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| Die beteiligten Eltern streiten um den Umgang der in Österreich lebenden Mutter mit der gemeinsamen, am ... April 2005 geborenen Tochter L., die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. |
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| Die Eltern waren nicht miteinander verheiratet, führten aber eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Der Vater besitzt die deutsche und türkische, die Mutter die österreichische Staatsangehörigkeit. Die Beteiligten zogen im Sommer 2006 nach Deutschland und leben seit ca. August 2006 voneinander getrennt. Mit Senatsbeschluss vom 05. Oktober 2010 (Az: 17 UF 223/08) wurde das Sorgerecht für das Kind auf den Vater übertragen. Das Umgangsrecht der Mutter mit L. war am 13. Oktober 2008 (Az: 26 F 87/07) durch das Familiengericht Stuttgart geregelt worden. |
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| Ende September 2011 beantragte die Mutter beim Familiengericht Stuttgart eine Neuregelung des Umgangs. Der Antrag wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Vaters am 07. Oktober 2011 zugestellt. Der Vater meldete sich am 12. Oktober 2011 beim zuständigen Einwohnermeldeamt in S. ab und verzog nach B. in der Türkei. Die Anmeldung erfolgte am 14. Oktober 2011. Seit dem 14. Oktober 2011 besucht L. die Grundschule in B.. Die Mutter stellte daher ihren ursprünglichen Umgangsantrag dahin um, dass ein Umgang außerhalb der türkischen Unterrichtszeiten stattfinden solle. |
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| Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht, das seine internationale Zuständigkeit bejaht hat, eine Umgangsregelung innerhalb der türkischen Schulferien im Januar und August / September 2012 angeordnet. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Vaters, der die internationale Zuständigkeit rügt. |
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| Der Senat entscheidet ohne erneute Anhörung der Beteiligten. |
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| Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG statthaft und zulässig. Im Ergebnis führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Denn es fehlt an der vorauszusetzenden internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09). |
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| Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-Verordnung = EuEheVO) sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, an sich die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Umgangsantrages hatte L. noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Gleichwohl ist die internationale Zuständigkeit nunmehr entfallen, da das Kind in der Türkei seinen gewöhnlichen Aufenthalt erlangt hat und daher eine fortbestehende internationale Zuständigkeit nicht mehr gegeben ist. |
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| Zwar lässt sich Art. 8 Abs. 1 EuEheVO der Grundsatz einer „perpetuatio fori“ entnehmen, wonach das bei Antragstellung zuständige Gericht auch dann international zuständig bleibt, wenn das Kind während des Verfahrens in einem anderen als dem angerufenen Staat einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erwirbt (BGH, Beschl. v. 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09). |
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| Allerdings ist im Rahmen der EuEheVO zu unterscheiden, ob es sich bei diesem Staat um einen Vertragsstaat oder um einen anderen völkerrechtlich gebundenen Staat handelt. Nur Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind vom Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 EuEheVO und damit auch von einer „perpetuatio fori“ betroffen. Für Nichtmitgliedsstaaten verbleibt es dagegen zunächst bei den unmittelbar zwischen einem Mitgliedsstaat und einem nicht durch die EuEheVO gebundenen Drittstaat getroffenen völkerrechtlichen Vereinbarungen. Der Vorrang völkerrechtlicher Verträge folgt bereits aus Art. 60 lit. a EuEheVO, wonach die Vorschriften der EuEheVO nur im Verhältnis der Mitgliedsstaaten untereinander vorrangig zur Anwendung gelangen. |
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| Im Verhältnis zur Türkei verbleibt es deshalb bei den Vorschriften des MSA (vgl. auch NK-BGB/Gruber, 2. Aufl. 2012, Art. 60 EuEheVO, Rn. 4 m.w.N. in Fußn. 988 sowie Andrae, Internationales Familienrecht, 2. Aufl. 2006, § 6 Rn. 46). |
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| Soweit der BGH (Beschl. v. 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09) von einer fortbestehenden Zuständigkeit nach Art. 8 Abs. 1 EuEheVO auch im Verhältnis zu Nichtmitgliedsstaaten ausgehen sollte, folgt dem der Senat nicht. Denn die EuEheVO bezweckt nicht den Eingriff in völkerrechtliche Beziehungen ihrer Mitgliedsstaaten gegenüber Nichtmitgliedsstaaten (vgl. Staudinger-Spellenberg, BGB, Neubearbeitung 2005, Art. 12 EuEheVO Rn. 34), weshalb die Regelungen der Europäischen Union bei einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts lediglich innerhalb ihrer Mitgliedsstaaten Anwendung finden können. Eine Überlagerung völkerrechtlicher Verträge durch eine extensive Auslegung des Art. 8 Abs. 1 EuEheVO findet daher nicht statt. Überdies dürfte auch eine Umgangsentscheidung, für die sich das erkennende Familiengericht Stuttgart aufgrund der EuEheVO für zuständig erachtet hat, in einem Nichtmitgliedsstaat, der lediglich völkerrechtlich gebunden ist, auch nicht anerkennungs- und vollstreckungsfähig sein, da sich der Nichtmitgliedsstaat nur völkerrechtlich, nicht aber auf Grund der Bestimmungen der EuEheVO gebunden sieht. |
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| Bei einem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes L. in B. in der Türkei, finden die Vorschriften des MSA Anwendung. |
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| Das internationale Kindschaftsrecht definiert den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nicht. Da sämtliche internationale Abkommen auf diesem Gebiet letztendlich dem Schutz des Kindeswohles dienen, ist von einem einheitlichen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts auszugehen (Winkler von Mohrenfels, FPR 2001, 189, 190 m.w.N.). Nach der umfangreichen Definition des EuGH (Urteil vom 02.04.2009 - RS. C-523/07) ist der gewöhnliche Aufenthalt der Ort, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist. Hierfür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedsstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen. Nach Ansicht des BGH (Beschluss vom 09.02.2011 - XII ZB 182/08) kommt der Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts auch nach kurzer Zeit dann in Betracht, wenn der Aufenthalt in einem neuen Staat von vornherein auf Dauer angelegt und die auf Dauer angelegte Ausreise rechtmäßig erfolgt ist. Der gewöhnliche Aufenthalt stellt auf den tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensführung einer Person ab. Auf den Willen, sich an einem Ort auf Dauer niederzulassen, kommt es nicht an. Aus Sicht des Kindes stellt sich ein Aufenthalt an einem neuen Ort umso mehr als „gewöhnlich“ dar, je länger es sich an diesem Ort aufhält (OLG Frankfurt, FamRZ 2006, 883, 884). Hat der Aufenthalt jedenfalls sechs Monate gedauert, wird vielfach von einem gewöhnlichen Aufenthalt ausgegangen (OLG Karlsruhe, FamRZ 2010, 1577). |
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| Da insbesondere junge Kinder im Hinblick auf eine andere zeitliche Relation sich leichter an eine neue Umgebung gewöhnen, lässt diese Dauer des Aufenthalts auf eine gewisse soziale Integration schließen. Für das zum Zeitpunkt des Umzugs sechsjährige Mädchen sind des Weiteren der Umfang und die Intensität der Beziehungen zu Familienangehörigen von besonderem Gewicht. Der Vater ist die Hauptbezugsperson des Kindes. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes hängt rechtlich nicht vom Willen des Sorgeberechtigten ab. Indes kann hier nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der Umzug zusammen mit dem alleinsorgeberechtigten Vater erfolgte. Seit dem Umzug sind nunmehr knapp sechs Monate vergangen, wobei zum jetzigen Zeitpunkt auch von einer weitgehenden sozialen Integration von L. ausgegangen werden muss. L. geht in B. seit Oktober vergangenen Jahres in die Schule, erhält Deutsch- und Englischunterricht, spielt Klavier, besucht einen Schachverein und hat offensichtlich soziale Kontakte. Somit hat L. ihren Lebensmittelpunkt in B. in der Türkei. |
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| Bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts im Anwendungsbereich des MSA ist für eine „perpetuatio fori“ kein Raum mehr, weil mit der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts die Zuständigkeit am früheren Aufenthaltsort des Minderjährigen zwangsläufig erlischt (BGH, Beschl. v. 22. Juni 2005 - XII ZB 186/03). Dies hat auch in der Rechtsmittelinstanz zu gelten. Denn vorrangig ist auf die fortbestehende internationale Zuständigkeit abzustellen. |
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| Maßgebend für die Beurteilung der fortbestehenden internationalen Zuständigkeit ist nicht der Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung, sondern vielmehr der Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts (so wohl auch BGH, Beschl. v. 05. Juni 2002 - XII ZB 74/00). Es kommt nicht darauf an, dass das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit noch bejaht hat, weil es im Zeitpunkt des Erlasses seiner Entscheidung noch von einem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Deutschland ausgehen konnte, unabhängig davon, dass es lediglich seine Zuständigkeit nach Art. 8 Abs. 1 EuEheVO bejaht hatte. Entscheidend ist auf den Schutzzweck des Art. 1 MSA abzustellen, wonach dieser Vorschrift der Gedanke zugrunde liegt, dass die Behörden am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts die für Notwendigkeit, Art und Umfang von Schutzmaßnahmen maßgebenden sozialen und familiären Verhältnisse des Minderjährigen am besten und schnellsten ermitteln können (vgl. BGH, Beschl. v. 05. Juni 2002 - XII ZB 74/00). Gerade in Umgangsverfahren können die Gerichte am Aufenthaltsort unter Zuhilfenahme der zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen treffen und soweit notwendig auch die jeweiligen Modalitäten zum Wohl des Kindes umfassend regeln. Das zunächst angerufene Gericht besitzt diese Kompetenz schon im Hinblick auf unterschiedliche Verfahrensordnungen in der Regel nicht. Lediglich innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mag auf Grund der Vereinheitlichung des Rechts etwas anderes gelten, zumal gem. Art. 41 Abs. 1 EuEheVO auf ein Exequaturverfahren verzichtet wurde. |
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| Der Prüfung der internationalen Zuständigkeit auch in der Rechtsmittelinstanz steht im konkreten Fall auch nicht Art. 5 Abs. 3 MSA entgegen, wonach bei einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts die in dem Ursprungsstaat nach innerstaatlichen Recht getroffenen Maßnahmen im Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts in Kraft bleiben. Nach Ansicht des Senates soll Art. 5 Abs. 3 MSA im Verhältnis der Vertragsstaaten lediglich gewährleisten, dass unanfechtbar gewordene Entscheidungen im Ursprungsstaat zunächst weiter gelten, sofern die konkreten Umstände nicht eine Änderung rechtfertigen sollten. Dagegen lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 3 MSA entnehmen, dass eine innerstaatliche, noch nicht rechtskräftige Regelung wegen einer im Zeitpunkt der Entscheidung fehlenden internationalen Zuständigkeit, die vorrangig zu prüfen ist, nicht durch das Beschwerdegericht aufgehoben werden kann (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1991, 1346; wohl auch OLG Köln, MDR 1999, 1199; a.A. offensichtlich OLG Hamburg, IPrax 1986, 386; BayObLG, BayObLGZ 1976, 25; beide Gerichte gehen allerdings bereits von einer „perpetuatio fori“ aus). |
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| Nach alledem war der Beschluss des Familiengerichts Stuttgart aufzuheben, da eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte entfallen ist. |
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