Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. März 2014 - 1 L 120/12

published on 18/03/2014 00:00
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. März 2014 - 1 L 120/12
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Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 19. April 2012 – 3 A 945/10 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wehrt sich gegen einen Gebührenbescheid für die Überlassung einer Grabstelle für seinen verstorbenen Vater.

2

Der am …1983 geborene Kläger ist der leibliche Sohn des zwischen dem 29. Januar 2010 und 07. Februar 2010 verstorbenen A.H.. Der Verstorbene war von der Mutter des Klägers geschieden. Auf Grund von Gewalttätigkeiten des alkoholsüchtigen Verstorbenen gegen den Kläger und dessen Mutter wurde der Kläger am …1988, im Kleinkindalter von etwa 4 Jahren und 3 Monaten, zu seinen Großeltern mütterlicherseits in Pflege gegeben, bei denen er aufwuchs. Würgemale am Hals des Kindes sollen dem Jugendamt zur Kenntnis gegeben worden sein. Nach einer Anfrage der Ordnungsbehörde vom 04. März 2010 teilte das Jugendamt der Hansestadt Stralsund am 15. März 2010 mit, dass zu dem Kläger keine Unterlagen über einen Sorgerechtsentzug vorhanden seien. Zur Konkretisierung der von ihm behaupteten Misshandlungen, die von dem Beklagten nicht bestritten werden, legte der Kläger eidesstattliche Versicherungen seiner Mutter, Frau S.H. (Bl. 39 d. BA A) und seiner Großmutter, Frau B.W. (Bl. 38 d. BA A) vor, auf die verwiesen wird. Der Kläger hat einen jüngeren Bruder, der aufgrund einer Behinderung unter rechtlicher Betreuung steht.

3

Nachdem sich der Kläger geweigert hatte, die Bestattung seines Vaters durchzuführen und der entsprechenden - hier nicht streitgegenständlichen - Ordnungsverfügung vom 11. Februar 2010 nicht nachgekommen war, organisierte der Beklagte die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme und wies den Widerspruch des Klägers gegen die Ordnungsverfügung mit inzwischen bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 23. März 2010 zurück. Auf den Leistungsbescheid vom 04. Mai 2010 zahlte der Kläger die in Rechnung gestellten Kremationskosten.

4

Sodann beauftragte der Beklagte am 10. Mai 2010 seinen städtischen Zentralfriedhof mit der Beisetzung der Urne des Verstorbenen. Im Auftragsschreiben wird allein der Kläger als Bestattungspflichtiger angegeben. Die Beisetzung der Urne erfolgte am 11. Mai 2010 in einem Urnenreihengrab. Unter dem 18. Mai 2010 erteilte der Beklagte dem Kläger einen Gebührenbescheid für die Überlassung einer Grabstelle in Höhe von 976,00 Euro.

5

Der Kläger erklärte mit beim Beklagten am 01. Juni 2010 eingegangenen Schreiben, dass er die Forderung nicht akzeptiere, da er den Friedhof nicht bevollmächtigt habe, für seinen Vater ein Urnenreihengrab bereitzustellen. Es müsse die kostengünstigste Variante genommen werden. Das sei ein Verstreuen der Asche auf einer hierfür vorgesehenen Streuwiese. Mit Widerspruchsbescheid vom 02. August 2010 wies der Beklagte durch seinen Eigenbetrieb städtischer Zentralfriedhof der Hansestadt Stralsund diesen Widerspruch unter Hinweis auf die Gebührensatzung des Friedhofs und das Kommunalabgabengesetz M-V zurück. Die Urne sei nach Ablauf der Fristen von Amts wegen beigesetzt worden. Nach § 9 Abs. 3 BestattG M-V bleibe die Pflicht zur Erstattung der Kosten unberührt. Der Kläger habe die Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 1 der Friedhofsgebührensatzung in Anspruch genommen. Einer Bevollmächtigung oder Antragstellung habe es nicht bedurft. Das bereitgestellte Urnenreihengrab sei nach § 7 Abs. 5 der Friedhofssatzung die kostengünstigste Variante.

6

Der Kläger hat am 02. September 2010 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Er hält den Bescheid für rechtswidrig. Die Behörde hätte in ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen, dass der Kläger seit seinem fünften Lebensjahr keinen Kontakt mehr zu seinem verstorbenen Vater gehabt habe. Er, der Kläger, habe bereits die Kosten der Ersatzvornahme getragen. Die weiteren Kosten hätten den anderen Kindern oder den Eltern des Verstorbenen auferlegt werden können.

7

Der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht beantragt,

8

den Bescheid des Beklagten vom 18.05.2010 - Nr. SZ 100631 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2010 aufzuheben.

9

Der Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er ist der Ansicht, aus der bestandskräftigen Ordnungsverfügung ergebe sich, dass der Kläger bestattungspflichtig sei. Er, der Beklagte, habe bei dem Erlass des Gebührenbescheides keine Ermessensentscheidung zu treffen. Der Bescheid sei aufgrund der feststehenden Bestattungspflicht rechtmäßig erlassen worden.

12

Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger benannten Zeuginnen (seine Mutter und seine Großmutter) gehört. Die Mutter des Klägers hat in ihrer Vernehmung angegeben, dass der Verstorbene den Kläger gewürgt und sie dem Jugendamt - wahrheitswidrig - erklärt habe, dass die blauen Stellen nicht von seinem Vater, sondern von seinem Bruder beim Spielen mit einem Seil verursacht worden seien. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 19. April 2012 (Bl. 56 ff. d. GA) verwiesen.

13

Mit Urteil vom 19. April 2012 hat das Verwaltungsgericht Greifswald - 3 A 945/10 - den Gebührenbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger die Leistung des Beklagten nicht in Anspruch genommen habe. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 b) der Friedhofsgebührensatzung sei so auszulegen, dass mit demjenigen, der die Leistung in Anspruch nehme, der Bestattungspflichtige gemeint sei. Der Kläger sei jedoch nicht bestattungspflichtig. Zwar habe der Kläger nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Nr. 3 BestattG M-V für die Bestattung seines Vaters zu sorgen, da vorrangige Bestattungspflichtige nicht existierten. Der Gebührenbescheid müsse sich jedoch am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Die Heranziehung des Klägers zu den Bestattungskosten sei im vorliegenden Fall, der einen extremen Ausnahmefall darstelle, unzumutbar. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da die Frage der vorweggenommenen Einzelfallkorrektur der Bestattungspflicht in der Rechtsprechung umstritten und für das Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern bislang noch nicht abschließend geklärt sei.

14

Der Beklagte hat am 18. Mai 2012 Berufung eingelegt und diese am 19. Juni 2012 begründet. Er ist der Auffassung, eine Einzelfallkorrektur sei rechtlich nicht zulässig. Das Gesetz sei eindeutig und der Auslegung durch das Verwaltungsgericht nicht zugänglich. Eine aus verfassungsrechtlichen Gründen für zu strikt gehaltene Gesetzesvorschrift dürfe nicht einfach unangewendet bleiben. Die Bestattungspflicht bestehe ausnahmslos. Der Einzelfallkorrektur stehe die Bestandskraft der Ordnungsverfügung entgegen. In extremen Fällen könne der Bestattungspflichtige einen Antrag auf Kostenübernahme gemäß § 74 SGB XII beim Träger der Sozialhilfe stellen. Wobei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch zerrüttete Familienverhältnisse im Rahmen der Zumutbarkeit berücksichtigt würden.

15

Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 19.04.2012 - 3 A 945/10 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

17

Der Kläger beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Er stützt die Auffassung des Verwaltungsgerichts.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und Gerichtsakten (VG Greifswald - 3 A 945/10 -), die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

22

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den vom Kläger angefochtenen Gebührenbescheid vom 18. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. August 2010 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Denn die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

Die Rechtswidrigkeit des Gebührenbescheids folgt jedoch - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht aus dem Wegfall der Bestattungspflicht des Klägers. Denn der Kläger bleibt (primär) bestattungspflichtig nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 BestattG M-V (1.). Es entfällt lediglich die materielle, aus der Bestattungspflicht fließende (sekundäre) Kostentragungspflicht im vorliegenden Fall aufgrund eines extremen Ausnahmefalls (2.).

1.

24

Der Kläger ist bestattungspflichtig nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 BestattG M-V.

25

Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 BestattG M-V haben die volljährigen Angehörigen in folgender Reihenfolge für die Bestattung zu sorgen:

26

1. Ehegatte,
2. Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes,
3. Kinder,
4. Eltern,
5. Geschwister,
6. …

27

Nach Absatz 3 Satz 1 dieser Vorschrift hat die örtliche Ordnungsbehörde für die Bestattung zu sorgen, wenn Bestattungspflichtige im Sinne des Absatzes 2 nicht vorhanden, nicht zu ermitteln oder nicht auffindbar sind oder ihrer Pflicht nicht nachkommen. Nach Satz 4 bleibt eine Pflicht zur Erstattung der Kosten unberührt.

28

Nach dem Wortlaut der Norm sind der Kläger und neben ihm sein Bruder, der unter rechtlicher Betreuung steht, als Kinder des Verstorbenen bestattungspflichtig, da vorrangige Bestattungspflichtige nicht vorhanden sind.

29

Der Senat vermag der Argumentation des Verwaltungsgerichts insoweit nicht zu folgen, als die Bestattungspflicht des Klägers (und seines Bruders) insgesamt entfallen soll. Denn dann würden die in der Reihenfolge nachfolgend genannten Verwandten nachrücken. Das wären die Eltern des Verstorbenen, mithin die Großeltern des Klägers. Diese hatte die Ordnungsbehörde mit Schreiben vom 11.02.2010 und 11.03.2010 bereits angeschrieben. In einem Vermerk vom 15.03.2010 hatte die zuständige Sachbearbeiterin der Ordnungsbehörde zudem niedergelegt, sie habe den Großvater des Klägers darauf hingewiesen, dass die Eltern des Verstorbenen an die Stelle der Kinder träten, wenn eine Heranziehung der Kinder für die Bestattung von Misshandlungen durch den Verstorbenen unbillig sei.

30

Das Vorliegen eines Härtefalls führt jedoch nach Auffassung des Senats nicht dazu, dass sich die Reihenfolge der im Gesetz bestimmten Bestattungspflichtigen verändert. Vielmehr verbleibt es bei der materiellen (primären) Bestattungspflicht. Das folgt schon aus dem Zweck der Bestattungspflicht als Maßnahme der Gefahrenabwehr und der Eilbedürftigkeit der Bestattung eines Verstorbenen.

31

Gemäß § 11 Abs. 2 BestattG M-V soll die Erdbestattung innerhalb von 10 Tagen nach Todeseintritt vorgenommen werden, bei einer Feuerbestattung die Leiche in ein Krematorium befördert oder zur Bestattung an einen anderen Ort auf den Weg gebracht worden sein. Mit dieser kurz bemessenen Regelfrist wird dem öffentlichen Interesse, den Leichnam aus hygienischen Gründen zu beseitigen, Rechnung getragen. Zur Aufklärung der Bestattungspflichtigen verbleibt der Behörde daher wenig Zeit. Dennoch darf die Gefahrenabwehrbehörde sich nicht an irgendwelche Angehörige wenden, von denen sie ein effektives Vorgehen erwartet (vgl. Spranger, Unzumutbarkeit der Kostenübernahme nur in Härtefällen, Sozialrecht+Praxis 2010, 656, 657). Sie ist vielmehr auch in Mecklenburg-Vorpommern an die Reihenfolge als Rangfolge gebunden (letzteren Begriff verwendet z.B. § 8 NiedersächsBestattG).

32

Würde die Bestattungspflicht insgesamt entfallen, müsste die Behörde auf jedem Verwandtschaftsrang prüfen, ob auch dort ausnahmsweise die Heranziehung aus den gleichen oder aus völlig anderen Härtegründen unverhältnismäßig wäre. Eine solche Kaskadenprüfung birgt vor dem Hintergrund der Eilbedürftigkeit der Entscheidung eine erhebliche Rechtsunsicherheit, insbesondere wenn die Tatsachengrundlagen schwierig zu ermitteln sind. Das zeigt schon der vorliegende Fall, hier sind Unterlagen über einen etwaigen Sorgerechtsentzug beim Jugendamt nicht vorhanden. Der Umfang von behaupteten, weit in der Vergangenheit zurückliegenden Misshandlungen lässt sich ohne objektive Anhaltspunkte jedoch nicht ohne Weiteres hinreichend zweifelsfrei zeitnah aufklären. Wegen der Eilbedürftigkeit zur Heranziehung des Bestattungspflichtigen zur Bestattung kann die Ordnungsbehörde deshalb im Rahmen der Gefahrenabwehr nicht die Einzelheiten des jedenfalls formal bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses prüfen.

33

Bleibt danach die primäre Bestattungspflicht zur Gefahrenabwehr bestehen, ist damit nicht zwingend auch die Kostentragung des Bestattungspflichtigen verknüpft. Vielmehr kann in besonderen Härtefällen die Primärpflicht zur Durchführung der Bestattung und die Kostentragung als Sekundärpflicht entkoppelt werden, zumal die Überprüfung der Kostentragungspflicht in einem „gestreckten Verfahren“ möglich ist.

2.

34

Der angefochtene Gebührenbescheid vom 18. Mai 2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da die materielle, aus der Bestattungspflicht fließende (sekundäre) Kostentragungspflicht des Klägers im vorliegenden Fall aufgrund eines extremen Ausnahmefalls entfällt.

35

Die vom Kläger vorgetragenen und von den Zeugen bestätigten sowie von dem Beklagten nicht bestrittenen Härtefallgründe lassen eine Kostentragungspflicht des Klägers ausnahmsweise als unverhältnismäßig erscheinen.

36

In der Rechtsprechung ist umstritten, ob eine ungeschriebene Ausnahme von der Bestattungspflicht (hier von der isolierten Kostentragungspflicht) besteht (dafür Hessischer VGH, Urt. v. 26.10.2011 - 5 A 1245/11 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 21.09.2010 - 2 L 71/08 - zum Kostenerstattungsanspruch von Friedhofsgebühren aufgrund einer Ersatzvornahme nach § 114 SOG M-V; dagegen OVG Lüneburg, Beschl. v. 08.01.2013 - 8 ME 228/12 -; Beschl. v. 04.04.2000 - 88 LA 4/08 -; Beschl. v. 19.12.2012 - 8 LA 150/12 -; Beschl. v. 30.07.2010 - 8 PA 151/10 -; alle zitiert nach juris; siehe zum Meinungsstand auch die Entscheidungsauflistung im Urteil des VG Greifswald, Urteilsumdruck S. 7). Gegen eine solche Ausnahme wegen Unverhältnismäßigkeit wird angeführt, dass mit der Gebührenauferlegung keine abschließende Entscheidung über die tatsächliche Kostenbelastung des Bestattungspflichtigen getroffen werde, da ein Rückgriff bei einem Erben nach § 1968 BGB möglich sei sowie - jedenfalls nach Niedersächsischem Bestattungsrecht - der Bestattungspflichtige einen anderen gleichrangigen Bestattungspflichtigen nach §§ 426 BGB, 8 Abs. 4 Satz 2 Niedersächsisches Bestattungsgesetz in Anspruch nehmen könne und hilfsweise bei Unzumutbarkeit eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger möglich sei, wobei im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.2009 - B8 SO 23/08 -) auch die Nähe und Beziehung zum Bestattungspflichtigen zu berücksichtigen sei.

37

Diese Auffassung überzeugt nicht. Zu Recht hält es das Verwaltungsgericht für unzumutbar, den Kläger auf einen sozialrechtlichen oder zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch zu verweisen. Diese sind nicht nur der Höhe nach unklar, es gelten auch unterschiedliche Anforderungen. So sind gemäß § 2 SGB XII Sozialhilfeleistungen den Leistungen insbesondere von Angehörigen nachrangig. Sozialhilferechtlich ist deshalb das Einkommen eines (unterhaltspflichtigen) Ehepartners, der selbst nicht bestattungspflichtig wäre, mit zu berücksichtigen. Zudem leuchtet nicht ein, warum der Bürger gegenüber dem Staat eine Leistung vorfinanzieren soll, die er sich dann von einer anderen staatlichen Stelle zurückholen möge. Darüber hinaus würde der Bürger mit einem solchen Doppelverfahren erheblichen Rechtsunsicherheiten unnötig ausgesetzt werden. Das wird schon anhand der Rechtswegaufspaltung ersichtlich. Hält der Bürger seine Heranziehung als Bestattungspflichtiger für rechtswidrig - z. B. mit der Behauptung der Heranziehung in falscher Reihenfolge oder eines Ermessensfehlers - muss er sich gegen den Bescheid vor den Verwaltungsgerichten wehren. Gegen den im zeitlichen Zusammenhang erlassenen Gebührenbescheid kann er sich zwar auch mit den soeben genannten Gründen einer fehlenden Bestattungspflicht wenden; greift er jedoch Härtegründe auf, müsste er diese im Sozialgerichtsweg klären lassen.

38

Auch gibt der vorliegende Fall keinen Anlass zu entscheiden, ob die Kostentragungspflicht für die Bestattung bereits dann entfällt, wenn der Verstorbene einen Anspruch auf Elternunterhalt gem. §§ 1579, 1611 BGB verwirkt hätte (dafür OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 21.09.2010 - 2 L 71/08 -, juris).

39

Der Bundesgerichtshof hatte bereits in einer Entscheidung im Jahr 2004 zum Elternunterhalt ausgeführt, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt wegen einer schweren Verfehlung grob unbillig sein könnte. Eine Verwirkung könnte dann gerechtfertigt sein, wenn der Elternteil das Kind, dass er später auf Elternunterhalt in Anspruch nimmt, schon im Kleinkindalter bei den Großeltern zurückgelassen und sich in der Folgezeit nicht mehr in nennenswertem Umfang um es gekümmert habe. Dann offenbare das Unterlassen des Elternteils einen so groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme, dass nach Abwägung aller Umstände von einer schweren Verfehlung ausgegangen werden könne (BGH, Urt. v. 19.05.2004 - XII ZR 304/02 -, zitiert nach juris). In einem jüngst zum Elternunterhalt entschiedenen Fall hat der Bundesgerichtshof zwar für den dortigen Sachverhalt eine Verfehlung verneint, in den Beschlussgründen jedoch ausdrücklich die frühere Entscheidung bestätigt (BGH, Beschl. v. 12.02.2014 - XII ZB 607/12 -, zitiert nach juris).

40

Zu berücksichtigen ist zwar, dass die Bestattungspflicht anders als die Unterhaltspflicht kein Dauerschuldverhältnis und deshalb auch bei gröbsten Verfehlungen mit §§ 1579, 1611 BGB nicht vergleichbar ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19.10.2004 – 1 S 681/04 -, OVG Saarland, Urt. v. 27.12.2007 - 1 A 40/07 -, VG Halle/Saale, Urt. v. 20.11.2009 - 4 A 318/09 -, alle zitiert nach juris; siehe auch bei Spranger, Unzumutbarkeit der Kostenübernahme nur in Härtefällen, Sozialrecht+Praxis 2010, 656). Die Bestattungskosten sind vielmehr eine einmalige, der Höhe nach von vornherein begrenzte Zahlungspflicht, die zu tragen viel eher zumutbar ist als die Unterhaltspflicht. Dennoch ist ein Absehen von der Kostenheranziehung nicht völlig ausgeschlossen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Vater des Klägers für diese Misshandlungen strafrechtlich verfolgt und zur Verantwortung gezogen worden ist. Es besteht nämlich nicht nur dann eine ungeschriebene Ausnahme von der Bestattungskostentragungspflicht zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Belastung, wenn sich der Verstorbene wegen einer schweren Straftat zu Lasten des Bestattungspflichtigen strafbar gemacht hat (dafür HessVGH, Urt. v. 26.10.2011 - 5 A 1245/11 -; offen gelassen von OVG Lüneburg, Beschl. v. 09.07.2013 - 8 ME 86/13 -; beide zitiert nach juris), sondern auch bei einem vergleichbaren besonders schwerwiegenden elterlichen Fehlverhalten und einer daraus folgenden beiderseitigen grundlegenden Zerstörung des Eltern-Kind-Verhältnisses. Derartige extreme Ausnahmesituationen können etwa in Fällen erlittener Misshandlungen durch den Verstorbenen oder bei einem dauerhaften Entzug des elterlichen Sorgerechts nach §§ 1666, 1666 a BGB vorliegen (vgl. VG Halle/Saale, Urteil vom 20.11.2009 - 4 A 318/09 -, zitiert nach juris).

41

Dem schließt sich der Senat für den vorliegenden Fall an. Denn im Streitfall wurde der Kläger nicht aufgrund „bloßer“ Vernachlässigungen in die Obhut seiner Großeltern gegeben (insoweit ist der Sachverhalt mit dem vom Bundesgerichtshof im Jahr 2004 entschiedenen identisch). Vielmehr kommen die von den Zeuginnen glaubhaft bekundeten Gewalttätigkeiten des verstorbenen Vaters gegen den Kläger hinzu. Dass diese massiv gewesen sind, steht nicht nur anhand der Beschreibung von Würgemalen und Schlägen fest, sondern auch deshalb, weil der Kläger schon als Kleinkind im Alter von etwa vier Jahren und sein noch jüngerer Bruder, zum Schutz vor weiteren Übergriffen vom Vater getrennt wurden. Wie extrem die damalige Situation für den Kläger gewesen ist, wird schon daran deutlich, dass er nicht nur vom Vater sondern auch von seiner Mutter getrennt wurde, die wohl nicht in der Lage war, die Kinder in einem eigenen Haushalt zu betreuen und vor ihrem Vater zu schützen. Der Kläger wurde deshalb aus dem elterlichen Haushalt insgesamt herausgenommen und im Haushalt der Großeltern betreut. Durch diese groben Verletzungen der elterlichen Fürsorgepflicht des Verstorben gegen den Kläger, die ein unwürdiges Verhalten darstellen, sind die Familienbande zwischen dem Kläger und seinem Vater, zu dem auch später kein Kontakt mehr bestand, faktisch zerrissen worden (vgl. die Formulierung in BGH, Beschl. v. 12.02.2014 - XII ZB 607/12 - mit Hinweis auf BT-Drs. V/2370, S. 41, zitiert nach juris). Damit ist der Anknüpfungspunkt für die Kostentragungspflicht eines nahen Angehörigen aus § 9 Abs. 2 BestattG M-V entfallen.

42

Die Unverhältnismäßigkeit der Heranziehung des Klägers zu den Kosten ist vorliegend auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass für den Kläger die Möglichkeit besteht gem. § 12 KAG M-V i. V. m. § 227 Abgabenordnung (AO) einen Erlass zu beantragen. Denn aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls können die Voraussetzungen eines Erlasses schon von Amts wegen nur ausnahmsweise bereits im Festsetzungsverfahren berücksichtigt werden (vgl. Aussprung/ Siemers/ Holz, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Losebl., Stand: Juli 2013, § 12 Nr. 63.3 a. E.). Danach kommt ein Erlass im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid nur dann in Betracht, wenn der Beklagte bereits bei der Festsetzung offensichtlich erkennbare sachliche Gründe, die ein derartiges Gewicht haben, dass sie ein gesetzlich vorgesehenes Entscheidungsermessen auf Null reduziert haben, hätte berücksichtigen müssen und allein die Gewährung eines - auch teilweisen - Erlasses der Rechtslage entspricht (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 20.05.2003 - 1 L 137/02 -, NordÖR 2003, 365 = NVwZ-RR 2004, 212 = DÖV 2004, 213 mit Hinweis auf OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 14.08.2002 - 1 M 29/02 -).

43

Eine Kostentragungspflicht des Klägers besteht auch nicht unabhängig von einer Zerrüttung der Familienverhältnisse, da beispielsweise Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung nicht zur Verfügung stehen, Schadensersatzansprüche gegenüber Dritten nicht geltend gemacht und die Kosten nicht aus dem Nachlass selbst bestritten werden können (vgl. hierzu Spranger, Unzumutbarkeit der Kostenübernahme nur in Härtefällen, Sozialrecht+Praxis 2010, 656, 661).

3.

44

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen erweist sich der Bescheid auch aufgrund eines Auswahlermessensfehlers des Beklagten als rechtswidrig.

45

Zwar steht dem Beklagten hinsichtlich der Auswahl des Kostenschuldners ein Ermessen zu. So darf die Ordnungsbehörde eine Bestattungsverfügung nur gegen einen von zwei gleichrangig Bestattungspflichtigen erlassen, wenn zu erwarten ist, dass dieser effektiv im Sinne der Gefahrenabwehr seiner Bestattungspflicht nachkommen wird (vgl. VG Schwerin, Beschl. v. 21.03.2003 - 1 B 140/03 -, zitiert nach juris). Auf der Ebene der bloßen Kostentragung ist jedoch im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob nicht die Brüder beide je zur Hälfte heranzuziehen wären (vgl. VG Schwerin, Gerichtsbescheid v. 13.02.2006 - 1 A 3124/04 -, zitiert nach juris: im dortigen Fall hat die Behörde die dortige Klägerin und ihre Schwester jeweils zur hälftigen Erstattung der Kosten herangezogen). Warum der Beklagte den Bruder des Klägers von vornherein ausgespart hat, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Für den Bruder des Klägers, der unter rechtlicher Betreuung steht (§ 1896 Abs. 1 BGB), kann im Rahmen der gerichtlich bestimmten Aufgabenkreise sein rechtlicher Betreuer handeln. Offensichtlich hat der Beklagte jedoch insoweit überhaupt kein Ermessen ausgeübt. Weder im Gebührenbescheid noch im Widerspruchsbescheid findet sich auch nur ein Hinweis auf die Bestattungspflicht des Bruders. Vielmehr wurde dem Zentralfriedhof bei der Auftragserteilung durch die Ordnungsbehörde mit Schreiben vom 10.05.2010 lediglich der Kläger als Bestattungspflichtiger angegeben.

4.

46

Nach alldem kann der Senat offen lassen, ob der angefochtene Gebührenbescheid auch der Höhe nach rechtswidrig ist, da zweifelhaft erscheint, ob die Kostenposition „Aufbewahrung der Urne ab dem 22. Tag pro angefangenen Tag (5,00 EURO)“ mit 255,00 € hätte abgerechnet werden dürfen.

47

Die Beisetzung des Verstorbenen erfolgte erst am 11. Mai 2010. Warum diese nicht zeitnah nach der Einäscherung des Verstorbenen am 17. Februar 2010 innerhalb der dreiwöchigen kostenfreien Aufbewahrungsfrist stattgefunden hat, ist nach der Aktenlage nicht nachvollziehbar. Dass sich die Behörde noch im Streit mit dem Kläger über die Bestattungspflicht befand, dürfte allein nicht dazu führen, dass die Behörde mit der Beisetzung noch (kostenpflichtig) zuwarten darf. Die Bestandskraft des Leistungsbescheids und die Zahlung der Kremationskosten durch den Kläger musste die Behörde wohl nicht abwarten.

48

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt jedoch ein Verstreuen der Asche als kostengünstigere Variante der Bestattung nicht in Betracht. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 BestattG M-V ist bei einer behördlichen Bestattung das Verstreuen der Asche und die Urnenbeisetzung auf See ausdrücklich unzulässig.

5.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

50

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

51

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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Annotations

Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil

1.
die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann,
2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,
3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat,
4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat,
5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat,
6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat,
7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder
8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.

(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.

(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.

Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil

1.
die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann,
2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,
3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat,
4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat,
5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat,
6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat,
7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder
8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.

(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.

(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.