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Die Berufung ist zulässig, der Sache nach ohne Erfolg.
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Das Landgericht hat einen Unterlassungsausspruch getroffen, weil die Ankündigung der Übernahme der Praxisgebühr ein Angebot einer Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG darstelle und auch nicht vom Geringwertigkeitstatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG gedeckt sei. Zudem liege eine unsachliche und verschleiernde Werbung vor. Denn sie lege nicht offen, dass die Praxisgebühr nicht schlechthin erstattet werde, sondern nur dann, wenn der Patient von einem Augenarzt komme. Tatsächlich erstatte die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) aber auch in einem solchen Falle die Praxisgebühr nicht. Denn ein solcher Patient bringe bereits vom Augenarzt eine geldwerte qualifizierte Sehstärkenprüfung mit, die sonst in den eigenen Leistungsbereich der Beklagten gefallen wäre und die sie sich insoweit erspart habe. Sie erstatte mithin keine Gebühr, sondern lasse nur ihren kalkulatorischen Gegenwert für eine Minderleistung nach. Auch setze sich die hochgradig unsachliche Beeinflussung im Sinne des § 7 HWG darin fort, dass die Antragsgegnerin den verbreiteten Unmut über ein gesundheitspolitisches Steuerungsinstrument zu ihrem Vorteil instrumentalisiere.
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Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten,
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die auch angesichts der Aufhebung der ZugabeVO und des RabattG ein gewandeltes Werteverständnis einfordert und angesichts eines durchschnittlichen Umsatzes von 250,00 EUR je Brillenverkaufsvorgang den zur Rückerstattung angebotenen Betrag von 10,00 EUR als geringfügige Zuwendung einstuft. Zudem wendet sie ein, dass die Anzeige einen klaren Hinweis darauf enthalte, dass nicht jedwede im Quartal bereits verauslagte Praxisgebühr erstattet werde, sondern nur die im Zusammenhang mit einem Augenarztbesuch angefallene. Die angebliche Augenwischerei durch Verschleierung einer Minderleistung verfehle die tatsächliche und kalkulatorische Handhabung der eigenen ergänzenden Sehstärkenprüfung.
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Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 01.04.2004, AZ 36 O 41/04 KfH, wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung wird abgewiesen.
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Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) beantragt,
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig und führt erstmals an, dass der vorliegende Barrabatt allemal nicht angängig sei, da § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG allenfalls nur die Gewährung von „Gegenständen“ freigebe, nicht aber Geldzuwendungen.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen.
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Die landgerichtliche Entscheidung kann im Ergebnis Bestand behalten.
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Zutreffend hat das Landgericht mit ausführlichen Nachweisen festgestellt, dass Brillen medizinisch-technische Instrumente im Sinne des § 3 MedizinprodukteG darstellen und danach von § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 a HWG in der ab 01.01.2004 gültigen Fassung erfasst werden (so auch HansOLG Hamburg U. v. 29.02.2004 - 3 U 142/03). Das lassen die Parteien auch gelten.
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Soweit das Landgericht von sich aus, ohne dass sich entsprechender Vortrag der Klägerin dazu finden ließe, einen wettbewerbsrechtlichen Unwertgehalt in der Anzeige darin sieht, dass verschleiert würde, dass dem, der nur beim Augenoptiker eine Sehschärfenbestimmung vornehmen lasse, ein 10,00 EUR -Betrag für diese Leistung heimlich abverlangt werde, bleibt dieser feinsinnige kalkulatorische Rückschluss des Landgerichtes schon ohne Glaubhaftmachung und erschließt sich auch sonst nicht aus sich heraus. Er bleibt ohne Glaubhaftmachung, weil dieser Wertungsansatz nicht vom Vorbringen der Klägerin getragen war und schon deshalb auch keine Entsprechung in einer kalkulatorischen Aufbereitung von ihr finden konnte und bis jetzt auch nicht gefunden hat. Da die Klägerin sich diesen wettbewerbsrechtlichen Wertungsansatz zu Eigen macht, heilt sie diese Art der Verfahrensbehandlung durch das Landgericht (vgl. BGH NJW 2003, 2317 [zur Abweichung vom Klagegrund] und BGH NJW 1999, 61, 72 [zur Heilung eines Verstoßes gemäß § 308 ZPO auf diese Weise]). Dieser Ansatz hätte aber der Glaubhaftmachung bedurft, da sich diese Erwägung nicht als aus sich heraus zwingend darstellt. Die Mitglieder des Senates, die allesamt Dienste von Augenoptikern in Anspruch nehmen müssen, haben schon selbst erlebt, dass trotz augenärztlicher Vorgaben im Rezept eine eigenständige oder ergänzende Sehschärfenprüfung durch den Augenoptiker angeboten wurde und stattgefunden hat. Danach scheint vielmehr die Einschätzung gerechtfertigt, dieses Leistungsbild werde stets und ohne zwingende Abhängigkeit von einer augenärztlichen Vorarbeit vorgehalten, damit auch nicht gesondert kalkuliert und vergütet. Dass vorliegend die Beklagte ein Leistungsdefizit kaschiere und es von sich aus ausgleiche, hat nicht große Lebensnähe für sich.
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Auch kann dem Landgericht nicht darin beigetreten werden, dass die Anzeige darin irreführe, es werde jegliche im laufenden Quartal bereits verauslagte Praxisgebühr erstattet. Auf einen solchen Irreführungsgesichtspunkt hatte die Klägerin selbst nicht abgehoben. Er wird auch nicht durch die Anzeige gedeckt, da in der in großen Buchstaben gehaltenen und auch bei flüchtiger Betrachtung nicht zu übersehenden Erläuterung die weitere kumulative Voraussetzung zweifelsfrei angeführt ist: „...und gegen Vorlage des Rezeptes Ihres Augenarztes verrechnen wir 10 Euro!“.
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Dem Landgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass der Umstand, dass dem Patienten eine Gebühr, die bei ihm Unmut und Verdruss auslöse, abgenommen werde, schon für sich wettbewerbsrechtlich anstößig sei, da eine solche Wohltat nur mit einer dumpfen Gefühlslage der Betroffenen operiere und diese zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil instrumentalisiere. Zwar ist zutreffend, dass der Zweck des § 7 Abs. 1 HWG vor allem darin besteht, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Gesundheitsbereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit Geschenken ausgehen kann (BGH GRUR 2003, 624 [II 1 a] - Kleidersack, noch zur alten, aber insoweit nicht geänderten Rechtslage). Eine mit den guten Sitten im Wettbewerb nicht zu vereinbarende Werbung mit besonderen Vergünstigungen kann anzunehmen sein, wenn diese geeignet ist, den umworbenen Verkehr dazu zu verleiten, seine Kaufentscheidung statt nach Preiswürdigkeit und Qualität des angebotenen Produkts allein danach zu treffen, ob ihm die zusätzlichen Vergünstigungen gewährt werden. Ein solches Anlocken von Kunden ist aber nur dann wettbewerbswidrig, wenn es geeignet ist, auch bei einem verständigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund treten zulassen (BGH WRP 2004, 350 [II 2 b aa] - Treue-Punkte m.N.). Zwar ist bekannt, dass diese Gebühr nicht unverbreitet auf Unwillen stößt. Dafür aber, dass diese Gebührenerhebung einen solchen Grad an emotionalem Sprengstoff besäße, dass ein Angebot, den Patienten von ihr zu befreien, sein Nachfrageverhalten steuern würde, ist Hinlängliches nicht überliefert.
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Das Landgericht kann aber Gefolgschaft darin verlangen, dass die Rückerstattung der Praxisgebühr jedenfalls nicht unter den Ausnahmetatbestand der „geringwertigen Kleinigkeiten“ fällt.
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a) Dabei kann der Senat offen lassen, ob der nur aus der Gegenüberstellung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HWG hergeleiteten und ohne jegliche Auseinandersetzung mit (bisherigen) Gegenmeinungen gebliebenen Ansicht des LG Münster (U. v. 02.03.2004 - 25 O 13/04 = Bl. 99 bis 105) gefolgt werden kann, dass Geldzuwendungen in diesem Bereich des Gesundheitswesens nur an die besonders qualifizierten Endverbraucher der Nr. 2 der genannten Vorschrift freigestellt seien, jeglicher Rabatt oder sonstige Geldzuwendungen an den Endverbraucher aber generell verboten seien. Demgegenüber vertritt etwa das OLG Hamburg U. v. 26.02.2004 - 3 U 142/03 die Ansicht, Barrabatte seien im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 HWG grundsätzlich ausgeschlossen, eröffnet jedoch im Umfang etwa der Ausnahmevorschrift der Nr. 1 des genannten Absatzes (hier der „geringwertigen Kleinigkeiten“).
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Allerdings verfängt der argumentative Ansatz der Klägerin, unter „Gegenständen“ könne keine Geldzuwendung verstanden werden, nicht, da vorliegend nicht genau gekennzeichnete Gegenstände in Rede stehen, sondern auch nach dem Urteil des Landgerichtes nur „geringwertige Kleinigkeiten“.
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b) Selbst unterstellt, der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung wäre vorliegend grundsätzlich eröffnet, so ist jedenfalls die hier betroffene Höhe der Erstattung keine geringwertige Kleinigkeit mehr. Zwar hegt auch der Senat Zweifel, ob die Grenze schon bei einer Geldzuwendung von (vormals) 1,00 DM liegt (vgl. Bülow in Bülow/Ring, HWG, 2. Aufl. [2001], § 7, 17). Die Werthaltigkeit kann auch nicht gemessen werden an irgendeinem Durchschnittsumsatz je Kunden, da dieser Ansatz die Lockwirkung für einen nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs nicht umgreift, der sich mit einem unterdurchschnittlichen Umsatzgeschäft begnügt. Der Gesetzgeber hat aber in § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG in den Ausnahmekatalog einen Beispielsfall aufgenommen, der ein handelsübliches Zubehör oder eine handelsübliche Nebenleistung beschreibt (Erstattung von Fahrkosten des öffentlichen Personennahverkehrs in Zusammenhang mit dem Kaufvorgang) und damit zugleich eine Leitlinie über Wertgrößen, aber auch über Wertschwellen mit an die Hand gegeben. 10,00 EUR verlassen fraglos diesen Üblichkeitsbereich bei weitem. Fügt man dann noch hinzu, dass der Gesetzgeber diesen Beteiligungsbetrag des Patienten für ausreichend, aber auch notwendig erachtet hat, um auch nachhaltig auf sein Verhalten bei der Inanspruchnahme der Dienste des Gesundheitswesens einzuwirken, und zieht man dann hier heran, dass sich tatsächlich der eine oder andere Unmut an die Erhebung einer solchen Gebühr in dieser Höhe knüpft, so kann die Befreiung von diesem auch gewollt spürbaren Steuerungsinstrument im Gesundheitswesen nicht mehr unter den Ausnahmetatbestand der geringfügigen Kleinigkeit eingeordnet werden.
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d) § 7 HWG kommt auch eine wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion zu (HansOLG Hamburg a.a.O. [B II 3 d]; so ersichtlich auch BGH GRUR 2003, 624 [II 1 und 2 a] - Kleidersack; Senat NJW-RR 1997, 359, 362).
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Danach ist die Werbung im Ergebnis mit dem Landgericht, aber nur unter diesem Gesichtspunkt, zu verbieten, nachdem auch die Voraussetzungen des vormaligen § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG und des jetzigen § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erfüllt sind.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 542 Abs. 2 i.V.m. § 3 ZPO.
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Dass nur der eine Klagegrund als verbotsbegründend zum Zuge kommt, stellt kein Teilunterliegen dar. Dass die Klägerin mehrere Wertungsansätze für ihr Verbotsbegehren angeführt oder vom Landgericht übernommen hat, stellt nicht mehrere Streitgegenstände dar, sondern nur unterschiedliche rechtliche Erfassungsversuche eines einheitlichen gleichgerichteten Begehrens (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 46, 4 f).
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