Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2018 - 9 CS 18.92
vorgehend
Tenor
I. Die Verfahren 9 CS 18.92 und 9 CS 18.93 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten der Beschwerdeverfahren einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen in den Beschwerdeverfahren zu tragen.
IV. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird bis zur Verbindung auf jeweils 3.750,- Euro, danach auf insgesamt 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2018 - 9 CS 18.92 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass auf ihren Bauantrag vom 28. Juli 2009 eine Baugenehmigung als erteilt gelte und noch fortbestehe.
- 2
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 28. Juli 2009 die Genehmigung des Neubaus einer „altengerechten Wohnanlage in Form von Etagenwohnungen“. Die Beklagte bestätigte den Antrag mit Schreiben vom 07. August 2009. Mit diesem Schreiben forderte sie zahlreiche Unterlagen nach und bat die Klägerin darum, diese Unterlagen binnen 4 Wochen zu übersenden. Die Beteiligten korrespondierten und telefonierten anschließend über mehrere Monate über die noch einzureichenden Unterlagen. Mit Schreiben vom 27. Januar 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Baugenehmigungsantrag unvollständig und nicht prüffähig sei. Er gelte deshalb gem. § 67 Abs. 2 LBO als zurückgenommen.
- 3
Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 gegen das Schreiben vom 27. Januar 2010 Widerspruch ein, begründete dies im Einzelnen und wies ergänzend darauf hin, dass das Baugenehmigungsverfahren bereits abgeschlossen sei. Am 08. Dezember 2009 sei gemäß § 69 Abs. 9 i.V.m. § 69 Abs. 6 LBO eine fiktive Baugenehmigung entstanden. Die Klägerin beantragte deshalb zugleich, ihr die Entstehung einer fiktiven Baugenehmigung zu bestätigen.
- 4
Mit Schreiben vom 29. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 12. Februar 2010 als unzulässig zurück, weil es sich bei dem Schreiben vom 27. Januar 2010 nicht um einen Verwaltungsakt handele. Am gleichen Tag teilte sie der Klägerin mit, dass keine Genehmigungsfiktion eingetreten sei. Gegen die Ablehnung der Genehmigungsfiktion legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 27. April 2011 Widerspruch ein, den sie mit Schriftsatz vom 17. Januar 2011 ausführlich begründete. Dieser Widerspruch wurde nicht beschieden.
- 5
Die Klägerin hat das Schreiben vom 27. Januar 2010 weiterhin als Verwaltungsakt beurteilt und am 27. April 2011 dagegen Klage erhoben; sie hat ihre Klage ausführlich begründet.
- 6
Die Klägerin hat beim Verwaltungsgericht beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2010 aufzuheben,
hilfsweise, festzustellen, dass ihr Bauantrag vom 28. Juli 2009 nicht als zurückgenommen gelte.
- 7
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 8
Sie hat an ihrer im Verwaltungsverfahren geäußerten Auffassung festgehalten.
- 9
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Hauptantrag sei unzulässig, denn das Schreiben vom 27. Januar 2010 sei kein Verwaltungsakt. Der Hilfsantrag sei zwar zulässig, aber unbegründet, denn der Bauantrag vom 28. Juli 2009 gelte gem. § 67 Abs. 2 S. 2 LBO als zurückgenommen. Das Verwaltungsgericht hat dies im Einzelnen begründet.
- 10
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2012 hat der Senat die Berufung zugelassen.
- 11
Mit der Begründung der Berufung, die sie zunächst auf den in erster Instanz gestellten Hilfsantrag beschränkt hatte, wiederholt die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen und erläutert nochmals ausführlich ihre Auffassung, dass der Bauantrag vom 28. Juli 2009 nicht als zurückgenommen gelte.
- 12
Im Laufe des Berufungsverfahrens hat sich herausgestellt, dass das streitige Vorhaben bereits im Mai 2012 fertiggestellt worden ist, und zwar aufgrund eines weiteren Bauantrages vom 31. März 2010 und einer daraufhin erteilten Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 sowie weiterer Nachtragsbaugenehmigungen vom 21. April 2011, 10. November 2011 und vom 23. März 2012. Auf Anfrage des Berichterstatters nach dem Sinn und Zweck der Führung dieses Verfahrens teilte die Klägerin mit, dass sie ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung habe. Dies ergebe sich daraus, dass in der Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 ein Stellplatzbedarf von 94 Stellplätzen für das Vorhaben festgesetzt worden sei. In dem ursprünglichen Bauantrag vom 28. Juli 2009 werde dagegen von einem Bedarf von 28 Stellplätzen ausgegangen. Im Übrigen seien die Vorhaben in den jeweiligen Anträgen ganz weitgehend identisch. Die fingierte Baugenehmigung könne deshalb grundsätzlich eine taugliche Grundlage für die bereits errichtete und genutzte Wohnanlage darstellen. Daher komme es für die Klägerin in Betracht, nach gerichtlicher Bestätigung der Genehmigungsfiktion auf die Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 zu verzichten. Sie könne dann die 65 überzähligen Stellplätze veräußern. Die fiktive Baugenehmigung sei auch nicht gem. § 75 Abs. 1 S. 1 LBO erloschen, denn das Vorhaben sei ja errichtet worden. Im Hinblick auf dieses Petitum hat der Senat angeregt, die Entstehung und die Wirksamkeit der von der Klägerin beanspruchten fiktiven Baugenehmigung zum Gegenstand des Berufungsantrages zu machen.
- 13
Die Klägerin beantragt nunmehr,
das angefochtene Urteil zu ändern sowie festzustellen, dass auf den Bauantrag der Klägerin vom 28. Juli 2009 eine Baugenehmigung als erteilt gelte und noch fortbestehe.
- 14
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
- 15
Die Beklagte hält die Berufung jedenfalls deshalb für unbegründet, weil eine eventuell entstandene fiktive Baugenehmigung gem. § 75 Abs. 1 S. 1 LBO erloschen wäre. Die Klägerin könne sich nicht auf die Verwirklichung des Vorhabens berufen. Grundlage des Bauvorhabens sei nämlich nicht die fiktive Baugenehmigung, sondern die Genehmigung vom 25. Juni 2010. Die geltend gemachte fiktive Baugenehmigung sei auch nicht entstanden, weil der Bauantrag vom 28. Juli 2009 als zurückgenommen gelte. Die Beklagte verteidigt insoweit das erstinstanzliche Urteil.
- 16
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 17
Die Berufung bleibt erfolglos. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
- 18
1) Mit dem in zweiter Instanz geänderten Feststellungsantrag ist die Klage zwar gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das nach dieser Vorschrift erforderliche berechtigte Interesse an den beantragten Feststellungen. Nach ihren Einlassungen im Berufungsverfahren beabsichtigt sie, die in der Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 genehmigten und gemäß Auflage Nr. 7 geforderten Stellplätze am … zu beseitigen und diese Fläche anderweitig zu nutzen. Sie möchte deshalb das Vorhaben auf die von ihr beanspruchte fiktive Baugenehmigung, die diese Stellplätze nicht vorsieht, stützen und auf die Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 verzichten. Diesem Ziel wird der in der ersten Instanz gestellte Feststellungsantrag, der sich nur auf die von der Beklagten behaupteten Rücknahme des Bauantrags bezog, nicht gerecht. Die von ihr gewünschte Legitimationswirkung des fertiggestellten Vorhabens durch eine fiktive Baugenehmigung kann die Klägerin nur durch den weitergehenden Feststellungsantrag, der auf die Entstehung und die aktuelle Wirksamkeit einer solchen Genehmigung gerichtet ist, erreichen. Die Änderung des Klageantrages ist sachdienlich und deshalb gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Sie lässt sich ohne weiteres aufgrund der bisher bekannten Sachlage beantworten.
- 19
2) Die Klage ist aber unbegründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin geltend gemachte fiktive Baugenehmigung entstanden ist. Selbst wenn eine solche Genehmigung im Dezember 2009 entstanden wäre, so wäre sie jedenfalls jetzt erloschen. Ihr Ziel, die Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 durch eine fiktive Baugenehmigung zu ersetzen, kann die Klägerin nicht erreichen.
- 20
a) Die - hier zu Gunsten der Klägerin unterstellte - fiktive Baugenehmigung hat sich erledigt und ist deshalb gemäß § 112 Abs. 2 LVwG erloschen.
- 21
Die Erledigung ist zwar nicht bereits durch die Einholung der weiteren Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 eingetreten, denn eine gleichzeitige oder zeitlich gestaffelte Beantragung mehrerer Baugenehmigungen für dieselbe Baufläche ist ohne weiteres möglich (vgl. dazu auch OVG Münster, Urt. v. 22.10.1987 - 21 A 330/87 - NVwZ 1988, 554) und keineswegs unüblich. So wäre es auch hier - unabhängig von dem Streit über die Rücknahme des Bauantrages und der Entstehung einer fiktiven Baugenehmigung - durchaus nachvollziehbar gewesen, wenn die Klägerin sich primär um die Verwirklichung eines Vorhabens mit einer geringen Anzahl an Stellplätzen bemüht und alternativ einen weiteren Bauantrag mit den von der Beklagten gewünschten zusätzlichen Stellplätzen gestellt hätte. Liegen für ein Grundstück mehrere Baugenehmigungen vor, so bleiben diese im Rahmen der gesetzlichen Geltungsdauer (vgl. § 75 LBO) wirksam. Der Bauherr kann frei entscheiden, welche Genehmigung er verwirklicht.
- 22
Die Erledigung ist aber durch Verwirklichung des mit Bescheid vom 25. Juni 2010 genehmigten Vorhabens eingetreten. Wird eine von mehreren Baugenehmigungen für dieselbe Baufläche realisiert, so gelten für die Bauarbeiten, den geschaffenen baulichen Bestand und seine Nutzung ausschließlich die Regelungen der ausgenutzten Baugenehmigung. Weitere Genehmigungen für dieselbe Fläche bleiben wirksam, wenn der geschaffene bauliche Bestand ihrer Verwirklichung nicht entgegensteht (z.B. bei kurzfristigen baulichen Nutzungen oder Ergänzungen des Vorhabens). Wird das Grundstück dagegen durch eine dauerhafte bauliche Anlage vollständig ausgenutzt und ist zwischen den Beteiligten klar, dass die Bebauung und die Nutzung durch die verwirklichte Baugenehmigung abschließend geregelt wird, so erledigen sich weitere Baugenehmigungen für das Grundstück und werden gemäß § 112 Abs. 2 LVwG unwirksam (vgl. zur Erledigung einer Baugenehmigung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG: BVerwG, Urt. v. 27.03.1998 - 4 C 11/97 - NVwZ 1998, 729), weil ihre Verwirklichung nicht mehr in Betracht kommt.
- 23
Eine solche Situation liegt hier vor: Die Beteiligten sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass Grundlage der Bauarbeiten die Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 sein sollte. Dies ergibt sich aus dem Verfahrensablauf, der Anzeige des Baubeginns vom 18. November 2010, die sich auf diese Baugenehmigung bezog und schließlich auch aus dem fertiggestellten Vorhaben einschließlich der Stellplätze am … . Auch die Nachträge vom 21. April 2011, 10. November 2011 und 23. März 2012 beziehen sich ausschließlich auf die Genehmigung vom 25. Juni 2010. Daraus folgt, dass das Bauvorhaben abschließend allein an den Regelungen dieser Baugenehmigung (einschließlich der Nachtragsgenehmigungen) zu messen war und ist. Der Umstand, dass die Klägerin sich fortlaufend darauf berufen hat, dass der Bauantrag vom 28. Juni 2009 nicht als zurückgenommen gelte, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Klägerin hat nämlich niemals zum Ausdruck gebracht, dass sie das Vorhaben trotz der inzwischen erteilten Baugenehmigung vom 25. Juli 2010 eventuell auch auf eine fiktive Baugenehmigung stützen wolle. Ihre erstmals mit Schriftsatz vom 21. Mai 2013 im Berufungsverfahren geäußerte Absicht, auf die Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 verzichten zu wollen, den Parkplatz am … zu beseitigen und das übrige Vorhaben auf die fiktive Baugenehmigung zu stützen, ist so ungewöhnlich, dass kein objektiver Betrachter damit rechnen konnte. Auch die Klägerin selbst hat derartige Überlegungen offenbar erst im Berufungsverfahren angestellt. Die in erster Instanz gestellten Anträge weisen vielmehr darauf hin, dass die Klägerin mit ihrem ursprünglichen Begehren lediglich Sekundäransprüche gegen die Beklagte wegen unberechtigter Einstellung des Bauantragsverfahrens vorbereiten wollte.
- 24
b) Falls die (unterstellte) fiktive Genehmigung sich nicht bereits gemäß § 112 Abs. 2 LVwG durch Verwirklichung des mit Bescheid vom 25. Juni 2013 genehmigten Vorhabens erledigt hätte (s.o.), so wäre sie jedenfalls gemäß § 75 Abs. 1 LBO erloschen. Nach dieser Vorschrift erlischt eine Baugenehmigung unter anderem dann, wenn mit der Ausführung des Vorhabens nicht innerhalb von drei Jahren nach ihrer Erteilung begonnen wird. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf die nach Erteilung der Baugenehmigung vom 25. Juni 2010 begonnenen Bauarbeiten berufen, denn diese bezogen sich nicht auf das durch die fiktive Baugenehmigung genehmigte Vorhaben. Grundlage der Bauarbeiten war das mit Bescheid vom 25. Juni 2010 genehmigte Vorhaben. Dies ergibt sich aus dem Verfahrensablauf und der Anzeige des Baubeginns, die sich ausdrücklich auf diese Genehmigung bezog (s.o.). Dieses Vorhaben ist auch nicht mit dem (unterstellt) fiktiv genehmigten Vorhaben identisch. Dies folgt bereits aus den unterschiedlichen Regelungen zu den Stellplätzen. Im weiteren Verlauf der Bauarbeiten kamen aufgrund der Nachträge weitere Änderungen hinzu.
- 25
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 26
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 27
Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.. Die Beigeladene zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
…
Gründe
Rechtsmittelbelehrung
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 € festgesetzt.
Gründe
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Biogasanlage.
- 2
Die Klägerin ist Miteigentümerin des in der Gemeinde T./Ortsteil (H.) gelegenen, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße (Flurstück 59/214{59/214}, Flur A{}, Gemarkung T.), das nördlich an die Weinbergstraße angrenzt. Östlich des Grundstücks bis zur Straße "Weinbergholz" befindet sich nördlich der Weinbergstraße weitere Wohnbebauung. Westlich des klägerischen Grundstücks liegt ein durch den Bebauungsplans Nr. 4 "Weinbergstraße" der Gemeinde T. festgesetztes allgemeines Wohngebiet. Südlich der Weinbergstraße befinden sich auf einer Fläche, die sich von einer Bahntrasse im Westen bis ca. 160 m nach Osten und ca. 270 m nach Süden erstreckt, Kleingärten. Weiter westlich bis zu einem nach Süden abzweigenden Nebenzug der Weinbergstraße befinden sich unbebaute, landwirtschaftlich genutzte Flächen, die ca. 130 m nach Süden reichen. Weiter südlich, in einem Abstand von ca. 180 bis 450 m zum Grundstück der Klägerin befinden sich die Betriebsstätten einer ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). Südlich davon, bis zur Mühlenstraße reichend, liegen das Betriebsgelände der Fa. (M.), die dort den An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen, eine KfZ-Werkstatt sowie einen Abschlepp- und Bergungsdienst betreibt, und das Betriebsgelände eines Tiefbauunternehmens.
- 3
Für die Anlagen der ehemaligen LPG beantragte deren Rechtsnachfolgerin im Jahr 1993 eine Änderungsgenehmigung zur Rinderhaltung und Güllelagerung. Die Kapazität für den Neubau eines Boxenlaufstalls wurde mit 306 neuen Kuhplätzen und der "Weiterbetrieb" der schon bestehenden Anlage mit 342 Bullenmastplätzen angegeben. Die Anlage wurde am 01.09.1993 in Betrieb genommen. Im Jahr 2003 zeigte der derzeitige Betreiber der Anlage, die MVA (H.) GmbH & Co. KG (MVA), beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt nach § 67 Abs. 2 BImSchG an, dass die Tierplatzzahl auf 782 Stück erweitert werde.
- 4
Die Beigeladene, die Gesellschafterin der Agrar GmbH und Kommanditistin der MVA ist, beantragte am 28.07.2010 beim Beklagten die Errichtung einer Biogasanlage auf dem im Eigentum der Agrar {GmbH stehenden Flurstück 64/140 der Flur A {der Gemarkung (H.). Das für die Biogasanlage vorgesehene Gelände liegt etwa 240 bis 340 m südlich des Grundstücks der Klägerin. Die Biogasanlage und die Rinderanlage werden durch den von Norden nach Süden verlaufenden, vom Hauptzug abzweigenden Nebenzug der Weinberg{}straße getrennt. Mit Bewilligung vom 16.06.2011 wurde für dieses Grundstück zu Gunsten der MVA{am 05.07.2011 eine Dienstbarkeit für das Unterhalten und Betreiben einer Biogas- und Siloanlage inklusive eines Blockheizkraftwerks (BHKW) eingetragen.
- 5
Die Biogasanlage umfasst nach der Baubeschreibung nebst Anlagen einen Fermenter mit einer gasdichten Abdeckung mit einem Nettovolumen von 3.385 m³, ein nicht abgedecktes, mit einer Schwimmschicht als Abschluss versehenes Gärrest-Endlager mit einem Nettovolumen von 4.731 m³, einen Annahmebehälter (Rindergülle) mit einer geruchsdichten Abdeckung mit einem Nettovolumen von 768 m³, einen BHKW-Container mit 370 kW elektrischer Leistung, ein Pumpen- und Technikgebäude, drei Fahrsiloanlagen mit jeweils zwei Kammern, einen Triolet-Bunker mit einem Fassungsvermögen von 60 m³, eine Futterhalle sowie ein Trafogebäude. Ferner sollen eine befestigte Zuwegung, eine Regenwasserentwässerung durch Versickerung sowie ein Silosickersaftschacht mit Überlauf in das Gärrestendlager hergestellt werden.
- 6
Nach der Betriebs- und Verfahrensbeschreibung sollen in der Biogasanlage 15.000 t Rindergülle, 3.000 t Maissilage, 2.000 t Grassilage, 1.000 t Ganzpflanzsilage, 500 t Hühnermist und 500 t Rindermist vergoren werden. Weiter heißt es, die Energiepflanzen, vor allem Mais, Roggen oder Hirse, würden auf den Feldern der näheren Umgebung der Biogasanlage angebaut. Von der benachbarten Tierzuchtanlage der MVA (H.) GmbH werde noch zusätzlich Frischgülle über unterirdische Rohrleitungssysteme in den Fermenter eingeleitet. In dem neu zu errichtenden ersten Gärrest-Endlagerbehälter (G 1) mit einem Freibord von 0,2 m bilde sich als Abschluss der Gärreste auf der Oberfläche eine Schwimmschicht durch die eingebrachten Pflanzenfasern. Der zweite und der dritte Gärrestebehälter (G 2 und G 3) mit einem Volumen von insgesamt 5.200 m³ seien auf dem Grundstück der MVA vorhanden. Das entstandene und gereinigte Biogas werde in einem zur Biogasanlage gehörenden Blockheizkraftwerk in einem Gas-Otto-Motor verbrannt.
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Die Beigeladene legte eine Immissionsprognose der (I.) GmbH zur geplanten Errichtung der Biogasanlage vom 07.10.2010 vor, nach der erhebliche Geruchsbelästigungen durch die geplante Anlage auszuschließen seien. Die prognostizierte Zusatzbelastung an Geruchsstoffimmissionen sei an allen maßgeblichen Immissionsorten irrelevant, so dass eine Ermittlung der Vorbelastung und Gesamtbelastung entfallen könne.
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Die Beigeladene legte ferner eine Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros für Lärmschutz (F.) vom 07.09.2010 vor. Darin geht der Gutachter im Ergebnis davon aus, dass von der Anlage der Beigeladenen unter folgenden Bedingungen keine Gefährdungen, erhebliche Benachteiligungen oder erhebliche Belästigungen durch Geräusche der Anlage in der Nachbarschaft verursacht werden:
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1. In 10 m Abstand vom BHKW-Container dürfe ein Schalldruckpegel von LAeq = 65 dB (A) nicht überschritten werden (einschl. Schallaustrag aus den Zu- und Abluftöffnungen sowie einschl. Notkühler und Gemischkühler).
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2. Der Schalldruckpegel der Abgasmündung des BHKW dürfe einen Wert von LWA = 60 dB (A) nicht überschreiten, d.h. in einem seitlichen Abstand von der Mitte der Mündung dürfe ein Schalldruckpegel von LAeq = 72 dB (A) nicht überschritten werden. Es müsse eine zusätzliche selektive Dämpfung der 80-Hz-Spektralkomponente mit einem (zusätzlichen) Resonanz-Schalldämpfer in der Abgasanlage erfolgen. Der zusätzliche Dämpfer müsse so ausgelegt sein, dass ein linearer Schalleistungspegel an der Abgasmündung von LW,Terz,80Hz,lin = 80 dB (A) für die Terz f = 80 Hz mit den maßgeblichen tieffrequenten Energieanteilen nicht überschritten werde.
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3. Der Schalleistungspegel des Feststoffdosierers dürfe einen Wert von LWA = 95 dB (A) nicht überschreiten.
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4. Fahrverkehr durch LKW, Traktoren und Radlader im Zusammenhang mit dem Betrieb der Biogasanlage sei im Nachtzeitraum (22 bis 6 Uhr) auszuschließen.
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Mit Bescheid vom 15.04.2011 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die Baugenehmigung zur Errichtung der Biogasanlage. In den beigefügten Nebenbestimmungen Nr. 8.2 bis 8.5 übernahm der Beklagte die vom Lärmgutachter in seiner Schallimmissionsprognose aufgestellten Forderungen. Nach der Nebenbestimmung Nr. 8.6 ist für die im Einwirkungsbereich der Biogasanlage liegende Wohnbebauung unter Berücksichtigung der Vorbelastung der Immissionswert (Gesamtbelastung) für die Wahrnehmungshäufigkeit der Gerüche an der Erkennungsschwelle (1 GE/m³) von 0,10 (entspricht 10 % der Jahresstunden) entsprechend der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) einzuhalten. Die Nebenbestimmung Nr. 8.10 bestimmte ferner, dass das Gärrestlager nach dem Entwurf der VDI-Richtlinie 3475 Blatt 4, der den gegenwärtigen Stand der Technik repräsentiere, mit einer gasdichten Abdeckung zu versehen ist.
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Mit Änderungsbescheid vom 15.09.2011 nahm der Beklagte die Nebenbestimmung Nr. 8.10 zurück und gab zur Begründung an, die Biogasanlage sei ohne Abdeckung beantragt worden. Der Antrag enthalte als geruchsmindernde Maßnahme eine sich an der Oberfläche des Endlagers bildende Schwimmschicht, die antragsgemäß zu realisieren sei. Von der Anwendung der VDI-Richtlinie 3475 Blatt 4 werde in diesem speziellen Einzelfall abgewichen, da in der geplanten Anlage weitaus überwiegend Gülle vergoren werde. Bei diesen Verfahren würden weniger Restmethanmengen emittiert als in landwirtschaftlichen Betrieben, die Gülle in nicht gasdichten Behältern lagern und die Gülle unvergoren ausbringen. Der Weißdruck der VDI-Richtlinie 3475 sei nicht zwingend anzuwenden.
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Am 24.11.2011 nahm die Beigeladene die Biogasanlage erstmalig in Betrieb. Den von der Klägerin am 12.05.2011 erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2012 zurück.
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Die Klägerin hat am 09.02.2012 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Biogasanlage, die die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB für eine Privilegierung im Außenbereich nicht erfülle, sei immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig. Sie sei eine Nebeneinrichtung zur bestehenden Milchviehanlage, die als Tierhaltungsanlage nach Nr. 7.1 Anlage 1 der 4. BImSchV der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG unterfalle. Die Anlage sei zudem als Anlage zur Lagerung von brennbaren Gasen (ab 3 t) nach der 4. BImSchV, Anhang, Nr. 9.1 b, Spalte 2, genehmigungspflichtig. Der Beklagte habe das Rechtsproblem zunächst übersehen, sei dann aber im Widerspruchsverfahren darauf aufmerksam gemacht worden. Daraufhin habe er verfügt, dass das Gärrestendlager nicht der gasdichten Abdeckung bedürfe, so dass es für die Berechnung der Gasmenge außer Betracht bleibe. Damit entspreche die Anlage aber nicht (mehr) dem Stand der Technik nach § 22 BImSchG, obwohl die Ergebnisse aller Stellungnahmen und Prognosen gerade dies voraussetzten. Wegen der Vergrößerung des Wirkungsspektrums der Basisanlage (MVA) und der Erweiterung des zu betrachtenden Wirkraumes sei auch eine standortbezogene Vorprüfung im Sinne des UVPG nach Anlage 1 Nr. 7.5.2 und 8.4.2 UVPG erforderlich, deren Ergebnis öffentlich bekannt zu geben sei. Zudem finde die Störfallverordnung (12. BImSchV) Anwendung, weil die Biogasmenge der Anlage 16,9 t erreiche und damit die Mengenschwelle von 10 t klar überschreite. Die Anlage unterfalle damit bei der erforderlichen gasdichten Abdeckung des Gärrestbehälters zumindest den Grundpflichten der Störfallverordnung hinsichtlich des zu berücksichtigenden Standes der Technik.
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Mit Blick auf das offene Gärresteendlager werde der bei Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen erforderliche Sicherheitsabstand nach Nr. 5.4.8.6. der TA Luft von 500 m nicht eingehalten. Selbst bei einer geschlossenen Anlage werde der einzuhaltende Abstand von 300 m noch deutlich unterschritten. Hinzu komme, dass das Geländeprofil ein Gefälle hin zur Wohnsiedlung Weinberg{WW}straße aufweise, so dass die geplante Bebauung am Hügelkamm im Störfall verstärkte Auswirkungen zeitige. Es sei in diesem Zusammenhang in keinem Fall bei dem einzuhaltenden Abstand berücksichtigt worden, dass Biogas als hochentzündlicher Stoff einzustufen und damit als Stoff nach Nr. 8 des Anhangs I der Störfallverordnung anzunehmen sei. Der Beklagte habe bei der Genehmigung zudem das Auftreten von Schwefelwasserstoff vernachlässigt. Bei einer Konzentration von mehr als 200 ppm sei Biogas gesundheitsschädlich. Da nach den Bauvorlagen eine Mengenschwelle von 5.000 kg überschritten werde, sei nach dem Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit ein Abstand von 800 m einzuhalten.
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Angesichts der geringen Entfernung zur Wohnbebauung werde sie in ihrer Lebensqualität deutlich durch Geruchsbelästigung, Verbreitung von Ungeziefer, Ausbreitung toxischer Stoffe sowie Lärm und Zulieferverkehr erheblich beeinträchtigt. Die von der Beigeladenen vorgelegte Geruchsimmissionsprognose vom 07.10.2010 gehe von falschen Ansätzen aus. Die Schallimmissionsprognose vom 07.09.2010 unterstelle zu Unrecht, dass sich ihr Wohngrundstück in einem allgemeinen Wohngebiet befinde; es liege vielmehr in einem reinen Wohngebiet mit der Folge, dass unter Berücksichtigung der Lärmvorbelastung nachts ein Wert von 29 dB (A) einzuhalten sei. Dieser Wert werde indessen deutlich überschritten. Das Gutachten berücksichtige zudem verschiedene Emissionsquellen wie Pumpen, Rührwerke, Tauchmotoren und Gasverdichter nicht. Die in der Nebenbestimmung Nr. 8.3 geforderten und angegebenen Werte für den Schallleistungspegel der Abgasmündung des Blockheizkraftwerks würden laut Datenblatt für den angegebenen BHKW-Typ trotz vorhandener Schalldämpfung nicht erreicht. Da der als Referenz angegebene BHKW-Container mit dem Gas-Otto-Motor vom Typ MB 3042 L4 sich nicht mehr im Angebot der Lieferfirma befinde, so dass ein anderes Modell angeliefert worden sei, besitze die vorgelegte Prognose keine Aussagekraft mehr. Schließlich solle der Anlieferverkehr nach der Baubeschreibung über die Pappelallee (heute "An den Pappeln") erfolgen. Es handele sich hierbei aber um einen landwirtschaftlichen Weg, der zu DDR-Zeiten von der damaligen LPG errichtet worden und für den Begegnungsverkehr nicht ausgelegt sei. Es sei deshalb zu erwarten, dass eine Umfahrung über die Weinbergstraße auch nach den Bauvorlagen durchaus als Option in Betracht gezogen werde. In der Immissionsprognose werde diese Variante in ihren Auswirkungen jedoch nicht geprüft.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Baugenehmigung des Beklagten vom 15.04.2011 sowie deren Änderungs- und Ergänzungsbescheide vom 24.05., 29.07. und 15.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 10.01.2012 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und vorgetragen: Das nach Baurecht zu beurteilende Vorhaben verletze keine nachbarschützenden Vorschriften. Das BHKW habe eine elektrische Leistung von 370 kW und eine Feuerungswärmeleistung von 995 kW. Die Gaslagerkapazität sei kleiner als 3 t. Die Mengenschwellen der Nr. 9.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV würden nicht überschritten. Die streitige Biogasanlage sei keine Nebenanlage zur benachbarten Rinderanlage. Diese würden von unterschiedlichen Betreibern geführt. Feste Abstandsregeln für die Verträglichkeit von Biogasanlagen zur benachbarten Wohnbebauung existierten derzeit in Sachsen-Anhalt nicht. Auch die Abstandsregelungen der Störfallverordnung seien für die Bemessung des notwendigen Abstandes nicht anwendbar. Der Verkehr zu der Anlage erfolge nicht über die Weinbergstraße sondern über die Pappelallee. Beschwerden wegen Geruchs- und Lärmbelästigungen seien seit der Inbetriebnahme der Biogasanlage bei ihm nicht eingelegt worden. Eine gasdichte Abdichtung sei erst verbindlich seit der ergangenen Rundverfügung des Landesverwaltungsamts vom 29.02.2012. Zuvor sei die Forderung nach einer gasdichten Abdeckung eine unverhältnismäßige Härte für die Beigeladene gewesen, weil die gesamte Anlage ohne gasdichte Abdeckung statisch geplant gewesen sei. Die Biogasanlage unterliege auch nicht der Störfallverordnung.
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Die Beigeladene hat beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und u.a. Folgendes erwidert: Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides habe das Vorhaben nicht der Pflicht zur standortbezogenen Vorprüfung unterlegen. Insbesondere liege das Fassungsvermögen der Gaslageranlage unter 3 t, und die Biogasanlage stelle kein Vorhaben der Tierhaltung im Sinne von Nr. 7.5.2 der Anlage 1 zum UVPG dar. Es handele sich bei dem Vorhaben auch nicht um eine Anlage zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen, denn das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), das Gülle nunmehr als Abfall betrachte, sei im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung und des Widerspruchsbescheides noch nicht in Kraft gewesen. Es könne an sich auch offen bleiben, ob das Vorhaben nach dem Immissionsschutzrecht genehmigungspflichtig gewesen wäre. Aus einem solchen Verfahrensverstoß könne die Klägerin keine Rechte für sich herleiten. Im Übrigen sei das Vorhaben nicht nach Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftig. Es sei insbesondere keine Nebenanlage zu der benachbarten Milchviehanlage. Das Vorhaben verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Den befürchteten Lärm- und Geruchsbelästigungen habe der Beklagte durch entsprechende Auflagen zur Begrenzung der Lärmrichtwerte und der Geruchsschwellenüberschreitung Rechnung getragen. Die Klägerin könne in diesem Zusammenhang lediglich die Richtwerte für ein Wohn-/Mischgebiet beanspruchen. Die Störfallverordnung sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht anwendbar und enthalte auch keine spezifische Abstandsregelung. Auf die Abstandsregelung nach Nr. 5.4.8.6 TA Luft könne sich die Klägerin nicht berufen, weil es sich im Zeitpunkt der Genehmigung und der Widerspruchsentscheidung nicht um eine Anlage zur Vergärung von Bioabfällen gehandelt habe.
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Mit dem angefochtenen Urteil vom 29.04.2013 hat das Verwaltungsgericht die Baugenehmigung vom 15.04.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.05.2011, 29.07.2011 und 15.09.2011 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt:
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Die Baugenehmigung sei - objektiv-rechtlich - schon deshalb rechtswidrig, weil die unzuständige untere Bauordnungsbehörde anstelle der sachlich für das Immissionsschutzrecht zuständigen Behörde gehandelt habe. Dabei könne offen bleiben, ob die Anlage nach Anhang Nr. 8.6 und 9.1 Buchstabe b) Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV wegen Überschreitung der Mengenschwellen oder nach Nr. 9.36 Spalte 2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV genehmigungspflichtig sei, weil es unter Berücksichtigung der über Rohrleitungen genutzten Güllebehälter der MVA ein Fassungsvermögen von insgesamt 6.500 m³ überschreite. Jedenfalls sei nicht nur die nach Immissionsschutzrecht beantragte und genehmigte Erweiterung der Milchviehanlage nach Nr. 7.1 des Anhangs 1 der 4. BImSchV genehmigungspflichtig; vielmehr sei auch die begehrte Genehmigung der Errichtung der Biogasanlage als deren Nebeneinrichtung nach Immissionsschutzrecht zu beurteilen. Die Voraussetzungen der Genehmigungspflicht nach § 16 Abs. 1 BImSchG seien erfüllt. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit der benachbarten Milchviehanlage folge aus § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV. Zum genehmigungsbedürftigen Anlagenbereich gehörten außer dem Kernbestand gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV auch bestimmte Nebeneinrichtungen. Darunter falle die streitige Biogasanlage.
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Zwar könne allein die Wahl des falschen Genehmigungsverfahrens der Klage noch nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Klägerin als Nachbarin lediglich Eingriffe in ihre Rechtsposition abwehren könne und Drittschutz nur solche Vorschriften des öffentlichen Baurechts oder des Immissionsschutzrechts vermitteln könnten, die nach ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt auch der Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Dritten dienen. Die Klägerin könne sich aber auf § 10 Abs. 2 bis 4, 6, 8 und 9 BImSchG berufen, der Drittbetroffenen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren einen „vorgezogenen Rechtsschutz“ einräume, indem er eine Beteiligung von Dritten am Verwaltungsverfahren vorsehe. Diesen Verfahrensvorschriften werde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Drittschutz zuerkannt, soweit das Vorbringen des Drittbetroffenen ergebe, dass sich der von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine materiell-rechtliche Position ausgewirkt haben könnte. Dies wiederum lasse sich nur dann ausschließen, wenn die vom Dritten behauptete Beeinträchtigung seiner materiellen Rechtsgüter „offensichtlich und eindeutig unmöglich sei“. Diese Feststellung könne hier jedoch nicht getroffen werden.
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Das Vorhaben dürfte zwar für die Klägerin keinen unzumutbaren Lärm hervorrufen. In der Baugenehmigung sei in der Nebenbestimmung Nr. 8.1 sinngemäß festgelegt, dass die Biogasanlage am Wohnhaus der Klägerin die Lärmrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB (A) tagsüber und 40 dB (A) nachts nicht überschreiten dürfe. Auch sei es grundsätzlich zulässig, den Lärmschutz in dieser Weise durch zielorientierte Festlegungen zu regeln, wobei allerdings gewährleistet sein müsse, dass die Richtwerte im regelmäßigen Betrieb auch eingehalten werden können. Daran bestünden nach Aktenlage keine durchgreifenden Zweifel. Die Rüge der Klägerin, sie befürchte, dass der Zu- und Abgangsverkehr entgegen der Baugenehmigung nicht über die ihrem Grundstück abgewandte, jedoch zur Erschließung untaugliche Straße "An den Pappeln", sondern über die angrenzende Weinberg{}straße abgewickelt werde, greife nicht durch, weil Streitgegenstand lediglich die Baugenehmigung, nicht aber eine möglicherweise abweichende Nutzung sei.
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Die materiell-rechtliche Betroffenheit der Klägerin könne aber jedenfalls nach dem von ihr vorgelegten Immissionsprotokoll und den dort dokumentierten, von weiteren Anliegern bestätigten Geruchsbelästigungen nicht schlechthin ausgeschlossen werden. Die Beigeladene könne sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass die Klägerin durch die Nebenstimmung Nr. 8.6 ausreichend geschützt werde, wonach die Wahrnehmungshäufigkeit 10 % der Jahresstunden nicht überschreiten dürfe. Es sei nicht gewährleistet, dass dieser Richtwert im allgemeinen Betrieb auch eingehalten werden könne. Dem stehe die von der Beigeladenen eingeholte Immissionsprognose vom 07.10.2010 nicht entgegen. Zum einen handele es sich lediglich um eine bloße Prognose der Zusatzbelastung durch die streitige Anlage ohne Ermittlung der bestehenden Vorbelastung durch die Milchviehanlage. Zum anderen erschienen die rechnerischen Prognosen des Privatgutachtens jedenfalls zum Teil nicht belastbar.
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Schließlich sei entgegen der Auffassung des Beklagten nach dem Weißdruck der VDI-Richtlinie 3475 Bl. 4 vom August 2010 beim Neubau von Biogasanlagen das Gärrestendlager zwingend mit einer gasdichten Abdeckung zu versehen. Der Gärrest müsse dabei mindestens 150 Tage abgedeckt bleiben, um unter anderem eine Restmethanbildung von unter 1 % zu gewährleisten. Von dieser Auflage könne nach dem Weißdruck nur dann abgesehen werden, wenn die Biogasanlage ausschließlich mit Gülle beschickt werde, da sich dann nachhaltig schützende Schwimmschichten bilden könnten. Das sei aber unstreitig nicht der Fall, da der Gülleanteil an der Inputmenge gerade nicht 100 % betrage. Damit werde die streitige Anlage entgegen § 5 Abs. 1 BImSchG nicht entsprechend dem Stand der Technik betrieben, obwohl dies von der im Verwaltungsverfahren eingeholten Immissionsprognose unterstellt werde, wie der Sachverständige (W.) in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage erklärt habe. Nach Nr. 2 der Geruchsimmissionsrichtlinie sei aber vor einer Immissionsbeurteilung grundsätzlich zu prüfen, ob die nach dem Stand der Technik gegebenen Möglichkeiten zur Verminderung der Emissionen ausgeschöpft seien.
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Die vom Senat zugelassene Berufung hat der Beklagte wie folgt begründet: Selbst wenn die Biogasanlage als Nebeneinrichtung der Milchviehanlage zu beurteilen sei, unterfalle sie den verfahrensrechtlichen Bestimmungen über das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG, da auch keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen gewesen sei. Zum Genehmigungszeitpunkt seien Biogasanlagen noch nicht in das UVPG aufgenommen worden. Die Biogasanlage sei auch nicht als Nebeneinrichtung der Milchviehanlage nach dem UVPG genehmigungspflichtig. Maßgeblich sei die tatsächliche Einbeziehung in den auf die Hauptanlage bezogenen Funktionszusammenhang. Die Biogasanlage diene ausschließlich der Stromerzeugung, die Milchviehanlage der Tierhaltung. Zwar werde die Gülle der Milchviehanlage in die Biogasanlage eingebracht; energetisch betrachtet sei dies jedoch ein geringer Anteil, weil 86 % des Biogases von Maissilage, Grassilage und Graspflanzsilage erzeugt werde. Außer der Gülleverwertung bestehe kein gemeinsamer Funktionszusammenhang. Selbst die Betreiber seien unterschiedliche. Im Übrigen habe keine standortbezogene Vorprüfungspflicht für die Biogasanlage nach Nr. 7.5.2 der Anlage 1 zum UVPG bestanden. Diese Regelung betreffe eine Tierhaltungsanlage. Das UVPG enthalte keine Regelung, wonach zwei verschiedene Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen gemeinsam eingestuft werden müssten. Vielmehr sei jede Anlage für sich zu betrachten.
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Der Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladene beruft sich zur Begründung ihrer Berufung ebenfalls darauf, dass eine Betroffenheit drittschützender Normen nicht aus einer möglicherweise falschen Wahl des Genehmigungsverfahrens folge, insbesondere weil in einem unterstellten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht § 10 BImSchG, sondern § 19 BImSchG anzuwenden sei, diese Vorschrift aber keinen Drittschutz vermittle. Das Vorhaben habe auch keiner standortbezogenen Vorprüfung nach dem UVPG unterzogen werden müssen. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren.
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Die Beigeladene beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufungen zurückzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt sie ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und führt ergänzend aus: Biogasanlagen seien nur unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert. Das Tatbestandsmerkmal "im Rahmen eines Betriebes" hätte erfordert, dass die Biogasanlage einem Basisbetrieb rechtlich-organisatorisch zugeordnet ist. Sofern der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes nicht zugleich Eigentümer der zu genehmigenden Anlage sei, sei die organisatorische Zuordnung nur dann noch hinreichend gewährleistet, wenn der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, an den die Biogasanlage anknüpfe, maßgeblichen Einfluss auf die Betreibergesellschaft der Biogasanlage habe. Diese notwendigen Voraussetzungen hätten hier nicht vorgelegen. Die fehlende Privilegierung der Biogasanlage müsse zumindest bei der Zumutbarkeit der von ihr hervorgerufenen Immissionen Berücksichtigung finden.
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Soweit die von der Beigeladenen eingeholte Immissionsprognose vom 07.10.2010 die Ermittlung der Vorbelastung durch den Tierhaltungsbetrieb und der Berechnung der sich kumulativ ergebenden Gesamtbelastung für Ammoniakemissionen für entbehrlich halte, weil eine "intern durchgeführte Ausbreitungsrechnung" ergeben habe, dass der Irrelevanzwert der TA Luft von 3 µg/m³ für keinen maßgeblichen Immissionsort überschritten werde, beruhten die Berechnungen auf fehlerhaften Annahmen.
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Die gesundheitsschädigende und giftige bzw. sehr giftige Wirkung von im Biogas enthaltenem Schwefelwasserstoff werde unterschätzt. Rechnerisch würde sich bei der Mengenschwelle (nach der Störfall-Verordnung) von 5.000 kg ein Volumen von 54,6 kg Schwefelwasserstoff ergeben, was - bezogen auf das gesamte Volumen der Anlage - einem Anteil von 3.227 ppm (parts per million) entspräche. Der Arbeitsplatzgrenzwert von Schwefelwasserstoff in Biogas betrage 5 ppm. Sie, die Klägerin, habe zahlreiche Untersuchungen zu diesem Problemkreis ausgewertet. Trotz Luftentschwefelung weise Biogas häufig Konzentrationen über 500 ppm auf. Insbesondere bei einstufigen Anlagen bzw. Gesamtverweilzeiten unter 100 Tagen träten besonders hohe Konzentrationen auf, so dass eine gasdichte Abdeckung des Gärrestbehälters unbedingt notwendig sei, um Ausgasungen, Geruchsbelästigungen und die Emission von klimaschädlichem Methan zu verhindern. Bei Mengen an Biogas, wie sie z.B. bei der Entleerung von gasdicht abgedeckten Gärrestebehältern und Fermentern anzutreffen sei, könne die gleiche absolute Menge an Schwefelwasserstoff entstehen wie im Falle eines Gehalts von 10.000 ppm und einer Mengenschwelle von 5.000 kg Biogas nach der Störfall-Verordnung. Dies gelte insbesondere bei einer Beschickung mit erheblichen Mengen Gülle, wie sie hier erfolge.
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Die Durchführung eines immissionsschutzrechtlichen Verfahrens sei erforderlich gewesen. Als Nebeneinrichtung der gewerblichen Tierhaltungsanlage unterfalle die Biogasanlage der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG. Es hätte ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchgeführt werden müssen, weil die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend erforderlich gewesen sei. Die erforderliche standortbezogene Vorprüfung habe indes nicht stattgefunden. Es handele sich um eine Anlage zur Lagerung von brennbaren Gasen ab 3 t nach Nr. 9.1 Buchstabe b) Spalte 2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV. Die Beklagte und die Beigeladene gingen zu Unrecht davon aus, dass die Mengenschwelle von 3 t nicht erreicht werde, weil die Gärrestebehälter offen und nicht gasdicht abgedeckt seien. Dies entspreche nicht dem Stand der Technik nach der VDI-Richtlinie 3475 Blatt 4, der für die Berechnung der Lagerkapazität zugrunde gelegt werden müsse. Eine Umgehung des gebotenen Einbezugs habe der Beklagte nicht dadurch zulassen dürfen, dass er unter ausdrücklichem Verstoß gegen das Abdeckungsgebot die bereits zutreffend erteilte Auflage in der Baugenehmigung wieder zurückgenommen habe. Nur so werde dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ausreichend Rechnung getragen. Mit der Rücknahme habe ihr eine Berufung auf die Verletzung drittschützender Vorschriften unmöglich gemacht werden sollen. Zudem benötigten Anlagen zur Lagerung von Gülle ab einer Kapazität von 6.500 m³ einer standortbezogenen Vorprüfung. Auch diese Mengenschwelle sei überschritten.
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Das Vorhaben der Beigeladenen führe auch zu unzumutbaren Lärmbelastungen. Die im Genehmigungsverfahren vorgelegte Schallimmissionsprognose unterstelle zu Unrecht, dass ihr Grundstück in einem allgemeinen Wohngebiet liege. Tatsächlich handele es sich bei der näheren Umgebung ihres Grundstücks um ein reines Wohngebiet, für das niedrigere Immissionsrichtwerte gelten, die deutlich überschritten seien. Zudem habe der Gutachter nicht sämtliche Emissionsquellen der Biogasanlage berücksichtigt. Auch könne die in der Nebenbestimmung Nr. 8.3 der Baugenehmigung geforderte Schalldämpfung nicht erreicht werden.
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Das Vorhaben der Beigeladenen verstoße gegen die Störfall-Verordnung, der die Anlage unterfalle. Die für hochentzündliches Gas maßgebliche Mengenschwelle von 10.000 kg werde überschritten. Im Fermenter und dem Gärrestlager 1 einschließlich des Speichervolumens über den Behältern könnten maximal 13.000 m³ Biogas vorhanden sein, was bei der anzunehmenden Dichte des Biogases von 1,3 kg/m³ einer Menge von 16.900 kg entspreche. Auch insoweit sei von der nach dem Stand der Technik geforderten Abdeckung des Gärrestbehälters auszugehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH entfalteten selbst die Vorsorgegrundsätze in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82 zur Beherrschung von Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen nicht nur drittschützende Wirkung, sondern seien unmittelbar zu beachten.
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Das Vorhaben der Beigeladenen verstoße auch deshalb gegen das Rücksichtnahmegebot, weil bei bestimmten Betriebszuständen bis zu 13.000 m³ hochentzündliches Gas und ca. 8.000 m³ Gülle in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung lagerten. Zudem träten Methan, Ammoniak und Schwefelwasserstoff aus der Anlage aus. Die Anwohner des Ortsteils (H.) seien ohnehin schon durch die Tierhaltungsanlage beeinträchtigt. Die Anlage habe zudem durch ihre exponierte Lage an der Hangkante eine optisch bedrängende Wirkung. Bekannt sei, dass auch Ungeziefer, Mücken und Insekten durch Biogasanlagen angelockt würden, aber eben auch in der näheren Umgebung zu Belästigungen führten. Vor allem aber handele es sich letztlich um die Erweiterung eines im Außenbereich nicht privilegierten gewerblich-industriellen Komplexes hin zu einem Baugebiet, das in seiner Anlage mit hoher Wohnqualität und besonderem Erholungswert ausgestattet worden sei. Dieses Ziel der Dorfentwicklung werde durch das Vorhaben der Beigeladenen empfindlich zum Nachteil der Anwohner gestört.
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Der Senat hat zu der Frage, welchen Geruchsimmissionen das Grundstück der Klägerin durch die streitige Biogasanlage unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch die Milchviehanlage ausgesetzt ist, ein Sachverständigengutachten eingeholt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässigen Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen sind begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Baugenehmigung zu Unrecht aufgehoben.
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1. Die Klage ist zwar zulässig. Insbesondere ist die Klägerin nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann geltend machen, durch die angefochtene Baugenehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Für die Bejahung der Klagebefugnis genügt es, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen möglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.01.1993 - BVerwG 4 B 206.92 -, NVwZ 1993, 884 [885], RdNr. 8 in juris). Daran fehlt es nur, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Klägerin verletzt sein können (BVerwG, Urt. v. 07.05.1986 - BVerwG 1 C 10.95 -, BVerwGE 101, 157 [159], RdNr. 22 in juris). Es ist indessen nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin als Miteigentümerin eines von der streitigen Anlage ca. 240 m entfernten Grundstücks durch die angegriffene Baugenehmigung in subjektiven Rechten verletzt wird, weil auch ihrem Schutz dienende Vorschriften, insbesondere das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verankerte nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme und ggf. die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, verletzt werden.
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2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt nicht gegen ihre Aufhebung rechtfertigende Verfahrensvorschriften und auch nicht gegen materielle öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind. Dabei ist für die Entscheidung über die Anfechtungsklage grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend; nachträgliche Änderungen zu Gunsten des Bauherrn sind allerdings zu berücksichtigten (BVerwG, Beschl. v. 23.04.1998 - BVerwG 4 B 40.98 -, NVwZ 1998, 1179, RdNr. 3 in juris, m.w.N.).
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2.1. Die Klägerin kann die Aufhebung der angefochtenen Genehmigung nicht wegen eines Verfahrensmangels im Genehmigungsverfahren beanspruchen.
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Einen Anspruch auf Rechtsschutz gegen eine baurechtliche Genehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Genehmigung objektiv rechtswidrig ist, also öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Vielmehr setzt die Gewährung von Rechtsschutz voraus, dass die Nachbarn durch den Verwaltungsakt zugleich in ihren Rechten verletzt sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat.
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2.1.1. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich im Rahmen von Nachbarklagen aus § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten (UmwRG). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 verlangt werden, wenn
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1. eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften
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a) erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder
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b) erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist,
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2. eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 9 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder
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3. ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der
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a) nicht geheilt worden ist,
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b) nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und
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c) der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
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Es handelt sich insoweit um eine Sonderregelung, die die Relevanz bestimmter Verfahrensverstöße gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht erweitert (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2011 - BVerwG 9 A 23.10 -, BVerwGE 141, 171 [174], RdNr. 17). Indem § 4 Abs. 3 UmwRG die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO für entsprechend anwendbar erklärt, bringt er zum Ausdruck, dass auch insoweit die in § 4 Abs. 1 UmwRG bezeichneten Fehler unabhängig von den sonst nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geltenden einschränkenden Maßgaben zur Begründetheit der Klage führen. Die Norm lässt den individualrechtsbezogenen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet und weitet durch Verzicht auf die sonst geltenden Einschränkungen der Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern lediglich - insofern § 47 VwGO ähnelnd - den gerichtlichen Umfang der Begründetheitsprüfung gegenüber der Prüfung der Klagebefugnis aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12.2011 - BVerwG 9 A 30.10 -, NVwZ 2012, 573 [575], RdNr. 22). Ein zur Aufhebung führender Verfahrensfehler liegt hiernach nicht vor.
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2.1.1.1. Die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder -vorprüfung war nicht erforderlich.
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a) Dies gilt insbesondere auch dann, wenn - wie die Klägerin geltend macht - die Biogasanlage als Nebeneinrichtung der benachbarten Milchviehanlage anzusehen sein sollte.
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Gemäß § 3e Abs. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 11.08.2010 (BGBl I S. 105) - UVPG a.F. - besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn (1.) in der Anlage 1 für Vorhaben der Spalte 1 angegebene Größen- oder Leistungswerte durch die Änderung oder Erweiterung selbst erreicht oder überschritten werden oder (2.) eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Bei dem Vorhaben der Beigeladenen handelt es sich indes um keine Änderung eines Vorhabens im Sinne von § 3e Abs. 1 UVPG a.F., für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht. Ein Änderungsvorhaben unterfällt nicht der UVP-Vorprüfungspflicht nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG a.F., wenn für das Grundvorhaben lediglich eine standortbezogene Vorprüfung vorgesehen ist, es sei denn, für das vorprüfungsbedürftige Grundvorhaben ist eine Einzelfallprüfung mit positivem Ergebnis tatsächlich schon durchgeführt worden (vgl. Urt. d. Senats v. 10.10.2013 - 2 K 98/12 -, juris, RdNr. 310; Beschl. d. Senats v. 22.10.2015 - 2 M 13/15 -, juris, RdNr. 34; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3e RdNr. 8; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 3e UVPG, RdNr. 12). Nach diesen Grundsätzen unterfällt die Errichtung und der Betrieb der Biogasanlage nicht der Vorprüfungspflicht des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG a.F. Denn für die Rinderhaltungsanlage der MVA (H.) GmbH mit 782 genehmigten Kuhplätzen hätte nach Nr. 7.5.2 der Anlage 1 zum UVPG a.F. lediglich eine standortbezogene Vorprüfungspflicht im Einzelfall gemäß § 3c Satz 2 UVPG a.F. bestanden. Für sie wurde auch keine Einzelfallprüfung mit positivem Ergebnis durchgeführt.
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Eine UVP-Vorprüfungspflicht des Vorhabens der Beigeladenen ergibt sich auch nicht aus § 3c Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 Satz 1 und 2 UVPG a.F. Danach ist, wenn der maßgebende Größen- oder Leistungswert durch die Änderung oder Erweiterung eines bestehenden bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens erstmals erreicht oder überschritten wird, für die Änderung oder Erweiterung eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des bestehenden, bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens durchzuführen. Bestehende Vorhaben sind auch kumulierende Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 Satz 1. Die Vorschriften betreffen die Fälle des "Hineinwachsens in Schwellenwerte" (vgl. Sangenstedt, a.a.O., § 3b RdNr. 42 ff.) durch ein Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben. § 3b Abs. 3 UVPG a.F. gilt zwar auch für die Fälle der nachträglichen Kumulation, wenn also ein neues Vorhaben im engen räumlichen Zusammenhang mit einem anderen Vorhaben durchgeführt werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06.2015 - BVerwG 4 C 4.14 -, BVerwGE 152, 219 [224 f.], RdNr. 16 ff.) Es muss sich aber - wie bei § 3b Abs. 2 UVPG a.F. - um ein Vorhaben derselben Art handeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06.2015, a.a.O., RdNr. 21). Nur dann ist ein Erreichen oder Überschreiten von Schwellenwerten durch ein Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben überhaupt möglich. Dies scheidet hier schon deshalb aus, weil sich die standortbezogene Vorprüfungspflicht einer Rinderhaltungsanlage nach der Zahl der Rinderplätze richtet, die durch das Vorhaben der Beigeladenen unberührt bleibt. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, die Tierhaltungsanlage habe eine Anlage zur Lagerung von Gülle umfasst, deren Fassungsvermögen durch das Vorhaben der Beigeladenen erweitert werde. Anlagen zur Lagerung von Gülle sind im Katalog der UVP-pflichtigen bzw.- vorprüfungspflichtigen Vorhaben des Anhangs zum UVPG a.F. nicht enthalten.
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b) Für das Vorhaben der Beigeladenen bestand auch als eigenständige Anlage keine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung oder -vorprüfung nach § 3b Abs. 1 bzw. § 3c Satz 1 oder 2 UVPG a.F. i.V.m. der Anlage 1 zum UVPG a.F.
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aa) Eine Biogasanlage der hier streitigen Art lässt sich keinem der Nr. 1.1 der Anlage 1 zum UVPG a.F. aufgeführten Vorhaben zuordnen. Diese Nummer betraf die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warmwasser, Prozesswärme oder erhitztem Abgas durch den Einsatz von Brennstoffen in einer Verbrennungseinrichtung (wie Kraftwerk, Heizkraftwerk, Heizwerk, Gasturbine, Verbrennungsmotoranlage, sonstige Feuerungsanlage), einschließlich des jeweils zugehörigen Dampfkessels, je nach Feuerungswärmeleistung. Da nach der Baubeschreibung (Bl. 128 Beiakte A) das BHKW nur 426 kW thermische Leistung hat, könnte nach der Feuerungswärmeleistung nur die Nr. 1.1.7 (100 kW bis weniger als 1 MW) Anwendung finden, die eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles nach § 3c Satz 2 UVPG a.F. vorsieht. Diese gilt aber nur beim Einsatz anderer als in den Nummern 1.1.3 bis 1.1.5 genannter fester oder flüssiger Brennstoffe, für gasförmige Brennstoffe gilt sie hingegen nicht.
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bb) Die streitige Anlage war auch nicht von Nr. 8.4 der Anlage 1 zum UVPG a.F. erfasst. Diese Nummer betraf die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen, auf die die Vorschriften des KrW-/AbfG Anwendung finden, mit einer Durchsatzleistung von 50 t Einsatzstoffen oder mehr je Tag (Spalte 1) bzw. 10 t bis weniger als 50 t Einsatzstoffen je Tag (Spalte 2). Bei den in der Anlage der Beigeladenen zum Einsatz kommenden Stoffen (Rindergülle, Rinder- und Hühnermist, Gras-, Mais- und Ganzpflanzsilage) handelt es sich nicht um (nicht gefährliche) Abfälle, auf die die Vorschriften des - bis zum 31.05.2012 geltenden - KrW-/AbfG Anwendung fanden.
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Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a KrW-/AbfG galten die Vorschriften dieses Gesetzes nicht für die nach der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 03.10.2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl. EG Nr. L 273 S. 1) - im Folgenden: EG-TierNebVO - in der jeweils geltenden Fassung, nach den zu ihrer Durchführung ergangenen Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, nach dem Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz oder nach den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen abzuholenden, zu sammelnden, zu befördernden, zu lagernden, zu behandelnden, zu verarbeitenden, zu verwendenden, zu beseitigenden oder in den Verkehr zu bringenden tierischen Nebenprodukte. Gülle und Mist wurden damit dem Rechtsregime des KrW-/AbfG entzogen (vgl. VGH BW, Beschl. v. 12.04.2010 - 3 S 2786/09 -, juris, RdNr. 4, m.w.N.). Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a EG-TierNebVO wird Gülle als Material der Kategorie 2 eingestuft. Es kann als unverarbeiteter Rohstoff direkt in einer technischen Anlage, Biogas- oder Kompostieranlage verwendet oder auf Böden ausgebracht werden (Art. 5 Abs. 2 Buchst. e EG-TierNebVO).
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Gras- und Maissilage stellen keinen Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 bis 4 KrW-/AbfG dar (vgl. VGH BW, Beschl. v. 12.04.2010, a.a.O., RdNr. 4). Es handelt sich um landwirtschaftliche Produkte, die aus nachwachsenden (Primär-)Rohstoffen haltbar gemacht werden und auch als (hochwertige) Futtermittel verwendet werden können. Silage, Gärfutter oder Silo ist ein durch Milchsäuregärung konserviertes hochwertiges Futtermittel für Nutztiere, vor allem für Wiederkäuer (insbesondere das Hausrind). Es werden aber auch nachwachsende Rohstoffe, die als Energiequelle in Biogasanlagen dienen, durch Silierung haltbar gemacht (vgl. wikipedia zu Silage). Primärrohstoffe sind kein Abfall (vgl. Fluck, KrW-/AbfG § 3 RdNr. 126; Breuer, in: Jarras/Petersen, KrW-/AbfG § 3 RdNr. 81), auch wenn sie neben Sekundärrohstoffen in einem Verfahren eingesetzt werden. Gleiches gilt für landwirtschaftliche Produkte, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, wie etwa Mais- oder Grassilage. Im nunmehr geltenden § 2 Abs. 2 Nr. 4 KrWG (vgl. zur neuen Ausnahmeregelung: BT-Drs. 17/6052, S. 69) werden nur solche anderen nicht gefährlichen landwirtschaftlichen Materialien genannt, die keine (nachwachsenden) Primärrohstoffe bzw. landwirtschaftlichen Produkte darstellen, wie etwa Stroh, Heu oder sonstige Pflanzenreste, wie Rübenblätter oder Gemüsestrünke.
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cc) Die Biogasanlage fiel auch nicht in den Anwendungsbereich der Nr. 9.1.4 der Anlage 1 zum UVPG a.F. über die Errichtung und den Betrieb einer Anlage, die der Lagerung von brennbaren Gasen in Behältern oder von Erzeugnissen, die brennbare Gase z.B. als Treibmittel oder Brenngas in Behältern enthalten, dient, mit einem Fassungsvermögen von 3 t bis weniger als 30 t, soweit es sich um Behältnisse mit einem Volumen von jeweils mehr als 1.000 cm3 handelt.
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Den Schwellenwert von 3 t erreicht der im Dach des Fermenters befindliche Gasspeicher nicht. Er hat nach der Baubeschreibung (Bl. 106 der Beiakte A) ein Volumen von 1.851 m³. Legt man das gesamte Volumen des Speichers zugrunde, ergibt sich bei der von der Beigeladenen angegebenen Dichte von 1,2 kg/m³ eine Menge von 2.221,2 kg Biogas. Geht man von einer höheren Dichte von 1,3 kg/m³ aus, wie sie für den Regelfall angenommen wird (vgl. die Erläuterungen zur Berechnung der vorhandenen Masse von hochentzündlichem Biogas in Biogasanlagen zur Prüfung der Anwendung der StörfallV, Internet. http://www.biogas.org/edcom/webfvb.nsf), ergibt sich eine Menge von 2.406,3 kg. Auch dieser Wert liegt noch deutlich unter dem Schwellenwert von 3 t, so dass auch bei Hinzurechnung von Gasmengen in den Rohrleitungen eine Überschreitung des Schwellenwerts ausgeschlossen werden kann. Deshalb bedarf keiner Vertiefung, ob entsprechend der in der Anlage 5.2 zum Bauantrag (Ermittlung der Lagerkapazität für Biogas, Beiakte A, B. 106) erfolgten Berechnung von einem deutlich geringeren anrechenbaren Gasvolumen (von nur 723 m³) und dem entsprechend von einem deutlich geringeren Gasgewicht (von nur 0,87 t) auszugehen ist (vgl. dazu die Ausführungen im Biogas-Handbuch von Monika Agatz vom Oktober 2014 im Abschnitt "Gaslagerung" / Ziffer 9.1", S. 13 f.; Internet: http://www.windenergie-handbuch.de/wp/wp-content/uploads/).
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Für die Berechnung der Lagerkapazität der Biogasanlage muss das Volumen des Gasraums über dem Gärrestlager 1 schon deshalb außer Betracht bleiben, weil die Abdeckung dieses Lagers nicht Inhalt der Genehmigung ist, sondern nur ein nicht abgedecktes Gärrestlager genehmigt wurde. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass nach dem Stand der Technik (VDI-Richtlinie 3475, Blatt 4) Gärrestbehälter gasdicht abzudecken sind, so dass die Kapazität eines gasdicht abgedeckten Gärrestlagers zugrunde zu legen sei. Abzustellen ist allein auf die Genehmigungslage. Der Umstand, dass eine Anlage, so wie sie genehmigt ist, nicht dem Stand der Technik entspricht, hat allenfalls die objektive Rechtswidrigkeit der Genehmigung zur Folge. Allein deshalb kann die Klägerin aber nicht die Aufhebung der Baugenehmigung beanspruchen. Das Merkmal des Stands der Technik, wie es etwa in dem dem bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot verwandten § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG verstanden wird, berührt aus sich heraus keine Nachbarrechte (OVG NW, Beschl. v. 29.08.2012 - 2 B 940/12 -, NuR 2014, 659, RdNr. 11 in juris). Die drittschützende Wirkung des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG - und des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots - erschöpft sich darin, die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu bewahren, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Das heißt nicht, dass jede Beeinträchtigung, die sich nach dem Stand der Technik vermeiden lässt, unabhängig von ihrem Grad als schädlich zu qualifizieren ist und vom Betroffenen abgewehrt werden kann (BVerwG, Beschl. v. 25.08.1999 - BVerwG 4 B 55.99 -, BRS 62 Nr. 186, RdNr. 6; OVG NW, Beschl. v. 29.08.2012, a.a.O.). Die Klägerin vermag in diesem Zusammenhang nicht mit dem Einwand durchzudringen, mit der Rücknahme der Nebenbestimmung Nr. 8.10 zur Baugenehmigung nach Erhebung ihres Widerspruchs habe ihr eine Berufung auf die Verletzung drittschützender Vorschriften unmöglich gemacht werden sollen. Auch wenn der Beklagte diese Nebenbestimmung zurückgenommen haben sollte, um die Baugenehmigung verfahrensrechtlich zu "retten", ergibt sich allein hieraus kein Aufhebungsanspruch der Klägerin.
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Im Übrigen dient die tatsächlich hergestellte Abdeckung über dem Gärrestlager 1 nicht der Lagerung von dort noch entstehendem weiterem Gas. Unter "Lagerung" wird allgemein die Aufbewahrung von Stoffen zwecks späterer Verwendung (oder Beseitigung) verstanden (vgl. OVG NW, Beschl. v. 26.10.2000 - 21 B 1468/00 -, NVwZ-RR 2001, 231; Jarass, BImSchG, 11. Aufl., § 3 RdNr. 76; Thiel, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II § 3 BImSchG RdNr. 93; Feldhaus, Immissionsschutzrecht, Bd. 2, Anhang Nr. 9 zur 4. BImSchV, RdNr. 27). Auch nach § 2 Abs. 6 Satz 1 GefahrstoffV (bzw. § 2 Abs. 5 Satz 1 GefahrstoffV a.F.) ist Lagern das "Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere". Die Abdeckung auf dem Gärrestlager 1 ist aber nur als emissionsmindernde Maßnahme konzipiert. Nach den Feststellungen des Sachverständigen beim Ortstermin ist der Gasraum über dem Gärrestlager 1 nicht in die Gasfassung eingebunden. Vielmehr wird das in diesem Lager noch entstehende Gas über eine Druckausgleichsöffnung nach außen abgeleitet.
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2.1.1.2. Es war auch kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitbeteiligung nach § 10 BImSchG durchzuführen.
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der 4. BImSchV in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 01.07.2005 - 4. BImSchV a.F. - wird das Genehmigungsverfahren durchgeführt nach § 10 BImSchG für a) Anlagen, die in Spalte 1 des Anhangs genannt sind, b) Anlagen, die sich aus in Spalte 1 und in Spalte 2 des Anhangs genannten Anlagen zusammensetzen, und c) Anlagen, die in Spalte 2 des Anhangs genannt sind und zu deren Genehmigung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung ein Verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
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a) Die Erforderlichkeit eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung ergab sich nicht daraus, dass die Biogasanlage möglicherweise als Nebeneinrichtung zur Rinderhaltungsanlage im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV a.F. einzustufen war mit der Folge, dass nur eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG hätte erteilt werden dürfen.
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Die Frage, ob eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG oder im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG zu erteilen ist, bestimmt sich grundsätzlich danach, nach welchem Verfahren die zu ändernde Anlage zu genehmigen ist; dies richtete sich bis zum Inkrafttreten der Neufassung der 4. BImSchV vom 02.05.2013 (BGBl I S. 973) grundsätzlich danach, ob sie in Spalte 1 oder 2 des Anhangs zur 4. BImSchV in der bis zum 01.05.2013 geltenden Fassung aufgeführt war (vgl. Czajka, in Feldhaus, BImSchG, § 16 RdNr. 52; Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 16 BImSchG, RdNr. 142).
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Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vom 23.10.2007 (BGBl I S. 2470 [2473]) am 30.10.2007 und damit sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung am 28.07.2010 als auch im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 15.04.2011 waren Anlagen zur Haltung von Rindern in Nr. 7.1 des Anhangs zur 4. BImSchV a.F. nur noch in der Spalte 2 unter dem Buchstaben e) mit der Mengenschwelle „600 oder mehr Rinderplätze (ausgenommen Plätze für Mutterkuhhaltung mit mehr als sechs Monaten Weidehaltung im Kalenderjahr)“ aufgeführt. Gemäß Art. 3 Nr. 2 Buchstaben r) aa) ccc) dieses Änderungsgesetzes wurde Nr. 7.1 Spalte 1 im Buchstaben e) dergestalt geändert, dass die Angabe „350“ durch die Angabe „-“ ersetzt wurde (vgl. auch Ludwig, in: Feldhaus, 4. BImSchV, Anhang Nr. 7.1). Dies hatte zur Folge, dass solche Anlagen - auch schon vor Inkrafttreten der 4. BImSchV in der Fassung vom 02.05.2013 - den verfahrensrechtlichen Bestimmungen des BImSchG über das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG unterfielen, sofern nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 Buchstabe c) der 4. BImSchV a.F. eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen war. Letzteres war aber, wie bereits oben unter 2.1.1.1. dargestellt, nicht der Fall.
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Da Rinderhaltungsanlagen nur in der Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV a.F. aufgeführt waren und sich die Biogasanlage - wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt - auch für sich genommen keinen der in der Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV a.F. genannten Vorhaben zuordnen ließ, ergab sich eine Genehmigungspflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung auch nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) der 4. BImSchV a.F.
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b) Das Vorhaben der Beigeladenen unterfiel auch nicht als selbständige Anlage einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG.
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aa) Sie erreicht nicht die Leistungsgrenze, ab der Anlagen zur Wärme- und Energieerzeugung nach Nr. 1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F. einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung - erst recht nicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung - bedurften.
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Da das BHKW nach der Baubeschreibung (Bl. 128 Beiakte A) nur 426 kW thermische Leistung hat, ist eine Genehmigungspflicht nur nach Nr. 1.3 der Spalte 2 der Anlage 1 zur 4. BImSchV a.F. in Betracht zu ziehen. Diese Regelung betrifft Anlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warmwasser, Prozesswärme oder erhitztem Abgas durch den Einsatz anderer als in Nummer 1.2 genannter fester oder flüssiger Brennstoffe in einer Verbrennungseinrichtung (wie Kraftwerk, Heizkraftwerk, Heizwerk, Gasturbinenanlage, Verbrennungsmotoranlage, sonstige Feuerungsanlage), einschließlich zugehöriger Dampfkessel, mit einer Feuerungswärmeleistung von 100 Kilowatt bis weniger als 50 Megawatt. In der streitigen Anlage kommen jedoch keine festen oder flüssigen, sondern nur gasförmige Brennstoffe zum Einsatz. Da der Anlagentyp der Spalte 2 zugeordnet ist, ergäbe sich das Erfordernis eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG zudem gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c) des Anhangs zur 4. BImSchV a.F. nur, wenn eine UVP-Prüfung erforderlich gewesen wäre. Die war aber - wie oben bereits dargelegt - nicht der Fall.
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bb) Die Biogasanlage unterfiel auch keinem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungstatbestand als Anlage zur Verwertung von Abfällen und sonstige Stoffen unter der Nr. 8 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F..
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Einschlägig war insbesondere nicht Nr. 8.6 Buchstabe b) des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F. Diese Vorschrift betraf Anlagen zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen, auf die die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Anwendung fanden, mit einer Durchsatzleistung von 50 Tonnen Abfällen oder mehr je Tag (Spalte 1) bzw. mit einer Durchsatzleistung von 10 Tonnen bis weniger als 50 Tonnen Abfällen je Tag (Spalte 2). Wie oben bereits dargestellt handelt es sich bei den in der Biogasanlage zum Einsatz kommenden Stoffen nicht um (nicht gefährliche) Abfälle, auf die die Vorschriften des KrW-/AbfG Anwendung fanden.
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cc) Das Vorhaben der Beigeladenen war auch nicht nach Nr. 9.1 Spalte 2 b) des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F. genehmigungspflichtig. Die Regelung betraf sonstige Anlagen zur Lagerung von brennbaren Gasen in Behältern mit einem Fassungsvermögen von 3 Tonnen bis weniger als 30 Tonnen. Diese Grenze erreicht die Anlage - wie oben bereits dargestellt - nicht. Da dieser Anlagetyp in Spalte 2 aufgeführt ist, hätte eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG im Übrigen nur dann bestanden, wenn eine UVP-Pflicht bestanden hätte. Dies war aber aus den schon dargelegten Gründen nicht der Fall.
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dd) Das Vorhaben der Beigeladenen unterfiel schließlich nicht der Nr. 9.36 Spalte 2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV a.F. Die Vorschrift betraf Anlagen zur Lagerung von Gülle mit einem Fassungsvermögen von 6.500 Kubikmetern oder mehr. Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, die Güllelager der Milchviehanlage hielten alleine eine Kapazität von 5.200 m³ vor und träten ergänzend neben dem Bruttovolumen des neuen Gärrestbehälters mit 4.487 m³ hinzu. In den Behältern soll künftig keine Gülle, sondern Gärrest gelagert werden. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht von Anlagen zur Lagerung von Gärresten wurde erst in Nr. 9.36 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV in der Fassung vom 02.05.2013 aufgenommen. Da dieser Anlagetyp in Spalte 2 aufgeführt ist, hätte eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG im Übrigen nur dann bestanden, wenn eine UVP-Pflicht bestanden hätte. Dies war aber - wie oben bereits dargelegt - nicht der Fall.
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2.1.2. Die Klägerin kann die Aufhebung der Baugenehmigung nicht allein deshalb beanspruchen, weil statt der Baugenehmigung möglicherweise eine immissionsschutzrechtliche (Änderungs-)Genehmigung zu erteilen gewesen wäre. Eine fehlerhafte Auswahl des durchzuführenden Genehmigungsverfahrens - hier eines Baugenehmigungsverfahren anstatt eines von der Klägerin für erforderlich gehaltenen immissionsschutzrechtlichen (Ände- rungs-)Genehmigungsverfahrens - bewirkt aus sich heraus keinen Abwehranspruch der Klägerin. Der Vorbehalt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG, in dem die Öffentlichkeit nicht beteiligt werden muss, ist nicht drittschützend (BVerwG, Urt. v. 05.10.1990 - 7 C 55.89, 7 C 56/89 -, BVerwGE 85, 368 [372]; Urt. v. 20.08.2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352 [368 f.], RdNr. 41).
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2.2. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt auch keine dem Schutz der Klägerin dienenden materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
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2.2.1. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die streitige Biogasanlage im Außenbereich nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert sei, weil sie dem Basisbetrieb rechtlich-organisatorisch nicht zugeordnet sei und sich damit nicht "im Rahmen eines Betriebs" nach § 35 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 4 BauGB bewege. Der Vorschrift des § 35 BauGB kommt nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Norm zu (BVerwG, Beschl. v. 03.04.1995 - BVerwG 4 B 47.95 -, BRS 57 Nr. 224, m.w.N.). Die Frage, ob eine Biogasanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB im Außenbereich privilegiert ist, hat allein objektiv-rechtliche Bedeutung; bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Privilegierung scheidet eine subjektiv-rechtliche Verletzung von Nachbarrechten aus (vgl. OVG BBg, Beschl. v. 07.04.2016 - OVG 10 N 45.14 -, juris, RdNr. 8, m.w.N.).
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2.2.2. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltene Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme. Sofern es sich bei der Biogasanlage - wie die Klägerin geltend macht - um eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage handeln sollte, verstößt das Vorhaben auch nicht gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.
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Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird. Für den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne dieser Regelung ist auf § 3 Abs. 1 BImSchG zurückzugreifen (Beschl. d. Senats v. 22.10.2015, a.a.O., RdNr. 7, m.w.N.). Immissionsschutzrecht und Bebauungsrecht stehen in einer Wechselwirkung zueinander; einerseits konkretisiert das BImSchG die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht; andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 - BVerwG 4 B 87.99 -, NVwZ 2000, 679, RdNr. 7 in juris). Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
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Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Unter für die Nachbarschaft schädlichen Umwelteinwirkungen sind alle Immissionen im Sinne von § 3 BImSchG zu verstehen, die für die Nachbarn nach Art, Ausmaß und Dauer unzumutbar sind, darunter auch Luftverunreinigungen durch Staub und Geruchsstoffe sowie Geräusche (§ 3 Abs. 2 und 4 BImSchG). Was zumutbar ist, richtet sich u.a. nach der durch die bebauungsrechtliche Prägung und tatsächliche oder planerische Vorbelastungen bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Umgebung, wobei wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend sind (BVerwG, Urt. v. 30.04.1992 - BVerwG 7 C 25.91 -, BVerwGE 90, 163 [165 f.], RdNr. 11 in juris; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014 - 9 A 2030/12 -, juris, RdNr. 51, m.w.N.). Die Beantwortung der Zumutbarkeitsfrage verlangt eine einzelfallbezogene Interessenbewertung, wobei ein objektiver Maßstab anzuwenden ist und zur Konkretisierung immissionsschutzrechtlicher Grundanforderungen Verwaltungsvorschriften und technische Regelwerke heranzuziehen sind (HessVGH, Urt. v. 01.04.2014, a.a.O.).
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2.2.2.1. Das Grundstück der Klägerin ist keinen schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen ausgesetzt.
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In Bezug auf schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen werden durch die auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassene TA Luft sowohl die Grundpflichten des Anlagenbetreibers als auch die aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG folgenden Abwehrrechte Dritter konkretisiert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.03.1996 - BVerwG 7 B 164.95 -, NVwZ-RR 1996, 498 [499], RdNr. 16 in juris). Auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen hat die TA Luft Bedeutung. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Nach Nr. 1 der TA Luft sollen, soweit im Hinblick auf die Pflichten der Betreiber von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG zu beurteilen ist, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen vorliegen, die in Nummer 4 festgelegten Grundsätze zur Ermittlung und Maßstäbe zur Beurteilung von schädlichen Umwelteinwirkungen herangezogen werden.
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Nach Abschnitt 1 der TA Luft wird allerdings der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen in dieser Verwaltungsvorschrift nicht geregelt, sondern nur die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen. Dementsprechend bedeutet der Umstand, dass in Abschnitt 5 der TA Luft vorgesehene Mindestabstände (etwa zu Tierhaltungsanlagen) nicht eingehalten werden, noch nicht, dass ein Betreiber seine Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht erfüllt; nur - umgekehrt - ist die Einhaltung des Mindestabstandes ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bzw. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB auftreten (vgl. Urt. d. Senats v. 24.03.2015 - 2 L 184/10 -, juris, RdNr. 93, m.w.N.). Zur Beurteilung der Frage, ob Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft zumutbar sind, bietet die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29.02.2008 mit einer Ergänzung vom 10.09.2008 eine sachgerechte Entscheidungshilfe. Technische Regelwerke erzeugen für die Behörden und Gerichte zwar keine Bindungswirkung, wenn der Gesetzgeber sie, wie das bei der GIRL der Fall ist, nicht in seinen Regelungswillen aufnimmt. Sie dürfen aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie im jeweiligen Bundesland umgesetzt sind (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2010 - BVerwG 4 B 29.10 -, BauR 2010, 2083 [2084], RdNr. 3 in juris, m.w.N.). Die Anwendung der GIRL gewährleistet eine - hinreichend verlässliche - Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen (vgl. Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O. RdNr. 95; Beschl. d. Senats v. 01.08.2011 - 2 M 84/11 -, NVwZ 2012, 119 [121], RdNr. 29 in juris, m.w.N.). Die GIRL wird allgemein als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten angesehen, welches auf fachwissenschaftlichen Untersuchungen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind. Die in ihr niedergelegten Erkenntnisse geben dem Prüfer ein Instrumentarium an die Hand, alle zur Beurteilung schädlicher Einwirkungen maßgeblichen Umstände wie Oberflächengestaltung, Hedonik, Vorbelastungen rechtlicher und tatsächlicher Art sowie Intensität der Geruchseinwirkungen zu beurteilen (vgl. HessVGH, Urt. v. 01.04.2014 a.a.O., RdNr. 53, m.w.N.). Berechnungen auf der Basis der GIRL stellen ein im Sinne einer konservativen Prognosesicherheit komfortables „worst-case-Szenario“ dar, und das gefundene Ergebnis liegt „auf der sicheren Seite“ (Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O, RdNr. 95; OVG RP, Beschl. v. 07.02.2014 - 1 B 11320/13 -, juris, RdNr. 20; BayVGH, Beschl. v. 15.11.2010 - 15 CS 10.2131 -, BauR 2013, 1816 [1817], RdNr. 15 in juris). Vor dem Hintergrund einer bisher fehlenden normativen Wirkung der GIRL ist die Frage der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen im gerichtlichen Verfahren allerdings auch anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten, wobei die GIRL einen wichtigen Orientierungspunkt darstellen kann. Bei dieser Einzelfallbeurteilung kommt es maßgeblich auf die Situation an, in die die Grundstücke gestellt sind, und ob prognostisch eine unzumutbare Geruchsimmission für die Nachbarschaft zu erwarten ist.
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2.2.2.1.1. Das Grundstück der Klägerin ist durch den Betrieb der genehmigten Biogasanlage - gemessen an den Vorgaben der GIRL - insbesondere keiner erheblichen Belästigung durch Geruchsimmissionen ausgesetzt.
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a) Nach Nr. 3.1 der GIRL sind Geruchsimmissionen in der Regel als erhebliche Belästigung zu werten, wenn die Gesamtbelastung IG (Nummer 4.6) die in Tabelle 1 angegebenen Immissionswerte (IW) überschreitet. Bei den Immissionswerten handelt es sich um relative Häufigkeiten der Geruchsstunden. Diese Häufigkeit beträgt nach der Tabelle 1 in Wohn- und Mischgebieten 0,10 sowie in Gewerbe-, Industrie- und Dorfgebieten 0,15 der Jahresstunden. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechtes den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen.Da der Außenbereich nach § 35 BauGB dazu dient, privilegierte Vorhaben wie etwa landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen, müssen allerdings Eigentümer von Wohnhäusern im Randgebiet zum Außenbereich mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen. Insofern ist ihre Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit gegenüber einer Wohnnutzung, die sich inmitten einer Ortslage befindet, deutlich herabgesetzt (Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O., RdNr. 96; vgl. auch OVG RP, Urt. v. 07.10.2009 - 1 A 10972/07 -, BauR 2010, 581 [584], RdNr. 84 in juris; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014, a.a.O., RdNr. 64 in juris). Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 21.12.2010 - BVerwG 7 B 4.10 -, NVwZ 2011, 433 [435], RdNr. 32 in juris), wonach bei städtebaulichen Konflikten in sog. Gemengelagen, also mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, im Rahmen (und zur Umsetzung) des Rücksichtnahmegebots auch bei Geruchsimmissionen eine Art Mittelwert (der Richtwerte der benachbarten Baugebiete) zu bilden ist, der der Sache nach nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte ist, sondern ein "Zwischenwert" für die Bestimmung der Zumutbarkeit. Dem entsprechend sehen auch die Begründung und die Anwendungshinweise zu Nr. 3.1 der GIRL vor, dass beim Übergang vom Außenbereich zur geschlossenen Wohnbebauung in Abhängigkeit vom Einzelfall Zwischenwerte bis maximal 0,15 (der Jahresstunden) zur Beurteilung herangezogen werden können. Die Begründung und die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL gehen im Abschnitt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich - Ortsüblichkeit“ zudem davon aus, dass aufgrund der historischen Entwicklung auch die Situation in den neuen Bundesländern besondere Anforderungen an die Berücksichtigung der Ortsüblichkeit stellen könne. So hätten in der damaligen DDR die ehemals prägenden Hofstellen innerhalb der Dörfer infolge der Kollektivierung der Landwirtschaft aufgegeben werden müssen. Sie seien durch große Einheiten ersetzt worden, die überwiegend in Ortsnähe, planungsrechtlich im Außenbereich, errichtet worden seien und dort seit Jahrzehnten betrieben würden. Dies habe dazu geführt, dass im Innenbereich der ehemaligen Dorfgebiete nur noch vereinzelt landwirtschaftliche Nutzungen vorzufinden seien, der jeweilige Siedlungsbereich jedoch durch die unmittelbare Nachbarschaft der Tierhaltungsanlagen geprägt werde. Für die im Einwirkungsbereich solcher Tierhaltungsanlagen gelegenen Grundstücksnutzungen könne deshalb die Zuordnung des Immissionswertes für Dorfgebiete gerechtfertigt sein. In begründeten Einzelfällen könne sogar noch über diesen Wert hinausgegangen werden.
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Vor diesem Hintergrund hält es der Senat hier für gerechtfertigt, für das Grundstück der Klägerin den Immissionsrichtwert von 0,15 der Jahresstunden zugrunde zu legen. Denn das Grundstück befindet sich am Rand zum Außenbereich und ist zudem durch die Geruchsimmissionen der benachbarten, bereits zu DDR-Zeiten errichteten und über Jahrzehnte betriebenen Rinderhaltungsanlage erheblich vorbelastet.
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Die Gesamtbelastung durch die Biogasanlage und die Rinderhaltungsanlage liegt indes nach dem Gutachten des vom Gericht beauftragten Sachverständigen vom 21.04.2016 in der Fassung der Ergänzung vom 13.09.2016 zwischen 10,4 % der Jahresstunden (Wetterdaten der Wetterstation Halle-Kröllwitz) und 14,7 % der Jahresstunden (Wetterdaten der Wetterstation Flughafen Leipzig/Halle) und unterschreitet damit den Wert von 15 % der Jahresstunden.
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Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Vorbelastung könne nur dazu führen, dass sie nur landwirtschaftliche Gerüche über dem Wert von 10 % der Jahresstunden hinnehmen müsse, die Biogasanlage aber andersartige Gerüche verursache. Zum einen sind die Gerüche, die von der streitigen Biogasanlage ausgehen, mit Gerüchen aus der Landwirtschaft vergleichbar. Auch in der Landwirtschaft sind Gerüche durch die in der Biogasanlage der Beigeladenen zum Einsatz kommenden Inputstoffe Gülle, Mist und Silage typisch. Auch Gärreste werden in der Landwirtschaft auf den Feldern ausgebracht. Die Gerüche durch das BHKW haben dagegen - wie das eingeholte Gutachten belegt - nur einen verhältnismäßig geringen Anteil an der Gesamtbelastung. Zum anderen beträgt die Geruchsbelastung durch die streitige Biogasanlage für sich betrachtet nach dem Gutachten in der ergänzten Fassung vom 13.09.2016 zwischen 5,8 und 7,5 % der Jahresstunden und liegt damit für sich betrachtet unter dem Immissionsrichtwert der GIRL für Wohngebiete von 10 % der Jahresstunden.
- 105
b) Das eingeholte Sachverständigengutachten in seiner ergänzten Fassung vom 13.09.2016 lässt auch keine Fehler erkennen, die zu seiner Unverwertbarkeit führen.
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aa) Dies gilt insbesondere für die Ermittlung der vom Gärrestlager 1 ausgehenden Geruchsemissionen.
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Der Sachverständige hat bei seiner ursprünglichen Berechnung zwar zunächst die tatsächliche Bauausführung dieses Gärrestlagers zugrunde gelegt und ist dem entsprechend davon ausgegangen, dass aufgrund der Abdeckung mit Druckausgleichsöffnung von einer 90%-igen Minderung der Geruchsemissionen auszugehen sei. Für die Frage, ob die Baugenehmigung rechtswidrig ist und nachbarschützende Rechte verletzt, ist aber nicht die tatsächliche Bauausführung maßgeblich. Abzustellen ist vielmehr darauf, welchen Inhalt die Baugenehmigung hat. Nach den genehmigten Bauvorlagen, die den Inhalt der Baugenehmigung bestimmen, sollte das Gärrestlager ohne Abdeckung errichtet werden. Die der Baugenehmigung beigefügte Auflage Nr. 8.10, dass das Gärrestlager mit einer gasdichten Abdeckung zu versehen ist, nahm der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 15.09.2011 zurück.
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Der Sachverständige hat jedoch auf Anforderung eine neue Ausbreitungsrechnung vorgenommen, die nunmehr davon ausgeht, dass das Gärrestlager 1 ohne Abdeckung betrieben wird (vgl. die ergänzende Stellungnahme/Berechnung vom 13.09.2016). Er hat dabei, um auf der "sicheren Seite" zu sein, den Konventionswert von 1,5 GE/(m²/s) zugrunde gelegt, der in der vom Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg erstellten Geruchsemissionsfaktorenliste mit Stand vom März 2015 (Internet: http://www.mlul.brandenburg.de/media_fast/4055/emissionsfaktoren.pdf) - nachfolgend: GE-Faktorenliste - aufgeführt ist, obwohl er diesen Wert nach seiner Einschätzung und seinen Erfahrungen für zu hoch hält.
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Unbegründet ist der Einwand der Klägerin, es könne nicht auf diesen Konventionswert zurückgegriffen werden, weil er nur für Gärrestlager mit einer 10 cm starken Schwimmdecke auf Gärresten gelte. Nach der in den Bauvorlagen enthaltenen Verfahrensbeschreibung (Bl. 123 der Beiakte A) soll sich als Abschluss der Gärreste auf der Oberfläche des Endlagers eine Schwimmschicht bilden, die dadurch entsteht, dass in den Gärresten die durch die Inputstoffe in den Prozess eingebrachten Pflanzenfasern noch vorhanden sind. Die Befürchtung der Klägerin, dass die Bildung einer 10 cm starken Schwimmschicht aufgrund der täglichen Beschickung mit 60 t Input, des ständigen Aufrührens und der kurzen Verweildauer nicht gewährleistet sei, hat der Gutachter entkräftet. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.09.2016 hat er angegeben, aus Erfahrungen mit anderen Anlagen sei zu erwarten, dass sich bei der genehmigten Einsatzstoffzusammensetzung eine stabile Schwimmdecke mit deutlich mehr als 10 cm Stärke ausbilde, sofern das Gärrestlager nicht aufgerührt werde. Soweit sich die Schwimmdecke nicht mehr im Nahbereich des Zulaufs befinde, der bei offenen Behältern nahe dem Behälterboden liegen sollte, werde sie durch die quasikontinuierliche Zuführung von Gärsubstrat aus dem Fermenter nicht beschädigt, sondern angehoben. Erfahrungsgemäß rieche ausgefaulter Gärrest, der eine Schwimmdecke aus abgetrockneten Maisresten aufweise, fast gar nicht. In der weiteren Betrachtung werde kein zusätzlicher Ansatz für die Ausbringphasen gemacht, weil der Konventionswert bereits deutlich auf der sicheren Seite liege. Die Emissionen seien nicht aus theoretischen Betrachtungen zum Restgaspotenzial ableitbar. Dieses Potenzial könne nur genutzt werden, wenn die für die Lebensbedingungen für die am Biogasprozess beteiligten Mikroorganismen optimal sind. Da in offenen unisolierten Behältern die Temperatur näher an der Umgebungstemperatur (ca. 10° C) als an der optimalen Temperatur für die Mikroorganismen (ca. 40° C) liege, breche die eigentliche Biogasproduktion beim Übertritt in das offene Lager zusammen. Ferner würden gebildete Produkte nicht abgeführt, da die Behälter nicht gerührt würden; dies wirke sich ebenfalls hemmend aus. Im Übrigen sei die hier gegebene mittlere hydraulische Verweilzeit von rund 58 Tagen nicht als kurze Verweilzeit zu betrachten.
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Auch der im Schriftsatz vom 20.09.2016 und in der mündlichen Verhandlung geäußerte Einwand der Klägerin, es seien nach der Verfahrensbeschreibung Rührvorgänge erforderlich, die die Bildung einer (ausreichenden) Schwimmschicht hindere, verfängt nicht. Nach der dem Bauantrag beigefügten Verfahrensbeschreibung (Bl. 124 der Beiakte A) sollen zwar mehrere Tauchmotorrührwerke im Endlager dafür sorgen, dass sich aus den Sink- und Schwebstoffen keine Ablagerungen im Endlager im Boden- und Wandbereich bilden, welche ein Abpumpen der Gärreste verhindern würden. Auch heißt es in den von der Klägerin zitierten "Empfehlungen für die Auswahl von Rührwerken für Gärbehälter und Gärrestlager" (Nr. IV - 10/2014 [2. Auflage]) des Biogasforums Bayern (Internet: http://www.biogas-forum-bayern.de/.../Empfehlungen) im Abschnitt "Basisinformation zur Rührtechnik für Gärbehälter und Gärrestlager", dass in den Gärbehältern und Gärrestlagern einer Biogasanlage das Rühren der Suspension zum Ausgleich von Temperatur- und Konzentrationsunterschieden im Gärgemisch, zur Vermischung von Feststoffen und Flüssigkeiten, zur Vermeidung der Bildung von Schwimm- und Sinkschichten, zur Verbesserung des Wärmeaustauschs an den Heizflächen und zur Erleichterung des Gasaustritts aus dem Gärgemisch erfolge. Dies bedeutet aber nicht, dass mit Rührvorgängen während der Lagerung der Gärreste die darüber befindliche Schwimmschicht regelmäßig beseitigt wird. In diesen Empfehlungen ist in Abschnitt 3.1 auch die Funktionsweise von Tauchmotorrührwerken u.a. wie folgt beschrieben:
- 111
"Der Rührflügel (Propeller) bildet mit dem Elektromotor eine Einheit, die komplett in das zu durchmischende Medium eintaucht. Daher muss das gesamte Rührwerksgehäuse druckwasserdicht und korrosionsfest ausgeführt (…) sein. Das Rühraggregat ist an einer vertikal angeordneten Führungsstange befestigt und kann an dieser mit Hilfe einer Seilwinde in der Höhe verstellt werden. Optional kann die Führungsstange mithilfe einer Kurbel nach rechts oder links geschwenkt und damit die Wirkrichtung des Rührwerks verändert werden. Manche Hersteller bieten auch die Möglichkeit an, das Rührwerk mithilfe eines Steckbolzens um 30 ° nach oben und unten zu schwenken…"
- 112
Dies bedeutet, dass der Einsatz eines Tauchmotorrührwerks nicht zwingend die Beseitigung der Schwimmschicht zur Folge hat, sondern auch unter der Schwimmschicht zum Einsatz kommen kann. Von einer Beseitigung der Schwimmschicht ist in der Verfahrensbeschreibung der Beigeladenen, die Inhalt der Baugenehmigung ist, nicht die Rede. In der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter zudem überzeugend dargelegt, dass die Schwimmschicht in Gärrestlagern nach seinen Erfahrungen und sinnvollerweise erst dann durch ein Aufrühren beseitigt wird, wenn die Gärreste nach der erforderlichen Verweilzeit ausgebracht werden sollen. Dann erst entstünden auch stärkere Gerüche. Die Gerüche in der Ausbringphase sind aber nach der Einschätzung des Gutachters durch den auf der "sicheren Seite" liegenden Konventionswert abgedeckt.
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bb) Auch die Bewertung der Geruchsemissionen, die von den bereits vorhandenen, zuvor als Güllebehälter genutzten Gärrestlagern 2 und 3 ausgehen, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Auch bei diesen Lagern ist der Gutachter davon ausgegangen, dass eine ausreichende Schwimmschicht vorhanden ist. Dies entspricht den Feststellungen, die er im Rahmen der Ortsbesichtigung getroffen hat. Danach sei der Gärrestebehälter 2 zum Zeitpunkt des Ortstermins voll gewesen und habe eine dicke braune Schwimmdecke aufgewiesen. Der Gärrestebehälter 3 sei beim Ortstermin etwa zu einem Drittel bis zur Hälfte voll gewesen; die Schwimmdecke sei oberflächlich trocken und teilweise bewachsen gewesen. Im Bereich oberhalb der Substratzuführung sei die Schwimmdecke schwarz gewesen, was darauf hindeute, dass die Schwimmdecke in diesem Bereich zeitweilig beschädigt werde. Spezifische Gerüche seien im Umfeld der Lagerbehälter nicht feststellbar gewesen. Dies decke sich mit einer Messung an der Biogasanlage (S.), bei der unter anderem die offenen Gärrestlager untersucht worden seien. Dort habe sich bei geschlossener abgetrockneter Schwimmdecke kein anlagenspezifischer Geruch feststellen lassen. Da nicht auszuschließen sei, dass derartige Materialien nach Niederschlagsereignissen etwas riechen oder wie erkennbar sich gelegentlich ein begrenztes Leck in der Schwimmdecke bilde, werde im Jahresmittel von einer schwachen Emission ausgegangen, die durch einen Wert von 500 GE/(m² · h) abgeschätzt werde. Um die Bedingungen beim Aufrühren zu untersuchen, sei ein Behälter in (S.) gezielt aufgerührt worden. Bei der Messung durch eine Fahnenbegehung sei eine Geruchsschwellenentfernung von 75 bis 100 m ermittelt worden. Die Quellstärke des untersuchten 23-m-Behälters habe ca. 1 * 106 GE/h betragen. Dies entspreche einer spezifischen Quellstärke von 2.500 GE/(m² . h). Für die rechnerische Abschätzung habe er den Schätzwert für ruhendes Substrat für 9 Monate angesetzt und für die Ausbringmonate März, April und August den Messwert für den aufgerührten Behälter.
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Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, der vom Sachverständigen angesetzte Wert von 500 GE/(m² · h) betrage nur ein Zehntel des in der GE-Faktorenliste angenommenen Werts von 1,5 GE/(m² · s) = 5.400 GE/(m² · h), der bereits vom Vorhandensein einer Schwimmschicht ausgehe. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.09.2016 sowie in der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter nochmals ausgeführt, dass beim Ortstermin im Umfeld der Gärrestlager 2 und 3 vor der Hintergrundbelastung durch die Tierhaltung keine spezifischen Gerüche wahrgenommen worden seien, was auch Erfahrungen mit anderen Biogasanlagen entspreche. Da in die nachgelagerten Behälter 2 und 3 kälteres Substrat aus dem Gärrestlager 1 gepumpt werde, seien dort auch theoretisch geringere Emissionen zu erwarten. Eventuell zeitweise höhere Emissionen aus der kleinen Teilfläche von ca. 1 bis 2 m² wirkten sich im Rahmen der Schätzgenauigkeit nicht aus. Aufgrund dieser speziellen, vom Gutachter vor Ort ermittelten Bedingungen an den Gärrestlagern 2 und 3 erscheint es plausibel, vom Konventionswert von 1,5 GE/(m . s) abzuweichen.
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cc) Auch die Bewertung der Emissionen im Bereich der Rohstofflagerung in den Fahrsilos ist nicht zu beanstanden. Insoweit hat der Sachverständige für die Maissilage den in der Praxis allgemein üblichen Wert von 3 GE/(m² . s) zugrunde gelegt, obwohl die Mehrzahl der Messwerte eher bei 2,5 GE/(m² . s) liege. Er hat weiter ausgeführt, der von ihm gewählte Ansatz mit einem dreifach höheren Wert für zwei Stunden berücksichtige das Emissionsverhalten für die eigentliche Entnahme und die Anfangsphase der Abklingkurve tendenziell leicht überschätzend. Für die Grassilage hat er den allgemein gebräuchlichen Rechenwert der VDI-Richtlinie 3894 von 6 GE/(m² . s) und den dreifachen Wert von 18 GE/(m² . s) für zwei Stunden am Tag zugrunde gelegt. Nach den Feststellungen, die der Gutachter in dem von ihm durchgeführten Ortstermin getroffen hat (vgl. S. 16 des Gutachtens), waren zum Zeitpunkt des Ortstermins im hinteren Bereich der jeweiligen Kammer mit einer Höhe von jeweils 2,5 m drei Anschnitte vorhanden. Zur Berechnung der Geruchsemissionen für die Silagelagerung hat er eine Maissilage-Anschnittsfläche und eine Grassilage-Anschnittsfläche von jeweils 14 m Breite und 4 m Höhe (56 m²) zugrunde gelegt, die die mittleren Jahresbedingungen abdeckten.
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Der Zugrundelegung von nur zwei Anschnittsflächen für Maissilage und Grassilage kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, im Zeitpunkt des Ortstermins seien nicht nur zwei, sondern drei Kammern belegt gewesen. Würde man die tatsächlich vorgefundenen drei Anschnittsflächen von jeweils 14 m x 2,5 m zugrunde legen, ergäbe sich eine Fläche von insgesamt 105 m². Die vom Gutachter unter "mittleren Jahresbedingungen" angenommene Gesamtfläche beträgt 112 m² und liegt damit geringfügig über der der Berechnung zugrunde gelegten Fläche.
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Die Klägerin vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, bei der Bewertung der Geruchsemissionen durch die Mais- und Grassilage habe der Gutachter fehlerhaft den "Vorschub" nicht berücksichtigt, obwohl bei der Entnahme nicht glatt abgeschnitten werde, sondern die Folie über die Silage hinweg einige Meter zurückgeschlagen werde. Die Nebenbestimmung Nr. 8.8 der Baugenehmigung, die hier maßgeblich ist, schreibt vor, dass die Inputstoffe, die im Fahrsilo gelagert werden, abzudecken sind und die Anschnittsfläche möglichst klein zu halten ist. Dies erlaubt es der Beigeladenen nicht, außerhalb der Entnahmevorgänge die Abdeckfolie auf der in den Fahrsilos gelagerten Silage um mehrere Meter zurückschlagen. Nicht stichhaltig ist insoweit der im Schriftsatz vom 20.09.2016 und in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand der Klägerin, nach einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebenen Abschlussbericht "Repowering von Biogasanlagen - Maßnahmen zur Effizienzsteigerung für den vorhandenen Anlagenbestand" des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik vom 05.12.2015 (Internet: http://www.energetische-biomassenutzung.de/fileadmin/user_upload/) sei ein gewisser "Vorschub" erforderlich und entspreche daher auch gängiger Praxis. In diesem Bericht wird zunächst (S. 67 f.) darauf hingewiesen, dass eine sorgfältige Siloabdeckung unverzichtbar sei, um Lagerverluste zu minimieren. Mangelhafte/fehlende Abdeckung führe zu Lufteintritt, insbesondere an Rändern und Oberflächen. Folge seien Energieverluste durch Atmungsstoffwechsel aerober Mikroorganismen (Nacherwärmung), Nährstoffauswaschung, Verpilzung und Schimmelbildung. Auch der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es wichtig sei, durch eine Abdeckung der Silage das Eindringen von Luft so weit wie möglich zu verhindern. Im Bericht des Fraunhofer-Instituts heißt es im Abschnitt "Sinnvolle Entnahme" (S. 69) weiter, bei der Entnahme dringe Luft, d.h. Sauerstoff, in den Silostock ein und ermögliche die Vermehrung aerob lebender Hefen und Schimmelpilze, die während der Lagerung überdauert haben. Je tiefer der Lufteintritt, desto stärker seien Nacherwärmung und Schimmelbildung. Sie führten zu Energieverlusten und riefen biologische Prozessstörungen in der Biogasanlage hervor. Aus diesen Gründen sollte die Anschnittsfläche dem Silageverbrauch unbedingt so angepasst werden, dass ausreichend Vorschub (ca. 1 - 1,5 m/Tag im Winter, ca. 2 - 2,5 m/Tag im Sommer) bei möglichst kleiner Anschnittsfläche gegeben ist. Auch die richtige Entnahmetechnik (Blockschneider, Schneidschild) helfe den Lufteintritt ins Silo zu minimieren. Die Forderung nach einem "Vorschub" bedeutet damit gerade nicht, dass der an der Anschnittsfläche liegende (vordere) Teil der Silage außerhalb der Entnahmevorgänge oder gar längere Zeit unabgedeckt bleiben soll. Mit ausreichendem "Vorschub" ist in diesem Zusammenhang nur gemeint, dass von der Silage eine bestimmte Strecke pro Tag abgeschnitten werden sollte, um die Verluste durch Lufteintritt in die Silage zu minimieren.
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Es begegnet auch keinen Bedenken, dass der Sachverständige einen allgemein üblichen 10%-igen Zuschlag deshalb nicht angesetzt hat, weil sich die Anlage im Zeitpunkt der Ortsbesichtigung in einem "vorbildlich sauberen Zustand" befunden hat, dieser Zustand aber möglicherweise nicht immer oder nur zeitweilig anzutreffen ist. Nach den Anmerkungen zur GE-Faktorenliste ist bei Biogasanlagen ein pauschaler Zuschlag in Höhe von 10 % der diffusen Emissionen (kontinuierlich und zeitlich gewichtet) für Verschmutzungen, Transport- und Umschlagvorgänge zu erheben (Sicherheitszuschlag). Nach den Feststellungen des Gutachters entstehen Emissionen dieser Art in der Anlage der Beigeladenen durch verhältnismäßig viel Silagesickersaft, den Umsatz von Hühnermist und Rinderfestmist und die Zwischenlagerung von Silage aus anderen Lagern. Dafür hat er stattdessen eine Ersatzquelle mit einem Geruchsstoffstrom von 0,40 . 106 GE/h angesetzt.
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dd) Nicht durchschlagend ist die Rüge der Klägerin, die dem Feststoffdosierer zuzurechnenden Emissionen habe der Gutachter fehlerhaft berechnet, weil er von einer Oberfläche der Behälteröffnung von 25 m² ausgegangen sei, obwohl diese nach den Bauvorlagen 28 m² und nach der Immissionsprognose vom 07.10.2010 sogar 28,5 m² betrage. Nach der Anlage zur Baubeschreibung (Beiakte A, Bl. 110) hat der Trioletbunker eine Breite von 9,50 m und eine Breite von 2,98 m, so dass sich bei einem Rechteck eine Fläche von 28,31 m² ergäbe. Diese Angaben beziehen sich auf den Trioletbunker des Typs Solomix 3 - 6000 mit einem Inhalt von 60 m³ (vgl. Beiakte A, Bl. 188), der in der Anlage zur Baubeschreibung angegeben wurde. Da jedoch die Öffnung des Trioletbunkers eine ovale Form hat, ist deren Oberfläche geringer als die eines Rechtecks. Im Übrigen würde sich eine in diesem Rahmen zu klein angesetzte Oberfläche der Behälteröffnung nur marginal auf die Gesamtemissionen der Biogasanlage auswirken.
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Die Klägerin macht ferner geltend, es sei - wie in der GE-Faktorenliste vorgesehen - eine Expositionsdauer von vier Stunden anzusetzen, weil allein zum Befüllen zwei Stunden angesetzt werden müssten und die Beförderung aus dem Dosierer in den Fermenter auch eine bestimmte Zeit in Anspruch nehme, während die Inputmenge bewegt werde. Dem Gutachten ist indes nicht zu entnehmen, dass der Sachverständige insoweit denselben zeitlichen Ansatz wie für die Entnahme der Silage aus den Kammern der Fahrsilos gewählt hat. Vielmehr ist er pauschal von einem konstanten Ansatz von 6 GE/(m² . s) ausgegangen.
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ee) Die Klägerin rügt auch zu Unrecht, der Gutachter habe für das BHKW einen spezifischen Emissionsfaktor von 2.000 GE/m³ gewählt, obwohl die ursprüngliche Immissionsprognose vom 07.10.2010 - wie in der GE-Faktorenliste vorgesehen - einen Wert vom 3.000 GE/m³ zugrunde gelegt habe. Der Gutachter hat seinen Ansatz von 2.000 GE/m³ in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.09.2016 plausibel damit begründet, dass dieser den Randbedingungen möglichst nahe kommen solle. Der Ansatz von 3.000 GE/m³ im Prognosegutachten entspreche einer Empfehlung, die aus einer Messung an Motoren unterschiedlicher Baugröße hervorgegangen sei und wiederum eine konservative Abschätzung zur sicheren Seite von Prognosegutachten darstelle. Da der TÜV Nord hausintern Emissionen von 800 bis 1.500 GE/m³ an Motoren von 500 bis 800 kW bestimmt habe, liege der Ansatz von 2.000 GE/m³ noch auf der sicheren Seite. Zudem seien trotz der nicht den Anforderungen der TA Luft entsprechenden Ableitung auch von der Klägerin keine Wahrnehmungen von verbrennungs- bzw. schwimmbadähnlichen Gerüchen (NOx) angegeben worden, so dass davon auszugehen sei, dass der Motor - wie bei anderen dem Stand der Technik entsprechenden Anlagen - nicht zur Geruchsbelastung im Umfeld beitrage.
- 122
Im Übrigen würde sich bei einem Ansatz von 3.000 GE/m³ der Geruchsstoffstrom von 3,44 . 106 GE/h auf 5,16 . 106 GE/h, also um lediglich 1,72 . 106 GE/h und damit im Verhältnis zu der vom Gutachter ermittelten Gesamtbelastung von 15,04 . 106 GE/h durch die Biogasanlage und 44,9 . 106 GE/h durch die Milchviehanlage (zusammen 59,94 . 106 GE/h) nicht entscheidend erhöhen.
- 123
ff) Die Klägerin beanstandet auch ohne Erfolg, dass im Gutachten die Disposition von Schwefelwasserstoff nicht explizit angesprochen werde. Der Gutachter hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.09.2016 und in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt, dass sich die Geruchsemissionen erfahrungsgemäß nicht von Konzentrationen von Einzelkomponenten ableiten lassen, sondern bei der Messung von Gerüchen die erforderliche Verdünnung des Stoffgemischs olfaktometrisch ermittelt werde. Bei der Messung von purem Biogas werde in der Regel Schwefelwasserstoff als eine wesentliche Geruchskomponente wahrgenommen.
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gg) Der Berechnung der Geruchsimmissionen liegen auch geeignete Wetterdaten zugrunde. Da es für den Standort der Anlage keine konkreten Wetterdaten gibt, hat der Gutachter die meteorologischen Daten der geografisch nächstgelegenen Wetterstation Halle-Kröllwitz und der vom DWD im südlichen Sachsen-Anhalt in der Regel empfohlenen Wetterstation Leipzig-Schkeuditz (Flughafen) herangezogen, die gewisse Unterschiede aufweisen, und alternative Ausbreitungsrechnungen durchgeführt. So weise die Windrichtungsverteilung bei der Wetterstation Leipzig deutlich mehr Südwinde auf, die gerade in vorliegenden Fall von Bedeutung sind. Andererseits weise diese Station weniger Schwachwinde auf als die Station Halle-Kröllwitz. Die mittlere Windgeschwindigkeit der meteorologischen Zeitreihe der Station Halle-Kröllwitz für das Jahr 2002 betrage nur 2,25 m/s und sei somit erheblich geringer als am Standort der Anlage zu erwarten. Die mittlere Windgeschwindigkeit der meteorologischen Zeitreihe der Station Leipzig-Schkeuditz für das Jahr 2006 betrage hingegen 4,3 m/s und sei deutlich höher als am Standort der Anlage zu erwarten. Es sei daher davon auszugehen, dass beide Datensätze die tatsächlich am Standort herrschenden Bedingungen nur in einer Näherung beschreiben. Dennoch ergäben sich bei den Berechnungen mit beiden Datensätzen keine gravierend abweichenden Ergebnisse. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die auf das Grundstück der Klägerin einwirkenden Geruchsimmissionen zwischen 10,4 und 14,7 % der Jahresstunden liegen. Beide Werte liegen, wie oben bereits ausgeführt, noch unterhalb des hier maßgeblichen Immissionswerts von 15 % der Jahresstunden.
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2.2.2.1.2. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BImSchG für das Grundstück der Klägerin ergeben sich auch nicht durch Ammoniakimmissionen.
- 126
Soweit nach den Bestimmungen der TA Luft Grenzwerte für Ammoniak- und Stickstoffeinträge einzuhalten sind, dienen diese nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit, sondern dem Schutz empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme. Die TA Luft enthält in Nr. 4 Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Anforderungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit werden in Nr. 4.2. der TA Luft gestellt. In Nr. 4.2.1 der TA Luft sind zum Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit Immissionswerte für verschiedene luftverunreinigende Stoffe festgelegt, nicht aber für Ammoniak oder Stickstoff. Nach Nr. 4.4.2 Abs. 3 der TA Luft ist nach Nr. 4.8 zu prüfen, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist. Nr. 4.8 der TA Luft enthält Vorgaben bezüglich luftverunreinigender Stoffe, für die Immissionswerte in den Nummern 4.2 bis 4.5 nicht festgelegt sind. Nach Nr. 4.8 Abs. 5 Satz 1 der TA Luft ist bei der Prüfung, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist, Anhang 1 Abbildung 4 heranzuziehen. Liegen ferner Anhaltspunkte dafür vor, dass der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme (z.B. Heide, Moor, Wald) durch Stickstoffdeposition nicht gewährleistet ist, soll dies ergänzend geprüft werden (Nr. 4.8 Abs. 6 Satz 1 der TA Luft). Ergeben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme auf Grund der Einwirkung von Ammoniak, soll der Einzelfall geprüft werden (Nr. 4.8 Abs. 7 Satz 1 der TA Luft).
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Dem entsprechend ist zu fragen, an welchen Stellen für gärtnerische, landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Betriebe unzumutbare Vermögenseinbußen durch Pflanzenschäden auftreten könnten und wo das Gemeinwohl beeinträchtigt werden könnte; fehlt es an derartigen Schutzgütern, sind weitere Prüfungen nicht erforderlich. Damit kann sich ein Nachbar allenfalls dann auf die Verletzung einer drittschützenden Regelung durch Ammoniak- oder Stickstoffimmissionen berufen, wenn er Eigentümer von in der Nähe der emittierenden Anlage liegenden Flächen mit empfindlichen Pflanzen oder Ökosystem (etwa Waldflächen) ist (vgl. zum Ganzen: Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O., RdNr. 130, m.w.N.). Dies trifft auf die Klägerin nicht zu. Nicht stichhaltig ist ihr Einwand, bereits im September/Oktober 2012 hätten sich die Nadeln des in ihrem Vorgarten vorhandenen 1 m hohen Juniperus (Wacholder), der aufgrund seiner Empfindlichkeit ein Schadstoffanzeiger sei, stellenweise gelb gefärbt. Die eventuelle Schädigung einer möglicherweise ammoniak- bzw. stickstoffempfindlichen Pflanze in einem Vorgarten begründet noch keine erheblichen Nachteile für die Nachbarschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG. Hier ist auch in Rechnung zu stellen, dass bereits vor Inbetriebnahme der Biogasanlage eine erhebliche Vorbelastung mit Ammoniak durch die bereits vorhandene Milchviehanlage bestanden hat.
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2.2.2.1.3. Das Grundstück der Klägerin wird auch keinen schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Schwefelwasserstoff-Immissionen sowie mögliche Brände und Explosionen in der Biogasanlage ausgesetzt.
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Die Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat im November 2014 eine Arbeitshilfe "Szenarienspezifische Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18" (KAS-32) erstellt und im November 2015 überarbeitet. Darin wird festgehalten, dass das Biogas neben den Hauptbestandteilen Methan und Kohlendioxid weitere Gase enthalte, von denen Schwefelwasserstoff aufgrund seiner Toxizität und den geringen Beurteilungswerten für störungsbedingte Immissionen relevant sei. Die Konzentration von Schwefelwasserstoff sei insbesondere vom eingesetzten Substrat abhängig, und dem entsprechend variierten die Literaturangaben im Bereich von 0,02 bis 2 Vol.-% Schwefelwasserstoff. Nach dem Leitfaden KAS 18 sei für die Bewertung von toxischen Gefährdungen der ERPG-2-Wert heranzuziehen. Für Schwefelwasserstoff betrage er 30 ppm. Darauf aufbauend wurde in der KAS-32 für die Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse ein "Achtungsabstand" formuliert. Seine Bemessung erfolgte auf der Basis einer angenommenen Freisetzung von Biogas durch das Versagen eines Foliensystems auf einem Fermenter oder Gärrestlagerbehälter. Aus dem Vorsorgegedanken heraus wurde eine nicht auszuschließende Biogaszusammensetzung von 75 Vol.-% Methan, 2 Vol.-% Schwefelwasserstoff und 23 Vol.-% Kohlendioxid angenommen. Das für die Bauleitplanung verwendete Szenario sollte ein Dennoch-Szenario sein, in dem ein größerer Massenstrom freigesetzt wird, als dies bei einem vernünftigerweise nicht auszuschließenden Szenario wie z.B. einer Flanschleckage oder dem Ansprechen einer Druckentlastungseinrichtung der Fall ist. Weiterhin sollte das Szenario nicht die Freisetzung der gesamten zusammenhängenden Masse innerhalb kurzer Zeit unterstellen, da solche Szenarien für die externe Notfallplanung verwendet werden. Bei heute üblichen größeren Behälterdurchmessern der Fermenter und Gärrestlager erschienen Risse in Foliensystemen in Längen von mehreren Metern plausibel. In einer Tabelle wurden für einige Leckflächen die berechneten Massenströme zusammengestellt. Hierbei wurden ein Betriebsüberdruck von 5 mbar und eine Temperatur von 20 °C vorausgesetzt. Im Leitfaden KAS 18 sei für die Ausflussziffer ein scharfkantiges Leck mit einem Wert von 0,62 angesetzt worden. Da keine Angaben über die Ausflussziffer bei einem Leck in einer Folie vorlagen, wurde konservativ ein Wert von 1 für die Berechnungen verwendet. Im Leitfaden KAS 18 wurde eine Freisetzungsdauer von 10 Minuten vorausgesetzt. Die Gasmengen im Fermenter und im Gärrückstandslager lägen typischerweise im Bereich von 3.000 kg bis 8.000 kg. Unter der Annahme, dass die Gesamtmenge eines Behälters innerhalb von 10 Minuten freigesetzt werde, ergäben sich damit Massenströme zwischen 5 kg/s bis 13 kg/s. Aus Schadensereignissen sei aber auch bekannt, dass sich die Folienabdeckung auch über größere Bereiche von den Behältern lösen könne, z.B. durch Versagen des Klemmschlauchs. Sofern bekannt sei, dass die Befestigung der Folie mit Hilfe der Klemmschlauchtechnik erfolge oder nicht ausgeschlossen werden solle, werde abweichend von der nachfolgenden Konvention eine Leckgröße von 1 m² und daraus resultierend ein Achtungsabstand von 250 m empfohlen. Es werde als Leckfläche für Biogasanlagen 0,6 m² (Risslänge: 3 m; mittlere Breite: 0,2 m) festgelegt. Die daraus resultierende Freisetzungsrate liege auch in der Größenordnung, wie sie für Stoffe, für die die Standardleckfläche von 490 mm² festgelegt worden sei (Ausnahme gasförmiges Fluor), ermittelt worden sei (4,3 kg/s und 25 kg/s). Der ERPG-2-Wert für Schwefelwasserstoff von 30 ppm werde in einer Entfernung von ca. 200 m unterschritten, so dass der Achtungsabstand 200 m (Abstandsklasse I) betrage. Mit diesem Abstand seien auch mögliche Einwirkungen durch Brände und Explosionen abgedeckt.
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Die Arbeitshilfe KAS-32 der Kommission für Anlagensicherheit, einem nach § 51a Abs. 1 BImSchG beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gebildeten Gremium, kann als Orientierungshilfe für Gefahren beim Betrieb von Biogasanlagen durch Freisetzung von Schwefelwasserstoff, Brände und Explosionen sowie den unter Vorsorgegesichtspunkten gebotenen Abstand insbesondere zu Wohngebieten herangezogen werden. Sie baut auf dem von einer Arbeitsgruppe der Kommission für Anlagensicherheit erarbeiteten Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung von § 50 BImSchG" - KAS-18 auf. Wesentliche Grundlage dieses Leitfadens bildete nach der Vorbemerkung ein vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenes Gutachten, bei dem Behördenvertreter, Betreiber und Gutachter über ihre Erfahrungen in der Anwendung des Leitfadens befragt wurden. Zwar wird in der KAS-18 in Anhang 2 für den Stoff Schwefelwasserstoff ein Abstand von 797 m empfohlen. Jedoch befasst sich die Arbeitshilfe KAS 32 in Abschnitt 1 speziell mit Gefährdungen durch Biogasanlagen. Im Abschnitt 1.1 (Problemstellung) wird ausgeführt, wesentliche Unterschiede zu üblichen Prozessanlagen seien bei Biogasanlagen die Verwendung von Folien und Membranen als Umschließung für das Biogas sowie der geringe Innendruck in den Anlagen zur Biogasherstellung. Aufgrund von Konstruktion, Auslegung, Materialeigenschaften, insbesondere der wesentlich geringeren Festigkeit gegenüber Anlagenauslegungen in Chemieanlagen, resultierten größere Austrittsflächen und in Folge dessen andere Gasausbreitungen. Daher sei eine separate Bewertung dieses Anlagentyps analog der Vorgehensweise im Leitfaden KAS-18 erforderlich. Wird der - unter Vorsorgegesichtspunkten ermittelte - "Achtungsabstand" eingehalten, ist auch davon auszugehen, dass die Anlage weder schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG noch sonstige Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorruft.
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In Anwendung dieser Grundsätze wird das Grundstück der Klägerin durch den Betrieb der streitigen Biogasanlage weder schädlichen (toxischen oder gesundheitsgefährdenden) Einwirkungen durch Schwefelwasserstoff noch Gefahren durch Brände oder Explosionen ausgesetzt. Denn der geringste Abstand zwischen der Biogasanlage und dem Grundstück der Klägerin beträgt ca. 240 m. Sind selbst bei Störfällen Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Schwefelwasserstoff bei Einhaltung des empfohlenen Abstandes nicht anzunehmen, gilt dies erst recht für den Normalbetrieb, bei dem deutlich geringere Mengen dieses Stoffes freigesetzt werden (können). Nicht durchschlagend ist der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand der Klägerin, in der zweiten überarbeiteten Fassung sehe die KAS-32 einen größeren Abstand als 200 m vor. Auch nach der zweiten Fassung vom November 2015 beträgt der in Abschnitt 1.3.3. empfohlene "Achtungsabstand" grundsätzlich 200 m. Nur bei Befestigung der Folie mit Hilfe der sog. Klemmschlauchtechnik beträgt er 250 m. Die Klemmschlauchtechnik wird aber bei der hier zum Einsatz kommenden Tragluftabdeckung des Fermenters nach den genehmigten Bauvorlagen (vgl. die Unterlage "Gasdichte Behälterabdeckungen" - Beiakte A, Bl. 182) nicht angewandt. Zudem würde dieser - wiederum unter Vorsorgegesichtspunkten empfohlene - höhere "Achtungsabstand" hier nur ganz geringfügig unterschritten. Im Anhang 1 heißt es zwar unter "ergänzende Informationen" weiter, dass die spontane Freisetzung eines üblichen Inventars von ca. 8.000 kg Biogas zu einer Unterschreitung des ERPG-2-Wertes in einer Entfernung von 365 m führen würde (Wegdenken der Folie, angenommene Freisetzung der Gesamtmenge innerhalb einer Sekunde). Zugleich wird aber darauf verwiesen, dass dieser Fall den theoretisch maximal möglichen darstelle, der im Rahmen einer KAS-18 Betrachtung jedoch nicht unterstellt werde. Theoretisch maximal mögliche Störfälle genügen indessen nicht, um eine konkrete Gefahr im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Denn bei der Prognose, ob eine hinreichend konkrete Gefährdung vorliegt, um einen Schutz- und Abwehranspruch zu begründen, ist insbesondere auch die Wahrscheinlichkeit der denkbaren Störfälle zu berücksichtigen (vgl. VGH BW, Urt. v. 12.03.2015 - 10 S 1169/13 -, juris, RdNr. 80), Erforderlich ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass eines der in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter gefährdet ist (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 5 BImSchG, RdNr. 126).
- 132
2.2.2.2. Schädliche Umwelteinwirkungen sind auch nicht im Hinblick auf der Anlage zuzurechnende Geräuschimmissionen zu erwarten.
- 133
Der gesetzliche Maßstab für die Schädlichkeit von Geräuschen ist in der TA Lärm, die ihren Geltungsbereich nach ihrer Nr. 1 Abs. 2 ausdrücklich auch auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen erstreckt, mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren jedenfalls insoweit abschließend konkretisiert, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind gemäß Nr. 1 Abs. 3 Buchstabe b) aa) der TA Lärm die Vorschriften der TA Lärm zu beachten bei der Prüfung der Einhaltung des § 22 BImSchG im Rahmen der Prüfung von Anträgen in Baugenehmigungsverfahren (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 29.08.2007 - BVerwG 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209 [211], RdNr. 11 ff.).
- 134
Nach Nr. 3.2.1. der TA Lärm (Prüfung der Einhaltung der Schutzpflicht im Regelfall) ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 nicht überschreitet. Die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage darf auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Die Bestimmung der Vorbelastung kann entfallen, wenn die Geräuschimmissionen der Anlage die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 um mindestens 6 dB(A) unterschreiten. Nach Nr. 4.2 Buchstabe a) der TA Lärm ist bei der immissionsschutzrechtlichen Prüfung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Zulassung einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage vorbehaltlich der Regelungen in Nr. 4.3 sicherzustellen, dass die Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 nicht überschreiten; gegebenenfalls sind entsprechende Auflagen zu erteilen.
- 135
Die TA Lärm enthält in Nr. 6.1 Immissionsrichtwerte für einzelne Baugebietstypen. Für reine Wohngebiete liegt gemäß Nr. 6.1 Buchstabe e) der TA Lärm der Immissionsrichtwert am Tag bei 50 dB (A) und nachts bei 35 dB (A). Für allgemeine Wohngebiete liegt gemäß Nr. 6.1 Buchstabe d) der TA Lärm der Immissionsrichtwert am Tag bei 55 dB (A) und nachts bei 40 dB (A). Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. Nach Nr. 6.6 Satz 1 der TA Lärm ergibt sich die Art der in Nr. 6.1 bezeichneten Gebiete und Einrichtungen aus den Festlegungen in den Bebauungsplänen. Gebiete und Einrichtungen, für die keine Festsetzungen bestehen, sind nach Nr. 6.1 entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen. Dem entsprechend werden Gebiete im Innenbereich, für die kein Bebauungsplan vorliegt, nach § 34 BauGB beurteilt; dabei wird die Eigenart der näheren Umgebung betrachtet und eingeschätzt, welche Baugebietstypen am ehesten der vorhandenen Bebauung und Nutzung entsprechen (Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus BImSchG, Band 4, B 3.6 TA Lärm RdNr. 55). Maßstab der Schutzbedürftigkeit gegenüber Lärm im unbeplanten Innen-bereich ist die vorhandene Bebauung (§ 34 BauGB), was die Beachtlichkeit von Darstellungen des Flächennutzungsplans ausschließt (BVerwG, Beschl. v. 23.10.2000 - BVerwG 7 B 71.00 -, DVBl 2001, 642 [643], RdNr. 10 in juris). Im Fall einer sog. Gemengelage oder „diffusen Bebauung" kommt es bei der Heranziehung der Immissionsrichtwerte in Nr. 6.1 der TA Lärm darauf an, welchem Baugebietstyp die vorhandene Bebauung am ehesten entspricht (vgl. Feldhaus/Tegeder, a.a.O.).
- 136
Die Eigenart der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks dürfte zwar einem faktischen reinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO entsprechen, da sich dort - soweit ersichtlich - nur Wohngebäude befinden. Grenzt ein Wohngrundstück unmittelbar an den planungsrechtlichen Außenbereich, ist jedoch in entsprechender Anwendung von Nr. 6.7 der TA Lärm für den am Wohnhaus maßgeblichen Immissionsrichtwert und unter Berücksichtigung der gegenseitig bestehenden Pflicht zur Rücksichtnahme regelmäßig ein geeigneter Zwischenwert zu bilden, welcher der Eigenart des an die Wohnbebauung angrenzenden Außenbereichs und der dort vorgesehenen privilegierten Zulässigkeit von Anlagen Rechnung trägt. Dem Schutzbedürfnis des Eigentümers eines in einem (faktischen oder festgesetzten) reinen Wohngebiet gelegenen, aber an den Außenbereich angrenzenden Grundstücks ist gegenüber den Außenbereichsvorhaben regelmäßig dann genügt, wenn der entsprechende Immissionsrichtwert für allgemeine Wohngebiete nach Nr. 6.1 d) TA Lärm von 40 dB(A) nachts gewahrt ist (OVG NW, Beschl. v. 06.05.2016 - 8 B 866/15 -, juris, RdNr. 9 ff.; VGH BW, Urt. v. 23.04.2002 - 10 S 1502/01 - NVwZ 2003, 365 [366], RdNr. 29 in juris; HessVGH, Urt. v. 30.10.2009 - 6 B 2668/09 -, juris, RdNr. 12; ThürOVG, Beschl. v. 22.02.2006 - 1 EO 708/05 -, juris, RdNr. 66; SaarlOVG, Beschl. v. 24.09.2014 - 2 A 471/13 -, juris, RdNr. 12).
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Dies hat hier zur Folge, dass die in Nr. 6.1 Buchstabe d) der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwerte von 55 dB (A) tags und 40 dB (A) nachts heranzuziehen sind. Denn das Grundstück der Klägerin grenzt in südlicher Richtung, also in Richtung der Milchviehanlage und der Biogasanlage, an den Außenbereich. Südlich der Weinbergstraße befinden sich landwirtschaftlich genutzte Flächen sowie Kleingärten.
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Die von der Anlage der Beigeladenen ausgehende und auf das Grundstück der Klägerin einwirkende Lärmbelastung überschreitet nach der von der Beigeladenen eingereichten Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros für Lärmschutz (F.) am Grundstück der Klägerin die nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 und 6 der TA Lärm um 6 dB(A) reduzierten Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete von 49 dB(A) am Tag und 34 dB(A) in der Nacht nicht. Auch soweit man einen Zuschlag für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit gemäß Nr. 6.5 der TA Lärm ansetzt, wird der maßgebliche Immissionsrichtwert für den Tag nicht überschritten. Dabei wird dem Mittelungspegel für die empfindlichen Tageszeiten ein Zuschlag von 6 dB (A) hinzugerechnet; dadurch erhöht sich der Pegel für den gesamten Tag an Werktagen um 1,9 dB und an Sonn- und Feiertagen um 3,6 dB (vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 3.1 TA Lärm RdNr. 32, m.w.N.).
- 139
Als "seltenes Ereignis" nach Nr. 7.2 der TA Lärm hat der Gutachter die Einlagerung von Maissilage eingestuft und insoweit einen Beurteilungspegel für den Tag von 49,3 dB (A) ermittelt. Der Richtwert der Nr. 6.3 der TA Lärm liegt insoweit bei 70 dB (A). Ist wegen voraussehbarer Besonderheiten beim Betrieb einer Anlage zu erwarten, dass in seltenen Fällen oder über eine begrenzte Zeitdauer, aber an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und nicht an mehr als an jeweils zwei aufeinander folgenden Wochenenden, die Immissionsrichtwerte nach den Nummern 6.1 und 6.2 auch bei Einhaltung des Standes der Technik zur Lärmminderung nicht eingehalten werden können, kann gemäß Nr. 7.2 Satz 1 der TA Lärm eine Überschreitung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für genehmigungsbedürftige Anlagen zugelassen werden.
- 140
Der BHKW-Container erreicht nach der Schallimmissionsprognose keinen so hohen Schallleistungspegel, dass an den nächstgelegenen Wohngebäuden nachts die höchst zulässigen Spitzenpegel erreicht werden. Auch beim Betrieb des Radladers im Tageszeitraum, der sich beim Transport der zu vergärenden Feststoffe von der Fahrsiloanlage bis zum Feststoffdosierer bewegt, sei eine Überschreitung der für die Tageszeit geltenden höchst zulässigen Spitzenpegel auszuschließen.
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Der der Anlage nicht zurechenbare Verkehrslärm auf den öffentlichen Straßen war nicht zu berücksichtigen, da er gemäß Nr. 2.4 der TA Lärm nicht als Vorbelastung gilt. Nur wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die nach Nr. 2.4 der TA Lärm ausgeklammerten Geräusche wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob eine Anlage im Zusammenwirken mit diesen Geräuschen zum Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen relevant beiträgt, kommt in entsprechender Anwendung von Nr. 3.2.2 der TA Lärm eine Sonderfallprüfung im Genehmigungsverfahren in Betracht (vgl. dazu: Feldhaus, BImSchG, Bd. 3, B 3.6 Nr. 2 RdNr. 40; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 3.1 TA Lärm RdNr. 28, m.w.N.). Solche Anhaltspunkte bestehen hier nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass an der Weinbergstraße Verkehrsgeräusche entstehen, die wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben können.
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Auch die Berücksichtigung von Geräuschen des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Straßen nach Nr. 7.4 der TA Lärm ist entbehrlich. Nach dieser Bestimmung sollen Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 Metern von dem Betriebsgrundstück in Gebieten nach Nummer 6.1 Buchstaben c) bis f) durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden, soweit sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden. In der schalltechnischen Untersuchung (S. 40) ist der Gutachter davon ausgegangen, dass mit dem Betrieb der geplanten Biogasanlage kein wesentlicher anlagenbezogener Fahrverkehr verbunden sei. In Anbetracht der nur geringen Verkehrsmengen auf der öffentlichen Weinbergstraße und der ebenfalls nur geringen Verkehrsmengen, die mit dem Vorhaben im Jahresmittel verbunden seien, sei eine Überschreitung der Verkehrslärmschutzverordnung von vornherein auszuschließen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der der Biogasanlage zuzurechnende An- und Abfahrtsverkehr nach den genehmigten Bauvorlagen (vgl. Beiakte A, Bl. 196) nicht über den Weinbergweg, sondern über die Pappelallee bewegt.
- 143
Die vom Gutachter für die Einhaltung der Immissionsrichtwerte geforderten Bedingungen hat der Beklagte in die der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen Nr. 8.2 bis 8.5 aufgenommen.
- 144
Ohne Erfolg bemängelt die Klägerin, dass die in der Nebenbestimmung Nr. 8.3 zur Baugenehmigung geforderten und angegebenen Werte für den Schallleistungspegel der Abgasmündung des BHKW laut Datenblatt für den angegebenen BHKW-Typ trotz vorhandener Schalldämpfung nicht erreicht werden könne. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der vom Gutachter geforderte zusätzliche und speziell auf das Terzfrequenzspektrum der Abgasgeräusche zugeschnittene Resonanzschalldämpfer nicht verfügbar ist. Der Gutachter hat in der Anlage 5 zum Gutachten verschiedene aus seiner Sicht in Frage kommende Modelle vorgeschlagen. Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage erklärt, dass der in der Baugenehmigung geforderte Schalldämpfer auch eingebaut worden sei. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass damit die im Gutachten festgelegten maximalen Emissionswerte nicht eingehalten werden können.
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Zu Unrecht rügt die Klägerin, der Gutachter habe diverse weitere Emissionsquellen wie Pumpen, Rührwerke, Tauchmotoren und Gasverdichter nicht in seine Berechnungen einbezogen. Im Gutachten ist auf Seite 9 plausibel dargestellt, dass auf die Ermittlung der in vergleichbaren Schallimmissionsprognosen für andere Anlagenstandorte mit untersuchten Geräuschemissionen von z.B. Steuerungs- und Pumptechnik verzichtet werde, weil für solche Anlagenteile Schalleistungspegel bekannt seien, die im Regelfall zwischen 65 und 80 dB (A) lägen, die Betriebszeiten eher gering seien und somit aus schalltechnischer Sicht gegenüber den bereits genannten Geräuschquellen vernachlässigt werden könnten. Diese Anlagenteile würden zudem in einem massiven Gebäude zwischen den beiden geplanten Rundbehältern betrieben. Sämtliche Rührwerke sowohl im Fermenter als auch im Endlager seien als Tauchmotorrührwerke geplant. Da diese völlig im Substrat eingetaucht seien, gingen von ihnen keine relevanten im Freibereich wahrnehmbaren Geräusche aus. Sie blieben demzufolge unberücksichtigt.
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2.2.2.3. Auch sonstige erhebliche nachteilige Wirkungen auf schutzwürdige Individualinteressen der Klägerin liegen nicht vor. Insbesondere hat das Vorhaben nicht die von ihr geltend gemachte "optisch bedrängende Wirkung".
- 147
Nach seinem objektiv-rechtlichen Gehalt schützt das Gebot der Rücksichtnahme die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen. Es betrifft jedoch auch Fälle, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen. Dazu zählt die Rechtsprechung "optisch bedrängende" Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.12.2006 - BVerwG 4 B 72.06 -, NVwZ 2007, 336, RdNr. 4, m.w.N.). Eine solche Wirkung kann etwa von Windkraftanlagen ausgehen. Bei der streitigen Biogasanlage mit einer größten Höhe (des Fermenterdaches) von 14,58 m in einem Abstand von ca. 240 m zum Grundstück der Klägerin kommen solche Wirkungen indes nicht in Betracht.
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Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass durch die Biogasanlage, in der Gülle, Mist und Silage zum Einsatz kommen, Ungeziefer, Mücken und sonstige Insekten - gegenüber der Tierhaltungsanlage verstärkt - in einem solchen Maß angezogen werden, dass der Abstand von ca. 240 m keinen ausreichenden Schutz vor unzumutbaren Beeinträchtigungen bietet.
- 149
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme kann die Klägerin auch nicht darauf stützen, dass das Baugebiet, in dem ihr Grundstück liegt, eine hohe Wohnqualität mit besonderem Erholungswert besitze, die durch die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage (weiter) verschlechtert werde. Allein eine Herabsetzung des Erholungswerts eines Grundstücks genügt nicht, um von einer unzumutbaren Beeinträchtigung sprechen zu können (vgl. Beschl. d. Senats v. 12.12.2011 - 2 M 162/11 -, BRS 78 Nr. 98, RdNr. 14 in juris). Im Übrigen ist das Grundstück der Klägerin durch die Nachbarschaft zur bereits vorhandenen Tierhaltungsanlage vorbelastet.
- 150
2.2.3. Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge der Klägerin, die Biogasanlage verstoße gegen Vorschriften der Störfallverordnung (12. BImSchV).
- 151
2.2.3.1. Zwar kann sich ein Nachbar auf etwaige Verstöße gegen Regelungen der 12. BImSchV berufen, weil sie jedenfalls den Schutz der Nachbarschaft vor sonstigen schädlichen Einwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG 1. Alt. BImSchG konkretisiert (vgl. OVG NW, Urt. v. 01.12.2011 - 8 D 58/88.AK -, BRS 78 Nr. 211, RdNr. 353 ff. in juris, m.w.N; VGH BW, Urt. v. 20.07.2011 - 10 S 2102/09 -, juris, RdNr. 300, m.w.N). Zu den sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die nicht durch Immissionen hervorgerufen werden und nicht im eigentlichen Sinne betriebsbedingt sind, zählen physische Einwirkungen wie Explosionen, Brandereignisse, Stoffeintrag in Boden oder Gewässer oder Überflutungen (vgl. OVG NW, Urt. v. 01.12.2011, a.a.O.). Ungeachtet der umstrittenen Frage, ob es sich um Immissionsschutz im engeren Sinne handelt, verfolgt die 12. BImSchV auch das Ziel zu verhindern, dass die menschliche Gesundheit dadurch geschädigt wird, dass Luftschadstoffe kurzfristig oder über längere Zeit aus einer Anlage freigesetzt werden. Sie dient somit auch dem Schutz der Umwelt einschließlich der menschlichen Gesundheit (VGH BW, Urt. v. 20.07.2011, a.a.O.).
- 152
2.2.3.2. Die Biogasanlage der Beigeladenen verstößt indes, so wie sie genehmigt ist, nicht gegen Vorschriften der 12. BImSchV, da die Anlage nicht in deren Anwendungsbereich fällt.
- 153
Nach § 1 Abs. 1 der 12. BImSchV gelten die Vorschriften des Zweiten und Vierten Teils mit Ausnahme der §§ 9 bis 12 für Betriebsbereiche, in denen gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Anhang I Spalte 4 genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten. Für Betriebsbereiche, in denen gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Anhang I Spalte 5 genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten, gelten außerdem die Vorschriften der §§ 9 bis 12.
- 154
a) Von den im Anhang I zur 12. BImSchV genannten Stoffen fallen in Biogasanlagen in der Regel hochentzündliche Stoffe nach Nr. 8 der Spalte 1 an. Die insoweit relevante Mengenschwelle für die Anwendung der Verordnung in Spalte 4 für solche Stoffe liegt bei 10.000 kg. Wie oben bereits ausgeführt, ist insoweit allein das Volumen des über dem Fermenter befindlichen Gasspeichers von 1.851 m³ von Belang, in dem - je nach Dichte des Gases von 1,2 bis 1,3 kg/m³ - eine Gasmenge zwischen 2.221,2 kg und 2.406,3 kg aufgefangen werden kann. Die Mengenschwelle von 10.000 kg wird damit weit unterschritten.
- 155
b) Bei Schwefelwasserstoff hängt die Einstufung in die Nummern 1 bis 3 in der Spalte 1 des Anhangs I zur 12. BImSchV (gesundheitsschädigend, giftig oder sehr giftig) von der Menge des Gases ab. Für sehr giftige Stoffe nach Nr. 1 der Spalte 1 liegt die Mengenschwelle nach Spalte 4 bei 5.000 kg, die ebenfalls (deutlich) unterschritten wird. Nach der Arbeitshilfe KAS-32 beträgt die Konzentration von Schwefelwasserstoff in Biogas maximal 2 Vol.-%, so dass sich im Gasspeicher über dem Fermenter mit einem Volumen von 1.851 m² höchstens 37 m³ Schwefelwasserstoff befinden. Bei einer Dichte dieses Stoffes von ca. 1,54 kg/m³ (bei 0° C) ergäbe sich eine maximale Menge von ca. 57 kg. Nach einer DVGW-Studie aus dem Jahre 2006 beträgt bei Biogasanlagen die durchschnittliche Menge des bei der Fermentierung entstehenden Schwefelwasserstoffs 500 mg/m³; die Schwankungsbreite liegt zwischen 50 und 30.000 mg/m³ (Internet: http://www.schwefelwasserstoff.de/Biogasanlagen.html). Ausgehend von der Kapazität des Gasspeichers von 1.851 m³ beträgt die maximale Menge Schwefelwasserstoff danach 55,53 kg.
- 156
2.2.4. Handelt es sich mithin nicht um einen Störfallbetrieb, kann die Klägerin auch aus § 50 BlmSchG nichts zu ihren Gunsten herleiten. Das Abstandsgebot des § 50 BlmSchG gilt nur für Betriebsbereiche im Sinne des Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 96/82/EG (Seveso-Il-Richtlinie), zu deren Umsetzung die Störfall-Verordnung ergangen ist (vgl. VGH BW, Urt. v. 12.03.2015, a.a.O., RdNr. 77).
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie im erstinstanzlichen Verfahren einen Sachantrag gestellt, neben dem Beklagten das Rechtsmittel eingelegt und sich so dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
- 158
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO.
- 159
IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.