I.
Der Kläger macht Ansprüche auf Leistungen aus zwei bei der Beklagten unterhaltenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen geltend. Auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 06.10.2015 wird Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 06.10.2015 (Bl. 329/340 d.A.) als unbegründet abgewiesen, da es auf Grundlage der Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. L. davon überzeugt sei, dass der Kläger nicht berufsunfähig sei. Auf die Entscheidungsgründe wird ebenfalls Bezug genommen.
Das Urteil wurde der Klägervertreterin am 13.10.2015 zugestellt. Sie hat mit Schriftsatz vom 11.11.2015 (Bl. 349/352 d.A.), eingegangen am 16.11.2015, für den Kläger Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt und mit Schriftsatz vom 07.12.2015 (Bl. 357/360 d.A.) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Frist zur Einlegung der Berufung beantragt.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beruft sich im Wiedereinsetzungsantrag darauf, dass die Frist deshalb versäumt worden sei, weil die am 13.11.2015 am Ende des Arbeitstages wegen des krankheitsbedingten Ausfalls ihrer eigenen Sektretärin zuletzt allein anwesende Sekretärin Frau A. K. der Kanzlei H. & H., mit der sie ein gemeinsames Postausgangsfach unterhalte, es stressbedingt versäumt habe, die Post im Postausgangsfach, wie üblich, direkt zum Fristenbriefkasten des Amtsgerichts München, Pacelli Straße 5, zu bringen, obwohl sie diese bei Verlassen der Kanzlei gegen 12.30 Uhr ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht habe, dass sie an diesem Tag für die Leerung des Postausgangsfachs zuständig sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der versandfertig kuvertierte Schriftsatz im Postausgangsfach befunden. Die Frist im elektronischen Kalender sei erst nach diesem Hinweis von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gelöscht worden. Frau A. K. sei seit 1996 als Anwaltssekretärin tätig, schon unzählige Male für die Leerung des Gerichtspostfachs zuständig gewesen und habe dies bis dato immer zuverlässig erledigt.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 07.12.2015 eine eidesstattliche Erklärung (Anlage zu Bl. 357/360 d.A.) der Frau A. K. vom 07.12.2015 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass Frau K. von ihr auf den an das OLG gerichteten Schriftsatz hingewiesen worden sei und darauf hingewiesen worden sei, dass sie an diesem Tag für die ordnungsgemäße Leerung des Postfachs zuständig sei.
Die Beklagte hat beantragt, das Wiedereinsetzungsgesuch zurückzuweisen. Das Gesuch sei bereits nicht zulässig, da die versäumte Prozesshandlung nicht nachgeholt worden sei. Es werde beantragt, Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist zu gewähren, es sei aber weder mit Schriftsatz vom 11.11.2015 Berufung eingelegt worden, noch mit Schriftsatz vom 07.12.2015, sondern es sei nur Prozesskostenhilfe für ein zukünftig beabsichtigtes berufungsverfahren beantragt worden. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sei auch im Wiedereinsetzungsgesuch nicht wiederholt worden. Im Übrigen dürfe der Antrag auch unbegründet sein. Dem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass Frau K. darauf hingewiesen worden sei, dass sich im Postausgangsfach ein Schriftsatz befinde, der eine Notfrist wahren solle und daher zwingend noch an diesem Tag bei Gericht eingehen müsse. Auch sei nicht ersichtlich, dass sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers durch eigene Stichproben ein Bild von der Zuverlässigkeit der nicht in ihre Büroorganisation eingebundenen Frau K. habe machen können. Im Übrigen sei die deren Überlastung vorhersehbar gewesen, da sie an diesen Tag für beide Kanzleien zuständig gewesen sei. Vorkehrungen hierfür seien nicht getroffen worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17.12.2015 (Bl. 361/364 d.A.) Bezug genommen.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hierzu mit Schriftsatz datiert auf den „07.12.2015“ (Bl. 366/367 d.A.), eingegangen am 08.01.2016, Stellung genommen. Offensichtlich betreffe der Antrag auf Wiedereinsetzung die versäumte Frist, rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu stellen. Dies ergebe sich eindeutig daraus, dass jeweils Bezug genommen werde auf den Schriftsatz vom 11.11.2015, mit welchem ein entsprechender Prozesskostenhilfeantrag gestellt worden sei. Eine vermeintliche Falschbezeichnung liege damit gar nicht vor, selbst wenn, sei sie unschädlich, da ohne Zweifel eine entsprechende Auslegung des Antrages auf Wiedereinsetzung möglich sei. Der Beklagtenvertreter überspanne im Übrigen die Anforderung an eine Büroorganisation. Ihr sei es auch sehr wohl möglich gewesen, die Zuverlässigkeit der Frau K. einzuschätzen. Diese habe am 13.11.2015 für ihre Kanzlei lediglich das Telefon bedienen müssen. Dies stelle keine ungebührliche Überlastung dar. Im Übrigen habe sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein wichtiger Schriftsatz für das OLG im Postausgangsfach liege.
Hierauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.02.2016 (Bl. 368/369 d.A.) repliziert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgenannten Aktenfundstellen Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war mangels Erfolgsaussicht zurückzuweisen (§ 114 Abs. 1 S.1 ZPO). Der Kläger hat die Berufungseinlegungsfrist versäumt. Eine Wiedereinsetzung bezüglich der Berufungseinlegungsfrist, die im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren - antizipiert - zu prüfen ist, kommt nicht in Betracht, so dass es bei der Verneinung der Erfolgsaussichten verbleibt. Die von ihm beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich des Prozesskostenhilfeantrags ist nicht zu gewähren.
2. Das Urteil vom 06.10.2015 wurde ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Anlage zu Blatt 329/340 d.A.) und nach Vortrag des Klägers am 13.10.2015 der Klägervertreterin zugestellt. Die Berufungseinlegungsfrist endete damit am 13.11.2015. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren vom 11.11.2015 (Bl. 349/352 d.A.) ging bei Gericht am 16.11.2015 und damit nicht innerhalb der Berufungseinlegungsfrist ein.
3. Der mit Schriftsatz vom 07.12.2015 (Bl. 357/360 d.A.) gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig und war daher zu verwerfen. Die Auslegung des Begehrens des Klägers ergibt, dass er, entgegen dem Wortlaut des im Schriftsatz vom 07.12.2015 (S.1, Bl. 357 d.A.) gestellten Antrages nicht Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist zur Berufungseinlegung beantragt. Ein solcher Antrag hätte auch schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil der Kläger die versäumte Prozesshandlung (Einlegung der Berufung) nicht innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 S.2 ZPO nachgeholt hat (§ 236 Abs. 2 S. 2 ZPO). Der Kläger hat mit dem auf den 07.12.2015 datierten Schriftsatz (Bl. 366/367 d.A.) klargestellt, dass er Wiedereinsetzung hinsichtlich der Frist, rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist einen Antrag auf Prozesskostenhilfe zu stellen, begehrt. Ein solcher Antrag ist aber nur statthaft, wenn er die Versäumung einer der in § 233 S.1 ZPO genannten Fristen betrifft. Eine analoge Anwendung bei verspäteter Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags kommt nicht in Betracht, zumal es dem Kläger möglich ist, Berufung, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung, einzulegen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist indessen schon nicht fristgebunden und schon deshalb nicht innerhalb einer Notfrist gemäß § 224 Abs. 1 S. 2 ZPO zu stellen.
4. Der Senat sieht sich allerdings im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Berufung veranlasst, zu prüfen, ob der Umstand, dass der Prozesskostenhilfeantrags des Klägers nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist eingegangen ist, auf einem Verschulden des Klägers bzw. einer ihm zuzurechnenden Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten beruht (s.u. Ziff. 5). Diese Entscheidung ergeht allerdings nur im Rahmen der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch und antizipiert eine etwaige Entscheidung über einen nach der Rechtsprechung dann zulässigen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist nach einer Entscheidung über ein Prozesskostenhilfegesuch für ein beabsichtigten Berufungsverfahren einer mittellosen Partei.
5. Mit dem Vorbringen der Klägervertreterin lässt sich fehlendes Verschulden an der Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags erst nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist nicht begründen.
Ohne Verschulden bedeutet Fehlen von Vorsatz und Fahrlässigkeit, wobei der Partei ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO). Verschuldensmaßstab für Rechtsanwälte ist dabei die für eine Prozessführung von einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernde übliche Sorgfalt; eine Fristversäumung ist regelmäßig verschuldet, wenn sie für einen pflichtbewussten Rechtsanwalt abwendbar gewesen wäre.
Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört dabei die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages durch eine dazu beauftragte Bürokraft anhand des Fristenkalenders nochmals selbstständig überprüft wird.
Die allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze mittels Abgleich mit dem Fristenkalender dient auch dazu, festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht. Deshalb ist dabei, gegebenenfalls anhand der Akten, auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind.
Auch im Falle einer Einzelweisung des Rechtsanwalts an einen Mitarbeiter, einen Schriftsatz noch am selben Tag zu versenden, sind ausreichende Sicherheitsvorkehrungen dagegen zu treffen, dass sie nicht in Vergessenheit gerät und die zu treffende Maßnahme unterbleibt.
(vgl. BGH, Beschluss vom 15.12.2015 - VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Leitsätze 1-3).
Der Senat versteht die vorgenannte Entscheidung des BGH so, dass eine fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden darf, wenn der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach des Rechtsanwalts eingelegt wird und das Postausgangsfach „letzte Station“ auf dem Weg zum Adressaten ist (so BGH Beschluss vom 12.4.2011, VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051), in Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung aber zusätzlich durch die abendliche Fristenkontrolle nochmals zu überprüfen ist, dass die Beförderung des fristgebundenen Schriftsatzes auch erfolgt ist. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat selbst vorgetragen, dass eine solche abendliche Fristenkontrolle in der Kanzlei angeordnet war.
Dass solche Vorkehrungen im vorliegenden Fall von der Prozessbevollmächtigten des Klägers ausreichend getroffen wurden, deren Einhaltung auch am 13.11.2015 gesichert war, ist nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Dass die vertretungsweise für ihre Kanzlei tätige Frau K. auch mit der Fristenkontrolle betraut war, ist nicht vorgetragen, vielmehr wurde dargelegt, dass sie an diesem Tag lediglich Telefonanrufe entgegen nehmen musste (S. 2 des Schriftsatzes vom 07.12.2016, Bl. 367 d.A.). Eine Fristenkontrolle hätte zudem ohnehin eine Fristversäumnis nicht verhindern können, denn die Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte die Frist im elektronischen Fristenkalender bereits selbst gelöscht, nachdem sie kurz vor Verlassen der Kanzlei am 13.11.2015 gegen 12.30 Uhr Frau K. darauf hingewiesen hatte, dass im Postausgangsfach sich ein wichtiger Schriftsatz an das OLG befinde und Frau K. am Abend für das Leeren des Postausgangsfachs und damit für den Einwurf in den Fristenbriefkasten des Amtsgerichts München verantwortlich sei (Schriftsatz vom 07.12.2015, S.3, Bl. 359). Eine solche Handhabung entsprach schon nicht der nach dem Vortrag im Wiedereinsetzungsgesuch in der Kanzlei erteilten Anweisung, am Ende eines Arbeitstages sämtliche Fristerledigungen nochmals zu prüfen und sodann die Fristen auch im elektronischen Kalender zu streichen (S. 2 des Schriftsatzes vom 07.12.2015, Bl. 358 d.A.). Diese abendliche Kontrolle war, abgesehen davon, dass eine solche Kontrolle an diesem Tag ohnehin nicht gewährleistet war (s.o.), durch die Löschung im elektronischen Fristenkalender bereits gegen 12.30 Uhr dieses Tages nicht mehr möglich. Die Einzelanweisung an Frau K. stellte bereits deshalb keine ausreichende Gewährleistung der Fristwahrung dar, weil sie keinen konkreten Hinweis darauf enthielt, dass es sich um einen fristwahrenden Schriftsatz handelte und die Notfrist an diesen Tag ablaufen würde. Zwar kann der Rechtsanwalt seinen Sorgfaltspflichten unabhängig von allgemeinen Organisationsanweisungen dadurch genügen, dass er seiner Kanzleiangestellten eine Einzelanweisung erteilt. Auch dann müssen aber ausreichende Sicherheitsvorkehrungen dagegen getroffen werden, dass diese nicht in Vergessenheit gerät und die zu treffende Maßnahme unterbleibt. Selbst die Übergabe der Akte an die Kanzleiangestellte mit dem Hinweis, dass der Schriftsatz noch am selben Tag an das OLG gefaxt werden müsse, bedeutet keine Anweisung zur sofortigen Erledigung vor allen anderen Arbeiten, auf deren Befolgung sich der Prozessbevollmächtigte unabhängig von allgemeinen büroorganisatorischen Maßnahmen einer wirksamen Fristen- und Ausgangskontrolle hätte verlassen dürfen (vgl. BGH, NJW-RR 2013, 572). Umso weniger konnte der von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erteilte Hinweis in der dargestellten Art und Weise gewährleisten, dass die Erledigung der fristwahrenden Maßnahme nicht in Vergessenheit geraten würde.