berechnung der Lagerkapazität der Biogasanlage muss das Volumen des Gasraums über dem Gärrestlager 1 schon deshalb außer Betracht bleiben, weil die Abdeckung dieses Lagers nicht Inhalt der Genehmigung ist, sondern nur ein nicht abgedecktes Gärrestlager genehmigt wurde. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass nach dem Stand der Technik (VDI-Richtlinie 3475, Blatt 4) Gärrestbehälter gasdicht abzudecken sind, so dass die Kapazität eines gasdicht abgedeckten Gärrestlagers zugrunde zu legen sei. Abzustellen ist allein auf die Genehmigungslage. Der Umstand, dass eine Anlage, so wie sie genehmigt ist, nicht dem Stand der Technik entspricht, hat allenfalls die objektive Rechtswidrigkeit der Genehmigung zur Folge. Allein deshalb kann die Klägerin aber nicht die Aufhebung der Baugenehmigung beanspruchen. Das Merkmal des Stands der Technik, wie es etwa in dem dem bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot verwandten § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG verstanden wird, berührt aus sich heraus keine Nachbarrechte (OVG NW, Beschl. v. 29.08.2012 - 2 B 940/12 -, NuR 2014, 659, RdNr. 11 in juris). Die drittschützende Wirkung des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG - und des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots - erschöpft sich darin, die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu bewahren, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Das heißt nicht, dass jede Beeinträchtigung, die sich nach dem Stand der Technik vermeiden lässt, unabhängig von ihrem Grad als schädlich zu qualifizieren ist und vom Betroffenen abgewehrt werden kann (BVerwG, Beschl. v. 25.08.1999 - BVerwG 4 B 55.99 -, BRS 62 Nr. 186, RdNr. 6; OVG NW, Beschl. v. 29.08.2012, a.a.O.). Die Klägerin vermag in diesem Zusammenhang nicht mit dem Einwand durchzudringen, mit der Rücknahme der Nebenbestimmung Nr. 8.10 zur Baugenehmigung nach Erhebung ihres Widerspruchs habe ihr eine Berufung auf die Verletzung drittschützender Vorschriften unmöglich gemacht werden sollen. Auch wenn der Beklagte diese Nebenbestimmung zurückgenommen haben sollte, um die Baugenehmigung verfahrensrechtlich zu "retten", ergibt sich allein hieraus kein Aufhebungsanspruch der Klägerin.
- 77
Im Übrigen dient die tatsächlich hergestellte Abdeckung über dem Gärrestlager 1 nicht der Lagerung von dort noch entstehendem weiterem Gas. Unter "Lagerung" wird allgemein die Aufbewahrung von Stoffen zwecks späterer Verwendung (oder Beseitigung) verstanden (vgl. OVG NW, Beschl. v. 26.10.2000 - 21 B 1468/00 -, NVwZ-RR 2001, 231; Jarass, BImSchG, 11. Aufl., § 3 RdNr. 76; Thiel, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II § 3 BImSchG RdNr. 93; Feldhaus, Immissionsschutzrecht, Bd. 2, Anhang Nr. 9 zur 4. BImSchV, RdNr. 27). Auch nach § 2 Abs. 6 Satz 1 GefahrstoffV (bzw. § 2 Abs. 5 Satz 1 GefahrstoffV a.F.) ist Lagern das "Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere". Die Abdeckung auf dem Gärrestlager 1 ist aber nur als emissionsmindernde Maßnahme konzipiert. Nach den Feststellungen des Sachverständigen beim Ortstermin ist der Gasraum über dem Gärrestlager 1 nicht in die Gasfassung eingebunden. Vielmehr wird das in diesem Lager noch entstehende Gas über eine Druckausgleichsöffnung nach außen abgeleitet.
- 78
2.1.1.2. Es war auch kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitbeteiligung nach § 10 BImSchG durchzuführen.
- 79
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der 4. BImSchV in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 01.07.2005 - 4. BImSchV a.F. - wird das Genehmigungsverfahren durchgeführt nach § 10 BImSchG für a) Anlagen, die in Spalte 1 des Anhangs genannt sind, b) Anlagen, die sich aus in Spalte 1 und in Spalte 2 des Anhangs genannten Anlagen zusammensetzen, und c) Anlagen, die in Spalte 2 des Anhangs genannt sind und zu deren Genehmigung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung ein Verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
- 80
a) Die Erforderlichkeit eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung ergab sich nicht daraus, dass die Biogasanlage möglicherweise als Nebeneinrichtung zur Rinderhaltungsanlage im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV a.F. einzustufen war mit der Folge, dass nur eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG hätte erteilt werden dürfen.
- 81
Die Frage, ob eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG oder im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG zu erteilen ist, bestimmt sich grundsätzlich danach, nach welchem Verfahren die zu ändernde Anlage zu genehmigen ist; dies richtete sich bis zum Inkrafttreten der Neufassung der 4. BImSchV vom 02.05.2013 (BGBl I S. 973) grundsätzlich danach, ob sie in Spalte 1 oder 2 des Anhangs zur 4. BImSchV in der bis zum 01.05.2013 geltenden Fassung aufgeführt war (vgl. Czajka, in Feldhaus, BImSchG, § 16 RdNr. 52; Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 16 BImSchG, RdNr. 142).
- 82
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vom 23.10.2007 (BGBl I S. 2470 [2473]) am 30.10.2007 und damit sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung am 28.07.2010 als auch im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 15.04.2011 waren Anlagen zur Haltung von Rindern in Nr. 7.1 des Anhangs zur 4. BImSchV a.F. nur noch in der Spalte 2 unter dem Buchstaben e) mit der Mengenschwelle „600 oder mehr Rinderplätze (ausgenommen Plätze für Mutterkuhhaltung mit mehr als sechs Monaten Weidehaltung im Kalenderjahr)“ aufgeführt. Gemäß Art. 3 Nr. 2 Buchstaben r) aa) ccc) dieses Änderungsgesetzes wurde Nr. 7.1 Spalte 1 im Buchstaben e) dergestalt geändert, dass die Angabe „350“ durch die Angabe „-“ ersetzt wurde (vgl. auch Ludwig, in: Feldhaus, 4. BImSchV, Anhang Nr. 7.1). Dies hatte zur Folge, dass solche Anlagen - auch schon vor Inkrafttreten der 4. BImSchV in der Fassung vom 02.05.2013 - den verfahrensrechtlichen Bestimmungen des BImSchG über das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG unterfielen, sofern nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 Buchstabe c) der 4. BImSchV a.F. eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen war. Letzteres war aber, wie bereits oben unter 2.1.1.1. dargestellt, nicht der Fall.
- 83
Da Rinderhaltungsanlagen nur in der Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV a.F. aufgeführt waren und sich die Biogasanlage - wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt - auch für sich genommen keinen der in der Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV a.F. genannten Vorhaben zuordnen ließ, ergab sich eine Genehmigungspflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung auch nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) der 4. BImSchV a.F.
- 84
b) Das Vorhaben der Beigeladenen unterfiel auch nicht als selbständige Anlage einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG.
- 85
aa) Sie erreicht nicht die Leistungsgrenze, ab der Anlagen zur Wärme- und Energieerzeugung nach Nr. 1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F. einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung - erst recht nicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung - bedurften.
- 86
Da das BHKW nach der Baubeschreibung (Bl. 128 Beiakte A) nur 426 kW thermische Leistung hat, ist eine Genehmigungspflicht nur nach Nr. 1.3 der Spalte 2 der Anlage 1 zur 4. BImSchV a.F. in Betracht zu ziehen. Diese Regelung betrifft Anlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warmwasser, Prozesswärme oder erhitztem Abgas durch den Einsatz anderer als in Nummer 1.2 genannter fester oder flüssiger Brennstoffe in einer Verbrennungseinrichtung (wie Kraftwerk, Heizkraftwerk, Heizwerk, Gasturbinenanlage, Verbrennungsmotoranlage, sonstige Feuerungsanlage), einschließlich zugehöriger Dampfkessel, mit einer Feuerungswärmeleistung von 100 Kilowatt bis weniger als 50 Megawatt. In der streitigen Anlage kommen jedoch keine festen oder flüssigen, sondern nur gasförmige Brennstoffe zum Einsatz. Da der Anlagentyp der Spalte 2 zugeordnet ist, ergäbe sich das Erfordernis eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG zudem gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c) des Anhangs zur 4. BImSchV a.F. nur, wenn eine UVP-Prüfung erforderlich gewesen wäre. Die war aber - wie oben bereits dargelegt - nicht der Fall.
- 87
bb) Die Biogasanlage unterfiel auch keinem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungstatbestand als Anlage zur Verwertung von Abfällen und sonstige Stoffen unter der Nr. 8 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F..
- 88
Einschlägig war insbesondere nicht Nr. 8.6 Buchstabe b) des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F. Diese Vorschrift betraf Anlagen zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen, auf die die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Anwendung fanden, mit einer Durchsatzleistung von 50 Tonnen Abfällen oder mehr je Tag (Spalte 1) bzw. mit einer Durchsatzleistung von 10 Tonnen bis weniger als 50 Tonnen Abfällen je Tag (Spalte 2). Wie oben bereits dargestellt handelt es sich bei den in der Biogasanlage zum Einsatz kommenden Stoffen nicht um (nicht gefährliche) Abfälle, auf die die Vorschriften des KrW-/AbfG Anwendung fanden.
- 89
cc) Das Vorhaben der Beigeladenen war auch nicht nach Nr. 9.1 Spalte 2 b) des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F. genehmigungspflichtig. Die Regelung betraf sonstige Anlagen zur Lagerung von brennbaren Gasen in Behältern mit einem Fassungsvermögen von 3 Tonnen bis weniger als 30 Tonnen. Diese Grenze erreicht die Anlage - wie oben bereits dargestellt - nicht. Da dieser Anlagetyp in Spalte 2 aufgeführt ist, hätte eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG im Übrigen nur dann bestanden, wenn eine UVP-Pflicht bestanden hätte. Dies war aber aus den schon dargelegten Gründen nicht der Fall.
- 90
dd) Das Vorhaben der Beigeladenen unterfiel schließlich nicht der Nr. 9.36 Spalte 2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F. Die Vorschrift betraf Anlagen zur Lagerung von Gülle mit einem Fassungsvermögen von 6.500 Kubikmetern oder mehr. Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, die Güllelager der Milchviehanlage hielten alleine eine Kapazität von 5.200 m³ vor und träten ergänzend neben dem Bruttovolumen des neuen Gärrestbehälters mit 4.487 m³ hinzu. In den Behältern soll künftig keine Gülle, sondern Gärrest gelagert werden. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht von Anlagen zur Lagerung von Gärresten wurde erst in Nr. 9.36 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV in der Fassung vom 02.05.2013 aufgenommen. Da dieser Anlagetyp in Spalte 2 aufgeführt ist, hätte eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG im Übrigen nur dann bestanden, wenn eine UVP-Pflicht bestanden hätte. Dies war aber - wie oben bereits dargelegt - nicht der Fall.
- 91
2.1.2. Die Klägerin kann die Aufhebung der Baugenehmigung nicht allein deshalb beanspruchen, weil statt der Baugenehmigung möglicherweise eine immissionsschutzrechtliche (Änderungs-)Genehmigung zu erteilen gewesen wäre. Eine fehlerhafte Auswahl des durchzuführenden Genehmigungsverfahrens - hier eines Baugenehmigungsverfahren anstatt eines von der Klägerin für erforderlich gehaltenen immissionsschutzrechtlichen (Ände- rungs-)Genehmigungsverfahrens - bewirkt aus sich heraus keinen Abwehranspruch der Klägerin. Der Vorbehalt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG, in dem die Öffentlichkeit nicht beteiligt werden muss, ist nicht drittschützend (BVerwG, Urt. v. 05.10.1990 - 7 C 55.89, 7 C 56/89 -, BVerwGE 85, 368 [372]; Urt. v. 20.08.2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352 [368 f.], RdNr. 41).
- 92
2.2. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt auch keine dem Schutz der Klägerin dienenden materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
- 93
2.2.1. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die streitige Biogasanlage im Außenbereich nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert sei, weil sie dem Basisbetrieb rechtlich-organisatorisch nicht zugeordnet sei und sich damit nicht "im Rahmen eines Betriebs" nach § 35 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 4 BauGB bewege. Der Vorschrift des § 35 BauGB kommt nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Norm zu (BVerwG, Beschl. v. 03.04.1995 - BVerwG 4 B 47.95 -, BRS 57 Nr. 224, m.w.N.). Die Frage, ob eine Biogasanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB im Außenbereich privilegiert ist, hat allein objektiv-rechtliche Bedeutung; bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Privilegierung scheidet eine subjektiv-rechtliche Verletzung von Nachbarrechten aus (vgl. OVG BBg, Beschl. v. 07.04.2016 - OVG 10 N 45.14 -, juris, RdNr. 8, m.w.N.).
- 94
2.2.2. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltene Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme. Sofern es sich bei der Biogasanlage - wie die Klägerin geltend macht - um eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage handeln sollte, verstößt das Vorhaben auch nicht gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.
- 95
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird. Für den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne dieser Regelung ist auf § 3 Abs. 1 BImSchG zurückzugreifen (Beschl. d. Senats v. 22.10.2015, a.a.O., RdNr. 7, m.w.N.). Immissionsschutzrecht und Bebauungsrecht stehen in einer Wechselwirkung zueinander; einerseits konkretisiert das BImSchG die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht; andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 - BVerwG 4 B 87.99 -, NVwZ 2000, 679, RdNr. 7 in juris). Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
- 96
Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Unter für die Nachbarschaft schädlichen Umwelteinwirkungen sind alle Immissionen im Sinne von § 3 BImSchG zu verstehen, die für die Nachbarn nach Art, Ausmaß und Dauer unzumutbar sind, darunter auch Luftverunreinigungen durch Staub und Geruchsstoffe sowie Geräusche (§ 3 Abs. 2 und 4 BImSchG). Was zumutbar ist, richtet sich u.a. nach der durch die bebauungsrechtliche Prägung und tatsächliche oder planerische Vorbelastungen bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Umgebung, wobei wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend sind (BVerwG, Urt. v. 30.04.1992 - BVerwG 7 C 25.91 -, BVerwGE 90, 163 [165 f.], RdNr. 11 in juris; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014 - 9 A 2030/12 -, juris, RdNr. 51, m.w.N.). Die Beantwortung der Zumutbarkeitsfrage verlangt eine einzelfallbezogene Interessenbewertung, wobei ein objektiver Maßstab anzuwenden ist und zur Konkretisierung immissionsschutzrechtlicher Grundanforderungen Verwaltungsvorschriften und technische Regelwerke heranzuziehen sind (HessVGH, Urt. v. 01.04.2014, a.a.O.).
- 97
2.2.2.1. Das Grundstück der Klägerin ist keinen schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen ausgesetzt.
- 98
In Bezug auf schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen werden durch die auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassene TA Luft sowohl die Grundpflichten des Anlagenbetreibers als auch die aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG folgenden Abwehrrechte Dritter konkretisiert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.03.1996 - BVerwG 7 B 164.95 -, NVwZ-RR 1996, 498 [499], RdNr. 16 in juris). Auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen hat die TA Luft Bedeutung. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Nach Nr. 1 der TA Luft sollen, soweit im Hinblick auf die Pflichten der Betreiber von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG zu beurteilen ist, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen vorliegen, die in Nummer 4 festgelegten Grundsätze zur Ermittlung und Maßstäbe zur Beurteilung von schädlichen Umwelteinwirkungen herangezogen werden.
- 99
Nach Abschnitt 1 der TA Luft wird allerdings der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen in dieser Verwaltungsvorschrift nicht geregelt, sondern nur die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen. Dementsprechend bedeutet der Umstand, dass in Abschnitt 5 der TA Luft vorgesehene Mindestabstände (etwa zu Tierhaltungsanlagen) nicht eingehalten werden, noch nicht, dass ein Betreiber seine Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht erfüllt; nur - umgekehrt - ist die Einhaltung des Mindestabstandes ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bzw. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB auftreten (vgl. Urt. d. Senats v. 24.03.2015 - 2 L 184/10 -, juris, RdNr. 93, m.w.N.). Zur Beurteilung der Frage, ob Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft zumutbar sind, bietet die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29.02.2008 mit einer Ergänzung vom 10.09.2008 eine sachgerechte Entscheidungshilfe. Technische Regelwerke erzeugen für die Behörden und Gerichte zwar keine Bindungswirkung, wenn der Gesetzgeber sie, wie das bei der GIRL der Fall ist, nicht in seinen Regelungswillen aufnimmt. Sie dürfen aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie im jeweiligen Bundesland umgesetzt sind (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2010 - BVerwG 4 B 29.10 -, BauR 2010, 2083 [2084], RdNr. 3 in juris, m.w.N.). Die Anwendung der GIRL gewährleistet eine - hinreichend verlässliche - Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen (vgl. Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O. RdNr. 95; Beschl. d. Senats v. 01.08.2011 - 2 M 84/11 -, NVwZ 2012, 119 [121], RdNr. 29 in juris, m.w.N.). Die GIRL wird allgemein als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten angesehen, welches auf fachwissenschaftlichen Untersuchungen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind. Die in ihr niedergelegten Erkenntnisse geben dem Prüfer ein Instrumentarium an die Hand, alle zur Beurteilung schädlicher Einwirkungen maßgeblichen Umstände wie Oberflächengestaltung, Hedonik, Vorbelastungen rechtlicher und tatsächlicher Art sowie Intensität der Geruchseinwirkungen zu beurteilen (vgl. HessVGH, Urt. v. 01.04.2014 a.a.O., RdNr. 53, m.w.N.). Berechnungen auf der Basis der GIRL stellen ein im Sinne einer konservativen Prognosesicherheit komfortables „worst-case-Szenario“ dar, und das gefundene Ergebnis liegt „auf der sicheren Seite“ (Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O, RdNr. 95; OVG RP, Beschl. v. 07.02.2014 - 1 B 11320/13 -, juris, RdNr. 20; BayVGH, Beschl. v. 15.11.2010 - 15 CS 10.2131 -, BauR 2013, 1816 [1817], RdNr. 15 in juris). Vor dem Hintergrund einer bisher fehlenden normativen Wirkung der GIRL ist die Frage der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen im gerichtlichen Verfahren allerdings auch anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten, wobei die GIRL einen wichtigen Orientierungspunkt darstellen kann. Bei dieser Einzelfallbeurteilung kommt es maßgeblich auf die Situation an, in die die Grundstücke gestellt sind, und ob prognostisch eine unzumutbare Geruchsimmission für die Nachbarschaft zu erwarten ist.
- 100
2.2.2.1.1. Das Grundstück der Klägerin ist durch den Betrieb der genehmigten Biogasanlage - gemessen an den Vorgaben der GIRL - insbesondere keiner erheblichen Belästigung durch Geruchsimmissionen ausgesetzt.
- 101
a) Nach Nr. 3.1 der GIRL sind Geruchsimmissionen in der Regel als erhebliche Belästigung zu werten, wenn die Gesamtbelastung IG (Nummer 4.6) die in Tabelle 1 angegebenen Immissionswerte (IW) überschreitet. Bei den Immissionswerten handelt es sich um relative Häufigkeiten der Geruchsstunden. Diese Häufigkeit beträgt nach der Tabelle 1 in Wohn- und Mischgebieten 0,10 sowie in Gewerbe-, Industrie- und Dorfgebieten 0,15 der Jahresstunden. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechtes den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen.Da der Außenbereich nach § 35 BauGB dazu dient, privilegierte Vorhaben wie etwa landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen, müssen allerdings Eigentümer von Wohnhäusern im Randgebiet zum Außenbereich mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen. Insofern ist ihre Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit gegenüber einer Wohnnutzung, die sich inmitten einer Ortslage befindet, deutlich herabgesetzt (Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O., RdNr. 96; vgl. auch OVG RP, Urt. v. 07.10.2009 - 1 A 10972/07 -, BauR 2010, 581 [584], RdNr. 84 in juris; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014, a.a.O., RdNr. 64 in juris). Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 21.12.2010 - BVerwG 7 B 4.10 -, NVwZ 2011, 433 [435], RdNr. 32 in juris), wonach bei städtebaulichen Konflikten in sog. Gemengelagen, also mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, im Rahmen (und zur Umsetzung) des Rücksichtnahmegebots auch bei Geruchsimmissionen eine Art Mittelwert (der Richtwerte der benachbarten Baugebiete) zu bilden ist, der der Sache nach nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte ist, sondern ein "Zwischenwert" für die Bestimmung der Zumutbarkeit. Dem entsprechend sehen auch die Begründung und die Anwendungshinweise zu Nr. 3.1 der GIRL vor, dass beim Übergang vom Außenbereich zur geschlossenen Wohnbebauung in Abhängigkeit vom Einzelfall Zwischenwerte bis maximal 0,15 (der Jahresstunden) zur Beurteilung herangezogen werden können. Die Begründung und die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL gehen im Abschnitt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich - Ortsüblichkeit“ zudem davon aus, dass aufgrund der historischen Entwicklung auch die Situation in den neuen Bundesländern besondere Anforderungen an die Berücksichtigung der Ortsüblichkeit stellen könne. So hätten in der damaligen DDR die ehemals prägenden Hofstellen innerhalb der Dörfer infolge der Kollektivierung der Landwirtschaft aufgegeben werden müssen. Sie seien durch große Einheiten ersetzt worden, die überwiegend in Ortsnähe, planungsrechtlich im Außenbereich, errichtet worden seien und dort seit Jahrzehnten betrieben würden. Dies habe dazu geführt, dass im Innenbereich der ehemaligen Dorfgebiete nur noch vereinzelt landwirtschaftliche Nutzungen vorzufinden seien, der jeweilige Siedlungsbereich jedoch durch die unmittelbare Nachbarschaft der Tierhaltungsanlagen geprägt werde. Für die im Einwirkungsbereich solcher Tierhaltungsanlagen gelegenen Grundstücksnutzungen könne deshalb die Zuordnung des Immissionswertes für Dorfgebiete gerechtfertigt sein. In begründeten Einzelfällen könne sogar noch über diesen Wert hinausgegangen werden.
- 102
Vor diesem Hintergrund hält es der Senat hier für gerechtfertigt, für das Grundstück der Klägerin den Immissionsrichtwert von 0,15 der Jahresstunden zugrunde zu legen. Denn das Grundstück befindet sich am Rand zum Außenbereich und ist zudem durch die Geruchsimmissionen der benachbarten, bereits zu DDR-Zeiten errichteten und über Jahrzehnte betriebenen Rinderhaltungsanlage erheblich vorbelastet.
- 103
Die Gesamtbelastung durch die Biogasanlage und die Rinderhaltungsanlage liegt indes nach dem Gutachten des vom Gericht beauftragten Sachverständigen vom 21.04.2016 in der Fassung der Ergänzung vom 13.09.2016 zwischen 10,4 % der Jahresstunden (Wetterdaten der Wetterstation Halle-Kröllwitz) und 14,7 % der Jahresstunden (Wetterdaten der Wetterstation Flughafen Leipzig/Halle) und unterschreitet damit den Wert von 15 % der Jahresstunden.
- 104
Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Vorbelastung könne nur dazu führen, dass sie nur landwirtschaftliche Gerüche über dem Wert von 10 % der Jahresstunden hinnehmen müsse, die Biogasanlage aber andersartige Gerüche verursache. Zum einen sind die Gerüche, die von der streitigen Biogasanlage ausgehen, mit Gerüchen aus der Landwirtschaft vergleichbar. Auch in der Landwirtschaft sind Gerüche durch die in der Biogasanlage der Beigeladenen zum Einsatz kommenden Inputstoffe Gülle, Mist und Silage typisch. Auch Gärreste werden in der Landwirtschaft auf den Feldern ausgebracht. Die Gerüche durch das BHKW haben dagegen - wie das eingeholte Gutachten belegt - nur einen verhältnismäßig geringen Anteil an der Gesamtbelastung. Zum anderen beträgt die Geruchsbelastung durch die streitige Biogasanlage für sich betrachtet nach dem Gutachten in der ergänzten Fassung vom 13.09.2016 zwischen 5,8 und 7,5 % der Jahresstunden und liegt damit für sich betrachtet unter dem Immissionsrichtwert der GIRL für Wohngebiete von 10 % der Jahresstunden.
- 105
b) Das eingeholte Sachverständigengutachten in seiner ergänzten Fassung vom 13.09.2016 lässt auch keine Fehler erkennen, die zu seiner Unverwertbarkeit führen.
- 106
aa) Dies gilt insbesondere für die Ermittlung der vom Gärrestlager 1 ausgehenden Geruchsemissionen.
- 107
Der Sachverständige hat bei seiner ursprünglichen Berechnung zwar zunächst die tatsächliche Bauausführung dieses Gärrestlagers zugrunde gelegt und ist dem entsprechend davon ausgegangen, dass aufgrund der Abdeckung mit Druckausgleichsöffnung von einer 90%-igen Minderung der Geruchsemissionen auszugehen sei. Für die Frage, ob die Baugenehmigung rechtswidrig ist und nachbarschützende Rechte verletzt, ist aber nicht die tatsächliche Bauausführung maßgeblich. Abzustellen ist vielmehr darauf, welchen Inhalt die Baugenehmigung hat. Nach den genehmigten Bauvorlagen, die den Inhalt der Baugenehmigung bestimmen, sollte das Gärrestlager ohne Abdeckung errichtet werden. Die der Baugenehmigung beigefügte Auflage Nr. 8.10, dass das Gärrestlager mit einer gasdichten Abdeckung zu versehen ist, nahm der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 15.09.2011 zurück.
- 108
Der Sachverständige hat jedoch auf Anforderung eine neue Ausbreitungsrechnung vorgenommen, die nunmehr davon ausgeht, dass das Gärrestlager 1 ohne Abdeckung betrieben wird (vgl. die ergänzende Stellungnahme/Berechnung vom 13.09.2016). Er hat dabei, um auf der "sicheren Seite" zu sein, den Konventionswert von 1,5 GE/(m²/s) zugrunde gelegt, der in der vom Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg erstellten Geruchsemissionsfaktorenliste mit Stand vom März 2015 (Internet: http://www.mlul.brandenburg.de/media_fast/4055/emissionsfaktoren.pdf) - nachfolgend: GE-Faktorenliste - aufgeführt ist, obwohl er diesen Wert nach seiner Einschätzung und seinen Erfahrungen für zu hoch hält.
- 109
Unbegründet ist der Einwand der Klägerin, es könne nicht auf diesen Konventionswert zurückgegriffen werden, weil er nur für Gärrestlager mit einer 10 cm starken Schwimmdecke auf Gärresten gelte. Nach der in den Bauvorlagen enthaltenen Verfahrensbeschreibung (Bl. 123 der Beiakte A) soll sich als Abschluss der Gärreste auf der Oberfläche des Endlagers eine Schwimmschicht bilden, die dadurch entsteht, dass in den Gärresten die durch die Inputstoffe in den Prozess eingebrachten Pflanzenfasern noch vorhanden sind. Die Befürchtung der Klägerin, dass die Bildung einer 10 cm starken Schwimmschicht aufgrund der täglichen Beschickung mit 60 t Input, des ständigen Aufrührens und der kurzen Verweildauer nicht gewährleistet sei, hat der Gutachter entkräftet. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.09.2016 hat er angegeben, aus Erfahrungen mit anderen Anlagen sei zu erwarten, dass sich bei der genehmigten Einsatzstoffzusammensetzung eine stabile Schwimmdecke mit deutlich mehr als 10 cm Stärke ausbilde, sofern das Gärrestlager nicht aufgerührt werde. Soweit sich die Schwimmdecke nicht mehr im Nahbereich des Zulaufs befinde, der bei offenen Behältern nahe dem Behälterboden liegen sollte, werde sie durch die quasikontinuierliche Zuführung von Gärsubstrat aus dem Fermenter nicht beschädigt, sondern angehoben. Erfahrungsgemäß rieche ausgefaulter Gärrest, der eine Schwimmdecke aus abgetrockneten Maisresten aufweise, fast gar nicht. In der weiteren Betrachtung werde kein zusätzlicher Ansatz für die Ausbringphasen gemacht, weil der Konventionswert bereits deutlich auf der sicheren Seite liege. Die Emissionen seien nicht aus theoretischen Betrachtungen zum Restgaspotenzial ableitbar. Dieses Potenzial könne nur genutzt werden, wenn die für die Lebensbedingungen für die am Biogasprozess beteiligten Mikroorganismen optimal sind. Da in offenen unisolierten Behältern die Temperatur näher an der Umgebungstemperatur (ca. 10° C) als an der optimalen Temperatur für die Mikroorganismen (ca. 40° C) liege, breche die eigentliche Biogasproduktion beim Übertritt in das offene Lager zusammen. Ferner würden gebildete Produkte nicht abgeführt, da die Behälter nicht gerührt würden; dies wirke sich ebenfalls hemmend aus. Im Übrigen sei die hier gegebene mittlere hydraulische Verweilzeit von rund 58 Tagen nicht als kurze Verweilzeit zu betrachten.
- 110
Auch der im Schriftsatz vom 20.09.2016 und in der mündlichen Verhandlung geäußerte Einwand der Klägerin, es seien nach der Verfahrensbeschreibung Rührvorgänge erforderlich, die die Bildung einer (ausreichenden) Schwimmschicht hindere, verfängt nicht. Nach der dem Bauantrag beigefügten Verfahrensbeschreibung (Bl. 124 der Beiakte A) sollen zwar mehrere Tauchmotorrührwerke im Endlager dafür sorgen, dass sich aus den Sink- und Schwebstoffen keine Ablagerungen im Endlager im Boden- und Wandbereich bilden, welche ein Abpumpen der Gärreste verhindern würden. Auch heißt es in den von der Klägerin zitierten "Empfehlungen für die Auswahl von Rührwerken für Gärbehälter und Gärrestlager" (Nr. IV - 10/2014 [2. Auflage]) des Biogasforums Bayern (Internet: http://www.biogas-forum-bayern.de/.../Empfehlungen) im Abschnitt "Basisinformation zur Rührtechnik für Gärbehälter und Gärrestlager", dass in den Gärbehältern und Gärrestlagern einer Biogasanlage das Rühren der Suspension zum Ausgleich von Temperatur- und Konzentrationsunterschieden im Gärgemisch, zur Vermischung von Feststoffen und Flüssigkeiten, zur Vermeidung der Bildung von Schwimm- und Sinkschichten, zur Verbesserung des Wärmeaustauschs an den Heizflächen und zur Erleichterung des Gasaustritts aus dem Gärgemisch erfolge. Dies bedeutet aber nicht, dass mit Rührvorgängen während der Lagerung der Gärreste die darüber befindliche Schwimmschicht regelmäßig beseitigt wird. In diesen Empfehlungen ist in Abschnitt 3.1 auch die Funktionsweise von Tauchmotorrührwerken u.a. wie folgt beschrieben:
- 111
"Der Rührflügel (Propeller) bildet mit dem Elektromotor eine Einheit, die komplett in das zu durchmischende Medium eintaucht. Daher muss das gesamte Rührwerksgehäuse druckwasserdicht und korrosionsfest ausgeführt (…) sein. Das Rühraggregat ist an einer vertikal angeordneten Führungsstange befestigt und kann an dieser mit Hilfe einer Seilwinde in der Höhe verstellt werden. Optional kann die Führungsstange mithilfe einer Kurbel nach rechts oder links geschwenkt und damit die Wirkrichtung des Rührwerks verändert werden. Manche Hersteller bieten auch die Möglichkeit an, das Rührwerk mithilfe eines Steckbolzens um 30 ° nach oben und unten zu schwenken…"
- 112
Dies bedeutet, dass der Einsatz eines Tauchmotorrührwerks nicht zwingend die Beseitigung der Schwimmschicht zur Folge hat, sondern auch unter der Schwimmschicht zum Einsatz kommen kann. Von einer Beseitigung der Schwimmschicht ist in der Verfahrensbeschreibung der Beigeladenen, die Inhalt der Baugenehmigung ist, nicht die Rede. In der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter zudem überzeugend dargelegt, dass die Schwimmschicht in Gärrestlagern nach seinen Erfahrungen und sinnvollerweise erst dann durch ein Aufrühren beseitigt wird, wenn die Gärreste nach der erforderlichen Verweilzeit ausgebracht werden sollen. Dann erst entstünden auch stärkere Gerüche. Die Gerüche in der Ausbringphase sind aber nach der Einschätzung des Gutachters durch den auf der "sicheren Seite" liegenden Konventionswert abgedeckt.
- 113
bb) Auch die Bewertung der Geruchsemissionen, die von den bereits vorhandenen, zuvor als Güllebehälter genutzten Gärrestlagern 2 und 3 ausgehen, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Auch bei diesen Lagern ist der Gutachter davon ausgegangen, dass eine ausreichende Schwimmschicht vorhanden ist. Dies entspricht den Feststellungen, die er im Rahmen der Ortsbesichtigung getroffen hat. Danach sei der Gärrestebehälter 2 zum Zeitpunkt des Ortstermins voll gewesen und habe eine dicke braune Schwimmdecke aufgewiesen. Der Gärrestebehälter 3 sei beim Ortstermin etwa zu einem Drittel bis zur Hälfte voll gewesen; die Schwimmdecke sei oberflächlich trocken und teilweise bewachsen gewesen. Im Bereich oberhalb der Substratzuführung sei die Schwimmdecke schwarz gewesen, was darauf hindeute, dass die Schwimmdecke in diesem Bereich zeitweilig beschädigt werde. Spezifische Gerüche seien im Umfeld der Lagerbehälter nicht feststellbar gewesen. Dies decke sich mit einer Messung an der Biogasanlage (S.), bei der unter anderem die offenen Gärrestlager untersucht worden seien. Dort habe sich bei geschlossener abgetrockneter Schwimmdecke kein anlagenspezifischer Geruch feststellen lassen. Da nicht auszuschließen sei, dass derartige Materialien nach Niederschlagsereignissen etwas riechen oder wie erkennbar sich gelegentlich ein begrenztes Leck in der Schwimmdecke bilde, werde im Jahresmittel von einer schwachen Emission ausgegangen, die durch einen Wert von 500 GE/(m² · h) abgeschätzt werde. Um die Bedingungen beim Aufrühren zu untersuchen, sei ein Behälter in (S.) gezielt aufgerührt worden. Bei der Messung durch eine Fahnenbegehung sei eine Geruchsschwellenentfernung von 75 bis 100 m ermittelt worden. Die Quellstärke des untersuchten 23-m-Behälters habe ca. 1 * 106 GE/h betragen. Dies entspreche einer spezifischen Quellstärke von 2.500 GE/(m² . h). Für die rechnerische Abschätzung habe er den Schätzwert für ruhendes Substrat für 9 Monate angesetzt und für die Ausbringmonate März, April und August den Messwert für den aufgerührten Behälter.
- 114
Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, der vom Sachverständigen angesetzte Wert von 500 GE/(m² · h) betrage nur ein Zehntel des in der GE-Faktorenliste angenommenen Werts von 1,5 GE/(m² · s) = 5.400 GE/(m² · h), der bereits vom Vorhandensein einer Schwimmschicht ausgehe. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.09.2016 sowie in der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter nochmals ausgeführt, dass beim Ortstermin im Umfeld der Gärrestlager 2 und 3 vor der Hintergrundbelastung durch die Tierhaltung keine spezifischen Gerüche wahrgenommen worden seien, was auch Erfahrungen mit anderen Biogasanlagen entspreche. Da in die nachgelagerten Behälter 2 und 3 kälteres Substrat aus dem Gärrestlager 1 gepumpt werde, seien dort auch theoretisch geringere Emissionen zu erwarten. Eventuell zeitweise höhere Emissionen aus der kleinen Teilfläche von ca. 1 bis 2 m² wirkten sich im Rahmen der Schätzgenauigkeit nicht aus. Aufgrund dieser speziellen, vom Gutachter vor Ort ermittelten Bedingungen an den Gärrestlagern 2 und 3 erscheint es plausibel, vom Konventionswert von 1,5 GE/(m . s) abzuweichen.
- 115
cc) Auch die Bewertung der Emissionen im Bereich der Rohstofflagerung in den Fahrsilos ist nicht zu beanstanden. Insoweit hat der Sachverständige für die Maissilage den in der Praxis allgemein üblichen Wert von 3 GE/(m² . s) zugrunde gelegt, obwohl die Mehrzahl der Messwerte eher bei 2,5 GE/(m² . s) liege. Er hat weiter ausgeführt, der von ihm gewählte Ansatz mit einem dreifach höheren Wert für zwei Stunden berücksichtige das Emissionsverhalten für die eigentliche Entnahme und die Anfangsphase der Abklingkurve tendenziell leicht überschätzend. Für die Grassilage hat er den allgemein gebräuchlichen Rechenwert der VDI-Richtlinie 3894 von 6 GE/(m² . s) und den dreifachen Wert von 18 GE/(m² . s) für zwei Stunden am Tag zugrunde gelegt. Nach den Feststellungen, die der Gutachter in dem von ihm durchgeführten Ortstermin getroffen hat (vgl. S. 16 des Gutachtens), waren zum Zeitpunkt des Ortstermins im hinteren Bereich der jeweiligen Kammer mit einer Höhe von jeweils 2,5 m drei Anschnitte vorhanden. Zur Berechnung der Geruchsemissionen für die Silagelagerung hat er eine Maissilage-Anschnittsfläche und eine Grassilage-Anschnittsfläche von jeweils 14 m Breite und 4 m Höhe (56 m²) zugrunde gelegt, die die mittleren Jahresbedingungen abdeckten.
- 116
Der Zugrundelegung von nur zwei Anschnittsflächen für Maissilage und Grassilage kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, im Zeitpunkt des Ortstermins seien nicht nur zwei, sondern drei Kammern belegt gewesen. Würde man die tatsächlich vorgefundenen drei Anschnittsflächen von jeweils 14 m x 2,5 m zugrunde legen, ergäbe sich eine Fläche von insgesamt 105 m². Die vom Gutachter unter "mittleren Jahresbedingungen" angenommene Gesamtfläche beträgt 112 m² und liegt damit geringfügig über der der Berechnung zugrunde gelegten Fläche.
- 117
Die Klägerin vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, bei der Bewertung der Geruchsemissionen durch die Mais- und Grassilage habe der Gutachter fehlerhaft den "Vorschub" nicht berücksichtigt, obwohl bei der Entnahme nicht glatt abgeschnitten werde, sondern die Folie über die Silage hinweg einige Meter zurückgeschlagen werde. Die Nebenbestimmung Nr. 8.8 der Baugenehmigung, die hier maßgeblich ist, schreibt vor, dass die Inputstoffe, die im Fahrsilo gelagert werden, abzudecken sind und die Anschnittsfläche möglichst klein zu halten ist. Dies erlaubt es der Beigeladenen nicht, außerhalb der Entnahmevorgänge die Abdeckfolie auf der in den Fahrsilos gelagerten Silage um mehrere Meter zurückschlagen. Nicht stichhaltig ist insoweit der im Schriftsatz vom 20.09.2016 und in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand der Klägerin, nach einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebenen Abschlussbericht "Repowering von Biogasanlagen - Maßnahmen zur Effizienzsteigerung für den vorhandenen Anlagenbestand" des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik vom 05.12.2015 (Internet: http://www.energetische-biomassenutzung.de/fileadmin/user_upload/) sei ein gewisser "Vorschub" erforderlich und entspreche daher auch gängiger Praxis. In diesem Bericht wird zunächst (S. 67 f.) darauf hingewiesen, dass eine sorgfältige Siloabdeckung unverzichtbar sei, um Lagerverluste zu minimieren. Mangelhafte/fehlende Abdeckung führe zu Lufteintritt, insbesondere an Rändern und Oberflächen. Folge seien Energieverluste durch Atmungsstoffwechsel aerober Mikroorganismen (Nacherwärmung), Nährstoffauswaschung, Verpilzung und Schimmelbildung. Auch der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es wichtig sei, durch eine Abdeckung der Silage das Eindringen von Luft so weit wie möglich zu verhindern. Im Bericht des Fraunhofer-Instituts heißt es im Abschnitt "Sinnvolle Entnahme" (S. 69) weiter, bei der Entnahme dringe Luft, d.h. Sauerstoff, in den Silostock ein und ermögliche die Vermehrung aerob lebender Hefen und Schimmelpilze, die während der Lagerung überdauert haben. Je tiefer der Lufteintritt, desto stärker seien Nacherwärmung und Schimmelbildung. Sie führten zu Energieverlusten und riefen biologische Prozessstörungen in der Biogasanlage hervor. Aus diesen Gründen sollte die Anschnittsfläche dem Silageverbrauch unbedingt so angepasst werden, dass ausreichend Vorschub (ca. 1 - 1,5 m/Tag im Winter, ca. 2 - 2,5 m/Tag im Sommer) bei möglichst kleiner Anschnittsfläche gegeben ist. Auch die richtige Entnahmetechnik (Blockschneider, Schneidschild) helfe den Lufteintritt ins Silo zu minimieren. Die Forderung nach einem "Vorschub" bedeutet damit gerade nicht, dass der an der Anschnittsfläche liegende (vordere) Teil der Silage außerhalb der Entnahmevorgänge oder gar längere Zeit unabgedeckt bleiben soll. Mit ausreichendem "Vorschub" ist in diesem Zusammenhang nur gemeint, dass von der Silage eine bestimmte Strecke pro Tag abgeschnitten werden sollte, um die Verluste durch Lufteintritt in die Silage zu minimieren.
- 118
Es begegnet auch keinen Bedenken, dass der Sachverständige einen allgemein üblichen 10%-igen Zuschlag deshalb nicht angesetzt hat, weil sich die Anlage im Zeitpunkt der Ortsbesichtigung in einem "vorbildlich sauberen Zustand" befunden hat, dieser Zustand aber möglicherweise nicht immer oder nur zeitweilig anzutreffen ist. Nach den Anmerkungen zur GE-Faktorenliste ist bei Biogasanlagen ein pauschaler Zuschlag in Höhe von 10 % der diffusen Emissionen (kontinuierlich und zeitlich gewichtet) für Verschmutzungen, Transport- und Umschlagvorgänge zu erheben (Sicherheitszuschlag). Nach den Feststellungen des Gutachters entstehen Emissionen dieser Art in der Anlage der Beigeladenen durch verhältnismäßig viel Silagesickersaft, den Umsatz von Hühnermist und Rinderfestmist und die Zwischenlagerung von Silage aus anderen Lagern. Dafür hat er stattdessen eine Ersatzquelle mit einem Geruchsstoffstrom von 0,40 . 106 GE/h angesetzt.
- 119
dd) Nicht durchschlagend ist die Rüge der Klägerin, die dem Feststoffdosierer zuzurechnenden Emissionen habe der Gutachter fehlerhaft berechnet, weil er von einer Oberfläche der Behälteröffnung von 25 m² ausgegangen sei, obwohl diese nach den Bauvorlagen 28 m² und nach der Immissionsprognose vom 07.10.2010 sogar 28,5 m² betrage. Nach der Anlage zur Baubeschreibung (Beiakte A, Bl. 110) hat der Trioletbunker eine Breite von 9,50 m und eine Breite von 2,98 m, so dass sich bei einem Rechteck eine Fläche von 28,31 m² ergäbe. Diese Angaben beziehen sich auf den Trioletbunker des Typs Solomix 3 - 6000 mit einem Inhalt von 60 m³ (vgl. Beiakte A, Bl. 188), der in der Anlage zur Baubeschreibung angegeben wurde. Da jedoch die Öffnung des Trioletbunkers eine ovale Form hat, ist deren Oberfläche geringer als die eines Rechtecks. Im Übrigen würde sich eine in diesem Rahmen zu klein angesetzte Oberfläche der Behälteröffnung nur marginal auf die Gesamtemissionen der Biogasanlage auswirken.
- 120
Die Klägerin macht ferner geltend, es sei - wie in der GE-Faktorenliste vorgesehen - eine Expositionsdauer von vier Stunden anzusetzen, weil allein zum Befüllen zwei Stunden angesetzt werden müssten und die Beförderung aus dem Dosierer in den Fermenter auch eine bestimmte Zeit in Anspruch nehme, während die Inputmenge bewegt werde. Dem Gutachten ist indes nicht zu entnehmen, dass der Sachverständige insoweit denselben zeitlichen Ansatz wie für die Entnahme der Silage aus den Kammern der Fahrsilos gewählt hat. Vielmehr ist er pauschal von einem konstanten Ansatz von 6 GE/(m² . s) ausgegangen.
- 121
ee) Die Klägerin rügt auch zu Unrecht, der Gutachter habe für das BHKW einen spezifischen Emissionsfaktor von 2.000 GE/m³ gewählt, obwohl die ursprüngliche Immissionsprognose vom 07.10.2010 - wie in der GE-Faktorenliste vorgesehen - einen Wert vom 3.000 GE/m³ zugrunde gelegt habe. Der Gutachter hat seinen Ansatz von 2.000 GE/m³ in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.09.2016 plausibel damit begründet, dass dieser den Randbedingungen möglichst nahe kommen solle. Der Ansatz von 3.000 GE/m³ im Prognosegutachten entspreche einer Empfehlung, die aus einer Messung an Motoren unterschiedlicher Baugröße hervorgegangen sei und wiederum eine konservative Abschätzung zur sicheren Seite von Prognosegutachten darstelle. Da der TÜV Nord hausintern Emissionen von 800 bis 1.500 GE/m³ an Motoren von 500 bis 800 kW bestimmt habe, liege der Ansatz von 2.000 GE/m³ noch auf der sicheren Seite. Zudem seien trotz der nicht den Anforderungen der TA Luft entsprechenden Ableitung auch von der Klägerin keine Wahrnehmungen von verbrennungs- bzw. schwimmbadähnlichen Gerüchen (NOx) angegeben worden, so dass davon auszugehen sei, dass der Motor - wie bei anderen dem Stand der Technik entsprechenden Anlagen - nicht zur Geruchsbelastung im Umfeld beitrage.
- 122
Im Übrigen würde sich bei einem Ansatz von 3.000 GE/m³ der Geruchsstoffstrom von 3,44 . 106 GE/h auf 5,16 . 106 GE/h, also um lediglich 1,72 . 106 GE/h und damit im Verhältnis zu der vom Gutachter ermittelten Gesamtbelastung von 15,04 . 106 GE/h durch die Biogasanlage und 44,9 . 106 GE/h durch die Milchviehanlage (zusammen 59,94 . 106 GE/h) nicht entscheidend erhöhen.
- 123
ff) Die Klägerin beanstandet auch ohne Erfolg, dass im Gutachten die Disposition von Schwefelwasserstoff nicht explizit angesprochen werde. Der Gutachter hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.09.2016 und in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt, dass sich die Geruchsemissionen erfahrungsgemäß nicht von Konzentrationen von Einzelkomponenten ableiten lassen, sondern bei der Messung von Gerüchen die erforderliche Verdünnung des Stoffgemischs olfaktometrisch ermittelt werde. Bei der Messung von purem Biogas werde in der Regel Schwefelwasserstoff als eine wesentliche Geruchskomponente wahrgenommen.
- 124
gg) Der Berechnung der Geruchsimmissionen liegen auch geeignete Wetterdaten zugrunde. Da es für den Standort der Anlage keine konkreten Wetterdaten gibt, hat der Gutachter die meteorologischen Daten der geografisch nächstgelegenen Wetterstation Halle-Kröllwitz und der vom DWD im südlichen Sachsen-Anhalt in der Regel empfohlenen Wetterstation Leipzig-Schkeuditz (Flughafen) herangezogen, die gewisse Unterschiede aufweisen, und alternative Ausbreitungsrechnungen durchgeführt. So weise die Windrichtungsverteilung bei der Wetterstation Leipzig deutlich mehr Südwinde auf, die gerade in vorliegenden Fall von Bedeutung sind. Andererseits weise diese Station weniger Schwachwinde auf als die Station Halle-Kröllwitz. Die mittlere Windgeschwindigkeit der meteorologischen Zeitreihe der Station Halle-Kröllwitz für das Jahr 2002 betrage nur 2,25 m/s und sei somit erheblich geringer als am Standort der Anlage zu erwarten. Die mittlere Windgeschwindigkeit der meteorologischen Zeitreihe der Station Leipzig-Schkeuditz für das Jahr 2006 betrage hingegen 4,3 m/s und sei deutlich höher als am Standort der Anlage zu erwarten. Es sei daher davon auszugehen, dass beide Datensätze die tatsächlich am Standort herrschenden Bedingungen nur in einer Näherung beschreiben. Dennoch ergäben sich bei den Berechnungen mit beiden Datensätzen keine gravierend abweichenden Ergebnisse. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die auf das Grundstück der Klägerin einwirkenden Geruchsimmissionen zwischen 10,4 und 14,7 % der Jahresstunden liegen. Beide Werte liegen, wie oben bereits ausgeführt, noch unterhalb des hier maßgeblichen Immissionswerts von 15 % der Jahresstunden.
- 125
2.2.2.1.2. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BImSchG für das Grundstück der Klägerin ergeben sich auch nicht durch Ammoniakimmissionen.
- 126
Soweit nach den Bestimmungen der TA Luft Grenzwerte für Ammoniak- und Stickstoffeinträge einzuhalten sind, dienen diese nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit, sondern dem Schutz empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme. Die TA Luft enthält in Nr. 4 Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Anforderungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit werden in Nr. 4.2. der TA Luft gestellt. In Nr. 4.2.1 der TA Luft sind zum Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit Immissionswerte für verschiedene luftverunreinigende Stoffe festgelegt, nicht aber für Ammoniak oder Stickstoff. Nach Nr. 4.4.2 Abs. 3 der TA Luft ist nach Nr. 4.8 zu prüfen, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist. Nr. 4.8 der TA Luft enthält Vorgaben bezüglich luftverunreinigender Stoffe, für die Immissionswerte in den Nummern 4.2 bis 4.5 nicht festgelegt sind. Nach Nr. 4.8 Abs. 5 Satz 1 der TA Luft ist bei der Prüfung, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist, Anhang 1 Abbildung 4 heranzuziehen. Liegen ferner Anhaltspunkte dafür vor, dass der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme (z.B. Heide, Moor, Wald) durch Stickstoffdeposition nicht gewährleistet ist, soll dies ergänzend geprüft werden (Nr. 4.8 Abs. 6 Satz 1 der TA Luft). Ergeben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme auf Grund der Einwirkung von Ammoniak, soll der Einzelfall geprüft werden (Nr. 4.8 Abs. 7 Satz 1 der TA Luft).
- 127
Dem entsprechend ist zu fragen, an welchen Stellen für gärtnerische, landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Betriebe unzumutbare Vermögenseinbußen durch Pflanzenschäden auftreten könnten und wo das Gemeinwohl beeinträchtigt werden könnte; fehlt es an derartigen Schutzgütern, sind weitere Prüfungen nicht erforderlich. Damit kann sich ein Nachbar allenfalls dann auf die Verletzung einer drittschützenden Regelung durch Ammoniak- oder Stickstoffimmissionen berufen, wenn er Eigentümer von in der Nähe der emittierenden Anlage liegenden Flächen mit empfindlichen Pflanzen oder Ökosystem (etwa Waldflächen) ist (vgl. zum Ganzen: Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O., RdNr. 130, m.w.N.). Dies trifft auf die Klägerin nicht zu. Nicht stichhaltig ist ihr Einwand, bereits im September/Oktober 2012 hätten sich die Nadeln des in ihrem Vorgarten vorhandenen 1 m hohen Juniperus (Wacholder), der aufgrund seiner Empfindlichkeit ein Schadstoffanzeiger sei, stellenweise gelb gefärbt. Die eventuelle Schädigung einer möglicherweise ammoniak- bzw. stickstoffempfindlichen Pflanze in einem Vorgarten begründet noch keine erheblichen Nachteile für die Nachbarschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG. Hier ist auch in Rechnung zu stellen, dass bereits vor Inbetriebnahme der Biogasanlage eine erhebliche Vorbelastung mit Ammoniak durch die bereits vorhandene Milchviehanlage bestanden hat.
- 128
2.2.2.1.3. Das Grundstück der Klägerin wird auch keinen schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Schwefelwasserstoff-Immissionen sowie mögliche Brände und Explosionen in der Biogasanlage ausgesetzt.
- 129
Die Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat im November 2014 eine Arbeitshilfe "Szenarienspezifische Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18" (KAS-32) erstellt und im November 2015 überarbeitet. Darin wird festgehalten, dass das Biogas neben den Hauptbestandteilen Methan und Kohlendioxid weitere Gase enthalte, von denen Schwefelwasserstoff aufgrund seiner Toxizität und den geringen Beurteilungswerten für störungsbedingte Immissionen relevant sei. Die Konzentration von Schwefelwasserstoff sei insbesondere vom eingesetzten Substrat abhängig, und dem entsprechend variierten die Literaturangaben im Bereich von 0,02 bis 2 Vol.-% Schwefelwasserstoff. Nach dem Leitfaden KAS 18 sei für die Bewertung von toxischen Gefährdungen der ERPG-2-Wert heranzuziehen. Für Schwefelwasserstoff betrage er 30 ppm. Darauf aufbauend wurde in der KAS-32 für die Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse ein "Achtungsabstand" formuliert. Seine Bemessung erfolgte auf der Basis einer angenommenen Freisetzung von Biogas durch das Versagen eines Foliensystems auf einem Fermenter oder Gärrestlagerbehälter. Aus dem Vorsorgegedanken heraus wurde eine nicht auszuschließende Biogaszusammensetzung von 75 Vol.-% Methan, 2 Vol.-% Schwefelwasserstoff und 23 Vol.-% Kohlendioxid angenommen. Das für die Bauleitplanung verwendete Szenario sollte ein Dennoch-Szenario sein, in dem ein größerer Massenstrom freigesetzt wird, als dies bei einem vernünftigerweise nicht auszuschließenden Szenario wie z.B. einer Flanschleckage oder dem Ansprechen einer Druckentlastungseinrichtung der Fall ist. Weiterhin sollte das Szenario nicht die Freisetzung der gesamten zusammenhängenden Masse innerhalb kurzer Zeit unterstellen, da solche Szenarien für die externe Notfallplanung verwendet werden. Bei heute üblichen größeren Behälterdurchmessern der Fermenter und Gärrestlager erschienen Risse in Foliensystemen in Längen von mehreren Metern plausibel. In einer Tabelle wurden für einige Leckflächen die berechneten Massenströme zusammengestellt. Hierbei wurden ein Betriebsüberdruck von 5 mbar und eine Temperatur von 20 °C vorausgesetzt. Im Leitfaden KAS 18 sei für die Ausflussziffer ein scharfkantiges Leck mit einem Wert von 0,62 angesetzt worden. Da keine Angaben über die Ausflussziffer bei einem Leck in einer Folie vorlagen, wurde konservativ ein Wert von 1 für die Berechnungen verwendet. Im Leitfaden KAS 18 wurde eine Freisetzungsdauer von 10 Minuten vorausgesetzt. Die Gasmengen im Fermenter und im Gärrückstandslager lägen typischerweise im Bereich von 3.000 kg bis 8.000 kg. Unter der Annahme, dass die Gesamtmenge eines Behälters innerhalb von 10 Minuten freigesetzt werde, ergäben sich damit Massenströme zwischen 5 kg/s bis 13 kg/s. Aus Schadensereignissen sei aber auch bekannt, dass sich die Folienabdeckung auch über größere Bereiche von den Behältern lösen könne, z.B. durch Versagen des Klemmschlauchs. Sofern bekannt sei, dass die Befestigung der Folie mit Hilfe der Klemmschlauchtechnik erfolge oder nicht ausgeschlossen werden solle, werde abweichend von der nachfolgenden Konvention eine Leckgröße von 1 m² und daraus resultierend ein Achtungsabstand von 250 m empfohlen. Es werde als Leckfläche für Biogasanlagen 0,6 m² (Risslänge: 3 m; mittlere Breite: 0,2 m) festgelegt. Die daraus resultierende Freisetzungsrate liege auch in der Größenordnung, wie sie für Stoffe, für die die Standardleckfläche von 490 mm² festgelegt worden sei (Ausnahme gasförmiges Fluor), ermittelt worden sei (4,3 kg/s und 25 kg/s). Der ERPG-2-Wert für Schwefelwasserstoff von 30 ppm werde in einer Entfernung von ca. 200 m unterschritten, so dass der Achtungsabstand 200 m (Abstandsklasse I) betrage. Mit diesem Abstand seien auch mögliche Einwirkungen durch Brände und Explosionen abgedeckt.
- 130
Die Arbeitshilfe KAS-32 der Kommission für Anlagensicherheit, einem nach § 51a Abs. 1 BImSchG beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gebildeten Gremium, kann als Orientierungshilfe für Gefahren beim Betrieb von Biogasanlagen durch Freisetzung von Schwefelwasserstoff, Brände und Explosionen sowie den unter Vorsorgegesichtspunkten gebotenen Abstand insbesondere zu Wohngebieten herangezogen werden. Sie baut auf dem von einer Arbeitsgruppe der Kommission für Anlagensicherheit erarbeiteten Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung von § 50 BImSchG" - KAS-18 auf. Wesentliche Grundlage dieses Leitfadens bildete nach der Vorbemerkung ein vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenes Gutachten, bei dem Behördenvertreter, Betreiber und Gutachter über ihre Erfahrungen in der Anwendung des Leitfadens befragt wurden. Zwar wird in der KAS-18 in Anhang 2 für den Stoff Schwefelwasserstoff ein Abstand von 797 m empfohlen. Jedoch befasst sich die Arbeitshilfe KAS 32 in Abschnitt 1 speziell mit Gefährdungen durch Biogasanlagen. Im Abschnitt 1.1 (Problemstellung) wird ausgeführt, wesentliche Unterschiede zu üblichen Prozessanlagen seien bei Biogasanlagen die Verwendung von Folien und Membranen als Umschließung für das Biogas sowie der geringe Innendruck in den Anlagen zur Biogasherstellung. Aufgrund von Konstruktion, Auslegung, Materialeigenschaften, insbesondere der wesentlich geringeren Festigkeit gegenüber Anlagenauslegungen in Chemieanlagen, resultierten größere Austrittsflächen und in Folge dessen andere Gasausbreitungen. Daher sei eine separate Bewertung dieses Anlagentyps analog der Vorgehensweise im Leitfaden KAS-18 erforderlich. Wird der - unter Vorsorgegesichtspunkten ermittelte - "Achtungsabstand" eingehalten, ist auch davon auszugehen, dass die Anlage weder schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG noch sonstige Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorruft.
- 131
In Anwendung dieser Grundsätze wird das Grundstück der Klägerin durch den Betrieb der streitigen Biogasanlage weder schädlichen (toxischen oder gesundheitsgefährdenden) Einwirkungen durch Schwefelwasserstoff noch Gefahren durch Brände oder Explosionen ausgesetzt. Denn der geringste Abstand zwischen der Biogasanlage und dem Grundstück der Klägerin beträgt ca. 240 m. Sind selbst bei Störfällen Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Schwefelwasserstoff bei Einhaltung des empfohlenen Abstandes nicht anzunehmen, gilt dies erst recht für den Normalbetrieb, bei dem deutlich geringere Mengen dieses Stoffes freigesetzt werden (können). Nicht durchschlagend ist der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand der Klägerin, in der zweiten überarbeiteten Fassung sehe die KAS-32 einen größeren Abstand als 200 m vor. Auch nach der zweiten Fassung vom November 2015 beträgt der in Abschnitt 1.3.3. empfohlene "Achtungsabstand" grundsätzlich 200 m. Nur bei Befestigung der Folie mit Hilfe der sog. Klemmschlauchtechnik beträgt er 250 m. Die Klemmschlauchtechnik wird aber bei der hier zum Einsatz kommenden Tragluftabdeckung des Fermenters nach den genehmigten Bauvorlagen (vgl. die Unterlage "Gasdichte Behälterabdeckungen" - Beiakte A, Bl. 182) nicht angewandt. Zudem würde dieser - wiederum unter Vorsorgegesichtspunkten empfohlene - höhere "Achtungsabstand" hier nur ganz geringfügig unterschritten. Im Anhang 1 heißt es zwar unter "ergänzende Informationen" weiter, dass die spontane Freisetzung eines üblichen Inventars von ca. 8.000 kg Biogas zu einer Unterschreitung des ERPG-2-Wertes in einer Entfernung von 365 m führen würde (Wegdenken der Folie, angenommene Freisetzung der Gesamtmenge innerhalb einer Sekunde). Zugleich wird aber darauf verwiesen, dass dieser Fall den theoretisch maximal möglichen darstelle, der im Rahmen einer KAS-18 Betrachtung jedoch nicht unterstellt werde. Theoretisch maximal mögliche Störfälle genügen indessen nicht, um eine konkrete Gefahr im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Denn bei der Prognose, ob eine hinreichend konkrete Gefährdung vorliegt, um einen Schutz- und Abwehranspruch zu begründen, ist insbesondere auch die Wahrscheinlichkeit der denkbaren Störfälle zu berücksichtigen (vgl. VGH BW, Urt. v. 12.03.2015 - 10 S 1169/13 -, juris, RdNr. 80), Erforderlich ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass eines der in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter gefährdet ist (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 5 BImSchG, RdNr. 126).
- 132
2.2.2.2. Schädliche Umwelteinwirkungen sind auch nicht im Hinblick auf der Anlage zuzurechnende Geräuschimmissionen zu erwarten.
- 133
Der gesetzliche Maßstab für die Schädlichkeit von Geräuschen ist in der TA Lärm, die ihren Geltungsbereich nach ihrer Nr. 1 Abs. 2 ausdrücklich auch auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen erstreckt, mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren jedenfalls insoweit abschließend konkretisiert, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind gemäß Nr. 1 Abs. 3 Buchstabe b) aa) der TA Lärm die Vorschriften der TA Lärm zu beachten bei der Prüfung der Einhaltung des § 22 BImSchG im Rahmen der Prüfung von Anträgen in Baugenehmigungsverfahren (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 29.08.2007 - BVerwG 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209 [211], RdNr. 11 ff.).
- 134
Nach Nr. 3.2.1. der TA Lärm (Prüfung der Einhaltung der Schutzpflicht im Regelfall) ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 nicht überschreitet. Die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage darf auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Die Bestimmung der Vorbelastung kann entfallen, wenn die Geräuschimmissionen der Anlage die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 um mindestens 6 dB(A) unterschreiten. Nach Nr. 4.2 Buchstabe a) der TA Lärm ist bei der immissionsschutzrechtlichen Prüfung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Zulassung einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage vorbehaltlich der Regelungen in Nr. 4.3 sicherzustellen, dass die Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 nicht überschreiten; gegebenenfalls sind entsprechende Auflagen zu erteilen.
- 135
Die TA Lärm enthält in Nr. 6.1 Immissionsrichtwerte für einzelne Baugebietstypen. Für reine Wohngebiete liegt gemäß Nr. 6.1 Buchstabe e) der TA Lärm der Immissionsrichtwert am Tag bei 50 dB (A) und nachts bei 35 dB (A). Für allgemeine Wohngebiete liegt gemäß Nr. 6.1 Buchstabe d) der TA Lärm der Immissionsrichtwert am Tag bei 55 dB (A) und nachts bei 40 dB (A). Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. Nach Nr. 6.6 Satz 1 der TA Lärm ergibt sich die Art der in Nr. 6.1 bezeichneten Gebiete und Einrichtungen aus den Festlegungen in den Bebauungsplänen. Gebiete und Einrichtungen, für die keine Festsetzungen bestehen, sind nach Nr. 6.1 entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen. Dem entsprechend werden Gebiete im Innenbereich, für die kein Bebauungsplan vorliegt, nach § 34 BauGB beurteilt; dabei wird die Eigenart der näheren Umgebung betrachtet und eingeschätzt, welche Baugebietstypen am ehesten der vorhandenen Bebauung und Nutzung entsprechen (Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus BImSchG, Band 4, B 3.6 TA Lärm RdNr. 55). Maßstab der Schutzbedürftigkeit gegenüber Lärm im unbeplanten Innen-bereich ist die vorhandene Bebauung (§ 34 BauGB), was die Beachtlichkeit von Darstellungen des Flächennutzungsplans ausschließt (BVerwG, Beschl. v. 23.10.2000 - BVerwG 7 B 71.00 -, DVBl 2001, 642 [643], RdNr. 10 in juris). Im Fall einer sog. Gemengelage oder „diffusen Bebauung" kommt es bei der Heranziehung der Immissionsrichtwerte in Nr. 6.1 der TA Lärm darauf an, welchem Baugebietstyp die vorhandene Bebauung am ehesten entspricht (vgl. Feldhaus/Tegeder, a.a.O.).
- 136
Die Eigenart der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks dürfte zwar einem faktischen reinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO entsprechen, da sich dort - soweit ersichtlich - nur Wohngebäude befinden. Grenzt ein Wohngrundstück unmittelbar an den planungsrechtlichen Außenbereich, ist jedoch in entsprechender Anwendung von Nr. 6.7 der TA Lärm für den am Wohnhaus maßgeblichen Immissionsrichtwert und unter Berücksichtigung der gegenseitig bestehenden Pflicht zur Rücksichtnahme regelmäßig ein geeigneter Zwischenwert zu bilden, welcher der Eigenart des an die Wohnbebauung angrenzenden Außenbereichs und der dort vorgesehenen privilegierten Zulässigkeit von Anlagen Rechnung trägt. Dem Schutzbedürfnis des Eigentümers eines in einem (faktischen oder festgesetzten) reinen Wohngebiet gelegenen, aber an den Außenbereich angrenzenden Grundstücks ist gegenüber den Außenbereichsvorhaben regelmäßig dann genügt, wenn der entsprechende Immissionsrichtwert für allgemeine Wohngebiete nach Nr. 6.1 d) TA Lärm von 40 dB(A) nachts gewahrt ist (OVG NW, Beschl. v. 06.05.2016 - 8 B 866/15 -, juris, RdNr. 9 ff.; VGH BW, Urt. v. 23.04.2002 - 10 S 1502/01 - NVwZ 2003, 365 [366], RdNr. 29 in juris; HessVGH, Urt. v. 30.10.2009 - 6 B 2668/09 -, juris, RdNr. 12; ThürOVG, Beschl. v. 22.02.2006 - 1 EO 708/05 -, juris, RdNr. 66; SaarlOVG, Beschl. v. 24.09.2014 - 2 A 471/13 -, juris, RdNr. 12).
- 137
Dies hat hier zur Folge, dass die in Nr. 6.1 Buchstabe d) der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwerte von 55 dB (A) tags und 40 dB (A) nachts heranzuziehen sind. Denn das Grundstück der Klägerin grenzt in südlicher Richtung, also in Richtung der Milchviehanlage und der Biogasanlage, an den Außenbereich. Südlich der Weinbergstraße befinden sich landwirtschaftlich genutzte Flächen sowie Kleingärten.
- 138
Die von der Anlage der Beigeladenen ausgehende und auf das Grundstück der Klägerin einwirkende Lärmbelastung überschreitet nach der von der Beigeladenen eingereichten Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros für Lärmschutz (F.) am Grundstück der Klägerin die nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 und 6 der TA Lärm um 6 dB(A) reduzierten Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete von 49 dB(A) am Tag und 34 dB(A) in der Nacht nicht. Auch soweit man einen Zuschlag für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit gemäß Nr. 6.5 der TA Lärm ansetzt, wird der maßgebliche Immissionsrichtwert für den Tag nicht überschritten. Dabei wird dem Mittelungspegel für die empfindlichen Tageszeiten ein Zuschlag von 6 dB (A) hinzugerechnet; dadurch erhöht sich der Pegel für den gesamten Tag an Werktagen um 1,9 dB und an Sonn- und Feiertagen um 3,6 dB (vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 3.1 TA Lärm RdNr. 32, m.w.N.).
- 139
Als "seltenes Ereignis" nach Nr. 7.2 der TA Lärm hat der Gutachter die Einlagerung von Maissilage eingestuft und insoweit einen Beurteilungspegel für den Tag von 49,3 dB (A) ermittelt. Der Richtwert der Nr. 6.3 der TA Lärm liegt insoweit bei 70 dB (A). Ist wegen voraussehbarer Besonderheiten beim Betrieb einer Anlage zu erwarten, dass in seltenen Fällen oder über eine begrenzte Zeitdauer, aber an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und nicht an mehr als an jeweils zwei aufeinander folgenden Wochenenden, die Immissionsrichtwerte nach den Nummern 6.1 und 6.2 auch bei Einhaltung des Standes der Technik zur Lärmminderung nicht eingehalten werden können, kann gemäß Nr. 7.2 Satz 1 der TA Lärm eine Überschreitung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für genehmigungsbedürftige Anlagen zugelassen werden.
- 140
Der BHKW-Container erreicht nach der Schallimmissionsprognose keinen so hohen Schallleistungspegel, dass an den nächstgelegenen Wohngebäuden nachts die höchst zulässigen Spitzenpegel erreicht werden. Auch beim Betrieb des Radladers im Tageszeitraum, der sich beim Transport der zu vergärenden Feststoffe von der Fahrsiloanlage bis zum Feststoffdosierer bewegt, sei eine Überschreitung der für die Tageszeit geltenden höchst zulässigen Spitzenpegel auszuschließen.
- 141
Der der Anlage nicht zurechenbare Verkehrslärm auf den öffentlichen Straßen war nicht zu berücksichtigen, da er gemäß Nr. 2.4 der TA Lärm nicht als Vorbelastung gilt. Nur wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die nach Nr. 2.4 der TA Lärm ausgeklammerten Geräusche wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob eine Anlage im Zusammenwirken mit diesen Geräuschen zum Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen relevant beiträgt, kommt in entsprechender Anwendung von Nr. 3.2.2 der TA Lärm eine Sonderfallprüfung im Genehmigungsverfahren in Betracht (vgl. dazu: Feldhaus, BImSchG, Bd. 3, B 3.6 Nr. 2 RdNr. 40; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 3.1 TA Lärm RdNr. 28, m.w.N.). Solche Anhaltspunkte bestehen hier nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass an der Weinbergstraße Verkehrsgeräusche entstehen, die wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben können.
- 142
Auch die Berücksichtigung von Geräuschen des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Straßen nach Nr. 7.4 der TA Lärm ist entbehrlich. Nach dieser Bestimmung sollen Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 Metern von dem Betriebsgrundstück in Gebieten nach Nummer 6.1 Buchstaben c) bis f) durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden, soweit sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden. In der schalltechnischen Untersuchung (S. 40) ist der Gutachter davon ausgegangen, dass mit dem Betrieb der geplanten Biogasanlage kein wesentlicher anlagenbezogener Fahrverkehr verbunden sei. In Anbetracht der nur geringen Verkehrsmengen auf der öffentlichen Weinbergstraße und der ebenfalls nur geringen Verkehrsmengen, die mit dem Vorhaben im Jahresmittel verbunden seien, sei eine Überschreitung der Verkehrslärmschutzverordnung von vornherein auszuschließen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der der Biogasanlage zuzurechnende An- und Abfahrtsverkehr nach den genehmigten Bauvorlagen (vgl. Beiakte A, Bl. 196) nicht über den Weinbergweg, sondern über die Pappelallee bewegt.
- 143
Die vom Gutachter für die Einhaltung der Immissionsrichtwerte geforderten Bedingungen hat der Beklagte in die der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen Nr. 8.2 bis 8.5 aufgenommen.
- 144
Ohne Erfolg bemängelt die Klägerin, dass die in der Nebenbestimmung Nr. 8.3 zur Baugenehmigung geforderten und angegebenen Werte für den Schallleistungspegel der Abgasmündung des BHKW laut Datenblatt für den angegebenen BHKW-Typ trotz vorhandener Schalldämpfung nicht erreicht werden könne. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der vom Gutachter geforderte zusätzliche und speziell auf das Terzfrequenzspektrum der Abgasgeräusche zugeschnittene Resonanzschalldämpfer nicht verfügbar ist. Der Gutachter hat in der Anlage 5 zum Gutachten verschiedene aus seiner Sicht in Frage kommende Modelle vorgeschlagen. Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage erklärt, dass der in der Baugenehmigung geforderte Schalldämpfer auch eingebaut worden sei. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass damit die im Gutachten festgelegten maximalen Emissionswerte nicht eingehalten werden können.
- 145
Zu Unrecht rügt die Klägerin, der Gutachter habe diverse weitere Emissionsquellen wie Pumpen, Rührwerke, Tauchmotoren und Gasverdichter nicht in seine Berechnungen einbezogen. Im Gutachten ist auf Seite 9 plausibel dargestellt, dass auf die Ermittlung der in vergleichbaren Schallimmissionsprognosen für andere Anlagenstandorte mit untersuchten Geräuschemissionen von z.B. Steuerungs- und Pumptechnik verzichtet werde, weil für solche Anlagenteile Schalleistungspegel bekannt seien, die im Regelfall zwischen 65 und 80 dB (A) lägen, die Betriebszeiten eher gering seien und somit aus schalltechnischer Sicht gegenüber den bereits genannten Geräuschquellen vernachlässigt werden könnten. Diese Anlagenteile würden zudem in einem massiven Gebäude zwischen den beiden geplanten Rundbehältern betrieben. Sämtliche Rührwerke sowohl im Fermenter als auch im Endlager seien als Tauchmotorrührwerke geplant. Da diese völlig im Substrat eingetaucht seien, gingen von ihnen keine relevanten im Freibereich wahrnehmbaren Geräusche aus. Sie blieben demzufolge unberücksichtigt.
- 146
2.2.2.3. Auch sonstige erhebliche nachteilige Wirkungen auf schutzwürdige Individualinteressen der Klägerin liegen nicht vor. Insbesondere hat das Vorhaben nicht die von ihr geltend gemachte "optisch bedrängende Wirkung".
- 147
Nach seinem objektiv-rechtlichen Gehalt schützt das Gebot der Rücksichtnahme die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen. Es betrifft jedoch auch Fälle, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen. Dazu zählt die Rechtsprechung "optisch bedrängende" Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.12.2006 - BVerwG 4 B 72.06 -, NVwZ 2007, 336, RdNr. 4, m.w.N.). Eine solche Wirkung kann etwa von Windkraftanlagen ausgehen. Bei der streitigen Biogasanlage mit einer größten Höhe (des Fermenterdaches) von 14,58 m in einem Abstand von ca. 240 m zum Grundstück der Klägerin kommen solche Wirkungen indes nicht in Betracht.
- 148
Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass durch die Biogasanlage, in der Gülle, Mist und Silage zum Einsatz kommen, Ungeziefer, Mücken und sonstige Insekten - gegenüber der Tierhaltungsanlage verstärkt - in einem solchen Maß angezogen werden, dass der Abstand von ca. 240 m keinen ausreichenden Schutz vor unzumutbaren Beeinträchtigungen bietet.
- 149
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme kann die Klägerin auch nicht darauf stützen, dass das Baugebiet, in dem ihr Grundstück liegt, eine hohe Wohnqualität mit besonderem Erholungswert besitze, die durch die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage (weiter) verschlechtert werde. Allein eine Herabsetzung des Erholungswerts eines Grundstücks genügt nicht, um von einer unzumutbaren Beeinträchtigung sprechen zu können (vgl. Beschl. d. Senats v. 12.12.2011 - 2 M 162/11 -, BRS 78 Nr. 98, RdNr. 14 in juris). Im Übrigen ist das Grundstück der Klägerin durch die Nachbarschaft zur bereits vorhandenen Tierhaltungsanlage vorbelastet.
- 150
2.2.3. Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge der Klägerin, die Biogasanlage verstoße gegen Vorschriften der Störfallverordnung (12. BImSchV).
- 151
2.2.3.1. Zwar kann sich ein Nachbar auf etwaige Verstöße gegen Regelungen der 12. BImSchV berufen, weil sie jedenfalls den Schutz der Nachbarschaft vor sonstigen schädlichen Einwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG 1. Alt. BImSchG konkretisiert (vgl. OVG NW, Urt. v. 01.12.2011 - 8 D 58/88.AK -, BRS 78 Nr. 211, RdNr. 353 ff. in juris, m.w.N; VGH BW, Urt. v. 20.07.2011 - 10 S 2102/09 -, juris, RdNr. 300, m.w.N). Zu den sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die nicht durch Immissionen hervorgerufen werden und nicht im eigentlichen Sinne betriebsbedingt sind, zählen physische Einwirkungen wie Explosionen, Brandereignisse, Stoffeintrag in Boden oder Gewässer oder Überflutungen (vgl. OVG NW, Urt. v. 01.12.2011, a.a.O.). Ungeachtet der umstrittenen Frage, ob es sich um Immissionsschutz im engeren Sinne handelt, verfolgt die 12. BImSchV auch das Ziel zu verhindern, dass die menschliche Gesundheit dadurch geschädigt wird, dass Luftschadstoffe kurzfristig oder über längere Zeit aus einer Anlage freigesetzt werden. Sie dient somit auch dem Schutz der Umwelt einschließlich der menschlichen Gesundheit (VGH BW, Urt. v. 20.07.2011, a.a.O.).
- 152
2.2.3.2. Die Biogasanlage der Beigeladenen verstößt indes, so wie sie genehmigt ist, nicht gegen Vorschriften der 12. BImSchV, da die Anlage nicht in deren Anwendungsbereich fällt.
- 153
Nach § 1 Abs. 1 der 12. BImSchV gelten die Vorschriften des Zweiten und Vierten Teils mit Ausnahme der §§ 9 bis 12 für Betriebsbereiche, in denen gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Anhang I Spalte 4 genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten. Für Betriebsbereiche, in denen gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Anhang I Spalte 5 genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten, gelten außerdem die Vorschriften der §§ 9 bis 12.
- 154
a) Von den im Anhang I zur 12. BImSchV genannten Stoffen fallen in Biogasanlagen in der Regel hochentzündliche Stoffe nach Nr. 8 der Spalte 1 an. Die insoweit relevante Mengenschwelle für die Anwendung der Verordnung in Spalte 4 für solche Stoffe liegt bei 10.000 kg. Wie oben bereits ausgeführt, ist insoweit allein das Volumen des über dem Fermenter befindlichen Gasspeichers von 1.851 m³ von Belang, in dem - je nach Dichte des Gases von 1,2 bis 1,3 kg/m³ - eine Gasmenge zwischen 2.221,2 kg und 2.406,3 kg aufgefangen werden kann. Die Mengenschwelle von 10.000 kg wird damit weit unterschritten.
- 155
b) Bei Schwefelwasserstoff hängt die Einstufung in die Nummern 1 bis 3 in der Spalte 1 des Anhangs I zur 12. BImSchV (gesundheitsschädigend, giftig oder sehr giftig) von der Menge des Gases ab. Für sehr giftige Stoffe nach Nr. 1 der Spalte 1 liegt die Mengenschwelle nach Spalte 4 bei 5.000 kg, die ebenfalls (deutlich) unterschritten wird. Nach der Arbeitshilfe KAS-32 beträgt die Konzentration von Schwefelwasserstoff in Biogas maximal 2 Vol.-%, so dass sich im Gasspeicher über dem Fermenter mit einem Volumen von 1.851 m² höchstens 37 m³ Schwefelwasserstoff befinden. Bei einer Dichte dieses Stoffes von ca. 1,54 kg/m³ (bei 0° C) ergäbe sich eine maximale Menge von ca. 57 kg. Nach einer DVGW-Studie aus dem Jahre 2006 beträgt bei Biogasanlagen die durchschnittliche Menge des bei der Fermentierung entstehenden Schwefelwasserstoffs 500 mg/m³; die Schwankungsbreite liegt zwischen 50 und 30.000 mg/m³ (Internet: http://www.schwefelwasserstoff.de/Biogasanlagen.html). Ausgehend von der Kapazität des Gasspeichers von 1.851 m³ beträgt die maximale Menge Schwefelwasserstoff danach 55,53 kg.
- 156
2.2.4. Handelt es sich mithin nicht um einen Störfallbetrieb, kann die Klägerin auch aus § 50 BlmSchG nichts zu ihren Gunsten herleiten. Das Abstandsgebot des § 50 BlmSchG gilt nur für Betriebsbereiche im Sinne des Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 96/82/EG (Seveso-Il-Richtlinie), zu deren Umsetzung die Störfall-Verordnung ergangen ist (vgl. VGH BW, Urt. v. 12.03.2015, a.a.O., RdNr. 77).
- 157
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie im erstinstanzlichen Verfahren einen Sachantrag gestellt, neben dem Beklagten das Rechtsmittel eingelegt und sich so dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
- 158
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO.
- 159
IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
Urteilsbesprechung zu Sächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 21. Sept. 2016 - 2 L 98/13
Urteilsbesprechungen zu Sächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 21. Sept. 2016 - 2 L 98/13
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Sächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 21. Sept. 2016 - 2 L 98/13 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
(1) Eine Genehmigung, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 oder § 25 Absatz 1 der Gewerbeordnung erteilt worden ist, gilt als Genehmigung nach diesem Gesetz fort.
(2) Eine genehmigungsbedürftige Anlage, die bei Inkrafttreten der Verordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 errichtet oder wesentlich geändert ist, oder mit deren Errichtung oder wesentlichen Änderung begonnen worden ist, muss innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung der zuständigen Behörde angezeigt werden, sofern die Anlage nicht nach § 16 Absatz 1 oder § 25 Absatz 1 der Gewerbeordnung genehmigungsbedürftig war oder nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung angezeigt worden ist. Der zuständigen Behörde sind innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige Unterlagen gemäß § 10 Absatz 1 über Art, Lage, Umfang und Betriebsweise der Anlage im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 vorzulegen.
(3) Die Anzeigepflicht nach Absatz 2 gilt nicht für ortsveränderliche Anlagen, die im vereinfachten Verfahren (§ 19) genehmigt werden können.
(4) Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu Ende zu führen.
(5) Soweit durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 734) neue Anforderungen festgelegt worden sind, sind diese Anforderungen von Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie erst ab dem 7. Januar 2014 zu erfüllen, wenn vor dem 7. Januar 2013
- 1.
die Anlage sich im Betrieb befand oder - 2.
eine Genehmigung für die Anlage erteilt wurde oder vom Vorhabenträger ein vollständiger Genehmigungsantrag gestellt wurde.
(6) Eine nach diesem Gesetz erteilte Genehmigung für eine Anlage zum Umgang mit
- 1.
gentechnisch veränderten Mikroorganismen, - 2.
gentechnisch veränderten Zellkulturen, soweit sie nicht dazu bestimmt sind, zu Pflanzen regeneriert zu werden, - 3.
Bestandteilen oder Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen nach Nummer 1 oder Zellkulturen nach Nummer 2, soweit sie biologisch aktive, rekombinante Nukleinsäure enthalten,
(7) Eine Planfeststellung oder Genehmigung nach dem Abfallgesetz gilt als Genehmigung nach diesem Gesetz fort. Eine Anlage, die nach dem Abfallgesetz angezeigt wurde, gilt als nach diesem Gesetz angezeigt. Abfallentsorgungsanlagen, die weder nach dem Abfallgesetz planfestgestellt oder genehmigt noch angezeigt worden sind, sind unverzüglich bei der zuständigen Behörde anzuzeigen. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(8) Für die für das Jahr 1996 abzugebenden Emissionserklärungen ist § 27 in der am 14. Oktober 1996 geltenden Fassung weiter anzuwenden.
(9) Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern, die bis zum 1. Juli 2005 erteilt worden sind, gelten als Genehmigungen nach diesem Gesetz. Nach diesem Gesetz erteilte Genehmigungen für Windfarmen gelten als Genehmigungen für die einzelnen Windkraftanlagen. Verfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung für Windkraftanlagen, die vor dem 1. Juli 2005 rechtshängig geworden sind, werden nach den Vorschriften der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der bisherigen Fassung abgeschlossen; für die in diesem Zusammenhang erteilten Baugenehmigungen gilt Satz 1 entsprechend. Sofern ein Verfahren nach Satz 3 in eine Klage auf Erteilung einer Genehmigung nach diesem Gesetz geändert wird, gilt diese Änderung als sachdienlich.
(10) § 47 Absatz 5a gilt für die Verfahren zur Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach § 47, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind.
(11) (weggefallen)
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf der Genehmigung, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 erheblich sein können (wesentliche Änderung); eine Genehmigung ist stets erforderlich, wenn die Änderung oder Erweiterung des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage für sich genommen die Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen des Anhangs zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen erreichen. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Absatz 1 Nummer 1 ergebenden Anforderungen sichergestellt ist.
(2) Die zuständige Behörde soll von der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens sowie der Auslegung des Antrags und der Unterlagen absehen, wenn der Träger des Vorhabens dies beantragt und erhebliche nachteilige Auswirkungen auf in § 1 genannte Schutzgüter nicht zu besorgen sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn erkennbar ist, dass die Auswirkungen durch die getroffenen oder vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Maßnahmen ausgeschlossen werden oder die Nachteile im Verhältnis zu den jeweils vergleichbaren Vorteilen gering sind. Betrifft die wesentliche Änderung eine in einem vereinfachten Verfahren zu genehmigende Anlage, ist auch die wesentliche Änderung im vereinfachten Verfahren zu genehmigen. § 19 Absatz 3 gilt entsprechend.
(3) Über den Genehmigungsantrag ist innerhalb einer Frist von sechs Monaten, im Falle des Absatzes 2 in drei Monaten zu entscheiden. Im Übrigen gilt § 10 Absatz 6a Satz 2 und 3 entsprechend.
(4) Für nach § 15 Absatz 1 anzeigebedürftige Änderungen kann der Träger des Vorhabens eine Genehmigung beantragen. Diese ist im vereinfachten Verfahren zu erteilen; Absatz 3 und § 19 Absatz 3 gelten entsprechend.
(5) Einer Genehmigung bedarf es nicht, wenn eine genehmigte Anlage oder Teile einer genehmigten Anlage im Rahmen der erteilten Genehmigung ersetzt oder ausgetauscht werden sollen.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 kann vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von diesen Anlagen hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar ist. Satz 1 gilt für Abfallentsorgungsanlagen entsprechend.
(2) In dem vereinfachten Verfahren sind § 10 Absatz 2, 3, 3a, 4, 6, 7 Satz 2 und 3, Absatz 8 und 9 sowie die §§ 11 und 14 nicht anzuwenden.
(3) Die Genehmigung ist auf Antrag des Trägers des Vorhabens abweichend von den Absätzen 1 und 2 nicht in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen.
(4) Die Genehmigung einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, kann nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden, wenn durch deren störfallrelevante Errichtung und Betrieb der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird oder durch deren störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. In diesen Fällen ist das Verfahren nach § 10 mit Ausnahme von Absatz 4 Nummer 3 und Absatz 6 anzuwenden. § 10 Absatz 3 Satz 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur die Personen Einwendungen erheben können, deren Belange berührt sind oder Vereinigungen, welche die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Bei störfallrelevanten Änderungen ist § 16 Absatz 3 entsprechend anzuwenden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits auf Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 kann vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von diesen Anlagen hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar ist. Satz 1 gilt für Abfallentsorgungsanlagen entsprechend.
(2) In dem vereinfachten Verfahren sind § 10 Absatz 2, 3, 3a, 4, 6, 7 Satz 2 und 3, Absatz 8 und 9 sowie die §§ 11 und 14 nicht anzuwenden.
(3) Die Genehmigung ist auf Antrag des Trägers des Vorhabens abweichend von den Absätzen 1 und 2 nicht in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen.
(4) Die Genehmigung einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, kann nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden, wenn durch deren störfallrelevante Errichtung und Betrieb der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird oder durch deren störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. In diesen Fällen ist das Verfahren nach § 10 mit Ausnahme von Absatz 4 Nummer 3 und Absatz 6 anzuwenden. § 10 Absatz 3 Satz 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur die Personen Einwendungen erheben können, deren Belange berührt sind oder Vereinigungen, welche die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Bei störfallrelevanten Änderungen ist § 16 Absatz 3 entsprechend anzuwenden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits auf Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Wird ein Vorhaben geändert, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, so besteht für das Änderungsvorhaben die UVP-Pflicht, wenn
- 1.
allein die Änderung die Größen- oder Leistungswerte für eine unbedingte UVP-Pflicht gemäß § 6 erreicht oder überschreitet oder - 2.
die allgemeine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann.
(2) Wird ein Vorhaben geändert, für das keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, so besteht für das Änderungsvorhaben die UVP-Pflicht, wenn das geänderte Vorhaben
- 1.
den Größen- oder Leistungswert für die unbedingte UVP-Pflicht gemäß § 6 erstmals erreicht oder überschreitet oder - 2.
einen in Anlage 1 angegebenen Prüfwert für die Vorprüfung erstmals oder erneut erreicht oder überschreitet und eine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann.
(3) Wird ein Vorhaben geändert, für das keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, so wird für das Änderungsvorhaben eine Vorprüfung durchgeführt, wenn für das Vorhaben nach Anlage 1
- 1.
eine UVP-Pflicht besteht und dafür keine Größen- oder Leistungswerte vorgeschrieben sind oder - 2.
eine Vorprüfung, aber keine Prüfwerte vorgeschrieben sind.
(4) Für die Vorprüfung bei Änderungsvorhaben gilt § 7 entsprechend.
(5) Der in den jeweiligen Anwendungsbereich der Richtlinien 85/337/EWG und 97/11/EG fallende, aber vor Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfristen erreichte Bestand bleibt hinsichtlich des Erreichens oder Überschreitens der Größen- oder Leistungswerte und der Prüfwerte unberücksichtigt.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind
- 1.
natürliche und juristische Personen, - 2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, - 3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
- 1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs - 2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.
(2a) (weggefallen)
(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.
(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.
(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.
(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Tatbestand
- 1
Der Kläger, eine anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 10.04.2012 für den Ausbau der Eisenbahnunterführung Ernst-Reuter-Allee im Stadtgebiet der Beklagten.
- 2
Die Ernst-Reuter-Allee ist eine in Ost-West-Richtung verlaufende Verkehrsachse in der Innenstadt der Beklagten. Sie erstreckt sich vom Damaschkeplatz im Westen, über den eine Anbindung an den Magdeburger Ring (B 71), den Adelheidring, den Editharing sowie den Busbahnhof erfolgt, bis zur Elbquerung im Osten. Ca. 50 m östlich des Damaschkeplatzes werden die in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Bahngleise der Beigeladenen über Brücken mit einer lichten Höhe von ca. 3,40 m über die Ernst-Reuter-Allee geführt. Zwischen den beiden Hauptsträngen der Eisenbahn befindet sich südlich der Ernst-Reuter-Allee der Kölner Platz, auf dem ca. 80 Kfz-Stellplätze angelegt sind und an dem sich ein Nebeneingang des Hauptbahnhofs befindet. Nördlich des Kölner Platz befindet sich das Gelände des – derzeit offenbar ungenutzten – Bahnpostdepots; die dortige Zufahrt auf die Ernst-Reuter-Allee ist mit Pollern abgetrennt. Östlich der Eisenbahnüberführung schließen sich in südlicher Richtung an die Ernst-Reuter-Allee die Gebäude des Hauptbahnhofs, der Willy-Brandt-Platz mit Taxi-Stand und Hauptzugang zum Hauptbahnhof sowie weiter südlich die Bahnhofstraße an, von der in östlicher Richtung die Hasselbachstraße abzweigt. Weiter östlich kreuzt die Ernst-Reuter-Allee die Otto-von-Guericke-Straße, eine in Nord-Süd-Richtung verlaufende weitere Verkehrsachse im Stadtgebiet der Beklagten. Ca. 300 m südlich dieser Kreuzung mündet die Hasselbachstraße in die Otto-von-Guericke-Straße ein.
- 3
Südlich der Ernst-Reuter-Allee zwischen Willy-Brand-Platz/Bahnhofstraße und Otto-von-Guericke-Straße befindet sich das „City Carré“, ein aus mehreren Gebäuden bestehendes Büro- und Einkaufszentrum mit Tiefgarage. Die Tiefgarage besteht aus zwei Teilen. Der nördliche Teil hat eine Ein- und Ausfahrt über den nördlichen Teil des Willy-Brandt-Platzes; der südliche Teil besitzt eine Ein- und Ausfahrt über die Bahnhofstraße.
- 4
Der Damaschkeplatz ist zentrale Umsteigestelle für mehrere Straßenbahn- und Buslinien. In der Straßenmitte der Ernst-Reuter-Allee verlaufen zwei Straßenbahngleise. In Höhe des Willy-Brandt-Platzes zweigen nach Süden Richtung Hauptbahnhof sowohl aus westlicher als auch aus östlicher Richtung jeweils zwei Gleise ab. Auch an der Kreuzung mit der Otto-von-Guericke-Straße besteht ein solcher Abzweig Richtung Süden.
- 5
Für den Kraftfahrzeugverkehr werden nach bestehender Verkehrsführung in West-Ost-Richtung zwischen Damaschkeplatz und Eisenbahnunterführung die beiden Geradeausspuren der Ernst-Reuter-Allee auf eine Fahrspur verflochten. Unterhalb der Eisenbahnüberführung verläuft eine Fahrspur parallel zu den Straßenbahngleisen. Ca. 50 m östlich der Eisenbahnüberführung auf Höhe des Willy-Brandt-Platzes können Taxis nach rechts auf dem Willy-Brandt-Platz abbiegen, um ihre Stände anzufahren. Zudem besteht für den Kfz-Verkehr die Möglichkeit, nach rechts in die Einfahrt des nördlichen Teils der Tiefgarage des City Carré abzubiegen; der Willy-Brandt-Platz darf hingegen nicht von Kraftfahrzeugen befahren werden. Auf Höhe der Einmündung stehen in der Ernst-Reuter-Allee in West-Ost-Richtung (wieder) zwei Fahrspuren zur Verfügung. Am Knotenpunkt mit der Otto-von-Guericke-Straße werden diese auf drei Fahrspuren mit einer Linksabbiegespur, Geradeaus- und Geradeaus-Rechtsabbiegespur aufgeweitet. In Ost-West-Richtung steht in einer Entfernung von ca. 50 m westlich des Knotenpunktes mit der Otto-von-Guericke-Straße bis zur Einmündung des Willy-Brandt-Platzes für den Verkehr eine Fahrspur zur Verfügung. Weiter westlich ist eine Linksabbiegespur in Richtung Willy-Brandt-Platz ausschließlich für Taxis angelegt. Die aus dem nördlichen Teil der Tiefgarage ausfahrenden Fahrzeuge dürfen sowohl nach rechts als auch nach links in die Ernst-Reuter-Allee abbiegen. Die Einmündung ist allerdings nicht durch Wechsellichtzeichenanlagen gesichert. Ab dem Straßenbahngleisdreieck am Willy-Brandt-Platz kann der Verkehr auf einer zweiten Fahrspur unter Mitbenutzung der Straßenbahngleise in Richtung Westen fahren. Am Damaschkeplatz stehen drei Fahrspuren als Linksabbieger-, Geradeaus- und Rechtsabbiegerspur zur Verfügung.
- 6
Für Radfahrer stehen in beiden Fahrtrichtungen zwischen Damaschkeplatz und Otto-von-Guericke-Straße separate Radwege neben der Fahrbahn zu Verfügung, die im Bereich von Einmündungen markiert sind. Neben den Radwegen befinden sich beidseitig ebenfalls separate Gehwege. Am Damaschkeplatz wird der Fußgängerverkehr in Nord-Süd-Richtung über einen Fußgängertunnel planfrei unter den Fahrbahnen sowie alternativ über Querungsinseln östlich der Haltestellen geführt.
- 7
Mit der angefochtenen Planfeststellung soll ein ca. 582 m langer Abschnitt der Ernst-Reuter-Allee durch den Bau eines zweistöckigen Rahmenbauwerkes errichtet werden, mit dem die Verkehre entflochten werden. Der Straßenbahn-, Radfahr- und Fußgängerverkehr soll auf der Ebene 0, der Kfz-Verkehr in der Ebene -1 geführt werden; ferner soll die Eisenbahnbrücken auf der Ebene +1 erneuert werden. Dabei soll eine lichte Weite von 18,50 m sowie eine lichte Höhe von 4,30 m in der Ebene 0 und von 4,50 m in der Ebene -1 entstehen. Die Trassierung der Ernst-Reuter-Allee sowie der Zufahrten Nord und Süd zum Magdeburger Ring soll im Wesentlichen dem Bestand folgen. Die Absenkung für die Unterquerung der neuen Bahnhofsbrücken soll unmittelbar östlich des Knotenpunktes mit der Olvenstedter Straße, Adelheidring, Editharing beginnen und vor dem Knoten Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße enden. Dies hat zur Folge, dass im Bereich des Damaschkeplatzes eine Neuordnung der Nebenanlagen erfolgen muss. Die Rad- und Gehwegführung soll – entgegen dem Bestand – nun im Bereich zwischen den Stützwänden der Rampenfahrbahnen erfolgen und parallel zu den Straßenbahngleisen verlaufen. Die Planung der Ernst-Reuter-Allee im Querschnitt soll als dreistreifige Straße erfolgen. Die Fahrspurbreiten betragen in der Tunnelröhre Nord jeweils 3,25 m und die einzelne Fahrspur in der Tunnelröhre Süd 3,50 m. Im südlichen Tunnelquerschnitt soll ein Fahrstreifen als Standspur ausgebildet werden. Die Standspur soll auf Höhe der Einmündung der Tiefgarage Nord des City Carrés zu einer Ein- und Ausfahrspur werden. Der nördlich verlaufende Zweirichtungsradweg zwischen Damaschkeplatz und Brandenburger Straße soll östlich der Eisenbahnbrücken eine Querung nach Süden auf den Willy-Brandt-Platz erhalten; ab dort soll der Radweg zwischen Brandenburger Straße und Otto-von-Guericke-Straße in eine Mischverkehrsfläche entsprechend dem bestehenden Nutzungskonzept des Platzes übergehen. Im Bereich des Straßenbahngleisdreieckes Willy-Brandt-Platz sollen die Bordanlagen vollständig abgesenkt werden, um den Platzcharakter zu verdeutlichen. Die vorhandene straßenseitige Erschließung des Kölner Platzes soll mit Beginn der Bauarbeiten ersatzlos entfallen. Der Platz soll weiterhin über die Ebene 0 (unter Benutzung der Fahrbahn der Straßenbahnanlage) für die Rettungsfahrzeuge und Revisionsfahrzeuge der Städtischen Werke erreichbar sein. Von der Ebene 0 soll der Kölner Platz von der Ernst-Reuter-Allee über eine 6,50 m breite Rampe behindertengerecht und für die Befahrung mit Rettungsfahrzeugen angeschlossen werden. Im Übrigen soll der Höhenunterschied zwischen Kölner Platz und Ernst-Reuter-Allee von ca. 1,00 m über eine Treppenanlage mit 8 bis 9 Stufen überbrückt werden. Der Anschluss der Fahrbahnen an den Knotenpunkt Damaschkeplatz (Editharing, Adelheidring, Olvenstedter Straße) soll auf die vorhandenen Fahrbahnbreiten erfolgen. In der nördlichen Zufahrt stehen dann 3 Fahrspuren zur Verfügung. Die südliche Knotenpunktausfahrt des Damaschkeplatzes wird von 3 auf 2 Fahrspuren reduziert. Zur Querung der beiden Fahrbahnen von den nördlichen und südlichen Nebenanlagen in Richtung Haltestelle Damaschkeplatz werden signalisierte Fußgänger- und Radfahrerfurten errichtet. Der Taxistellplatz auf dem Willy-Brandt-Platz soll im Rahmen der Baumaßnahme nach Süden verschoben und neu ausgebildet werden. Der Taxistand wird zukünftig über die Hasselbachstraße angefahren. Die Einfahrt in den Taxistand erfolgt über die Bahnhofstraße mit Zufahrt über den vorhandenen Parkplatz von Süden. Die Einfahrten in den nördlichen Teil der Tiefgarage des City Carrés werden über die Ebene -1 ausschließlich über den südlichen Tunnel erfolgen. Die Ausfahrt aus der Tiefgarage soll nur in Richtung Otto-von-Guericke-Straße möglich sein. Im Rahmen des Ausbaus des Eisenbahnknotens Magdeburg sollen die vorhandenen Überbauten abgebrochen und von Westen nach Osten durch neue Eisenbahnüberführungen ersetzt werden. Auf der Tunneldecke in der Ebene 0 verlaufen etwa mittig die Straßenbahngleise. Planmäßiger Fahrzeugverkehr ist auf der Decke des Tunnels nicht vorhanden. Die Flächen in Ebene 0 sollen beidseits der beiden Straßenbahngleise als Fußgängerzone sowie als Radwege genutzt werden. Weiter ist die Erneuerung der Gleisanlagen zwischen dem Damaschkeplatz und dem Gleisdreieck Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße geplant.
- 8
Im Anhörungsverfahren erhob der Kläger am 22.01.2011 im Wesentlichen folgende Einwendungen:
- 9
Es bestehe eine unzulässige Identität von Vorhabenträger, Anhörungsbehörde und Planfeststellungsbehörde.
- 10
Die Planung sei verfehlt, weil gegen die Ziele der Luftreinhalte- und Lärmminderungsplanung und gegen die Ziele des Innenstadtverkehrskonzepts verstoßen werde, das eigentliche Verkehrsproblem an der Kreuzung Ernst-Reuter-AlIee / Otto-von-Guericke-Straße nicht gelöst werde, die Verkehrsprobleme durch Anhebung der lichten Höhe unter der Bahnstrecke verschärft würden und – damit verbunden – das LKW-Verkehrsaufkommen erheblich gesteigert werde. Der Fußgänger- und Radverkehr werde unangemessen geführt, die Barrierefreiheit und die Dimensionierung der Entwässerung seien unzureichend.
- 11
Es fehle bereits an einer Planrechtfertigung. Unabhängig davon seien jedenfalls die für das Vorhaben streitenden Belange nach Maßgabe des fachplanerischen Ziels, die Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand zu bauen, zu erweitern oder sonst zu verbessern (§ 9 Abs.1 Satt 2 StrG LSA), abwägungsfehlerhaft gewichtet worden. Die Verkehrsuntersuchung des Vorhabenträgers gehe selbst von einer nicht ausreichenden Bedienung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und insbesondere einem hohen Rückstau bis weit in den geplanten Tunnel und bis zum Damaschkeplatz aus, was zu einer Verschlechterung der Verkehrssituation führe.
- 12
Die Variantenprüfung sei fehlerbehaftet, weil sie mehrere sich aufdrängende Varianten nicht berücksichtigt habe und bei der Bewertung einzelner Varianten offenkundige Fehlbewertungen vornehme.
- 13
Es fehle eine sachgerechte Verkehrsprognose. In den hierzu im Planfeststellungsverfahren vorhandenen Unterlagen ließen sich lediglich die Ergebnisse, aber keine Angaben zur bearbeitenden Stelle, deren Fachkunde, zur Methodik und zur Umlegung des Verkehrs im Prognosenetz etc. finden. Zudem enthalte die vorliegende Prognose einen deutlich zu geringen LKW-Anteil in den Prognosefällen.
- 14
Die Lärmschutzbelange seien fehlerhaft geprüft und abgewogen worden. Die Beklagte habe das LKW-Aufkommen stark unterschätzt. Ferner sei der Ansatz der Straßenbahnverkehrszahlen fehlerhaft und liege teils unter den heutigen Verkehrszahlen. Es fehlten die ergebnisrelevanten Eingangsdaten für die Straßenbahnlärmberechnung, und die Rechenergebnisse seien unstimmig. Die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung werde überschritten. Aktive Lärmschutzmaßnahmen (Verkehrbeschränkungen, Lärm mindernde Fahrbahnbeläge) seien nicht geprüft worden.
- 15
Die Erschütterungs- und Luftschadstoffbelastungen seien fehlerhaft ermittelt und bewertet worden.
- 16
Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei defizitär und fehlerbehaftet, da jede Auseinandersetzung mit Immissionsbelastungen unterhalb der Grenzwerte und mit bauzeitlichen Belastungen fehle.
- 17
Mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vom 10.04.2012 stellte die Beklagte – Fachbereich Vermessungsamt und Baurecht – den Plan für den „Ausbau des Eisenbahnknotens Magdeburg – 2. Ausbaustufe, Bauabschnitt Eisenbahnüberführung Ernst-Reuter-Allee“ nach § 37 Abs. 1 StrG LSA sowie § 1 Abs. 1 Satz 1, § 5 VwVfG LSA i.V.m. §§ 72 bis 75, 78 VwVfG, § 18 AEG und § 28 Abs. 1 PBefG fest. Bezüglich Luftschadstoffimmissionen enthielt der Beschluss die Nebenbestimmung (IV 6. a), dass der Vorhabenträger vor Baubeginn der für die Luftreinhalteplanung zuständigen Behörde (Landesamt für Umweltschutz) und der Planfeststellungsbehörde einen Maßnahmenkatalog vorzulegen habe, in Folge dessen die Grenzwerte der 39. BImSchV eingehalten werden. Beispielhaft wurden allgemeine Verkehrsbeschränkungen, verkehrslenkende Maßnahmen, Fahrbahnreinigung, Durchsagen im Tunnel bei Stau zum Abschalten der Motoren, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Maßnahmen bei Stau bzw. Umleitungen genannt. Zum Lärmschutz war dem Planfeststellungsbeschluss die Nebenbestimmung (IV 6. b) beigefügt, dass der Vorhabenträger als aktive Lärmschutzmaßnahme eine Schall absorbierende Verkleidung für den Bereich der Trogwände und an den östlichen Tunnelportalen bis zu einer Tiefe von 20 m auf der Ernst-Reuter-Allee / Nähe Büro- und Einkaufsgebäude City Carré vorzusehen habe. Den Eigentümern der Gebäude Ernst-Reuter-Allee 28 - 42 sowie 37 und 41 - 45 wurden zudem dem Grunde nach ein Anspruch auf passive Schallschutzmaßnahmen bzw. auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen zugesprochen. Die Einwendungen des Klägers wies die Beklagte im Wesentlichen mit folgender Begründung zurück (vgl. S. 210 ff.):
- 18
Die Identität von Vorhabenträger, Anhörungsbehörde und Planfeststellungsbehörde sei – unabhängig von der Frage, ob es sich um einen Belang handele, den eine anerkannter Umwelt- und Naturschutzvereinigung wie der Kläger überhaupt geltend machen könne – nicht zu beanstanden.
- 19
Die vom Kläger vorgetragenen Bedenken gegen die Planrechtfertigung habe die Planfeststellungsbehörde umfassend geprüft; insoweit werde auf die Ausführungen im entsprechenden Kapitel des Planfeststellungsbeschlusses verwiesen.
- 20
Die Ausführungen des Klägers zur Variantenauswahl seien im Rahmen der Abwägung berücksichtigt worden. Die untersuchten Varianten habe man in den Erörterungsterminen am 28.11.2011 und am 30.11.2011 ausführlich dargestellt. Nicht gefolgt werde der vom Kläger im Erörterungstermin vertretenen Auffassung, dass eine Höhe von 4,50 m für die Eisenbahnüberführung nicht gefordert werden müsse, weil eine solche Durchfahrtshöhe lediglich auf einer Richtlinie beruhe, der Vorhabenträger in diesem Bereich eine erhebliche Verkehrsabsenkung und eine Herabstufung der Straße in ihrer Bedeutung vorsehe und die Beklagte in Ausübung ihres planerischen Gestaltungsspielraums selbst festlegen könne, dass sie diese Brücke nicht für jeglichen Kfz-Verkehr, aber für jeglichen Straßenbahnverkehr freigebe. Die Funktion der Hauptverkehrsstraße mit örtlicher Bedeutung sei im verkehrlichen Leitbild der Landeshauptstadt Magdeburg festgeschrieben, so dass die Hauptverkehrsstraße auch in dieser Form im Bestand gehalten werden müsse. Damit werde es auch notwendig, eine Durchfahrtshöhe von 4,50 m zu gewährleisten. Im Planfeststellungsverfahren seien zahlreiche Rechtsgüter zu beachten, so auch die Interessen von Gewerbetreibenden und Bürgern, den Innenstadtbereich an dieser Stelle erreichen zu können. Ein Planungskonzept, das den Individualverkehr an dieser Stelle herausnehmen würde, käme mit diesen Rechtsgütern in Konflikt.
- 21
Zu Unrecht verweise der Kläger bezüglich der Verkehrsprognose auf einen fehlerhaften Prognosehorizont für das Jahr 2015, der den ursprünglichen Planfeststellungsunterlagen zugrunde gelegen habe. Dieser Prognosehorizont würde in den geplanten Bauzeitraum fallen und stelle damit keine geeignete Grundlage für das Planfeststellungsverfahren dar. Da die Planfeststellungsbehörde diese Auffassung geteilt habe, sei dem Vorhabenträger aufgegeben worden, die auf den Prognosehorizont 2015 abgestellte Verkehrsuntersuchung zu aktualisieren. Mit dem sodann untersuchten Prognosehorizont für das Jahr 2025 sei ein geeigneter und von der Rechtsprechung für Verkehrsuntersuchungen anerkannter Prognosehorizont gewählt worden.
- 22
Die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen sei nach den gesetzlichen Grundlagen (§ 41 BlmSchG i.V.m. der 16. BImSchV) vorgenommen worden. Die Berücksichtigung lärmmindernder Fahrbahnbeläge habe man im Erörterungstermin ausführlich besprochen. Im Ergebnis der Aussagen des Gutachters könnten diese Fahrbahnbeläge nicht berücksichtigt werden, weil sich diese erst bei Geschwindigkeiten über 60 km/h auswirkten, auf der Ernst-Reuter-Allee jedoch Geschwindigkeiten bis maximal 50 km/h zugelassen seien. Für die anderen im Erörterungstermin angesprochenen Beläge gebe es derzeit noch keine Langzeitversuche.
- 23
Den Bedenken des Klägers zur Ermittlung der zu erwartenden Erschütterungen sei nicht zu folgen. Diese sei auf der Grundlage der DIN 4150-1 sowie – für den Straßenbahnverkehr – auf der Grundlage der VDI 3837 erfolgt. Konkrete Messungen im Vorfeld der Maßnahme seien entbehrlich gewesen, weil sich nach Fertigstellung des Vorhabens die Ausbreitungssituation der Wellen aus dem Straßen- und Straßenbahnverkehr vollständig ändere. Durch die in die -1- Ebene herabgesetzte Fahrbahn mit abgegrenzten Bohrpfahlwänden und die Verlegung der Straßenbahntrasse auf die Tunnelebene änderten sich die Voraussetzungen für die zu erwartenden Erschütterungen maßgeblich. Insofern würden Messungen des derzeitigen Zustandes keine hinreichend verlässliche Grundlage für die zukünftig zu erwartenden Erschütterungen bieten. Aus diesem Grunde sei die vorgenommene Verfahrensweise, wonach vorhandene Ausbreitungsmodelle aus Messungen ermittelt und für die konkrete Bauausführung Annahmen getroffen worden seien, nicht zu beanstanden. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass erschütterungstechnische Untersuchungen zu Auswirkungen in der Bauphase ohnehin erst abschließend ermittelt und bewertet werden könnten, wenn genaue Informationen über die Art und Weise der baulichen Abläufe vorliegen. Da diese Vorgänge bisher nicht bekannt seien, weil sie erst in der Ausführungsplanung festgelegt würden, habe eine entsprechende Begutachtung nicht erfolgen können. Erhebliche Belästigungen von Menschen in Wohnungen und vergleichbar genutzten Räumen könnten durch die Einhaltung der DIN 41 50-2 vermieden werden, was durch die festgelegte Nebenbestimmung in Teil A, Kapitel IV, Punkt 3 b) sichergestellt werde.
- 24
Eine Bezugnahme auf die AVV Baulärm sei ausreichend, um die betroffenen Belange in der Bauphase zu schützen.
- 25
Die Einhaltung der Luftschadstoffgrenzwerte sei im Rahmen der Zulassung des Vorhabens beachtet, entsprechende Luftschadstoffuntersuchungen erstellt und von der Planfeststellungsbehörde ausgewertet worden. Dabei habe man festgestellt, dass die Einhaltung der Grenzwerte mit Mitteln der Luftreinhalteplanung und der Vorlage eines entsprechenden Maßnahmekataloges durch den Vorhabenträger möglich sei.
- 26
Die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt seien umfassend ermittelt worden. Insoweit werde auf die zusammenfassende Darstellung gemäß § 11 UVPG sowie die Bewertung gemäß § 12 UVPG unter Teil C, Kapitel IX, Punkt 5 verwiesen.
- 27
Der Einwand, dass § 78 VwVfG ein einheitliches Planfeststellungsverfahren gebiete und dass das eisenbahnrechtliche und das straßenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren einander dergestalt bedingten, dass eine nicht einheitliche Entscheidung wegen Nichtberücksichtigung der Zusammenhänge abwägungsfehlerhaft und daher rechtswidrig sei, sei nicht Gegenstand der Stellungnahme des Klägers gewesen, sondern erstmals im Rahmen des Erörterungstermins vorgebracht worden. Ungeachtet der Frage einer etwaigen Verfristung greife der Einwand, der sich auf das Planfeststellungsverfahren, welches durch das Eisenbahnbundesamt gemäß § 18 Abs. 1 AEG für den Umbau des Spurplans Mitte nahezu zeitgleich durchgeführt werde und im Januar 2011 durch die Beigeladene beantragt worden sei, nicht. Abgesehen davon, dass sich der Kläger auf eine eventuelle Unzuständigkeit der Planfeststellungsbehörde voraussichtlich nicht berufen könne und fraglich sei, ob die Verletzung des durch § 78 VwVfG für bestimmte Fälle normierten Einheitlichkeitsgebots zur Abwägungsfehlerhaftigkeit der jeweils isolierten Planteststellungsbeschlüsse führen könne, sei die Durchführung eines einheitlichen Verfahrens, das zu einer einheitlichen Planfeststellungsentscheidung führe, vorliegend nicht notwendig im Sinne des § 75 Abs. 1 VwVfG, weil planerisch erhebliche Belange des einen Verfahrens im anderen durch Verfahrensbeteiligung und durch Berücksichtigung – etwa im Rahmen planerischer Abwägung – angemessen erfasst würden.
- 28
Der Planfeststellungsbeschluss wurde im Amtsblatt der Beklagten vom 13.04.2012 öffentlich bekannt gemacht und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.04.2012 zugestellt.
- 29
Am 21.05.2012, einem Montag, hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14.06.2012 wegen instanzieller Unzuständigkeit an das erkennende Gericht verwiesen hat. Zur Begründung ihrer Klage wiederholt der Kläger seine im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwände und trägt ergänzend vor:
- 30
Er sei hinsichtlich aller geltend gemachten verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Mängel des Planfeststellungsbeschlusses klagebefugt. Als anerkanntem Umwelt- und Naturschutzverband stünden ihm einerseits Klagerechte auf der Grundlage des Umweltrechtsbehelfsgesetzes, andererseits Klagerechte auf der Grundlage des
- 32
Der Planfeststellungsbeschluss sei bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Beklagte für die Planfeststellung nicht zuständig sei. Mit diesem Einwand sei er nicht präkludiert, da es sich um eine Rechtsfrage handele. Unabhängig davon wäre der Einwand nicht präkludiert, weil die ausgelegten Planunterlagen insoweit keinen Anlass zur Stellungnahme geboten und insoweit ihre Anstoßfunktion verfehlt hätten. Nach § 78 Abs. 1 VwVfG finde nur ein Planfeststellungsverfahren statt, wenn mehrere selbständige Vorhaben, für deren Durchführung Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben seien, derart zusammenträfen, dass für diese Vorhaben oder für Teile von ihnen nur eine einheitliche Entscheidung möglich sei, und mindestens eines der Planfeststellungsverfahren bundes- rechtlich geregelt sei. Das Verwaltungsgericht Magdeburg sei in seinem Verweisungsbeschluss im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Erneuerung der Eisenbahnüberführung Anlass der planfestgestellten Planung sei und diese in das planfeststellungsbedürftige Großvorhaben „Eisenbahnknoten Magdeburg“ eingebunden sei. Die Beklagte habe dies etwa in ihrem Schriftsatz vom 21.06.2012 bestätigt und dort u.a. darauf abgestellt, dass der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss sich auf den Planfeststellungsabschnitt 61.12 beziehe und das Betonbauwerk der Brücke mit einbeziehe, während der Schotterunterbau und die Gleisanlage von dem Planfeststellungsabschnitt 61.11 erfasst werde. Sie treffe dort für die Eisenbahnbrücke über die Ernst-Reuter-Allee die bemerkenswerte Aussage, dass dieses Bauwerk für sich genommen eine eigenständige Funktion besitze und nicht abhängig sei von dem beim Eisenbahn-Bundesamt noch laufenden Planfeststellungsverfahren „Spurplan Mitte“. Welche gegenüber dem Fahrweg der Eisenbahn eigenständige Funktion eine Eisenbahnbrücke haben solle, sei nicht ersichtlich.
- 33
Das planfestgestellte Vorhaben sei wegen verkehrlicher Überlastung nicht funktionsfähig und lasse sich damit nicht rechtfertigen. Es sei abwägungsfehlerhaft und verursache unzumutbare Lärm- und Luftschadstoffbelastungen. Die fehlende Funktionsfähigkeit ergebe sich aus der Verkehrsuntersuchung in Verbindung mit fehlender sachgerechter Prognose und Fehleinschätzungen des zu erwartenden Gesamtverkehrsaufkommens, insbesondere des LKW-Aufkommens, und einer Fehleinschätzung des Verkehrs aus dem Einkaufszentrum City Carré und des am Knotenpunkt Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße wendenden Verkehrs. Eine methodengerechte Verkehrsprognose, die sich mit allen relevanten Eingangsparametern auseinandersetze und auf dieser Basis nach anerkannter Methodik eine künftige Verkehrsbelastung plausibel und nachvollziehbar prognostiziere, gebe es nicht. Es seien nur noch die verkehrlichen Wirkungen und die Umweltauswirkungen des 2025 gegenüber 2015 reduzierten Verkehrs untersucht worden. Alle Angaben insoweit gingen aber davon aus, dass es 2015 und von 2018 bis 2025 ein höheres Verkehrsaufkommen als 2025 gebe. Diese nach den Annahmen des Vorhabenträgers und seiner Gutachter in der Zukunft gegenüber der Prognosebelastung tatsächlich höhere zu erwartende Belastung hätte aber sowohl auf ihre verkehrlichen Auswirkungen wie auf ihre Umweltauswirkungen untersucht werden müssen. Da schon die niedrigere Belastung im Prognosezeitpunkt 2025 zu verkehrlichen Überlastungen und Immissions-Grenzwertüberschreitungen führe, müsse dies erst recht und noch einmal verstärkt für die zwischenzeitlich höhere Belastung gelten. Die Planfeststellungsbehörde habe mithin den größten Belastungs- und damit auch größten Konfliktfall gar nicht ermittelt und in die Abwägung eingeführt. Für die Fußgänger- und Radverkehre sei weder eine aktuelle Erfassung noch eine Prognose angestellt worden, obwohl bereits heute deutliche Behinderungen beider Verkehrsarten zu beobachten seien und wohl auch eingeräumt würden und obwohl diese Verkehrsströme zu einer „Behinderungssituation“ für den Kfz-Verkehr führten. In den Tabellen zur Verkehrsuntersuchung würden diese Verkehrsströme stets nur als „geschätzt“ geführt. Bei tendenziell steigendem Fußgänger- und Radverkehr verstärkten sich die Behinderungen. Das habe aufgrund fehlender Bestandserfassung und Prognose nicht berücksichtigt werden können. Auch ohne Berücksichtigung der zu erwartenden Entwicklungen würden für Fußgängerverkehrsströme teils schlechte Qualitätsstufen errechnet. In der Verkehrsuntersuchung werde unzweideutig beschrieben, dass das Vorhaben zu schlechten Verkehrszuständen führe, die für einzelne Verkehrsströme mit Qualitätsstufe „F“, für andere mit „E“ und „D“ beschrieben würden. Dabei werde gerade bei den Ausführungen zu den am kritischen Knotenpunkt wendenden Fahrzeugen deutlich, dass die Aussagen dann nicht mehr gehalten werden könnten, also noch schlechtere Verkehrszustände drohten, wenn mehr als 1 bis 2 wendende PKW oder auch nur ein LKW pro Ampelphase auftrete. Das damit aufgezeigte Problem hätte in der Planfeststellung gelöst werden müssen, sei aber einfach sehenden Auges als Unsicherheit hingenommen worden. Diese Unsicherheit könne aber zu schlechteren Verkehrszuständen als derzeit führen. Die Planfeststellung einer Situation, die verkehrlich schlechter sei als der Ist-Zustand, widerspreche dem proklamierten Ziel des Vorhabens und könne auch nicht abwägungsgerecht sein. Das Gebot der Konfliktbewältigung sei hier verletzt. Das werde auch durch einen Blick in die vorherige Fassung der Verkehrsuntersuchung bestätigt. Dort habe der Gutachter wegen der von ihm festgestellten schlechten Verkehrszustände dringend empfohlen, Varianten unter Einbeziehung der Umgestaltung des kritischen Knotenpunktes zu prüfen. Um die Bedeutung der vom Gutachter festgestellten Qualitätsstufen zu verdeutlichen, müsse das sog. HBS 2001 als allgemein anerkannte Grundlage für die Planung von Straßen herangezogen werden. Die darin genannte (schlechteste) Qualitätsstufe F sei nicht funktionstüchtig und dementsprechend auch nicht planfeststellungsfähig. Dies ergebe sich auch aus der von der Beklagten nunmehr vorgelegten Untersuchung der Fa. (...) vom Juni 2013. Erst durch die Inanspruchnahme einer derzeit noch vom Straßenbahnverkehr genutzten Fläche für eine zusätzliche Linksabbiegespur könnte eine akzeptable Verkehrsqualität gewährleistet werden. Dem stehe der angefochtene Planfeststellungsbeschluss aber entgegen.
- 34
Bereits im Anhörungsverfahren habe er darauf hingewiesen, dass in den Planfeststellungsunterlagen eine – hier offenkundig erforderliche – methodengerechte Verkehrsprognose fehle. Zwar werde in den einzelnen Belastungsgutachten jeweils eine bestimmte Verkehrsbelastung angenommen. Die diesen Belastungsannahmen zugrunde liegende Verkehrsprognose sei Gegenstand der Planfeststellungsunterlagen. Da eine Prognose zumindest auf ihre Schlüssigkeit und Methodengerechtigkeit zu überprüfen sei, müsse sie auch Gegenstand von Planfeststellungsunterlagen sein. Die ausgelegten Unterlagen wiesen insoweit erhebliche Defizite auf. Jedenfalls seien die angenommenen Verkehrszahlen bereits deswegen verfehlt, weil der zu erwartende erhebliche Anstieg des LKW-Aufkommens in den Belastungsdaten, die den Immissionsgutachten zugrunde liegen, nicht berücksichtigt worden sei. Die Unterführung der Ernst-Reuter-Allee unter den Eisenbahngleisen weise derzeit eine Höhe auf, die sie für größere LKW nicht nutzbar mache. In der Vergangenheit sei es daher verschiedentlich zu Problemen gekommen. Die Unterführung werde von größeren LKWs in der Regel nicht genutzt. Mit dem Vorhaben solle die lichte Höhe der Unterführung angehoben werden. Sie werde damit in vollem Umfang für alle LKW nutzbar mit der Folge, dass sich das LKW-Aufkommen bereits aus diesem Grunde voraussichtlich erheblich erhöhen werde. Dazu trage auch bei, dass mit Befahren dieser Straße drei Mautstellen umfahren werden könnten. Solange projektspezifische Prognosen des LKW-Anteils fehlten, sei von den LKW-Anteilen nach Tabelle A in Anlage 1 zur 16. BImSchV für die schalltechnische Berechnung auszugehen. Die Straße sei im Sinne der Tabelle A der Anlage 1 zur 16. BImSchV als Gemeindeverbindungsstraße einzustufen. Der LKW-Anteil sei damit mit 20 % tags und 10 % nachts anzunehmen. Die Erforderlichkeit einer methodengerechten Verkehrsprognose, die hier nicht vorliege, ergebe sich hier aus den Besonderheiten des Einzelfalls. Der Neubau der A 14 und andere verkehrliche Entwicklungen in naher Zukunft im näheren Umfeld führten zu wesentlichen Veränderungen der Verkehrsströme. Die neue Strecke der A 14 befinde sich in einem Abschnitt nördlich von Magdeburg bereits im Bau, andere Abschnitte befänden sich in der Planfeststellung. Auf absehbare Zeit werde der Verkehr der A 14 über die B 189 direkt nach Magdeburg hineingeführt, soweit es sich um Nord-Süd-Verkehr handele, da die autobahnähnlich ausgebaute B 189 den Verkehr aufnehmen müsse und die kürzeste Verbindung nach Süden durch Magdeburg führe. Das führe zu deutlichen Veränderungen im Verkehrsaufkommen. Wie sich das auf die Ernst-Reuter-Allee als Zubringer zur Innenstadt auswirke, hätte untersucht werden müssen.
- 35
Die zu erwartenden Verkehre aus der Tiefgarage des Einkaufszentrums und die Verkehre, die von dort nach Westen verliefen und nach der Planfeststellung bis zur Kreuzung Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße führen und dort wenden müssten, seien aus sachlich nicht nachvollziehbaren Erwägungen und damit willkürlich falsch eingeschätzt worden. Obgleich der Vorhabenträger selbst insoweit über keine nachvollziehbaren, plausiblen und hinreichend substantiierten Untersuchungen verfüge und der Betreiber des Einkaufzentrums im Laufe des Planfeststellungsverfahrens Zahlen vorgelegt habe, die den Annahmen des Vorhabenträgers deutlich widersprächen, habe die Planfeststellungsbehörde allein die Zahlen des Vorhabenträgers als glaubwürdig gewertet. Der Betreiber des Einkaufszentrums habe mit seiner Klagebegründung ein Verkehrsgutachten mit qualifizierten Zählergebnissen vorgelegt, die er sich zu eigen mache. Im Ergebnis führe das zu folgender Schlussfolgerung: In der Spitzenstunde sei bei Annahme konstanter Verkehrszahlen mit 116 bis 168 Ausfahrten aus der Tiefgarage auf die Ernst-Reuter-Allee zu rechnen. Von diesen hätten 65 %‚ d.h. 75 bis 109 Fahrzeuge ein Fahrtziel im Westen und müssten daher an der Kreuzung Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße wenden. Wenn nicht mehr als 2 PKW pro Ampelschaltung wenden könnten, müsste es etwa einmal pro Minute oder 50 bis 55 mal in der Stunde eine Ampelphase geben, in der diese Fahrzeuge grün hätten. Angesichts der Vielzahl der Verkehrsströme an diesem Knotenpunkt – das Phasenwechselschema der Verkehrsuntersuchung weise 10 Phasen aus – scheine das nicht möglich. Es hätte daher mit einem Szenario „auf der sicheren Seite“, zumindest aber einmal mit einem realistischen Szenario berechnet werden müssen, welche Verkehrsqualitäten sich bei den realistischerweise zu erwartenden deutlich höheren Abbiegerzahlen ergäben. Mit der unrealistisch niedrigen Annahme sei der Konflikt nicht zutreffend erfasst und habe auch gar nicht bewältigt werden können; vielmehr sei von einer noch deutlich größeren Rückstaubildung auszugehen. Der festgestellte Plan stelle daher keinen bedarfsgerechten Ausbau dar und könne nicht nach Landesstraßenrecht gerechtfertigt sein.
- 36
Ein nicht funktionsfähiges Verkehrsvorhaben, das sich anhand der fachplanungsrechtlichen Ziele nicht rechtfertigen lasse, könne zudem in der Abwägung kein solches Gewicht erlangen, dass es entgegenstehende Belange von Gewicht überwinden könnte. Dies seien hier öffentliche und individuelle Interessen am Schutz vor unzumutbaren Immissionen, die erheblichen Beeinträchtigungen von Anliegern und der Allgemeinheit während der gesamten Bauphase und während des späteren Betriebs. Offenkundig seien die Abwägungsfehler bereits deswegen, weil sie Gegenstand von Einwendungen und Stellungnahmen im Verfahren und der Diskussion im Erörterungstermin gewesen seien. Von Auswirkung auf das Ergebnis seien die Abwägungsfehler, weil der Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich davon ausgehe, das Vorhaben sei im fachplanungsrechtlichen Sinne gerechtfertigt und die für das Vorhaben streitenden Belange erlangten aufgrund der Funktionsfähigkeit des Vorhabens ein hohes Gewicht und könnten entgegenstehende Belange überwinden.
- 37
Insbesondere der Schutz vor Luftschadstoffen sei fehlerhaft geprüft und abgewogen. Die bereits gerügten Fehler der Verkehrsprognose seien zum Gegenstand der Luftschadstoffuntersuchung gemacht worden mit der Folge, dass die zu erwartende Luftschadstoffbelastung deutlich zu niedrig angesetzt worden sei. Die Tabellen aus der Luftschadstoffuntersuchung verdeutlichten, dass von annähernd gleichbleibenden Verkehrszahlen ausgegangen worden sei. Selbst diese – deutlich zu niedrig angesetzten – Verkehrszahlen führten bereits zu einer Überschreitung der Luftschadstoffgrenzwerte. Dabei sei nicht nur die Zahl der Fahrzeuge insgesamt und besonders der LKW unterschätzt worden; hinzu komme, dass in der Luftschadstoffuntersuchung offenbar nicht die oben aus dem Verkehrsgutachten zitierten Verkehrszustände, insbesondere die für die Luftschadstoffbelastung maßgebliche Staubildung angemessen berücksichtigt worden sei. Die Grenzwertüberschreitungen seien realistischerweise höher anzusetzen als berechnet. Es sei nicht dargetan, dass das Problem überhaupt lösbar sei; denn die Grenzwertüberschreitungen lägen deutlich höher als angenommen. Damit reiche aber auch das vom Vorhabenträger dargelegte Minderungspotenzial nicht aus, um die Grenzwerte einzuhalten. Schließlich sei das vom Vorhabenträger präsentierte und der Luftschadstoffuntersuchung in ihrer letzten Fassung zugrunde gelegte Konzept zur Minderung der Belastung durch Verkehrsbeschränkungen auch nicht plausibel. Es bleibe völlig unklar, wie die vom Luftschadstoffgutachter seinen Berechnungen zugrunde gelegten deutlich niedrigeren Verkehrszahlen zustande kämen. So sei wohl nicht vorgesehen, ein Monitoring-System einzuführen, das die Anzahl der Fahrzeuge und die Luftschadstoffbelastung überwache und die Ampeln so steuere, dass nur die Menge von Fahrzeugen durch die Ernst-Reuter-Allee fahren könne, bei denen die Luftschadstoffgrenzwerte noch eingehalten werden. Die Nebenbestimmung auf S. 39 des Planfeststellungsbeschlusses löse den Konflikt nicht hinreichend. Sie sei nicht hinreichend bestimmt, wenn dort von einem vorzulegenden Maßnahmenkatalog vor Baubeginn die Rede sei und Beispiele für Maßnahmen genannt würden. Denn einige der dort beispielhaft angeführten Maßnahmen könnten im konkreten Fall kaum effektiv sein. So würden etwa Verkehrsbeschränkungen wie das häufig zur Minderung der Luftschadstoffbelastung eingesetzte Tempo 30 bei der berechneten Verkehrssituation zu keiner deutlichen Besserung führen können. Hinweise im Tunnel zum Abschalten der Motoren bei Stau seien bereits beauflagt und könnten kaum zusätzlich effektiv sein. Vor allem aber sei die Nebenbestimmung rechtlich unzulänglich. Werde dem Vorhabenträger die Konfliktlösung aufgegeben, so müsse der Baubeginn davon abhängig gemacht werden. Dazu stehe traditionell die aufschiebende Bedingung zur Verfügung. Da eine solche aber nicht habe formuliert werden sollen, bleibe unklar, welche Folgen der Planfeststellungsbeschluss an die (Nicht-) Erfüllung der Nebenbestimmung knüpfe. Auch müsste die Einhaltung der Nebenbestimmung für Verbände und Betroffene gerichtlich überprüfbar sein, was hier nicht gewährleistet sei.
- 38
Der Kläger beantragt,
- 39
den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 10.04.2012 aufzuheben,
- 40
hilfsweise,
- 41
den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 10.04.2012 für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
- 42
hilfsweise,
- 43
die Beklagte zu verpflichten, den Kläger im Hinblick auf die in den Einwendungen/Stellungnahmen im Planfeststellungsverfahren zum Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 10.04.2012 erhobenen Forderungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
- 44
Die Beklagte beantragt,
- 45
die Klage abzuweisen.
- 46
Sie trägt vor, es gebe kein gesetzliches Verbot der Identität von Anhörungsbehörde und Planfeststellungsbehörde sowie der Doppelzuständigkeit einer Behörde als Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde.
- 47
Der Einwand der fehlenden Zuständigkeit aufgrund der Regelung in § 78 VwVfG sei nicht Gegenstand des Einwendungschreibens vom 22.01.2011 gewesen, so dass der Kläger mit diesem Einwand präkludiert sei. Im Übrigen seien die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 VwVfG für eine einheitliche Planfeststellung bei Zusammentreffen mehrerer Vorhaben in Bezug auf das Vorhaben der Beigeladenen „Spurplan Mitte“ nicht erfüllt. Beide Bauvorhaben seien in ihrer Bauausführung getrennt durchführbar.
- 48
Aus der von der Eigentümerin des City Carrés erst nach der Abwägungsentscheidung durchgeführten Verkehrszählung, die in der Spitzenstunde 125 nach links in die Ernst-Reuter-Allee abbiegende Fahrzeuge ermittelt habe, lasse sich die Unrichtigkeit ihrer Prognose nicht ableiten. Selbst wenn 125 Fahrzeugen in der Spitzenstunde anzunehmen sein sollten, lasse sich durch verkehrsorganisatorische Anpassungen am Knotenpunkt Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße und Optimierung des Signalzeitenplans eine Verkehrsqualität der Stufe „D“ erreichen. Ferner verdeutliche die gesamte Abwägung im Planfeststellungsbeschluss, dass eine veränderte Zahl der Wender zu keiner anderen Abwägung geführt hätte.
- 49
Die Beigeladene beantragt,
- 50
die Klage abzuweisen.
- 51
Sie schließt sich den Ausführungen der Beklagten an und trägt ergänzend vor:
- 52
Der Kläger könne sich auf die vermeintlich fehlende Planrechtfertigung für das streitgegenständliche Vorhaben nicht berufen. Die Feststellung, dass ein Vorhaben mit den Zielvorgaben des einschlägigen Fachrechts konform sei und sich dafür eigne, einen vorhandenen Verkehrsbedarf zu befriedigen, habe keinen unmittelbaren Bezug zur Wahrung des Umweltschutzes.
- 53
Unabhängig davon, dass der Kläger einen vermeintlichen Verstoß gegen § 78 VwVfG nicht gerichtlich geltend machen könne, hätten die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 VwVfG hinsichtlich des Eisenbahnvorhabens nicht vorgelegen, so dass es zu Recht nicht in die streitgegenständliche Planfeststellung einbezogen worden sei. Gegenstand ihres Vorhabens sei die Erneuerung und Änderung des Überführungsbauwerks der Eisenbahnüberführung. Diese solle abgerissen und auf den bestehenden Widerlagern in geänderter Form errichtet werden. Grund hierfür sei insbesondere die Baufälligkeit des bereits aus dem Jahre 1897 stammenden Bauwerks. Bedingt sei die Erneuerung zudem durch das Vorhaben Spurplan Mitte. Zwar sei die Neugestaltung der Gleisanlage – ebenso wie die Erneuerung der Eisenbahnüberführung – Teil des Gesamtvorhabens „Ausbau Eisenbahnknoten Magdeburg – 2. Ausbaustufe“. Das Gesamtvorhaben sei jedoch, wie bei Großvorhaben üblich, in verschiedene Bau- und Planfeststellungsabschnitte unterteilt. Die Neugestaltung des Überführungsbauwerks sei als Bauabschnitt 61.12 gekennzeichnet. Die Änderung der Gleisanlagen sei dem Abschnitt 61.11 zugeordnet und zusammen mit einem weiteren Vorhaben Teil eines eigenständigen Planfeststellungsverfahrens beim Eisenbahn-Bundesamt, welches unter der Bezeichnung „Knoten Magdeburg, 2. Ausbaustufe – PFA 61.11 Umbau Spurplan Mitte und PFA 61.30 Umbau Verkehrsstation – km 140,3 + 90 - km 143,4 + 00 der Strecke Potsdam-Griebnitzsee – Eilsleben (6110)“ geführt werde. Der Planfeststellungsbeschluss vom 21.01.2013 zu diesem Verfahren liege seit kurzem vor. Hinsichtlich dieses Vorhabens lägen die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 VwVfG schon deshalb nicht vor, weil diesbezüglich eine einheitliche Entscheidung nicht notwendig gewesen sei. Zwar erfordere die Änderung des Spurplans eine Neugestaltung der Eisenbahnüberführung sowohl hinsichtlich der Linienführung als auch in der Gradiente. Es bestünden jedoch, anders als zwischen den planfestgestellten Vorhaben, keine so engen baulichen Verflechtungen mit dem Spurplan Mitte, dass eine einheitliche Planfeststellung auch insofern erforderlich gewesen wäre. Vielmehr sei die Konfliktbewältigung zwischen dem Vorhaben Eisenbahnüberführung und dem Spurplan Mitte ohne Weiteres auch im Wege der gegenseitigen Rücksichtnahme und Abstimmung möglich gewesen. Auch handele es sich bei dem Neubau des Überführungsbauwerks nicht um eine bloße Folgemaßnahme der Spurplanänderung, da die Ausführung des neuen Überführungsbauwerks aufgrund der aufwändigen Ausrichtung an den straßen- und straßenbahnseitigen Planungen der Beklagten über eine bloße Anpassung an den zukünftigen Spurplan weit hinausgehe. Auch sei nicht erkennbar, inwiefern der Kläger gerade durch die Bildung der Abschnitte 61.12 (Eisenbahnüberführung Ernst-Reuter-Allee) und 61.11 (Spurplan Mitte) und deren Planfeststellung im Wege verschiedener Planfeststellungsverfahren eine Verkürzung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten erfahren haben sollte. Auch die Forderung nach einer aufschiebenden Bedingung in Hinblick auf das Vorhaben Spurplan Mitte gehe daher schon im Ansatz fehl.
- 54
Soweit der Kläger sich auf Lärm- und Erschütterungsimmissionen des planfestgestellten Vorhabens berufe, könne sein Vortrag die mit dem Hauptantrag begehrte Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht rechtfertigen. Fehlende Maßnahmen des aktiven oder passiven Immissionsschutzes, die grundsätzlich durch Schutzauflagen behoben werden könnten, begründeten nur einen Anspruch auf Planergänzung, der im Wege einer Verpflichtungsklage durchzusetzen sei. Eine Planaufhebung komme nur in Betracht, wenn das Fehlen notwendiger Schutzauflagen ausnahmsweise so großes Gewicht habe, dass davon die Ausgewogenheit der Gesamtplanung oder eines wesentlichen Planungsteils betroffen sei. Daran fehle es hier; es ergebe sich kein Anhaltspunkt für die Annahme, die Planfeststellungsbehörde hätte in Kenntnis der vom Kläger gerügten Defizite eine andere konzeptionelle Planungsentscheidung getroffen. Vielmehr setze sich die Planfeststellungsbehörde mit allen Einwendungen des Klägers detailliert auseinander und erachtet sie entweder in der Sache für nicht gerechtfertigt oder für nicht maßgebend für ihre Abwägungsentscheidung. Im Übrigen seien die Rügen des Klägers mit Blick auf vermeintlich unzulässige Lärm- und Erschütterungsimmissionen des Vorhabens auch in der Sache unbegründet. Mit seinen Rügen bezüglich der Luftqualität verkenne der Kläger, dass die Einhaltung der Grenzwerte der Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung des Vorhabens darstelle. Die Planfeststellungsbehörde habe die Auswirkungen des Vorhabens auf die Luftqualität berücksichtigt und dafür Sorge getragen, dass die Einhaltung der Grenzwerte durch die Mittel der Luftreinhalteplanung nicht vereitelt werde. Die Rügen des Klägers, mit denen er sich auf verkehrliche Belange berufe, ließen ebenfalls den erforderlichen natur- oder umweltschutzrechtlichen Bezug vermissen. Sie seien auch in der Sache nicht berechtigt. Soweit er indirekt eine unzureichende Variantenuntersuchung rüge, verkenne er, dass er wegen seines beschränkten Klagerechts die Variantenauswahl nur insoweit angreifen könne, als sie sich auf die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege oder des Umweltschutzes auswirken könne. In materieller Hinsicht seien die Grenzen der bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten bestehenden planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die von der Behörde gewählte Linienführung hätte aufdrängen müssen. Das sei bei keiner der vom Kläger geforderten Varianten der Fall.
- 55
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 56
A. Das erkennende Gericht ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.
- 57
I. Die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts folgt allerdings entgegen der vom Verwaltungsgericht Magdeburg in seinem Verweisungsbeschluss vom 14.06.2012 vertretenen Auffassung nicht aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO. Danach entscheidet das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung der Strecken von Straßenbahnen, Magnetschwebebahnen und von öffentlichen Eisenbahnen sowie für den Bau oder die Änderung von Rangier- und Containerbahnhöfen betreffen. Im konkreten Fall wird durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss zwar auch der Bau von Betriebsanlagen für Straßenbahnen zugelassen, der gemäß § 28 Abs. 1 des Personenbeförderungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.08.1999 (BGBl I S. 1690), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.11.2011 (BGBl I S. 2272), – PBefG – der Planfeststellung bedarf. Ferner ist im Planfeststellungsbeschluss u.a. § 28 Abs. 1 PBefG als Rechtsgrundlage genannt. Die Beklagte hat indes das Planfeststellungsverfahren auf der Grundlage des § 37 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 06.07.1993 (GVBl. S. 492), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.03.2011 (GVBl. S. 492), – StrG LSA – durchgeführt. Sie ist im Rahmen einer Gesamtschau der aufein-andertreffenden Vorhaben (Änderung der Betriebsanlagen einer Eisenbahn, Änderung an den Straßenverkehrsanlagen, Änderung der Betriebsanlagen der Straßenbahn) in Anwendung des § 78 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zu der Auffassung gelangt, dass die geplante Errichtung des Tunnels und die daraus resultierenden Änderungen insbesondere auch durch die Innenstadtlage den größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen als die Änderung der Eisenbahnbetriebsanlagen berühren wird (S. 64). Das straßenbahnrechtliche Vorhaben hat die Beklagte in diesem Zusammenhang zwar nicht erwähnt; sie hat aber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das Planfeststellungsverfahren auf der Grundlage des § 37 StrG LSA durchgeführt werden soll. Für die Zuständigkeit ist entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts Magdeburg nicht entscheidend, ob die Beklagte – wie das Verwaltungsgericht ausführlich zu begründen versucht hat – das Planfeststellungsverfahren richtigerweise auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 PBefG hätte durchführen müssen, weil der Schwerpunkt des Vorhabens und damit auch der größere Kreis der öffentlich-rechtlichen Beziehungen nicht im Straßenbau, sondern im Straßenbahnbau liege. Maßgebend ist allein, nach welchen Verfahrensvorschriften das Planfeststellungsverfahren tatsächlich durchgeführt wurde. Treffen mehrere Vorhaben zusammen, für die Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben sind, und findet für sie ein einheitliches Planfeststellungsverfahren statt (§ 6 Abs. 1 VwVfG LSA bzw. § 78 Abs. 1 VwVfG), ist zwar auch für die gerichtliche Kompetenz die Konfliktregel des § 6 Abs. 2 Satz 1 VwVfG LSA bzw. § 78 Abs. 2 VwVfG maßgeblich, nach der sich die (behördlichen) Zuständigkeiten und das Verwaltungsverfahren nach den Rechtsvorschriften über das Planfeststellungsverfahren für diejenige Anlage richten, die einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt (Bier/Panzer, in: Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ronellenfitsch, VwGO, § 48 RdNr. 9). Vorliegend ist indes schon zweifelhaft, ob es sich bei der Änderung der Straße einerseits und der (Neu-)Verlegung der Straßenbahngleise andererseits überhaupt um (jeweils selbständige) Vorhaben im Sinne von § 6 Abs. 1 VwVfG LSA handelt. Die Selbständigkeit von Vorhaben in diesem Sinne ist nur dann gegeben, wenn diese aufgrund eigenständiger Pläne mit jeweils eigenem Planungskonzept durchgeführt werden sollen und bei denen sich die Gleichzeitigkeit nur mehr oder weniger zufällig ergibt, deren Planung nicht von dritter Seite veranlasst wird und die nicht allein Folgemaßnahmen eines anderen Vorhabens sind; keines der Vorhaben darf von dem anderen jeweils dergestalt abhängig sein, dass bei Wegfall des einen die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit zur Realisierung des anderen entfällt (vgl. zu § 78 Abs. 1 VwVfG: Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 78 RdNr. 6). Aber selbst wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 VwVfG LSA bzw. § 78 Abs. 1 VwVfG gegeben sind, erfasst die Zuweisung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO das gesamte einheitliche Verfahren, wenn dieses nach den Vorschriften für das zugewiesene Verfahrenabläuft; ist das zugewiesene Verfahren jedoch nicht bestimmend, verbleibt es auch insoweit bei der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts (Bier/Panzer, a.a.O., Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl., § 48 RdNr. 5). Wird der einheitliche Planfeststellungsbeschluss angefochten, richtet sich das gerichtliche Verfahren einheitlich nach den Vorschriften, auf deren Grundlage das Vorhaben zugelassen worden ist; das gilt insbesondere auch für die Zuständigkeit nach § 48 VwGO (Bonk/Neumann, a.a.O., RdNr. 18).
- 58
II. Der Senat sieht sich jedoch entsprechend § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG an die Verweisung des Verwaltungsgerichts gebunden.
- 59
§ 83 Satz 1 VwGO, der in Bezug auf die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit u.a. auf § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG verweist, ist als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens auf die instanzielle Zuständigkeit entsprechend anwendbar (BVerwG, Beschl. v. 08.01.2004 – 4 B 113.03 –, Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 21). Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ist der Beschluss, mit dem ein Gericht den Rechtsstreit an das (nach seiner Rechtsauffassung) zuständige Gericht verweist, für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift, den Kläger nicht zum Opfer eines Zuständigkeitsstreits zwischen den Gerichten zu machen, sondern den Fortgang des Verfahrens zu fördern, tritt die Bindungswirkung in aller Regel auch dann ein, wenn die Verweisung sachlich unrichtig ist (BVerwG, Urt. v. 15.03.1988 – 1 A 23.85 –, BVerwGE 79, 110). Eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung kommt – ausnahmsweise – nur bei schweren und offensichtlichen Rechtsverstößen in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.07.2004 – 7 VR 1.04 –, NVwZ 2004, 1046). Es muss sich um „extreme Verstöße" (BVerwG, Beschl. v. 08.11.1994 – 9 AV 1.94 –, NVwZ 1995, 372) bzw. „grob fehlerhafte Verstöße“ (BVerwG, Beschl. v. 01.12.1992 – 7 A 4.92 –, NVwZ 1993, 770) handeln. Dies ist etwa dann der Fall, wenn für den Beschluss jede gesetzliche Grundlage fehlt, er also auf Willkür beruhen würde (BVerwG, Urt. v. 15.03.1988, a.a.O.), oder wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken (gesetzlicher Richter) nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH, Beschl. v. 08.07.2003 – X ARZ 138/03 –, NJW 2003, 2990, m.w.N.). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Der rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichts, es komme bei der Bestimmung der Zuständigkeit nach § 48 Abs. 1 Nr. 7 VwGO – unabhängig davon, welches Verfahren die Behörde gewählt hat – darauf an, wo materiell der Schwerpunkt des einheitlichen Vorhabens liege, ist zwar sachlich unrichtig, jedoch nach der Einschätzung des Senats nicht im oben dargestellten Sinne grob fehlerhaft.
- 60
B. Die Rüge des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2013, der Senat sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil an dieser mündlichen Verhandlung ein anderer ehrenamtlicher Richter teilgenommen habe als bei der ersten mündlichen Verhandlung vom 25.04.2013, greift nicht durch.
- 61
Gemäß § 112 VwGO kann das Urteil nur von den Richtern und ehrenamtlichen Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben. Das Tatbestandsmerkmal „dem Urteil zugrunde liegende Verhandlung", das nach § 112 VwGO den gesetzlichen Richter bestimmt, bezieht sich nur auf die letzte mündliche Verhandlung, in der das Urteil ergangen ist, hier also die Verhandlung vom 10.10.2013 (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.08.2013 – 9 B 13.13. Juris, RdNr. 8, m.w.N.). Daraus folgt, dass bei einer Verhandlung an mehreren Sitzungstagen ein Richterwechsel nach Vertagung einer mündlichen Verhandlung unschädlich ist; etwas anderes gilt in der Regel bei einer bloßen Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, wenn sich ein und dieselbe mündliche Verhandlung über mehrere Verhandlungstage (Sitzungstage) hinzieht (vgl. BFH, Beschl. v. 03.12.2010 – V B 57.10 –, BFH/NV 2011, 615, RdNr. 5 in Juris, m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist die mündliche Verhandlung nicht lediglich unterbrochen, sondern ein neuer Verhandlungstermin anberaumt worden. Unabhängig davon ist es bei einem Richterwechsel grundsätzlich ausreichend, wenn der Berichterstatter den Sachverhalt einschließlich des Prozessverlaufs vorträgt (BVerwG, Beschl. v. 14.03.2011 – 8 B 61.10 –, ZOV 2011, 123, RdNr. 24 in Juris). Dies hat hier in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2013 stattgefunden. Bei diesem neuen Termin ist die vom Präsidium des Oberverwaltungsgerichts gemäß §§ 30, 34 VwGO aufgestellte Liste über die Reihenfolge in der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter zu beachten gewesen, was hier zur Folge gehabt hat, dass nur einer der beiden ehrenamtlichen Richter, die bereits am Termin vom 25.04.2013 teilgenommen hatten, am neuen Termin hat teilnehmen dürfen.
- 62
C. Die Klage hat keinen Erfolg.
- 63
I. Die Klage ist allerdings zulässig; insbesondere hat der Kläger die erforderliche Klagebefugnis.
- 64
1. Sie folgt aus § 2 Abs. 1 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 07.12.2006 (BGBI I S. 2816) – UmwRG. Danach kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung (1.) geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, (2.) geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und (3.) zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.
- 65
1.1. Bei dem angefochtene Planfeststellungsbeschluss handelt es sich um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG. Nach dieser Regelung findet dieses Gesetz Anwendung für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach (a) dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, (b) der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder (c) landesrechtlichen Vorschriften eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehen kann.
- 66
Ein Planfeststellungsbeschluss ist als Entscheidung in § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVPG genannt. Eine UVP-Pflicht besteht, wenn das Vorhaben zwingend UVP-pflichtig ist oder diese Pflicht auf Grund einer Vorprüfung im Einzelfall zu bejahen ist (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 2 UmwRG RdNr. 81). Aus der Formulierung „bestehen kann“ in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG ergibt sich allerdings, dass es für die Anwendbarkeit des UmwRG genügt, wenn die Möglichkeit einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht (vgl. Fellenberg/Schiller, a.a.O., § 1 UmwRG, RdNr. 29, m.w.N.). Nur die Begründetheit des Rechtsbehelfs setzt das objektive Bestehen einer UVP-Pflicht voraus (§ 2 Abs. 5 Satz 2 UmwRG). Die Möglichkeit einer UVP-Pflicht ist hier zu bejahen.
- 67
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich allerdings eine zwingende UVP-Pflicht des Vorhabens nicht aus § 1 Abs. 1, § 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Land Sachsen-Anhalt vom 27.08.2002 (GVBl. S. 372), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.01.2011 (GVBl. S. 5) – UVPG LSA i.V.m. Nr. 3.1 oder Nr. 3.3 der Anlage. Nr. 3.1 der Anlage betrifft den Bau einer dem Kraftfahrzeugverkehr vorbehaltenen, nur über Anschlussstellen oder besonders geregelte Kreuzungen erreichbaren Straße, auf der insbesondere das Halten und Parken verboten ist. Die Ernst-Reuter-Allee wird (im streitigen Abschnitt) nicht dadurch zu einer solchen Straße, dass die Ebene -1 des Tunnels künftig dem Kraftfahrzeugverkehr vorbehalten bleiben soll. Unabhängig davon, ob diese Regelung auch den Umbau einer bestehenden Straße erfasst, ist die künftig im Tunnel verlaufende Straßenstrecke der Ernst-Reuter-Allee auch nach dem Umbau nicht über eine besondere Anschlussstelle oder eine „besondere“ Kreuzung erreichbar. Vielmehr bleibt der Straßenabschnitt auch künftig über die bereits bestehenden Kreuzungen an der Otto-von-Guericke-Straße und am Damasch-keplatz an das übrige Straßennetz angebunden. Nr. 3.3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 1 UVPG LSA betrifft den Bau einer vier- oder mehrstreifigen Straße durch Verlegung oder Ausbau einer bestehenden Straße, wenn dieser geänderte Straßenabschnitt eine durchgehende Länge von 10 km oder mehr aufweist. Unabhängig davon, ob das streitige Vorhaben eine Verlegung oder Änderung in diesem Sinne darstellt, erreicht der geänderte Abschnitt jedenfalls keine Länge von 10 km.
- 68
Nach Nr. 3.6 der Anlage zum UVPG ist beim Bau – nicht beim Umbau – von „sonstigen“ also nicht den Nr. 3.1 bis 3.5 der Anlage unterfallenden Straßen nur eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach dem UVPG durchzuführen. Gemäß § 3c Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.02.2010 (BGBl I S. 94), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.02.2012 (BGBl I S. 212), – UVPG – i.V.m. Nr. 14.11 der Anlage 1 ist zudem lediglich beim Bau einer Bahnstrecke u.a. für Straßenbahnen eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen. Die Tatbestände der Nr. 3.6 der Anlage zum UVPG LSA und der Nr. 14.11. der Anlage 1 zum UVPG betreffen nach ihrem Wortlaut nicht die Änderung einer bereits bestehenden Straße oder Bahnstrecke für Straßenbahnen. Diese werden vielmehr von § 3e Abs. 1 UVPG erfasst, mit dem Anhang II Nr. 13, erster Anstrich der UVP-Änderungsrichtlinie (Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 03.03.1997) umgesetzt wurde (vgl. BT-Drs. 14/4599, S. 97), der die Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten des Anhangs I oder II betrifft, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Das UVP-Recht unterscheidet ausdrücklich zwischen dem (Neu-)Bau von Vorhaben und der Änderung bzw. Erweiterung vorhandener Vorhaben; die Vorhaben unterliegen jeweils unterschiedlichen Regelungen, die eine differenzierte Beurteilung der Umweltauswirkungen gestatten (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 21.11.2006 – 1 D 79/06 –, NordÖR 2007, 119, RdNr. 68 in Juris, m.w.N.). Eine andere Auslegung des Begriffs „Bau“ ist auch nicht deshalb geboten, weil Nr. 3.2 der Anlage zum UVPG LSA im Gegensatz zu den Nr. 3.1. und 3.3. bis 3.6 der Anlage vom Bau einer „neuen“ vier- oder mehrspurigen Straße mit einer durchgehenden Länge von 5 km oder mehr die Rede ist. Die Verwendung des Wortes „neu“ dient der Abgrenzung von der Nr. 3.3 der Anlage, die den Bau einer vier- oder mehrspurigen Straße durch Verlegung oder Ausbau einer bestehenden Straße betrifft, wenn dieser geänderte Straßenabschnitt eine durchgehende Länge von 10 km oder mehr aufweist. Bei einer anderen Auslegung würde jede nur geringfügige bauliche Änderung einer bestehenden Straße bereits zu einer UVP-Pflicht führen. Eine andere Bewertung mag dann geboten sein, wenn der Umbau einer Straße oder einer Straßenbahntrasse nach Umfang und Art einem Neubau gleichkommt. Ein Projekt zur Erneuerung einer Straße, das aufgrund seines Umfangs und seiner Art einem Bau gleichkommt, kann als Projekt betrachtet werden, das sich auf einen Bau im Sinne des Anhangs II Nr. 10 Buchstabe c) und h) der UVP-Richtlinie 85/337 und der an ihre Stelle getretenen Richtlinie 2011/92/EU bezieht (vgl. EuGH, Urt. v. 25.07.2008 – C-142/07 –, Slg. 2008, I-6097, RdNr. 36). Die hier geplante Trennung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) vom übrigen Verkehr durch Schaffung zweier getrennter Tunnelebenen bei im Wesentlichen gleich bleibender Kapazität der Flächen für den Straßen- und Straßenbahnverkehr stellt keinen solchen (Ausnahme-)Fall dar.
- 69
Gemäß § 2 UVPG LSA i.V.m. § 3e Abs. 1 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn (1.) in der Anlage 1 für Vorhaben der Spalte 1 angegebene Größen- oder Leistungswerte durch die Änderung oder Erweiterung selbst erreicht oder überschritten werden oder (2.) eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Eine mögliche UVP-Pflicht lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf § 2 UVPG LSA i.V.m. § 3e Abs. 1 Nr. 1 UVPG stützen, da mit der geplanten Änderung der Ernst-Reuter-Allee keine für Vorhaben der Spalte 1 der Anlage zum UVPG LSA angegebenen Größen- oder Leistungswerte selbst erreicht oder überschritten werden. Als relevanter Größenwert, bei dessen Erreichen eine UVP-Pflicht für den Bau bestimmter Arten von Straßen besteht, wird in der Anlage die Länge der Straße (5 km bzw. 10 km) genannt. Mit der geplanten Änderung werden solche Größen nicht erreicht oder überschritten. Es kommt allein eine UVP-Pflicht auf der Grundlage des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG in Betracht. Die Vorschrift erfasst auch Änderungen und Erweiterungen von „Altvorhaben", für die nach früherem Recht keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden musste (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2007 – 4 C 9/06 –, BVerwGE 130, 83 [89], RdNr. 29, m.w.N.). Für die Frage der UVP-Pflicht des „Grundvorhabens“ kommt es darauf an, ob dieses nach derzeitiger Gesetzeslage die Voraussetzungen erfüllt, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig machen (vgl. Sagenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UVPG § 3e RdNr. 10 f.; Dienes, in: Hoppe/Beckmann [Hrsg.], UVPG, 4. Aufl., § 3e RdNr. 8). Umstritten ist allerdings, ob, wenn für das „Grundvorhaben“ lediglich eine allgemeine oder standortbezogene Vorprüfung vorgesehen ist, das Änderungsvorhaben der UVP-Vorprüfungspflicht nach § 3e Abs. 1 UVPG unterfällt. Teilweise wird vertreten, dass nachträglich bezüglich des zu ändernden Vorhabens noch eine Vorprüfung nach § 3c UVPG durchgeführt werden müsse (vgl. zum Ganzen sowie verneinend: Sagenstedt, a.a.O. RdNr. 12). Der Umstand, dass die Anwendung des § 3e Abs. 1 UVPG auf zu ändernde Vorhaben, bei denen nach heutiger Rechtslage lediglich eine Vorprüfung durchzuführen wäre, streitig ist, genügt für die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG vorausgesetzte Möglichkeit, dass eine UVP-Pflicht bestehen kann. Ob tatsächlich eine UVP-Pflicht besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage (§ 2 Abs. 5 Satz 2 UmwRG).
- 70
Die Möglichkeit einer UVP-Pflicht ergibt sich ferner daraus, dass während der Bauphase Maßnahmen durchgeführt werden, die der UVP-Pflicht unterliegen können. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 03.07.2008 – C-215/06 –, NuR 2008, 562 [566], RdNr. 96 ff.) besteht eine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung nach der UVP-Richtlinie 85/8737 auch dann, wenn Anlagen, die Gegenstand eines Projekts sind, zwar weder in Anhang I noch in Anhang II der Richtlinie genannt werden, in Bauphasen aber zahlreiche Arbeiten notwendig sind, die in den Anhängen aufgeführt sind und bei ihnen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. So erfolgt nach Abschnitt IX. Nr. 5 des Planfeststellungsbeschlusses eine bauzeitliche Wasserhaltung, die der Nr. 13.3.2 der Anlage 1 zum UVPG zuzuordnen sei. Danach ist für das Entnehmen, Zutagefördern oder Zutageleiten von Grundwasser oder Einleiten von Oberflächenwasser zum Zwecke der Grundwasseranreicherung, jeweils mit einem jährlichen Volumen an Wasser von 100 000 m3 bis weniger als 10 Mio. m3, eine allgemeine Vorprüfung durchzuführen.
- 71
Mit dem Einwand, dass die Belange des Lärmschutzes und des Schutzes vor Luftschadstoffen fehlerhaft abgewogen worden seien, macht der Kläger zulässigerweise geltend, dass der Planfeststellungsbeschluss Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, namentlich immissionsschutzrechtlichen Vorschriften (§ 41 BImSchG, § 48a i.V.m der 39. BImSchV) widerspricht. Zu den Rechtsvorschriften, deren Verletzung eine Vereinigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG geltend machen kann, gehören auch alle – drittschützenden – Vorschriften, die dem Schutz von Menschen vor schädlichen Immissionen zu dienen bestimmt sind. Die Klagebefugnis setzt ferner nicht voraus, dass die Rechtsvorschrift, deren Verletzung behauptet wird, ausschließlich dem Umweltschutz dient. Es genügt, wenn sie zumindest auch dem Umweltschutz zu dienen bestimmt ist. Daher kann eine Vereinigung auch geltend machen, das – drittschützende – planungsrechtliche Abwägungsgebot sei wegen unzureichender Berücksichtigung von Belangen des Umweltschutzes verletzt (BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – 9 A 18.11 –, BVerwGE 144, 243 [245], RdNr. 12, m.w.N.).
- 72
1.2. Der Kläger macht ferner gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG geltend, in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch den Planfeststellungsbeschluss berührt zu sein. Nach § 2 Nr. 2, 4 und 10 der Satzung des Klägers in der Fassung vom 09.09.2012 hat er u.a. die Aufgaben, einen wirksamen Schutz des Lebens durchzusetzen, die Umwelt vor schädlichen Einflüssen durch Schadstoffeintragungen in die Luft zu schützen sowie bei Planungen, die für Natur, Landschaft oder Umwelt des Menschen bedeutsam sind, mitzuwirken.
- 73
1.3. Der Kläger war auch zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG berechtigt.
- 74
Das Recht zur Beteiligung ergibt sich nicht aus dem UmwRG selbst, sondern aus dem Fachrecht (Fellenberg/Schiller, a.a.O., § 2 RdNr. 39). So sehen etwa verschiedene Fachplanungsgesetze vor, dass anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen im Planfeststellungsverfahren zu beteiligen sind (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 LuftVG, § 18a Nr. 2 AEG, § 17a Nr. 2 FStrG, § 14a Nr. 2 WaStrG, § 43a Nr. 2 EnWG). Ein Beteiligungsrecht in Planfeststellungsverfahren ergibt sich ferner aus § 63 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 6 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29.07.2009 (BGBl I S. 2542) – BNatSchG. Die Bundesländer können zudem weitergehende Beteiligungsrechte für anerkannte Naturschutzvereinigungen vorsehen (§ 63 Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG).
- 75
Zwar sehen weder das StrG LSA, nach dessen Vorschriften das Planfeststellungsverfahren hier durchgeführt wurde, noch das PBefG eine Beteiligung von anerkannten Vereinigungen im Sinne des UmwRG vor.
- 76
Eine Berechtigung des Klägers ergibt sich aber aus § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG. Danach ist einer nach § 3 UmwRG von einem Land anerkannten Naturschutzvereinigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben in Planfeststellungsverfahren, wenn es sich um Vorhaben im Gebiet des anerkennenden Landes handelt, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind. Diese Voraussetzung erfüllt das Vorhaben.
- 77
Gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG sind Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Derartige Veränderungen können auch durch bauliche Anlagen im Innenbereich bewirkt werden (BVerwG, Urt. v. 31.08.2000 – 4 CN 6.99 –, BVerwGE 112, 41 [42], RdNr. 13 in Juris). Mit der Gestalt von Grundflächen ist deren äußeres Erscheinungsbild angesprochen, das durch geomorphologische Erscheinungen wie Berge, Hügel, Täler, fließende oder stehende Gewässer, aber auch durch seinen charakteristischen Pflanzenbewuchs wie Wälder, Schilf- und Röhrichtbestände, Hochstaudenfluren, Heiden und Grünländereien sowie Baumreihen, Büsche, Hecken, Baumgruppen oder typische Einzelbäume geprägt wird; überdies sind künstlich geschaffene Bestandteile der Landschaft und namentlich bauliche Anlagen, vorhandene Steinbrüche oder Schütthalden einzubeziehen, zumal auch sie das Erscheinungsbild der Erdoberfläche prägen (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BNatSchG § 14 RdNr. 5, m.w.N.). Handlungen, Vorhaben und Maßnahmen, die eine Grundfläche in ihrem äußeren Erscheinungsbild verändern, sind als relevante Veränderungen im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG zu erachten; dazu kann auch der Neu- und Ausbau von Straßen und Schienenwegen gehören (Gellermann, a.a.O., RdNr. 6).
- 78
Eine „Veränderung der Grundfläche“ im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG ergibt sich hier daraus, dass mit der Baumaßnahme auch der Verlust von landschafts- bzw. stadtbildprägenden Strukturen wie Bäume, Büsche, Grünanlagen verbunden ist (vgl. den landschaftspflegerischen Begleitplan, Beiakte I – Ordner 5/7, LBP, S. 81).
- 79
Auch lässt das streitige Vorhaben eine Veränderung des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels zu. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss enthält die vom 01.01.2014 bis 30.06.2017 befristete wasserrechtliche Erlaubnis für die Grundwasserabsenkung im Zuge der bauzeitlichen Wasserhaltung für die Eisenbahnüberführung (S. 27 des PFB).
- 80
2. Eine Klagebefugnis ergibt sich hingegen nicht aus § 64 Abs. 1 BNatSchG. Danach kann eine anerkannte Naturschutzvereinigung, soweit § 1 Absatz 3 des UmwRG nicht entgegensteht, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen gegen Entscheidungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und Abs. 2 Nr. 5 bis 7, wenn die Vereinigung (1.) geltend macht, dass die Entscheidung Vorschriften dieses Gesetzes, Rechtsvorschriften, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten, Naturschutzrecht der Länder oder anderen Rechtsvorschriften, die bei der Entscheidung zu beachten und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, widerspricht, (2.) in ihrem satzungsgemäßen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich, soweit sich die Anerkennung darauf bezieht, berührt wird und (3.) zur Mitwirkung nach § 63 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihr keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist. Der Kläger macht indes einen Verstoß gegen naturschutzrechtliche Vorschriften, die bei der Entscheidung zu beachten und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, nicht geltend.
- 81
II. Die Klage ist aber nicht begründet. Der Kläger hat weder Anspruch auf die begehrte Aufhebung des streitigen Planfeststellungsbeschlusses noch darauf, den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. Ebenso wenig hat er einen Anspruch auf Neubescheidung in Bezug auf die von ihm erhobenen Forderungen.
- 82
Soweit eine Klage auf das UmwRG gestützt wird, ist diese gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG nur begründet, soweit die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sind, und der Verstoß Belange des Umweltschutzes berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. § 2 Abs. 5 Satz 2 UmwRG verlangt darüber hinaus bei Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen muss.
- 83
1. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sind.
- 84
1.1. Der Kläger kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die Beklagte für den Planfeststellungsbeschluss nicht zuständig gewesen sei, weil gemäß § 78 VwVfG ein einheitliches, das Vorhaben der Beigeladenen einbeziehendes Planfeststellungsverfahren nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz vom 27.12.1993 (BGBl I S. 2378, ber. BGBl 1994 I, S. 2439), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2011 BGBl I S. 3044), – AEG – hätte durchgeführt werden müssen.
- 85
1.1.1. Mit dieser Rüge ist der Kläger allerdings nicht bereits präkludiert. Eine gesetzliche Einwendungsfrist besteht nicht. Die Präklusionsvorschrift für Betroffene (§ 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG) gilt für anerkannte Naturschutzverbände nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.02.2003 – 4 A 59.01 –, BVerwGE 118, 15 [17], RdNr. 16 f. in Juris). Aus § 63 Abs. 1 und BNatSchG folgt zwar nicht, dass für den Verband im Verwaltungsverfahren zeitlich unbegrenzt Gelegenheit zur Stellungnahme besteht. Die Vorschriften lassen Raum für verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen, die es ermöglichen, Vorbringen unberücksichtigt zu lassen, das der Verband im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht hat, obwohl er hierzu Gelegenheit hatte (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.02.2003, a.a.O., RdNr. 18). Hier setzte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 01.11.2010 zwar eine Frist zur Stellungnahme bis zum 22.01.2011. Im Schriftsatz vom 22.01.2011 rügt der Kläger eine Verletzung von § 78 VwVfG nicht. Die Rüge fehlender sachlicher Zuständigkeit unterliegt jedoch nicht der Einwendungspräklusion (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.2011 – 9 A 14.10 –, NVwZ 2012, 180 [181], RdNr. 12).
- 86
1.1.2. Ein Verstoß gegen die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 78 VwVfG ist vom Rügerecht des § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG indes nicht umfasst. Auf eine Verletzung des § 78 VwVfG könnte sich der Kläger allenfalls dann berufen, wenn er geltend machen könnte, mit der fehlerhaften Wahl des Verfahrens sei ihm die Möglichkeit vorenthalten worden, die Vereinbarkeit des planfestgestellten Vorhabens im Rahmen der Klage nach dem UmwRG zu unterwerfen (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 – 11 A 86.95 –, BVerwGE 101, 73 [77], RdNr. 27 in Juris). Dies ist aber nicht der Fall. Wie bereits dargelegt, ist die Klage nach dem UmwRG zulässig.
- 87
1.1.3. Im Übrigen ist der Beklagten und dem Beigeladenen darin zu folgen, dass das Planfeststellungsverfahren für das Vorhaben „Eisenbahnüberführung Ernst-Reuter-Allee“ zu Recht auf der Grundlage der Vorschriften des § 37 StrG LSA und nicht nach den Vorschriften des AEG durchgeführt wurde und die Beklagte deshalb gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 2 StrG LSA für die Durchführung einer Planfeststellung für dieses einheitliche, von ihr selbst geplante Vorhaben zuständig war. Das Rechtsstaatsprinzip und der Grundsatz des fairen Verfahrens schließen Identität zwischen Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde nicht aus, auch wenn eine organisatorische Trennung beider Funktionen, wie sie im Fachplanungsrecht üblich ist, wesentlich dazu beitragen könnte, die Gefahr und den äußeren Anschein zu vermeiden, dass der Planfeststellungsbehörde die notwendige Distanz gegenüber dem Vorhabenträger fehlt (BVerwG, Beschl. v. 09.04.1987 – 4 B 73.87 –, NVwZ 1987, 886).
- 88
a) Die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 VwVfG für eine Einbeziehung des eisenbahnrechtlichen Vorhabens waren insoweit erfüllt, als es um das Überführungsbauwerk „Ernst-Reuter-Allee“ geht.
- 89
Gemäß § 78 Abs. 1 VwVfG findet, wenn mehrere selbständige Vorhaben, für deren Durchführung Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben sind, derart zusammentreffen, dass für diese Vorhaben oder für Teile von ihnen nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist, und mindestens eines der Planfeststellungsverfahren bundesrechtlich geregelt ist, für diese Vorhaben oder für deren Teile nur ein Planfeststellungsverfahren statt.
- 90
aa) Eine solche Selbständigkeit des Überführungsbauwerks im Verhältnis zum übrigen Tunnelprojekt ist hier anzunehmen. Selbständig sind Vorhaben dann, wenn sie sachlich und funktionell nicht aufeinander bezogen sind, wenn insbesondere nicht ein Vorhaben das andere auslöst bzw. nach sich zieht; ist Letzteres der Fall, liegt in der Regel eine Folgemaßnahme vor, die von der Konzentrationswirkung des § 75 Abs. 1 VwVfG erfasst wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., RdNr. 6). Folgemaßnahmen sind zu treffen, um die Probleme zu lösen, die durch das Vorhaben für die Funktionsfähigkeit der anderen Anlagen entstehen; Folgemaßnahmen dürfen über Anschluss und Anpassung nicht wesentlich hinausgehen (BVerwG, Beschl. v. 13.10.2007 – 9 B 103.09 –, NVwZ 2010, 1244 [1245], RdNr. 4 in Juris, m.w.N.). Hiernach handelt es sich beim Bau eines Straßentunnels mit Trennung vom Straßenbahn-, Radfahrer- und Fußgängerverkehr nicht lediglich um eine Folgemaßnahme der notwendigen Erneuerung der Eisenbahnüberführung, weil sie wesentlich über die bloße Anpassung der vorhandenen Straße an die erneuerte Brücke hinausgeht.
- 91
bb) Es besteht auch die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung in Bezug auf die beiden Vorhaben.
- 92
a) Abzustellen ist allerdings nur auf das Überführungsbauwerk, nicht auf den gesamten Ausbau der 2. Stufe des Eisenbahnknotens Magdeburg (Spurplan Mitte). Der Ausbau des Eisenbahnknotens Magdeburg ist in mehrere Bauabschnitte aufgeteilt. Die Neugestaltung des Überführungsbauwerks gehört zum Abschnitt 61.12, während die Änderung der Gleisanlagen dem Abschnitt 61.11 (Umbau Spurplan Mitte, Bf Magdeburg Hbf) zugeordnet ist, für den das Eisenbahnbundesamt ein eigenes Planfeststellungsverfahren durchgeführt hat (vgl. den Erläuterungsbericht zur Planfeststellung Eisenbahnknoten Magdeburg – 2. Ausbaustufe, PFA 61.11 Spurplan Mitte, PFA 61.30 Umbau Verkehrsstation, S. 3, Ziff. 1.2).
- 93
Diese Abschnittsbildung ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere begegnet es keinen Bedenken, dass im hier maßgeblichen Bereich der Eisenbahnüberführung eine vertikale Abschnittsbildung dergestalt erfolgte, dass zwischen dem Überführungsbauwerk einerseits und den darüber verlaufenden Gleisanlagen andererseits getrennt wurde (vgl. Planunterlage „Nur zur Information“ 2.2 in Ordner 1/7).
- 94
Die Rechtsfigur der Abschnittsbildung bei der Planung von Verkehrswegen stellt eine richterrechtlich anerkannte Ausprägung des fachplanerischen Abwägungsgebots dar. Ihr liegt die Erwägung zugrunde, dass angesichts vielfältiger Schwierigkeiten, die mit einer detaillierten Streckenplanung verbunden sind, die Planungsträger ein planerisches Gesamtkonzept häufig nur in Teilabschnitten verwirklichen können. Dementsprechend ist die Aufspaltung eines Gesamtvorhabens in Teilabschnitte grundsätzlich zulässig. Sie stellt sich als ein Instrument der planerischen Problembewältigung dar (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 23.11.2007 – 9 B 38.07 –, NuR 2008, 176 [178], RdNr. 20. m.w.N.). Da für die Abschnittsbildung die planerische Gestaltungsfreiheit des Vorhabenträgers gilt, sind im Einzelfall sehr unterschiedliche Lösungen statthaft, soweit sie auf sachlich vertretbaren Erwägungen beruhen (vgl. Vallendar, in: Beck’scher Kommentar zum AEG, § 18 RdNr. 146). Im Einzelfall können auch einzelne Bauwerke, wie z.B. ein Tunnel oder eine Brücke, zulässigerweise einen Abschnitt bilden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.02.1996 – 4 A 42.95 –, NVwZ 1996, 905 [906], RdNr. 14 in Juris; Vallendar, a.a.O., m.w.N.). So lässt sich die Bildung eines eigenen Abschnitts für eine Brücke zulässigerweise damit begründen, dass eine baufällige alte Brücke entlastet und daher die neue Brücke zügig fertig gestellt werden müsse (BVerwG, Beschl. v. 02.02.1996, a.a.O.). Gebilligt hat die Rechtsprechung auch eine Plangenehmigung, die während eines noch nicht abgeschlossenen Planfeststellungsverfahrens für den mehrgleisigen Ausbau einer Eisenbahn-Bestandsstrecke zwecks deren Elektrifizierung erlassen worden war, um im Interesse einer Verkürzung der Fahrzeiten eine Zwischenlösung auf den Weg zu bringen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.08.1996 – 11 VR 10.96 –, NVwZ-RR 1997, 208).
- 95
Die Teilplanung darf sich allerdings nicht soweit verselbständigen, dass von der Gesamtplanung ausgelöste Probleme voraussichtlich unbewältigt bleiben. Dass die Folgen für die weitere Planung in den Blick genommen werden müssen, läuft aber nicht darauf hinaus, dass bereits im Rahmen der Planfeststellung für einen Teilabschnitt mit derselben Prüfungsintensität der Frage nach den Auswirkungen auf nachfolgende Planabschnitte oder gar auf das Gesamtvorhaben nachzugehen wäre. Andernfalls würden die Vorteile, die eine Abschnittsbildung im Interesse nicht nur einer praktikablen und effektiv handhabbaren, sondern auch einer leichter überschaubaren Planung rechtfertigen, wieder zunichte gemacht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte nach der Art eines (abwägungsbegrenzenden) „vorläufigen positiven Gesamturteils". Eine Prognose für die nachfolgenden Abschnitte muss ergeben, dass der Verwirklichung des Vorhabens keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 23.11.2007, a.a.O., m.w.N.). Die Bildung eines Abschnitts für ein Brückenbauwerk kann durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sein (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.02.1996, a.a.O.).
- 96
Hiernach begegnet die Abschnittsbildung keinen rechtlichen Bedenken. Die Beigeladene hat hierzu vorgetragen, dass die Abschnittsbildung gerade aufgrund der Verflechtung des Neubaus der Eisenbahnüberführung mit dem streitigen Vorhaben des Straßen- und Straßenbahnbaus gerechtfertigt sei. Im o.g. Erläuterungsbericht heißt es hierzu u.a.:
- 97
„Die räumliche Ausdehnung des Vorhabens Ausbau Eisenbahnknoten Magdeburg reicht über das Stadtzentrum von Magdeburg sowie die Stadteile Herrenkrug, Neustadt, Stadtfeld Ost, Sudenburg, Buckau, Leipziger Straße, Hopfengarten, Salbke und Westerhüsen sowie bis zu der an das Stadtgebiet Magdeburgs angrenzenden Gemeinde Biederitz und der Stadt Schönebeck (Elbe). Der Umbaubereich hat somit eine maximale Gesamtlänge von etwa 25 km.
- 98
Genauso wie die große räumliche Ausdehnung sind auch komplexe technische und verkehrliche Abhängigkeiten beim Umbau zu berücksichtigen.
- 99
So wird z.B. im Zusammenhang mit den Ersatzneubauten von Eisenbahnüberführungen das Verlangen des Straßenbaulastträgers berücksichtigt, so dass die verkehrlichen Verhältnisse der unterführten Straße verbessert werden kann. Hierfür können alle abgestimmten planerischen Grundlagen sowie die exakte terminliche Einordnung der einzelnen Maßnahmen jedoch nicht zeitgleich vorgelegt werden...
- 100
Aufgrund der vielfältigen Anforderungen und Betroffenheiten in Folge der Umbaumaßnahmen und der unterschiedlichen beteiligten Behörden und Stellen wird das Vorhaben in übersichtliche Planfeststellungsabschnitte gegliedert:
- 101
- PFA 01 BA 1201 Südwestlicher Bahnhofskopf Mittelspannungsring Teil A
- 102
- PFA 21 Erneuerung EÜ Ehle
- 103
- PFA 31 Integration Bf Schönebeck-Salzelmen in das ESTW-A
- 104
- PFA 40 Maßnahmen Bf MD-Neustadt, Maßnahmen Bf Magdeburg Hbf
- 105
- PFA 50 Maßnahmen Bf MD-Buckau und Bft MD-Fermersleben
- 106
- PFA 61.11 Umbau Spurplan Mitte, Bf Magdeburg Hbf
- 107
PFA 61.12 Erneuerung EÜ Ernst-Reuter-Allee (DB AG)
- 108
PFA 61.20 Mittelspannungsring Teil B
- 109
PFA 61.30 Umbau Verkehrsstation, Bf Magdeburg Hbf, Anlagen DB Station
& Service
- 110
- PFA 70 Magdeburg Hbf Umbau Spurplan Nord, Ersatzneubau EÜ Lorenz-
weg, Ersatzneubau EÜ Walter-Rathenau-Straße, Mittelspannungsring Teil
C
- 111
- PFA 80 Magdeburg Hbf Umbau Spurplan Süd, Ersatzneubau EÜ Hallische
Straße
- 112
- PFA 90 Ersatzneubau EÜ Erich-Weinert-Straße
- 113
Für die Erneuerung EÜ Ernst-Reuter-Allee wird eine gesonderte Planrechtsunterlage erstellt, da im Zusammenhang mit dem Abschluss von Kreuzungsmaßnahmen für die Ersatzneubauten der Eisenbahnüberführungen das Verlangen der Landeshauptstadt Magdeburg und der Magdeburger Verkehrsbetriebe zu berücksichtigen sind. Durch eine Trennung der beiden Planrechtsverfahren kann das Risiko einer terminlichen Beeinflussung der beiden Verfahren untereinander minimiert werden. Während das Planrechtsverfahren für den Spurplan Mitte durch das Eisenbahn-Bundesamt durchgeführt wird, führt die Landeshauptstadt Magdeburg das Planrechtsverfahren für die Erneuerung der EÜ Ernst-Reuter-Allee durch. Diese Maßnahmen werden in der vorliegenden Unterlage zur Information mit dargestellt...
- 114
Die in den einzelnen Abschnitten erzielten betrieblichen Verbesserungen werden erst mit dem Endzustand wirksam. Dennoch werden die Abschnittgrenzen so gewählt, dass die errichteten Anlagen in vollem Umfang nutzbar werden.
- 115
In allen Abschnitten wird auf den Endzustand Bezug genommen, so dass der jeweils zu behandelnde Abschnitt und der Zusammenhang zur Gesamtmaßnahme für die Betroffenen erkennbar bleibt.“
- 116
Es ist auch nicht ersichtlich, dass aufgrund der Teilplanung von der Gesamtplanung ausgelöste Probleme voraussichtlich unbewältigt bleiben.
- 117
ß) In Bezug auf die Eisenbahnüberführung und das übrige Tunnelbauwerk kann nur eine einheitliche Entscheidung getroffen werden.
- 118
Die in dieser Vorschrift angeordnete Kompetenzverlagerung auf die für das eine Vorhaben an sich nicht zuständige Planfeststellungsbehörde setzt einen nicht sinnvoll trennbaren Sachzusammenhang zwischen den beiden Vorhaben voraus. Können planerisch erhebliche Belange des einen Verfahrens in dem anderen durch Verfahrensbeteiligung und durch Berücksichtigung im Rahmen planerischer Abwägung angemessen erfasst werden, entfällt dieser Zusammenhang. Eine im Sinne des § 78 Abs. 1 VwVfG notwendig einheitliche Entscheidung ist mit anderen Worten (nur) dann geboten, wenn jeder der Vorhabenträger zur sachgerechten Verwirklichung seines Planungskonzepts darauf angewiesen ist, dass über die Zulassung der zusammentreffenden Vorhaben nur in einem Verfahren entschieden werden kann. Ein nur materielles Interesse an der planerischen Koordination verschiedener Belange rechtfertigt hingegen für sich nicht, die gesetzliche Verfahrenszuständigkeit zu ändern. Danach hängt es stets ganz wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der in § 78 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Problembewältigung eine einheitliche planerische Entscheidung für mehrere räumlich und zeitlich zusammentreffende selbständige Vorhaben fordert, oder ob die gebotene Koordinierung mittels verfahrensmäßiger und inhaltlicher Abstimmung auch ohne förmliche Zusammenführung der Verfahren und damit unter Wahrung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung möglich ist. Ein gemeinsamer Kreuzungspunkt zweier Vorhaben mag hierbei im Einzelfall für die Anwendung des § 78 Abs. 1 VwVfG ausreichen, führt aber nicht notwendig dazu. Ein erhöhter planerischer Koordinierungsbedarf, der eine Kompetenzverlagerung erzwingt, wird in der Praxis eine Ausnahme bleiben (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 04.08.2004 – 9 VR 13.04 –, NVwZ 2004, 1500 [1501], RdNr. 5 in Juris, m.w.N.). Bei Verkehrsbauten ist indes eine räumliche Überschneidung der Trassen ein starkes Indiz für die Anwendbarkeit von § 78 VwVfG (BVerwG, Beschl. v. 28.11.1995 – 11 VR 38.95 –, NVwZ 1996, 389 [390], RdNr. 39 in Juris).
- 119
Hiernach ist eine einheitliche Entscheidung geboten. Im Bereich der Eisenbahnüberführung sind die Vorhaben in einer Weise miteinander verflochten, dass zur Koordinierung eine bloße Verfahrensbeteiligung und die wechselseitige Rücksichtnahme im Rahmen der planerischen Abwägung nicht ausgereicht hätten. Für die Ausgestaltung der Überführung kamen mehrere Varianten in Betracht, die sich vor allem in der Höhenlage der Straße unterschieden, insbesondere auch im Überschneidungsbereich. Von der Variantenwahl sind eine Reihe teils gegenläufiger Belange berührt; die Ausgestaltung erforderte mithin eine die jeweiligen Vor- und Nachteile berücksichtigende Abwägung, die nur durch eine einheitliche Entscheidung geleistet werden konnte.
- 120
b) Sind – wie hier – die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 VwVfG erfüllt, richten sich gemäß § 78 Abs. 2 VwVfG Zuständigkeiten und Verfahren nach den Rechtsvorschriften über das Planfeststellungsverfahren, das für diejenige Anlage vorgeschrieben ist, die einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt. Bestehen Zweifel, welche Rechtsvorschrift anzuwenden ist, so führen, falls nach den in Betracht kommenden Rechtsvorschriften eine Bundesbehörde und eine Landesbehörde zuständig sind und sich die obersten Bundes- und Landesbehörden nicht einigen, die Bundesregierung und die Landesregierung das Einvernehmen darüber herbei, welche Rechtsvorschrift anzuwenden ist. Anhaltspunkte dafür, welches Vorhaben danach maßgeblich ist, sind die quantitativen und qualitativen Auswirkungen des Vorhabens, Bedeutung, Größe, Kapazität usw. des Vorhabens, die Art, Nachhaltigkeit und Gefährlichkeit usw. der Auswirkungen der Anlage, die Zahl der von den Auswirkungen des Vorhabens Betroffenen bzw. am Verfahren beteiligten Personen, die Größe des erfassten bzw. betroffenen Gebietes, die Bedeutung und das Gewicht der betroffenen öffentlichen und privaten Belange, insbesondere auch das öffentliche Interesse an der Durchführung des Vorhabens und der betroffenen öffentlichen Interessen und subjektiven Rechte sowie die Zuordnung dieser Interessen oder Rechte auf Grund des insoweit anzuwendenden Rechts zu einem bestimmten Verwaltungsgebiet (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 78 RdNr. 9). Der größere Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen wird hiernach durch das Straßen- und Straßenbahnvorhaben berührt, da die Ernst-Reuter-Allee bis zur Otto-von-Guericke-Straße wesentlich umgestaltet werden soll, während die Eisenbahnüberführung bereits vorhanden war und lediglich – auf bestehenden Widerlagern – erneuert werden soll.
- 121
1.2. Der Kläger kann seine Klage nicht mit Erfolg darauf stützen, dass der Planung die erforderliche Rechtfertigung fehle.
- 122
Fraglich ist bereits, ob sich ein anerkannter Umwelt- und Naturschutzverband im Rahmen einer Klage nach dem UmwRG überhaupt auf eine fehlende Planrechtfertigung berufen kann. Gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG können solche Rügen, die keinen Bezug zu umweltrechtlichen Belangen aufweisen, der Klage von Vereinigungen nicht zum Erfolg verhelfen. Es spricht einiges dafür, dass auch Art. 11 Abs. 1 der UVP-RL bei zulässigen Klagen von Vereinigungen gegen Entscheidungen über die Zulassung von Vorhaben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, keine umfassende gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit gebietet (BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – 9 A 18.11 –, a.a.O. RdNr. 18; vgl. auch zur naturschutzrechtlichen Verbandsklage: BVerwG, Beschl. v. 01.07.2003 – 4 VR 1.03. 4 A 1.03 –, Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3, RdNr. 8 f. in Juris). Dies bedarf jedoch vorliegend keiner abschließenden Klärung, weil die Planrechtfertigung gegeben ist.
- 123
a) Ein Planungsvorhaben ist dann gerechtfertigt, wenn sich das Vorhaben – gemessen an den Zielsetzungen des anzuwendenden Fachplanungsgesetzes – insgesamt als vernünftigerweise geboten erweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.07.2005 – 9 VR 39.04 –, Juris, RdNr. 6). Die Frage der Planrechtfertigung unterliegt zwar der vollen gerichtlichen Überprüfung. Gleichwohl ist die Planrechtfertigung eine praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit (BVerwG, Urt. v. 11.07.2001 – 11 C 14.00 –, BVerwGE 114, 364 [372], RdNr. 32 in Juris). Einen solchen planerischen Missgriff stellt das streitige Vorhaben nicht dar.
- 124
aa) Das hier anzuwendende StrG LSA bestimmt in seinem § 9 Abs. 1 Satz 2, dass die Träger der Straßenbaulast nach ihrer Leistungsfähigkeit die Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern haben; dabei sind die sonstigen öffentlichen Belange, insbesondere des Fußgänger-, Radfahrer- und Behindertenverkehrs sowie des öffentlichen Personennahverkehrs einschließlich des Umwelt- und Naturschutzes, zu berücksichtigen.
- 125
Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung des Vorhabens im Planfeststellungsbeschluss (S. 83 ff.) unter Bezugnahme auf die o.g. Zielsetzungen des StrG LSA u.a. darauf gestützt, dass die Eisenbahnunterführung an der Ernst-Reuter-Allee einen räumlichen Engpass für alle Verkehrsarten darstelle und mit der Entflechtung und Trennung zwischen motorisiertem Individualverkehr (MIV) und den Verkehrsarten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) stattfinde, so dass sich die Verkehrssicherheit im Bereich Damaschkeplatz / Brandenburger Straße besonders für den ÖPNV und den Radverkehr verbessere. Durch die Schaffung einer separaten Einbiegespur in die Tiefgarage des City Carrés, einer separaten Ausbiegespur aus der Tiefgarage, einer durchgängigen Fahrspur stadteinwärts sowie von zwei durchgängigen Fahrspuren stadtauswärts sollen sich die Rückstauerscheinungen stadtauswärts minimieren. Derzeit sei die Eisenbahnüberführung Ernst-Reuter-Allee ab der Otto-von-Guericke-Straße in ca. 70 m Länge stadtauswärts zweispurig. Danach verlaufe die Straße bis zum WilIy-Brandt-Platz einspurig und weite sich dann als überbreite Fahrspur unter Nutzung der Straßenbahngleise für eine Fahrspur auf. Nach Ziffer 6.1.1.3 der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006 (RASt 06) müssten Fahrbahnbreiten in Hauptverkehrsstraßen entsprechend der Kraftfahrzeugstärke und Nutzung der Kraftfahrzeugart in der Regel 6,50 m betragen. Da die vorhandene Breite mit 4,90 m bis 5,25 m für zwei regelrechte Fahrspurbreiten zu schmal sei, könne diese nicht zweispurig markiert werden. Eine separate Einbiege- und Ausbiegespur für die Tiefgarage des City Carrés bestehe derzeit nicht. Zurzeit würden zudem die Verkehrsräume für den MIV, den ÖPNV sowie für Radfahrer und Fußgänger auf einer Ebene genutzt, was mit der Maßnahme entsprechend geändert werden solle. Ferner führe die Veränderung der Straßenentwässerung auch zu einer Verkehrsverbesserung. Denn bei extremen Starkregenereignissen bestehe häufig das Problem der Überflutung der Ernst-Reuter-Allee im Bereich der Eisenbahnüberführung. Dieses Überflutungsrisiko werde durch die neuen Entwässerungsanlagen vermieden, da der neue Entwässerungskanal außerhalb des herzustellenden Bauwerkes auf der Nordseite errichtet werde.
- 126
Auf Grund der Zusammenballung der Verkehrsräume für Radfahrer, Fußgänger, Straßenverkehr und Straßenbahnverkehr bestehe zudem ein hohes Konfliktpotenzial mit entsprechendem Sicherheitsrisiko für die Verkehrsteilnehmer. Im Bereich der geplanten Baumaßnahme sei es nach der Unfallstatistik der Jahre 2009 bis 2011 zu 57 Unfällen zwischen PKWs und Radfahrern, zu 4 Unfällen mit PKWs und Fußgängern sowie zu 7 Unfällen zwischen LKWs und Radfahrern gekommen. Bei der Unfallkonstellation PKW / Radfahrer seien u. a. folgende Verstöße begangen worden:
- 127
6 % verbotswidrige Benutzung einer (Richtungs-)Fahrbahn bzw. anderer Straßenteile
- 128
60 % Nichtbeachten der die Vorfahrt regelnden Verkehrszeichen
- 129
4 % Missachten der Verkehrsregelung durch Polizeibeamte oder Lichtzeichen
- 130
28 % Fehler beim Abbiegen.
- 131
Hinsichtlich der Unfallschwere bei Unfällen von Radfahrern mit motorisierten Verkehrsteilnehmern seien von 2009 bis 2011 insgesamt 4 schwerverletzte und 48 leichtverletzte Verkehrsteilnehmer registriert worden. Das Vorhaben ermögliche durch eine klare Trennung des Kfz-Verkehrs von den anderen Verkehrsarten, Unfallschwerpunkte und Konfliktpunkte zu vermeiden und die Unfallzahlen zu reduzieren. Für die Ausfahrt aus der Tiefgarage des City Carrés auf die Ernst-Reuter-Allee in Richtung Damaschkeplatz (Linksabbieger) lägen folgende Unfallzahlen vor:
- 132
2008: 2 Unfälle
- 133
2009: 7 Unfälle
- 134
2010: 2 Unfälle, davon 1 x vorfahrtsberechtigte Straßenbahn nach links
- 135
2011: 5 Unfälle.
- 136
Dieser Kollisionspunkt werde mit der geplanten Variante reduziert, da ein Linksabbiegen dann nicht mehr möglich sei. An dieser Stelle könne nur noch ein Rechtsabbiegen erfolgen.
- 137
Die Beklagte hat weiter darauf abgestellt, dass die Erreichbarkeit des Hauptbahnhofs für Fußgänger, Radfahrer sowie mit den Fahrzeugen des ÖPNV erheblich verbessert werde. Die derzeitige Linienführung der Radwege auf der Südseite des Damaschkeplatzes bis zum Knoten Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße quere drei autobelastete Kreuzungspunkte (Auf- und Abfahrt Magdeburger Ring, Kölner Platz, Willy-Brandt-Platz), die eine hohe Aufmerksamkeit des Radfahrers erforderten und damit zurzeit einen Zeitverlust und ein erhöhtes Unfallrisiko mit sich brächten. Die geplante Radwegeführung unter den Eisenbahnbrücken durch die Entflechtung der Fahrspuren (ÖPNV und MIV) trage wesentlich zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei. Auch am Willy-Brandt-Platz werde die Querung der Straßenbahnlinien gegenüber dem Bestand (Querung des Gleisdreiecks, der Taxi- und Parkhaus-Zufahrten) deutlich vereinfacht und dadurch für den Radfahrer und Fußgänger sicherer.
- 138
Diese Erwägungen halten der auf grobe Missgriffe beschränkten rechtlichen Prüfung stand. Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Argumente führen zu keiner anderen Beurteilung.
- 139
Er kann insbesondere nicht mit dem Einwand durchdringen, dass die geplante Straßenführung den Anforderungen an die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht gerecht werde, weil einzelne Ströme des zukünftigen Tunnels, insbesondere der Fahrverkehr in Richtung Westen, bereits bei Errichtung des Tunnels an der Leistungsgrenze operierten und daher mit der Qualitätsstufe F einzuordnen seien. Einem Rückstau stadtauswärts soll gerade dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass mit dem geplanten Vorhaben stadtauswärts nunmehr durchgängig zwei Fahrspuren geschaffen werden. Auch wenn sich die Rückstausituation – wovon auch die Beklagte ausgeht – in Richtung Osten stadteinwärts durch das geplante Vorhaben nach Lage der Dinge nicht verbessern dürfte, weil in dieser Richtung dem Kraftfahrzeugverkehr weiterhin nur eine durchgängige Fahrspur zur Verfügung steht, wird dadurch die Planrechtfertigung nicht in Frage gestellt. Eine Straßenplanung ist auch dann noch vernünftigerweise geboten, wenn mit dem Vorhaben eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse nicht in jeder Hinsicht bzw. nur teilweise gelingt. Daher kommt es für die Frage der Planrechtfertigung nicht darauf an, ob die vom Kläger angegriffene Verkehrsprognose in Bezug auf die aus dem nördlichen Teil der Tiefgarage des City Carrés ausfahrenden und am Knotenpunkt Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße wendenden Kraftfahrzeuge tragfähig ist. Die Frage, inwieweit eine alternative Straßenplanung besser geeignet wäre, die innerstädtischen Verkehrprobleme zu lösen, ist keine Frage der Planrechtfertigung, sondern der Abwägung der verschiedenen in Betracht kommenden Varianten.
- 140
b) Da das Planungsvorhaben die Änderung bestehender Straßenbahnanlagen beinhaltet, waren auch die Zielsetzungen zu beachten, wie sie in § 8 Abs. 3 PBefG in der im Zeitpunkt der Planungsentscheidung geltenden Fassung vom 27.04.2002 (BGBl I S. 1467) beschrieben sind. Danach hat die Genehmigungsbehörde im Zusammenwirken mit dem Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs (Aufgabenträger) und mit den Verkehrsunternehmen im Interesse einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sowie einer wirtschaftlichen Verkehrsgestaltung für eine Integration der Nahverkehrsbedienung, insbesondere für Verkehrskooperationen, für die Abstimmung oder den Verbund der Beförderungsentgelte und für die Abstimmung der Fahrpläne, zu sorgen. Sie hat dabei einen vom Aufgabenträger beschlossenen Nahverkehrsplan zu berücksichtigen, der vorhandene Verkehrsstrukturen beachtet, unter Mitwirkung der vorhandenen Unternehmer zustande gekommen ist und nicht zur Ungleichbehandlung von Unternehmern führt. Der Nahverkehrsplan hat die Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen.
- 141
Hierzu hat die Beklagte angeführt (S. 86 f. des PFB), dass sich die Erforderlichkeit des Vorhabens aus Sicht des ÖPNV nicht ausschließlich daraus ergebe, dass das Vorhaben in dem Nahverkehrsplan vorgesehen sei. Die Erforderlichkeit ergebe sich aber aus der Steigerung der Leistungsfähigkeit und der Attraktivität des Nahverkehrs innerhalb von Magdeburg. Mit der Schaffung eines barrierefreien erreichbaren Umsteigepunktes am Kölner Platz könne das beschlossene Ziel aus dem Verkehrskonzept Innenstadt, mit der Verbesserung der Umsteigebeziehungen zwischen Fern-, Regional-, S-Bahn, ZOB und Straßenbahn sowie Straßenbahnlinien untereinander, mit dieser Maßnahme umgesetzt werden.
- 142
c) Der Umstand, dass die Beklagte im Rahmen der Planrechtfertigung neben diesen Zielstellungen weitere Gesichtspunkte angeführt hat, die für sich gesehen die Straßenplanung nicht rechtfertigen mögen, lässt die nach den Zielsetzungen des StrG LSA und des PBefG gegebene Rechtfertigung der Planung nicht entfallen.
- 143
d) Dem Vorhaben fehlt die erforderliche Rechtfertigung auch nicht deshalb, weil es mangels Finanzierung nicht realisierbar wäre.
- 144
Einem Vorhaben, dessen Realisierung aus finanziellen Gründen ausgeschlossen ist, fehlt zwar die Planrechtfertigung. Dies bedeutet indessen nicht, dass die Art der Finanzierung Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist. Das insoweit zu beachtende Haushaltsrecht bindet die mit der Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie deren Kontrolle befassten Stellen des Staates; es entfaltet aber grundsätzlich keine Außenwirksamkeit zwischen Verwaltung und Bürger, die im Rahmen der den Fachplanungsbehörden überantworteten Planungsaufgaben zu beachten wäre. Die Planfeststellungsbehörden haben lediglich vorausschauend zu beurteilen, ob dem Vorhaben unüberwindliche finanzielle Schranken entgegenstehen. Stehen die notwendigen Mittel schon bereit, so ist diesem Erfordernis Genüge getan, ohne dass fachplanungsrechtlich hinterfragt werden müsste, ob die zugrunde liegenden Finanzierungsentscheidungen haushaltsrechtlichen Vorgaben entsprechen (BVerwG, Beschl. v. 15.01.2008 – 9 B 7.07 –, NVwZ 2008, 675 [678], RdNr. 24; Urt. v. 20.05.1999 – 4 A 12.98 –, BauR 1999, 1156 [1157], RdNr. 43 in Juris). Solche unüberwindlichen finanziellen Schranken sind nicht ersichtlich.
- 145
Die Planrechtfertigung hängt auch nicht davon ab, ob das Vorhaben dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 6 Abs. 1 HGrG, § 7 Abs 1 LHO LSA) entspricht, der finanzielle Aufwand also in einem angemessenen Verhältnis zu der beabsichtigten Verbesserung der Straße und des ÖPNV steht. Unabhängig davon, dass – wie bereits dargelegt – das Haushaltsrecht nur die mit der Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie deren Kontrolle befassten Stellen des Staates bindet und grundsätzlich keine Außenwirksamkeit zwischen Verwaltung und Bürger entfaltet, die im Rahmen der den Fachplanungsbehörden überantworteten Planungsaufgaben zu beachten wäre, ist das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit von seinem Inhalt her nicht geeignet, der Planung die Rechtfertigung zu entziehen. Es verlangt lediglich, ein bestimmtes Ziel mit dem geringst möglichen Einsatz von Mitteln zu erreichen; das Ziel selbst kann deshalb nicht unter Berufung auf das Gebot mit dem Argument in Frage gestellt werden, die Verkehrsverhältnisse würden auch durch eine kostengünstigere Lösung verbessert (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 18.02.2010 – 1 D 599/08 –, Juris, RdNr. 55, m.w.N.).
- 146
1.3. Die angefochtene Planfeststellung lässt auch keinen offensichtlichen erheblichen Abwägungsfehler erkennen, den der Kläger im Rahmen des § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG rügen kann.
- 147
Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 4 StrG LSA sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit abzuwägen.
- 148
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 19.08.2004 – 4 A 9.04 – Juris, RdNr. 15) verlangt das Abwägungsgebot, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Abwägungsrahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr im Gegenteil ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Planfeststellungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials - die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das streitige Vorhaben nicht zu beanstanden.
- 149
1.3.1. Einen Abwägungsfehler kann der Kläger nicht damit begründen, dass die konzipierte Planung den verkehrlichen Anforderungen nicht gerecht werde, insbesondere weil der aus der nördlichen Tiefgarage des City Carrés ausfahrende Verkehr zur Qualitätsstufe F an der Kreuzung Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße führe. Dies ist kein Belang, deren Nichtbeachtung ein anerkannter Natur- und Umweltschutzverband im Rahmen des § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG rügen kann.
- 150
1.3.2. Die Abwägung der Immissionsschutzbelange begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
- 151
a) Der Kläger kann nicht mit dem Einwand durchdringen, das Vorhaben verursache unzumutbare Luftschadstoffbelastungen, überschreite insbesondere die maßgeblichen Grenzwerte der 39. BImSchV.
- 152
aa) Eine Überschreitung dieser Grenzwerte würde die Abwägungsentscheidung der Beklagten von vornherein dann nicht in Frage stellen, wenn sich durch das streitige Vorhaben keine Verschlechterung der Belastung mit relevanten Luftschadstoffen ergäbe. Eine in der Planfeststellung zu befolgende grundrechtliche Pflicht, Schutzvorkehrungen zu treffen, setzt eine Kausalität zwischen dem Bau bzw. der Änderung des Verkehrswegs und der gesundheitsgefährdenden Verkehrsbelastung voraus; eine Pflicht, gesundheitlich bedenkliche Immissionslagen bei Gelegenheit der Planfeststellung zu sanieren, besteht hingegen nicht (BVerwG, Beschl. v. 15.01.2008, a.a.O., S 676). Führt ein Planvorhaben im Vergleich zu dem Zustand des Verkehrsweges, der ohne die Planung bestünde, zu keiner Verschlechterung der Immissionssituation für die Nachbarschaft, so braucht die Planfeststellungsbehörde die Immissionsproblematik im Rahmen der Abwägung grundsätzlich nicht aufzugreifen, und zwar unabhängig von der Höhe der Immissionsbelastung; selbst grundrechtlich bedenkliche Belastungswerte bilden nicht stets, sondern nur dann die Grundlage einer in der Planfeststellung zu berücksichtigenden Schutzpflicht, wenn sie dem planfestgestellten Vorhaben zuzurechnen sind (vgl. zu Lärmimmissionen: BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 – 9 A 5.07 –, NVwZ 2009, 50 [51], RdNr. 17). Trägt das planfestgestellte Vorhaben nur geringfügig zu einer Erhöhung der Luftschadstoffe bei, handelt die Planfeststellungsbehörde ohne Rechtsfehler, wenn sie den Vorhabenträger nicht zu Maßnahmen verpflichtet, die praktisch auf eine Sanierung hinauslaufen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.10.2001 – 4 VR 20.01, 4 A 42.4 A 42.01 –, NVwZ 2002, 726 [727], RdNr. 15 in Juris).
- 153
Es ist bereits zweifelhaft, ob das streitige Vorhaben zu einer mehr als nur geringfügigen Verschlechterung bezüglich der Belastung der Nachbarschaft mit Luftschadstoffen führt.
- 154
Abzustellen ist darauf, inwieweit sich die maßgeblichen Emissionen im Fall der Realisierung des Tunnelvorhabens (Prognose-Planfall) im Vergleich zum bisherigen Zustand der Straße (Prognose-Nullfall) unterscheiden. Da die in der 39. BImSchV festgelegten Luftschadstoffgrenzwerte dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen, ist entscheidend, ob sie in der konkreten Schadstoffsituation, der Menschen an bestimmten Stellen ausgesetzt sind, eingehalten werden, und nicht, ob dies im Gesamtgebiet flächendeckend oder im Durchschnitt der Fall ist (BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – 9 A 19.11 –, NVwZ 2013, 649 [654], RdNr. 41; Urt. v. 26.05.2004 – 9 A 6.03 –, BVerwGE 121, 57 [60], RdNr. 22 in Juris).
- 155
Die Beklagte hat sich hinsichtlich der Auswirkungen ihrer Planung durch Luftschadstoffe auf Luftschadstoffuntersuchungen der ISU Plan vom Juni 2010 und vom August 2011 sowie die ergänzende Untersuchung vom Dezember 2011 (Beiakte H, Planunterlage 11.3) gestützt (vgl. S. 147 f. des PFB), in der die Kfz-bedingte Luftschadstoffbelastung von Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10 und PM2,5) für die Analyse 2007, den Prognose-Nullfall (ohne Tunnelbau) 2015 und 2025 und den Prognose-Planfall (mit Tunnelbau) 2015 und 2025 erstellt wurden. Die Beklagte hat nach der Abwägungsentscheidung eine weitere ergänzende Untersuchung vom April 2012 (Beiakte Q, Bl. 5 ff.) erstellen lassen, die den Prognose-Planfall 2018 (Jahr der voraussichtlichen Fertigstellung) mit verkehrslenkenden Maßnahmen zum Gegenstand hat. Die Untersuchungen vom Juni 2010 und vom August 2011 gehen davon aus, dass beim Betrieb von Kraftfahrzeugen eine Vielzahl von Schadstoffen emittiert wird, die sowohl in ihrer Menge als auch Bedeutung sehr unterschiedlich sind. Im Vergleich zu den Immissionsgrenzwerten der 39. BImSchV seien die Konzentrationen der Schadstoffe Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10 und PM2,5) im Straßenverkehr am höchsten. Die Konzentrationen für Schadstoffe wie Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxid (SO2), Blei usw. lägen im Vergleich zu den gesetzlichen Grenzwerten wesentlich niedriger. Für Ruß existiere nach der Aufhebung der 23. BImSchV kein Beurteilungswert mehr. Die Untersuchung beschränke sich daher auf die Betrachtung von NO2, PM10 und PM2,5. Daran ist nichts zu erinnern. Ergänzend hat die Beklagte im Planfeststellungsbeschluss darauf verwiesen (vgl. S. 150 des PFB), dass es auch aus Sicht des Landesamtes für Umweltschutz nach dessen Stellungnahme völlig ausreichend sei, sich bei der Ermittlung und Bewertung der lufthygienischen Situation auf NO2 und Feinstaub zu konzentrieren, da nur für diese Komponenten eine Grenzwertrelevanz bestehe. Auf die weiteren Ausführungen (S. 150 f. des PFB), insbesondere auch zur sicheren Einhaltung des für Benzol geltenden Grenzwerts von 5 µg/m³, kann verwiesen werden.
- 156
Nach den Untersuchungen vom Juni 2010 und August 2011 treten in der Analyse 2007 im Untersuchungsraum auf allen Hauptverkehrsstraßen (Magdeburger Ring, Ernst-Reuter-Allee, Otto-von-Guericke-Straße, Adelheidring) NO2-Immissionen von über 40 µg/m³ im Jahresmittel auf. Damit werde der seit 2010 geltende Grenzwert für das NO2-Jahresmittel (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV a.F.) überschritten. Lediglich auf den Nebenstraßen (Maybachstraße, Bahnhofstraße) sei die NO2-Belastung deutlich geringer. Nach der Untersuchung vom Juni 2010 sollen die NO2-Immissionen unter Berücksichtigung der geringeren verkehrlichen und regionalen Emissionen im Prognose-Nullfall 2015 sowie im Prognose-Planfall 2015 etwas abnehmen, so dass der Grenzwert von 40 µg/m³ im Jahresmittel an der Ernst-Reuter-Allee nicht mehr überschritten werde. Die NO2-Belastung nehme jedoch im Prognose-Planfall 2015 aufgrund der zusätzlichen Emissionen an der Tunnelausfahrt Südost im Bereich des City Carrés deutlich zu und erreiche dort ähnliche Werte wie in der Analyse 2007. Die PM10- und PM2,5-Immissionen lägen im Aufenthaltsbereich von Fußgängern (Gehwegbereich) entlang der Ernst-Reuter-Allee ebenso wie an allen anderen Straßen des Untersuchungsgebiets in allen drei Untersuchungsfällen unter dem Immissionsgrenzwert für das Jahresmittel von 40 µg/m³ für PM10 (§ 4 Abs. 2 der 39. BImSchV a.F.) und 20 µg/m³ für PM2,5 (§ 5 Abs. 2 der 39. BImSchV a.F.). Die PM10- und PM2,5-Konzentration seien lediglich in der Analyse 2007 und im Prognose-Nullfall 2015 unterhalb der Eisenbahnunterführung sowie im Prognose-Planfall 2015 an der Tunnelausfahrt Südost so hoch, dass es dort zu Überschreitungen kommen könnte. Der Äquivalentwert von 30 µg/m³ zur Beurteilung der Überschreitungsfähigkeit des PM10-Tagesmittelwerts werde in der Analyse 2007 und in den beiden Prognosefällen 2015 im Untersuchungsraum eingehalten. Nach der Untersuchung vom August 2011 nehmen im Prognose-Nullfall 2025 sowie im Prognose-Planfall 2025 die NO2-Immissionen unter Berücksichtigung der geringeren verkehrlichen und regionalen Emissionen deutlich ab, so dass der Grenzwert von 40 µg/m³ im Jahresmittel an der Ernst-Reuter-Allee nicht mehr überschritten werde. Auch die erhöhten Emissionen an den Tunnelausfahrten, besonders an der Tunnelausfahrt Südost im Bereich des City Carrés, führten im Prognose-Planfall 2025 nicht zu Grenzwertüberschreitungen. Die PM10- und PM2,5-Immissionen lägen im Aufenthaltsbereich von Fußgängern (Gehwegbereich) entlang der Ernst-Reuter-Allee ebenso wie an allen anderen Straßen des Untersuchungsgebiets in allen drei Untersuchungsfällen unter dem Immissionsgrenzwert für das Jahresmittel von 40 µg/m³ für PM10 und 25 µg/m³ für PM2,5. Der Äquivalentwert von 30 µg/m³ zur Beurteilung der Überschreitungsfähigkeit des PM10-Tagesmittelwerts werde in beiden Prognosefällen 2025 im Aufenthaltsbereich von Fußgängern (Gehwegbereich) eingehalten. Die ergänzende Untersuchung berücksichtigt zusätzlich den Umstand, dass im Bereich der Tunnelzufahrten und -ausfahrten Längsneigungen von +8,1 % bis -10,5 % geplant sind, in den Luftschadstoffuntersuchungen jedoch von Längsneigungen von +/- 6 % ausgegangen wurde (vgl. S. 148 des PFB). Im Ergebnis wurde in der ergänzenden Untersuchung vom Dezember 2011 festgestellt, dass der Jahresmittelwert der NO2-Emissionen im Prognose-Planfall 2025 II am Damaschkeplatz sowie an der Ernst-Reuter-Allee im Bereich des City Carrés nicht überschritten werde. Der Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ für PM10 liege im Bereich des City Carrés zwar höher als am Damaschkeplatz, aber auch dort werde der Grenzwert nicht überschritten. Der Grenzwert von 25 µg/m³ für PM2,5 werde unterschritten. Beim Vergleich der Prognose-Planfälle in den vorigen Untersuchungen sei für NO2 erkennbar, dass der Einfluss der höheren Emissionen durch die extrapolierten Längsneigungen zu einer um 1 bis 4 µg/m³ erhöhten Konzentration führe, auf die PM10- und PM2,5-Konzentration aber keine Auswirkungen habe. Nach der ergänzenden Untersuchung vom April 2012 werden im Prognose-Planfall 2018 mit verkehrslenkenden Maßnahmen (Durchfahrtsverbot für LKW >3,5 t durch den Tunnel, Umleitung von 4.286 Kfz vom südlichen Magdeburger Ring und der Maybachstraße über den Magdeburger Ring, die Walther-Rathenau-Straße, die Erzberger Straße und die Otto-von-Guericke-Straße in die Innenstadt) die Grenzwerte der 39. BImSchV eingehalten. Die Grenzwerte für NO2 werden danach im Prognose-Nullfall und im Prognose-Planfall 2018 im Bereich Damaschkeplatz und Ernst-Reuter-Allee im Bereich des City Carrés überschritten. Mit den verkehrslenkenden Maßnahmen werden die Grenzwerte sicher eingehalten. Die Grenzwerte für PM10 und PM 2,5 werden in allen drei Fällen eingehalten.
- 157
Nach der Tabelle 12 der Luftschadstoffuntersuchung vom Juni 2010 (S. 29) ergibt sich in Bezug auf eine mögliche Veränderung der Belastung mit den hier relevanten Luftschadstoffen durch das streitige Vorhaben im Jahresmittel folgendes Bild:
- 158
Untersuchungsfall
Luftschadstoff
Damaschkeplatz
Ernst-Reuter-Allee
Analyse 2007
Stickstoffdioxid NO2
44 - 46 µg/m³
47 - 49 µg/m³
Feinstaub PM10
27 - 28 µg/m³
29 - 30 µg/m³
Feinstaub PM2,5
17 - 18 µg/m³
19 - 20 µg/m³
Prognose-Nullfall 2015
Stickstoffdioxid NO2
32 - 34 µg/m³
44 - 46 µg/m³
Feinstaub PM10
27 - 28 µg/m³
29 - 30 µg/m³
Feinstaub PM2,5
15 - 16 µg/m³
15 - 16 µg/m³
Prognose-Planfall 2015
Stickstoffdioxid NO2
29 - 31 µg/m³
47 - 49 µg/m³
Feinstaub PM10
27 - 28 µg/m³
29 - 30 µg/m³
Feinstaub PM2,5
15 - 16 µg/m³
15 - 16 µg/m³
- 159
Nach der Tabelle 13 der Luftschadstoffuntersuchung vom August 2011 (S. 30) ergibt sich in Bezug auf eine mögliche Veränderung der Belastung mit den hier relevanten Luftschadstoffen durch das streitige Vorhaben im Jahresmittel folgendes Bild:
- 160
Untersuchungsfall
Luftschadstoff
Damaschkeplatz
Ernst-Reuter-Allee
Analyse 2007
Stickstoffdioxid NO2
44 - 46 µg/m³
47 - 49 µg/m³
Feinstaub PM10
27 - 28 µg/m³
29 - 30 µg/m³
Feinstaub PM2,5
17 - 18 µg/m³
19 - 20 µg/m³
Prognose-Nullfall 2025
Stickstoffdioxid NO2
25 - 26 µg/m³
29 - 33 µg/m³
Feinstaub PM10
24 - 25 µg/m³
27 - 29 µg/m³
Feinstaub PM2,5
14 - 15 µg/m³
15 µg/m³
Prognose-Planfall 2025
Stickstoffdioxid NO2
24 - 25 µg/m³
31 - 33 µg/m³
Feinstaub PM10
24 - 25 µg/m³
27 - 30 µg/m³
Feinstaub PM2,5
14 - 15 µg/m³
15 µg/m³
- 161
In der ergänzenden Luftschadstoffuntersuchung vom Dezember 2011, die die erhöhten Emissionen aufgrund der Längsneigungen der Tunnelausfahrten berücksichtigt, werden die zu erwartenden Luftschadstoffe wie folgt dargestellt (Tabelle 6, S. 15):
- 162
Untersuchungsfall
Luftschadstoff
Damaschkeplatz
Ernst-Reuter-Allee
Prognose-Planfall 2025 II
Stickstoffdioxid NO2
25 - 26 µg/m³
35 - 37 µg/m³
Feinstaub PM10
24 - 25 µg/m³
27 - 30 µg/m³
Feinstaub PM2,5
14 - 15 µg/m³
15 µg/m³
- 163
In der ergänzenden Luftschadstoffuntersuchung vom April 2012 (Beiakte Q), in der die Belastung für das prognostizierte Jahr der Fertigstellung 2018 unter Berücksichtigung der Verkehrszahlen 2015 ermittelt wurden, werden die zu erwartenden Luftschadstoffe wie folgt dargestellt (Tabelle 9, S. 22):
- 164
Untersuchungsfall
Luftschadstoff
Damaschkeplatz
Ernst-Reuter-Allee
Prognose-Nullfall 2018
Stickstoffdioxid NO2
28 - 30 µg/m³
39 - 41 µg/m³
Feinstaub PM10
24 - 25 µg/m³
28 - 30 µg/m³
Feinstaub PM2,5
15 - 16 µg/m³
16 µg/m³
Prognose-Planfall 2018
Stickstoffdioxid NO2
28 - 30 µg/m³
43 - 46 µg/m³
Feinstaub PM10
23 - 24 µg/m³
29 - 30 µg/m³
Feinstaub PM2,5
15 - 16 µg/m³
16 µg/m³
Prognose-Planfall 2018
mit Verkehrslenkenden MaßnahmenStickstoffdioxid NO2
28 - 30 µg/m³
34 - 37 µg/m³
Feinstaub PM10
23 - 24 µg/m³
26 - 27 µg/m³
Feinstaub PM2,5
15 - 16 µg/m³
16 µg/m³
- 165
Daraus wird ersichtlich, dass durch das Vorhaben zwar im Bereich der Messstation an der Ernst-Reuter-Allee eine Erhöhung der Immissionen im Prognose-Planfall 2025 II für Stickstoffdioxid NO2 um 5 bis 6 µg/m³ und für Feinstaub PM10 von maximal 1 µg/m³ und im Prognose-Planfall 2018 ohne verkehrslenkende Maßnahmen für Stickstoffdioxid NO2 um 4 bis 5 µg/m³ und für Feinstaub PM10 von maximal 1 µg/m³ zu erwarten ist, die Immissionsgesamtbelastung sich insgesamt aber nur geringfügig verändert. Dies erlaubt weiter den Schluss, dass unabhängig von den jeweils zugrunde gelegten Verkehrszahlen und möglichen verkehrslenkenden Maßnahmen das Vorhaben die Belastung mit Luftschadstoffen nur unwesentlich verändert.
- 166
bb) Auch wenn die Verschlechterung bei der Belastung mit Luftschadstoffen (NO2) nicht mehr als geringfügig anzusehen sein sollte, würden die dargestellten Grenzwertüberschreitungen nicht zur Fehlerhaftigkeit der Abwägungsentscheidung führen.
- 167
Die Einhaltung der Grenzwerte der 39. BImSchV ist auch bei einer Verschlechterung der Situation keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung des Straßenbauvorhabens, weil Grenzwertüberschreitungen nach dem System der Luftreinhalteplanung (vgl. § 47 BImSchG, § 27 der 39. BImSchV) unabhängig von den Immissionsquellen zu vermeiden sind. Zwar ist das Gebot der Konfliktbewältigung als Ausformung des Abwägungsgebots verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu sichern. Das ist insbesondere der Fall, wenn die von einer planfestgestellten Straße herrührenden Immissionen bereits für sich genommen die maßgeblichen Grenzwerte überschreiten. Von diesem Fall abgesehen geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt. Für die Annahme, dass dies nicht möglich ist, müssen deshalb besondere Umstände vorliegen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – 9 A 19.11 –, a.a.O., RdNr. 38, m.w.N. – Neubau der Bundesautobahn A 100; vgl. auch Urt. v. 23.02.2005 – 4 A 5.04 –, BVerwGE 123, 23 [28 f.], RdNr. 28, Neubau der Bundesautobahn A 72). Derartige Umstände können sich vor allem aus ungewöhnlichen örtlichen Gegebenheiten (zentrale Verkehrsknotenpunkte, starke Schadstoffvorbelastung durch eine Vielzahl von Emittenten) ergeben, die sich der Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage des Anhörungsverfahrens, insbesondere der Beteiligung der zuständigen Fachbehörden, erschließen (BVerwG, Urt. v. 23.02.2005, a.a.O.). Gemessen daran genügt die Planung dem Gebot der Konfliktbewältigung.
- 168
Wie oben bereits dargelegt, ist eine Überschreitung der relevanten Grenzwerte der 39. BImSchV nur in Bezug auf Stickstoffdioxid (NO2) festzustellen. Der prognostizierte Wert liegt nach der letzten Luftschadstoffuntersuchung vom April 2012 nur im Prognose-Planfall 2018 und Prognose-Planfall 2015 mit 43 - 46 bzw. 44 - 46 µg/m³ über dem Grenzwert von 40 µg/m³. Der Gutachter hat in den jeweiligen Luftschadstoffuntersuchungen insbesondere darauf hingewiesen, dass sich die PM10- sowie PM2,5-Immissionen zum größten Teil aus der Hintergrundbelastung und bei PM10 zusätzlich aus den Emissionen aus Aufwirbelung und Abrieb, aber nicht aus den motorbedingten Emissionen (PM2,5-Anteil) zusammensetzten. Anders sehe dies bei Stickstoffdioxid (NO2) aus; in der Nähe des City Carrés resultiere die NO2-Konzentration zur Hälfte aus dem Verkehr.
- 169
Aus den Luftschadstoffuntersuchungen folgt, dass die von der Straße herrührenden NO2-Immissionen für sich genommen die maßgeblichen Grenzwerte nicht überschreiten. Die Vorbelastung mit Stickstoffdioxid (NO2) wurde für den Prognose-Planfall 2025 mit 20 µg/m³ und für den Prognose-Planfall 2018 mit 18 µg/m³ angegeben.
- 170
Es darf davon ausgegangen werden, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt. Die Konfliktbewältigung kann auch darin bestehen, dass die Planfeststellungsbehörde die endgültige Problemlösung einem spezialisierten und verbindlichen, auf gesetzlichen Regelungen beruhenden Verfahren überlässt (BVerwG, Urt. v. 12.08.2009 – 9 A 64.07 –, BVerwGE 134, 308 [330], RdNr. 107). Dies bedeutet nicht, dass bereits im Planfeststellungsbeschluss konkrete Maßnahmen angeordnet werden müssen. Es genügt, wenn im Planfeststellungsbeschluss geeignete Maßnahmen genannt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – 9 A 19.11 – a.a.O., RdNr. 39). Die Beklagte hat im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss in der Nebenbestimmung IV 6 a (S. 39) angeordnet, dass der Vorhabenträger vor Baubeginn der für die Luftreinhalteplanung zuständigen Behörde und der Planfeststellungsbehörde einen Maßnahmekatalog vorzulegen habe, in Folge dessen die Grenzwerte der 39. BImSchV eingehalten werden. Dieser Maßnahmekatalog könne beispielsweise allgemeine Verkehrsbeschränkungen, verkehrslenkende Maßnahmen, Fahrbahnreinigungen, Durchsagen im Tunnel bei Stau zum Abschalten der Motoren, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Maßnahmen bei Stau bzw. Umleitungen beinhalten. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass solche Maßnahmen mit der Funktion des Vorhabens nicht vereinbar oder untauglich sind. Darüber hinaus hat die Beklagte im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss dargelegt, dass das Vorhaben zwar noch nicht in dem am 02.08.2011 aufgestellten Luftreinhalteplan einbezogen worden sei, bei einer erneuten Überprüfung der Situation dieser aber entsprechend ergänzt werden müsse. Im Rahmen des bereits in Umsetzung befindlichen Luftreinhalteplans würden unterschiedliche Szenarien vorgeschlagen, die als konkrete Maßnahmen u.a. die Förderung des nicht motorisierten Verkehrs, den Erhalt eines leistungsfähigen ÖPNV bei einer Steigerung seiner Attraktivität sowie die Einrichtung einer Umweltzone ab dem 01.09.2011 enthielten. Als im Rahmen des vorgeschriebenen Maßnahmekatalogs zu prüfende Minderungsmaßnahmen kämen Geschwindigkeitsbegrenzung, Förderung alternativer Verkehrsmittel, Verbesserung des Verkehrsflusses, Fahrbahnreinigung, Reduzierung des Schwerlastverkehrsanteils, allgemeine Verkehrsbeschränkungen und verkehrslenkende Maßnahmen in Betracht. Der Umstand, dass das streitige Vorhaben noch nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen wurde, begründet nicht die Annahme, dass sich mit diesen Maßnahmen die Grenzwerte der 39. BImSchV nicht einhalten lassen. Die Geeignetheit von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung liegt gerade dann nahe, wenn – wie hier – Bestandstrassen oder Straßen in bereits stark mit Luftschadstoffen belasteten Gebieten ausgebaut werden, weil für die Luftreinhalteplanung ein breites Spektrum vorhabenunabhängiger Maßnahmen zur Verfügung steht (z.B. allgemeine Verkehrsbeschränkungen; Auflagen für emittierende Anlagen; Planungsvorgaben), mit deren Hilfe Schadstoffbelastungen nicht nur reduziert, sondern auch kompensiert werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.05.2004, a.a.O., S. 63 f., RdNr. 28 in Juris).
- 171
Dem entsprechend hat der Senat auch den Beweisantrag des Klägers abgelehnt, der darauf abzielt, Beweis darüber zu erheben, dass im Prognoseplanfall 2025 mit Luftschadstoffgrenzwertüberschreitungen zu rechnen ist, die nicht durch Verkehrslenkungsmaßnahmen bewältigt werden können, welche nicht wiederum zu unzumutbaren (grenzwertüberschreitenden) Luftschadstoffbelastungen auf anderen Innenstadtstraßen in Magdeburg führen. Denn verkehrslenkende Maßnahmen stellen – wie oben erörtert – lediglich ein Mittel aus dem Spektrum einer Vielzahl von Maßnahmen dar, mit denen Überschreitungen der Grenzwerte der 39. BImSchV reduziert bzw. kompensiert werden können. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Verwirklichung des Tunnelprojekts es von vorn herein ausschließt, dass die Grenzwerte der 39. BImSchV eingehalten werden können. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass auch bei Beibehaltung des bisherigen Ausbauzustands der Ernst-Reuter-Allee, also ohne den streitigen Tunnelbau, Anstrengungen unternommen werden müssen, damit die in der 39. BImSchV vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden.
- 172
cc) Die Luftschadstoffuntersuchungen wären zwar dann keine geeignete Entscheidungsgrundlagen bei der Abwägung gewesen, wenn die Verkehrsprognose des Stadtplanungsamts der Beklagten, deren Ergebnisse in den Tabellen 5 bis 7 der Luftschadstoffuntersuchungen vom Juni 2010 und August 2011 sowie in den Tabellen 2 bis 4 der Untersuchung vom April 2012 dargestellt sind, keine geeignete Grundlage darstellen würden, um anhand der darin aufgeführten Verkehrszahlen den Schadstoffausstoß zu ermitteln. Dies lässt sich aber nicht feststellen.
- 173
Verkehrsprognosen unterliegen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle; sie sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – 9 A 19.11 –, a.a.O., RdNr. 21, m.w.N.). Eine gesetzliche Vorgabe, nach welchen Methoden eine Verkehrsprognose im Einzelnen zu erstellen ist, gibt es nicht; eine aktuelle Zählung ist nicht zwingend erforderlich, vielmehr kann die Verkehrsstärke auch nach den in der Straßenplanung gebräuchlichen Modell- und Trendprognosen bestimmt werden (BVerwG, Beschl. v. 15.03.2013 – 9 B 30.12 –, Juris, RdNr. 10, m.w.N.). Die angegriffene Verkehrsprognose genügt noch diesem Maßstab.
- 174
(1) Die Beklagte hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits mit Datum vom 17.01.2012 Unterlagen zur Verfügung gestellt, in denen die Methodik der Erstellung der Verkehrsprognose 2025 erläutert wurde (vgl. S. 184 ff. der Beiakte O). In der Anlage (S. 186 ff. der Beiakte O) heißt es:
- 175
„Die bisher verwendete Prognose 2015-Matrix für den Individualverkehr besteht aus zwei Verkehrsnachfragematrizen:
- 176
einer PKW-Matrix und
- 177
einer LKW-Matrix,
- 178
welche im Zuge einer Verkehrsumlegung über die Software VISUM auf das Straßennetz entsprechend des Quell- und Zielverkehrsaufkommens je Verkehrszelle umgelegt werden. Mit dieser Umlegung wird der durchschnittliche Tagesverkehr (DTV) je Straßenabschnitt ermittelt. Die PKW-Matrix basiert auf einer Datengrundlage von 1996, welche 2004 durch ein an Hand der Befragung des Systems repräsentativer Verkehrsbefragungen (SrV) 2003 festgestelltes erhöhtes Verkehrsaufkommen im motorisierten Individualverkehr (MIV) kalibriert wurde. Die LKW-Matrix wurde im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Umweltzone in Magdeburg 2007 für den Istfall 2007 auf Basis von Verkehrszählungen innerhalb des Stadtgebietes der Landeshauptstadt Magdeburg erstellt und daraus ableitend zum Jahreswechsel 2008/09 über die Verkehrsnachfrage-Methode für die Prognose 2015 ermittelt.
- 179
Eine Weiterqualifizierung dieser Prognose 2015 für den Zeithorizont 2025 wurde aufgrund der Beibehaltung einer gewissen Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Prognosehorizonten in einer entsprechenden Form vorgenommen, da die Prognose 2015 mit der Umlegung nur im DTV nicht mehr den heutigen differenzierten Anforderungen bezüglich immissionsrechtlicher, signaltechnischer und netzmodellmethodischer Belange entsprechen kann.
- 180
Abgeleitet aus diesen Gründen wurde für die Prognose 2025 angenommen, dass sich das Mobilitätsverhalten der Bürger nicht verändern wird und die Arbeits- sowie Einkaufsstandorte im Stadtgebiet im Wesentlichen beibehalten bleiben. Durch die differenzierte demografische Entwicklung in den einzelnen Verkehrszellen werden sich jedoch veränderte Verkehrsbeziehungen ergeben. Daher bildete die Bevölkerungsvorausschau des Amtes für Statistik für den Zeithorizont 2025 die Grundlage für die Prognose 2025, zumal die Vorausschau auf Basis der statistischen Bezirke und somit im Wesentlichen auf Basis der Verkehrszellen erstellt werden konnte. Hieraus erfolgte die Ermittlung der Quell- und Zielverkehrsaufkommen im Personenbinnenverkehr je Verkehrszelle. Das Verkehrsaufkommen des einstrahlenden Quell-Ziel-Verkehrs und des LKW-Verkehrs blieben hierbei unverändert.
- 181
Über VISUM werden die jeweiligen Quell- und Zielverkehrsanteile (Binnen-, Quelle-Ziel- und Außenverkehr) entsprechend auf das jeweilige Straßennetzmodell umgelegt. Es erfolgte zunächst eine Umlegung des Istfalls 2011 auf das derzeit vorhandene Straßennetz. Die Straßen im Netzmodell wurden entsprechend ihrer Verkehrsbedeutung und in Anlehnung an über Verkehrszählungen ermittelten Belegungen mit unterschiedlichen Streckenkennwerten bewertet.
- 182
Für den Prognose-NulIfall 2025 erfolgte eine Umlegung der Prognosematrizen 2025 auf das derzeit vorhandene Straßennetz, um somit die möglichen Entwicklungen des Kfz-Verkehrs (Zu- bzw. Abnahme des Kfz-Verkehrs) verdeutlichen zu können. Dazu sind die Streckenkennwerte nicht verändert worden. Bezogen auf das Bauvorhaben EÜ ERA sind die Verkehrseinschränkungen entlang der Ernst-Reuter-Allee zwischen Damaschkeplatz und Knoten ‚Weinarkade’ unverändert geblieben.“
- 183
Beigefügt waren eine Liste der Eingangsdaten im Personennahverkehr (Einwohner) 2011 und 2025 sowie eine Aufstellung des Quell- und Zielverkehrsaufkommens je Verkehrszelle im Istfall 2011 und im Prognosefall 2025, die vom Stadtplanungsamt der Beklagten unter Datum vom 04.07.2011 erstellt wurde (Unterlage 15.1, Ordner 6/6, sowie Bl. 317, 319 GA). Die Zahlen in den Tabelle 6 und 7 der Luftschadstoffuntersuchungen stimmen mit den Daten in der Aufstellung des Quell- und Zielverkehrsaufkommens (PKW-Verkehrsaufkommen [grün] und LKW-Verkehrsaufkommen [blau]) überein.
- 184
(2) Die Beklagte hat die Ergebnisse der Verkehrsprognose anhand der „Methodik der Verkehrsmodellierung 2025“ vom 14.06.2013 näher erläutert.
- 185
Verwendet worden sei die Verkehrsplanungssoftware PTV-Visum der PTV Group, die den Standard in Deutschland darstelle. Die Software sei im Rahmen des Wartungsvertrages ständig aktualisiert worden. Das Verkehrsmodell, welches für das streitige Planfeststellungsverfahren zugrunde gelegt wurde, habe auf einer Vielzahl von Eingangsdaten basiert, die sich in drei Kategorien wie folgt zusammenfassen ließen:
- 186
1. Kategorie: Strukturdaten
- 187
Einwohner (Ist 2007 und Prognose 2015)
- 188
unterteilt nach verhaltenshomogenen Gruppen, verkehrszellenfein, 1996 und 2003
- 189
Quelle: Amt für Statistik der Landeshauptstadt Magdeburg
- 190
• Arbeitsplätze (Ist 2007 und Prognose 2015)
- 191
ermittelt über Nettoflächen der Betriebe und branchenorientiert sowie verkehrszellenfein 1996 und 2003
- 192
Quelle: Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt Magdeburg (Flächennutzungsplan)
- 193
• Ausbildungsplätze (Ist 2007 und Prognose 2015)
- 194
unterteilt nach Kita, Schulen, Hochschule und Universität, 2003
- 195
Quelle: Amt für Statistik und Schulverwaltungsamt der Landeshauptstadt Magdeburg
- 196
• Verkaufsraumflächen (Ist 2007 und Prognose 2015)
- 197
ermittelt über Netto-Verkaufsraumflächen und verkehrszellenfein 1996 und 2007 Quelle: Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt Magdeburg (Märktekonzept)
- 198
• Besucher je Freizeiteinrichtungen (Ist 2007 und Prognose 2015)
- 199
ermittelt über durchschnittliche Besucherzahlen und verkehrszellenfein 2003 Quelle: Amt für Statistik der Landeshauptstadt Magdeburg
- 200
• Kordonbefragung Stadt-Umland-Beziehungen 1994 (Ist 2007 und Prognose 2015)
- 201
Quelle: Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt Magdeburg
- 202
• LKW-Matrix für den Istfall 2007
- 203
verkehrszellenfein, auf Basis von Verkehrszählungen 2004 - 2006 im Stadtgebiet von Magdeburg
- 204
Quelle: Büro IVV Aachen/Berlin im Auftrage des Landes Sachsen-Anhalt
- 205
• LKW-Matrix für die Prognose 2015
- 206
verkehrszellenfein, auf Basis des Istfalls 2007
- 207
Quelle: Büro Verkehr Bonn/ Graz/ Weimar im Auftrage des Stadtplanungsamtes
- 208
2. Kategorie: Netzdaten
- 209
• Streckenkennwerte entsprechend der verkehrlichen Bedeutung, der Kfz-Kapazität [Kfz/d], der Anzahl der Kfz-Spuren je Richtung und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit [km/h]
- 210
• Knotenkennwerte (-typen), unterteilt nach LSA-Knoten und ungeregelten Knoten (Haupt- und Nebenstraßennetz, gleichrangige Knoten)
- 211
• Abbiegekenndaten
- 212
Quelle: PTV Visum und Stadtplanungsamt
- 213
(Verkehrliches Leitbild 1993 bzw. Beiplan des Flächennutzungsplanes 2000)
- 214
• Gliederung des Stadtgebietes nach Statistischen Bezirken
- 215
Quelle: Amt für Statistik der Landeshauptstadt Magdeburg, 1996 und 2003
- 216
3. Kategorie: Verhaltensdaten
- 217
• spezifisches Verkehrsaufkommen je Person und Verkehrsart (Modal Split)
- 218
• Wegeketten je Person und Verkehrsart
- 220
Das Verkehrsmodell habe im Jahr 2007 242 Verkehrszellen umfasst, davon seien 223 städtische Verkehrszellen dargestellt, und 19 hätten sich in den unmittelbaren Nahbereich des Umlandes erstreckt. Die gegebenen Verflechtungen des Gebiets der Beklagten mit dem Umland seien über die Ergebnisse der Kordonbefragung ermittelt worden. An allen Zufahrtstraßen sei nach dem Woher, dem Wohin und dem Zweck gefragt worden. Bezogen auf das Gebiet der Beklagten habe die Ortsangabe möglichst stadtteilfein, auf das nähere Umland gemeindefein und außerhalb des Umlandes kreisfein sein sollen. Der Quelle-Ziel- und der Durchgangsverkehr sei damit bezogen auf Magdeburg erfasst worden; so genannte Außenverkehre seien dagegen nicht erfasst und deshalb auch nicht Bestandteil des Netzmodells der Landeshauptstadt Magdeburg gewesen.
- 221
Im Stadtgebiet hätten die Verkehrszellen im Wesentlichen den statistischen Bezirken des Amtes für Statistik entsprochen. Bei der Gliederung des Stadtgebietes nach statistischen Bezirken habe die überwiegende Nutzungsart (Wohn-, Misch-, Gewerbegebiete, Großeinkaufmärkte oder großräumige Freiflächen) je statistischen Bezirkes im Vordergrund gestanden. Einige dieser statistischen Bezirke seien jedoch aufgrund der verkehrlichen Struktur für eine Verkehrszelle zu groß gewesen und seien daher in weitere Verkehrszellen unterteilt worden, wie z.B. alle statistischen Bezirke der Altstadt, von Neu Olvenstedt und Neustädter Feld. Darüber hinaus seien statistische Bezirke mit ausschließlich gewerblicher Nutzung wie z.B. Gewerbegebiet Nord, Sülzegrund und Beyendorfer Grund aus gleichem Grund in mehrere Verkehrszellen unterteilt worden. Die teilweise nochmalige Unterteilung einiger statistischer Bezirke sei notwendig geworden, um eine realitätsnahe Widerspiegelung der tatsächlich ermittelten Verkehrsbelastungen einiger Hauptnetzstraßen in diesen statistischen Bezirken zu ermöglichen. Neben den Angaben aus Statistiken des Amtes für Statistik seien Daten aus dem Flächennutzungsplan sowie aus dem Märktekonzept der Landeshauptstadt Magdeburg verkehrszellenfein abgeleitet und eingebaut worden. Das modellierte Straßennetz habe alle Hauptverkehrs- und Sammelstraßen sowie ausgewählte Anliegerstraßen erfasst. Sie seien entsprechend ihrer verkehrlichen Bedeutung (anbaufreie Strecken- bzw. planfreie Knoten, überörtliche, regionale und städtische Verbindungsfunktion u.a.) und ihres Ausbauzustandes (straßenbegleitendes Parken, Straßenbahn in Fahrbahnniveau, Häufigkeit einmündender Anliegerstraßen u.a.), ebenso auch die Knotenpunkte nach ihrer Funktion (LSA-geregelte, vorfahrtsgeregelte, gleichrangige Knoten, Bahnübergänge, Kreisverkehre) bewertet worden.
- 222
Dem Verkehrsmodell hätten personenbezogene Verhaltensdaten zugrunde gelegen, die mit den Erkenntnissen und Kennwerten aus repräsentativen empirischen Untersuchungen – System repräsentativer Verkehrsbefragung, TU Dresden (SrV) – entsprechend abgeglichen worden seien. Außerdem hätten diese Erhebungen Anhaltspunkte für die Überprüfung des Modells gebildet (z.B. Fahrtweitenverteilung, unterschiedlicher Modal Split [Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel] in Abhängigkeit von der Länge des zurückgelegten Weges).
- 223
Die Verkehrsnachfragematrix für den Kfz-Verkehr sei 1996 über VISEM ermittelt worden. Im Jahr 2003 sei im Zuge der Erarbeitung des ÖPNV-Konzeptes eine weitere Verkehrsnachfragematrix erstellt worden, wobei in der weiter vertiefenden Kalibrierung der Schwerpunkt im ÖV-Modell gelegen habe. Das ÖV-Modell sei durch die PTV AG Berlin erstellt und anhand der ÖPNV-Erhebung kalibriert worden. Eine unmittelbare Verknüpfung der beiden Verkehrsnetze (IV-Modell und ÖV-Modell) habe aufgrund unterschiedlicher Bezugskennwerte nicht erfolgreich umgesetzt werden können. Jedoch sei ein Abgleich der beiden Nachfragematrizen im Kfz-Verkehr (1996 und 2003) erfolgt. Im Rahmen der Fortschreibung des Nahverkehrsplanes sei 2009 durch den Auftragnehmer ISUP GmbH eine Aktualisierung und Kalibrierung des Istfalls im ÖV-Modell anhand der Daten aus der Verkehrserhebung im Vorfeld der Gründung des marego-Verkehrsverbundes 2005 erfolgt. Die Prognose im ÖV-Modell für den Planungshorizont 2015 sei durch den Auftragnehmer unter Berücksichtigung veränderter Linienführungen von Bus und Straßenbahn gemäß dem vorgesehenen Umsetzungsstand entsprechend erarbeitet worden. Da mittelfristig von einer stabilen Bevölkerungsentwicklung bis 2015 habe ausgegangen werden können, sei die Verkehrsnachfrage des lst-Zustandes des ÖV-Modells in die Prognose 2015 eingegangen.
- 224
Die LKW-Matrix für den Istfall 2007 im IV-Modell sei vom Büro IVV Aachen / Berlin im Auftrag des Landes Sachsen-Anhalt im Zuge von Untersuchungen zur Einrichtung einer Umweltzone in Magdeburg erstellt und der Beklagten zur weiteren Nutzung bereitgestellt worden. Auf Basis dieser Daten sei Ende 2008 / Anfang 2009 eine LKW-Matrix für die Prognose 2015 abgeleitet worden. Grundlage hierfür sei die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) herausgegebene „Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025 [ITB/ BVU 2007]“ gewesen.
- 225
In das Verkehrsmodell des Kfz-Verkehrs seien folgende Netzmodelle und Matrizen eingepflegt worden:
- 226
• IV-Netzmodell für den Istfall 2007
- 227
• IV-Netzmodell für die Prognose 2015
- 228
• Nachfragematrix PKW-Verkehr für den Istfall 2007
- 229
• Nachfragematrix PKW-Verkehr für die Prognose 2015
- 230
• Nachfragematrix LKW-Verkehr für den Istfall 2007
- 231
• Nachfragematrix LKW-Verkehr für die Prognose 2015.
- 232
Die Kalibrierung des IV-Netzmodells sei jährlich punktuell anhand von Verkehrszählungen erfolgt. Ebenfalls eingearbeitet worden seien Verkehrsfreigaben von Verkehrsanlagen und verkehrsorganisatorische Veränderungen (veränderte Hauptstraßenführungen, Anpassung von LSA-Programmen, Geschwindigkeiten etc.). Sei das Verkehrsmodell im Istfall in der Lage gewesen, das Verkehrsgeschehen im Ist-Zustand realitätsnah abzubilden (Abgleich mit Fahrtweitenverteilungen, entfernungsabhängigem Modal Split und Daten aus den laufenden Verkehrszählungen), so habe es als kalibriert gegolten und die Grundlage für die Verkehrsprognose 2015 dargestellt.
- 233
Das kalibrierte IV-Netzmodell im Istfall sei um die nach damaligem Kenntnisstand zu erwartenden bzw. gesicherten Maßnahmen laut des verkehrlichen Leitbildes und des Flächennutzungsplans ergänzt worden. Unter Beachtung dieser Ergänzungen stelle sich das für 2015 prognostizierte IV-Netz wie folgt dar:
- 234
• Komplettierung des Knotens Magdeburger Ring / Brenneckestraße
- 236
• Verlängerung / Durchbindung der Grabower Straße, der Burger Straße und der Straße „Am Hansehafen“ im Gewerbegebiet „Rothensee“ einschließlich einer gewerblichen Ansiedlung in diesem Gebiet
- 237
• Neubau der Eisenbahnüberführung Ernst-Reuter-Allee (EÜ ERA)
- 238
• Ausbau der Berliner Chaussee (B 1) als vierstreifige Straße.
- 239
Im Rahmen des streitigen Planfeststellungsverfahrens sei Ende 2010 / Anfang 2011 ersichtlich geworden, dass der Prognosehorizont 2015 in Bezug zum absehbaren Fertigstellungstermin des Bauvorhabens nicht mehr ausgereicht habe. Daher sei vom Vorhabenträger eine Verkehrsprognose 2025 angefordert worden. Die Ergebnisse dieser Verkehrsprognose sollten Bestandteil des streitigen Planfeststellungsverfahrens werden.
- 240
Für die Weiterqualifizierung des bisherigen Netzmodells für den Zeithorizont 2025 seien folgende Eingangsdaten in Anlehnung an die drei Kategorien erfasst und entsprechend eingepflegt worden:
- 241
1. Kategorie: Strukturdaten
- 242
• Einwohner (Ist 2011 und Prognose 2025)
- 243
unterteilt nach verhaltenshomogenen Gruppen, verkehrszellenfein
- 244
Quelle: Amt für Statistik der Landeshauptstadt Magdeburg, 2010
- 245
2. Kategorie: Netzdaten
- 246
• Übernahme der Netzdaten (Ist 2007 und Prognose 2025) und Aktualisierung dieser Daten auf dem Stand 2011 durch Einfügen weiterer Widerstände im Netz (LSA-geregelte Straßenquerungen der Straßenbahn, Fußgänger-LSA und Bahnübergänge)
- 247
• Erhöhung der Anzahl städtischer Verkehrszellen von 223 auf 234 Verkehrszellen (Ist 2007 und Prognose 2025) durch Aggregieren bestimmter vorhandener Verkehrszellen, wie z.B. in den Stadtteilen Neue Neustadt, Neustädter See, Leipziger Straße, Hopfengarten, Buckau und Salbke. Die Anzahl der Verkehrszellen im Umland blieb mit 19 Verkehrszellen unverändert.
- 248
Quelle: Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt Magdeburg, 2011
- 249
3. Kategorie: Verhaltensdaten
- 250
• Beibehaltung der Verhaltensdaten je Verkehrszelle (Modal Split, Wegeketten je Person und Verkehrsart)
- 251
Quelle: Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt Magdeburg, 2011.
- 252
Weitere aktuelle verkehrszellenfeine Daten zur Arbeitsplatzverteilung, zu Verkaufsraumflächen, zu Freizeiteinrichtungen bzw. zur städtebaulichen Entwicklung sowohl für den Istfall 2011 als auch für die Prognose 2025 seien wie folgt in die Verkehrsprognose 2025 eingeflossen:
- 253
> Keine Ausweisung neuer Wohnbaugebiete im Außenbereich. Vielmehr sieht die Überarbeitung des Flächennutzungsplanes vor, im ostelbischen Bereich vormals im Flächennutzungsplan ausgewiesene Wohngebiete herauszunehmen. Am Stadtrand sollen allenfalls Arrondierungsflächen noch für Wohngebiete zur Verfügung stehen.
- 254
Innerstädtische Wohnbauprojekte werden auch in Bereichen ausgewiesen, auf denen vormals ein Rückbau erfolgt ist. Beispiele hierfür sind u.a. die Bereiche Rennebogen, Düppler Grund und Bruno-Krayl-Ring. Mithin findet hier lediglich ein Austausch von Wohnformen statt. Dies führt zwar zu Veränderungen der Anzahl der dort Wohnenden, gleichwohl nicht zu grundsätzlichen neuen Ausrichtungen.
- 255
> Beibehaltung des gegenwärtigen Status der Flächen von Industrie- und Gewerbegebieten. Der Status des Jahres 2006 hat fortzugelten, wonach keine neuen Industrie- und Gewerbegebiete ausgewiesen werden sollen, sofern diese nicht vollständig besiedelt sind. Das folgt aus Ziff. 4.9 des Regionalen Entwicklungsplans der Region Magdeburg. Wesentliche Zuwächse im Wirtschaftsverkehr ergeben sich vor allem im Norden der Stadt aus der Entwicklung des Hansehafens und des Industrie- und Logistikzentrums. Die übrigen Industrie- und Gewerbestandorte verbleiben mit Ausnahme des Bereichs SKET / Freie Straße
- 256
im vorhandenen Bestand.
- 257
> Beibehaltung des gegenwärtigen Status der räumlichen Verteilung der Einkaufs- und Freizeitstandorte. Die räumliche Entwicklung im Einzelhandel wurde mit der Erweiterung des ECE-Standortes „Allee Center“ im Jahr 2006 abgeschlossen. Auf der Grundlage des bestehenden Märktekonzeptes ist eine Ausweitung des Einzelhandels nur in begrenztem Umfang möglich, da die Landeshauptstadt Magdeburg mit 2,5 m² Verkaufsfläche je Einwohner bereits einen sehr hohen Spitzenwert innehat. Auch die beiden peripheren Sondergebiete „Flora-Park“ und „Börde-Park“ sind in ihrer Entwicklung weitestgehend abgeschlossen, so dass hier insgesamt von einem Bestand auszugehen ist.
- 258
> Berücksichtigung der Entwicklung des spezifischen Verkehrsaufkommens im MIV von 1,65 Fa/P+d (2003) auf 1,45 Fa/P+d (2008).
- 259
In Auswertung dieser Ausgangslage sei festgehalten worden, dass die für die Prognose 2015 getroffenen Annahmen zu den Struktur- und Netzdaten mit Ausnahme der Einwohnerentwicklung auch für die Verkehrsprognose 2025 anzuwenden seien. Für die Einwohnerentwicklung sei die vom Amt für Statistik der Landeshauptstadt Magdeburg erstellte Bevölkerungsvorausschau bis 2025 herangezogen worden. Die Beibehaltung der Verkehrszellen entsprechend der überwiegenden Nutzungsart (Wohn-, Misch-, Gewerbegebiete, Großeinkaufmärkte oder großräumige Freiflächen) und der Netzstruktur (Straßennetz) habe diese Anpassung erleichtert und ermögliche eine Vergleichbarkeit zum Istfall 2007 bzw. zur Prognose 2015.
- 260
Grundlage für die Bevölkerungsvorausschau habe die 5. Regionalisierte Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt gebildet. Aufbauend auf dieser stadtgenauen Prognose sei erstmals mittels eines Trendszenarios die Bevölkerungsentwicklung verkehrszellenfein innerhalb des Stadtgebietes erstellt worden, dessen Grundlage die Wanderungsbewegungen, die Geburten- und Sterbeentwicklungen je statistischem Bezirk der letzten fünf Jahre gewesen seien. Die in der Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen herausgearbeiteten Entwicklungen im Personen- und im Straßengüterverkehr seien berücksichtigt worden, wenn diese in einem direkten Zusammenhang zu Magdeburg gestanden hätten. Des Weiteren seien einige statistische Bezirke nochmals unterteilt worden, um somit eine realitätsnähere Widerspiegelung zu den tatsächlich ermittelten Verkehrsbelastungen einiger Haupt- netz- und wichtiger Durchgangsstraßen im Nebennetz in diesen statistischen Bezirken zu ermöglichen. Das bisher modellierte Straßennetz sei im Wesentlichen übernommen und durch Einfügen von Widerständen weiter verfeinert worden. Diese Verfeinerungen seien sowohl jeweils im Istfall als auch im Prognosenetz entsprechend berücksichtigt. Ausgehend vom gegenwärtigen Kenntnisstand zur städtebaulichen und verkehrlichen Entwicklung in der Landeshauptstadt Magdeburg bis 2025 sei das prognostizierte IV-Netz wie folgt erweitert worden:
- 261
• Neubau der Erschließungsstraßen im SKET-Areal „Freie Straße“ einschließlich einer gewerblichen Ansiedlung in diesem Gebiet
- 262
• Neubau der Elbbrücken des verlängerten Strombrückenzuges.
- 263
Ausgehend von den Ergebnissen der SrV 2008 zum Modal Split habe zum damaligen Zeitpunkt keine Reduzierung aller Kfz-Fahrten im Magdeburger Binnenverkehr für den Prognosehorizont 2025 abgeleitet werden können. Der Anteil des Motorisierten Individualverkehrs je Person und Tag (MIV) sei von 1991 bis 2003 stetig angestiegen und habe 2008 einen leichten Rückgang aufgewiesen. Die Summe aller Kfz-Fahrten im Magdeburger Binnenverkehr sei in diesem Zeitraum wegen des Rückganges der Einwohnerzahl dagegen konstant geblieben. Aus dem bisher einmaligen Rückgang des MIV-Anteils habe nach damaligem Kenntnisstand kein Rückschluss auf eine Trendwende im Verkehrsverhalten der Magdeburger Bürger abgeleitet werden können. Daher habe man angenommen, dass das Verkehrsverhalten der Bürger bis 2025 unverändert bleiben würde.
- 264
Da die Einteilung der Verkehrszellen im Stadtgebiet im Laufe der Zeit immer noch als homogen bezeichnet werden könne, seien für die Ermittlung der Quell- und Zielverkehre nur die Verkehrszellen innerhalb der Stadt herangezogen worden, die eine überwiegende Nutzungsart des Wohnens aufwiesen. Die Ermittlung dieser Verkehre im personengebundenen Binnenverkehr sei in Anlehnung an die Entwicklung der Bevölkerungsvorausschau und unter Beachtung der Homogenität in der Nutzungsart der jeweiligen Verkehrszellen erfolgt. Eine Zunahme der Bevölkerung je Verkehrszelle habe auch eine anteilige Zunahme der Quell- und Zielverkehre je Verkehrszelle innerhalb der Stadt bedeutet. Außerhalb der Stadt liegende Verkehrszellen sowie die fahrzeugbezogenen LKW-Matrizen seien unverändert geblieben.
- 265
Zum Zeitpunkt der Erstellung des Verkehrsmodells der Beklagten im Jahr 1996 habe es keine Bundesautobahn A 14 gegeben. Der damalige Quelle-Ziel- und der Durchgangsverkehr hätten sich auf die damals nach Magdeburg radial zufließenden Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen orientiert. Über die 1994 durchgeführte Kordonbefragung an allen Radialstraßen (woher, wohin und zu welchem Zweck) habe ein hinreichend genaues Abbild dieser Verkehre ermittelt werden können. Mit der Eröffnung der BAB A 14 im Jahr 2000 habe eine Verkehrsverlagerung aus dem Stadtgebiet auf diese neue Trasse eingesetzt. Sie habe vor allem den regionalen Quelle-Ziel- und überörtlichen Durchgangsverkehr umfasst. Durch diese Verkehrsverlagerung auf die BAB A 14 seien im Zuge des Magdeburger Ringes sehr große Kapazitäten freigesetzt worden, die wiederum durch den Binnenverkehr hätten besetzt werden können. Dies zeigten einerseits die weiterhin hohen Verkehrsbelastungen auf dem Magdeburger Ring, aber auch die flächenhafte Verkehrsentlastung des Straßenhauptnetzes im Stadtgebiet. In der Folgezeit sei bis 2007 zwar ein deutlich geringeres Maß an Verkehrsverlagerungen festzustellen. Vor allem im Zuge der BAB A 14, des Magdeburger Ringes und der B 1 hätten weitere Verkehrszunahmen und im übrigen Stadtgebiet demgegenüber flächenhafte Verkehrsentlastungen realisiert werden können. Im Rahmen der ständigen Aktualisierung der Istfälle hätten diese Entwicklungen hinreichend genau widergespiegelt werden können. Es sei auch ersichtlich geworden, dass sich die Istfälle 1996 bis 2007 bezüglich der Bündelung der Verkehrsströme auf die Hauptverkehrsstraßen und der flächenhaften Verkehrsentlastung des übrigen Netzes immer mehr der Prognose 2015 näherten. Das im Rahmen dieser Aktualisierung kalibrierte Kfz-Verkehrsmodell habe somit eine hinreichend genaue Grundlage für die Verkehrsprognose 2015 gebildet, welche somit ständig dem Baufortschritt der Verkehrsanlagen und der zwischenzeitlich realisierten Ansiedlungen von Wohn- und Gewerbegebieten sowie großflächigen Einkaufsmärkten angepasst worden sei.
- 266
Auch nach 2007 sei das Verkehrsmodell im Istfall und in der Prognose 2015 entsprechend den zuvor genannten Rahmenbedingungen projektbezogen weiterentwickelt worden. Das Kfz-Verkehrsmodell im Istfall habe somit hinreichend genau die erfassten Verkehrsbelastungen im Straßenhauptnetz der Stadt widergespiegelt und habe daher als Grundlage für eine Verkehrsprognose 2025 für die Landeshauptstadt Magdeburg herangezogen werden können.
- 267
Im Rahmen der Erstellung der Verkehrsprognose 2025 sei zunächst voranzustellen gewesen, dass ein unmittelbares Zusammenfügen des städtischen Verkehrsmodells mit dem Verkehrsmodell des Landes Sachsen-Anhalt aufgrund der verschiedenartigen Bezugskennwerte nicht möglich gewesen sei. Die im Landesverkehrswegeplan von Sachsen-Anhalt enthaltenen geplanten Verkehrsbauvorhaben im Umland von Magdeburg, wie z.B. die Nord-Verlängerung der BAB A 14, einschließlich der Neu-Anbindung der B 71n an die BAB A 14; die Südumfahrung von Schönebeck im Zuge der B 246a, seien der Beklagten der Lage nach bekannt. Auswirkungen dieser Baumaßnahmen auf den innerstädtischen Verkehr der Landeshauptstadt Magdeburg hätten nicht unmittelbar abgeleitet werden können. Mit der Nord-Verlängerung der BAB A 14 werde bspw. eine Entflechtung der Verkehre auf der B 189 zwischen Stendal und Magdeburg sowie auf der B 71 zwischen Haldensleben und Magdeburg dahingehend einhergehen, dass zukünftig zwei Trassen zwischen Magdeburg und Stendal bzw. Haldensleben zur Verfügung stehen werden. Weiträumige überörtliche Verkehre würden somit eher die A 14 und der Quelle-Ziel-Verkehr würde im Nahbereich von Magdeburg eher die B 189 bzw. B 71 nutzen.
- 268
Aus verkehrsplanerischer Sicht sei die Annahme getroffen worden, dass die aus der baulichen Umsetzung dieser Maßnahmen resultierenden verkehrlichen Auswirkungen in besonderem Maße die Verkehre entlang der neu angelegten Trassen außerhalb von Magdeburg betreffen. Denn die BAB A 14 führe schon heute längs am Stadtgebiet von Magdeburg im Norden bis nach Dahlenwarsleben vorbei. Die Verkehre würden einerseits über die BAB A 14 – wie schon jetzt – tangential an Magdeburg vorbeifließen und andererseits würde der Quelle-Ziel-Verkehr in Höhe der Stadtgrenze wieder über bereits bestehende Trassen nach und von Magdeburg fließen. Diese Quelle-Ziel-Verkehre seien somit in die Netzmodellierung entsprechend eingeflossen.
- 269
Des Weiteren hätten konkrete, auf die Landeshauptstadt Magdeburg ableitbare Informationen zum zeitlichen Bauablauf der Nord-Verlängerung der BAB A 14 sowie zu Zwischenzuständen bei abschnittsweisen Verkehrsfreigaben der BAB A 14 weder 2007 noch 2011 zur Verfügung gestanden. Zum Zeitpunkt der Modellierung habe man daher davon ausgehen können, dass die vorrangig in der Nord-Süd-Relation ausgerichteten Verkehre der BAB A 14 keinen mess- bzw. modellierbaren Einfluss auf die vorrangig städtisch orientierten Ost-West-Verkehre entlang der Ernst-Reuter-Allee ausüben würden. Ebenso sei ersichtlich geworden, dass aus den im Rahmen der „Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025“ und der „Verkehrlichen Überprüfung der Straßenbauprojekte im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 2004“ erstellten Szenarien keine unmittelbare Übernahme der für die Landeshauptstadt Magdeburg relevanten Daten ableitbar gewesen seien.
- 270
In Auswertung der Konzeptionen zur Stadtentwicklung (Flächennutzungsplan, Verkehrliches Leitbild, Märktekonzept, Stadtumbaukonzept, Nahverkehrskonzeption u.a.) könne zusammengefasst werden, dass die bisher verankerten Ziele der Stadtentwicklung auch über das Jahr 2015 im Wesentlichen weiter verfolgt werden.
- 271
Schwerpunkte hierfür lägen somit:
- 272
> in der weiteren Verdichtung innenstadtnaher Wohnbereiche wie z.B. in der Alten und Neuen Neustadt, in Brückfeld, in Cracau, in Buckau, in Sudenburg und in Stadtfeld
- 273
> in der weiteren Ansiedlung von Industrie und Gewerbe in den Gewerbegebieten Nord, Sülzegrund und Beyendorfer Grund sowie in derzeit brachliegenden Industriebrachen, wie z.B. „SKET-Areal“
- 274
> in der Beibehaltung der bisher geschaffenen großflächigen Einkaufsmärkte „Am Pfahlberg“, Florapark“ und Bördepark sowie des Einkaufsbereiches Ernst-Reuter-Allee / Breiter Weg
- 275
> in der Aufrechthaltung der Universitäts- und Hochschulstandorte in der Innenstadt und im Herrenkrug.
- 276
Neben diesen Schwerpunkten der Stadtentwicklung habe die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung in der Landeshauptstadt Magdeburg und im näheren Umland der Landeshauptstadt einen erheblichen Einfluss gehabt. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes des Landes Sachsen-Anhalt sei eine Bevölkerungsentwicklung von 2011 auf 2025 landesweit von -15,8 %‚ in den Landkreisen Börde von -16,3 %‚ Salzlandkreis von -20,1 % und Jerichower Land von -18,9 % sowie stadtfein für die Landeshauptstadt Magdeburg von -2,3 % zu erwarten. Während landesweit und in den drei Landkreisen ein stetiger Rückgang prognostiziert worden sei, habe die Bevölkerung der Landeshauptstadt bis 2015 leicht auf 232.500 Einwohner (EW) ansteigen sollen, bis 2020 leicht auf 230.700 EW zurückgehen und ab 2020 bis 2025 auf 225.600 EW etwas stärker abnehmen sollen. Auf dieser Basis habe 2011 das Amt für Statistik der Beklagten verkehrszellenfein die Bevölkerungsvorausschau erstellt. Unter Beachtung der im Trendszenario fortgeschriebenen Eckpunkte (Geburtenrate, Sterberate, Wanderungssaldo zwischen den statistischen Bezirken u.a.) könne verkehrszellenfein eine Entwicklung eintreten, bei der im innenstadtnahen Bereich der Stadt die Einwohnerzahl sich erhöhe und in einigen sich in Randlage befindlichen Stadtteilen die Einwohnerzahl sehr deutlich abnehmen werde. Die Bevölkerungsvorausschau sei auf Basis der Bevölkerung mit Hauptwohnsitz erfolgt. Somit sei bei der Ermittlung der Bevölkerungsvorausschau unterstellt worden, dass die Anteile der Personen mit Zweitwohnsitz in den jeweiligen Stadtteilen von derzeit 2,2 % aller wohnberechtigten Einwohner unverändert bleiben werden und damit die Ungenauigkeit in der Ermittlung der Quelle- und Ziel-Verkehre je Verkehrszelle nur marginal beeinflussen. Die Entwicklung entspreche damit im Wesentlichen der städtebaulichen Zielstellung – der weiteren Verdichtung der inneren Stadtteile des sogenannten 1. Rings sowie des Stadtzentrums. Durch diese deutlich differenzierten Strukturänderungen in den einzelnen Verkehrszellen könnten sich ebenso deutlich veränderte Verkehrsbeziehungen ergeben. Die Umlegung der mit diesen Annahmen erstellten IV-Nachfragematrix 2025 auf das vorhandene Straßennetz (Prognose-NuIlfall) und auf das geplante Verkehrsnetz 2025 (Prognose-Planfall) habe deutlich gemacht, dass es infolge der o.g. Entwicklung zu einem leichten Aufwuchs der Verkehrsbelastung auf einigen innenstadtnahen Hauptverkehrsstraßen kommen könne. Mit diesem Aufwuchs würde die Leistungsfähigkeit des Hauptverkehrsstraßennetzes der Stadt nicht beeinträchtigt werden. Es würde damit kein Verdrängen in das Straßennebennetz stattfinden. Die in die Prognose 2025 einbezogenen Verkehrsbaumaßnahmen dienten u.a. der weiteren Bündelung des Kfz-Verkehrs auf das Hauptverkehrsstraßennetz. In Bezug auf die beiden anstehenden Großvorhaben in der Innenstadt – Eisenbahnüberführung Ernst-Reuter-Allee und Neubau der Elbbrücken – seien keine Verlagerungen des MIV modellseitig erkennbar geworden.
- 277
(3.) Der Kläger vermag nicht mit dem Einwand durchzudringen, eine schlüssige Verkehrsprognose sei nicht Gegenstand von Planfeststellungsunterlagen gewesen, vielmehr wiesen die ausgelegten Unterlagen erhebliche Defizite auf. Zwar lässt sich allein anhand der in den vorliegenden Planfeststellungsunterlagen enthaltenen Angaben nicht nachvollziehen, wie das Stadtplanungsamt der Beklagten zu den in der Verkehrsprognose dargestellten Ergebnissen gelangte. Es wird im Wesentlichen nur das Ergebnis der Auswertung mitgeteilt. Jedoch führt allein eine unzureichende Dokumentation der Ermittlung des prognostizierten Verkehrsaufkommens nicht zu einem relevanten Rechtsfehler. Den einschlägigen Normen kann keine Rechtspflicht zur umfassenden Dokumentation der zugrunde liegenden Untersuchungen entnommen werden. Der Behörde ist es daher nicht verwehrt, die Plausibilität der für die Planung maßgeblichen Untersuchungsergebnisse nachträglich aufzuzeigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – 9 A 19.11 –, a.a.O., RdNr. 29).
- 278
(4.) Auch unter Berücksichtigung der im Verfahren 2 K 99/12 von der dortigen Klägerin vorgelegten Stellungnahme des IVV vom August 2013 sind methodische Fehler oder unrealistische Annahmen bei der Erstellung der Verkehrsprognose nicht erkennbar.
- 279
(4.1.) Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angenommenen Verkehrszahlen bereits deswegen verfehlt sind, weil ein erheblicher Anstieg des LKW-Aufkommens zu erwarten wäre, der in den Belastungsdaten, die insbesondere den Immissionsgutachten zugrunde liegen, nicht berücksichtigt wurde.
- 280
Dem Kläger ist zwar darin beizupflichten, dass zur Berechnung von LKW-Anteilen auf die Tabelle A in Anlage 1 zur 16. BImSchV zurückgegriffen werden kann, solange geeignete projektspezifische Prognosen des LKW-Anteils fehlen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – 9 A 19.11 –, a.a.O., RdNr. 28). Allerdings ist entgegen seiner Annahme die Ernst-Reuter-Allee nicht – auch nicht nach Vergrößerung der Durchfahrtshöhe von 3,40 m auf 4,50 m – als Gemeindeverbindungsstraße einzustufen mit der Folge, dass bei Anwendung der Tabelle A der Anlage 1 zur 16. BImSchV der LKW Anteil mit 20 % tags und 10 % nachts anzusetzen wäre. Eine Gemeindeverbindungsstraße ist dadurch gekennzeichnet, dass sie überwiegend dem nachbarlichen Verkehr zwischen Gemeinden oder dem weiteren Anschluss von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen an überörtliche Verkehrswege dienen oder zu dienen bestimmt sind (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA). Auch wenn die zulässige Gesamthöhe für Kraftfahrzeuge gemäß § 32 Abs. 2 StVZO 4,00 m beträgt, so dass nach einer Vergrößerung der Durchfahrtshöhe von 3,40 m auf 4,50 m künftig auch mehr größere LKWs die Eisenbahnunterführung nutzen können als zuvor, ist nicht ersichtlich, dass die in der Innenstadt liegende Ernst-Reuter-Allee deshalb überwiegend dem nachbarlichen Verkehr zu anderen Gemeinden dienen soll. Mit der Sanierung der Eisenbahnunterführung will die Beklagte eine Durchfahrtshöhe von 4,50 m deshalb gewährleisten, weil dies der Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen – Ausgabe 2006 (RASt 06) entspricht. Die Richtlinien für die Anlage von Straßen bringen die anerkannten Regeln für die Anlage von Straßen zum Aus
- 281
druck; ausgehend hiervon wird eine Straßenplanung, die sich an den Vorgaben dieser Richtlinien orientiert, nur in besonderen Ausnahmefällen gegen das fachplanerische Abwägungsgebot verstoßen (vgl. zu den Richtlinien für die Anlage von Straßen [RAS] BVerwG, Urt. v. 30.05.2012 – 9 A 35.10 –, NVwZ 2013, 147 [152], RdNr. 43, m.w.N.). Die Tabelle A der Anlage 1 zur 16. BImSchV geht davon aus, dass bei Gemeindestraßen von einem Anteil für LKWs mit über 2,8 t zulässigem Gesamtgewicht von tagsüber 10 % und nachts 3 % zu rechnen ist. Unter Anwendung eines von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) genannten Umrechnungsfaktors von 1,17 (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – 9 A 19.11 –, a.a.O., RdNr. 30) läge der LKW-Anteil > 3,5 t nachts bei 2,56 % und tags bei ca. 8,55 %, durchschnittlich also bei 5,56 %.
- 282
Die Beklagte hat indes den LKW-Anteil projektbezogen ermittelt, so dass nicht auf die Tabelle A in Anlage 1 zur 16. BImSchV zurückgegriffen werden muss.
- 283
Die Möglichkeit, bestimmte Werte auf der Grundlage geeigneter projektbezogener Untersuchungsergebnisse heranzuziehen, soll – wie die verwerteten Daten, Tabellen und Korrekturwerte der Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV – Erfahrungswissen nutzbar machen. Daher ist es erforderlich, aber auch ausreichend, entsprechende Erkenntnisse empirisch (auf Erfahrung beruhend) zu ermitteln, auszuwerten und in wissenschaftlich korrekter Weise Schlussfolgerungen für die zu beurteilende Situation zu ziehen. Dagegen muss das erarbeitete Erfahrungswissen nicht zugleich mathematisch zwingende Schlussfolgerungen erlauben (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 11.01.2001 – 4 A 13.99 –, NVwZ 2001, 1154 [1157], RdNr. 70 in Juris).
- 284
Die Beklagte hat für die Ermittlung der zu erwartenden LKW-Anteile als wesentliche Grundlage Erfahrungswissen aus der Nutzung der bereits bestehenden und befahrenen Straße herangezogen. Sie hat insoweit auf eine LKW-Matrix für den Istfall 2007 im IV-Modell zurückgegriffen, die vom Büro (…) im Auftrag des Landes Sachsen-Anhalt im Zuge von Untersuchungen zur Einrichtung einer Umweltzone in Magdeburg auf der Basis von Verkehrszählungen innerhalb des Stadtgebietes erstellt worden war. Der LKW-Anteil betrug für die Analyse 2007 im streitigen Abschnitt der Ernst-Reuter-Allee zwischen 0,8 und 1,8 % und durchschnittlich ca. 1,5 % (vgl. Tabelle 5 der Luftschadstoffuntersuchung, S. 16). Nach der „Datenzusammenstellung und Erläuterung zu den Anforderungen der ISU Plan Berlin EÜ Ernst-Reuter-Allee, Bewertung der Umweltauswirkungen gemäß § 12 UVPG“ vom 24.07.2008 beinhaltete der Istfall 2007 sowohl die Verkehrsbelastung im Kfz-Verkehr als auch anteilig den LKW-Verkehr über 24 Stunden (DTV). Die Prognosen beinhalteten dagegen die Verkehrsbelastung nur im Kfz-Verkehr. Eine Unterteilung des Kfz-Verkehrs in LKW- und übrigen Kfz-Verkehr habe nicht vorgenommen werden können, weil eine Unterscheidung zwischen Kfz- und LKW-Verkehr nach dem Netzmodell VISUM nicht vorhanden sei.
- 285
Für den Null- und Planfall der Prognosen wurden deshalb auf der Grundlage der vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) herausgegebenen „Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025“ der vom 14.11.2007 (http://www.dlr.de/cs/Portaldata/10/Resources/dokumente/daten_berichte/FE_96_857_2005_Verflechtungsprognose_2025_Gesamtbericht_20071114.pdf) die LKW-Anteile ermittelt. Nach dieser – wissenschaftlichen Maßstäben genügenden – Untersuchung (vgl. S. 208) ist für den Prognosezeitraum 2025 mit einer Steigerung des LKW-Nahverkehrs von 3 %, des Güterfernverkehrs von 55 % und des gesamten LKW-Verkehrs von 27 % zu rechnen. Legt man die Steigerungsrate für den gesamten LKW-Verkehr (von 27 %) zugrunde, ergäbe sich für den hier vorhandenen Abschnitt ein LKW-Anteil von maximal ca. 2,3 %. Gleichwohl hat das Ingenieurbüro Dr. Brenner für die Luftschadstoffuntersuchung einen LKW-Anteil von 5 % zugrunde gelegt, um „auf der sicheren Seite“ zu sein, obwohl sich nach dessen Einschätzung der Schwerverkehrsanteil eher zwischen 2 und 4 % bewege (vgl. die Ausführungen im Erörterungstermin vom 09.01.2012 (S. 75 der Niederschrift, Bl. 142 der Beiakte P). Der Anteil von 5 % wurde der Luftschadstoffuntersuchung zugrunde gelegt.
- 286
Angesichts des bislang geringen LKW-Anteils auf der Ernst-Reuter-Allee von durchschnittlich 1,5 % bis 1,6 % und maximal 1,8 %, der für den Ist-Fall 2007 ermittelt wurde, erscheint es deshalb jedenfalls vertretbar, für die Prognosefälle 2018 und 2025 einen Anteil von 5 % des DTV anzusetzen. Auch in Anbetracht der Vergrößerung der Durchfahrtshöhe von 3,40 m auf 4,50 m begegnet die Bemessung des LKW-Anteils mit 5 % keinen durchgreifenden Bedenken. Die Befürchtung, dass das LKW-Aufkommen in der Ernst-Reuter-Allee nach Vergrößerung der Durchfahrtshöhe durch große LKW mit einer Höhe von mehr als 3,40 m in größerem Umfang als angenommen gesteigert werde, hat das Ingenieurbüro Dr. Brenner bereits im Erörterungstermin vom 09.01.2012 (S. 76 der Niederschrift, Bl. 143 der Beiakte P) in nachvollziehbarer Weise entkräftet. Er hat hierzu ausgeführt, dass es wesentlich attraktivere Stellen gebe, die Innenstadt zu durchfahren. Das Stadtzentrum sei dadurch gekennzeichnet, dass dort viele Lichtsignalanlagen vorhanden seien, die für den Durchgangsverkehr behindernd wirkten. Es sei zwar so etwas wie eine kleine Koordinierung mit enthalten, aber diese orientiere sich eher an der Straßenbahn und weniger am Kfz-Verkehr. Das bedeute, dass auch LKW-Fahrer, denen regelmäßig wenig Zeit zur Verfügung stehe, insbesondere im Berufsverkehr die Innenstadt nicht zügig, sondern nur unter Behinderungen durchfahren könnten. Der meiste Verkehr, der in die Innenstadt hineinfahre, sei Zielverkehr. Es gebe eine wesentlich leistungsfähigere Straßenführung im Stadtgebiet über den sogenannten City-Ring, an dem auch die Bundesstraße B 1 maßgeblich beteiligt sei. Ein LKW-Fahrer, der auf dieser Tangente aus Richtung Süden oder Norden ankomme und in Richtung Osten fahren wolle, komme viel besser voran, wenn er an der Albert-Vater-Straße (B 1) abfahre. Weitere Lkws, die sich bereits auf der Bundesstraße B 1 befänden, wären zeitlich wesentlich schlechter gestellt, wenn sie die B 1 irgendwo verließen, um das Zentrum zu kreuzen und dann irgendwo wieder auf die B 1 zu fahren.
- 287
(4.2.) Die Verkehrsprognose ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie die teilweise bereits im Bau befindliche und im Übrigen geplante Nordverlängerung der Bundesautobahn A 14 sowie andere verkehrliche Entwicklungen in naher Zukunft im Umfeld der Stadt Magdeburg unberücksichtigt lässt. Für die Annahme des Klägers, auf absehbare Zeit werde der Verkehr der A 14 über die B 189 direkt nach Magdeburg hineingeführt, bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte.
- 288
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, Auswirkungen der im Landesverkehrswegeplan von Sachsen-Anhalt enthaltenen geplanten Verkehrsbauvorhaben im Umland von Magdeburg wie z.B. die Nord-Verlängerung der BAB A 14 einschließlich der Neu-Anbindung der B 71n an die BAB A 14 oder die Südumfahrung von Schönebeck im Zuge der B 246a auf den innerstädtischen Verkehr hätten nicht unmittelbar abgeleitet werden können. Mit der Nord-Verlängerung der BAB A 14 werde bspw. eine Entflechtung der Verkehre auf der B 189 zwischen Stendal und Magdeburg sowie auf der B 71 zwischen Haldensleben und Magdeburg dahingehend einhergehen, dass zukünftig zwei Trassen zwischen Magdeburg und Stendal bzw. Haldensleben zur Verfügung stehen werden. Weiträumige überörtliche Verkehre würden somit eher die A 14 und der Quelle-Ziel-Verkehr würde im Nahbereich von Magdeburg eher die B 189 bzw. B 71 nutzen. Aus verkehrsplanerischer Sicht sei die Annahme getroffen worden, dass die aus der baulichen Umsetzung dieser Maßnahmen resultierenden verkehrlichen Auswirkungen in besonderem Maße die Verkehre entlang der neu angelegten Trassen außerhalb von Magdeburg betreffen. Denn die BAB A 14 führe schon heute längs am Stadtgebiet von Magdeburg im Norden bis nach Dahlenwarsleben vorbei. Die Verkehre würden einerseits über die BAB A 14 – wie schon jetzt – tangential an Magdeburg vorbeifließen und andererseits würde der Quelle-Ziel-Verkehr in Höhe der Stadtgrenze wieder über bereits bestehende Trassen nach und von Magdeburg fließen. Diese Quelle-Ziel-Verkehre seien somit in die Netzmodellierung entsprechend eingeflossen. Des Weiteren hätten konkrete, auf die Landeshauptstadt Magdeburg ableitbare Informationen zum zeitlichen Bauablauf der Nord-Verlängerung der BAB A 14 sowie zu Zwischenzuständen bei abschnittsweisen Verkehrsfreigaben der BAB A 14 weder 2007 noch 2011 zur Verfügung gestanden. Zum Zeitpunkt der Modellierung habe man daher davon ausgehen können, dass die vorrangig in der Nord-Süd-Relation ausgerichteten Verkehre der BAB A 14 keinen mess- bzw. modellierbaren Einfluss auf die vorrangig städtisch orientierten Ost-West-Verkehre entlang der Ernst-Reuter-Allee ausüben würden. Ebenso sei ersichtlich geworden, dass aus den im Rahmen der „Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025“ und der „Verkehrlichen Überprüfung der Straßenbauprojekte im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 2004“ erstellten Szenarien keine unmittelbare Übernahme der für die Landeshauptstadt Magdeburg relevanten Daten ableitbar gewesen seien. Dies alles erscheint plausibel, so dass nicht zu beanstanden ist, dass ein überörtliches Verkehrsmodell, insbesondere das Verkehrsmodell des Landes Sachsen-Anhalt, keinen Eingang in das Verkehrsmodell der Beklagten gefunden hat. Hinzu kommt, dass nach den von der Beklagten zitierten Angaben des Statistischen Landesamts des Landes Sachsen-Anhalt mit einer Abnahme der Bevölkerungsentwicklung insbesondere im Umland der Beklagten zu rechnen ist. Der Rückgang soll im Landkreis Börde bei -16,3 %, im Salzlandkreis bei -20,1 % und im Landkreis Jerichower Land bei -18,9 % liegen.
- 289
Der Annahme, dass die Veränderungen bei den überörtlichen Straßen keine messbaren Auswirkungen auf den innerstädtischen Verkehr haben, steht auch nicht entgegen, dass nach den Ausführungen der Beklagten mit der Eröffnung der A 14 im Jahr 2000 eine Verkehrsverlagerung aus dem Stadtgebiet auf diese neue Trasse eingesetzt habe, die vor allem den regionalen Quelle-Ziel- und überörtlichen Durchgangsverkehr umfasst habe, wodurch im Zuge des Magdeburger Ringes sehr große Kapazitäten freigesetzt worden seien, die wiederum durch den Binnenverkehr hätten besetzt werden können. Diese Verlagerung beruhte darauf, dass die A 14 in ihrer heutigen Ausdehnung längs am Stadtgebiet von Magdeburg im Norden bis nach Dahlenwarsleben vorbeiführt, so dass die Verkehre heute über die BAB A 14 tangential an Magdeburg vorbeifließen. Mit der Nordverlängerung der A 14 ist eine solche Verlagerung nicht verbunden.
- 290
Auch wenn LKW-Fahrer beabsichtigen sollten, die Autobahn zur Umgehung von Mautstellen zu verlassen, erschiene nicht plausibel, weshalb solche (Fern-)Verkehre als Ausweichstrecke gerade eine Route über die Ernst-Reuter-Allee und nicht über andere, zur Durchfahrt besser geeignete Straßen im Stadtgebiet der Beklagten nutzen sollten. Insoweit kann auf die oben bereits dargestellten schlüssigen Ausführungen des Ingenieurbüros Dr. Brenner im Erörterungstermin vom 09.01.2012 verwiesen werden.
- 291
(4.3.) Die Verkehrsprognose ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil – wie in der Beschlussvorlage der Beklagten vom 10.04.2012 (Drucksache DS0130/12) ausgeführt – das System repräsentativer Verkehrsbefragungen (SrV) in Magdeburg wie auch in anderen Städten bei einer Befragung von nur 1.000 Einwohnern nicht für eine qualifizierte stadtspezifische Auswertung genüge, sodass für die Befragung 2013 mindestens 1.500 Einwohner nach dem Zufallsprinzip befragt werden sollten. Diese Einschätzung bedeutet nicht, dass die Ergebnisse einer solchen Befragung von nur 1.000 Einwohnern für die Verkehrsprognose völlig unbrauchbar waren. Da eine andere – bessere – Grundlage im Zeitpunkt der Erstellung der Prognose nicht zur Verfügung stand, kann die Verwendung der SrV 2008 nicht als methodisch fehlerhaft erachtet werden.
- 292
Ferner ist es vertretbar, dass die Beklagte auf der Grundlage der bisherigen Befragungen eine Reduzierung des spezifischen Verkehrsaufkommens im MIV von 1,65 Fa/P+d (2003) auf 1,45 Fa/P+d (2008)“ – also um ca. 12 % – angenommen hat, auch wenn der Rückgang der Bevölkerung geringer ist. Diese Faktoren ergeben sich aus der „Entwicklung des durchschnittlichen Verkehrsaufkommens in der Landeshauptstadt Magdeburg (ohne auswärtigen Quelle-Ziel-Verkehr – SrV 1982 - 2008)“ (Anlage 7 zur Methodik der Verkehrsmodellierung 2025) jeweils durch Division der Gesamteinwohnerzahl durch das Verkehrsaufkommen (Anzahl der Fahrten). Soweit davon die Rede ist, dass die Summe aller Kfz-Fahrten im Magdeburger Binnenverkehr in diesem Zeitraum wegen des Rückgangs der Einwohnerzahl „dagegen“ konstant geblieben sei, ist darin kein Widerspruch zu sehen. Der MIV ist nur ein Teil der „Summe aller Kfz-Fahrten“.
- 293
(4.4.) Unrealistisch ist auch nicht die Annahme der Beklagten, dass das – bei der SrV 2008 ermittelte – Verkehrsverhalten der Bürger bis 2025 unverändert bleibe. Die gegenteilige Annahme, dass bei konstanter Einwohnerzahl aufgrund sinkender Haushaltsgrößen sowie Veränderungen im Freizeitverhalten und bei der Mobilität von Senioren, eher mit einer Zunahme des Verkehrsaufkommens gerechnet werden müsse, ist nicht zwingend.
- 294
(4.5.) Die Verkehrsprognose wird als Grundlage für die Luftschadstoffuntersuchung auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte die zu erwartende Zahl der aus der Tiefgarage des City Carrés mit Ziel Richtung Westen ausfahrenden Fahrzeuge möglicherweise zu gering angesetzt hat. Insoweit mag sich die Frage stellen, ob der Kontenpunkt Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße auch bei einer höheren Zahl die erforderliche Leistungsfähigkeit besitzt, um diese Fahrzeuge dort wenden zu lassen. Auf die der Luftschadstoffuntersuchung zugrunde gelegten Verkehrsmengen hat dies aber nur einen marginalen Einfluss. Im Verhältnis zu dem gesamten prognostizierten Aufkommen in diesem Abschnitt von zwischen 10.000 und 15.000 Kraftfahrzeugen am Tag fällt nicht maßgeblich ins Gewicht, ob aus der nördlichen Tiefgaragenzufahrt – wie vom Verkehrsgutachter angenommen – in Spitzenstunden 55 oder – wie eine andere Verkehrszählung ergeben hat – 125 Fahrzeuge mit Ziel Richtung Westen ausfahren. Zudem hängt die verkehrliche Belastung des Knotens Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße auch davon ab, wie sich die Tiefgaragennutzer nach Wegfall der Linksabbiegemöglichkeit an der nördlichen Tiefgaragenausfahrt künftig verhalten werden, insbesondere ob sie an der Kreuzung Ernst-Reuter-Allee / Otto-von-Guericke-Straße wenden oder aufgrund der verkehrlichen Situation andere Abfahrtsmöglichkeiten nutzen werden. Dieses zukünftige Verkehrsverhalten hängt u.a. davon ab, ob die Beklagte künftig überhaupt ein Linksabbiegen an der genannten Kreuzung verkehrsrechtlich zulässt. Zudem besteht die Möglichkeit, die Ausfahrt aus der Tiefgarage durch verkehrliche Maßnahmen wie Lichtzeichenanlagen zu regeln.
- 295
(4.6.) Der Verkehrsprognose kann schließlich nicht entgegengehalten werden, es fehle an einer ausreichenden Kalibrierung, insbesondere weil keine hinreichend differenzierten Daten und keine ausreichende Dokumentation verschiedener Parameter vorlägen, die die Güte des Verkehrsmodells belegten. Entsprechendes gilt für den Vorwurf, das Verkehrsmodell der Beklagten entspreche in mancherlei Hinsicht nicht den gängigen Standards in der Verkehrsplanung. Die von der Beklagten vorgelegte Netzeichnung Verkehrsmodell Magdeburg der PTV Planung Transport Verkehr AG vom 29.06.2005 belegt, dass eine Kalibrierung des Quell-Ziel-Verkehrs Straße, des Binnenverkehrs Straße sowie des Öffentlichen Verkehrs stattfand. Dass es (mittlerweile) möglich sein mag, genauere Verkehrsmodelle zu erstellen, deren Ergebnisse auf mehr Eingangsdaten beruhen, führt nicht dazu, dass die Verkehrsprognose der Beklagten als methodisch fehlerhaft anzusehen wäre. Auch der Umstand, dass die Beklagte nur den Durchgangsverkehr und den Ziel-Quell-Verkehr des nahen Umlandes sowie den Binnenverkehr, nicht aber die sonstigen Außenverkehre für die Beurteilung der Belastung der innerstädtischen Straßen einbezogen hat, stellt keinen methodischen Fehler dar. Aufgrund der geringen Bedeutung darf er vernachlässigt werden. Ebenso wenig ist methodisch zu beanstanden, dass die Beklagte bezüglich des Umlandes nur 19 Verkehrszellen zugrunde gelegt hat. Unterschiedliche methodische Ansätze sind, jedenfalls solange sich kein allgemein anerkannter fachlicher Standard durchgesetzt hat, ebenso hinzunehmen wie Unterschiede bei der Einschätzung von Ausmaß und Entstehungsgrund des induzierten Verkehrs; völlig deckungsgleiche Ansichten sind in der wissenschaftlichen Diskussion von vornherein nicht zu erwarten (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.2010 – 9 A 20.09 –, NVwZ 2011, 177 [181], RdNr. 66).
- 296
dd) Selbst wenn die Luftschadstoffuntersuchungen, insbesondere aufgrund von Mängeln der ihnen zugrunde liegenden Verkehrsprognose, keine geeignete Abwägungsgrundlage gewesen sein sollten, würde dieser Abwägungsmangel weder zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch zur Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen, weil sie auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen sind (§ 37 Abs. 9 Satz 1 StrG LSA).
- 297
Ergebnisrelevanz in diesem Sinne liegt vor, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Abwägungsmangel eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2011 – 9 A 23.10 –, BVerwGE 141, 171 [191], RdNr. 68, m.w.N.).
- 298
Ausgehend davon läge hier kein ergebnisrelevanter Abwägungsmangel vor. Bei realistischer Beurteilung der maßgeblichen Erwägungen der Beklagten ist auszuschließen, dass auch bei einem höheren Verkehrsaufkommen als prognostiziert, insbesondere höherer LKW-Anteile, und einer damit einhergehenden deutlicheren Überschreitung der Grenzwerte der 39. BImSchV, insbesondere bei Stickstoffdioxid (NO2), die Entscheidung anders ausgefallen wäre, insbesondere nicht in dem Sinne, dass die Null-Variante gewählt worden wäre, bei der die bisherige Verkehrsführung beibehalten bliebe. Die Auswahl der Tunnelvariante ließe auch bei Berücksichtigung des nicht unerheblichen Gewichts des Schutzes der Bevölkerung vor Luftschadstoffen keine Fehlgewichtung im Sinne einer Abwägungsdisproportionalität erkennen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass auch bei einem (deutlich) höheren Verkehrsaufkommen als demjenigen, der in der Verkehrsprognose für den Planfall 2025 und in der Luftschadstoffuntersuchung vom April 2012 für den Planfall 2018 angenommen wurde, sowohl bei der Nullvariante als auch bei der Tunnelvariante mit einer ähnlichen Schadstoffbelastung zu rechnen wäre. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Varianten besteht darin, dass bei der Tunnellösung an den Tunnelportalen, insbesondere am südöstlichen Portal, mit einer höheren Belastung durch NO2 zu rechnen ist als bei der Nullvariante an diesen Stellen, während sich diese Belastung bei der Tunnellösung dort verringert, wo die Straße unterirdisch verläuft.
- 299
b) Fehler bei der Ermittlung und Bewertung der vom Vorhaben zu erwartenden Lärmbelastungen sind ebenfalls nicht ersichtlich.
- 300
Nach der schalltechnischen Untersuchung der Fa. ISU Plan vom August 2011 (Beiakte N – Ordner 4/7, Unterlage 11.1, Abschnitt 4 S. 12 f.) liegen für insgesamt neun Gebäude im Bereich zwischen Bahnhofstraße und Otto-von-Guericke-Straße Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte nach § 2 der 16. BImSchV vor. Als aktive Lärmschutzmaßnahme sei in den Berechnungen eine Schall absorbierende Verkleidung für die Bereiche der Trogwände und an den beiden östlichen Tunnelportalen bis zu einer Tiefe von 20 m auf der Ernst-Reuter-Allee (Nähe City Carré) bereits berücksichtigt, um die Lärmbelästigungen in der Nähe des City Carrés zu begrenzen. Dies sei bei der Ausführungsplanung zu beachten. Diese Ergebnisse resultierten aus der Betrachtung der Summenpegel von Straße und Schiene (hier Straßenbahn). Für die betroffenen Gebäude werde ein Schutz durch passive Lärmschutzmaßnahmen an den Gebäuden vorgeschlagen. Aktive Lärmschutzmaßnahmen schieden aus, da der notwendige Raum zur Errichtung von aktiven Lärmschutzmaßnahmen in Form von Lärmschutzwänden bzw. -wällen im Bereich der Ernst-Reuter-Allee nicht gegeben sei.
- 301
Auf dieser Grundlage hat die Beklagte im Planfeststellungsbeschluss in der Nebenbestimmung in Teil A, Kapitel IV Punkt 6 b (S. 49 des PFB) geregelt, dass die Eigentümer näher bezeichneter Gebäude in der Ernst-Reuter-Allee Anspruch auf passiven Schallschutz haben. Dies ist nicht zu beanstanden.
- 302
Die auch der schalltechnischen Untersuchung zugrunde liegende Verkehrsprognose ist aus den oben bereits dargestellten Gründen nicht zu beanstanden. Auch diese Untersuchung geht von dem aus den bereits dargelegten Gründen nicht zu beanstandenden LKW-Anteil von 5 % aus.
- 303
c) Abwägungsfehler liegen schließlich in Bezug auf die durch das Vorhaben zu erwartenden Erschütterungen nicht vor.
- 304
Für die Frage, ob die von einem Vorhaben ausgehenden Erschütterungen zumutbar sind, können die Anhaltswerte der DIN 4150-2 herangezogen werden. Die DIN 4150-2 ist zwar als technisches Regelwerk keine Rechtsnorm und deswegen für die gerichtliche Überprüfung der Zumutbarkeit von Erschütterungen nicht bindend; in ihr kommt aber naturwissenschaftlich-technischer Sachverstand zum Ausdruck (BVerwG, Beschl. v. 25.05.2005 – 9 B 41.04 –, Juris, RdNr. 30, m.w.N).
- 305
Nach dem Gutachten des Sachverständigen- und Ingenieurbüros (...) GbR vom 26.09.2008 (Beiakte H,- Ordner 4/7a, Unterlage 11.2) werden die Anhaltswerte der DIN 4150-2 in den Gebäuden außerhalb des Bereiches der Tunneldecke sicher unterschritten. Es bestehe keine Gefahr einer unzulässigen Belästigung tags und für die bewohnten Gebäude auch nachts. Für die Gebäude Ernst-Reuter-Allee 42 und 40, City Carré Bereich 5, und das Schulungszentrum der Bahn unmittelbar neben dem Tunnel ergäben sich infolge des ungünstigen Berechnungsansatzes für die Ausbreitung der Straßenbahnerschütterungen in der Tunneldecke und die größere Erschütterungswirkung durch die Weichen höhere KB-Werte, als es die DIN 4150-2 zulasse. Für das Gebäude Ernst-Reuter-Allee 40, das als einziges Wohngebäude betroffen sei, gelte diese Aussage auch für die Nacht. Die Wahrscheinlichkeit für diese Überschreitungen sei gering. Deshalb hat der Gutachter nahegelegt, trotzdem zu überlegen, ob insbesondere im Bereich der Weichen, die mit der Tunnelplatte verbunden sind, eine erschütterungsmindernde Maßnahme in Gestalt eines Masse-Feder-Systems eingeplant werden müsse. Der Einsatz eines solchen Masse-Feder-Systems ist indes im kritischen Bereich des Gleisdreiecks an der Einmündung des Willy-Brandt-Platzes vorgesehen (vgl. Beiakte L - Ordner 6/7, Unterlage 15.2.27 sowie S. 160 des PFB).
- 306
Das Gutachten ist nicht deshalb fehlerhaft, weil keine Messungen an benachbarten Gebäuden durchgeführt wurden. Zwar werden bei der Prüfung der Zumutbarkeit von Erschütterungen für Menschen grundsätzlich Messungen durchgeführt, womit die konkreten Parameter berücksichtigt werden können. Dies stellt auch der Gutachter im Abschnitt 4.1 „Vorbemerkungen“ voran (vgl. S. 4 des Gutachtens). Nach seiner Darstellung erfolgten im vorliegenden Fall aber deshalb keine Messungen, weil auf Grund der geometrischen Verhältnisse die Veränderungen hinsichtlich der Erschütterungswirkung nur gering seien. Eine Besonderheit stelle der Tunnel dar, der in seinem Hauptteil aber sehr weit von der Bebauung entfernt sei. Die Prognose müsse daher auf Grund von Analogieschlüssen mit ähnlichen Verhältnissen erfolgen. Der Gutachter erstellte seine Prognose im Folgenden bezüglich des Straßenbahnverkehrs auf der Grundlage von Erschütterungsmessungen, die u.a. im Bereich von Gebäudefundamenten neben einer auf einer festen Fahrbahn verlegten Straßenbahntrasse in Leipzig durchgeführt worden seien. Ergänzt würden diese Unterlagen durch Erfahrungen aus Emissions- und Immissionsmessungen bei Eisenbahnverkehr (vgl. Abschnitt 4.2.2. auf S. 7 f. des Gutachtens). Die gesamte Vorausberechnung beruhe auf Einzelergebnissen bzw. Verallgemeinerungen. Es werde deshalb ein Sicherheitswert sv (1,7) als Faktor zur Berechnung der Maximal-Terzschnelle am Immissionsort berücksichtigt.
- 307
Im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss hat die Beklagte die Einwendungen des Klägers in Bezug auf fehlende Erschütterungsmessungen im Vorfeld der Maßnahme mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, dass sich nach Fertigstellung des Vorhabens die Ausbreitungssituation der Wellen aus dem Straßen- und Straßenbahnverkehr vollständig ändere. Durch die in der -1-Ebene herabgesetzten abgegrenzten Betonpfahlwände und die Verlegung der Straßenbahntrasse auf die Tunnelebene änderten sich die Voraussetzungen für die zu erwartenden Erschütterungen maßgeblich; insofern würden Messungen des derzeitigen Zustandes keine hinreichend verlässliche Grundlage für die zukünftig zu erwartenden Erschütterungen bieten. Diese Erwägungen, die der Kläger im Klageverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen hat, begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
- 308
2. Selbst wenn der angefochtene Planfeststellungsbeschluss gegen dem Umweltschutz dienende und für die Entscheidung bedeutsame Rechtsvorschriften verstoßen sollte, hätte die auf das UmwRG gestützte Klage keinen Erfolg. Die in § 2 Abs. 5 Satz 2 UmwRG normierte Voraussetzung, dass eine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen muss, ist hier nicht erfüllt.
- 309
2.1. Wie oben (I.1.) bereits dargelegt, ist nach der hier allein maßgeblichen Nr. 3.6 der Anlage zum UVPG LSA beim Bau – nicht beim Umbau – von „sonstigen“ also nicht den Nr. 3.1 bis 3.5 unterfallenden Straßen nur eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach dem UVPG durchzuführen. Nach § 3c Abs. 1 Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 14.11 der Anlage 1 ist zudem beim Bau einer Bahnstrecke u.a. für Straßenbahnen eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen. Nur wenn – anders als hier – der Umbau der Straße oder Straßenbahntrasse nach Umfang und Art einem Neubau gleichkommt, kann eine andere Beurteilung geboten sein. Bei der Änderung von „Altvorhaben“, für die nach früherem Recht keine UVP durchgeführt wurde, besteht gemäß § 2 UVPG LSA i.V.m. § 3e Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 UVPG die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn bereits für das Altvorhaben nach den heute geltenden Rechtsvorschriften eine UVP-Pflicht bestand, und eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 UVPG ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann.
- 310
Die bei der Klagebefugnis noch offen gebliebene – umstrittene – Frage, ob das Änderungsvorhaben der UVP-Vorprüfungspflicht nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG auch dann unterfällt, wenn für das „Grundvorhaben“ – wie hier – lediglich eine standortbezogene Vorprüfung vorgesehen ist, verneint der Senat. Teilweise wird zwar die Auffassung vertreten, dass nachträglich bezüglich des zu ändernden Vorhabens noch eine Vorprüfung nach § 3c UVPG durchgeführt werden müsse (vgl. zum Ganzen sowie verneinend: Sagenstedt, a.a.O. RdNr. 12). Gegen eine solche nachträgliche Prüfung spricht aber, dass eine retrospektive Vorprüfung des zu ändernden Vorhabens überaus kompliziert wäre und der Wortlaut der Norm ausdrücklich von einer „bereits bestehenden“ UVP-Pflicht spricht.
- 311
Eine UVP-Pflicht ergibt sich auch nicht daraus, dass während der Bauphase nach Abschnitt IX. Nr. 5 des Planfeststellungsbeschlusses eine bauzeitliche Wasserhaltung erfolgt, die die Beklagte der Nr. 13.3.2 der Anlage 1 zum UVPG zugeordnet hat. Die Beklagte ist bei der von ihr insoweit vorgenommenen allgemeinen Vorprüfung nach Anhörung der Umweltbehörden zu dem Ergebnis gelangt, dass erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht zu erwarten sind, so dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die bauzeitliche Wasserhaltung entbehrlich ist. Bedenken gegen diese Einschätzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
- 312
Ohne Belang ist, dass die Beklagte gemäß § 37 Abs. 1 Satz 4 StrG LSA bei der Planfeststellung materiell im Rahmen der Abwägung (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 09.07.2003 – 9 VR 1.03 –, Juris, m.w.N.) die Umweltverträglichkeit des Vorhabens insgesamt geprüft hat. § 2 Abs. 5 Satz 2 UmwRG stellt für die Begründetheit einer Klage nach dem UmwRG allein darauf ab, ob nach dem UVPG, der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder landesrechtlichen Vorschriften eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung tatsächlich besteht.
- 313
2.2. Dieses Ergebnis verstößt auch nicht gegen europarechtliche Vorgaben, insbesondere nicht gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) oder Art. 9 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen).
- 314
2.2.1. Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU stellen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Das durch Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU vermittelte Klagerecht beschränkt sich auf Zulassungsentscheidungen für UVP-pflichtige Vorhaben. Gegenstand dieser Richtlinie ist nach deren Art. 1 Abs. 1 die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Dem entsprechend begegnet es auch keinen Bedenken, wenn der Gesetzgeber für die Begründetheit einer Klage nach dem UmwRG verlangt, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen muss.
- 315
2.2.2. Entsprechendes gilt für Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens. Danach stellt jede Vertragspartei im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Art. 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten. Art. 6 des Aarhus-Übereinkommens betrifft nach dessen Abs. 1 Buchstabe a) zunächst Entscheidungen über die Zulassung der in Anhang I aufgeführten geplanten Tätigkeiten. Dazu gehört das hier in Rede stehende Vorhaben nicht; es gehört insbesondere nicht zu den in Absatz 8 des Anhangs I genannten Verkehrswegevorhaben. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b) des Aarhus-Übereinkommens wendet jede Vertragspartei diesen Artikel in Übereinstimmung mit innerstaatlichem Recht auch bei Entscheidungen über nicht in Anhang I aufgeführte geplante Tätigkeiten an, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können; zu diesem Zweck bestimmen die Vertragsparteien, ob dieser Artikel Anwendung auf eine derartige geplante Tätigkeit findet. Ein Recht, dass die anerkannten Naturschutzverbände auch bei den nicht im Anhang I aufgeführten Verfahren die volle Überprüfung der Rechtmäßigkeit solcher Entscheidungen verlangen können, ergibt sich daraus gerade nicht. Das Aarhus-Übereinkommen eröffnet den Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren in Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 nur für Entscheidungen über die in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten (BVerwG, Beschl. v. 07.10.2009 – 7 B 28.09 –, BImSchG-Rspr § 19 Nr. 6, RdNr. 13 in Juris). Die Umsetzung des Aarhus-Übereinkommens erfolgte durch eine Anpassung des europäischen Rechts an diese Konvention, u.a. mittels der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie (vgl. Art. 1 der Richtlinie), mit der insbesondere die UVP-Richtlinie und die Richtlinie 96/61/EG (IVU-Richtlinie) geändert wurden (vgl. Art. 3 und 4 der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie); aufgrund dieser Änderungen kann sich gemäß Art. 10 a UVP-RL und Art. 15 a der IVU-Richtlinie ein Mitwirkungsrecht und ein Klagerecht von Naturschutzverbänden nur für solche Vorhaben ergeben, die dem Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie oder der IVU-Richtlinie unterfallen (vgl. BayVGH, Urt. v. 03.04.2009 – 22 BV 07.1709 –, NuR 2009, 434 [437], RdNr. 30). Dies ist – wie bereits dargelegt – nicht der Fall.
- 316
Aus Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens folgt kein anderes Ergebnis. Eine unmittelbare Anwendung dieser Norm scheitert schon daran, dass die Vorschrift keine hinreichend bestimmte Regelung enthält (vgl. EuGH, Urt. V. 08.03.2011 – C-240/09 –, NVwZ 2011, 673, RdNr. 45). Zwar ist der nationale Richter gehalten, das nationale Recht im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes so auszulegen, dass es so weit wie möglich im Einklang mit den in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus festgelegten Zielen steht (EuGH, Urt. v. 08.03.2011, a.a.O.). Unabhängig davon, ob das deutsche Recht überhaupt einer Auslegung zugänglich ist, nach der in den vom EuGH genannten Fällen eine Klage- bzw. Antragsbefugnis unabhängig etwa vom Vorliegen der Voraussetzungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes besteht (vgl. hierzu NdsOVG, Beschl. v. 30.07.2013 – 12 MN 300/12 – Juris, RdNr. 18, m.w.N.), folgt daraus nicht, dass die anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbände die Prüfung der Vereinbarkeit eines Vorhabens mit sämtlichen nationalen umweltrechtlichen Vorschriften unabhängig von der UVP-Pflicht des Vorhabens verlangen können.
- 317
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie einen Sachantrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
- 318
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 709 Sätze 1 und 2, 708 Nr. 11 ZPO.
- 319
V. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Baugenehmigung für eine Biogasanlage.
- 2
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks B-Straße 6 in Klein A-Stadt. Das Betriebsgelände der Beigeladenen, auf dem diese eine Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk (BHKW) betreibt, grenzt im Nordosten an das Grundstück des Antragstellers an. Die Entfernung vom Wohnhaus des Antragstellers bis zum Abgaskamin des BHKW beträgt ca. 122 m.
- 3
Mit der angefochtenen Baugenehmigung vom 20.09.2013 genehmigte der Antragsgegner der Beigeladenen den Neubau einer Biogasanlage mit BHKW auf dem Grundstück B-Straße 8 in Klein A-Stadt. In der Nebenbestimmung 118 wurde festgelegt, dass durch den Betrieb der Anlage die Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tagsüber (06.00 – 22.00 Uhr) und 45 dB(A) nachts (22.00 – 06.00 Uhr) einzuhalten seien. Die Nebenbestimmungen 119 – 127 enthalten weitere Regelungen u.a. zu tieffrequenten Geräuschen und den beim Betrieb des BHKW zulässigen Schallleistungspegeln. Mit Schreiben vom 21.10.2013 legte der Antragsteller gegen die ihm mit Schreiben vom 23.09.2013 bekanntgegebene Baugenehmigung Widerspruch ein, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.
- 4
Mit Beschluss vom 23.12.2014 – 4 B 303/13 MD – hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 20.09.2013 angeordnet, soweit darin der Betrieb des BHKW in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr genehmigt worden ist, und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sei die Baugenehmigung rechtmäßig, soweit sie der Beigeladenen die Errichtung der Biogasanlage und deren Betrieb in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr genehmige. Soweit die Genehmigung auch für die Nachtstunden von 22.00 bis 6.00 Uhr erteilt worden sei, sei sie dagegen rechtswidrig und führe zu einer Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten. Zwar könne sich der Antragsteller nicht gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG mit Erfolg darauf berufen, die Biogasanlage sei zu Unrecht in einem Baugenehmigungsverfahren und nicht in einem Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz mit der erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung oder zumindest Vorprüfung durchgeführt worden. Bei dem Rindermastbetrieb der Beigeladenen, auf dessen Gelände das Vorhaben durchgeführt werden solle, handele es sich nicht um einen Betrieb mit mehr als 600 Rinderplätzen. Auch wenn der Antragsgegner bei Erlass des angefochtenen Bescheides noch von einer höheren Bestandszahl ausgegangen sei, stehe zumindest jetzt fest, dass die Grenze zu einer nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Betriebsgröße nicht (mehr) überschritten werde. Die Durchführung des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens sei daher im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es lägen jedoch greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass die Nutzung des zu der Biogasanlage gehörenden BHKW nach Maßgabe der erteilten Baugenehmigung und der voraussichtlich zu erwartenden Emissionen dieser Anlage am Wohngebäude des Antragstellers in den Nachtstunden (22.00 bis 6.00 Uhr) unzumutbare Immissionen verursache und sich damit als rücksichtslos erweise. Das Gericht gehe nach Durchführung des Erörterungstermins durch den Berichterstatter vor Ort und unter Auswertung des vorgelegten Kartenmaterials davon aus, dass das Vorhabengebiet im Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB liege. Bei der Ortslage Klein A-Stadt handele es sich um ein faktisches allgemeines Wohngebiet. Wegen der Randlage des Wohnhauses des Antragstellers zum angrenzenden Außenbereich lege das Gericht als Zwischenwert einen Immissionsrichtwert von tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) zugrunde. Bei Auswertung des schalltechnischen Gutachtens der (...) GmbH vom 24.07.2013 sowie der vom Antragsteller vorgelegten Stellungnahme des Dipl.-Ing. (I.) vom 07.02.2014 komme das Gericht zu dem Ergebnis, dass der in der Baugenehmigung vorgegebene Immissionsrichtwert von tags 60 dB(A) am Wohnhaus des Antragstellers voraussichtlich eingehalten werde. Der durch das Gutachten prognostizierte Wert von 47,7 dB(A) liege auch bei Berücksichtigung etwaiger Mess- bzw. Prognoseungenauigkeiten mehr als 12 dB(A) unterhalb des zulässigen Maximalwertes. Die Einhaltung des in den Nachtstunden einzuhaltenden Immissionsrichtwertes von 45 dB(A) sei jedoch nicht hinreichend gesichert. Zwar gehe das Gutachten der (...) GmbH von einem Beurteilungspegel von 43,6 dB(A) aus. Der Gutachter des Antragstellers führe in seiner Stellungnahme vom 07.02.2014 jedoch aus, es sei mit unbegründeten Annahmen, wie z.B. einer nicht vorhandenen Tonhaltigkeit, gearbeitet worden. Die Berücksichtigung eines Zuschlags von 3 dB(A) für die beim Betrieb eines BHKW typische Tonhaltigkeit führe am Wohnhaus des Antragstellers zu einer Überschreitung der nächtlichen Immissionsrichtwerte um 1,3 dB(A). Unter Berücksichtigung der im Biogasleitfaden Mecklenburg-Vorpommern 8/2012 enthaltenen Ausführungen zu tieffrequenten Schallimmissionen des BHKW-Abgaskamins im Freien habe das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass das Gutachten der (...) bei seiner Ausbreitungsrechnung mit der Annahme, der Kamin und das BHKW emittierten keinen Ton, von richtigen Maßgaben ausgegangen sei. Müsse unter Zugrundelegung der Ausführungen des Biogasleitfadens Mecklenburg-Vorpommern 8/2012 davon ausgegangen werden, dass das Entstehen tonhaltiger tieffrequenter Geräusche für einen Anlagentyp wie den vom Antragsgegner genehmigten als Regelfall anzunehmen sei, spreche Überwiegendes dafür, dass sich die Baugenehmigung hinsichtlich des zugelassenen Betriebs des BHKW in den Nachtstunden bei einer fehlerfreien Prognose der zu erwartenden Immissionen als dem Antragsteller gegenüber rücksichtslos erweisen werde. Hinsichtlich des durch die Baugenehmigung zugelassenen Nachtbetriebes des für die Immissionen hauptverantwortlichen BHKW in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr bestünden daher erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung. Erscheine gutachterlich die Einhaltung eines Grenzwertes von 45 dB(A) in den Nachtstunden nicht sichergestellt, genüge es nicht, dass die Baugenehmigung diesen Wert in den Nebenbestimmungen vorschreibe. Ob sich bei einer späteren Messung der Anlage im Echtbetrieb die Einhaltung der Grenzwerte werde belegen lassen, sei nicht Gegenstand des Verfahrens.
II.
- 5
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Die dargelegten Gründe gebieten die begehrte Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Senat geht – bei summarischer Prüfung – davon aus, dass drittschützende Vorschriften durch die angefochtene Baugenehmigung des Antragsgegners vom 20.09.2013 nicht verletzt werden. Im Hinblick auf die von der Anlage ausgehenden Geräuschimmissionen beruht diese Einschätzung auf dem vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 11.05.2015 vorgelegten schalltechnischen Gutachtens des Ingenieurbüros für Schallschutz (E. A.) vom 20.04.2015.
- 6
1. Der Berücksichtigung dieses neuen Vorbringens im Beschwerdeverfahren steht nicht entgegen, dass der Schriftsatz vom 11.05.2015 und das Gutachten vom 20.04.2015 erst nach Ablauf der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingegangen sind. Zwar prüft das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich nur die fristgemäß dargelegten Gründe. Dies hätte im vorliegenden Fall zur Folge, dass dem Antragsgegner nur noch das Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO bliebe. Systematische Gründe legen jedoch eine einschränkende Auslegung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nahe. Die in § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO enthaltene und an die Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO gebundene Begründungslast will den Betroffenen im Interesse der Verfahrensbeschleunigung zwingen, sich innerhalb der Frist substantiell mit der angegriffenen Entscheidung auseinanderzusetzen und die nach seiner Auffassung maßgeblichen Tatsachen vorzutragen. Das kann sich jedoch nur auf das beziehen, was der Betroffene bis zum Ablauf der Frist vortragen kann und muss. Die dem Beschwerdegericht auferlegte Beschränkung der Prüfungslast gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO kann sich nicht auf Umstände erstrecken, die nach § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO weder vorgetragen werden konnten noch mussten. Dem Beschwerdegericht kann es nicht verwehrt sein, sachlich-rechtlich entscheidungserhebliche Umstände zu berücksichtigen, die erst nach Ablauf der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingetreten oder erkennbar geworden sind. Insgesamt gilt, dass nachträglich eingetretene oder erkennbar gewordene und vorgetragene Umstände bei der Entscheidung im noch laufenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen sind, wenn die Beschwerde zulässig ist, insbesondere den prozessrechtlichen Bestimmungen des § 146 Abs. 4 Satz 1 bis 3 VwGO entspricht (vgl. VGH BW, Beschl. v. 27.01.2006 – 6 S 1860/05 –, juris RdNr. 3; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, RdNr. 1157; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 146 RdNr. 43). Nach diesen Grundsätzen sind die vom Antragsgegner nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebrachten Gesichtspunkte im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen. Der Antragsgegner hat die Beschwerde mit Schriftsatz vom 21.01.2015 rechtzeitig eingelegt und mit Schriftsatz vom 30.01.2015 rechtzeitig den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend begründet. Die Ergebnisse des schalltechnischen Gutachtens vom 20.04.2015 konnten vom Antragsgegner bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist nicht geltend gemacht werden, da sich diese erst auf der Grundlage der am 18.03.2015 und damit nach Ablauf der Frist durchgeführten Immissionsmessung ergaben.
- 7
2. Der Senat geht – bei summarischer Prüfung – davon aus, dass die drittschützende Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB durch die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 20.09.2013 nicht verletzt wird. Nach dieser Vorschrift ist ein Außenbereichsvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig, wenn es schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird. Die Norm wird bezüglich der Immissionen als spezielle Ausprägung des Rücksichtnahmegebots verstanden und ist als nachbarschützend anerkannt (BayVGH, Beschl. v. 05.03.2012 – 2 CS 11.1997 –, juris RdNr. 12). Für den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ist auf § 3 Abs. 1 BImSchG zurückzugreifen. Danach sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Als Maßstab für die Erheblichkeit von Geräuschimmissionen ist auf die TA Lärm vom 26.08.1998 abzustellen. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (BVerwG, Urt. v. 29.08.2007 – BVerwG 4 C 2.07 –, juris RdNr. 12). Nach diesem Maßstab sind schädliche Umwelteinwirkungen durch die von dem Betrieb des BHKW ausgehenden Geräuschimmissionen nicht zu erwarten. Dies ergibt sich insbesondere aus dem schalltechnischen Gutachten des Ingenieurbüros für Schallschutz (E. A.) vom 20.04.2015.
- 8
a) Das Gutachten vom 20.04.2015 ist im vorliegenden Verfahren beachtlich, obwohl es erst nach Erlass der Baugenehmigung vom 20.09.2013 angefertigt wurde. Zwar ist bei der Anfechtung einer Baugenehmigung durch Dritte für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblich. Dies schließt allerdings nicht aus, nachträglich – etwa aufgrund einer nach Errichtung der Anlage durchgeführten Messung – gewonnene Erkenntnisse im Rahmen einer solchen Drittanfechtungsklage zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, sondern um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage (vgl. OVG NW, Beschl. v. 23.06.2010 – 8 A 340/09 –, juris RdNr. 20; Beschl. v. 03.08.2012 – 8 B 290/12 –, juris RdNr. 9).
- 9
b) Nach dem Ergebnis des Gutachtens vom 20.04.2015 beträgt der Beurteilungspegel Lr am Wohnhaus des Antragstellers innerhalb der ungünstigsten Nachtstunde 35,2 dB(A), womit er den maßgeblichen Immissionsrichtwert von 45 dB(A) um 9,8 dB(A) unterschreitet. Das Gutachten beruht auf einer Immissionsmessung, die am 18.03.2015 in der Zeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr durchgeführt wurde. Gemäß dem von der Beigeladenen übermittelten Betriebsprotokoll (Anlage 3, Seite 24) habe die elektrische Leistung des BHKW im Messzeitraum zeitweise 75 kWel und zeitweise 50 kWel betragen. Der Volllastbetrieb des BHKW liege bei 75 kWel. Gemessen worden sei an dem Ersatzmesspunkt (EMP) Bergkrug 3. Dieser liege ca. 12 m südöstlich vom Immissionsort (IO1), dem Wohnhaus des Antragstellers. Eine Messung am IO1 sei nicht möglich gewesen, da der Antragsteller dem Zutritt für eine nächtliche Messung nicht zugestimmt habe. Die Abstands- und Abschirmverhältnisse am IO1 und am EMP in Richtung des BHKW seien nahezu identisch. Die Entfernung zum BHKW betrage beim EMP 123 m und beim IO1 122 m. Das gemessene Geräusch habe aus der Gesamtheit aller landwirtschaftlichen Geräusche des Betriebs der Beigeladenen bestanden. Pegelbestimmend seien ständige Klappergeräusche gewesen, die durch die Bewegungen der Bullen in ihren Boxen entstanden seien. Kontinuierliche Anlagengeräusche (wahrscheinlich Ventilator-Geräusche des BHKW-Kühlers) seien wahrnehmbar gewesen. Fremdgeräusche (z.B. durch vorbeifahrende Kfz und Flugzeuge) seien bereits während der Messzeit durch Betätigen der Pause-Taste von der Messauswertung ausgeschlossen worden. Die Auswertung des Pegelzeitverlaufs für repräsentative Zeiträume der verschiedenen Betriebszustände des BHKW habe folgende Ergebnisse ergeben:
- 10
• Mittelungspegel bei 75 KWel LAeq,EMP,75KWel = 35,2 dB(A)
- 11
• Mittelungspegel bei 50 KWel LAeq,EMP,50KWel = 35,3 dB(A).
- 12
Messtechnisch sei kein Unterschied zwischen beiden BHKW-Betriebszuständen feststellbar gewesen. Zur weiteren Auswertung sei daher der fremdgeräuschkorrigierte energetische Mittelungspegel des gesamten Messzeitraumes herangezogen worden. Der Pegel betrage LAeq,EMP = 35,1 dB(A). Aus dem Mittelungspegel sei gemäß Nr. A.1.4 der TA Lärm nach der Gleichung G2 der Beurteilungspegel ermittelt worden. Weder messtechnisch noch nach subjektivem Höreindruck habe eine Ton-, Informations- oder Impulshaltigkeit des Geräuschs festgestellt werden können. Ein deutlich hervortretender Einzelton liege vor, wenn die Differenz der linearen Pegel einer Terz und den entsprechenden Pegeln in den beiden Nachbarterzen größer als 5 dB sei. Das sei hier nicht der Fall. Zuschläge für besondere Auffälligkeiten (KT, Kj) seien daher nicht vergeben worden. Auf die Berücksichtigung der meteorologischen Korrektur Cmet entsprechend Nr. A.3.3.3 TA Lärm sei im Sinne einer oberen Abschätzung verzichtet worden. Ein Messabschlag gemäß Nr. 6.9 TA Lärm sei nicht vorgenommen worden. Damit sei der Beurteilungspegel gleich dem Mittelungspegel und betrage am Ersatzmesspunkt Lr,EMP = 35,1 dB(A). Als Beurteilungspegel am IO1 ergebe sich Lr,IO1 = 35,2 dB(A). Kurze einzelne Geräuschspitzen, die den genehmigten Immissionsrichtwert um mehr als 20 dB(A) überschritten, hätten innerhalb des bemessenen Zeitraums nicht festgestellt werden können.
- 13
Schädliche tieffrequente Geräuschanteile im Sinne der DIN 45680 hätten weder am EMP noch am IO1 festgestellt werden können. Für Geräusche, die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich f = 90 Hz besäßen (tieffrequente Geräusche), sei die Frage, ob von ihnen schädliche Umwelteinwirkungen ausgingen, nach Nr. 7.3 TA Lärm zu beurteilen. Hiernach könnten schädliche Umwelteinwirkungen insbesondere dann auftreten, wenn bei deutlich wahrnehmbaren tieffrequenten Geräuschen in schutzbedürftigen Räumen bei geschlossenem Fenster die Differenz LCeq – LAeq den Wert 20 dB überschreite. Im vorliegenden Fall sei durch den BHKW-Betrieb mit tieffrequenten Geräuschanteilen zu rechnen. Die Überprüfung sei durch Messungen im Rauminneren im Dachgeschoss des EMP Bergkrug 3 bei geschlossenen Fenstern und Türen erfolgt. Es sei an 3 verschiedenen Positionen des Wohn- und Schlafraumes gemessen worden. Während der Messungen sei das BHKW nach den Angaben der Beigeladenen im genehmigungskonformen Zustand gewesen. Die Prüfung auf Hinweise für tieffrequente Geräuschanteile im Innenraum habe folgendes ergeben:
- 14
Messpunkt
LCeq – LAeq (dB)
LCfmax – LAfmax (dB)
tieffrequente Geräuschanteile
vorhanden?Kopfkissen
25,0
23,9
ja
Dachfenster
21,1
23,1
ja
Fassadenfenster
22,1
22,4
ja
- 15
An allen drei Messpunkten betrage die Pegeldifferenz LCeq – LAeq mehr als 20 dB. Damit habe eine Prüfung erfolgen müssen, ob die vorhandenen tieffrequenten Geräuschanteile potentiell schädlich im Sinne der DIN 45680 seien. Im Ergebnis lägen in den Frequenzbereichen zwischen 10 Hz und 100 Hz keine Einzeltöne im Sinne der DIN 45680 vor. Die energetische Summe Lr10-100Hz unterschreite den Anhaltswert nach Beiblatt 1 der DIN 45680 nachts (25 dB) um
- 16
• 10,3 dB(A) am Messpunkt Kopfkissen (Anlage 2, Seite 20)
- 17
• 11,4 dB(A) am Messpunkt Dachfenster (Anlage 2, Seite 21)
- 18
• 11,8 dB(A) am Messpunkt Fassadenfenster (Anlage 2, Seite 22).
- 19
Damit seien keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche im Sinne der DIN 45680 in Verbindung mit der TA Lärm vorhanden.
- 20
Da das Vorhandensein tieffrequenter Geräuschanteile im Sinne der DIN 45680 stark von der Konstruktion der Außenbauteile (z.B. Wände und Fenster) eines schutzwürdigen Raumes abhängig sei, gälten die Untersuchungsergebnisse am EMP nicht unmittelbar für die schutzwürdigen Räume des IO1. Es sei jedoch eine obere Abschätzung der zu erwartenden Belastung durch potentiell schädliche tieffrequente Geräuschanteile am IO1 möglich. Hierfür werde auf das am EMP ermittelte Terzspektrum zurückgegriffen. Obwohl die Pegeldifferenzen aus C- und A-Bewertung den Wert von 20 dB nicht überschritten (LCeq – LAeq = 17,1 dB; LCfmax – LAfmax = 18,3 dB) sei auf Grund der Ergebnisse der Messungen am EMP auch am IO1 mit dem Vorhandensein tieffrequenter Geräuschanteile zu rechnen. Die Prüfung in Anlage 2 zeige, dass das aufgezeichnete Geräusch keine Einzeltöne enthalte. Außerdem unterschreite die energetische Summe Lr10-100Hz des Beurteilungspegels im Außenbereich von 22,2 dB(A) (Anlage 2, Seite 23) den Anhaltswert nach Beiblatt 1 der DIN 45680 nachts (25 dB) um 2,8 dB. Im Innenbereich sei daher aus gutachterlicher Sicht ebenfalls nicht mit einer Überschreitung dieses Anhaltswertes zu rechnen. Zweifelsfrei könne diese Einschätzung jedoch erst dann nachgewiesen werden, wenn im Inneren eines schutzbedürftigen Raumes im Wohngebäude des Antragstellers gemessen werde.
- 21
Auf Grund dieses Gutachtens geht der Senat – bei summarischer Prüfung – davon aus, dass von dem Betrieb des BHKW für das Wohnhaus des Antragstellers auch nachts keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche ausgehen, da die Gesamtbelastung den maßgeblichen Immissionsrichtwert von 45 dB(A) nicht überschreitet (vgl. Nr. 3.2.1 TA Lärm). Selbst der vom Antragsteller für zutreffend gehaltene Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts (GA Bl. 449-450) wird nicht überschritten. Darüber hinaus sind – nach derzeitiger Erkenntnis – auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche zu erwarten.
- 22
c) Die hiergegen vom Antragsteller erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
- 23
(1) Zu Unrecht geht der Antragsteller davon aus, eine nachträgliche Messung sei nicht geeignet, die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Maßgeblich für die Frage des Drittschutzes ist allein, ob von dem Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Entscheidend ist, ob sichergestellt ist, dass die Gesamtbelastung (Nr. 2.4 TA Lärm) die einschlägigen Immissionsrichtwerte nicht überschreitet. Ohne Belang ist demgegenüber, ob dies durch eine Ermittlung der Geräuschimmissionen durch Prognose nach Nr. A.2 TA Lärm oder durch eine Ermittlung der Geräuschimmissionen durch Messung nach Nr. A.3 TA Lärm nachgewiesen wird.
- 24
(2) Nicht durchgreifend ist die Rüge des Antragstellers, er habe den Betriebszustand des BHKW während der Messung nicht überprüfen können. Dieser ist im Gutachten vom 20.04.2015, insbesondere durch das dem Gutachten als Anlage 3 (Seite 24) beigefügten Betriebsprotokoll, hinreichend dokumentiert. Eine (nachträgliche) Manipulation des Betriebsprotokolls ist nach den Angaben des Antragsgegners praktisch ausgeschlossen. Auch sind greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die in dem Betriebsprotokoll angegebenen Werte nicht den Tatsachen entsprechen, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
- 25
(3) Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, er habe die Durchführung einer Messung in seinem Wohnhaus nicht endgültig verweigert. Maßgeblich ist, dass er die Messung am 18.03.2015 von 22:00 bis 23.00 Uhr – oder nach Absprache mit dem Gutachter zu einem anderen Zeitpunkt – nicht gestattete. Damit hat er es allein sich selbst zuzuschreiben, dass insbesondere die tieffrequenten Geräusche nicht in seiner Wohnung, sondern an einem Ersatzmesspunkt gemessen wurden.
- 26
(4) Die Kritik des Antragstellers an der Auswahl des Ersatzmesspunktes (GA Bl. 493 und Bl. 507-509) verfängt nicht. Nach Nr. A.3.1 TA Lärm kann die zuständige Behörde festlegen, dass die Geräuschimmissionen an den maßgeblichen Immissionsorten aus Ersatzmessungen nach einem der in Nr. A.3.4 beschriebenen Verfahren ermittelt werden, wenn Messungen an den maßgeblichen Immissionsorten nach Nr. A.1.3 TA Lärm nicht möglich sind. Nach Nr. A.3.4.2 werden ein oder mehrere in der Regel näher zur Anlage gelegene Ersatzimmissionsorte festgelegt, an denen die für den maßgeblichen Immissionsort kennzeichnende Geräuschsituation ermittelt werden kann und an denen der Pegel des Anlagengeräusches ausreichend weit über dem Fremdgeräuschpegel liegt. Hiernach war die Auswahl des Grundstücks Bergkrug 3 als Ersatzimmissionsort nicht zu beanstanden. Da der Antragsteller einer Messung in seinem Wohnhaus nicht zugestimmt hatte, war eine Ersatzmessung notwendig. Auch ist auf dem ausgewählten Grundstück Bergkrug 3, das nur ca. 12 m vom Grundstück des Antragstellers entfernt ist, eine ähnliche Immissionssituation wie dort zu erwarten. Der EMP entspricht hinsichtlich des Abstandes zum BHKW und der Schallausbreitungsbedingungen dem IO1. Hiergegen kann der Antragsteller nicht einwenden, das Futterlagergebäude (GA Bl. 508) wirke zwischen dem EMP und dem BHKW als Schallbarriere, zwischen dem IO1 und dem BHKW jedoch nicht. Hierzu hat der Antragsgegner plausibel ausgeführt, Hindernisse wirkten bei der Schallausbreitung vor allem dann abschirmend, wenn sie sich dicht an der Quelle oder dicht am Immissionsort befänden und eine geeignete Höhe aufwiesen. Im vorliegenden Fall befinde sich die Futtermittelhalle ungefähr auf der Mitte des direkten Abstandes zwischen BHKW und IO1 bzw. EMP. Eine beurteilungsrelevante Schallabschirmung sei deshalb durch dieses Gebäude nicht zu erwarten. Dies sei durch Schallausbreitungsrechnungen mit Hilfe eines 3-dimensionalen digitalen akustischen Modells bestätigt worden. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass von dem Futterlagergebäude ebenso wenig eine relevante Wirkung auf den am EMP ermittelten Beurteilungspegel ausgeht wie von der vom Antragsteller ebenfalls erwähnten Ausrichtung der Fassaden des IO1 einerseits und des EMP andererseits. Die in der Stellungnahme des Dipl.-Ing. (I.) vom 23.06.2015 auch genannten geometrischen Verhältnisse der Schlafzimmer sowie die Lage der Schlafzimmer sind ersichtlich ohne Bedeutung für den Beurteilungspegel, da dieser gemäß Nr. A.1.3 TA Lärm außerhalb von Gebäuden bestimmt wird. Im Übrigen ist es zu einer Messung an einem Ersatzimmissionsort nur deswegen gekommen, weil der Antragsteller einer Messung auf seinem Grundstück nicht zugestimmt hat. Etwaige Ungenauigkeiten hat der Antragsteller daher sich selbst zuzuschreiben.
- 27
(5) Ohne Erfolg beanstandet der Antragsteller, das Gutachten beruhe auf einer Messung von nur 22 Minuten, obwohl nach Nr. 6.4 TA Lärm der Beurteilungspegel der lautesten Nachtstunde maßgeblich sei (GA Bl. 493 und Bl. 509-510). Hierzu hat der Antragsgegner nachvollziehbar ausgeführt, dass das Geräusch eines kontinuierlich einwirkenden BHKWs zu beurteilen gewesen sei. Insoweit sei es aus fachlicher Sicht hinreichend, die Messdauer so auszudehnen, dass sich der am Messgerät abzulesende Mittelungspegel nicht mehr verändere. Die Festlegung der mindestens erforderlichen Messzeit sei der TA Lärm nicht zu entnehmen. Aufgrund der sehr gleichförmigen Geräuschcharakteristik am EMP habe die Messung bereits nach ca. 22 Minuten abgebrochen werden können. Die Störgeräusche seien dabei während der Messungen ausgepaust worden. Die Gleichförmigkeit des störpegelbereinigten Schallpegels am Immissionsort werde durch die geringen Unterschiede zwischen dem Mittelungspegel LAeq = 35,1 dB(A) sowie dem 95%-Perzentilpegel, also dem Pegel, der in 95 % der Messzeit überschritten werde, von LAF95% = 33,3 dB(A) bestätigt. Vor diesem Hintergrund hält der Senat es für vertretbar, die Messzeit auf 22 Minuten zu begrenzen, da eine relevante Veränderung des Geräuschpegels nicht mehr zu erwarten war.
- 28
(6) Zu Unrecht wendet der Antragsteller ein, das Ergebnis der durchgeführten Schallmessung sei nicht verwertbar, da während der Messung kein Volllastbetrieb des BHKW erfolgt sei. Aus Anlage 3 des Schallgutachtens gehe hervor, dass in der zugrunde gelegten Messstunde von 22:00 bis 23:00 Uhr überwiegend nur eine elektrische Leistung von 50 kWel erzeugt worden sei. Auch sei nur der Pegelverlauf von 22:46 bis 22:47 Uhr, also von noch nicht einmal einer Minute, bestimmt worden. Dies reiche nicht aus, um zu bestimmen, dass eine unterschiedliche Betriebsweise über die Dauer von einer Stunde keine Auswirkungen auf den Schallpegel habe (GA Bl. 496). Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Das dem Gutachten beigefügte Messprotokoll (Anlage 1, Seite 16) belegt, dass der Pegel-Zeit-Verlauf in der Zeit von 22:00 bis 22.38 Uhr bestimmt wurde. Ausweislich des Betriebsprotokolls (Anlage 3, Seite 24) befand sich das BHKW in etwa der Hälfte dieser Zeit in einem Betriebszustand mit der Maximalleistung von 75 kWel und im Übrigen in einem Betriebszustand mit einer Leistung von 50 kWel. Die Auswertung des Pegelzeitverlaufs für repräsentative Zeiträume beider Betriebszustände ergab keinen nennenswerten Unterschied (Gutachten, Seite 8). Vor diesem Hintergrund spricht wenig dafür, dass eine Schallmessung nur dann verwertbar ist, wenn sich das BHKW während der gesamten Messzeit im Volllastbetrieb befindet.
- 29
(7) Soweit der Antragsteller geltend macht, am Immissionsort IO5, B-Straße, komme es aufgrund von Reflexionen der Schallemissionen des Abgaskamins des BHKW an der nördlichen Fassadenwand des IO1 zu nächtlichen Immissionserhöhungen von 2,6 dB (GA Bl. 514), ist dies ohne Relevanz. Angesichts des in dem Gutachten vom 20.04.2015 ermittelten Beurteilungspegels von 35,2 dB(A) am IO1 ist auch am IO5 keine Überschreitung des Immissionsrichtwertes von 45 dB(A) nachts zu erwarten.
- 30
(8) Die umfangreichen Einwendungen des Dipl.-Ing. (I.) in seiner Stellungnahme vom 23.06.2015 gegen die Ermittlung tieffrequenter Geräusche durch Messung (GA Bl. 504-507 und Bl. 511) können nicht überzeugen. Da das Auftreten tieffrequenter Geräusche von den jeweiligen örtlichen Verhältnissen und Besonderheiten abhängt und sich daher regelmäßig erst nach Inbetriebnahme der Anlage feststellen lässt (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 05.01.2011 – 12 LA 60/09 –, juris RdNr. 7; HessVGH, Beschl. v. 10.04.2014 – 9 B 2156/13 –, juris RdNr. 3; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, Nr. 7 TA Lärm RdNr. 31 ff.) und die einschlägigen Regelungen der Nr. 7.3 und Nr. A.1.5 TA Lärm i.V.m. der DIN 45680 nur Regelungen zur Messung und Bewertung tieffrequenter Geräusche enthalten, geht der Senat davon aus, dass tieffrequente Geräusche in erster Linie nach Maßgabe der DIN 45680, auf die in Nr. A.1.5 TA Lärm verwiesen wird, durch Messung zu ermitteln sind und auch ermittelt werden können. Hiervon geht auch das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt aus, das in seiner Stellungnahme vom 04.11.2014 (GA Bl. 541-542) ausgeführt hat, dass tieffrequente Immissionen durch Messungen bei entsprechender Kontrolle und Dokumentation der Betriebsparameter der Anlage mit ausreichender Genauigkeit und überschaubarem Zeit- und Messaufwand erfasst werden könnten. Damit übereinstimmend wurde durch den Gutachter im Dachgeschoss des EMP an drei verschiedenen Orten durch Messung gemäß DIN 45680 das Auftreten tieffrequenter Geräusche festgestellt und bewertet. Da diese Geräusche den im Beiblatt 1 zur DIN 45680 enthaltenen Anhaltswert für Nachtstunden von 25 dB nicht überschritten, ist das Gutachten in Übereinstimmung mit Nr. A.1.5 TA Lärm zu dem Ergebnis gekommen, dass im EMP schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche nicht vorhanden seien. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist anerkannt, dass die genannten Anhaltswerte als Richtlinien bei der rechtlichen Bewertung herangezogen werden können, ob tieffrequente Geräuschimmissionen schädliche Umwelteinwirkungen sind (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 05.01.2011 – 12 LA 60/09 – a.a.O.; OVG NW, Urt. v. 22.05.2014 – 8 A 1220/12 –, juris RdNr. 140 m.w.N.). Zwar kann daraus, dass am EMP keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche auftreten, wegen deren Abhängigkeit u.a. von der Konstruktion der Außenbauteile eines schutzbedürftigen Raumes nicht ohne weiteres auf die Situation am IO1 geschlossen werden, worauf auch das Gutachten hinweist (Seite 12). Die Messungen am EPM können jedoch als Anhaltspunkt herangezogen werden. Das gilt auch für die Prüfung, ob am IO1 schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche zu erwarten sind, durch Bewertung der außerhalb des Wohnhauses am EMP gemessenen Schallpegel. Insoweit kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass die energetische Summe Lr10-100Hz des Beurteilungspegels von 22,2 dB(A) (Anlage 2, Seite 23) den Anhaltswert nach Beiblatt 1 der DIN 45680 nachts (25 dB) um 2,8 dB unterschreitet. Auf dieser Grundlage geht der Senat – bei summarischer Prüfung – davon aus, dass am IO1 keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche zu erwarten sind. Dem steht nicht entgegen, dass dies erst dann zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, wenn im Inneren eines schutzbedürftigen Raumes im Wohngebäude des Antragstellers auf dem Grundstück B-Straße 6 gemessen wird, wie auch das Gutachten betont (Seite 12). Die fehlende Messung im Wohngebäude des Antragstellers hat sich dieser aufgrund seiner Verweigerungshaltung selbst zuzuschreiben. Eine solche Messung kann im Hauptsacheverfahren nachgeholt werden.
- 31
(9) Ohne Erfolg macht der Antragsteller weiterhin geltend, nach den Bestimmungen des Biogasleitfadens Mecklenburg-Vorpommern 8/2012 seien schallmindernde Maßnahmen am BHKW-Kamin zwingend erforderlich, da die am EMP außen gemessenen Werte tieffrequenter Geräusche die Hörschwelle zum Teil deutlich überschritten (GA Bl. 493-495 und Bl. 512-514). Der Biogasleitfaden Mecklenburg-Vorpommern 8/2012 gibt in seiner Anlage 4 (http://service.mvnet.de/_php/download.php?datei_id=107911) Hinweise zur überschlägigen Prognose und Bewertung tieffrequenter Schallimmissionen des BHKW-Abgaskamins im Freien. Hiernach sind weitere schallmindernde Maßnahmen zur Absenkung der Schallleistungs-Pegel je Terz (LwTerz,eq) zwingend erforderlich, wenn die Hörschwelle (LTerz,eq,außen – LHS) außerhalb der schutzbedürftigen Räume um weniger als 3 dB unterschritten wird. Diesem Erfordernis trägt die angefochtene Baugenehmigung des Antragsgegners vom 20.09.2013 Rechnung, indem sie unter Nebenbestimmung Nr. 121 vorschreibt, dass beim Betreiben des Abgaskamins bestimmte maximale Schallleistungspegel je Terz (lineare Terzpegel) nicht überschritten werden dürfen. Bei diesen maximalen linearen Schalleistungsterzpegeln für den Kamin handelt es sich um die im Rahmen der Ausbreitungsrechnung der (...) GmbH vom 24.07.2013 (BA A) ermittelten Projektvorgaben, die sicherstellen sollten, dass der äquivalente Dauerschallpegel je Terz außerhalb der schutzbedürftigen Räume die Hörschwelle um mindestens 3 dB(A) unterschreitet. Dies beruhte auf der Annahme, dass dann die Anhaltswerte der DIN 45680 innerhalb der nahegelegenen schutzbedürftigen Räume unterschritten werden (vgl. Seite 30 – 33 der Ausbreitungsrechnung vom 24.07.2013). Die Überschreitung der Hörschwelle durch die am EPM außen gemessenen und von der Biogasanlage ausgehenden tieffrequenten Geräusche ist auch deshalb für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung ohne Relevanz, weil nach den maßgeblichen Bestimmungen der Nr. A.1.5 TA Lärm i.V.m. der DIN 45680 schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräuschimmissionen erst dann zu erwarten sind, wenn die in Beiblatt 1 der DIN 45680 genannten Anhaltswerte überschritten werden (vgl. Müller-Wiesenhaken/Kubicek, Tieffrequenter Schall als zu bewältigender Konflikt u.a. bei der Genehmigung von Biogasanlagen und Blockheizkraftwerken in der Nachbarschaft zur Wohnbebauung, ZfBR 2011, 271 <219 f.>). Dass ist hier – wie bereits ausgeführt – bei summarischer Prüfung nicht der Fall. Die Überschreitung der Hörschwelle allein führt noch nicht dazu, dass es sich um schädliche Umwelteinwirkungen handelt.
- 32
(10) Ohne Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Genehmigung ist schließlich die von Dipl.-Ing. (I.) in seiner Stellungnahme vom 09.09.2015 berechnete Überschreitung der in Nebenbestimmung Nr. 121 festgesetzten Schalleistungspegel je Terz durch den Betrieb des Abgaskamins (GA Bl. 592-593). Bei diesen handelt es sich – wie bereits ausgeführt – um die im Rahmen der Ausbreitungsrechnung der (...) GmbH vom 24.07.2013 ermittelten Projektvorgaben, die auf der Annahme beruhten, dass die Anhaltswerte der DIN 45680 innerhalb der nahegelegenen schutzbedürftigen Räume unterschritten werden, wenn der äquivalente Dauerschallpegel je Terz außerhalb der schutzbedürftigen Räume die Hörschwelle um mindestens 3 dB(A) unterschreitet. Da die Anhaltswerte der DIN 45680 innerhalb der schutzbedürftigen Räume nach dem Ergebnis des Gutachtens vom 20.04.2015 – bei summarischer Prüfung – beim derzeitigen Betrieb der Biogasanlage nicht überschritten werden, kommt es für die – für die Rechtmäßigkeit der Genehmigung entscheidende – Frage, ob von der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche ausgehen, auf die Einhaltung der in der Nebenbestimmung Nr. 121 festgesetzten maximalen linearen Schalleistungsterzpegel bei dem Betrieb des Abgaskamins nicht an.
- 33
3. Soweit der Antragsteller geltend macht, die Baugenehmigung sei formell rechtswidrig, da die Genehmigung nur in einem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG hätte erteilt werden dürfen, führt dies nicht zum Erfolg. Die Vorschriften über das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG sind als solche nicht drittschützend (BVerwG, Urt. v. 05.10.1990 – BVerwG 7 C 55.89, 7 C 56.7 C 56.89 –, juris RdNr. 22; OVG NW, Beschl. v. 25.02.1994 – 11 B 3128/93 –, juris RdNr. 6; Beschl. d. Senats v. 09.12.2014 – 2 M 102/14 –, juris RdNr. 24).
- 34
4. Zu Unrecht meint der Antragsteller, die Genehmigung sei wegen des Fehlens einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls rechtswidrig (GA Bl. 384-387). Zwar kann gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG auch von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des UVPG erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist. Eine nach diesen Vorschriften zur Aufhebung der Genehmigung führende Unterlassung einer erforderlichen Vorprüfung liegt hier jedoch nicht vor. Für die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage der Beigeladenen besteht selbst dann keine Vorprüfungspflicht, wenn es sich hierbei um eine Nebeneinrichtung der von der Beigeladenen betriebenen Rinderhaltungsanlage handeln sollte (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 29.12.2010 – BVerwG 7 B 6.10 –, juris RdNr. 19 ff.). Zwar folgt aus § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG eine Vorprüfungspflicht für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht (OVG NW, Urt. v. 25.02.2015 – 8 A 959/10 –, juris RdNr. 97 und 118). Eine Vorprüfungspflicht für die Biogasanlage gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG setzt voraus, dass es sich um die Erweiterung der Rinderhaltungsanlage durch eine Nebeneinrichtung und dass es sich bei der Rinderhaltungsanlage um ein UVP-pflichtiges Vorhaben i.S.d. § 3e Abs. 1 UVPG handelt. Das ist jedoch nicht der Fall. Ein lediglich vorprüfungspflichtiges Vorhaben ist kein UVP-pflichtiges Vorhaben i.S.d. § 3e Abs. 1 UVPG. Ein Änderungsvorhaben unterfällt nicht der UVP-Vorprüfungspflicht nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG, wenn für das Grundvorhaben lediglich eine standortbezogene Vorprüfung vorgesehen ist, es sei denn, für das vorprüfungsbedürftige Grundvorhaben ist eine Einzelfallprüfung mit positivem Ergebnis tatsächlich schon durchgeführt worden (vgl. Urt. d. Senats v. 10.10.2013 – 2 K 98/12 –, juris RdNr. 69; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3e RdNr. 8; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, § 3e UVPG RdNr. 12). Nach diesen Grundsätzen unterfällt die Errichtung und der Betrieb der Biogasanlage nicht der Vorprüfungspflicht des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG, denn bei der Rinderhaltungsanlage der Beigeladenen ist selbst dann, wenn sie mehr als 599 Plätze aufweisen sollte, nach Nr. 7.5.2 der Anlage 1 zum UVPG lediglich eine standortbezogene Vorprüfung im Einzelfall gemäß § 3c Satz 2 UVPG vorgesehen, die bislang noch nicht durchgeführt wurde. Vor diesem Hintergrund bedarf es hier keiner Vertiefung, ob die Rinderhaltungsanlage tatsächlich – wie von der Beigeladenen mit Schreiben vom 04.07.2013 angegeben – über 608 Rinderplätze verfügt, oder ob es sich hierbei – wie von der Beigeladenen mit Schreiben vom 03.02.2014 vorgetragen – um eine falsche Annahme gehandelt hat.
- 35
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 36
Hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes folgt der Senat der Festsetzung des Verwaltungsgerichts.
- 37
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. Dezember 2009 - 5 K 1811/09 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
| |||||
| |||||
|
| ||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
| ||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten für
- 1.
die Vermeidung von Abfällen sowie - 2.
die Verwertung von Abfällen, - 3.
die Beseitigung von Abfällen und - 4.
die sonstigen Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung.
(2) Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten nicht für
- 1.
Stoffe, die zu entsorgen sind - a)
nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 2011 (BGBl. I S. 1770) in der jeweils geltenden Fassung, soweit es für Lebensmittel, Lebensmittel-Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, Bedarfsgegenstände und mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte gilt, - b)
nach dem Tabakerzeugnisgesetz vom 4. April 2016 (BGBl. I S. 569) in der jeweils geltenden Fassung, - c)
nach dem Milch- und Margarinegesetz vom 25. Juli 1990 (BGBl. I S. 1471), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Januar 2019 (BGBl. I S. 33) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, - d)
nach dem Tiergesundheitsgesetz vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1324), - e)
nach dem Pflanzenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1998 (BGBl. I S. 971, 1527, 3512), das zuletzt durch Artikel 278 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung sowie - f)
nach den auf Grund der in den Buchstaben a bis e genannten Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen,
- 2.
tierische Nebenprodukte, soweit diese nach der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) (ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung, nach den zu ihrer Durchführung ergangenen Rechtsakten der Europäischen Union, nach dem Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz vom 25. Januar 2004 (BGBl. I S. 82), das zuletzt durch Artikel 279 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, oder nach den auf Grund des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen abzuholen, zu sammeln, zu befördern, zu lagern, zu behandeln, zu verarbeiten, zu verwenden, zu beseitigen oder in Verkehr zu bringen sind, mit Ausnahme derjenigen tierischen Nebenprodukte, die zur Verbrennung, Lagerung auf einer Deponie oder Verwendung in einer Biogas- oder Kompostieranlage bestimmt sind, - 3.
Stoffe, die - a)
bestimmt sind für die Verwendung als Einzelfuttermittel gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe g der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 79/373/EWG des Rates, 80/511/EWG der Kommission, 82/471/EWG des Rates, 83/228/EWG des Rates, 93/74/EWG des Rates, 93/113/EG des Rates und 96/25/EG des Rates und der Entscheidung 2004/217/EG der Kommission (ABl. L 229 vom 1.9.2009, S. 1; L 192 vom 22.7.2011, S. 71), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/1903 (ABl. L 310 vom 6.12.2018, S. 22) geändert worden ist, und - b)
weder aus tierischen Nebenprodukten bestehen noch tierische Nebenprodukte enthalten,
- 4.
Körper von Tieren, die nicht durch Schlachtung zu Tode gekommen sind, einschließlich von solchen Tieren, die zur Tilgung von Tierseuchen getötet wurden, soweit diese Tierkörper nach den in Nummer 2 genannten Rechtsvorschriften zu beseitigen oder zu verarbeiten sind, - 5.
Fäkalien, soweit sie nicht durch Nummer 2 erfasst werden, Stroh und andere natürliche nicht gefährliche land- oder forstwirtschaftliche Materialien, die in der Land- oder Forstwirtschaft oder zur Energieerzeugung aus einer solchen Biomasse durch Verfahren oder Methoden verwendet werden, die die Umwelt nicht schädigen oder die menschliche Gesundheit nicht gefährden, - 6.
Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe im Sinne des Atomgesetzes oder des Strahlenschutzgesetzes, - 7.
Abfälle, die unmittelbar beim Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten sowie bei der damit zusammenhängenden Lagerung von Bodenschätzen in Betrieben anfallen, die der Bergaufsicht unterstehen und die nach dem Bundesberggesetz vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310), das zuletzt durch Artikel 237 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und den auf Grund des Bundesberggesetzes erlassenen Rechtsverordnungen unter Bergaufsicht entsorgt werden, - 8.
gasförmige Stoffe, die nicht in Behältern gefasst sind, - 9.
Stoffe, sobald sie in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden, - 10.
Böden am Ursprungsort (Böden in situ), einschließlich nicht ausgehobener, kontaminierter Böden und Bauwerke, die dauerhaft mit dem Grund und Boden verbunden sind, - 11.
nicht kontaminiertes Bodenmaterial und andere natürlich vorkommende Materialien, die bei Bauarbeiten ausgehoben wurden, sofern sichergestellt ist, dass die Materialien in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet werden, - 12.
Sedimente, die zum Zweck der Bewirtschaftung von Gewässern, der Unterhaltung oder des Ausbaus von Wasserstraßen sowie der Vorbeugung gegen Überschwemmungen oder der Abschwächung der Auswirkungen von Überschwemmungen und Dürren oder zur Landgewinnung innerhalb von Oberflächengewässern umgelagert werden, sofern die Sedimente nachweislich nicht gefährlich sind, - 13.
die Erfassung und Übergabe von Schiffsabfällen und Ladungsrückständen, soweit dies auf Grund internationaler oder supranationaler Übereinkommen durch Bundes- oder Landesrecht geregelt wird, - 14.
das Aufsuchen, Bergen, Befördern, Lagern, Behandeln und Vernichten von Kampfmitteln sowie - 15.
Kohlendioxid, das für den Zweck der dauerhaften Speicherung abgeschieden, transportiert und in Kohlendioxidspeichern gespeichert wird, oder das in Forschungsspeichern gespeichert wird.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten nach Maßgabe der besonderen Vorschriften des Strahlenschutzgesetzes und der auf Grund des Strahlenschutzgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen auch für die Entsorgung von Abfällen, die infolge eines Notfalls im Sinne des Strahlenschutzgesetzes radioaktiv kontaminiert sind oder radioaktiv kontaminiert sein können.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf der Genehmigung, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 erheblich sein können (wesentliche Änderung); eine Genehmigung ist stets erforderlich, wenn die Änderung oder Erweiterung des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage für sich genommen die Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen des Anhangs zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen erreichen. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Absatz 1 Nummer 1 ergebenden Anforderungen sichergestellt ist.
(2) Die zuständige Behörde soll von der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens sowie der Auslegung des Antrags und der Unterlagen absehen, wenn der Träger des Vorhabens dies beantragt und erhebliche nachteilige Auswirkungen auf in § 1 genannte Schutzgüter nicht zu besorgen sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn erkennbar ist, dass die Auswirkungen durch die getroffenen oder vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Maßnahmen ausgeschlossen werden oder die Nachteile im Verhältnis zu den jeweils vergleichbaren Vorteilen gering sind. Betrifft die wesentliche Änderung eine in einem vereinfachten Verfahren zu genehmigende Anlage, ist auch die wesentliche Änderung im vereinfachten Verfahren zu genehmigen. § 19 Absatz 3 gilt entsprechend.
(3) Über den Genehmigungsantrag ist innerhalb einer Frist von sechs Monaten, im Falle des Absatzes 2 in drei Monaten zu entscheiden. Im Übrigen gilt § 10 Absatz 6a Satz 2 und 3 entsprechend.
(4) Für nach § 15 Absatz 1 anzeigebedürftige Änderungen kann der Träger des Vorhabens eine Genehmigung beantragen. Diese ist im vereinfachten Verfahren zu erteilen; Absatz 3 und § 19 Absatz 3 gelten entsprechend.
(5) Einer Genehmigung bedarf es nicht, wenn eine genehmigte Anlage oder Teile einer genehmigten Anlage im Rahmen der erteilten Genehmigung ersetzt oder ausgetauscht werden sollen.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 kann vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von diesen Anlagen hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar ist. Satz 1 gilt für Abfallentsorgungsanlagen entsprechend.
(2) In dem vereinfachten Verfahren sind § 10 Absatz 2, 3, 3a, 4, 6, 7 Satz 2 und 3, Absatz 8 und 9 sowie die §§ 11 und 14 nicht anzuwenden.
(3) Die Genehmigung ist auf Antrag des Trägers des Vorhabens abweichend von den Absätzen 1 und 2 nicht in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen.
(4) Die Genehmigung einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, kann nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden, wenn durch deren störfallrelevante Errichtung und Betrieb der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird oder durch deren störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. In diesen Fällen ist das Verfahren nach § 10 mit Ausnahme von Absatz 4 Nummer 3 und Absatz 6 anzuwenden. § 10 Absatz 3 Satz 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur die Personen Einwendungen erheben können, deren Belange berührt sind oder Vereinigungen, welche die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Bei störfallrelevanten Änderungen ist § 16 Absatz 3 entsprechend anzuwenden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits auf Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.
(1) Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf der Genehmigung, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 erheblich sein können (wesentliche Änderung); eine Genehmigung ist stets erforderlich, wenn die Änderung oder Erweiterung des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage für sich genommen die Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen des Anhangs zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen erreichen. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Absatz 1 Nummer 1 ergebenden Anforderungen sichergestellt ist.
(2) Die zuständige Behörde soll von der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens sowie der Auslegung des Antrags und der Unterlagen absehen, wenn der Träger des Vorhabens dies beantragt und erhebliche nachteilige Auswirkungen auf in § 1 genannte Schutzgüter nicht zu besorgen sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn erkennbar ist, dass die Auswirkungen durch die getroffenen oder vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Maßnahmen ausgeschlossen werden oder die Nachteile im Verhältnis zu den jeweils vergleichbaren Vorteilen gering sind. Betrifft die wesentliche Änderung eine in einem vereinfachten Verfahren zu genehmigende Anlage, ist auch die wesentliche Änderung im vereinfachten Verfahren zu genehmigen. § 19 Absatz 3 gilt entsprechend.
(3) Über den Genehmigungsantrag ist innerhalb einer Frist von sechs Monaten, im Falle des Absatzes 2 in drei Monaten zu entscheiden. Im Übrigen gilt § 10 Absatz 6a Satz 2 und 3 entsprechend.
(4) Für nach § 15 Absatz 1 anzeigebedürftige Änderungen kann der Träger des Vorhabens eine Genehmigung beantragen. Diese ist im vereinfachten Verfahren zu erteilen; Absatz 3 und § 19 Absatz 3 gelten entsprechend.
(5) Einer Genehmigung bedarf es nicht, wenn eine genehmigte Anlage oder Teile einer genehmigten Anlage im Rahmen der erteilten Genehmigung ersetzt oder ausgetauscht werden sollen.
(1) Durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 kann vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von diesen Anlagen hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar ist. Satz 1 gilt für Abfallentsorgungsanlagen entsprechend.
(2) In dem vereinfachten Verfahren sind § 10 Absatz 2, 3, 3a, 4, 6, 7 Satz 2 und 3, Absatz 8 und 9 sowie die §§ 11 und 14 nicht anzuwenden.
(3) Die Genehmigung ist auf Antrag des Trägers des Vorhabens abweichend von den Absätzen 1 und 2 nicht in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen.
(4) Die Genehmigung einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, kann nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden, wenn durch deren störfallrelevante Errichtung und Betrieb der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird oder durch deren störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. In diesen Fällen ist das Verfahren nach § 10 mit Ausnahme von Absatz 4 Nummer 3 und Absatz 6 anzuwenden. § 10 Absatz 3 Satz 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur die Personen Einwendungen erheben können, deren Belange berührt sind oder Vereinigungen, welche die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Bei störfallrelevanten Änderungen ist § 16 Absatz 3 entsprechend anzuwenden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits auf Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 kann vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von diesen Anlagen hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar ist. Satz 1 gilt für Abfallentsorgungsanlagen entsprechend.
(2) In dem vereinfachten Verfahren sind § 10 Absatz 2, 3, 3a, 4, 6, 7 Satz 2 und 3, Absatz 8 und 9 sowie die §§ 11 und 14 nicht anzuwenden.
(3) Die Genehmigung ist auf Antrag des Trägers des Vorhabens abweichend von den Absätzen 1 und 2 nicht in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen.
(4) Die Genehmigung einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, kann nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden, wenn durch deren störfallrelevante Errichtung und Betrieb der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird oder durch deren störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. In diesen Fällen ist das Verfahren nach § 10 mit Ausnahme von Absatz 4 Nummer 3 und Absatz 6 anzuwenden. § 10 Absatz 3 Satz 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur die Personen Einwendungen erheben können, deren Belange berührt sind oder Vereinigungen, welche die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Bei störfallrelevanten Änderungen ist § 16 Absatz 3 entsprechend anzuwenden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits auf Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über
- 1.
Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen, - 2.
Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist, - 3.
das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen, - 4.
die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Absatz 2 oder 3 vorgesehen werden können, unter Berücksichtigung insbesondere der dort genannten Voraussetzungen, - 5.
äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen zu Emissionswerten, - 6.
angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5c.
(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionswerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen.
(1b) Abweichend von Absatz 1a
- 1.
können in der Verwaltungsvorschrift weniger strenge Emissionswerte festgelegt werden, wenn - a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder - b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
- 2.
kann in der Verwaltungsvorschrift bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann, wenn - a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder - b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
(2) (weggefallen)
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Umnutzung einer Anlage zur Rinderhaltung in eine Anlage zur Haltung von Rindern, Sauen, Ferkeln und Mastschweinen.
- 2
Der Standort der Anlage (Gemarkung A-Stadt, Flur A, Flurstück 786) liegt am östlichen Rand der Ortslage A-Stadt. Nördlich und östlich des Anlagengeländes befinden sich landwirtschaftlich genutzte Flächen. Westlich jenseits der G-Straße befindet sich das durch Bebauungsplan ausgewiesene allgemeine Wohngebiet „Am D-Platz“. Daran schließen sich nördlich Kleingärten an. Südlich der Anlage befindet sich weitere Bebauung, darunter das Wohngebäude der Klägerin mit einem Abstand von ca. 90 m zum nächstgelegenen Stallgebäude und einem Abstand von etwa 110 m zum nächstgelegenen Güllebehälter. Der rückwärtige, zur streitigen Tierhaltungsanlage zeigende Teil des Grundstücks der Klägerin wird gärtnerisch genutzt.
- 3
Die (...) GbR (...) betrieb dort ursprünglich eine Anlage mit drei Ställen zum Halten von 880 Mastrindern. Nach einem Umbau Anfang der 1990er Jahre wurden in der Anlage 420 Milchkühe und 80 Jungrinder gehalten. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 02.07.2002 erteilte das Regierungspräsidiums Magdeburg der (...) GbR (...) eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zum Halten von 33.000 Putenmastplätzen auf den Flurstücken 266/26, 267/26, 269/28 und 270/29). Eine Voraussetzung für die Genehmigung der Anlage war, dass die Kapazität der Rinderanlage auf 260 Rinderplätze und 50 Kälberplätze begrenzt werde, um die zulässigen Immissionswerte für Geruch einzuhalten. Die Betreiberin gab eine entsprechende Verzichtserklärung ab. Von der Genehmigung wurde jedoch kein Gebrauch gemacht.
- 4
Mit Schreiben vom 17.07.2006 beantragte die (...) GbR (...) die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Änderung der Rinderanlage in eine gemischte Tierhaltungsanlage, die überwiegend der Erzeugung von jährlich ca. 20.000 Ferkeln dient. Danach sollten 708 Sauenplätze, 2.616 Ferkelaufzuchtplätze und 32 Mastschweineplätze eingerichtet und nur noch 20 Rinderplätze beibehalten werden. Nach einer gutachtlichen Stellungnahme der Fa. (B.) vom 28.06.2006 liegen die Geruchswahrnehmungshäufigkeiten auf Grundstücken mit Wohnbebauung im Westen der Anlage bei 10 % der Jahresstunden, so dass die Immissionswerte für Dorf- und Wohngebiete eingehalten seien. Nach dem Anhang zur Stellungnahme ist für das Wohngebäude der Klägerin eine Geruchswahrnehmungshäufigkeit von 9 bis 10 % und für den rückwärtigen Grundstücksteil von 10 bis 12 % der Jahresstunden dargestellt. Mit Bescheid vom 20.12.2007 erteilte der Beklagte der (...) GbR (...) die beantragte Änderungsgenehmigung, die dem Beklagten am 19.05.2008 einen Betreiberwechsel auf die Beigeladene anzeigte.
- 5
Am 17.04.2008 hat die Klägerin gegen den Genehmigungsbescheid Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt: Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen habe nicht das Verfahren der Änderungsgenehmigung wählen dürfen, sondern einen Neuantrag stellen müssen. Der beantragte Anlagenneubau sei gegenüber der bestehenden Altanlage derart dominant und beherrschend, dass die Altanlage komplett hinter die Neuplanung zurücktrete. Die verbleibende Rindermastproduktion habe nur noch untergeordnete Bedeutung. Die Bekanntgabe der Feststellung, dass im Rahmen des Genehmigungsverfahrens keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich sei, sei durch den Beklagten erst am 01.03.2008 und damit verspätet erfolgt. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Es handele sich um ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles. Der avisierte Standort mit den vorhandenen Altanlagen grenze unmittelbar an die vorhandene Wohnbebauung. Die Schutzwürdigkeit der Umgebung folge aus der unmittelbar südlich angrenzenden Wohnbebauung, dem westlich angrenzenden und durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet und der nördlich davon liegenden Kleingartenanlage. Das Anlagengelände selbst nehme an dem Innenbereichscharakter des davon südlich gelegenen allgemeinen Wohngebiets teil. Die derzeit als Mischgebiet zu charakterisierende Fläche werde durch die vorhandene Wohnbebauung und durch den bisher betriebenen Rinderstall geprägt. Das vorhandene Störungspotential, insbesondere die Geruchsbelastung, werde sich durch die Änderung der Tierhaltungsanlage, vor allem auch durch den geplanten neuen Güllebehälter, erheblich erhöhen. Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sprenge die geplante Anlage den Gebietscharakter. Aufgrund des Betreiberwechsels müsse das Vorhaben planungsrechtlich nunmehr als gewerblicher Betrieb angesehen werden. Die ursprünglich angenommene Privilegierung als landwirtschaftlicher Betrieb sei verloren gegangen, weil das Futter nicht mehr unmittelbar durch Bodenertragsnutzung beschafft werden könne und die Tierintensivhaltung nur noch mit gekauftem Futter möglich sei. Auch durch die von der Anlage herrührenden Schallimmissionen drohten Gesundheitsgefahren bzw. erhebliche Belästigungen. Es sei mit zusätzlichem Ziel- und Quellverkehr von der L 70 über die G-Straße zu rechnen. Die Genehmigung stelle nicht sicher, dass von dem Betrieb der Anlage keine Luftverunreinigungen ausgingen, die ihre Schutzrechte verletzen könnten. Es drohe eine Immission von Krankheiten verursachenden Stoffen. Der Mindestabstand nach der TA-Luft betrage 331 m und sei bei weitem nicht eingehalten. Die zu erwartenden Beeinträchtigungen könnten mit dem derzeitigen Stand der Technik nicht bewältigt werden. Die von der Beigeladenen vorgelegte Geruchsausbreitungsberechnung gehe von falschen Parametern aus. Die Prognose für die Belastung mit Geruch, Ammoniak und Staub hätte anhand von Messungen erfolgen müssen. Die Immission und Ausbreitung von Staub infolge thermischer Konvektion werde modellbedingt nicht berücksichtigt. Die Beurteilung der entstehenden Belastung habe anhand von längerfristigen Emissionsmessungen bei einer bereits längerfristig in Betrieb befindlichen Vergleichsanlage und unter Zugrundelegung einer vergleichbaren Situation erfolgen müssen. Eine für den Standort der Anlage repräsentative Ausbreitungsklassenstatistik liege nicht vor, weil für den Standort A-Stadt keine Daten erhoben worden seien. Die in der Immissionsprognose verwendete Ausbreitungsklassenstatistik bilde die Verhältnisse am Anlagenstandort nicht ab. Ausweislich des DLG-Prüfberichtes 5629 handele es sich bei der am Stall 3 zum Einsatz kommenden zweistufigen Abluftreinigungsanlage „Chemowäscher (+)“ um eine Prototypanlage. Es lägen weder Umfrageergebnisse zu dieser Anlage vor, noch könne aus tatsächlichen Prüfergebnissen und Erfahrungswerten geschlussfolgert werden, dass diese Anlage ordnungsgemäß funktioniere und die prognostizierten Werte erfülle. Die Immissionen an Geruchsstoffen würden durch den vorgesehenen Chemowäscher nicht beseitigt. Der Betrieb einer Anlage zur Schweinehaltung sei mit deutlich erhöhten Ammoniakimmissionen verbunden. Die Problematik zu Gesundheitsgefahren durch Bioaerosole in Form von Stäuben oder in Form von mit den Stäuben ausgetragenen (luftgetragenen) Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen, Viren, Milben oder auch Protozoen sei im Genehmigungsverfahren nicht untersucht worden. Das Vorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Sie habe nicht in eine bereits bestehende Vorbelastung „hineingebaut“. Die Tierhaltung sei vielmehr an die zum damaligen Zeitpunkt bereits bestandsgeschützte Wohnbebauung herangerückt.
- 6
Die Klägerin hat beantragt,
- 7
den der (...) GbR (...) A-Stadt erteilten Genehmigungsbescheid vom 20.12.2007 über die Genehmigung nach § 16 BlmSchG für die wesentliche Änderung der Rinderanlage in A-Stadt (Umrüstung in eine gemischte Anlage mit 20 Rinderplätzen, 708 Sauenplätzen einschließlich Ferkelplätzen und 32 Mastschweineplätzen) aufzuheben.
- 8
Der Beklagte hat beantragt,
- 9
die Klage abzuweisen.
- 10
Er hat geltend gemacht: Wer im Außenbereich in einem Dorfgebiet neben einer Tierhaltungsanlage baue oder dort ein Haus erwerbe, könne sich nachträglich nicht auf die Konflikte zwischen den benachbarten Nutzungen berufen. Da der Mindestabstand nach der TA Luft nicht eingehalten werde, würden die Emissionen zulässigerweise durch den Einbau einer entsprechenden Abgasreinigungseinrichtung gemindert. Die Wirksamkeit des vorgesehenen Chemowäschers sei durch den DLG-Prüfbericht 5629 nachgewiesen. Das Landesamt für Umweltschutz habe den Chemowäscher als geeignete Vorrichtung anerkannt.
- 11
Die Beigeladene hat beantragt,
- 12
die Klage abzuweisen.
- 13
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
- 14
Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ein Verfahren nach § 4 BlmSchG (Neugenehmigung) hätte durchgeführt werden müssen. Unabhängig von der Frage, ob die Durchführung eines Verfahrens nach § 16 BlmSchG (Änderungsgenehmigung) zu Recht erfolgt sei, würden durch die Wahl der Verfahrensart Rechte der Klägerin nicht verletzt. Die insoweit einschlägigen Regelungen über die Verfahrensart seien nicht drittschützend. Der Beklagte habe auch ein ordnungsgemäßes Vorprüfungsverfahren nach dem UVPG durchgeführt. Das Ergebnis der Vorprüfung sei nachvollziehbar damit begründet worden, dass die hinsichtlich des Schutzgutes Mensch möglicherweise entstehenden erheblichen negativen Auswirkungen außerhalb einer solchen UVP durch eine anderweitige Lösung der Immissionsproblematik ausgeschlossen werden. Die bloße Möglichkeit nachteiliger Umweltauswirkungen rechtfertige im Fall einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalles nicht die Forderung nach der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Ob die Bekanntgabe des Ergebnisses der Vorprüfung möglicherweise verspätet erfolgt sei, sei nicht entscheidungserheblich. Da die Feststellung der Behörde, die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich, nicht selbstständig anfechtbar und eine vorzeitige Bekanntgabe nicht geregelt sei, werde die Klägerin durch die zeitlich nach dem Erlass des Bescheides liegende Bekanntgabe dieser Feststellung jedenfalls nicht in eigenen Rechten verletzt.
- 15
Ein Verstoß gegen die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG sei nicht ersichtlich. Maßgebend sei, ob die genehmigte Anlage mit dem Tierbestand und den daraus resultierenden Emissionen einen Abstand zum Wohnhaus bzw. Grundstück der Klägerin einhalte, der sicherstelle, dass es nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von erheblichen Geruchsbelästigungen komme. Es sei zu berücksichtigen, dass baurechtlich genehmigte Wohnhäuser, die in unmittelbarer Nähe eines bereits bestehenden landwirtschaftlichen Betriebes errichtet worden seien, dadurch regelmäßig vorbelastet seien, dass die dort Wohnenden bis zu einem gewissen Grad mit den für die Landwirtschaft typischen Emissionen rechnen müssten und sich auch nicht darauf verlassen könnten, dass es auf Dauer nicht zu stärkeren Belastungen komme, als die, die bereits bei Entstehen der Wohnhäuser üblich gewesen seien. Nur wenn der so gezogene Rahmen weiter überschritten werde, wären das Gebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG und das darin innewohnende Rücksichtnahmegebot verletzt. Bei der in Anwendung des Rücksichtnahmegebots vorzunehmenden Bewertung der gegenläufigen Interessen sei zunächst davon auszugehen, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen rechtlich unbedenklich im Außenbereich angesiedelt worden sei. Von der Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB seien gerade auch Tierhaltungsanlagen erfasst, die keinen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB darstellen, sondern „industriemäßig“ betrieben werden. Damit seien die in der Nähe der Anlage stehenden baurechtlich genehmigten Wohnhäuser regelmäßig dergestalt vorbelastet, dass die dort Wohnenden bis zu einem gewissen Grad die für die Landwirtschaft oder sonstige zulässige Betriebe im Außenbereich typischen Immissionen hinnehmen müssten und sich nicht darauf verlassen könnten, dass es auf Dauer zu keiner oder zu einer stärkeren Belastung komme, als sie bereits beim Entstehen der Wohnhäuser vorhanden war.
- 16
Entgegen der Annahme der Klägerin liege der Anlagenstandort nicht in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB. Baulichkeiten, die ausschließlich landwirtschaftlichen oder kleingärtnerischen Zwecken dienen, seien für sich allein genommen keine Bauten, die einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bilden könnten. Der G-Straße komme in der Abgrenzung zwischen dem Vorhabengelände und den westlich dazu gelegenen Flächen eine trennende Wirkung zu. Sie bilde eine natürliche Grenze zwischen dem Innenbereich mit der Wohnnutzung und dem Außenbereich mit der Nutzung durch die streitige Anlage. Dabei sei insbesondere darauf abzustellen, dass sich im nördlichen Teil der G-Straße ein kleingärtnerisches Gebiet und (landwirtschaftliche) Gebäude befänden, die nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen sondern ausschließlich dem Anlagenzweck dienten. Auf die Frage, ob dauernd Personal auf der Rinderanlage eingesetzt sei, komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Bei der südlich der Anlage gelegenen Wohnbebauung sei bereits problematisch, ob sie einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne von § 34 BauGB bilde. Jedenfalls stelle sich die Wohnbebauung im maßgeblichen Abschnitt der Chaussee (L 70) der Siedlungsstruktur nach als reine Straßenrandbebauung dar, so dass in diesem Bereich nur solche Grundstücke, die unmittelbar an der Chaussee liegen oder zumindest von dieser erschlossen werden, von einem Bebauungszusammenhang erfasst würden. Im Umkehrschluss ergebe sich zugleich, dass das Vorhabengelände, das von der G-Straße aus erschlossen werde, von diesem Bebauungszusammenhang gerade nicht erfasst werde. Mithin müsse die Klägerin als Nutzerin eines Wohnhauses im oder am Außenbereich die Emissionen des zulässigerweise im Außenbereich errichteten Betriebes der Beigeladenen wie der Bewohner eines Dorfgebietes hinnehmen. Da die Gemeinde bislang für das Gebiet einen Bebauungsplan nicht erlassen habe, sei unerheblich, ob in einem Flächennutzungsplan eine dem klägerischen Vorhaben entsprechende Nutzungsweise vorgesehen sei.
- 17
Das in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG enthaltene Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme werde nicht verletzt. Der sich aus der Tierplatzkapazität von umgerechnet 315 Großvieheinheiten nach der TA Luft ergebende Mindestabstand von 331 m werde zu den relevanten Immissionsorten zwar erheblich unterschritten. Nach Nr. 5.4.7.1 TA Luft sei dies aber zulässig, wenn die Emissionen an Geruchsstoffen durch primärseitige Maßnahmen gemindert werden oder das geruchsbeladene Abgas in einer Abgasreinigungseinrichtung behandelt werde. Die durch die Minderung der Emissionen an Geruchsstoffen mögliche Verringerung des Mindestabstandes sei mit Hilfe eines geeigneten Modells zur Geruchsausbreitung festzustellen, dessen Eignung der zuständigen Fachbehörde nachzuweisen sei. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Zur Erfüllung dieser Anforderung sei an der Hauptemissionsquelle, dem Stall 3, ein DLG-geprüfter zweistufiger „Chemowäscher (+)“ vorgesehen. Als weitere Maßnahme sei an den Ställen 1 und 2 eine der TA Luft entsprechende Abluftableitung zu realisieren. Ferner seien die Güllelager abzudecken. Die Funktionsfähigkeit der Abluftreinigung sei nach Erreichen des bestimmungsgemäßen Betriebes messtechnisch nachzuweisen. Unter der Voraussetzung der Einhaltung der in Abschnitt III unter Nr. 3.1 geforderten Nebenbestimmungen sei mit dem Beklagten davon auszugehen, dass der Immissionswert für Gerüche am nächstgelegenen Immissionsort in Höhe von 9 % der Jahresstunden für die Gesamtbelastung eingehalten werde.
- 18
Die Klägerin sei eine Begründung dafür schuldig geblieben, warum die Winddaten von Wernigerode (50 km entfernt und im Einflussbereich des Harzes) der Begutachtung hätten zugrunde gelegt werden müssen. Der Beklagte habe nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der Anlagenstandort ziemlich genau in der Mitte zwischen der Deutschen Wetterdienst-Station Magdeburg und dem Standort Neundorf liege. Aufgrund des sehr geringen orografischen Einflusses in der Börde auf die Ausbreitungsbedingungen bestünden keine Zweifel an der Übertragbarkeit der dortigen meteorologischen Daten auf den Anlagenstandort. Orographische Besonderheiten, die Einfluss auf das Windfeld nehmen könnten, seien nicht vorhanden. Auch die Zweifel der Klägerin hinsichtlich der Berücksichtigung der Fahnenüberhöhung, der Gruppierung der Abluft, der Abluftgeschwindigkeit, möglicher verfälschender Angaben zur Wärmeenergie, hinsichtlich der Quellgeometrie (Simulation der Stalllüfter als Punktquelle) und hinsichtlich der Rauhigkeit des Geländes führten zu keiner anderen Beurteilung. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sich die von ihr geltend gemachten Mängel tatsächlich und zu ihrem Nachteil auswirken könnten. Die von ihr geforderte Festlegung von Monitorpunkten an der Grundstücksgrenze zur exakten Bestimmung des dort entstehenden Immissionswertes finde in der von dem Beklagten gewählten Bestimmungsart keine Grundlage. Die Ausschöpfung des maximal zulässigen Immissionswertes verletze die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Darüber hinaus bestünden gegen die in dem Gutachten verwendeten Emissionsfaktoren keine durchgreifenden Bedenken. Die geltend gemachten Bedenken der Klägerin hinsichtlich einer nicht zu duldenden möglichen erhöhten Staubbelastung und erhöhten Lärmbelästigung (Verkehrslärm) und hinsichtlich möglicher Ammoniakemissionen oder hinsichtlich einer befürchteten Emission von Bioaerosolen führten im Ergebnis ebenfalls nicht zu einer anderweitigen Beurteilung.
- 19
Die vom Senat zugelassene Berufung hat die Klägerin im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 20
Der Tenor der angefochtenen Genehmigung sei unvollständig. Zwar sei die Umrüstung in eine gemischte Anlage genehmigt worden, jedoch nicht der Betrieb der umgerüsteten Anlage. Darüber hinaus sei nicht dargestellt, welche anderen behördlichen Entscheidungen von der Genehmigung aufgrund der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG eingeschlossen seien. Es stelle sich die Frage, ob verschiedene Anlagenteile und ggf. in welchem Umfang genehmigt seien. Völlig unklar bleibe auch, welche Verfahrensschritte und Nebeneinrichtungen genehmigt würden. Auch die Nebenbestimmungen seien unklar. Die Verpflichtung zur Änderung und zum Betrieb der Anlage werde zu einer bloßen Nebenbestimmung herabgesetzt mit der Folge, dass für den Anlagenbetreiber prinzipiell die Möglichkeit eröffnet werde, Rechtsschutz gegen den Inhalt der Nebenbestimmung in Anspruch zu nehmen. Es finde eine unzulässige Verlagerung des Immissionsschutzes in die Nebenbestimmungen statt. Auch werde kein ausreichender Verfahrensablauf vorgegeben, wie verendete Tiere in den Container zu verbringen seien, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass eine Lagerung unter freiem Himmel stattfinde. Unzureichend sei ferner der Brandschutz. Der Altbestand enthalte viele brandgefährdete Stoffe, die im Brandfall zur Belastung von Menschen führen würden.
- 21
Es liege keine bloße Änderung der Beschaffenheit einer Anlage im Sinne von § 16 BImSchG sondern eine Neuerrichtung im Sinne von § 4 BImSchG vor. Der Umbau der vorhandenen Anlage sei nur ein Zwischenschritt, weil die Beigeladene beabsichtige, im Bereich des bisher für die Putenmastanlage vorgesehenen Grundstücks neue Stallanlagen zur Ferkelproduktion mit 2.300 Sauen- und Ferkelplätzen und ca. weiteren ca. 600 Plätzen für die Jungsauenaufzucht sowie ggf. eine Biogasanlage zu errichten. Der Verletzung formellen Rechts komme hier drittschützende Wirkung zu; denn nur so habe sie, die Klägerin die Möglichkeit, ihre Belange schon im Genehmigungsverfahren vorzubringen.
- 22
Der Beklagte habe eine UVP-Pflicht im Ergebnis zu Unrecht verneint, weil die Genehmigung in Wahrheit nur einen Zwischenschritt darstelle und die Beigeladene neue Stallgebäude mit der vorgenannten Anzahl von Großvieheinheiten errichten wolle. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung habe eine standortbezogene Vorprüfung nicht mehr ausgereicht. Zudem habe das Schreiben des Sachbearbeiters, er halte den Verzicht auf eine UVP für gerechtfertigt, lediglich vorbereitenden Charakter. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht ferner angenommen, dass sie durch die verspätete Bekanntgabe des Verzichts auf eine UVP nicht in eigenen Rechten verletzt werde.
- 23
Das Vorhaben der Beigeladenen habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich angesiedelt werden können, denn es sei nicht ausreichend dargelegt, dass es nur im Außenbereich ausgeführt werden könne. Im Übrigen sei der Genehmigungsbescheid auf § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB gestützt, obwohl die in Streit stehende Anlage keinem „landwirtschaftlichen“ Betrieb diene, weil das notwendige Futter überwiegend oder vollständig zugekauft werde.
- 24
Zudem liege der Standort der Anlage nicht im Außen- sondern im Innenbereich. Die G-Straße verbinde sowohl das Anlagengelände als auch die südlich davon liegende Wohnbebauung mit dem allgemeinen Wohngebiet an der westlichen Seite der G-Straße. Auch sei zwischen dem allgemeinen Wohngebiet südlich des Vorhabenstandortes und nördlich der L 70 keine Straße vorhanden, die eine trennende Wirkung haben könne. Die bisherige Milchviehanlage falle unter den Begriff „Bebauung“ im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB, da sie optisch wahrnehmbar ein das Gebiet prägendes Gewicht habe und auch dauernd Personal in der Anlage eingesetzt werde. Aufgrund des vorbereitenden Bebauungsplans sei das Gebiet als Mischgebiet anzusehen, wo nur nicht wesentlich störende Anlagen zulässig seien. Dazu zähle das Vorhaben der Beigeladenen nicht. Es komme zu einer Geruchsimmission, die ca. 8 bis 9-mal höher sei als bei der bisher betriebenen Rinderhaltungsanlage. Auch werde der Geruch von Schweinehaltungsanlagen als deutlich störender empfunden. Hinzu komme, dass ein neuer Güllebehälter mit einer Kapazität von 2.498 m³ errichtet werde und es durch die Ferkelaufzucht zu einem deutlich höheren Gülleanfall, einem deutlich höheren Anlagenverkehr, einer deutlichen Erhöhung von Ammoniakemissionen sowie einer Belastung mit gesundheitsschädlichen Bioaerosolen komme.
- 25
Bei der Frage, ob das Gebot der Rücksichtnahme verletzt werde, habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass sie, die Klägerin, nicht in eine bereits bestehende Vorbelastung „hineingebaut“ habe, das Gebäude vielmehr bereits 1910 errichtet worden sei. Damit sei die Tierhaltung an ihr Wohngebäude herangerückt und nicht umgekehrt.
- 26
Von der geplanten Anlage gingen unzumutbare Geruchsbelästigungen aus. Der technische Wirkungsgrad des nunmehr zum Einsatz kommenden Chemowäschers, mit dem primär Ammoniak ausgewaschen werde, reiche angesichts der erheblichen Unterschreitung des nach der TA Luft erforderlichen Mindestabstandes zur Wohnbebauung nicht aus. Aufgrund der Überschreitung des Bagatellmassenstroms für (einatembaren) Staub nach Nr. 4.6.1.1 der TA Luft hätte auch insoweit eine Immissionsprognose erfolgen müssen. Nach dem im Genehmigungsverfahren vorgelegten Prüfbericht vom 21.11.2006 und der gutachterlichen Stellungnahme vom 28.11.2006 ergebe sich, dass der bestimmungsgemäße Betrieb der Tierhaltungsanlage mit Geruchs-, Ammoniak- und Staubimmissionen verbunden sei. Aufgrund des Abstands der Anlage zur Wohnbebauung von deutlich unter 100 m sei der Standort nicht geeignet. Es sei kein Nachweis dafür erbracht, dass ausreichende Emissionsminderungsmaßnahmen angesetzt werden, die die Einhaltung der Geruchsschwellenwerte nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) sicherstellen. Der Beklagte habe auch keine eigenen Erfahrungen mit dem zum Einsatz kommenden Chemowäscher. Obwohl weder das beauftragte Gutachterbüro noch der Beklagte Messungen vorgenommen hätten, werde letztlich eine fiktive Reduzierung des Geruchsstoffstroms bei der Immissionsprognose zugelassen. Als geeignet könnten nur Abluftreinigungsanlagen (z.B. Biofilter) in Betracht kommen, die bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Die hier beigefügten Nebenbestimmungen verlangten etwa nicht die erforderliche Staubminderung um 70%. Ein Chemowäscher leiste nur eine geringe Geruchsminderung, so dass ein Grenzwert von 300 GE/m³ im Reingas nicht einzuhalten sei. Selbst unter Berücksichtigung dieser fiktiven Rechengröße komme die Ausbreitungsrechnung noch zu einer Zusatzbelastung an der am höchsten belasteten Wohnbebauung (G-Straße 1) von 9 % sowie von 7 bis 8 % an den Wohnhäusern Chaussee 60 bis 63 und erreiche damit nahezu den Grenzwert für die nach Nr. 3.1 der GIRL für Wohn- und Mischgebiete einzuhaltenden Immissionen von 10 % der Jahresstunden. Maßgeblich sei jedoch die Gesamtbelastung. Es sei auch unzulässig, in einer landwirtschaftlich geprägten Gegend auf eine Vorbelastungsmessung zu verzichten. Vielmehr hätte die vorhandene Vorbelastung durch Rasterbegehungen ermittelt werden müssen. Auch die Anforderungen der Nr. 5.4.7.1 der TA Luft an die Güllelagerung seien im Genehmigungsbescheid unzureichend. Allein aufgrund des Durchmessers von 24,60 m genügten eine Festabdeckung, ein Zeltdach oder eine Folienabdeckung nicht; vielmehr müsse eine vollständige Einhausung erfolgen.
- 27
Für die Ermittlung der Immissionen könnten zudem nicht die Daten der Station Magdeburg des Deutschen Wetterdienstes herangezogen werden, ohne eine qualifizierte Prüfung der Übertragbarkeit der Daten auf den Anlagenstandort (QPR) vorzunehmen. Unter Berücksichtigung der räumlichen Präsenz etwaiger Bezugswindstationen sei die Station Wernigerode diejenige, die bei den Kriterien Windrichtungsverteilung, mittlere Windgeschwindigkeit und Häufigkeit der Schwachwinde die beste Übereinstimmung mit den am Anlagenstandort erwarteten Werten aufweise. Die Ausbreitungsklassenstatistik der Station Magdeburg sei nicht ausreichend repräsentativ, da sie einen ungewöhnlich niedrigen Anteil Ostwinde aufweise.
- 28
Völlig unzureichend seien auch die Erwägungen des Verwaltungsgerichts bezüglich der Fahnenüberhöhung, der Gruppierung der Abluft, der Abluftgeschwindigkeit, möglicher verfälschender Angaben zur Wärmeenergie hinsichtlich der Quellgeometrie und der Rauhigkeit des Geländes.
- 29
Ferner seien fehlerhaft die Gesundheitsgefahren durch Bioaerosole nicht beachtet worden, die bei Tierhaltungsanlagen stets aufträten. Bei einer vorläufigen Einstufung nach § 3 BioStoffV lägen die Risiken der biologischen Arbeitsstoffe aus der Intensivtierhaltung im Bereich der Risikogruppe 3. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen 2004 komme zu dem Ergebnis, dass sich signifikante Erhöhungen an ernsthaften Erkrankungen insbesondere der Atemwege, der Haut- und Augenschleimhäute sowie allergieauslösende Wirkungen feststellen ließen. Die Anteile der inhalierbaren und alveolengängigen Mikroorganismen und Endotoxine seien bei der Schweinehaltung um ein Vielfaches höher als bei der Rinderhaltung. Aufgrund des sehr geringen Abstandes der Anlage zur nächstgelegenen Wohnbebauung bestehe ein hohes Übertragungsrisiko.
- 30
Es seien schließlich unzumutbare Lärmimmissionen zu erwarten. Die maßgebenden Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB (A) tags und 40 dB (A) nachts könnten mit der genehmigten Anlagentechnik nicht eingehalten werden. Es reiche nicht aus, den Schalldruckpegel der Lüfter nach den Herstellerangaben zugrunde zu legen. Im Produktionsprozess seien weitere wiederkehrend auftretende Geräusche wie die der Tiere, der Ventilatoren der Stalllüftung, der Hochdruckreiniger bei der Stallreinigung sowie der Liefer- und Transportfahrzeuge, insbesondere auch bei Nacht- und Leerfahrten, zu berücksichtigen.
- 31
Die im Berufungsverfahren eingeholten Geruchs- und Lärmgutachten seien aufgrund verschiedener Mängel nicht verwertbar.
- 32
Die Klägerin beantragt,
- 33
das angefochtene Urteil zu ändern und den der (...) GbR (...) A-Stadt erteilten Genehmigungsbescheid vom 20.12.2007 aufzuheben.
- 34
Der Beklagte beantragt,
- 35
die Berufung zurückzuweisen.
- 36
Er trägt u.a. vor: Der Umfang der Genehmigung sei durch den in der Nebenbestimmung Nr. 1.2 enthaltenen Bezug auf die Antragsunterlagen klar. In der Genehmigung werde nicht durch Festlegung von Grenzwerten auf effektiven Immissionsschutz verzichtet. Das Wohngebäude G-Straße 1 sowie die einzeln stehenden Doppelhäuser Chaussee 60/61 und 62/63 hätten den Schutzanspruch eines Mischgebiets, so dass dort 10 % der Jahresstunden in Bezug auf Gerüche und 60 dB (A) tags und 45 dB (A) nachts in Bezug auf Lärm zumutbar seien. Einen Verfahrensablauf für die Behandlung verendeter Tiere habe er nicht festlegen müssen. Die Kadaverlagerung werde in den Antragsunterlagen in Kapitel 2.2 ausführlich beschrieben. Der Verfahrensweg entspreche dem Tierkörperbeseitigungsgesetz. Sofern die Beigeladene mit der Lagerung der Tiere im Freien hiergegen verstoße, habe dies die zuständige Überwachungsbehörde zu ahnden.
- 37
Die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach § 4 BImSchG sei nicht erforderlich gewesen, da der Charakter der Anlage nicht geändert worden sei. Die geplante Aufzucht von Ferkeln in der nicht realisierten Putenmastanlage sei nicht Gegenstand des vorliegenden Genehmigungsverfahrens.
- 38
Der Verzicht auf eine UVP sei nicht „verspätet“ bekanntgegeben worden. Der Begriff „unverzüglich“ beziehe sich auf die Feststellung, ob eine UVP durchzuführen sei, und nicht auf die Bekanntgabe der Entscheidung. Für das Vorhaben sei eine ausführliche fachtechnische standortbezogene Vorprüfung durchgeführt worden. Eine erhebliche negative Beeinträchtigung auf die betroffenen Schutzgüter sei nicht zu erwarten; denn die Anlage liege innerhalb intensiv genutzter Agrarflächen, ohne besonders sensible Gebiete unmittelbar zu berühren.
- 39
Die Anlage sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert. Für „Landwirtschaft“ im Sinne des § 201 BauGB genüge es, wenn das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden könne, d.h. von Eignung und Volumen her ein Erzeugnis von Futter auf diesen Flächen geben müsse. Unerheblich sei, ob die Feldfrüchte, die auf den zum Betrieb gehörenden Flächen erzeugt werden, tatsächlich der eigenen Futterverwertung dienten. Der Standort liege auch nicht im Innenbereich. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, könne ein nachbarliches Abwehrrecht nur bei einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme Erfolg haben. Dies sei aber nicht der Fall. Die Klägerin müsse sich eine Vorbelastung anrechnen lassen, weil im Zeitpunkt, in dem sie das Grundstück erworben habe, bereits in zwei Ställen Rinderhaltung betrieben worden sei. Bei einer Außenbereichsanlage des Vorhabengrundstücks und des Grundstücks der Klägerin müsse die Klägerin die Auswirkungen des Betriebs wie Bewohner eines Dorfgebiets hinnehmen. Selbst wenn das Grundstück der Klägerin sich im Innenbereich befinden sollte, würde sich die Schutzwürdigkeit im Umfang der Vorbelastung reduzieren. Ein allgemeines Wohngebiet liege westlich der G-Straße im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Am D-Platz“. Im Übrigen sei nicht von einem faktischen Mischgebiet sondern wegen des Nebeneinander von Wohnbebauung und emittierenden Anlagen von einer Gemengelage auszugehen.
- 40
Der für die Abgasreinigung zum Einsatz kommende Chemowäscher sei für die Emissionsminderung von Staub, Ammoniak und Geruch aus dem Abluftstrom einstreuloser Schweinehaltungen von 20.000 bis 150.000 m³ Abluft geeignet. Es habe nachgewiesen werden können, dass sich im System bei ordnungsgemäßem Betrieb Biologie ansiedele und ein Abbau von Geruchsstoffen stattfinde. In Bezug auf Gerüche sei im Rahmen der Zertifizierung an acht Messtagen festgestellt worden, dass bei Emissionsminderungsgraden zwischen 69 und 82 % der Grenzwert von 300 GE/m³ jeweils eingehalten und der Rohgasgehalt im Reingas nicht mehr wahrzunehmen sei. Nach Prüfung durch das Landesamt für Umweltschutz habe kein Grund bestanden, die DLG-Eignungsprüfung anzuzweifeln. Eine geforderte Nachweismessung habe am 20.10.2010 stattgefunden. Danach seien bei den drei Proben im Mittel 110 GE/m³ gemessen worden, und keiner der fünf Prüfer habe Rohgasgeruch feststellen können.
- 41
Aufgrund der deutlichen Abstandsunterschreitung bestehe bereits aus Vorsorgegründen die Notwendigkeit, den Stand der Technik bei der Güllelagerung vollständig auszuschöpfen. Dem entsprechend sei die Nebenbestimmung aufgenommen worden, dass die Güllebehälter sowie die Sammelgrube mit einer Festabdeckung, einem Zeltdach oder einer emissionsdichten Folienabdeckung zu versehen sei und der Geruchsminderungsgrad bezogen auf offene Lage ohne Abdeckung mindestens 90 % zu betragen habe, was sogar über die Forderung in Nr. 5.4.7.1 Buchstabe h) der TA Luft hinausgehe.
- 42
In Bezug auf Staubemissionen stelle die Forderung einer Abluftröhre von mindestens drei Metern über First an allen drei Ställen eine über den Stand der Technik hinausgehende Vorsorgemaßnahme zur Kompensation fehlender Abstände dar. Durch diese Maßnahme werde ein „Herunterziehen“ der Abluft wirksam verhindert. Aufgrund der deutlichen Unterschreitung des Bagatellmassenstroms nach Nr. 4.6.1.1 der TA Luft von 1 kg/h sei insoweit eine Immissionsprognose nicht erforderlich gewesen.
- 43
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
- 44
die Berufung zurückzuweisen.
- 45
Sie schließt sich den Ausführungen des Beklagten an und trägt ergänzend vor:
- 46
Die von der Klägerin angeführten Nebenbestimmungen stellten eine Inhaltsbestimmung dar. Sie gestatteten nicht den Betrieb einer Tierhaltungsanlage schlechthin, sondern nur eine Tierhaltungsanlage, die bestimmte Immissionsgrenzwerte nicht überschreite.
- 47
Die Klägerin lege nicht dar, dass durch die von ihr behauptete Verfehlung des Brandschutzes eigene Rechte berührt werden. Ebenso wenig könne sie sich darauf berufen, dass eine Genehmigung in einem „falschen“ Verfahren erteilt worden sei. Im immissionsschutzrechtlichen Verfahren bestehe kein „in das Verfahren hinein vorgezogener Grundrechtsschutz“. Das Verfahren für die Erteilung einer Änderungsgenehmigung unterscheide sich nicht grundsätzlich von demjenigen für die Genehmigung einer Neuanlage. Im Übrigen sei das Verfahren zutreffend als Änderungsgenehmigungsverfahren durchgeführt worden.
- 48
Das Vorhaben sei im Außenbereich privilegiert zulässig. Neben der Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sei auch § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB einschlägig. Anlagen zur Massentierhaltung könnten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach dieser Vorschrift zulässig sein. Es liege auf der Hand, dass eine gemischte Schweinezucht-, Rinderhaltungs- und Schweinemastanlage wegen ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden solle.
- 49
Die Anforderungen der für die Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG heranzuziehenden GIRL seien erfüllt. Da die Ortslage A-Stadt als faktisches Dorfgebiet neben einem seit Jahren zur Tierhaltung genutzten Außenbereich anzusehen sei, gelte der Immissionswert von 15 % der Jahresstunden. Diese Werte würden eingehalten. Im Übrigen belege auch die von ihr in Auftrag gegebene Immissionsprognose der IfU GmbH vom 29.10.2012, dass die für Wohn- und Mischgebiete geltenden Immissionswerte eingehalten würden. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärmimmissionen.
- 50
Der Senat hat zur Frage, welchen Geruchs- und Lärmimmissionen das Grundstück der Klägerin durch die streitige Tierhaltungsanlage der Beigeladenen ausgesetzt wird, zwei Sachverständigengutachten eingeholt.
- 51
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 52
I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
- 53
1. Die Klage ist zwar zulässig. Insbesondere ist die Klägerin nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann geltend machen, durch die angefochtene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Für die Bejahung der Klagebefugnis genügt es, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen möglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.01.1993 – BVerwG 4 B 206.92 –, NVwZ 1993, 884 [885], RdNr. 8 in juris). Daran fehlt es nur, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (BVerwG, Urt. v. 07.05.1996 – BVerwG 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 [159], RdNr. 22 in juris). Es ist indessen nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin als Grundstücksnachbarin durch die angegriffene Genehmigung in subjektiven Rechten verletzt wird, weil auch ihrem Schutz dienende Vorschriften, insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG oder das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und § 34 Abs. 1 BauGB verankerte nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt werden.
- 54
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung verstößt nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind.
- 55
Dabei ist für die Entscheidung über die Anfechtungsklage grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend (BVerwG, Beschl. v. 11.01.1991 – BVerwG 7 B 102.90 –, BayVBl 1991, 375, RdNr. 3 in juris). Nachträgliche Änderungen zu Gunsten des Bauherrn sind allerdings zu berücksichtigten. Dem liegt im Baurecht die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (BVerwG, Beschl. v. 23.04.1998 – BVerwG 4 B 40.98 –, NVwZ 1998, 1179, RdNr. 3 in juris). Diese Grundsätze lassen sich auch auf das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren übertragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.05.1982 – BVerwG 7 C 42.80 –, BVerwGE 65, 313 [316], RdNr. 14 in juris; Urt. v. 11.12.2008 – BVerwG 7 C 6.08 –, BVerwGE 132, 372 [379 f.], RdNr. 25 in juris, zur Anfechtungsklage gegen einen Widerspruchsbescheid, mit dem eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung auf den Widerspruch eines Dritten aufgehoben wurde; HessVGH, Beschl. v. 27.09.2004 – 2 TG 1630/04 –, ESVGH 55, 82 [85 f.], RdNr. 19 in juris; a.A. allerdings VGH BW, Urt. v. 14.05.2012 – 10 S 2693/09 –, DVBl 2012, 1181 [1185], RdNr. 62 in juris).
- 56
2.1. Die angefochtene Genehmigung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
- 57
2.1.1. Die Klägerin kann die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung insbesondere nicht deshalb beanspruchen, weil nach ihrer Auffassung keine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG, sondern die Neuerteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 BImSchG erforderlich war. Dabei kann der Senat die Frage offen lassen, ob und unter welchen Voraussetzungen im Fall der Durchführung eines Änderungsgenehmigungsverfahrens nach § 16 BImSchG anstelle eines Verfahrens nach § 4 BImSchG eine Rechtsverletzung eines Nachbarn in Betracht kommt (vgl. dazu VGH BW, Beschl. v. 11.12.2014 – 10 S 473/14 –, juris, RdNr. 12, m.w.N.). Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit der in Rede stehenden Umrüstung der Tierhaltungsanlage der Beigeladenen (nur) eine wesentliche Änderung einer bereits errichteten immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage und keine Neuerrichtung erfolgt.
- 58
Eine wesentliche Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage liegt nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vor, wenn deren Lage, Beschaffenheit oder Betrieb geändert oder erweitert werden und dadurch für die Prüfung der Erfüllung der Betreiberpflichten erhebliche nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können. Demgegenüber ist von einer Neuerrichtung auszugehen, wenn das Vorhaben nicht auf die genehmigte Anlage bezogen ist, sondern sich als Errichtung einer weiteren Anlage darstellt; maßgeblich für die Abgrenzung ist der Anlagenbegriff des § 1 Abs. 2 und 3 der 4. BImSchV (BVerwG, Beschl. v. 09.04.2008 – BVerwG 7 B 2.08 –, NVwZ 2008, 789, RdNr. 3 in juris, m.w.N.). Nach § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV erstreckt sich das Genehmigungserfordernis auf alle betriebsnotwendigen Anlagenteile und Verfahrensschritte, die in einem räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang stehen, sowie auf eine Mehrheit von Anlagen derselben Art, die dadurch in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen, dass sie auf demselben Betriebsgelände liegen, mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden sind und einem vergleichbaren technischen Zweck dienen. Gemäß § 1 Absatz 3 Satz 2 der 4. BImSchV ist ein enger räumlicher und betrieblicher Zusammenhang gegeben, wenn die Anlagen (1.) auf demselben Betriebsgelände liegen, (2.) mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden sind und (3.) einem vergleichbaren technischen Zweck dienen. Eine Neuerrichtung liegt auch vor, wenn durch die Änderung der Charakter der (Gesamt-)Anlage verändert wird, wenn also die Änderungen derart prägend sind, dass die gesamte Anlage als eine neue Anlage qualifiziert werden muss (Jarras, BImSchG, 10. Aufl., § 16 RdNr. 6a, m.w.N.). Erweiterungen sind grundsätzlich dann als wesentliche Änderung und nicht als Neuerrichtung einzustufen, wenn es sich um gleichartige Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV handelt (Jarras, a.a.O., m.w.N.). Gleiches gilt für Änderungen innerhalb der vorhandenen Anlage. Als in diesem Sinne gleichartig sind in der Regel solche Anlagen einzustufen, die unter die gleiche Nummer des Anhangs zur 4. BImSchV (in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung) fallen, wobei es auf unterschiedliche Buchstaben nicht ankommt (vgl. Jarras, a.a.O., § 4 RdNr. 28, m.w.N.), und die Kapazität der Anlage nicht in einer solchen Größenordnung erhöht wird, dass sich dadurch ihr Charakter ändert (vgl. Jarras, a.a.O., § 16 RdNr. 6a, m.w.N.).
- 59
Gemessen daran ist hier (nur) von einer wesentlichen Änderung und nicht von einer Neuerrichtung einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage auszugehen. Die streitige Umrüstung der Anlage stellt sich insbesondere nicht als Errichtung einer weiteren Anlage dar. Der bestehende enge räumliche und betriebliche Zusammenhang der einzelnen Betriebseinrichtungen wird nicht oder allenfalls unwesentlich verändert. Auch der Charakter der Gesamtanlage der Beigeladenen, die bisher als Rinderhaltungsanlage mit insgesamt 500 Tierplätzen betrieben wurde, wird durch die nunmehr vorgenommene Haltung eines gemischten Tierbestandes mit 20 Rinderplätzen, 708 Sauenplätzen einschließlich Ferkelplätzen und 32 Mastschweineplätzen nicht verändert. Beide Anlagentypen fallen jeweils unter die Nummer 7.1 des Anhangs zur 4. BImSchV in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 23.10.2007 (Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Geflügel oder Pelztieren oder zum Halten oder zur getrennten Aufzucht von Rindern oder Schweinen). Auch die Kapazität der Anlage wurde nicht in einem Umfang erweitert, dass sich dadurch ihr Charakter verändert hätte. Die räumliche Ausdehnung der Anlage ist im Wesentlichen gleich geblieben. Die Zahl von 420 Plätzen für Milchkühe (Rinder) und 80 Plätzen für Jungrinder also insgesamt 500 Tierplätzen wurde nur auf 760 Plätze für Rinder, Sauen und Mastschweine erhöht; die Zahl der dazugehörenden Ferkelplätze hat dabei – wie in Nr. 7.1 Buchstabe h) des Anhangs der 4. BImSchV – unberücksichtigt zu bleiben. Stellt man auf die Zahl der Großvieheinheiten (einschließlich Aufzuchtferkel) ab, ergibt sich mit 338,14 Großvieheinheiten (vgl. S. 6 des vom Gericht eingeholten Geruchsgutachtens) beim streitigen Vorhaben gegenüber der bisher betriebenen Rinderhaltung mit 420 Milchkühen (= 504 Großvieheinheiten) und 80 Jungrindern (je nach Alter und Geschlecht 24 bis 56 Großvieheinheiten) sogar eine Reduzierung.
- 60
Nicht stichhaltig ist der Einwand der Klägerin, der Umbau der Stallanlagen stelle lediglich einen „Zwischenschritt“ dar, weil die Beigeladene im Bereich des früher für die Putenmast vorgesehenen Grundstücks die Errichtung von weiteren Ferkelställen plane. Denn es ist allein auf den Inhalt der angefochtenen Genehmigung abzustellen.
- 61
2.1.2. Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, der Tenor der angefochtenen Genehmigung sei unvollständig, weil zwar die Umrüstung in eine gemischte Anlage genehmigt worden sei, nicht aber der Betrieb der umgerüsteten Anlage. Gleiches gilt für ihre Rüge, es sei unklar, ob verschiedene Anlagenteile und ggf. in welchem Umfang und welche Verfahrensschritte und Nebeneinrichtungen genehmigt seien.
- 62
Der Inhalt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bestimmt sich – ebenso wie der Inhalt einer Baugenehmigung – aus dem schriftlichen Teil der Genehmigung sowie dem Genehmigungsantrag und den dazu eingereichten Unterlagen (Beschl. d. Senats v. 26.06.2013 – 2 M 60/12 –, juris, RdNr. 12; vgl. auch OVG NW, Beschl. v. 07.09.2010 – 10 B 846/10 –, juris, RdNr. 3; BayVGH, Beschl. v. 11.09.2008 – 14 ZB 07.1628 –, juris). Dem entsprechend werden in Abschnitt II des Genehmigungsbescheides die in Anlage 1 genannten Unterlagen und Pläne, die u.a. den Betrieb der Anlage darstellen, zum Bestandteil der Genehmigung erklärt. Dazu gehören insbesondere auch die Angaben zur Anlage und zum Anlagenbetrieb (lfd. Nr. 2 der Anlage 1). Dem entsprechend trifft die Annahme der Klägerin nicht zu, dass die Beigeladene zu einem den Antragsunterlagen entsprechenden Betrieb der Anlage nur aufgrund der – aus ihrer Sicht von der Beigeladenen selbständig anfechtbaren – Nebenbestimmung Nr. 1.2 des Genehmigungsbescheides verpflichtet sei.
- 63
Es besteht entgegen der Ansicht der Klägerin auch keine Diskrepanz zwischen den Angaben im Bescheidtenor in Bezug auf die Zahl der genehmigten Tierplätze. Nicht nur nach dem Genehmigungsbescheid sondern auch nach dem Genehmigungsantrag (Formular 1 – Blatt 1/3) umfasst die Kapazität der Anlage nach der Änderung 20 Rinderplätze, 708 Sauenplätze einschließlich Ferkelplätzen und 32 Mastschweineplätze. Diese Angaben betreffen die für die Genehmigung nach Nr. 7.1 des Anhangs zur 4. BImSchV relevanten Platzahlen. Im Antragsformular 2.2 (Anlagen- und Betriebsbeschreibung) werden die den einzelnen Ställen zugeordneten Plätze für sämtliche in der Anlage untergebrachten Tiere – unabhängig von ihrer immissionsschutzrechtlichen Relevanz – im Einzelnen aufgeführt. Danach werden im Stall 1 42 Gruppenbuchten für je 12 Sauen (= 504 Sauenplätze) sowie 6 Eberbuchten und 6 Krankenbuchten eingerichtet. Im Stall 2 werden im Abferkelbereich 176 Abferkelplätze, im Ferkelbereich 240 Ferkelplätze sowie im Deckzentrum 28 Kastenstände für 28 Sauen und 32 Plätze für Jungsauen untergebracht. Im Stall 3 werden 18 Abteile mit je 108 Ferkelplätzen in je 8 Buchten sowie 4 Abteile mit 108 Ferkelplätzen in je 4 Buchten eingerichtet. Dies ergibt eine Gesamtzahl von 708 Plätzen für Sauen zuzüglich der dazugehörenden Ferkelplätze sowie weitere 32 Plätze für (Mast-)Schweine. Die sechs Plätze für die Eber und für die Ferkel sind hinsichtlich der in Nr. 7.1 des Anhangs der 4. BImSchV genannten Platzzahlen ohne Belang.
- 64
2.1.3. Unschädlich ist ferner, dass in der Genehmigung nicht dargestellt ist, welche anderen behördlichen Entscheidungen von der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aufgrund der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG eingeschlossen sind. Die Konzentrationswirkung besteht bereits kraft Gesetzes. Die eingeschlossenen Entscheidungen werden im verfügenden Teil der Genehmigung nicht gesondert ausgewiesen (vgl. Jarras, a.a.O., § 13 RdNr. 21, m.w.N.). Auf die Reichweite der Konzentrationswirkung hat der Beklagte im Abschnitt V des Genehmigungsbescheides hingewiesen.
- 65
2.1.4. Es findet auch keine unzulässige Verlagerung des Immissionsschutzes in die Nebenbestimmungen Nr. 3.1.12 und 3.2.3 statt, in denen geregelt wird, dass die (wesentlich geänderte) Anlage so zu betreiben ist, dass die Kenngröße für die Zusatzbelastung (IZ) auf den repräsentativen Beurteilungsflächen (Wohnhäuser Am Bahnhof/Ecke G-Straße und G-Straße) = 9 % beträgt, und bezüglich des Lärmschutzes für die Zusatzbelastung der Anlage bestimmte Immissionsrichtwerte an den Immissionsorten „Am Bahnhof 18/19“ und „G-Straße 1“ festgelegt werden. Unabhängig davon, dass das Grundstück der Klägerin von diesen Nebenbestimmungen nicht erfasst wird, könnten solche Nebenbestimmungen nur dann unzureichend für den Nachbarschutz sein, wenn sich diese Werte bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Anlage nicht erreichen ließen.
- 66
Es ist Zweck der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die Erfüllung aller im Verfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen möglichst umfassend sicherzustellen, so dass eine zu weit gehende Ausklammerung von Genehmigungsvoraussetzungen und ihr „Abschieben" in eine Nebenbestimmung nicht zulässig sein dürfte (vgl. zur Baugenehmigung: Beschl. d. Senats v. 17.06.2005 – 2 L 264/02 –, JMBl LSA 2006, 113, RdNr. 4 in juris, m.w.N.). Eine Genehmigung, die bei problematischen Immissionsverhältnissen nur schematisch die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte aufgibt, stellt nicht wirklich sicher, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Bauvorhaben erfüllt werden; solche Auflagen dürfen den Nachbarn nicht in unzumutbarer Weise mit dem gesamten Risiko belasten, dass der Bauherr die Auflage auch einhält, ohne dass es zu einer echten nachbarlichen Konfliktschlichtung kommt. Überschreiten die bei der Nutzung einer Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, dann genügt es nicht, in der Genehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen; vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Genehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass jede Genehmigung auch dann detaillierte Inhalts- und Nebenbestimmungen zur Betriebsweise und zur Emissionsbegrenzung enthalten muss, wenn sich nachhaltige Interessenskonflikte nicht abzeichnen; Voraussetzung ist vielmehr, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit spürbare Immissionen auftreten werden, die zumindest in die Nähe der maßgeblichen Grenz- oder Richtwerte reichen (vgl. zum Ganzen: Urt. d. Senats v. 12.07.2007 – 2 L 176/02 –, juris, RdNr. 65, m.w.N.).
- 67
Gemessen daran findet hier keine unzulässige Verlagerung des Immissionsschutzes in Nebenbestimmungen statt. Die Anlage der Beigeladenen hält – wie noch auszuführen sein wird – bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die maßgeblichen Immissionsrichtwerte der GIRL und der TA Lärm jedenfalls im Verhältnis zur Klägerin ein. Auch hat der Beklagte in Bezug auf Gerüche nicht nur die Einhaltung einer höchst zulässigen Wahrnehmungshäufigkeit festgelegt, sondern in weiteren Nebenbestimmungen konkrete Maßnahmen gefordert, insbesondere die Abluftfahnenüberhöhung durch den Bau von Abluftkaminen mit einem Abluftaustritt von = 10,8 m über Grund und einer Austrittsgeschwindigkeit der Abluft von mindesten 7 m/s (vgl. die Nebenbestimmungen Nr. 3.1.1. und 3.1.4).
- 68
2.1.5. Zu Unrecht rügt die Klägerin weiter, es werde kein ausreichender Verfahrensablauf vorgegeben, wie verendete Schweine oder Rinder in Container zu verbringen seien. In der Anlagenbeschreibung (Nr. 2.2.8, S. 21 f.), die Inhalt des Genehmigungsbescheides ist, wird die Beseitigung der Tierkadaver beschrieben. Danach erfolgen die Sammlung der Tierkadaver in Kunststofftonnen in den einzelnen Stallabteilen, die Lagerung der Kadaver in einem gekühlten Raum (ca. 5°C) bei wöchentlicher Abholung und die Kadaverübernahme durch das TKBA-Fahrzeug von außerhalb des Anlagenzaunes im Bereich der Zufahrt 2. Soweit die Beigeladene dagegen verstoßen, insbesondere Tierkadaver unter freiem Himmel lagern sollte, wie es nach der Darstellung der Klägerin beim früheren Betreiber der Anlage der Fall war, obliegt es der zuständigen Immissionsschutzbehörde dagegen einzuschreiten.
- 69
2.1.6. Die Klägerin hat keinen Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG).
- 70
Maßgebend ist insoweit die am 15.12.2006 in Kraft getretene und bis zum 28.01.2013 gültige Fassung des UmwRG vom 07.12.2006 (BGBl I S. 2816) – UmwRG 2006. Denn gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG in der Fassung der Bekanntmachung vom 04.04.2013 (BGBl I S. 753) sind (nur) Entscheidungsverfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, Genehmigungsverfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG oder Rechtsbehelfsverfahren nach § 2 UmwRG, die am 12.05.2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29.01.2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind, nach den Vorschriften dieses Gesetzes in der ab dem 29.01.2013 geltenden Fassung zu Ende zu führen.
- 71
2.1.6.1. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (Nr. 1) oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist (Nr. 2). § 4 Abs. 1 UmwRG gilt gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO, mithin auch für natürliche Personen wie die Klägerin. Satz 1 Nr. 1 gilt auch, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a UVPG genügt. Dies ist nunmehr in § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG, der durch Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des UmwRG und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21.01.2013 (BGBl I S. 95) eingefügt worden und am 29.01.2013 in Kraft getreten ist, ausdrücklich geregelt. Unabhängig davon, ob diese Vorschrift lediglich klarstellende Funktion hat, weil das „Unterbleiben“ einer UVP auch auf der fehlerhaften Anwendung von Vorschriften beruhen kann, die das Bestehen einer UVP-Pflicht regeln (so die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 17/10957, S. 17), oder ob aufgrund des klaren Wortlauts des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG und dem im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung von Art. 10a der Richtlinie 85/837/EWG (UVP-Richtlinie) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26.05.2003 geänderten Fassung zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers eine solche Auslegung nicht möglich war (so noch BVerwG, Vorlagebeschl. v. 10.01.2012 – BVerwG 7 C 20.11 –, NVwZ 2012, 448 [450], RdNr. 31) ist davon auszugehen, dass auch vor Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG eine Vorprüfung, die nicht den Vorgaben des § 3a UVPG entsprach, einen Mangel darstellte, der einen Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG zur Folge hat. Nach dem auf den Vorlagebeschluss des BVerwG (a.a.O.) ergangenen Urteil des EuGH vom 07.11.2013 (C-72/12 – NVwZ 2014, 49) ist Art. 10a der Richtlinie 85/837/EWG dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten daran hindert, die Anwendbarkeit der zur Umsetzung dieses Artikels ergangenen Vorschriften auf den Fall zu beschränken, dass die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung aufgrund des Unterbleibens einer Umweltverträglichkeitsprüfung angefochten wird, und nicht auf den Fall zu erstrecken, dass eine solche Prüfung zwar durchgeführt wurde, aber fehlerhaft war. Soweit der Gesetzgeber dies nicht bereits durch das UmwRG in der ursprünglichen Fassung vom 07.12.2006, insbesondere in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG umgesetzt haben sollte, ergäbe sich ein Aufhebungsanspruch aufgrund des Ablaufs der Umsetzungsfrist bis zum 25.06.2005 unmittelbar aus Art. 10a der Richtlinie 85/837/EWG (UVP-Richtlinie) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26.05.2003 geänderten Fassung.
- 72
2.1.6.2. Für das Vorhaben der Beigeladenen bestand gemäß § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 7.8.3 und Nr. 7.11. der Anlage 1 zum UVPG in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 23.10.2007 (BGBl I S. 2470) nur eine standortbezogene Vorprüfungspflicht und nicht – wie die Klägerin meint – eine allgemeine Vorprüfungspflicht. Nach Nr. 7.8.3 der Anlage 1 ist bei Anlagen zur Errichtung und zum Betrieb zur Intensivtierhaltung oder -aufzucht von Sauen einschließlich dazugehöriger Ferkel (Ferkel bis weniger als 30 kg Lebendgewicht) mit 560 bis weniger als 750 Plätzen eine standortbezogene Vorprüfung durchzuführen. Die Anlage liegt mit 708 Sauenplätzen innerhalb dieses Rahmens. Sie erreicht hingegen nicht den in Nr. 7.8.2 der Anlage 1 genannten Rahmen von 750 bis weniger als 900 Sauenplätze, ab der eine allgemeine Vorprüfung durchzuführen gewesen wäre. Die vorgesehene Tierhaltung erreicht die für eine standortbezogene Vorprüfung maßgebenden Schwellen von 1.500 Plätzen für Mastschweine (Nr. 7.7.3) und von 600 Plätzen für Rinder (Nr. 7.5.2) nicht. Die Anlage unterliegt auch nicht nach Nr. 7.11.2 der Anlage 1 zum UVPG einer allgemeinen Vorprüfungspflicht. Nach dieser Bestimmung ist eine allgemeine Vorprüfung durchzuführen, wenn die jeweils unter den Nummern 7.1.2, 7.2.2, 7.3.2, 7.4.2, 7.5.1, 7.6.1, 7.7.2, 7.8.2, 7.9.2 und 7.10.1 genannten Platzzahlen nicht erreicht werden, die Summe der Vom-Hundert-Anteile, bis zu denen die Platzzahlen ausgeschöpft werden, aber den Wert von 100 erreicht oder überschreitet. Dies ist hier nicht der Fall. Die Vom-Hundert-Anteile, bis zu denen die Plätze in der streitigen Anlage ausgeschöpft werden, betragen bei der Sauenhaltung 94,4 v.H. (708 Plätze : 750 Plätze nach Nr. 7.8.2), bei der Mastschweinehaltung 1,6 v.H. (32 Plätze : 2.000 Plätze nach Nr. 7.7.2) und bei der Rinderhaltung 2,5 v.H. (20 Plätze : 800 Plätze nach Nr. 7.5.1), insgesamt also 98,5 v.H.
- 73
2.1.6.3. Der Beklagte hat eine danach erforderliche standortbezogene Vorprüfung vorgenommen, die nicht zu beanstanden ist.
- 74
a) Die Vorprüfung lässt insbesondere in formeller Hinsicht keinen Fehler erkennen, der zu Aufhebung der Genehmigung führen könnte.
- 75
Nach § 3a Satz 1 UVPG stellt die zuständige Behörde auf Antrag des Trägers eines Vorhabens oder anlässlich eines Ersuchens nach § 5, andernfalls nach Beginn des Verfahrens, das der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens dient, auf der Grundlage geeigneter Angaben zum Vorhaben sowie eigener Informationen unverzüglich fest, ob nach den §§ 3b bis 3f für das Vorhaben eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Eine solche Feststellung hat der Beklagte getroffen; er ist auch der Pflicht nach § 3c Abs. 1 Satz 6 UVPG nachgekommen, die Durchführung und das Ergebnis der Vorprüfung zu dokumentieren (vgl. Bl. 337 ff. der Beiakte B).
- 76
Gemäß § 3a Satz 2 UVPG ist diese Feststellung, sofern eine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG vorgenommen worden ist, der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen; soll eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben, ist dies bekannt zu geben. Der Beklagte hat zwar erst in seinem Amtsblatt vom 15.02.2008 (S. 43 f. [Bl. 380 f. der Beiakte B]) und damit erst nach Genehmigungserteilung seine Feststellung bekannt gegeben, dass durch das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen zu befürchten seien, so dass im Rahmen des Genehmigungsverfahrens keine UVP erforderlich sei. Die Bekanntgabe nach § 3a Satz 2 Halbsatz 2 UVPG dürfte indessen unverzüglich nach der Feststellung zu erfolgen haben (Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3a UVPG RdNr. 18; Hoppe, UVPG, 4. Aufl., § 3a RdNr. 24). Wird die Feststellung, dass nach dem Ergebnis der Vorprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleibt, entgegen § 3a Satz 2 UVPG nicht bekannt gegeben, führt dies aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungsentscheidung (BVerwG, Urt. v. 20.08.2008 – BVerwG 4 C 11.07 –, BVerwGE 131, 352 [368], RdNr. 39 f.). Weder der UVP-Richtlinie noch dem UVPG ist zu entnehmen, dass die Behörde das Vorhaben erst genehmigen darf, wenn sie ihre Entscheidung, eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen, bereits bekannt bzw. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Vor Erteilung der Genehmigung müssen die Mitgliedstaaten nur die Maßnahmen treffen, die erforderlich sind, um die Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung im Hinblick auf diese Auswirkungen zu unterziehen (Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie). Die Bekanntgabe des negativen Ergebnisses einer Vorprüfung gehört nicht zu diesen Maßnahmen. Sie dient nicht dem Rechtsschutz der am Genehmigungsverfahren Beteiligten, sondern der Information der Öffentlichkeit. Selbst wenn der Öffentlichkeit ein Anspruch auf aktive Bekanntgabe des negativen Ergebnisses einer Vorprüfung zustehen sollte, wäre dieser Anspruch – wie der Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen – außerhalb des Genehmigungsverfahrens zu erfüllen (BVerwG, Urt. v. 20.08.2008, a.a.O., RdNr. 40).
- 77
b) Die Vorprüfung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
- 78
Gemäß § 3c Abs. 1 Satz 1 UVPG ist, sofern in der Anlage 1 zum UVPG für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 zu berücksichtigen wären. Nach § 3c Satz 2 UVPG gilt Gleiches, wenn – wie hier – für ein Vorhaben mit geringer Größe oder Leistung eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, wenn trotz der geringen Größe oder Leistung des Vorhabens nur aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können; der Maßstab für die Erheblichkeit ist dem materiellen Recht zu entnehmen (BVerwG, Urt. v. 13.12.2007 – BVerwG 4 C 9.06 – BVerwGE 130, 83 [93], RdNr. 34). Gemäß § 3c Abs. 1 Satz 3 UVPG ist bei den Vorprüfungen zu berücksichtigen, inwieweit Umweltauswirkungen durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen offensichtlich ausgeschlossen werden.
- 79
Beruht die Feststellung, dass eine UVP unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c, ist nach § 3a Satz 4 UVPG die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur darauf zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (BVerwG, Urt. v. 17.12.2013 – BVerwG 4 A 1.13 –, BVerwGE 148, 353 [360], RdNr. 32, m.w.N.).
- 80
Gemessen daran ist die Entscheidung des Beklagten, auf die Durchführung einer UVP zu verzichten, rechtlich nicht zu beanstanden. Das Ergebnis, dass das Vorhaben der Beigeladenen unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben kann, ist nachvollziehbar.
- 81
§ 3c Satz 2 UVPG stellt die hier durchzuführende standortbezogene Vorprüfung der allgemeinen Vorprüfung insoweit gleich, als nach den in Anlage 2 Nr. 2 zum UVPG aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen möglich erscheinen müssen (vgl. Dienes, in: Hoppe, UVPG, 4. Aufl., § 3c RdNr. 16). Mit den angesprochenen „Schutzkriterien“ verweist die Regelung auf die in Nr. 2.3 der Anlage 2 zum UVPG genannten Merkmale, die die Belastbarkeit der Schutzgüter im Hinblick auf die ökologische Empfindlichkeit und Schutzbedürftigkeit des Standorts kennzeichnen (vgl. Sangenstedt, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 3c UVPG RdNr. 33). Dagegen sind bei der standortbezogenen Vorprüfung die Nutzungskriterien in Nr. 2.1 der Anlage 2 zum UVPG (bestehende Nutzung des Gebietes, insbesondere als Fläche für Siedlung und Erholung, für land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzungen, für sonstige wirtschaftliche und öffentliche Nutzungen, Verkehr, Ver- und Entsorgung) und die Qualitätskriterien in Nr. 2.2 der Anlage 2 zum UVPG (Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit von Wasser, Boden, Natur und Landschaft des Gebietes) nicht angesprochen. Eine UVP-Pflicht kommt danach bei solchen „S-Vorhaben“ in Betracht, die erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf die bezeichneten Schutzgebiete oder auf ähnlich sensitive Lebensräume haben können, die in die Schutzgebietsliste nicht ausdrücklich aufgenommen worden sind; erfasst werden sollen nur solche Vorhaben, die eine Gefährdung spezifisch ökologischer Schutzfunktionen befürchten lassen (Sangenstedt, a.a.O. § 3c UVPG RdNr. 33; Dienes, a.a.O. § 3c RdNr. 16). Da für die standortbezogene Vorprüfung allein die Schutzkriterien nach Nr. 2.3 der Anlage 2 zum UVPG maßgebend sind, sind die übrigen in der Anlage 2 zum UVPG genannten Standortkriterien, d.h. die Nutzungs- und Qualitätskriterien nach Nr. 2.1 und 2.2 der Anlage 2 zum UVPG hier nicht heranzuziehen; liegen keine Anhaltspunkte für örtliche Gegebenheiten vor, an die die UVP-Pflicht bei „S-Vorhaben“ anknüpft, kann die Vorprüfung bereits an dieser Stelle beendet werden; die Behörde kann davon ausgehen, dass das Vorhaben keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf (Sangenstedt, a.a.O., § 3c UVPG RdNr. 34).
- 82
Der Beklagte hat im Rahmen seiner Vorprüfung zum Standort des Vorhabens festgestellt, das Hauptproblem für dieses Vorhaben bestehe darin, dass im Umkreis des von der TA-Luft vorgeschriebenen Abstandes von mindestens 330 m sich die östliche Wohnbebauung von A-Stadt befinde, sodass auch unter Berücksichtigung der Hauptwindrichtung erhebliche Geruchs-, Staub- und Ammoniakbelästigungen für die ansässige Bevölkerung nicht auszuschließen seien. Die am nächsten liegenden Wohnhäuser befänden sich nur in einem Abstand von 160 bis 180 m vom Anlagenstandort entfernt. Damit würde der von der TA-Luft vorgegebene Mindestabstand um fast die Hälfte reduziert. Ansonsten liege die geplante Anlage in einer hochgradig durch landwirtschaftlich genutzte Flächen geprägten Landschaft. Eine Überprüfung mit Hilfe der zur Verfügung stehenden GIS-Kartensysteme habe ergeben, dass der Standort der Anlage sich nicht innerhalb eines Schutzgebiets nach den §§ 29 bis 38 NatSchG LSA befinde. In der näheren Umgebung des Vorhabens kämen nur das linienförmige FFH-Gebiet 172 „Bode und Selke im Harzvorland“ (ca. 700 m entfernt) und das Landschaftsschutzgebiet LSG 25 „Bodeniederung“ (ca. 100 m Abstand) vor. Das in diesem Randbereich vollständig durch Ackerflächen charakterisierte LSG werde aber durch die L 70 vom Anlagenstandort getrennt. Weitere empfindliche und geschützte Landschaftsteile nach dem NatSchG LSA seien im Territorium nicht vorhanden. Diese Aussage gelte auch für Wasserschutzzonen. Auch die nächstliegenden Waldgebiete, die eventuell durch Ammoniakimmissionen geschädigt werden könnten, seien sehr klein und befänden sich in über 600 m Entfernung, sodass mit hoher Sicherheit nicht mit messbaren negativen Auswirkungen zu rechnen sei. Die Auswertung der GIS-Karten zeige jedoch, dass in unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes mit archäologischen Funden gerechnet werden müsse. Dies sei bei eventuellen Bauarbeiten mit Eingriff in tiefere Bodenschichten zu beachten und mit den Denkmalschutzbehörden abzustimmen.
- 83
Daraus ergibt sich in nachvollziehbarer Weise, dass sich zwar ein – im Rahmen der standortbezogenen Vorprüfung nicht relevanter – Konflikt mit der nahegelegenen Wohnnutzung ergeben kann, nach Nr. 2.3 der Anlage 2 zum UVPG relevante Schutzgebiete – bis auf ein Gelände mit archäologischen Funden – aber vom Vorhaben der Beigeladenen aufgrund der bestehenden Entfernungen nicht tangiert werden.
- 84
Im Abschnitt „Merkmale der möglichen Auswirkungen“ nach Nr. 3 der Anlage 2 zum UVPG wird ausgeführt, auf der Grundlage der Ausführungen unter 4.1 (Merkmale des Vorhabens) und 4.2 (Standort des Vorhabens) könne in Übereinstimmung mit spezifischen Feststellungen der Fachbehörden und Träger öffentlicher Belange überschlägig eingeschätzt werden, dass von dem Vorhaben keine besonders schweren und komplexen Auswirkungen auf die Schutzgüter Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Klima, Landschaft bzw. Kultur und Sachgüter zu erwarten seien. Das einzige aber schwerwiegende Problem ergebe sich aus der Belastung des Schutzgutes Luft mit tierhaltungsspezifischen Stoffen und den daraus resultierenden Risiken für das Schutzgut Mensch.
- 85
Im letzten Abschnitt „Feststellung der UVP-Pflicht“ kommt der Beklagte zu dem folgerichtigen Ergebnis, dass auf eine UVP-Pflicht verzichtet werden könne, insbesondere weil die möglichen erheblich negativen Auswirkungen sich punktuell auf die Geruchs- und eventuellen Schadstoffimmissionen (Staub, NH4+) hinsichtlich des Schutzguts Mensch konzentrierten, während die anderen Schutzgüter nicht über den Status quo der Belastungen hinaus beeinträchtigt würden. Die Immissionsproblematik könne durch Gutachten, spezielle Forderungen bzw. Auflagen der Fachbehörden, usw. gelöst werden.
- 86
2.1.7. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg rügen, der Beklagte habe gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG zu Unrecht auf den Antrag der Beigeladenen von der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens sowie der Auslegung des Genehmigungsantrags und der Unterlagen abgesehen, weil durch die vom Genehmigungsantrag umfassten Maßnahmen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf in § 1 BImSchG genannte Schutzgüter zu besorgen seien. Auch insoweit kann dahinstehen, ob die Verfahrensvorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG nachbarschützende Wirkung hat.
- 87
Der Beklagte durfte von der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens sowie der Auslegung des Genehmigungsantrags und der Unterlagen absehen. Die Beantwortung der Frage, ob Auswirkungen im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG erheblich sind, hängt zum einen von ihrem Gewicht und Umfang, zum anderen von der Vorbelastung ab (vgl. Jarras, BImSchG, 10. Aufl., § 16 RdNr. 56, m.w.N.). Eine bloße Vermehrung der von der Anlage ausgehenden Emissionen genügt allerdings nicht; entscheidend sind die Einwirkungen (insbesondere Immissionen) auf die Schutzgüter des § 1 BImSchG (BayVGH, Urt. v. 13.05.2005 – 22 A 96.40091 –, NVwZ-RR 2006, 456 [458], RdNr. 60 in juris, m.w.N.). Im Begriff der „erheblichen nachteiligen Auswirkungen" liegt eine graduelle Verschärfung gegenüber jenen (einfachen) nachteiligen Auswirkungen, die nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bereits zur Qualifizierung einer Änderung als wesentlich und damit als genehmigungsbedürftig führen (vgl. BayVGH, Urt. v. 13.05.2005, a.a.O., m.w.N.). An erheblichen nachteiligen Auswirkungen fehlt es gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 BImSchG auch dann, wenn durch vom Betreiber getroffene oder im Zuge der Änderung von ihm an der Anlage vorgesehene Schutzmaßnahmen Auswirkungen auf die Schutzgüter vermieden werden (vgl. Jarras, a.a.O., RdNr. 57, m.w.N.).
- 88
Nach diesem Maßstab ist die vom Beklagten aufgrund der vorgelegten Unterlagen zum Änderungsantrag getroffene verfahrensbezogene Feststellung, dass von den beantragten Änderungen keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter zu besorgen sind, rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte zunächst in Rechnung stellen, dass die Umgebung der Anlage bereits durch die zuvor betriebene Rinderhaltungsanlage vorbelastet war. Durch die Umrüstung in eine gemischte Anlage, in der die Ferkelaufzucht Schwerpunkt des Betriebes ist, entstehen zwar grundsätzlich höhere Geruchsemissionen als bei der Rinderhaltung. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass – anders als bei der bisherigen Rinderhaltung – umfangreiche Maßnahmen zur Geruchsminderung vorgesehen sind.
- 89
2.2. Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung verletzt ferner keine dem Schutz der Klägerin dienenden materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
- 90
Die Erteilung einer Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG setzt ebenso wie die Genehmigung nach § 4 BImSchG – von der hier nicht relevanten Erleichterung des § 6 Abs. 3 BImSchG abgesehen – voraus, dass die Anforderungen des § 6 BImSchG erfüllt sind (vgl. OVG NW, Urt. v. 22.05.2014 – 8 A 3002/11 –, juris, RdNr. 45 f., m.w.N.). Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (Nr. 1), und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (Nr. 2).
- 91
2.2.1. Die angefochtene Genehmigung verletzt nicht die auch dem Nachbarschutz dienende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Danach sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
- 92
Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Unter für die Nachbarschaft schädlichen Umwelteinwirkungen sind alle Immissionen im Sinne von § 3 BImSchG zu verstehen, die für die Nachbarn nach Art, Ausmaß und Dauer unzumutbar sind, darunter auch Luftverunreinigungen durch Staub und Geruchsstoffe sowie Geräusche (§ 3 Abs. 2 und 4 BImSchG). Was zumutbar ist, richtet sich u.a. nach der durch die bebauungsrechtliche Prägung und tatsächliche oder planerische Vorbelastungen bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Umgebung, wobei wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend sind (BVerwG, Urt. v. 30.04.1992 – BVerwG 7 C 25.91 –, BVerwGE 90, 163 [165 f.], RdNr. 11 in juris; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014 – 9 A 2030/12 –, juris, RdNr. 51, m.w.N.). Die Beantwortung der Zumutbarkeitsfrage verlangt eine einzelfallbezogene Interessenbewertung, wobei ein objektiver Maßstab anzuwenden ist und zur Konkretisierung immissionsschutzrechtlicher Grundanforderungen Verwaltungsvorschriften und technische Regelwerke heranzuziehen sind (HessVGH, Urt. v. 01.04.2014, a.a.O.). Dabei sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zugrunde zu legen; ansonsten sind nur etwaige nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 23.04.1998 – BVerwG 4 B 40.98 – NVwZ 1998, 1179, RdNr. 3 in juris).
- 93
2.2.1.1. In Bezug auf schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen werden durch die auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassene Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24.07.2002 (TA Luft) sowohl die Grundpflichten des Anlagenbetreibers als auch die aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG folgenden Abwehrrechte Dritter konkretisiert (vgl. zur TA Luft 1986: BVerwG, Beschl. v. 21.03.1996 – BVerwG 7 B 164.95 –, NVwZ-RR 1996, 498 [499], RdNr. 16 in juris). Bei Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren kann bei Einhaltung des in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft empfohlenen Mindestabstands in der Regel davon ausgegangen werden, dass auf die betroffene Wohnbebauung in der Umgebung einer emittierenden Anlage keine unzumutbaren Geruchs- und sonstigen Immissionen der Anlage einwirken (NdsOVG, Beschl. v. 14.02.2011 – 12 LA 8/09 –, NVwZ-RR 2011, 397). Nach Nr. 5.4.7.1 der TA Luft sollen bei der Errichtung solcher Anlagen die sich aus der Abbildung 1 ergebenden Mindestabstände zur nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung und unter Berücksichtigung der Einzeltiermasse gemäß Tabelle 10 nicht unterschritten werden. Der Abbildung 1 lässt sich entnehmen, dass allein die Haltung von Schweinen nach der Tabelle 10 vom Sachverständigen insoweit berechneten Zahl von 314,14 Großvieheinheiten ein Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung von ca. 370 m eingehalten werden müsste, um ohne nähere Prüfung davon ausgehen zu können, dass keine unzumutbaren Immissionen auf das Grundstück der Klägerin einwirken. Die Abstände der Emissionsquellen zum Wohnhaus der Klägerin liegen jedoch deutlich darunter. Bei den in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft geregelten Mindestabständen handelt es sich allerdings, wie sich aus Nr. 1 und der Überschrift des 5. Abschnitts der TA Luft ergibt, um Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Die Einhaltung der Mindestabstände der TA Luft ist deshalb zwar ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auftreten. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Betreiber seine Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht erfüllt, wenn die in der Abbildung 1 zu Nr. 5.4.7.1 der TA Luft angegebenen Mindestabstände nicht eingehalten werden.
- 94
2.2.1.1.1. Das Grundstück der Klägerin ist durch die genehmigte Anlage der Beigeladenen insbesondere keinen unzumutbaren Geruchsbelästigungen ausgesetzt.
- 95
a) Zur Beurteilung der Frage, ob Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft zumutbar sind, bietet die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29.02.2008 mit einer Ergänzung vom 10.09.2008 eine sachgerechte Entscheidungshilfe. Technische Regelwerke erzeugen für die Behörden und Gerichte zwar keine Bindungswirkung, wenn der Gesetzgeber sie, wie das bei der GIRL der Fall ist, nicht in seinen Regelungswillen aufnimmt. Sie dürfen aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie im jeweiligen Bundesland umgesetzt sind (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2010 – BVerwG 4 B 29.10 –, BauR 2010, 2083 [2084], RdNr. 3 in juris, m.w.N.). Die Anwendung der GIRL gewährleistet eine – hinreichend verlässliche – Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen (vgl. Beschl. d. Senats v. 01.08.2011 – 2 M 84/11 –, NVwZ 2012, 119 [121], RdNr. 29 in juris, m.w.N.). Die GIRL wird allgemein als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten angesehen, welches auf fachwissenschaftlichen Untersuchungen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind. Die in ihr niedergelegten Erkenntnisse geben dem Prüfer ein Instrumentarium an die Hand, alle zur Beurteilung schädlicher Einwirkungen maßgeblichen Umstände wie Oberflächengestaltung, Hedonik, Vorbelastungen rechtlicher und tatsächlicher Art sowie Intensität der Geruchseinwirkungen zu beurteilen (vgl. HessVGH, Urt. v. 01.04.2014 a.a.O., RdNr. 53, m.w.N.). Berechnungen auf der Basis der GIRL stellen ein im Sinn einer konservativen Prognosesicherheit komfortables „worst-case-Szenario“ dar, und das gefundene Ergebnis liegt „auf der sicheren Seite“ (OVG RP, Beschl. v. 07.02.2014 – 1 B 11320/13 –, juris, RdNr. 20; BayVGH, Beschl. v. 15.11.2010 – 15 CS 10.2131 –, BauR 2013, 1816 [1817], RdNr. 15 in juris).
- 96
Vor dem Hintergrund einer bisher fehlenden normativen Wirkung der GIRL ist die Frage der Erheblichkeit dieser Immissionen im gerichtlichen Verfahren allerdings auch anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten, wobei die GIRL einen wichtigen Orientierungspunkt darstellen kann. Bei dieser Einzelfallbeurteilung kommt es maßgeblich auf die Situation an, in die die Grundstücke gestellt sind, und ob prognostisch eine unzumutbare Geruchsimmission für die Nachbarschaft zu erwarten ist. Da der Außenbereich dazu dient, privilegierte Vorhaben wie etwa landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen, müssen Eigentümer von Wohnhäusern im Randgebiet zum Außenbereich mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen. Insofern ist ihre Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit gegenüber einer Wohnnutzung, die sich inmitten einer Ortslage befindet, deutlich herabgesetzt (vgl. OVG RP, Urt. v. 07.10.2009 – 1 A 10972/07 –, BauR 2010, 581 [584], RdNr. 84 in juris; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014, a.a.O., RdNr. 64 in juris). Nach der GIRL kann in dieser Konstellation ein Zwischenwert gebildet werden, der den Immissionswert für Dorfgebiete erreicht, obwohl ein Wohngebiet betroffen ist (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich – Immissionswerte“).
- 97
b) Nach Nr. 3.1 der GIRL sind Geruchsimmissionen in der Regel als erhebliche Belästigung zu werten, wenn die Gesamtbelastung IG (Nummer 4.6) die in Tabelle 1 angegebenen Immissionswerte IW überschreitet. Bei den Immissionswerten handelt es sich um relative Häufigkeiten der Geruchsstunden. Diese Häufigkeit beträgt in Wohn- und Mischgebieten 0,10 sowie in Gewerbe-, Industrie- und Dorfgebieten 0,15 der Jahresstunden. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechtes den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. Die Begründung und die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL gehen im Abschnitt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich – Ortsüblichkeit“ davon aus, dass aufgrund der historischen Entwicklung auch die Situation in den neuen Bundesländern besondere Anforderungen an die Berücksichtigung der Ortsüblichkeit stellen könne. So hätten in der damaligen DDR die ehemals prägenden Hofstellen innerhalb der Dörfer infolge der Kollektivierung der Landwirtschaft aufgegeben werden müssen. Sie seien durch große Einheiten ersetzt worden, die überwiegend in Ortsnähe, planungsrechtlich im Außenbereich, errichtet worden seien und dort seit Jahrzehnten betrieben würden. Dies habe dazu geführt, dass im Innenbereich der ehemaligen Dorfgebiete nur noch vereinzelt landwirtschaftliche Nutzungen vorzufinden seien, der jeweilige Siedlungsbereich jedoch durch die unmittelbare Nachbarschaft der Tierhaltungsanlagen geprägt werde. Für die im Einwirkungsbereich solcher Tierhaltungsanlagen gelegenen Grundstücksnutzungen könne deshalb die Zuordnung des Immissionswertes für Dorfgebiete gerechtfertigt sein. In begründeten Einzelfällen könne sogar noch über diesen Wert hinaus gegangen werden.
- 98
c) Der vom Senat bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. (A.) ist bei seinem Gutachten vom 19.12.2013 davon ausgegangen, dass für das Wohnhaus der Klägerin ein baulicher Zusammenhang zur örtlichen (Wohn-)Bebauung festzustellen sei, so dass die Berücksichtigung wie für ein Wohngebiet angemessen sei. Daher hat er seiner Bewertung den für Wohngebiete geltenden niedrigeren Wert von 0,10 der Jahresstunden zugrunde gelegt. Dieser Wert wird nach dem Sachverständigengutachten an der zur Stallanlage zeigenden Nordseite des Wohnhauses der Klägerin (Einzelpunkt EP 7) sicher eingehalten. Für diesen Einzelpunkt hat der Gutachter eine Geruchsgesamtbelastung von 0,08 der Jahresstunden ermittelt. Aus der Anlage 4 zum Gutachten (Geruchszusatzbelastung für die einzelnen Beurteilungsflächen) wird deutlich, dass auch im geschützten Außenwohnbereich (vgl. hierzu BayVGH, Beschl. v. 07.02.2013 – 15 CS 12.743 –, RdNr. 28, m.w.N. in juris) unmittelbar nördlich des Wohngebäudes der Klägerin der Immissionswert der GIRL von 0,10 der Jahresstunden nicht überschritten wird. Damit kann der Senat offen lassen, ob nach den oben dargestellten Erwägungen in der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 der GIRL aufgrund der historischen Entwicklung der für Dorfgebiete geltende Immissionswert von 0,15 der Jahresstunden oder sogar ein noch höherer Wert anzusetzen ist.
- 99
d) Der Senat vermag auch keine Fehler zu erkennen, die das Ergebnis des Gutachtens in Frage stellen könnten.
- 100
Nach Nr. 4.1 der GIRL wird die Geruchsimmission durch einen Wert (Kenngröße) gekennzeichnet, der ihre zeitliche Wahrnehmbarkeit oberhalb einer bestimmten Intensität (Erkennungsschwelle) beschreibt. Die Ausbreitungsrechnung kann insbesondere dann vorgenommen werden, wenn auf Grund vorliegender Messungen oder Schätzungen anzunehmen ist, dass die vorhandene Belastung 70 v.H. des anzuwendenden Immissionswertes nach Tabelle 1 unterschreitet oder wenn die Ermittlung der Belastung durch Begehungen als unverhältnismäßig eingeschätzt werden muss. Wird die Ermittlung der vorhandenen Belastung rechnerisch vorgenommen, so sind alle Emittenten von Geruchsstoffen, die das Beurteilungsgebiet beaufschlagen, zu erfassen. Um in speziellen Fällen auf Emissionen zurückrechnen zu können (nicht zur Bestimmung von Geruchshäufigkeiten), können Fahnenbegehungen nach VDI 3940 Blatt 2 (2006) verwendet werden.
- 101
Gemäß Nr. 4.2 der GIRL werden bei der Ermittlung im Genehmigungsverfahren die Kenngrößen für die vorhandene Belastung (IV), die zu erwartende Zusatzbelastung (IZ) und die Gesamtbelastung (IG), die für jede Beurteilungsfläche in dem für die Beurteilung der Einwirkung maßgeblichen Gebiet (Beurteilungsgebiet) ermittelt werden, unterschieden. Die vorhandene Belastung ist die von vorhandenen Anlagen ausgehende Geruchsbelastung ohne die zu erwartende Zusatzbelastung, die durch das beantragte Vorhaben hervorgerufen wird. Die zu erwartende Zusatzbelastung ist nach Nr. 4.5 zu ermitteln. Die Kenngröße für die Gesamtbelastung ist aus den Kenngrößen für die vorhandene Belastung und die zu erwartende Zusatzbelastung nach Nr. 4.6 zu bilden. In die Ermittlung des Geruchsstoffstroms sind die Emissionen der gesamten Anlage einzubeziehen; bei einer wesentlichen Änderung sind die Emissionen der zu ändernden sowie derjenigen Anlagenteile zu berücksichtigen, auf die sich die Änderung auswirken wird.
- 102
aa) Nr. 4.4 der GIRL sieht grundsätzlich vor, dass die Ermittlung der vorhandenen Belastung durch Rasterbegehung oder durch Geruchsausbreitungsrechnung zu erfolgen hat. Nach Nr. 4.4.1 der GIRL ist jedoch von einer vorhandenen Belastung IV = 0 auszugehen, wenn das Vorhandensein anderer geruchsemittierender Anlagen auszuschließen ist. Hiervon ist der Sachverständige Dipl.-Ing. (A.) in seinem Gutachten (Seite 17) ausgegangen, weil er bei der von ihm durchgeführten Ortsbesichtigung festgestellt hat, dass sich in der Ortslage A-Stadt sowie im näheren Umfeld der betrachteten Tierhaltungsanlage keine weiteren relevanten Geruchsemittenten befänden. Weiterhin seien im Rahmen der Ortsbesichtigung am 04.11.2013 die Betriebsstandorte einer Anlage zur Herstellung von Pilzsubstraten sowie eine Putenmastanlage aufgesucht worden, die in Entfernungen zur streitigen Anlage von 1.800 m und 2.400 m lägen. Aufgrund der großen Entfernungen zu den betrachteten maßgeblichen Immissionsorten könne eingeschätzt werden, dass dort keine relevante Geruchsvorbelastung im Sinne der GIRL vorhanden sei.
- 103
Diesen Annahmen des Gutachters kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegen halten, der Ortstermin habe ausschließlich auf dem Gelände der Beigeladenen stattgefunden, der Gutachter habe die Entfernung der Pilzsubstratanlage und der Putenmastanlage zum maßgeblichen Immissionsort nicht angegeben und allein aufgrund der Entfernung könne nicht darauf geschlossen werden, dass dort keine relevanten Geruchsvorbelastungen im Sinne der GIRL vorhanden seien.
- 104
In der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter ausgeführt, er habe die Entfernungen zur Pilzsubstratanlage und zur Putenmastanlage vor Ort gemessen und auf 1.800 m bzw. 2.400 m bestimmt. Diese Entfernungsangaben entsprechen etwa den Werten, die der Senat mit Hilfe von google earth ermittelt hat. Die Pilzsubstratanlage der Firma (V.) befindet sich an der A-Straße, und zwar nördlich der Ortslage A-Stadt. Die Entfernung zum Grundstück der Klägerin beträgt nach google earth ca. 1.800 bis 1.900 m. Die Putenmastanlage der Fa. Putenmast A-Stadt GmbH & Co. KG befindet sich nordwestlich von A-Stadt. Nach google earth beträgt die Entfernung zum Grundstück der Klägerin ca. 2.300 bis 2.400 m.
- 105
Die Einschätzung des Sachverständigen, die von diesen Anlagen ausgehenden Geruchsemissionen habe er nicht als Vorbelastung berücksichtigten müssen, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Er hat dies in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen damit begründet, dass nach eigener Erfahrung bereits vorhandene Geruchsbelastungen bei solchen Entfernungen nicht ins Gewicht fielen. Unabhängig davon bietet für die Beantwortung der Frage, innerhalb welchen Umkreises andere geruchsemittierende Anlagen von Bedeutung sind, Nr. 4.4.2 der GIRL einen Anhalt. Danach ist das Beurteilungsgebiet die Summe der Beurteilungsflächen, die sich vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt mit einem Radius befinden, der dem 30fachen der nach Nr. 2 der Richtlinie ermittelten Schornsteinhöhe entspricht; als kleinster Radius ist 600 m zu wählen. Nach Nr. 2 der GIRL ist die Schornsteinmindesthöhe in der Regel so zu bemessen, dass die Kenngröße der zu erwartenden Zusatzbelastung IZ (vgl. Nr. 4.5) auf keiner Beurteilungsfläche den Wert 0,06 überschreitet. Mit dieser Maßgabe soll sichergestellt werden, dass das Beurteilungsgebiet keinesfalls kleiner ausfallen soll, als es einem Radius von 600 m um den Emissionsschwerpunkt der Anlage entspricht. Die Regelung schließt allerdings nicht aus, dass die äußeren Grenzen des Beurteilungsgebiets im Einzelfall größer zu ziehen sind, wenn nach den konkreten Fallumständen ein weitergehender Prüfungsbedarf erkennbar ist. Dies erfordert gegebenenfalls, auch Emittenten in die Untersuchung aufzunehmen, die sich außerhalb des Beurteilungsgebiets befinden, aber relevant auf dieses einwirken (vgl. OVG NW, Beschl. v. 09.12.2013 – 8 A 1451/12 –, juris, RdNr. 32). Das zeigt auch die Regelung in Nr. 4.1 Abs. 2 Satz 2 der GIRL, welche vorschreibt, dass alle Emittenten von Geruchsstoffen, die das Beurteilungsgebiet beaufschlagen, zu erfassen sind, wenn die Ermittlung der vorhandenen Belastung rechnerisch vorgenommen wird. Ferner heißt es in der Begründung und den Auslegungshinweisen zur GIRL (dort zu Nr. 4.4.2), das Beurteilungsgebiet sei stets so zu legen bzw. von der Größe her so zu wählen, dass eine sachgerechte Beurteilung des jeweiligen Problems ermöglicht wird. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 4.6 der GIRL wird ebenfalls hervorgehoben, dass bei der Ermittlung der Gesamtbelastung durch Ausbreitungsrechnung die Geruchsemissionen der vorhandenen Quellen (Vorbelastung) und die der neuen Quellen (Zusatzbelastung) in einer gemeinsamen Rechnung Eingang finden und in diesem Fall alle das Beurteilungsgebiet beaufschlagenden Geruchsquellen in der Ausbreitungsrechnung erfasst werden müssen (OVG NW, Beschl. v. 09.12.2013, a.a.O., m.w.N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn das nähere und weitere Umfeld des geplanten Vorhabens durch eine Reihe von vorhandenen Tierhaltungsanlagen vorgeprägt wird und begründete Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass weitere im Beurteilungsgebiet gelegene Betriebe Geruchsemissionen abgeben, die geeignet sind, die Immissionsbelastung an den betrachteten Wohnhäusern und Plangebieten relevant zu erhöhen (NdsOVG, Beschl. v. 18.07.2012 – 12 LA 114/11 –, BauR 2012, 1769, RdNr. 9 ff. in juris). So hat das OVG NW (Beschl v. 09.12.2013, a.a.O.) die behördliche Festlegung eines Umkreises der zu berücksichtigenden Emissionsquellen von etwa 1.200 m nicht beanstandet in einer Situation, in der sich nach einem eingeholten Gutachten der Einwirkungsbereich zweier Tierhaltungsanlagen (Putenmast und Schweinemast) trotz einer Entfernung > 1.000 m bis zum klägerischen Grundstück erstreckte. Eine solche oder vergleichbare Situation liegt hier nicht vor. Vor diesem Hintergrund gibt die Annahme des Gutachters, dass bei einer Entfernung von 1.800 m zur Pilzsubstratanlage und 2.400 m zur Putenmastanlage keine relevante Geruchsvorbelastung im Sinne der GIRL vorhanden sei, keinen Anlass zu Bedenken.
- 106
bb) Auch die vom Gutachter vorgenommene Berechnung der von der geänderten Anlage der Beigeladenen ausgehenden (Zusatz-)Belastung lässt keine Mängel erkennen.
- 107
aaa) Zur Ermittlung der Geruchemissionen aus den drei Ställen der Anlage hat der Gutachter zunächst die nach der Genehmigung zulässigen Tierplatzzahlen gemäß der in Anhang A der VDI-Richtlinie 3894, Blatt 1 (Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen, Haltungsverfahren und Emissionen) angegebenen Faktoren, die den in der Tabelle 10 der TA Luft genannten Faktoren entsprechen, für jeden der drei Ställe und für jede Tierart in Großvieheinheiten umgerechnet (vgl. Seite 6, Tabelle 2 und Seite 14, Tabelle 4). Zur Bestimmung der tierartspezifischen Geruchsemissionsfracht hat er die in Nr. 6.1 der VDI-Richtlinie 3894, Blatt 1, Tabelle 22, dargestellten Geruchsemissionsfaktoren (GE/GV*s) herangezogen und die jeweilige Geruchsfracht (Geruchsstoffstrom) für die einzelnen Tierarten berechnet.
- 108
Ohne Erfolg rügt die Klägerin, bei den Geruchsemissionsfaktoren und den Umrechnungszahlen nach der VDI-Richtlinie 3894 handele es sich um Konventionswerte, die von der Richtlinienkommission auf der Grundlage von Literaturangaben, Plausibilitätsberechnungen und praktischem Erfahrungsschatz bestimmt worden seien und deren Anwendung nur eine einfache, auf der untersten Stufe stehende („Holzhammer“-)Methode darstelle. Zu Unrecht fordert die Klägerin, dass die maßgeblichen Werte vor Ort durch Messungen festgestellt werden. Die VDI-Richtlinie 3894 Blatt 1 enthält – ebenso wie die bislang vorhandenen VDI-Richtlinien 3471 und 3472 – technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.05.2007 – BVerwG 4 B 5.07 –, BRS 71 Nr. 168, RdNr. 4 in juris; OVG NW, Beschl. v. 03.08.2012 – 8 B 290/12 –, RdNr. 13 in juris). Die Umrechnungszahlen zur Bestimmung der Zahl der Großvieheinheiten sind ferner in der Tabelle 10 der TA Luft dargestellt, die ebenfalls eine anerkannte Orientierungshilfe darstellt. Der Gutachter hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.09.2014 zu Recht darauf hingewiesen, dass die zusätzliche Durchführung von olfaktometrischen Messungen zwar möglich sei, solche Messungen aber immer nur Momentaufnahmen darstellten, deren Ergebnis von den konkreten Randbedingungen (Jahreszeit, Tieralter, Tieraktivität, u.v.a) bestimmt werde. Um eine genauere Aussage über die Geruchsemissionen im Jahresverlauf zu erhalten, die die Jahreskenngrößen zur Belästigungsrelevanz bestimmen, wäre eine größere Anzahl von Messungen an allen zu betrachtenden Ställen erforderlich.
- 109
Der von der Klägerin hinzugezogene Sachverständige (K.) beanstandet weiter, dass emissionsseitige Einflüsse, insbesondere die Güllekanalhöhe berücksichtigt werden müssten, wozu das für die Ausbreitungsrechnung verwendete Programm AUSTAL200G keine Anfangsbedingungen liefere, sondern vom Programmnutzer eingebracht würden. Dazu seien aber die Anfangs- und Randbedingungen zu kontrollieren. Es müsse der Nachweis erbracht werden, dass die postulierten Massenströme, die für die Emissionsfaktoren in Verbindung mit der Tiermasse stehen, die Stallanlage verlassen. Nach der TA Luft müsse die Zuluftgeschwindigkeit im Güllekanal = 2,5 m/s und die Kanalhöhe 30 bis 60 cm betragen.
- 110
Nach der vom Gutachter (K.) insoweit herangezogenen Bestimmung in Nr. 5.4.7.1 Buchstabe g) der TA Luft ist bei der Güllezwischenlagerung im Stall (Güllekeller) die Kapazität so zu bemessen, dass bei Unterflurabsaugung der maximale Füllstand höchstens bis unter 50 cm unterhalb der Betonroste ansteigt; ansonsten sind 10 cm ausreichend. Bei Unterflurabsaugung soll die Stallluft mit niedriger Geschwindigkeit (maximal 3 m/s) direkt unter dem Spaltenboden abgesaugt werden. Bei den Ställen der Beigeladenen erfolgt indes nach Nr. 2.2.3 der Anlagenbeschreibung (Beiakte A, Bl. 42) keine Güllezwischenlagerung in einem Güllekeller, worauf die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung nochmals hingewiesen hat. Vielmehr erfolgt nach den genehmigten Antragsunterlagen eine Gülleabführung über flache Güllewannen bzw. -kanäle nach dem Prinzip der Rohr- oder Wechselstauentmistung. Die Gülle läuft zunächst in die Güllesammelgrube mit freiem Gefälle. Aus dieser Sammelgrube wird die Gülle mittels einer Tauchpumpe über Druckleitungen in den Lagerbehälter zur Zwischenlagerung bis zur landwirtschaftlichen Verwertung abgepumpt. Die Güllelagerbehälter befinden sich außerhalb der Ställe. Bauliche Anforderungen an die Güllewannen und -kanäle enthält die TA Luft hingegen nicht. Auch die VDI-Richtlinie 3894 Blatt 1 schreibt – ebenso wie die Vorgängerrichtlinie VDI 3471 – die geforderten baulichen bzw. technischen Anforderungen an die Entmistung nicht vor.
- 111
Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass der Gutachter für den Stall 3, in welchem 2.376 Aufzuchtferkel untergebracht werden, keine Geruchsemissionen angesetzt hat, weil dort eine Abluftreinigung durch einen Chemowäscher mit biologischer Behandlungsstufe erfolgt. Hierzu hat er im Gutachten u.a. ausgeführt, mit dem im DLG-Prüfbericht 5880 festgestellten Eigenschaften erfülle der Chemowäscher die im Abschnitt 3.1.7 des Genehmigungsbescheides benannten Anforderungen zur Wirksamkeit der Geruchsminderung. Bei ordnungsgemäßer Betriebsweise der Abgasreinigungseinrichtungen seien Reingasgeruchsemissionen von = 300 GE/m³ zu erwarten. Der Chemowäscher beinhalte mit der biologischen Reinigungsstufe eine „lebende“ Reinigungskomponente, welche das Rohgas veratme. Die auf Trägermaterial siedelnden Mikroorganismen adsorbierten die Abluftbestandteile über die sie einhüllende Wasserphase und bauten sie anschließend ab. Dabei entstünden Stoffwechselprodukte, die den typischen Reingasgeruch eines funktionierenden Biofilters ausmachten. Die Qualität des Geruches hänge von der Flora auf dem Trägermaterial ab, und diese stelle sich wiederum in Abhängigkeit von den physikalischen Bedingungen, den Rohgasinhaltsstoffen und dem Trägermaterial ein. Es entstünden erdige, waldbodenartige oder pilzig-muffige Geruchsqualitäten. In der VDI-Richtlinie werde dieser Geruch als biogener Geruch bezeichnet. Da sich der Eigengeruch des Wäschers in der Regel schnell nach der Inbetriebnahme verliere, sei in der Praxis allein der biogene Geruch von Bedeutung. Die biogenen Gerüche zeigten die Funktion der biologischen Filterstufe an und unterschieden sich nicht mehr vom umgebenden Vegetationsgeruch. Dieses Verhalten der Biofiltergerüche seien intensiv und fundiert in einer Studie des Landesumweltamtes Nordrhein-Westfalen untersucht worden. Das Ergebnis dieser Studie sei gewesen, dass die biologischen Gerüche nur eine geringe immissionsseitige Wirksamkeit besäßen. So würden bei der olfaktometrischen Messung zwar relevante Geruchsstoffkonzentrationen und damit verbunden Quellstärken bestimmt – der Geruch sei aber nur in geringer Entfernung wahrnehmbar. Die biogenen Gerüche würden bei der Emissionsmessung mit gemessen, zeigten aber nur die Aktivität des Filters an und könnten bei der Immissionsprognose in der Regel vernachlässigt werden. Untersuchungen hätten ergeben, dass die Reichweite der biogenen Gerüche in der Regel unter 100 m liege, wenn der Biowäscher ordnungsgemäß betrieben werde, und reingasseitig kein Rohluftgeruch mehr erkennbar sei. Daher sei eine Berücksichtigung der Biofiltergerüche entsprechend VDI 3477 nur bei Entfernungen von bis zu 100 m erforderlich. Diese Abstandsregelung dürfe jedoch nur für Filter angewendet werden, die ausschließlich Eigengerüche emittierten, da durchtretendes Rohgas im Gegensatz zum biogenen Geruch sehr wohl als weiter reichende Geruchsquelle wirksam werden könne. Beim Vorhaben werde der Chemowäscher nach dem Stand der Technik der Emissionsminderung eingesetzt. Bei ordnungsgemäßer Betriebsweise und regelmäßiger Wartung sei die Einhaltung der im Genehmigungsbescheid festgelegten Reingaskonzentration von = 300 GE/m³ gesichert. Die zum Abluftaustritt des Chemowäschers nächstgelegenen Wohnhäuser befänden sich in A-Stadt in einer Entfernung von ca. 180 m. Die mittels Chemowäscher gereinigte Stallabluft aus dem Ferkelaufzuchtstall (Stall 3) werde somit in der Ausbreitungsrechnung nicht als geruchsbeladene Abluft berücksichtigt.
- 112
Zu Unrecht wendet die Klägerin dagegen ein, der Gutachter habe nicht (vor Ort) gemessen, ob – wie von ihm angenommen – bei ordnungsgemäßer Betriebsweise des Chemowäschers die Einhaltung der im Genehmigungsbescheid festgelegten Reingaskonzentrationen gewährleistet sei. Nach den genehmigten Vorlagen (Beiakte A Bl. 193) kommt beim Ferkelaufzuchtstall ein Luftfiltersystem zur Anwendung, für das ein positiver DLG-Signum-Test für Abluftreinigungsanlagen vorliegt. Die zum Einsatz kommende Abluftreinigungsanlage Uniqfill Air nebst DLG-Signum ist im Prospekt auf Bl 42 ff. der Beiakte B dargestellt. Danach haben Messungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und des LUFA Nord-West zu den Ergebnissen geführt, dass mit dem Kombi-Wäscher eine Ammoniakabnahme von >85 %, eine Staubabnahme von > 90 % und ein Geruchsemission von < 300 GE/m³ erreicht werde, d.h. kein ausgehender Geruch in ausgehender Luft mehr feststellbar sei. Nach dem DLG-Prüfbericht 5880 vom Juli 2009 – aktualisiert im August 2013 – (http://www.dlg-test.de/pbdocs/5880.pdf), der den DLG-Prüfbericht 5629 (Beiakte B, Bl. 209 ff.) ersetzt, handelt es sich bei der Uniqfill Air BV Abluftreinigungsanlage „Chemowäscher (+)“ um eine Kombianlage, bestehend aus einer sauren Wäsche und einer nachgeschalteten Wasserwäsche. In der sauren Stufe finde neben der Ammoniakentfrachtung auch eine Staubabscheidung statt. Die nicht in der ersten Stufe abgeschiedenen Stoffe dienten als Nahrungsquelle für Mikroorganismen, die sich in dem Füllkörperblock (zweite Stufe) als Biofilm anhaften und einen biologischen Geruchsstoffabbau vollziehen, so dass auch der Geruch weitgehend eliminiert werde. Beim Geruch hätten alle Ergebnisse innerhalb des geforderten Bereichs gelegen. Es sei an keinem Messtag eine Überschreitung des Grenzwertes von 300 GE/m³ verzeichnet bzw. Rohgasgeruch im Reingas wahrgenommen worden. Die relativ geringen Geruchsstoffkonzentrationen auf der Rohgasseite seien auf die Sauberkeit im Stall zurückzuführen. Zusätzliche Untersuchungen in der zweiten Waschstufe hätten belegt, dass sich im System des „Chemowäschers (+)“ bei ordnungsgemäßem Betrieb Biologie ansiedle und somit ein Abbau von Geruchsstoffen stattfinde. Die Prüfung sei gemäß dem DLG-Prüfverfahren „Abluftreinigungssysteme für Tierhaltungsanlagen“ (Stand November 2005) durchgeführt worden. Die Sommermessungen seien an einer Referenzanlage in den Niederlanden bei einem maximalen Abluftvolumenstrom von 30.000 m³/h durchgeführt worden; der Messzeitraum habe zwei Monate betragen. Die Wintermessungen seien noch im Rahmen des Zulassungsverfahrens des Landkreises Cloppenburg in demselben Referenzbetrieb durchgeführt und mit Beschluss der Expertenkommission vom Juni 2005 anerkannt worden.
- 113
Vor diesem Hintergrund durfte der Gutachter auch ohne eigene Messungen davon ausgehen, dass der im Genehmigungsbescheid in der Nebenbestimmung Nr. 3.1.7 festgelegte Wert von = 300 GE/m³ bei ordnungsgemäßem Betrieb des „Chemowäschers (+)“ eingehalten wird. Um die Wirksamkeit des im Stall 3 eingebauten Wäschers zu gewährleisten, hat der Beklagte der Beigeladenen in den Nebenbestimmungen Nr. 3.1.8 bis 3.1.11 aufgegeben, den messtechnischen Nachweis der Wirksamkeit der Abluftreinigungsanlage nach Inbetriebnahme der Anlage anhand einer olfaktometrischen Messung durch eine nach § 26 BImSchG bekannt gegebene Stelle zu erbringen, die Abluftreinigungsanlage ordnungsgemäß zu warten und zu pflegen sowie hierzu ein Pflege- und Wartungskonzept zu erstellen und der zuständigen Überwachungsbehörde vorzulegen. Da sich die Abluftquelle des Stalls 3 (Q 3) ca. 180 m nordöstlich des Wohnbereichs der Klägerin befindet, hält sie auch den Mindestabstand von 100 m ein, bis zu dem die Biofiltergerüche wahrgenommen werden können.
- 114
bbb) Zur Bestimmung der von den fünf Güllebehältern ausgehenden Emissionen hat der Gutachter die im Genehmigungsantrag genannten Fassungsvermögen (Güllevorgrube Q 7 – 200 m³, Güllelager Q 5 – 2.490 m³ und drei Güllelager Q 6-1 und Q 6-2 – 3 x 200 m³) zugrunde gelegt und als Bezugsgröße die jeweilige Flächenquelle von 70 m², 479 m² und 210 m² (3 x 70 m²) verwendet. Gemäß Nr. 6.1.1. der VDI-Richtlinie 3894 Blatt 1, Tabelle 23, ist bei Flächenquellen ohne Abdeckung bei Schweinegülle von einem Geruchsemissionsfaktor von 7 GE/m²*s auszugehen. Nach der Nebenbestimmung Nr. 3.1.16 des Genehmigungsbescheides sind die Güllebehälter mit festen Abdeckungen, einem Zeltdach oder einer emissionsdichten Folienabdeckung zu versehen, und der Geruchsminderungsgrad muss bezogen auf offene Lager ohne Abdeckung 90 % betragen. Mit solchen Abdeckungen kann der angegebene Geruchsminderungsgrad auch erreicht werden (vgl. die Übersicht des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg mit Stand vom November 2011, unter Hinweis auf die KTBL-Schrift 447 „Handhabung der TA Luft bei Tierhaltungsanlagen“, http://www.lugv.brandenburg/cms/media.php/lbm1.a.3310.de/girlfaktoren_2011.pdf; sowie Nr. 4.2.5 Tabelle 19 der VDI-Richtlinie 3894, Blatt 1). Einer olfaktometrischen Messung vor Ort bedurfte es daher entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Folgerichtig hat der Gutachter – angesichts der wenigen Rinder, die in der Anlage gehalten werden – einen Geruchsemissionsfaktor (für Schweinegülle) von 0,7 GE/m²*s angenommen. Bezogen auf die einzelnen Flächenquelle hat er die jeweiligen Geruchsfrachten (Geruchsmassenstrom) für die fünf Güllebehälter mit 0,2 MGE/h, 1,2 MGE/h und 0,53 MGE/h berechnet.
- 115
ccc) Nach Nr. 4.5 der GIRL ist die Kenngröße für die zu erwartende Zusatzbelastung entsprechend Nr. 1 mit dem in Anhang 3 der TA Luft beschriebenen Ausbreitungsmodell und der speziellen Anpassung für Geruch (Janicke, L. und Janicke, U. 2004) zu ermitteln. Die Festlegung der Seitenlänge der Beurteilungsflächen erfolgt gemäß Nr. 4.4.3. Bei der Festlegung der horizontalen Maschenweite des Rechengebietes sind die Vorgaben der TA Luft Anhang 3, Nr. 7 zu beachten. Demnach ist es in der Regel erforderlich, die horizontale Maschenweite so zu bemessen, dass sie die Schornsteinbauhöhe nicht überschreitet. Im Allgemeinen ist das Rechengebiet identisch mit dem Beurteilungsgebiet nach Nr. 4.4.2. Bei besonderen Geländebedingungen kann es jedoch erforderlich sein, das Rechengebiet größer als in Nr. 4.4.2 beschrieben zu wählen. Nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 der GIRL (a.E.) wurden die Vorgaben der TA Luft Anhang 3 und die speziellen Anpassungen an die Geruchsausbreitung im Referenzmodell AUSTAL2000 umgesetzt. Um die für die Geruchbeurteilung erforderlichen Wahrnehmungshäufigkeiten zu berechnen, wurde das Modell AUSTAL2000 um ein entsprechendes Modul AUSTAL2000G ergänzt (vgl. Janicke/Janicke, Berichte zur Umweltphysik, März 2007, http://www.janicke.de/data/bzu/bzu-005-02.pdf). Der Gutachter hat seiner Berechnung der Zusatzbelastung durch das Vorhaben der Beigeladenen diese Vorgaben zugrunde gelegt.
- 116
Soweit die Klägerin – mit dem von ihr beauftragten Gutachter (K.) – Zweifel an der grundsätzlichen Geeignetheit des Programms AUSTAL2000G zur Bestimmung der Geruchsbelastung hat, greift dies nicht durch. Das Programm wurde gerade – wie bereits ausgeführt – im Einklang mit der TA Luft entwickelt. Dass das Programm AUSTAL2000G als diagnostisches Windfeldmodell nicht dazu in der Lage ist, besondere Strömungsverhältnisse, die sich etwa aus thermischen oder dynamischen Prozessen in stark gegliedertem Gelände ergeben, ausreichend zu erfassen, steht seiner grundsätzlichen Eignung und Anwendbarkeit nicht entgegen (vgl. dazu HessVGH, Urt. v. 07.05.2009 – 6 C 1142/07.T –, juris, RdNr. 113). Dem beschränkten Einsatzgebiet diagnostischer Windfeldmodelle zur Ermittlung von Strömungsfeldern von Schadstoffen trägt die TA Luft selbst Rechnung. Nach Anhang 3, Abschnitt 11, 2. Absatz können Geländeunebenheiten in der Regel ausreichend nur dann (allein) mit Hilfe eines mesoskaligen diagnostischen Windfeldmodells berücksichtigt werden, wenn die Steigung des Geländes den Wert 1:5 nicht überschreitet und wesentliche Einflüsse von lokalen Windsystemen oder anderen meteorologischen Besonderheiten ausgeschlossen werden können. In anderen Fällen bedarf es weiterer Untersuchungen etwa durch Verwendung eines prognostischen Strömungsmodells, mit dessen Hilfe auch thermisch oder dynamisch induzierte meteorologische Phänomene berücksichtigt werden können (HessVGH, Urt. v. 07.05.2009, a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass am Vorhabenstandort besondere Strömungsverhältnisse herrschen. Insbesondere ist ein größerer Anstieg des Geländes nicht festzustellen.
- 117
Nicht zu beanstanden ist, dass der Sachverständige (A.) die Ausbreitungsrechnung auf der Grundlage der Ausbreitungszeitenreihe des repräsentativen Jahres 2009 der Station Magdeburg durchgeführt hat. Er hat zuvor beim Deutschen Wetterdienst (DWD) eine Qualifizierte Prüfung (QPR) der Übertragbarkeit einer Ausbreitungsklassenzeitreihe (AKTerm) bzw. einer Ausbreitungsklassenstatistik (AKS) nach TA Luft 2002 auf den Standort des Vorhabens der Beigeladenen in Auftrag gegeben. Im daraufhin erstellten amtlichen Gutachten des DWD vom 15.05.2013 wurden insbesondere auch die lokalen topografischen Einflüsse auf das Windfeld am Standort untersucht und die Bebauung und Geländeunebenheiten berücksichtigt (vgl. Anlage 6 zum Gutachten, Abschnitte 8 und 9, Seite 13 f.). Dort heißt es, die Freiflächen rund um den Standort seien gute Kaltluftproduzenten. Bodennahe Emissionen würden sich bei nächtlichen windschwachen Strahlungswetterlagen, zusammen mit der von den Hochflächen und Hängen nördlich und nordöstlich des Standortes abfließenden Kaltluft, in südliche bis südwestliche Richtung (in Richtung Bode und Mühlgraben) ausbreiten und dabei allmählich verdünnen. Die Fließgeschwindigkeit hänge von der Geländeneigung und der aerodynamischen Rauhigkeit ab. Nennenswerte Auswirkungen auf die Windverteilung würden aber nicht gesehen, zumal sich die Bodeniederung im Verlauf der Strahlungsnacht rasch mit Kaltluft füllen dürfte, womit bodennahe Kaltluftströme nahezu zum Erliegen kämen. Einflüsse lokaler Windsysteme auf die Windverhältnisse in 10 m über Grund würden als nicht relevant eingeschätzt, da sich am Standort bei windschwachen Strahlungswetterlagen aufgrund der orografischen und topografischen Strukturen keine thermisch induzierten Zirkulationssysteme ausbilden könnten. Wenn die Emissionshöhe das 1,2-fache, aber nicht das 1,7-fache der zu berücksichtigenden Gebäudehöhen oder Bewuchshöhen überschreite, werde empfohlen, die Einflüsse mit Hilfe eines Windfeldmodells für Gebäudeüberströmung zu berücksichtigen. Falls im Rechengebiet Höhendifferenzen von mehr als dem 0,7-fachen der Emissionshöhe über eine Strecke, die mindestens dem zweifachen der Emissionshöhe entspreche, vorkämen, seien orografische Einflüsse mit Hilfe eines mesoskaligen Windfeldmodells zu berücksichtigen. Dies betreffe Steigungen von mehr als 1:20, aber nicht über 1:5. Nach Kartenlage seien im mindestens 1 km x 1 km großen Rechengebiet keine Geländesteigungen von 1:20 und mehr auszumachen.
- 118
Darauf aufbauend hat der Gutachter zur Bebauung und Bodenrauhigkeit Folgendes festgehalten: Die Firsthöhe der Ställe betrage einheitlich 7,17 m. Entsprechend der Festlegung des Genehmigungsbescheides betrügen die Ableitungshöhen der Abluftkamine 10,8 m über Grund. Durch schaltungstechnische Maßnahmen der Einzelkamine werde gesichert, dass die Abluftgeschwindigkeit in jeder Betriebsstunde minimal 7 m/s beträgt. Dadurch werde gesichert, dass die Abluft in den freien Luftstrom gelangt. Betrage die Schornsteinhöhe – wie hier – weniger als das 1,7-fache und ist die freie Abströmung gewährleistet, könnten die Einflüsse der Bebauung mit Hilfe eines diagnostischen Windfeldmodells für Gebäudeumströmung berücksichtigt werden (Anhang 3, Nr. 10 der TA Luft). Dabei seien die Gebäude zu berücksichtigen, deren Abstand von den Emissionsquellen weniger als das 6-fache der Höhe der Abluftkamine (< 65 m) betrage. Somit würden bei der Ausbreitungsrechnung die Ställe 1 bis 3 sowie der Zwischenbau (Stall 1a) als Strömungshindernisse berücksichtigt. Bei der Digitalisierung der Stallhöhen würden die Stalldächer mit 2/3 der Bauhöhe zwischen First und Traufe berücksichtigt. Im weiteren Umfeld der Tierhaltungsanlage werde die vorhandene Bebauung und der Bewuchs durch die Rauhigkeitslänge z0 berücksichtigt. Die Rauhigkeitslänge sei für ein kreisförmiges Gebiet mit einem Radius der 10fachen Kaminhöhe festzulegen. Die mittlere Rauhigkeitslänge betrage, entsprechend des im Anhang 3 der TA Luft dargestellten CORINE-Katasters, zo = 1 m. In der Ausbreitungsrechnung würden die Stallgebäude als Strömungshindernisse berücksichtigt; daher werde der zo-Wert auf 0,5 m herabgesetzt.
- 119
Nicht stichhaltig ist der Einwand der Klägerin, das Protokoll der Ausbreitungsrechnung sei in den Emissionsdaten um die korrigierten Ableitbedingungen als vertikale Linienquellen zu erweitern, weil es einer Erläuterung des Umstandes bedürfe, dass die Ställe angeblich optimiert seien. Gleiches gilt für die Rüge, es hätte ein gänzlich anderes Lüftungskonzept in Ansatz gebracht werden müssen, um erhebliche Belästigungen zu vermeiden, weil die Emissionen aus den zwangsgelüfteten Ställen mit einer Geschwindigkeit von 7 m/s im Austrittsbereich aufträten. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die Abluftführung nach der erteilten Genehmigung nicht über Linienquellen (wie etwa Lüfterbänder), sondern über Abluftkamine als Punktquellen erfolgt. Die Optimierung der Abluftführung erfolgt nach den Nebenbestimmungen Nr. 3.1.1 und 3.1.4 zum Genehmigungsbescheid dergestalt, dass nach Nr. 5.5.2 der TA Luft eine Ableitung der Abluft senkrecht über First in einer Höhe von = 3 m über First und mindestens 10 m über Grund und mit einer Abluftgeschwindigkeit von = 7 m/s erfolgt.
- 120
Zu Unrecht wendet die Klägerin gegen die Ausbreitungsrechnung ein, der Gutachter habe verkannt, dass Abweichungen von den Vorgaben des Anhangs 3 der TA Luft (Ausbreitungsrechnung) bezüglich der Maschenweiten des Programms AUSTAL2000 im Gutachten zu begründen seien. Nach Nr. 7 des Anhangs 3 zur TA Luft ist das Raster zur Berechnung von Konzentrationen und Depositionen so zu wählen, dass Ort und Betrag der Immissionsmaxima mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden können. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die horizontale Maschenweite die Schornsteinhöhe nicht überschreitet. In Quellentfernungen größer als das 10fache der Schornsteinhöhe kann die horizontale Maschenweite proportional größer gewählt werden. Der Protokolldatei der Ausbreitungsrechnung mit dem Programm AUSTAL2000 (Anlage 5 zum Gutachten) lässt sich entnehmen, dass der Gutachter vier verschiedene Zellengrößen (3, 6, 12 und 24 m) verwendet hat. In der mündlichen Verhandlung hat er dies dahingehend erläutert, dass er das im Programm AUSTAL2000 automatisch vorgegebene geschachtelte Gitter mit Längen von 3, 6, 12 und 24 m verwendet habe.
- 121
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, der Gutachter habe verkannt, dass die standardmäßige Festlegung des Standortes des Anemometers nur gelte, wenn die Landnutzung (Rauhigkeitsverhältnisse) am Standort der Windmessung der Landnutzung am Anlagenstandort entspreche. Nach dem vom Gutachter (A.) eingeholten Gutachten des DWD vom 15.05.2013 ist aus meteorologischer Sicht die Jahreszeitreihe aus Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Ausbreitungsklasse der Station Magdeburg des Jahres 2009 geeignet. Wie oben bereits ausgeführt, haben die DWD-Gutachter dabei insbesondere auch die lokalen topografischen Einflüsse auf das Windfeld und die Rauhigkeitsverhältnisse berücksichtigt (vgl. Kapitel 5, 6 und 8). In Kapitel 7 wird ferner ausgeführt, dass die orografischen Bedingungen (Höhenprofil) am Standort mit denen an der Wetterwarte Magdeburg in etwa vergleichbar seien, so dass die Auswahl eines „Zielortes“ als Anemometerstandort der Ausbreitungsrechnung im Rechengebiet (xa, ya) nicht notwendig sei. Es werde jedoch freigestellt, als „Zielort“ im Rechengebiet einen Aufpunkt zu verwenden, der etwas höher liege als der Standort selbst. Dieser Aufpunkt mit den Gauß-Krüger-Koordinaten rechts 44 66 400 und hoch 57 57 500 sei ca. 1,1 km nordöstlich vom Standort in einer Höhe von ca. 91 m NN zu finden. Dem entsprechend hat der Gutachter (A.) für die Ausbreitungsrechnung als Anemometerstandort den von den DWD-Gutachtern vorgeschlagenen Aufpunkt ca. 1,1 km nordöstlich des Anlagenstandorts gewählt (vgl. S. 15 des Gutachtens).
- 122
Die Klägerin rügt auch ohne Erfolg, der Gutachter habe verkannt, dass bei einer sehr inhomogenen Verteilung der Rauhigkeitslänge im Rechengebiet, wie sie hier anzutreffen sei, eine ausführlichere Betrachtung erforderlich sei. Nach Nr. 5 des Anhangs 3 zur TA Luft wird die Bodenrauhigkeit durch eine mittlere Rauhigkeitslänge z0 beschrieben, die nach Tabelle 14 des Anhangs 3 der TA Luft aus den Landnutzungsklassen des CORINE-Katasters zu bestimmen ist. Die Tabelle 14 des Anhangs 3 zur TA Luft enthält folgende mittlere Rauhigkeitslängen in Abhängigkeit von den Landnutzungsklassen des CORINE-Katasters:
- 123
z0 in m
CORINE-Klasse
0.01
Strände, Dünen und Sandflächen (331); Wasserflächen (512)
0,02
Deponien und Abraumhalden (132); Wiesen und Weiden (231); Natürliches Grünland (321); Flächen mit spärlicher Vegetation (333); Salzwiesen (421); In der Gezeitenzone liegende Flächen (423); Gewässerläufe (511); Mündungsgebiete (522)
0,05
Abbauflächen (131); Sport- und Freizeitanlagen (142); Nicht bewässertes Ackerland (211); Gletscher und Dauerschneegebiete (335); Lagunen (521)
0,10
Flughäfen (124); Sümpfe (411); Torfmoore (412); Meere und Ozeane (523)
0,20
Straßen, Eisenbahn (122); Städtische Grünflächen (141); Weinbauflächen (221); Komplexe Parzellenstrukturen (242); Landwirtschaft und natürliche Bodenbedeckung (243); Heiden und Moorheiden (322); Felsflächen ohne Vegetation (332)
0,50
Hafengebiete (123); Obst- und Beerenobstbestände (222); Wald-Strauch-Übergangsstadien (324)
1,00
Nicht durchgängig städtische Prägung (112); Industrie- und Gewerbeflächen (121); Baustellen (133); Nadelwälder (312)
1,50
Laubwälder (311); Mischwälder (313)
2,00
Durchgängig städtische Prägung (111)
- 124
Nr. 5 des Anhangs 3 zur TA Luft bestimmt weiter, dass die Rauhigkeitslänge für ein kreisförmiges Gebiet um die Quelle festzulegen ist, dessen Radius das 10fache der Bauhöhe der Quelle beträgt. Setzt sich dieses Gebiet aus Flächenstücken mit unterschiedlicher Bodenrauhigkeit zusammen, so ist eine mittlere Rauhigkeitslänge durch arithmetische Mittelung mit Wichtung entsprechend dem jeweiligen Flächenanteil zu bestimmen und anschließend auf den nächstgelegenen Tabellenwert zu runden. Es ist zu prüfen, ob sich die Landnutzung seit Erhebung des Katasters wesentlich geändert hat oder eine für die Immissionsprognose wesentliche Änderung zu erwarten ist. Variiert die Bodenrauhigkeit innerhalb des zu betrachtenden Gebiets sehr stark, ist der Einfluss des verwendeten Wertes der Rauhigkeitslänge auf die berechneten Immissionsbeiträge zu prüfen. Der Gutachter (A.) hat bei seiner Ausbreitungsrechnung die vorhandene Bebauung und den Bewuchs im weiteren Umfeld der Tierhaltungsanlage (> 65m) berücksichtigt und hat eine Rauhigkeitslänge z0. von 0,5 m angenommen unter Hinweis darauf, dass die Stallgebäude als Strömungshindernisse berücksichtigt seien, so dass der z0-Wert auf 0,5 m herabgesetzt werde. In Anbetracht der in der Tabelle 14 des Anhangs 3 zur TA Luft aufgeführten Rauhigkeitslängen zwischen 0,02 u.a. für Wiesen und Weiden, natürliches Grünland und Flächen mit spärlicher Vegetation und 1,0 für Flächen mit nicht durchgängig städtischer Prägung sowie der Vorgabe in Nr. 5 des Anhangs 3 zur TA Luft, bei Gebieten mit unterschiedlicher Bodenrauhigkeit eine mittlere Rauhigkeitslänge durch arithmetische Mittelung mit Wichtung entsprechend dem jeweiligen Flächenanteil zu bestimmen, begegnet die vom Gutachter vorgenommene Bestimmung der Rauhigkeitslänge keinen Bedenken.
- 125
Die Klägerin rügt ferner, es sei nicht ersichtlich, dass bei der Ausbreitungsrechnung die Vorgabe in Nr. 9 des Anhangs 3 der TA Luft berücksichtigt worden sei, nach der die statistische Unsicherheit im Rechengebiet bei Bestimmung des Jahres-lmmissionskennwertes 3 % des Jahres-Immissionswertes und beim Tages-lmmissionskennwert 30 % des Tages-Immissionswertes nicht überschreiten dürfe. Gegebenenfalls sei die statistische Unsicherheit durch eine Erhöhung der Partikelzahl (Parameter qs) zu reduzieren. Um den Forderungen der TA Luft nachzukommen, sei ein Nachweis darüber zu führen, dass im gesamten Rechengebiet der relative Stichprobenfehler nicht größer als 3 % des Jahresimmissionswertes sei. Die räumliche Verteilung des Stichprobenfehlers sei im Gutachten darzustellen. Für Geruchsausbreitungsrechnungen sei daher eine Qualitätsstufe von +1 und höher anzusetzen. Der Gutachter (A.) hat in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt, dass er die Qualitätsstufe +1 gewählt habe und diese Qualitätsstufe ausreiche, um eine statistische Unsicherheit von weniger als 3 % zu erreichen. Auch daran ist nichts zu erinnern. Die Qualitätsstufe +1 ist auch in der Protokolldatei zur Ausbreitungsrechnung als (qs 1) dargestellt.
- 126
Die Klägerin trägt weiter vor, die Gebäude würden in AUSTAL2000 wie Volumenquellen als Quader vorgegeben, wobei die Unterseite des Quaders immer auf dem Erdboden aufliege. Kreisförmige Gebäude können ebenfalls in AUSTAL2000 definiert werden. Gebäude würden intern auf dem Rechennetz aufgerastet, d.h. die Gitterzellen des Rechennetzes würden als Gebäudezellen angesehen, die ganz oder überwiegend von Gebäuden ausgefüllt seien. Die aufgerasterten Gebäude dürften nicht mit Quellen überlappen, d. h. Quellen dürfen sich nicht innerhalb von Gebäuden befinden. Das Windfeld zur Umströmung der Gebäude könne mit einem diagnostischen Windfeldmodell (z.B. TALdia) berechnet werden. Das Modell TALdia berechne für jede der 6 Stabilitätsklassen 36 Windfelder. Seien Gebäude vorgegeben, berechne das Modell TALdia zuerst ein divergenzfreies Windfeld ohne Gebäude. In dieses würden dann die Gebäudeeinflüsse eingearbeitet. Das Ergebnis sei ein divergenzfreies Windfeld mit an Gebäude angepassten Randbedingungen. Der angegebene Divergenzfehler (größter im Rechennetz gefundener Divergenzwert) sollte unter 0,05 liegen. Ein entsprechender Hinweis sei in der Protokolldatei TALdia.log ablesbar. Die Klägerin beanstandet insoweit, dass nicht erkennbar sei, wie der Gutachter die Modellierung der Gebäude und Stallanlagen sowie der sonstigen Emissionsquellen vorgenommen habe. Der Gutachter (A.) hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er in der von der Klägerin beschriebenen Weise vorgegangen sei, insbesondere die Gebäude entsprechend berücksichtigt habe. Das Programm TALdia sei Teil des verwendeten Ausbreitungsmodells. Die Bedingung, dass sich Gebäude nicht mit Quellen überlappen dürfen, Quellen sich also nicht innerhalb von Gebäuden befinden dürfen, habe vorgelegen.
- 127
Das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil eine vom Gutachter (K.) für nötig befundene Begehung vor Ort, um die Ergebnisse der Ausbreitungsrechnung bezüglich der Geruchswahrnehmungshäufigkeit für den konkreten Standort zu kalibrieren bzw. validieren, nicht stattgefunden hat. Weder die GIRL noch der Anhang 3 zur TA Luft für die Berechnung der Zusatzbelastung verlangen dies.
- 128
Der Gutachter der Klägerin hat ferner beanstandet, unter bestimmten Bedingungen komme es zu einem Herunterschlagen der Abluftfahne. Dieser Vorgang sei im Programm AUSTAL2000G nicht vermerkt. Da man hierin eine Beschneidung des ansonsten positiven Effektes der hochgezogenen Quellen sehe, habe man eine Korrektur vorgenommen und sog. vertikale Linienquellen in das Programm einbezogen. Welche Parameter benutzt werden, bleibe dem Anwender verschlossen. Der Gutachter (A.) hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er bei den Emissionen aus den Abluftkaminen keine vertikalen Linienquellen in die Ausbreitungsrechnung eingegeben habe, sondern nur Punktquellen. Einen Fehler vermag der Senat darin nicht zu erkennen. Bereits im schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige darauf verwiesen, dass für die betrachteten Abluftkamine der Ställe 1 bis 3 nach der VDI-Richtlinie 3782 Blatt 3/12 die freie Abströmung der Abluft gegeben sei, weil die dafür maßgeblichen Kriterien (Quellhöhe mindestens 10 m über Flur und 3 m über First sowie Abluftgeschwindigkeit in jeder Betriebsstunde minimal 7 m/s) eingehalten würden. Wegen der konkreten Abluftaustritts- und Abströmungsbedingungen seien die Abluftkamine der Ställe 1 bis 3 in der Ausbreitungsrechnung als Punktquellen berücksichtigt worden.
- 129
2.2.1.1.2. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für das Grundstück der Klägerin ergeben sich auch nicht durch Ammoniak- und Stickstoffimmissionen.
- 130
Soweit nach den Bestimmungen der TA Luft Grenzwerte für Ammoniak- und Stickstoffeinträge einzuhalten sind, dienen diese nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit sondern dem Schutz empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 10.03.2010 – 5 A 1375/09 –, juris, RdNr. 43). Die TA Luft enthält in Nr. 4 Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Anforderungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit werden in Nr. 4.2. der TA Luft gestellt. In Nr. 4.2.1 der TA Luft sind zum Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit Immissionswerte für verschiedene luftverunreinigende Stoffe festgelegt, nicht aber für Ammoniak oder Stickstoff. Nach Nr. 4.4.2 Abs. 3 der TA Luft ist nach Nr. 4.8 zu prüfen, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist. Nr. 4.8 der TA Luft enthält Vorgaben bezüglich luftverunreinigender Stoffe, für die Immissionswerte in den Nummern 4.2 bis 4.5 nicht festgelegt sind. Nach Nr. 4.8 Abs. 5 Satz 1 der TA Luft ist bei der Prüfung, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist, Anhang 1 Abbildung 4 heranzuziehen. Liegen ferner Anhaltspunkte dafür vor, dass der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme (z.B. Heide, Moor, Wald) durch Stickstoffdeposition nicht gewährleistet ist, soll dies ergänzend geprüft werden (Nr. 4.8 Abs. 6 Satz 1 der TA Luft). Ergeben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme auf Grund der Einwirkung von Ammoniak, soll der Einzelfall geprüft werden (Nr. 4.8 Abs. 7 Satz 1 der TA Luft). Dem entsprechend ist zu fragen, an welchen Stellen für gärtnerische, landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Betriebe unzumutbare Vermögenseinbußen durch Pflanzenschäden auftreten könnten und wo das Gemeinwohl beeinträchtigt werden könnte; fehlt es an derartigen Schutzgütern, sind weitere Prüfungen nicht erforderlich (vgl. Hansmann, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 3.2 - TA Luft Nr. 4.8, RdNr. 47).
- 131
Damit kann sich ein Nachbar – jedenfalls im Grundsatz – nicht auf die Verletzung einer drittschützenden Regelung durch Ammoniak- oder Stickstoffimmissionen berufen (vgl. VG München, Urt. v. 16.10.2007 – M 1 K 07.2892 –, juris, RdNr. 20). Ob etwas anderes für solche Nachbarn gilt, die Eigentümer von in der Nähe der emittierenden Anlage liegenden Flächen mit empfindlichen Pflanzen oder Ökosystem (etwa Waldflächen) sind (so VG Augsburg, Urt. v. 04.07.2012 – Au 4 K 11.620 –, juris, RdNr. 24; VG Würzburg, Urt. v. 19.10.2010 – W 4 K 07.1422 –, juris, RdNr. 154 ff.), kann hier offen bleiben. Es ist nicht ersichtlich, dass sich auf dem Grundstück der Klägerin empfindliche Pflanzen und Ökosysteme im Sinne von Nr. 4.8 Abs. 5 der TA Luft befinden.
- 132
2.2.1.1.3. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulasten der Klägerin ergeben sich ferner nicht aus von der Anlage der Beigeladenen ausgehenden Staubemissionen.
- 133
Einer Ermittlung der Immissions-Kenngrößen (Vor-, Zusatz- und Gesamtbelastung) bedarf es nach Nr. 4.6.1.1 TA Luft insoweit nicht. Nach dieser Regelung ist die Bestimmung der Immissions-Kenngrößen im Genehmigungsverfahren für den jeweils emittierten Schadstoff nicht erforderlich, wenn die nach Nr. 5.5 abgeleiteten Emissionen (Massenströme) die in Tabelle 7 festgelegten Bagatellmassenströme nicht überschreiten und die nicht nach Nr. 5.5 abgeleiteten Emissionen (diffuse Emissionen) 10 vom Hundert der in Tabelle 7 festgelegten Bagatellmassenströme nicht überschreiten, soweit sich nicht wegen der besonderen örtlichen Lage oder besonderer Umstände etwas anderes ergibt. Nach Nr. 5.5 erfolgt die Ableitung in der Regel über Schornsteine.
- 134
Der in der Tabelle 7 aufgeführte Bagatellmassenstrom für Staub (ohne Berücksichtigung der Staubinhaltsstoffe) von 1 kg/h in der durch Schornsteine abgeleiteten Stallabluft wird hier deutlich unterschritten. Der Beklagte hat unter Zugrundelegung eines Emissionsfaktors von 0,762 g/(GV*h) für Schweineställe und 0,145 g/(GV*h) für Rinderställe (UBA-Texte 75/02 BVT 7502) einen Emissionsmassenstrom der Gesamtanlage von 0,244 kg/h ohne und 0,192 kg/h mit Berücksichtigung der Abluftreinigung ermittelt (vgl. Bl. 84 der Beiakte D).
- 135
Anhaltspunkte für relevante diffuse Staubquellen sind nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Futtersilos. Nach den Nebenbestimmungen Nr. 3.1.19 und 3.1.20 ist die Abluft der Futtersilos über Abluftreinigungseinrichtungen (z.B. Filtergewebesack) abzuleiten, und während der Befüllung ist die Funktionsfähigkeit der Abluftreinigungseinrichtung durch Sichtkontrollen am Abluftaustritt zu kontrollieren. Nach der weiteren Nebenbestimmung 3.1.21 sind die Fahrwege im Anlagenbereich zu befestigen und entsprechend dem Verschmutzungsgrad zu säubern; über die Reinigungsmaßnahmen ist ein Nachweisbuch zu führen.
- 136
2.2.1.1.4. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass durch andere luftgetragene Schadstoffe wie Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen) oder Endotoxine schädlich Umwelteinwirkungen zu befürchten sind.
- 137
Zwar mögen von Tierhaltungsbetrieben ausgehende luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Mikroorganismen, z. B. Pilzsporen, und Endotoxine, grundsätzlich geeignet sein, nachteilig auf die Gesundheit zu wirken. Wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse darüber, von welcher Wirkschwelle an diese allgemeine Gefährdung in konkrete Gesundheitsgefahren für bestimmte Personengruppen umschlägt, sind aber nicht bekannt. Es gibt weder ein anerkanntes Ermittlungsverfahren noch verallgemeinerungsfähige Untersuchungsergebnisse über die gesundheitliche Gefährdung der Nachbarschaft durch eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Tierhaltung. Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist (vgl. zum Ganzen: OVG NW, Urt. v. 30.01.2014 – 7 A 2555/11 –, juris, RdNr. 91 ff. in juris, m.w.N.; vgl. auch Beschl. d. Senats v. 13.06.2013 – 2 M 16/13 –, juris, RdNr. 14 in juris, m.w.N.).
- 138
2.2.1.2. Schließlich sind schädliche Umwelteinwirkungen auch nicht im Hinblick auf die der Anlage zuzurechnenden Geräuschemissionen zu erwarten.
- 139
a) Der gesetzliche Maßstab für die Schädlichkeit von Geräuschen ist in der TA Lärm mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren jedenfalls insoweit abschließend konkretisiert, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (BVerwG, Urt. v. 29.08.2007 – BVerwG 4 C 2.07 –, BVerwGE 129, 209 [211], RdNr. 12).
- 140
b) Nach Nr. 3.2.1. der TA Lärm (Prüfung der Einhaltung der Schutzpflicht im Regelfall) ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 nicht überschreitet. Die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage darf auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Die Bestimmung der Vorbelastung kann entfallen, wenn die Geräuschimmissionen der Anlage die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 um mindestens 6 dB(A) unterschreiten.
- 141
c) Die TA Lärm enthält in Nr. 6.1 Immissionsrichtwerte für einzelne Baugebietstypen. Für allgemeine Wohngebiete liegt gemäß Nr. 6.1 Buchstabe d) der TA Lärm der Immissionsrichtwert tags bei 55 dB (A) und nachts bei 40 dB (A). In Dorfgebieten und Mischgebieten liegt er nach Nr. 6.1 Buchstabe c) der TA Lärm tags bei 60 dB (A) und nachts bei 45 dB (A). Nach Nr. 6.6 Satz 1 der TA Lärm ergibt sich die Art der in der Nr. 6.1 bezeichneten Gebiete und Einrichtungen aus den Festlegungen in den Bebauungsplänen. Gebiete und Einrichtungen, für die keine Festsetzungen bestehen, sind nach Nr. 6.1 entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen. Dem entsprechend werden Gebiete im Innenbereich, für die kein Bebauungsplan vorliegt, nach § 34 BauGB beurteilt; dabei wird die Eigenart der näheren Umgebung betrachtet und eingeschätzt, welche Baugebietstypen am ehesten der vorhandenen Bebauung und Nutzung entsprechen (Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, BImSchG, Band 4, B 3.6 TA Lärm RdNr. 55). Die Darstellungen eines Flächennutzungsplans sind bei der Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle nicht maßgeblich. Maßstab der Schutzbedürftigkeit gegenüber Lärm im unbeplanten Innenbereich ist die vorhandene Bebauung (§ 34 BauGB), was die Beachtlichkeit von Darstellungen des Flächennutzungsplans ausschließt (BVerwG, Beschl. v. 23.10.2000 – BVerwG 7 B 71.00 –, DVBl 2001, 642 [643], RdNr. 10 in juris). Nach Nr. 6.7 der TA Lärm können, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuscheinwirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen (Gemengelage), die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Die Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete sollen dabei nicht überschritten werden.
- 142
d) Das Wohngrundstück der Klägerin liegt – anders als die westlich der G-Straße liegenden Grundstücke (Wohngebiet „Am D-Platz“ sowie Sondergebiet Erholung „SO Woch“) – nicht innerhalb eines durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiets, jedoch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, für den die in Nr. 6.1 der TA Luft aufgeführten Immissionsrichtwerte herangezogen werden können.
- 143
aa) Für das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ausschlaggebend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört; wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich noch als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben sondern auf Grund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 02.04.2007 – BVerwG 4 B 7.07 –, BauR 2007, 1383, RdNr. 4 in juris). Der Bebauungszusammenhang endet in der Regel, sofern nicht besondere örtliche Gegebenheiten vorliegen, am letzten Baukörper (BVerwG, Urt. v. 16.09.2010 – BVerwG 4 C 7.10 –, NVwZ 2011, 436, RdNr. 12 in juris). Ob Straßen geeignet sind, einen Bebauungszusammenhang herzustellen, eine trennende Funktion erfüllen oder für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich ohne jegliche Aussagekraft sind, kann stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein (BVerwG, Beschl. v. 10.03.1994 – BVerwG 4 B 50.94 –, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 165, RdNr. 3 in juris, m.w.N.). Zu der insoweit maßstabsbildenden „vorhandenen Bebauung" kann auch qualifiziert beplantes Gebiet gehören (BVerwG, Beschl. 24.11.2009 – BVerwG 4 B 1.09 –, BRS 74 Nr. 94, RdNr. 5 in juris). Die Trennungslinie zwischen Innen- und Außenbereich fällt bei der Beplanung einer Fläche am Ortsrand nicht stets mit der „äußeren" Grenze des Bebauungsplanbereichs zusammen; anders liegt es vielmehr dann, wenn die Grenzziehung durch die tatsächliche Entwicklung – wie etwa durch die Fortsetzung der Bebauung über das Plangebiet hinaus – überholt ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 19.06.2012 – 2 L 132/11 –, BRS 79 Nr. 102, RdNr. 6 in juris, m.w.N.). Maßgeblich ist die vorhandene tatsächliche Bebauung. Von diesem Grundsatz ist auch dann keine Ausnahme zu machen, wenn innerhalb des Bereichs, nach dessen zusammenhängender Bebauung gefragt ist, qualifiziert beplantes Gebiet liegt (BVerwG, Urt. v. 31.10.1975 – BVerwG IV C 16.73 –, DÖV 1976, 381 [382], RdNr. 15 in juris).
- 144
Nach diesen Grundsätzen sind die Wohngrundstücke Chaussee 60 bis 63 und damit auch das Grundstück der Klägerin dem unbeplanten Innenbereich zuzuordnen. Diese Bebauung schließt sich unmittelbar an die westlich der G-Straße vorhandene Bebauung im Bebauungsplangebiet „Am D-Platz“ an und bildet den Abschluss des Ortsteils in östliche Richtung.
- 145
bb) Das Grundstück der Klägerin liegt in einem Gebiet, dass sich keinem der Nr. 6.1 der TA Lärm genannten Baugebietstypen zuordnen lässt, sondern sich als sog. Gemengelage oder „diffuse Bebauung“ darstellt.
- 146
Für die Bestimmung des maßgeblichen Baugebietstyps ist – wie im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB – maßgeblich, welche Arten der baulichen Nutzung sich in der „näheren Umgebung“ des Grundstücks der Klägerin befinden. Auch für die Beurteilung eines Bereichs als eines faktischen Baugebietes im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB ist (grundsätzlich) die nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB maßgebend (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.02.2000 – BVerwG 4 B 1.00 –, BRS 63 Nr. 102, RdNr. 18). Maßstabsbildend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst, wobei die nähere Umgebung für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen ist (BVerwG, Beschl. v. 13.05.2014 – BVerwG 4 B 38.13 –, juris, RdNr. 7).
- 147
aaa) Hiernach gehören zur „näheren Umgebung“ des Grundstücks der Klägerin die bebauten Grundstücke Chaussee 60 bis 63 und G-Straße 1 und 2, die sich östlich der G-Straße und südlich der Anlage der Beigeladenen befindet. Insbesondere wirkt sich auch das auf dem Grundstück A-Straße gelegene Bürogebäude der (...) GbR (...) aufgrund der geringen Entfernung noch prägend auf die Grundstücke Chaussee 60 bis 63 aus.
- 148
bbb) Die Wohnbebauung westlich der G-Straße kann hingegen nicht mehr dazugerechnet werden, weil sie innerhalb eines beplanten Gebiets liegt. Zwar kann bei der Beurteilung, ob sich ein Vorhaben in Bezug auf einzelne der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, zur näheren Umgebung auch Bebauung in einem benachbarten qualifiziert beplanten Gebiet zählen (so etwa SaarlOVG, Urt. v. 18.10.2002 – 2 Q 3/02 –, juris, RdNr. 10; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 34 RdNr. 37, unter Hinweis auf das Urteil des BVerwG v. 31.10.1975, a.a.O., das sich allerdings nur mit dem Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bei Bestehen eines qualifizierten Bebauungsplans befasst). Zur Beantwortung der Frage, ob gemäß § 34 Abs. 2 BauGB die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebietstypen entspricht, kann die Art der baulichen Nutzung in einem angrenzenden beplanten Gebiet aber nicht herangezogen werden. Da ein faktisches Baugebiet ausschließlich aus unbeplantem Gebiet besteht, kann zur Bestimmung der insoweit maßgeblichen Umgebung auch nur unbeplantes Gebiet herangezogen werden (BayVGH, Beschl. v. 06.09.2012 – 2 ZB 11.484 –, juris, RdNr. 4). Andernfalls würde sich das faktische Baugebiet quasi in das beplante Gebiet hinein erstrecken.
- 149
ccc) Zur näheren Umgebung des Grundstücks der Klägerin zählt auch nicht der Bereich, auf dem sich der Wirtschaftshof der (...) GbR (...) und die Stallanlagen der Beigeladenen befinden. Mit der „näheren Umgebung" im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, die sich prägend auf das Grundstück auswirkt und auf die sich das neue Vorhaben prägend auswirken kann, ist ein Bestandteil (nur) des Innenbereichs gemeint. Das, was innerhalb des „im Zusammenhang bebauten Ortsteils" an Gebäuden in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist, gibt für das zu bebauende Grundstück den „Rahmen" ab, in den sich das neue Vorhaben einfügen muss; was jenseits der Grenze des Innenbereichs im Außenbereich an vorhandenen privilegierten oder nicht privilegierten Gebäuden vorhanden ist, gibt dagegen für die benachbarte Innenbereichsbebauung keinen geeigneten Maßstab ab (BVerwG, Urt. v. 10.12.1982 – BVerwG 4 C 28.81 –, DVBl 1983, 349, RdNr. 16 in juris). Der Wirtschaftshof der (...) GbR (...) und die Stallanlagen der Beigeladenen sind – wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat – bereits dem Außenbereich (§ 35 BauGB) zuzuordnen.
- 150
Unter den Begriff der Bebauung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB fällt nicht jede beliebige bauliche Anlage. Gemeint sind vielmehr Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen; Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, sind unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlichen Zwecken (z.B. Scheunen oder Ställe), Freizeitzwecken (z.B. Wochenendhäuser, Gartenhäuser) oder sonstigen Zwecken dienen, in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen als ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element zu Buche schlagen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.03.2000 – BVerwG 4 B 15.00 –, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 198, RdNr. 3 in juris, m.w.N). Die Stallanlagen der Beigeladenen und die baulichen Anlagen des Wirtschaftshofs der (...) GbR (...) dienen indes nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen, sondern sind allein auf die landwirtschaftliche Nutzung ausgerichtet. Wegen des besonderen Nutzungszwecks hat der Gesetzgeber Stallungen und Wirtschaftsgebäude im Außenbereich privilegiert (vgl. ThürOVG, Urt. v. 11.12.1997 – 1 KO 674/95 –, BRS 59 Nr. 213, RdNr. 49 in juris). Zwar können auch Gebäude, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils beitragen (BVerwG, Beschl. v. 02.04.2007, a.a.O., RdNr. 4). Sie müssen aber, um einen Bebauungszusammenhang herstellen zu können, den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermitteln. Dies ist bei den hier in Rede stehenden landwirtschaftlichen Gebäuden der Beigeladenen und der (...) GbR (...) sowohl nach dem Eindruck, den der Berichterstatter bei der Ortsbesichtigung gewonnen hat, als auch nach den vorliegenden Lichtbildern und Luftbildern nicht der Fall. Zwischen der Bebauung auf den Grundstücken Chaussee 60 bis 63 einerseits und den Stallanlagen und Wirtschaftsgebäuden andererseits besteht eine deutlich erkennbare Zäsur, die sich nicht nur in der deutlich unterschiedlichen Bebauungsstruktur, sondern auch in der Unterbrechung der Bebauung durch die dazwischen liegenden Grünflächen zeigt. Aufgrund der völlig unterschiedlichen Bau- und Nutzungsstruktur westlich und östlich der G-Straße besteht auch nicht der Eindruck der Zusammengehörigkeit mit der westlich der G-Straße entstandenen Wohnbebauung.
- 151
dd) Die hiernach maßgebliche Bebauung auf den Grundstücken Chaussee 60 bis 63 sowie G-Straße 1 und 2 entspricht keinem der in Nr. 6.1 der TA Lärm aufgeführten Baugebietstypen.
- 152
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Umgebung eines (Bau-)Grundstücks in einem nicht beplanten Baugebiet einem der Baugebiete der §§ 2 ff. BauNVO entspricht, ist von maßgeblicher Bedeutung, inwieweit die maßgebliche Umgebung bauliche Elemente enthält, die nur einem der Baugebietstypen der BauNVO zuzuordnen sind, wobei nicht erforderlich ist, dass für die Zweckbestimmung nicht wesentliche einzelne Anlagen auch vorhanden sein müssen. Insoweit ist in erster Linie auf die nach den Bestimmungen der BauNVO in den verschiedenen Baugebieten allgemein zulässigen Nutzungen abzustellen; Nutzungen die in einem Baugebiet nach der BauNVO nur ausnahmsweise zulässig sind, stehen der Einordnung in ein solches Baugebiet entgegen, wenn sie sich nicht auf Ausnahmefälle beschränken und eine prägende Wirkung auf die Umgebung ausüben. Unzulässig ist es hingegen, eine vorhandene Bebauung in Zielrichtung auf eine scharfe Trennung von Gebietscharakter und zulässiger Bebauung geradezu gewaltsam in ein Baugebiet der in den §§ 2 bis 11 BauNVO bezeichneten Art zu pressen; dies schließt allerdings nicht aus, dass bestimmte Arten von Nutzungen außer Betracht bleiben, weil sie entweder nicht wesentlich sind oder so genannte Fremdkörper darstellen (vgl. zum Ganzen: Urt. d. Senats v. 14.11.2006 – 2 L 504/02 –, juris, RdNr. 25, m.w.N.).
- 153
aaa) Hiernach kommt die Einstufung als reines oder allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 3 oder § 4 BauNVO nicht in Betracht, weil das von der (...) GbR (...) genutzte Bürogebäude in solchen Gebieten nicht – auch nicht ausnahmsweise – zulässig ist (vgl. HessVGH, Beschl. v. 10.10.2001 – 3 TG 2595/01 –, juris, RdNr. 10).
- 154
Das Bürogebäude kann bei der Bestimmung des Gebietscharakters nicht als „Ausreißer“ unberücksichtigt bleiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 – BVerwG 4 C 23.86 –, BVerwGE 84, 322 [325 f.], RdNr. 13 ff. in juris) bestimmt zwar nicht jegliche vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung ihren Charakter. Vielmehr muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden und alles außer acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint. Auszusondern sind zum einen solche baulichen Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild (Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt. Zum anderen können auch solche Anlagen aus der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung auszusondern sein, die zwar quantitativ die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, aber nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Das wird namentlich dann anzunehmen sein, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht.
- 155
Hiernach kann das Bürogebäude der (...) GbR (...)nicht als „Fremdkörper“ ausgesondert werden. Da die Bebauung im maßgeblichen Gebiet nur aus verhältnismäßig wenigen Gebäuden besteht, kann nicht davon gesprochen werden, dass das dem benachbarten Landwirtschaftsbetrieb dienende Bürogebäude in quantitativer Hinsicht das Gebiet nicht prägen kann. Qualitativ erscheint es in der Umgebung nicht als Fremdkörper. Es steht nicht in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung, die auch durch Gebäude ehemaliger landwirtschaftlicher Hofstellen geprägt ist.
- 156
bbb) Auch die Einstufung als faktisches Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO scheidet aus. Ein solches Gebiet dient gemäß § 5 BauNVO der Unterbringung landwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen, der Unterbringung nicht wesentlich störender Gewerbebetriebe sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben, wobei auf die Belange der landwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. In diesem Rahmen handelt es sich somit um ein „ländliches Mischgebiet", dessen Charakter grundsätzlich nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis der zulässigen Nutzungsarten abhängt. Eine – sich jedenfalls in gewissen Grenzen haltende – Zunahme der Wohnbebauung in einem Dorfgebiet führt für sich gesehen noch nicht zu einer – rechtlichen – Änderung des Gebietscharakters im Sinne der BauNVO (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 19.01.1996 – BVerwG 4 B 7.96 –, BRS 58 Nr. 67). Auch setzt die Einordnung als faktisches Dorfgebiet nicht voraus, dass den dort vorhandenen Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe ein zahlenmäßiges oder sonstiges Übergewicht zukommt (VGH BW, Urt. v. 18.01.2011 – 8 S 600/09 –, NVwZ-RR 2011, 393 [395], RdNr. 33 in juris). Im Gegensatz zu den Baugebieten nach den §§ 3 und 4 BauNVO, die allein durch die Wohnnutzung geprägt sind, dient das Dorfgebiet aber auch und vor allem der Unterbringung land- und forstwirtschaftlicher Betriebsstellen. Verschwindet die landwirtschaftliche Nutzung aus einem Dorfgebiet völlig und erscheint eine Wiederaufnahme dieser Nutzung als ausgeschlossen, so wandelt sich der Gebietscharakter; je nach der vorhandenen Nutzung kann ein faktisches Wohn- oder auch ein Mischgebiet entstehen (BVerwG, Beschl. v. 29.05. 2001 – BVerwG 4 B 33.01 –, NVwZ 2001, 1055, RdNr. 5 in juris).
- 157
Da innerhalb des maßgebenden Gebiets westlich der G-Straße und südlich der sich bereits im Außenbereich befindlichen landwirtschaftlichen Gebäude der (...) GbR (...) und der Beigeladenen nach dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme durch den Berichterstatter keine landwirtschaftliche Nutzung mehr stattfindet und auch nicht zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung dort wieder aufgenommen wird, kann das Gebiet nicht als faktisches Dorfgebiet eingeordnet werden.
- 158
ccc) Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht schließlich auch keinem faktischen Mischgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO).
- 159
Die Eigenart des Mischgebiets als Baugebietstyp zeichnet sich nach § 6 Abs. 1 BauNVO dadurch aus, dass es sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, dienen soll. Beide Hauptnutzungsarten stehen nicht in einem Rangverhältnis zueinander. Sie stehen als gleichwertige Funktionen nebeneinander, wobei das Verhältnis der beiden Nutzungsarten weder nach der Fläche noch nach Anteilen bestimmt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.1972 – BVerwG 4 C 11.69 –, BVerwGE 40, 94 [100]). Dieses gleichwertige Nebeneinander zweier Nutzungsarten bedeutet, dass keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen soll (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 – BVerwG 4 C 64.79 – BVerwGE 68, 207 [210], RdNr. 9 in juris). Die zwei Hauptnutzungsarten Wohnen und nicht wesentlich störendes Gewerbe sind ohne abstufenden Zusatz nebeneinandergestellt worden; diese beiden Nutzungsarten sollen in den durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebieten auch in ihrer jeweiligen Quantität „gemischt" sein. In dieser sowohl qualitativ als auch quantitativ zu verstehenden Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe liegt die normativ bestimmte besondere Funktion des Mischgebiets, mit der dieses sich von den anderen Baugebietstypen der BauNVO unterscheidet; sie bestimmt damit zugleich dessen Eigenart (BVerwG, Urt. v. 04.05.1988 – BVerwG 4 C 34.86 –, BVerwGE 79, 309 [312], RdNr. 18 in juris).
- 160
Eine solche für ein Mischgebiet typische „durchmischte“ Bebauung findet sich im maßgeblichen Bereich nicht. Allein der Umstand, dass sich dort ein einem Mischgebiet gemäß § 6 Abs. 2 Nr. Nr. 2 BauNVO zulässiges Bürogebäude befindet, genügt hierfür nicht.
- 161
ee) Lässt sich damit die Eigenart der näheren Umgebung keinem der Baugebiete im Sinne der §§ 2 ff. BauNVO zuordnen, sondern handelt es sich um eine sog. Gemengelage oder „diffuse Bebauung“, kommt es bei der Heranziehung der Immissionsrichtwerte in Nr. 6.1 der TA Lärm darauf an, welchem Baugebietstyp die vorhandene Bebauung am ehesten entspricht (vgl. Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, BImSchG, Band 4, B 3.6 TA Lärm RdNr. 55). Denn Nr. 6.1 der TA Lärm enthält für solche Baugebiete keine Immissionsrichtwerte. Die in Nr. 6.7 der TA Lärm verwendete Begriff der „Gemengelage“ ist ein anderer; er betrifft solche Konstellationen, in denen gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuscheinwirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen. Der Senat geht davon aus, dass das maßgebliche Gebiet westlich der G-Straße und südlich der landwirtschaftlichen Gebäude der (...) GbR (...) und der Beigeladenen von dem in Nr. 6.1 der TA Lärm genannten Baugebiete einem Mischgebiet am nächsten kommt. Die dort vorzufindenden Wohngebäude und das Bürogebäude sind gemeinsam nur in einem Mischgebiet gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig.
- 162
Dies hat zur Folge, dass die in Nr. 6.1 Buchstabe c) der TA Lärm für Kern-, Dorf und Mischgebiete geltenden Immissionsrichtwerte von 60 dB (A) tags und 45 dB (A) nachts heranzuziehen sind. Diese Werte dürften im Übrigen auch dann maßgeblich sein, wenn mit der Klägerin davon auszugehen wäre, dass sich die Anlage der Beigeladenen im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB) befindet. Dann dürfte sich die nähere Umgebung des Grundstücks der Klägerin bei Einstufung der Tierhaltung als landwirtschaftliche Nutzung als faktisches Dorfgebiet und bei Einstufung der Tierhaltung als Gewerbebetrieb als faktisches Mischgebiet oder als eine durch gewerbliche Nutzung mitgeprägte Gemengelage darstellen. Die von der Anlage der Beigeladenen ausgehende und auf das Grundstück der Klägerin einwirkende Lärmbelastung erreichen nach der vom Senat eingeholten schalltechnischen Untersuchung des Sachverständigen (S.) Beurteilungspegel von 54 dB (A) tags und 37 dB (A) nachts. Sie unterschreitet damit die hier maßgeblichen Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 Buchstabe c) der TA Lärm um 6 dB (A) tags und 8 dB (A) nachts mit der Folge, dass nach Nr. 3.2.1 der TA Lärm der von der Anlage der Beigeladenen verursachte Immissionsbeitrag als nicht relevant anzusehen ist und die Bestimmung der Vorbelastung entfallen konnte.
- 163
2.2.2. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind bei der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen (Änderungs-)Genehmigung u.a. auch die bauplanungsrechtlichen Bestimmungen zu beachten.
- 164
Ein Verstoß gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt sind, liegt nicht vor. Dabei ist aus den oben (2.2.1.2. d) bb) ccc)) bereits dargelegten Gründen davon auszugehen, dass sich der Standort der Anlage der Beigeladenen im Außenbereich befindet.
- 165
2.2.2.1. Dem entsprechend kann sich die Klägerin nicht auf den sog. Gebietserhaltungsanspruch berufen, der den Eigentümern von Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet oder in einem „faktischen“ Baugebiet liegen, das Recht gibt, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässiges Vorhaben in diesem Gebiet zur Wehr zu setzen. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses; im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses kann das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des (faktischen) Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindert werden (BVerwG, Beschl. v. 22.12.2011 – BVerwG 4 B 32.11 –, BRS 78 Nr. 171).
- 166
2.2.2.2. Die Klägerin kann auch nicht damit durchdringen, dass die Anlage der Beigeladenen im Außenbereich weder nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB noch nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert sei, dem Vorhaben öffentliche Belange entgegenstehen oder das Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtige.
- 167
Der Vorschrift des § 35 BauGB kommt nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Norm zu (BVerwG, Beschl. v. 03.04.1995 – BVerwG 4 B 47.95 –, BRS 57 Nr. 224, m.w.N.). Ein Nachbarschutz kommt im Anwendungsbereich des § 35 BauGB nur über das dem § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltene Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme in Betracht. Dies würde hier voraussetzen, dass die Klägerin durch das Vorhaben der Beigeladenen unzumutbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt ist. Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird. Immissionsschutzrecht und Bebauungsrecht stehen in einer Wechselwirkung zueinander; einerseits konkretisiert das BImSchG die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht; andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 – BVerwG 4 B 87.99 –, NVwZ 2000, 679, RdNr. 7 in juris). Solche schädlichen Umwelteinwirkungen liegen aus den oben bereits dargelegten Gründen nicht vor.
- 168
2.2.3. Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass das Vorhaben der Beigeladenen gegen auch dem Nachbarschutz dienende brandschutzrechtliche Vorschriften verstößt.
- 169
Brandschutzrechtliche Vorschriften haben nachbarschützenden Charakter, soweit sie das Übergreifen von Bränden auf die Nachbarschaft verhindern sollen (vgl. Beschl. d. Senats v. 19.10.2012 – 2 L 149/11 –, NVwZ-RR 2013, 87 [89], RdNr. 21 in juris; Böhme, in: Jäde/Dirnberger, Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, § 14 RdNr. 12; Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBauO, Art. 71 RdNr. 274), wie etwa die Vorschriften über äußere Brandwände in Bezug auf das Nachbargrundstück (vgl. OVG BBg, Urt. v. 06.12.2011 – OVG 10 B 6.11 –, BRS 79 Nr. 205, RdNr. 36 in juris) oder die Regelungen über den Grenzabstand und den Abstand von Dachaufbauten oder Dachöffnungen (Böhme, a.a.O., m.w.N.). Nach der allgemeinen Vorschrift des § 14 Abs. 1 BauO LSA sind bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Die Absätze 2 und 3 des § 14 BauO LSA enthalten Anforderungen an die zu verwendenden Baustoffe und Bauteile sowie über deren Brandverhalten und Feuerwiderstandsfähigkeit. Da durch den einzelnen speziellen brandschutztechnischen Vorschriften zuerkannten Drittschutzcharakter mögliche Verletzungen nachbarlicher Rechte bereits im Vorfeld des § 14 BauO LSA aufgefangen werden können, kommt ein Rückgriff auf § 14 BauO LSA zur Begründung des Nachbarrechtsschutzes grundsätzlich nicht mehr in Betracht (Böhme, a.a.O., RdNr. 12).
- 170
Soweit die Klägerin rügt, der Altbestand enthalte viele „brandgefährdete“ Stoffe, die im Brandfall zur Belastung von Menschen führen würde, ist nicht erkennbar, welche in Betracht kommenden nachbarschützenden Vorschriften durch das Vorhandensein bestimmter Baustoffe konkret verletzt sein sollen. § 14 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA enthält zwar ein generelles Verwendungsverbot für Baustoffe, die nicht mindestens normalentflammbar (leicht entflammbar) sind, soweit sie nicht in Verbindung mit anderen Baustoffen mindestens normalentflammbar sind. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass hiergegen verstoßen wird. Im Übrigen hängt die Zulässigkeit von Baustoffen in Bezug auf ihr Brandverhalten und ihre Feuerwiderstandsfähigkeit im Sinne von § 14 Abs. 2 und 3 BauO LSA davon ab, für welche Bauteile sie verwendet werden sollen (vgl. §§ 26 ff. BauO LSA). Es sind auch insoweit keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass einzelne Bauteile speziellen brandschutzrechtlichen Vorschriften nicht entsprechen, die zumindest auch den Zweck verfolgen, ein Übergreifen eines Brandes auf die Nachbarschaft zu verhindern. Ob eine „Brandschutzabnahme“ erfolgt ist oder nicht, betrifft nicht die Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
- 171
II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen Sachantrag gestellt und sich so dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
- 172
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus den §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO.
- 173
IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. November 2013 wird der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 26. Februar 2013 abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,00 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat Erfolg.
- 2
1. Gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels bestehen im Hinblick auf die Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist keine Bedenken.
- 3
Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Die Begründung ist, sofern sie – wie hier – nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen und muss unter anderem einen bestimmten Antrag enthalten (§ 146 Abs. 4 Sätze 2 und 3 VwGO).
- 4
Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. November 2013 wurde dem Beigeladenen am 3. Dezember 2013 zugestellt, so dass die Beschwerdebegründungsfrist am 3. Januar 2014 ablief. Bereits am 19. Dezember 2013 lag dem Oberverwaltungsgericht indes laut hier geführter Dokumentenliste ein fehlerhaft an das Verwaltungsgericht adressiertes Schreiben des Beigeladenen vom gleichen Tag vor, das trotz seiner teilweise missverständlichen Ausführungen zu § 80 Abs. 7 VwGO die Voraussetzungen erfüllt, die an eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung zu stellen sind. So wird auf Seite 1 des vorgenannten Schriftsatzes ausdrücklich Bezug auf das von dem Beigeladenen „eingelegte Rechtsmittel der Beschwerde“ genommen, sodann darauf verwiesen, dass diese nunmehr wie folgt begründet werde (Seite 2) und schließlich auf das laufende „Beschwerdeverfahren“ verwiesen (Seite 3). Ferner zeigt der Beigeladene im Einzelnen auf, in welchen Punkten die erstinstanzlichen Feststellungen aus seiner Sicht nicht tragfähig sind.
- 5
2. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (vgl. zum Prüfungsumfang § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und den von der Antragstellerin begehrten vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.
- 6
Allerdings steht dem Begehren der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegen, dass die Biogasanlage mittlerweile offenbar bereits errichtet bzw. zumindest weitgehend fertiggestellt worden ist. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass für einen einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse mehr besteht, sofern das beanstandete Bauwerk im Wesentlichen erstellt worden ist, gilt dies in vollem Umfang jedoch nur, wenn die geltend gemachte Beeinträchtigung gerade vom Bauwerk selbst ausgeht. Da sich der Regelungsgehalt einer Baugenehmigung aber nicht auf die Errichtung des Bauwerks selbst beschränkt, sondern darüber hinaus deren bestimmungsgemäße Nutzung umfasst, ist vorläufiger Rechtsschutz grundsätzlich auch dann zu gewähren, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung gerade und vorrangig durch die Nutzung eintritt bzw. eintreten kann. Dies ist hier der Fall. Nicht die Biogasanlage als Baukörper, sondern ihre Nutzung lässt eine Beeinträchtigung von Rechten der Antragstellerin nicht als ausgeschlossen erscheinen.
- 7
Der Senat kommt jedoch aufgrund der von ihm zu treffenden Interessenabwägung nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO zu dem Ergebnis, dass das in § 212a BauGB und § 71 Abs. 4 Satz 2 Landesbauordnung – LBauO – zum Ausdruck kommende öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Baugenehmigung und der darin gleichzeitig enthaltenen Ersatzvornahme des gemeindlichen Einvernehmens (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 LBauO) das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt. Denn es spricht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand alles dafür, dass der Widerspruch (bzw. eine anschließende Anfechtungsklage) der Antragstellerin gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 26. Februar 2013 keinen Erfolg haben wird.
- 8
Anders als das Verwaltungsgericht meint, verletzt die auf § 70 LBauO beruhende Baugenehmigung die Antragstellerin nicht in ihren rechtlich geschützten Interessen aus § 36 Baugesetzbuch – BauGB –.
- 9
Die in § 36 BauGB verankerte Mitwirkungsbefugnis der Gemeinde ist Ausdruck ihrer in § 2 BauGB einfachgesetzlich und über Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Planungshoheit. Dort wo sie selbst noch nicht geplant hat, ist sie im Genehmigungsverfahren an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens mitentscheidend beteiligt (BVerwG, Urteil vom 19. August 2004 – 4 C 16/03 –, NVwZ 2005, 83). Daraus folgt, dass sie einen Anspruch auf Einhaltung der für ein Vorhaben maßgebenden planungsrechtlichen Vorschriften der §§ 31, 33 bis 35 BauGB hat und deren Voraussetzungen bei versagtem Einvernehmen auf ihren Rechtsbehelf in vollem Umfang nachzuprüfen sind (vgl. OVG RP, Urteil vom 16. März 2006 – 1 A 10884/05.OVG –, juris). Die Gemeinde kann insbesondere einwenden, dass ein Vorhaben beispielsweise nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert ist oder öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstehen oder beeinträchtigt werden.
- 10
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist derzeit davon auszugehen, dass die genehmigte Biogasanlage nicht gegen § 35 BauGB verstößt, der vorliegend zur Anwendung kommt.
- 11
Planungsrechtlich ist die Biogasanlage, deren Standort ca. 150 m östlich der Hofstelle des Beigeladenen im Außenbereich liegt, nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert. Danach ist ein Vorhaben zulässig, wenn es der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nr. 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nr. 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient. Weiterhin ist unter anderem erforderlich, dass das Vorhaben in einem räumlich-funktionalem Zusammenhang mit dem Betrieb steht (Buchst. a), die Biomasse überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahegelegenen Betrieben nach den Nrn. 1, 2 oder 4 stammt (Buchst. b) und je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben wird (Buchst. c). Diese Voraussetzungen hat der Antragsgegner nach derzeitigem Sachstand zu Recht bejaht.
- 12
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist es bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage unerheblich, dass die Hofstelle des Beigeladenen nach dem zu den Verwaltungsunterlagen gereichten Kartenmaterial planungsrechtlich im Innenbereich liegen dürfte. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass weder der Gesetzeswortlaut des § 35 Abs. 1 BauGB noch die Gesetzgebungsmaterialien (BT–Drucks. 15/2250) eindeutig in dem Sinn zu verstehen sind, dass auch die Hofstelle bzw. der Betriebsstandort im Außenbereich liegen muss. Die Formulierung „im Rahmen eines Betriebs nach Nr. 1“ in § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB lässt sich ohne Weiteres dahingehend auslegen, dass damit lediglich an das in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB enthaltene Tatbestandsmerkmal „land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb“ unabhängig von einer planungsrechtlichen Zuordnung angeknüpft werden sollte. Würde man der Auffassung der Antragstellerin folgen, dass auch die Hofstelle oder der Betriebsstandort, dem die Biogasanlage zugeordnet ist, regelmäßig im Außenbereich gelegen sein müsste, liefe dies dem Zweck der Neuregelung in § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB entgegen. Biogasanlagen sind nämlich nicht mehr – wie nach den bis 2004 geltenden Planungsrecht – nur als unselbständige Nebenanlage eines landwirtschaftlichen Betriebs, sondern – erweitert – auch dann zulässig, wenn sie mit diesem in einem funktionalen Zusammenhang stehen oder eine Kooperation mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe unterstützen. Entscheidend ist deshalb wohl lediglich, dass das Vorhaben selbst – hier also die Biogasanlage – im Außenbereich liegt (so auch OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 8. August 2006 – 1 MB 18/06 –, juris; a.A. offenbar Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 110. Ergänzungslieferung 2013, § 35 Rn. 59e).
- 13
Der Beigeladene hat auch einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der §§ 35 Abs. 1 Nrn. 1 und 6, 201 BauGB. Nach der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 2012 werden 297 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftet, davon 183 ha Acker- und 114 ha Grünland. Hinzu kommen 1,17 ha Hof- und Gebäudeflächen. Die Viehhaltung besteht aus 1.100 Stück Geflügel (Gänsen, Enten und Puten) sowie aus 171 Stück Rindern. Die Betriebseigenschaft der landwirtschaftlichen Betätigung des Beigeladenen scheitert ferner nicht daran, dass die Betriebsflächen nicht oder nicht vollständig in seinem Eigentum stehen. Entscheidend ist zwar, ob das Merkmal der Dauerhaftigkeit auch in Bezug auf die zivilrechtlichen Nutzungsmöglichkeiten der land- oder forstwirtschaftlichen Flächen gegeben ist, das ist hier jedoch der Fall. Eine ausreichende Sicherheit kann z. B. bei dem Eigentum eines Familienmitglieds des Betriebsinhabers angenommen werden (vgl. Söfker, a.a.O., § 35 Rn. 30 m.w.N.), wovon vorliegend im Hinblick auf das Eigentum des Vaters des Beigeladenen an den bewirtschafteten Grundstücken auszugehen ist. Hinzu kommt, dass der Betrieb oder jedenfalls ein wesentlicher Teil davon in Form einer GmbH betrieben wird, deren Geschäftsanteile zu 90 Prozent vom Beigeladenen und nur zu 10 Prozent von dessen Vater gehalten werden.
- 14
Die Biogasanlage steht darüber hinaus in dem erforderlichen räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb. Das Gesetz verwendet hier den „Betrieb“ als Oberbegriff für Hofstelle bzw. Standort (vgl. OVG RP, Urteil vom 8. Dezember 2005 – 1 A 11016/05.OVG –, juris). Der räumliche Zusammenhang erfordert eine objektiv erkennbare Zuordnung der Biogasanlage zur Hofstelle; dieser Zusammenhang muss nicht „äußerlich“ sichtbar sein. Er kann sich auch aus der Lage der Anlage auf den Betriebsflächen des Vorhabenträgers ergeben. Der räumliche Zusammenhang ist im Hinblick auf die Entfernung zwischen der Anlage und der Hofstelle des Vorhabenträgers von ca. 150 m in jedem Fall gewahrt. Weiterhin ist ein funktioneller Zusammenhang zwischen der Biogasanlage und dem landwirtschaftlichen Betrieb gegeben. Dieser ergibt sich bereits daraus, dass die Anlage Biomasse (auch) aus dem Betrieb des Beigeladenen verarbeitet.
- 15
Die zu verarbeitende Biomasse stammt nach der vorläufigen Einschätzung des Senats überwiegend aus dem Betrieb des Vorhabenträgers bzw. aus diesem und aus nahegelegenen Betrieben. Die Einbeziehung von Biomasse aus nahegelegenen Betrieben dient dem – vom Gesetzgeber ausdrücklich unterstützten – Ziel einer Kooperation mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe. Die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 b BauGB ist nur dann nicht erfüllt, wenn die Biomasse überwiegend weder aus dem Betrieb des Vorhabenträgers noch aus nahegelegenen Betrieben stammt. Davon ist indes nach dem Vorbringen des Beigeladenen nicht auszugehen. Soweit er Hühnertrockenkot aus einem weit entfernt liegenden Betrieb aus Gosch bezieht, stellt dies voraussichtlich nur einen geringen Teil des sogenannten Inputs der Anlage dar.
- 16
Des Weiteren stehen dem Vorhaben des Beigeladenen keine öffentlichen Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB entgegen. Vor allem ist nicht anzunehmen, dass von dem Betrieb der Biogasanlage schädliche Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft hervorgerufen werden (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB).
- 17
Zunächst gehen von dem streitgegenständlichen Vorhaben keine unzumutbaren Geräuschimmissionen für die Nachbarschaft aus. Aus dem vom Beigeladenen vorgelegten immissionsschutzrechtlichen Gutachten der Sachverständigen U… und Partner vom 21. Januar 2014, das die vorangegangene Prognose vom 12. Dezember 2013 ersetzt und als lediglich ergänzender Sachvortrag auch nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ohne Weiteres berücksichtigt werden kann, ergibt sich, dass die hier maßgebenden, für ein Dorfgebiet geltenden Immissionsrichtwerte von tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) an allen Immissionspunkten deutlich unterschritten werden. So betragen die Beurteilungspegel an den Immissionspunkten 1 bis 4 tagsüber zwischen 44 und 47 dB(A) und nachts zwischen 36 und 39 dB(A).
- 18
Mit der Neuerstellung der Immissionsprognose hat der Sachverständige den gegen die ursprüngliche Prognose vom 12. Dezember 2013 erhobenen Einwendungen der Antragstellerin (unter anderem durch Korrektur der Erntemenge, der Einbeziehung von gelegentlichen nächtlichen Ernte- und Einlagerungsvorgängen und von Verkehrsgeräuschen) im Wesentlichen Rechnung getragen, die damit zum überwiegenden Teil gegenstandslos geworden sind. Im Übrigen ist der Gutachter in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2014 den Darlegungen der Antragstellerin überzeugend entgegengetreten. Hinsichtlich der von ihr gerügten Wahl der Immissionspunkte ist auch für den Senat nicht erkennbar, aus welchem Grund ein Fehler vorliegen sollte. Den maßgebenden Immissionsort stellt wohl die Südostfassade des Immissionspunktes 1 (L…weg ..) dar, wohingegen an allen weiteren Immissionspunkten laut Äußerung des Sachverständigen geringere Beurteilungspegel zu erwarten sind. Dafür, dass die Abluftschornsteine der Anlage im Widerspruch zur Forderung des Gutachters keine 10 m hoch sein sollen und die Feststellungen aus diesem Grund auf einer unrichtigen Tatsachengrundlage beruhen könnten, existieren ebenfalls keine Anhaltspunkte. Gleiches gilt für den angenommenen Abstand zwischen der Wohnbebauung und der Biogasanlage. Auch durfte wegen der Unterschreitung der Immissionsrichtwerte zur Tages- und Nachtzeit um mindestens 6 dB auf eine Untersuchung der Vorbelastung gemäß Ziffer 3.2.1 der TA-Lärm verzichtet werden. Die Annahme, dass sich aufgrund einer Prognoseunsicherheit von Randbedingungen, die der Gutachter mit „+1 dB(A) / –3 dB(A)“ abschätzt, ein anderes Resultat herleiten ließe, wie die Antragstellerin meint, ist demgegenüber rein spekulativ. Schließlich teilt der Senat nicht die Ansicht des Sachverständigen P… vom 16. Januar 2014, wonach das von ihm so bezeichnete Irrelevanzkriterium von 6 dB bei der Beurteilung von Vorbelastungen kritisch zu bewerten sei, weil dieses Kriterium in der Verwaltungspraxis nur bei der Neuansiedlung eines Gewerbebetriebs zur Anwendung komme. Ungeachtet dessen, ob diese Auffassung zutrifft, dürfte es sich bei der Anlage um einen neuen Betrieb handeln.
- 19
Dabei verkennt der Senat nicht, dass an prognostische Einschätzungen im Einzelfall hohe Anforderungen zu stellen sind. Das darf in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aber nicht zu einer Verschiebung des Maßstabs führen, demzufolge Anträgen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs nur stattzugeben ist, wenn Überwiegendes für die Annahme spricht, dass die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Rechte verletzt. Insoweit kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, dass es häufig ausreichen kann, im Rahmen des Hauptsacheverfahrens die Inhalts- und Nebenbestimmungen einer Baugenehmigung nachträglich präziser zu fassen oder zusätzliche Schutzmaßnahmen anzuordnen.
- 20
Ferner ist nicht zu befürchten, dass von der Anlage für die Nachbarschaft unzumutbare Geruchsimmissionen ausgehen. Zur Beurteilung dieser Frage kann hier die Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL – als Hilfsmittel herangezogen werden, die zwar in erster Linie auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen zugeschnitten ist, jedoch auch für sonstige Vorhaben sinngemäß Berücksichtigung findet. Die GIRL enthält ein Berechnungsmodell zur Ermittlung von Geruchsimmissionen, das einen Immissionswert als Quotienten der Geruchswahrnehmungsstunden bezogen auf die Jahresgesamtstunden ergibt. Dem so ermittelten Immissionswert stellt die GIRL in Nr. 3.1 bestimmte Immissionsrichtwerte für verschiedene Gebietstypen gegenüber. Danach sind in Wohn- und Mischgebieten Geruchsimmissionen an 10 Prozent der Jahresstunden und in Dorf-, Gewerbe- und Industriegebieten an 15 Prozent der Jahresstunden zulässig. Berechnungen auf der Basis der GIRL stellen ein im Sinn einer konservativen Prognosesicherheit komfortables „worst-case-Szenario“ dar (vgl. dazu auch bei BayVGH, Beschluss vom 15. November 2010 – 15 CS 10.2131 –: „jedenfalls keine strengeren Anforderungen“, juris).
- 21
Aus der Geruchsimmissionsprognose der Sachverständigen U. und Partner vom 12. Dezember 2013 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 21. Januar 2014 folgt, dass innerhalb der gesamten Ortslage von L. die maximale Zusatzbelastung weitestgehend zwischen 0 und 1 Prozent der Jahresstunden liegt. Lediglich im unmittelbaren Bereich des Vorhabens selbst ist ein Wert von 2 Prozent zu verzeichnen, so dass nach allem der für ein Dorfgebiet geltende Beurteilungswert signifikant unterschritten wird. Insgesamt ist deshalb die von der Anlage ausgehende Geruchszusatzbelastung als vernachlässigbar gering zu betrachten.
- 22
Die von der Antragstellerin hiergegen vorgetragenen Bedenken sind wiederum nicht geeignet, die Sachverständigenfeststellungen in Frage zu stellen. Auch nach Korrektur der Gesamtinputmenge durch den Gutachter verbleibt es nämlich bei der vorgenannten Gesamtbewertung. Insbesondere wurde das Volumen des anzubringenden Gärrests entgegen der Vermutung der Antragstellerin mit 70 Prozent der Inputstoffe berücksichtigt. Dass nur Handbuchwerte berücksichtigt worden sein sollen, trifft angesichts der auf die konkreten Betriebsverhältnisse abstellenden Ausgangswerte ebenfalls nicht zu. Ferner bestehen keine zureichenden Hinweise dafür, dass die für die Berechnung verwendeten Daten der Wetterstation Büchel nicht repräsentativ gewesen sind.
- 23
Schließlich kann eine Rechtsverletzung der Antragstellerin nicht daraus hergeleitet werden, dass – so ihr Vorbringen – die Baugenehmigung in Bezug auf den öffentlichen Belang der Wasserwirtschaft (§ 35 Abs. 3 Nr. 6 BauGB) unbestimmt erscheine. Das Verwaltungsgericht beanstandet insoweit die zum Gegenstand der Genehmigungsurkunde gewordene Stellungnahme der Unteren Wasserbehörde vom 22. Februar 2013, wonach der Abstand der Anlage zu einem Gewässer mindestens 50 m betragen soll und im Fall einer Unterschreitung ein Auffangdamm zu errichten ist, der auslaufende Silage/Gärsubstrat zurückhält. Diese Regelung stelle lediglich allgemeine Anforderungen mit keinem ausreichend konkreten Inhalt auf. Dies erhelle sich aus einem Schreiben der Unteren Wasserbehörde vom 25. September 2012, worin gegenüber der Baubehörde eine Unvollständigkeit und fehlende Prüffähigkeit der Antragsunterlagen konstatiert und eine Umplanung gefordert worden sei. Sei aber eine Umplanung erforderlich, müsse diese auch erfolgen und nach positiver Prüfung genehmigt werden. Ein bloßer allgemeiner Hinweis, wie in dem Schreiben vom 22. Februar 2013, genüge dem Bestimmtheitserfordernis nicht.
- 24
Diese Feststellungen übersehen, dass die in Rede stehende „Auflage“ in einem ausreichenden Umfang inhaltlich bestimmt ist und vom Beigeladenen allem Anschein nach darüber hinaus auch ohne Beanstandungen bereits umgesetzt wurde (vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 27. Dezember 2013). Insbesondere wurde entgegen der Annahme der Vorinstanz eine Umplanung hier tatsächlich vorgenommen, die der Antragsgegner anschließend genehmigt hat. Denn beim Bauamt des Antragsgegners ging am 24. Januar 2013 ein neuer Lageplan des Vorhabens ein, der den Stempel „bauaufsichtlich geprüft“ sowie das Datum der Baugenehmigung „26.02.2013“ trägt und auf dem an der westlichen Grenze des Baugrundstücks ein Damm gerade dargestellt ist.
- 25
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser sich insoweit durch eine eigene Antragstellung dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
- 26
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, dass bestimmte Stoffe oder Erzeugnisse aus Stoffen, die geeignet sind, bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung oder bei der Verbrennung zum Zwecke der Beseitigung oder der Rückgewinnung einzelner Bestandteile schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen hervorzurufen, gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen nur hergestellt, eingeführt oder sonst in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen bestimmten Anforderungen an ihre Zusammensetzung und das Verfahren zu ihrer Herstellung genügen. Die Ermächtigung des Satzes 1 erstreckt sich nicht auf Anlagen, Brennstoffe, Treibstoffe und Fahrzeuge.
(2) Anforderungen nach Absatz 1 Satz 1 können unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung auch für einen Zeitpunkt nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung festgesetzt werden. Wegen der Anforderungen nach Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 gilt § 7 Absatz 5 entsprechend.
(3) Soweit dies mit dem Schutz der Allgemeinheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen vereinbar ist, kann in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 an Stelle der Anforderungen über die Zusammensetzung und das Herstellungsverfahren vorgeschrieben werden, dass die Stoffe und Erzeugnisse deutlich sichtbar und leicht lesbar mit dem Hinweis zu kennzeichnen sind, dass bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung oder bei ihrer Verbrennung schädliche Umwelteinwirkungen entstehen können oder dass bei einer bestimmten Verwendungsart schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden können.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird zur Beratung der Bundesregierung oder des zuständigen Bundesministeriums eine Kommission für Anlagensicherheit gebildet.
(2) Die Kommission für Anlagensicherheit soll gutachtlich in regelmäßigen Zeitabständen sowie aus besonderem Anlass Möglichkeiten zur Verbesserung der Anlagensicherheit aufzeigen. Sie schlägt darüber hinaus dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechende Regeln (sicherheitstechnische Regeln) unter Berücksichtigung der für andere Schutzziele vorhandenen Regeln vor. Nach Anhörung der für die Anlagensicherheit zuständigen obersten Landesbehörden kann das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit diese Regeln im Bundesanzeiger veröffentlichen. Die Kommission für Anlagensicherheit überprüft innerhalb angemessener Zeitabstände, spätestens nach jeweils fünf Jahren, ob die veröffentlichten sicherheitstechnischen Regeln weiterhin dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechen.
(3) In die Kommission für Anlagensicherheit sind im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales neben Vertreterinnen oder Vertretern der beteiligten Bundesbehörden sowie der für den Immissions- und Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden insbesondere Vertreterinnen oder Vertreter der Wissenschaft, der Umweltverbände, der Gewerkschaften, der Sachverständigen nach § 29a und der zugelassenen Überwachungsstellen nach § 2 Nummer 4 des Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagen, der Berufsgenossenschaften, der beteiligten Wirtschaft sowie Vertreterinnen oder Vertreter der nach § 24 der Betriebssicherheitsverordnung und § 21 der Gefahrstoffverordnung eingesetzten Ausschüsse zu berufen.
(4) Die Kommission für Anlagensicherheit wählt aus ihrer Mitte eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Die Wahl der oder des Vorsitzenden und die Geschäftsordnung bedürfen der im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu erteilenden Zustimmung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.
Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete, insbesondere öffentlich genutzte Gebiete, wichtige Verkehrswege, Freizeitgebiete und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete und öffentlich genutzte Gebäude, so weit wie möglich vermieden werden. Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in Gebieten, in denen die in Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte und Zielwerte nicht überschritten werden, ist bei der Abwägung der betroffenen Belange die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität als Belang zu berücksichtigen.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Oktober 2012 - 2 K 2898/09 - wird geändert.
Die Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen des Landratsamts vom 05.04.2013 sowie vom 31.10.2013 und gegen den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.07.2009 wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im zweiten Rechtszug.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Entscheidungsgründe
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
Gründe
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
(1) Zweck dieses Gesetzes ist es, Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen.
(2) Soweit es sich um genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, dient dieses Gesetz auch
- –
der integrierten Vermeidung und Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Emissionen in Luft, Wasser und Boden unter Einbeziehung der Abfallwirtschaft, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen, sowie - –
dem Schutz und der Vorsorge gegen Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen, die auf andere Weise herbeigeführt werden.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
- 1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Oktober 2013 - 5 K 513/13 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.