Oberlandesgericht Nürnberg Hinweisbeschluss, 21. März 2016 - 8 U 2644/15

published on 21/03/2016 00:00
Oberlandesgericht Nürnberg Hinweisbeschluss, 21. März 2016 - 8 U 2644/15
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Gründe

Oberlandesgericht Nürnberg

Az.: 8 U 2644/15

21.03.2016

8 O 3573/15 LG Nürnberg-Fürth

In dem Rechtsstreit

K. Helmut, ... Fürth

- Kläger und Berufungsbeklagter

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ... Nürnberg, ...

gegen

R. Rechtschutz-Versicherungs-AG, vertreten durch d. Vorstand, ...

- Beklagte und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ... Hannover, ...

wegen Forderung

erteilt das Oberlandesgericht Nürnberg - 8. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Voll, den Richter am Oberlandesgericht Reichard und den Richter am Oberlandesgericht Weidensteiner

am 21.03.2016

folgenden Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.11.2015, Az. 8 O 3573/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen einen Anspruch des Klägers auf bedingungsgemäße Deckung aus der streitgegenständlichen Rechtsschutzversicherung für das im Tenor genannte Klageverfahren sowie auf Erstattung außergerichtlicher Kosten bejaht und der Klage stattgegeben.

Der Senat nimmt Bezug auf die überzeugenden Gründe des angefochtenen Endurteils.

Ergänzend ist im Hinblick auf die Berufungsbegründung vom 03.03.2016 auszuführen:

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

1. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, werden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

2. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat das Landgericht einen Deckungsanspruch des Klägers aus der streitgegenständlichen Versicherung zutreffend bejaht, insbesondere das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Vertragsrechtsschutz nach § 23 Abs. 1 u. 3 ARB 2000.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sachzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Er wird sich in erster Linie am Bedingungswortlaut orientieren Bei der Auslegung sind Versicherungsbedingungen deshalb aus sich heraus zu interpretieren, die Entstehungsgeschichte der Bedingungen hat ebenso wie ihre spätere Entwicklung außer Betracht zu bleiben (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 - IV ZR 34/11 -, juris; BGH, Urteil vom 11. November 2015 - IV ZR 426/14 -, juris).

2.1. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung (Seite 6 Mitte u. 7 des Endurteils) § 23 Abs. 1 S. 2 ARB 2000 dahin ausgelegt, dass dessen Inhalt nicht der Abgrenzung des privaten Bereichs - § 23 Abs. 1 S. 1 a) ARB 2000 - vom beruflichen Bereich dient, sondern der weiteren Beschreibung der im Konditionalsatz („wenn") des § 23 Abs. 1 S. 1 ARB 2000 erwähnten sonstigen selbstständigen Tätigkeit, also der Frage der Versicherbarkeit als Selbstständiger. Ergänzend ist hierzu noch anzuführen, dass die Formulierung „Als selbstständige Tätigkeit gilt auch" eindeutig reziproken, also rückbezüglichen Charakter hat. Der Begriff „selbstständige Tätigkeit" wird aber im Vorsatz nur im Konditionalsatz des § 23 Abs. 1 S. 1 ARB 2000 verwandt. In derselben eindeutig rückbezüglichen Art verwenden die Bedingungen eine ähnliche Formulierung in § 25 Abs. 1 S. 3 ARB 2000.

Angesichts dieser eindeutigen Auslegung des § 23 Abs. 1 S. 2 ARB 2000 ist für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB an sich kein Raum (allg. Meinung, vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2009 - V ZR 201/08 -, juris; Schmidt in Beck-OK, BGB, Stand: 01.11.2015, § 305c, Rn. 54).

Selbst wenn man die Auslegung der Beklagten als neben dem vom Landgericht und dem Senat gewonnenen Auslegungsergebnis für vertretbar im Sinne einer objektiven Mehrdeutigkeit (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., Einleitung, Rn. 287) halten würde, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg, da dann die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB greifen würde.

2.2. Das Landgericht hat die Vermietung des Gebäudes Emmericherstraße 25, Nürnberg zutreffend dem privaten Bereich i. S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 a) ARB zugeordnet.

Da der durchschnittliche, verständige Versicherungsnehmer nicht annehmen kann, der Versicherer wolle mit seinen Allgemeinen Bedingungen eine Deckungslücke entstehen lassen (BGH, Urteil vom 23. September 1992 - IV ZR 196/91 -, juris, Rn.11), wird er nach den eingangs dargelegten Auslegungsgrundsätzen davon ausgehen, dass der private Bereich vom beruflichen Bereich abzugrenzen ist, für den nach § 24 Abs. 1 a) ARB 2000 Versicherungsschutz erlangt werden kann, also von der gewerblichen, freiberuflichen und sonstigen selbstständigen Tätigkeit (OLG Dresden, Urteil vom 27. September 2012 - 4 U 809/12 -, juris; Obarowski in Beckmann /Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 37, Rn. 168; Wendt, Vertiefung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsschutzversicherung, RuS 2008, 221, 229 f).

Entscheidend ist damit, ob die Hallenvermietung sich als Verwaltung eigenen Vermögens darstellt, die dem privaten Bereich zuzurechnen ist (BGH, a. a. O., Rn. 15; Senat, Urteil vom 21. Januar 2013 - 8 U 1537/12 -, juris, Rn. 46; Obarowski, a. a. O., Rn. 166; Wendt, a. a. O.), oder bereits als gewerbliche oder sonstige selbstständige Tätigkeit.

Dabei lassen weder das Wertvolumen eines einzelnen Geschäfts (Wendt, a. a. O., Rus 2008, 221, 230) noch die Aufnahme von Fremdmitteln zur Finanzierung noch die Gewinnerzielungsabsicht (BGH, a. a. O., Senat, a. a. O.) als solche auf eine über private Vermögensverwaltung hinausgehende gewerbliche oder sonstige selbstständige Tätigkeit schließen. Entscheidend ist letztlich eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung der Komplexität der Geschäfte und dem Erfordernis eines planmäßigen Geschäftsbetriebes (Wendt, a. a. O.).

Diese Gesamtbetrachtung führt vorliegend zu einer Zuordnung der Hallenvermietung zum Bereich der privaten Vermögensverwaltung.

Aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Schreiben der Versicherungs- und Rentenberater AG vom 31.08.2012 (Anl. B 4, Ziffer 2) ergibt sich, dass der Kläger keine weiteren Immobilienanlagen unterhält. Die vom Kläger vorgenommene Fremdfinanzierung von 300.000,- € liegt lediglich im Bereich von einem Drittel des sich aus den vorgetragenen Versicherungssummen für die Gebäudeversicherung ergebenden Verkehrswertes des Grundstücks. Die vom Kläger einmalig vorgenommene Nutzungsänderung mit anschließender dauerhafter Vermietung zur entsprechenden Nutzung lässt nicht auf das dauerhafte Erfordernis eines planmäßigen Geschäftsbetriebes schließen. Gleiches gilt für den auf das außerordentliche Brandereignis zurückzuführenden Umstand, dass der Kläger das Objekt mit Versicherungsmitteln, mit Eigenmitteln und unter Zuhilfenahme weiterer finanzieller Mittel wieder so aufbaute, dass es ab 01.03.2011 neu vermietet werden konnte (Seite 4 der Klageerwiderung; Klage vom 18.12.2014 vor dem LG Mönchengladbach, Seite 4, Anlagenkonvolut Kläger). Der Kläger ist reiner Vermieter des Gewerbeobjekts, nicht dessen Betreiber. Dem Verwendungszweck kommt daher keine Bedeutung zu. Dass der Kläger eine auf einem besonderen Deckungskonzept, das die Nutzung des Objekts berücksichtigt, beruhende Gebäudeversicherung abgeschlossenen hat, hat keinen Aussagewert für die vorzunehmende Abgrenzung. Der Kläger hat im Rahmen des Mietvertrages (Anl. B 3, § 22) die Verpflichtung zum Abschluss der Gebäudeversicherung übernommen. Das Erfordernis eines planmäßigen Geschäftsbetriebes kann aus diesem Umstand nicht erschlossen werden. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger als Kaufmann und Kfz-Händler, der bis kurz vor Klageerhebung ein Autohaus in Nürnberg betrieb, tätig ist, kommt auch der Höhe der monatlichen Mieteinnahmen von 9.500,- € /10.000,- € keine auslegungsrelevante Bedeutung zu. Die Tatsache der Gewinnerzielung an sich steht der privaten Vermögensverwaltung nicht entgegen, ist deren legitimes Ziel. Aufgrund der Berufstätigkeit des Klägers im Kfz-Bereich sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Einnahmen der Vermietung den Lebensunterhalt sicherndes Einkommen aus anderen Bereichen ersetzen.

3. Die ebenfalls zutreffende Begründung des Landgerichts für die zugesprochenen vorgerichtlichen Anwaltskosten greift die Begründung nicht an.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.