Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 02. Feb. 2011 - 1 Verg 1/11
Gericht
Tenor
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 4. Januar 2011 wird abgelehnt.
Gründe
I.
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1. Das Land Rheinland-Pfalz plant, baut und unterhält Bundesautobahnen und sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs auf dem Landesgebiet im Auftrag des Bundes (Art. 90 Abs. 2 GG). Bei der Durchführung dieser Aufgaben bedient es sich des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM), der dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau zugeordnet ist. Der LBM tritt bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf dem Gebiet des Straßenbaus als Vergabestelle auf. Auftraggeber – und damit Beteiligter des Vergabeverfahrens – ist allein das Land (siehe auch OLG Düsseldorf v. 25.11.2009 - VII-Verg 27/09 - juris Rn. 44). Dies gilt auch, wenn der Bund in den Vergabeunterlagen als Mitauftraggeber bezeichnet wird.
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2. Gegenstand des im Februar 2010 – noch unter Geltung der VOB/A 2006 – eingeleiteten Vergabeverfahrens ist der erste Bauabschnitt für den Neubau der Bundesstraße 50. Im Offenen Verfahren sollen Erd-, Entwässerungs- und Oberbauarbeiten vergeben werden. Die Oberbauarbeiten fallen in die Bauklasse SV.
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Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist die Frage, ob „Nebenangebote“ der Antragstellerin zu werten sind.
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Unter II.1.9) der Bekanntmachung sind „Varianten/Alternativangebote“ zugelassen.
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Umfangreiche Mindestanforderungen an Nebenangebote sind unter 1.5 der Baubeschreibung niedergelegt. In den „ EG-Bewerbungsbedingungen “ werden die Bieter darauf aufmerksam gemacht, dass sie mit Angebotsabgabe den Nachweis führen müssen, dass Nebenangebote die Mindestbedingungen erfüllen.
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3. Mehrere Bieter, deren Eignung außer Frage steht, gaben wertbare Hauptangebote ab. Der Preisspiegel bietet insoweit folgendes Bild (jeweils Nettopreise):
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Preisgünstigster Bieterin ist die A. GmbH & Co. KG, deren Hauptangebot auf 11.190.455,08 € lautet. Zeitplatzierte ist die S. GmbH & Co. KG mit 11.519.598 €.
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Die Antragstellerin liegt mit 11.554.700,84 € an dritter Stelle. Sie hat insgesamt 11 als Nebenangebote bezeichnete Abweichungen vom Leistungsverzeichnis eingereicht, deren Wertung zu folgenden Einsparungen führen würde:
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Nebenangebot I:
9.250,00 €
Nebenangebot II:
3.600,00 €
Nebenangebot III:
47.440,70 €
Nebenangebot IV:
56.472,00 €
Nebenangebot V:
23.269,50 €
Nebenangebot VI:
204.698,50 €
Nebenangebot VII:
100.085,55 €
Nebenangebot VIII:
56.997,40 €
Nebenangebot IX:
3.150,00 €
Nebenangebot X:
31.862,20 €
Nebenangebot XI:
155.684,86 €
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Die Einsparungen durch die „Nebenangebote“ I - V sowie VII - IX summieren sich auf 300.265,15 €. Angesichts der Differenz bei den Hauptangeboten von 364.245,76 € hätte die Antragstellerin ungeachtet der Frage, ob und inwieweit auch preisgünstigere „Nebenangebote“ der Amand GmbH & Co. KG wertbar sind, bestenfalls dann eine Chance auf den Zuschlag, wenn – bei unterstellter Wertbarkeit ihrer übrigen „Nebenangebote“ – zumindest die „Nebenangebote“ VI und X oder das „Nebenangebot“ XI berücksichtigt werden müsste.
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4. Das „Nebenangebot“ VI der Antragstellerin bezieht sich auf eine Entwässerungsleitung mit einer Gesamtlänge von ca. 3,5 km. Ein Abschnitt von etwa 1,6 km Länge, der unter den Ordnungsziffern 00.19.0002 bis 00.19.0005 des Leistungsverzeichnisses beschrieben ist, soll aus „ kreisförmigen duktilen Gussrohren nach DIN EN 598“, die „ den statischen und konstruktiven Erfordernissen nach DIN EN1610 “ genügen müssen, hergestellt werden. Als Leitprodukt ist das Fabrikat Saint-Gobain Pluvial Standard mit dem Zusatz: „oder gleichwertig“ angegeben.
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Im allgemeinen Teil der Baubeschreibung teilte der Auftraggeber unter 1.1.5 (Entwässerung) mit, dass und warum die Forderung nach Verwendung von duktilem Gussrohr den Besonderheiten an der Einbaustelle, „ die von der Standardentwässerung abweichende Maßnahmen“ erfordern, geschuldet ist.
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Die Antragstellerin bietet "anstelle der Gussrohre GfK-Rohre aus glasfaserverstärktem Kunststoff nach DIN EN 14364/DIN 16868 bzw. nach DIN EN 1796 in Standardharzqualität“ an.
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Gleiches gilt für die unter Ordnungsziffer 00.09 beschriebene Dükeranlage und das „Nebenangebot“ X.
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Irgendwelche Unterlagen, die Auskunft über das angebotene Alternativprodukt geben könnten, waren dem Angebot nicht beigefügt.
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5. Das „Nebenangebot“ XI betrifft die Ordnungsziffern 00.29.001 (Frostschutzschicht aus „ natürlichen gebrochenen Gesteinskörnungen “) und 00.30.001 (Asphalttragschicht) des Leistungsverzeichnisses. Die Asphalttragschicht soll eine Dicke von 22 cm haben.
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In diesem Zusammenhang heißt es unter 1.5.2.1 Unterpunkt 6b (Mindestanforderungen an Nebenangebote) zu alternativen Bauweisen mit Tragschichten aus hydraulisch gebundenem pechhaltigem Material u.a.:
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„ Werden in Ausnahmefällen und bei Zulassung von Nebenangeboten… auch bei den Bauklassen SV und I Tragschichten aus pechhaltigen Straßenbaustoffen eingesetzt, darf ihre Dicke lediglich auf die Frostschutzschicht angerechnet werden .
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Die Antragstellerin bietet alternativ den „ Oberbau nach RSTO Tafel 1, Zeile 2.1 Bauklasse SV mit HGT aus teerhaltigem Ausbauasphalt “ an. Anstelle der ausgeschriebenen Leistung sollen eine 15 cm dicke „ hydraulisch gebundene pechhaltige Tragschicht“ und eine Tragschicht „ wie in OZ 00.30.0001 beschrieben …, jedoch Einbaudicke 14 cm" hergestellt werden. Sie hat die hydraulisch gebundene Schicht (HGT) mit 7 cm auf die darunterliegende Frostschutzschicht und mit 8 cm auf die Asphalttragschicht angerechnet.
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Weitere Angaben enthalten die Angebotsunterlagen nicht.
II.
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1. Mit Schreiben vom 4. November 2010 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, dass sie nicht für den Zuschlag vorgesehen sei; sie habe nicht das wirtschaftlichste Hauptangebot abgegeben. Ihre Nebenangebote könnten aufgrund der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf aus jüngerer Zeit nicht berücksichtigt werden, weil als einziges Wertungskriterium der niedrigste Preis genannt sei. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der A. GmbH & Co. KG zu erteilen.
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Dies rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 8. November 2010: Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf sei nicht einschlägig, da sie keine Nebenangebote im Rechtsinne eingereicht, sondern Leistungsvarianten im Rahmen der Vorgaben des Leistungsverzeichnisses angeboten habe, die nach den für Hauptangebote geltenden Regeln zu behandeln seien.
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Mit Schreiben vom 12. November 2010 wies die Vergabestelle die Rügen zurück. Ergänzend teilte sie mit, die Nebenangebote VI und X könnten auch deshalb nicht gewertet werden, weil die angebotenen Kunststoffrohre nicht gleichwertig seien. Bei dem ausgeschriebenen Gussmaterial sei von einer bedeutend längeren Lebensdauer auszugehen. Auch seien die Unterhaltungskosten bei Gusseisen deutlich niedriger. Hinsichtlich des Nebenangebots XI fehle es ebenfalls an der Gleichwertigkeit, weil die notwendige Tragfähigkeit nicht gewährleistet sei. Bereits die Nichtberücksichtigung dieser drei Nebenangebote habe zur Folge, dass das Angebot der Antragstellerin hinter dem Angebot der Firma A. zurücktreten müsse.
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2. Den daraufhin eingereichten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 4. Januar 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Sie hat sich dabei weitgehend der Argumentation des Auftraggebers angeschlossen und ausgeführt:
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Es könne dahin stehen, ob der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zu folgen sei, wonach Nebenangebote grundsätzlich nicht gewertet werden können, wenn der Preis als einziges Wertungskriterium angegeben worden ist.
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Vorliegend sei die Entscheidung der Vergabestelle, die „Nebenangebote“ VI, X und XI (sowie VIII) nicht zu werten, aus anderen Gründen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Einsparungen, die sich aufgrund der übrigen „Nebenangebote“ ergeben könnten, seien zu gering, um den Abstand zum Hauptangebot der Firma Amand entscheidend verkürzen zu können.
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Die Entscheidung der Vergabestelle, die „Nebenangebote“ VI und X der Antragstellerin gemäß §§ 21 Nr. 1 Abs. 3, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A 2006 nicht zu werten, sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Vergabestelle habe im Sinne des § 9 Nr. 10 VOB/A 2006 die Verwendung von Rohren eines bestimmten Materials/Fabrikats vorgegeben und die Möglichkeit eröffnet, ein gleichwertiges Material/Fabrikat anzubieten. Die Vergabestelle sei in vertretbarer Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass das von der Antragstellerin angebotene Material/Fabrikat nicht gleichwertig zu dem ausgeschriebenen Material bzw. Fabrikat sei.
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Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit stehe dem öffentlichen Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Dieser Beurteilungsspielraum könne nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der öffentliche Auftraggeber sein Ermessen nicht oder deshalb fehlerhaft ausgeübt habe, weil er sich auf sachfremde Erwägungen gestützt oder einen unzutreffend oder unvollständig ermittelten Sachverhalt zu Grunde gelegt habe. Dies sei hier nicht feststellbar. Vielmehr sei es nicht zu beanstanden, dass die Vergabestelle zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Gleichwertigkeit der Kunststoffrohre aufgrund geringerer Lebensdauer und höherer Unterhaltskosten im Vergleich zu den ausgeschriebenen Metallrohren zu verneinen sei.
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Auch das "Nebenangebot" XI der Antragstellerin sei gem. §§ 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A 2006 bzw. §§ 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A 2006 zwingend von der Wertung auszuschließen, da die Antragstellerin mit Angebotsabgabe keinen Gleichwertigkeitsnachweis vorgelegt hat. Es könne insofern offen bleiben, ob es sich bei dem "Nebenangebot" XI der Antragstellerin um ein "echtes" Nebenangebot oder um eine Abweichung von technischen Spezifikationen handele. Den so oder so notwendigen Gleichwertigkeitsnachweis habe die Antragstellerin nicht vorgelegt.
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3. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer wendet sich die Antragstellerin mit der mit einem Eilantrag nach § 118 Abs.1 Satz 3 GWB verbundenen sofortigen Beschwerde.
III.
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Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ist zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel der Antragstellerin nach dem aktuellen Sach- und Streitstand keine Aussichten auf Erfolg hat. Derzeit sind keine Umstände ersichtlich, die gegen eine vergaberechtskonforme Beauftragung eines Konkurrenzunternehmens sprechen.
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1. Es kann hier offen bleiben, ob der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (zuletzt Besch. v. 18.10.2010 - VII-Verg 39/10 - NZBau 2011, 57) zu folgen ist, wonach Nebenangebote dann nicht zugelassen bzw. zugelassene Nebenangebote nicht gewertet werden dürfen, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Senatsentscheidung vom 26.07.2010 - 1 Verg 6/10 -ZfBR 2010, 708 nicht entnommen werden kann, dass der Senat eine gegenteilige Auffassung vertritt. Die Entscheidungen des OLG Düsseldorf waren damals noch nicht veröffentlicht, jedenfalls dem Senat unbekannt; mögliche Auswirkungen des Wortlauts der Art. 24 Abs. 1, 53 Abs. 1 VKR bzw. der Art. 36 Abs. 1, 55 Abs. 1 SKR auf die Wertbarkeit von Nebenangeboten wurden nicht problematisiert.
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2. Die Antragstellerin hat schon deshalb keine Chance auf den Zuschlag, weil seine „Nebenangebote“ VI und X sowie das „Nebenangebot“ XI nicht berücksichtigt werden dürfen. Auf eine mögliche vergaberechtswidrige Behandlung der übrigen „Nebenangebote“ könnte sich die Antragstellerin nicht mit Aussicht auf Erfolg berufen, weil sie selbst bei deren Berücksichtigung das für die Auftragserteilung vorgesehene Unternehmen nicht vom ersten Platz verdrängen könnte.
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a) „Nebenangebote“ VI und X
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aa) Bei den technischen Vorgaben der Vergabestelle für die Rohre der Entwässerungsanlage handelt es sich um technische Spezifikationen im Sinne des § 9 Nr. 6 Abs. 1 lit. a) VOB/A 2006, denen die von der Antragstellerin angebotene Abweichung unzweifelhaft nicht genügt. Diese Abweichung ist allerdings nicht den Regeln für Nebenangebote unterworfen. Für sie gilt vielmehr § 9 Nr. 7 VOB/A 2006 in Verbindung mit §§ 21 Nr. 2, 25 Nr. 4 VOB/A 2006. Danach sind Abweichungen von technischen Spezifikationen als Hauptangebote zu behandeln, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Bieter bereits mit dem Angebot durch geeignete Unterlagen – wie Prüfberichte anerkannter Stellen oder aussagekräftige Herstellerangaben – der Vergabestelle die funktionale und qualitative Gleichwertigkeit – hier auch für den Einsatz an einer Stelle mit örtlichen Besonderheiten – nachweist (siehe dazu Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Auflage, § 7 VOB/A Rn. 74 f.). Dies hat die Antragstellerin versäumt, so dass die von ihr angebotene Leistungsalternative nicht als technisch modifiziertes Hauptangebot gewertet werden kann.
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bb) Dieser Mangel kann nicht durch im Nachprüfungsverfahren nachgereichte Unterlagen, darunter eine Herstellerbescheinigung vom 24. November 2010 und eine technische Mitteilung über die chemische Beständigkeit von GfK-Rohren vom 31. Oktober 2006, geheilt werden. Dass die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Senat nicht in Betracht kommt, versteht sich von selbst.
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cc) Die Antragstellerin behauptet nicht, dass sich die Gleichwertigkeit – zumindest für Fachleute auf dem Gebiet des Straßenbaus – aus den von ihr selbst angegebenen Normen ergebe. Sie trägt vielmehr vor, dem Auftraggeber müsse die Gleichwertigkeit aus anderen Vergabeverfahren bekannt sein, weshalb ein entsprechender Nachweis entbehrlich sei. Zum einen hätten in jüngerer Zeit Vergabestellen in einem anderen Bundesland im Zusammenhang mit Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen Kunststoffrohre ausgeschrieben. Zum anderen sei im Jahre 2004 bei einer Baumaßnahme an einer Landesstraße in Rheinland-Pfalz der Zuschlag auf ein Nebenangebot erteilt worden, das Kunststoffrohre anstelle der damals ausgeschriebenen Gusseisenrohre vorsah. Es müsse also auf Auftraggeberseite das für die Beurteilung der Gleichwertigkeit notwendige Wissen vorhanden sein.
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Dem kann nicht gefolgt werden. Es geht nicht um (die Zurechnung von) Wissen innerhalb eines Behördenapparats, sondern um den tatsächlichen Vorgang der Angebotsprüfung durch die dafür im Einzelfall berufenen Personen. Sinn und Zweck der Nachweispflicht ist es, im Interesse der zügigen Durchführung des Vergabeverfahrens die mit der Angebotsprüfung befassten Personen in die Lage zu versetzen, allein anhand der vom Bieter vorgelegten Unterlagen und ohne weitere Nachforschungen beurteilen zu können, ob die angebotene technische Variante geeignet ist, den Beschaffungsbedarf für das konkrete Bauvorhaben zu befriedigen. Es kommt nicht darauf an, ob es einen Bediensteten des Landes – oder gar, wie die Antragstellerin meint, des Bundes – gibt oder geben könnte, der aufgrund eigener Sachkunde ohne entsprechende Angaben eines Bieters in der Lage wäre, die Frage der Gleichwertigkeit zu beurteilen (zur vergleichbaren Problematik bei der Nichtvorlage geforderter Eignungsnachweise durch „bekannte“ Unternehmen siehe VK Kiel v. 17.01.2006 - VK-SH 32/05 - juris Rn. 83; Glahs in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Auflage, § 6 VOB/A Rn. 66). Die scheinbar anderslautende Entscheidung des BayObLG v. 02.12.2002 - Verg 24/02 (VergabeR 2003, 207, 212), betraf den atypischen, einer Verallgemeinerung nicht zugänglichen Fall, dass ein Bieter für die Herstellung von Straßenbanketten alternativ die Verwendung von Bodenmaterial aus dem Baustellenbereich vorgeschlagen hatte und die dortigen Boden- und Untergrundverhältnisse in den Vergabeunterlagen eingehend erläutert worden waren.
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dd) An dem Fehlen jeglicher Darlegung zur Eignung des Alternativprodukts für den aus der Leistungsbeschreibung ersichtlichen Verwendungszweck würde im Übrigen auch die Berücksichtigung der Alternative Kunststoffrohre als „echtes“ Nebenangebot scheitern.
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ee) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist ihr modifiziertes Hauptangebot nicht nach § 9 Nr. 10 Satz 2 VOB/A 2006 zu behandeln. Nach dieser Regelung ist die Angabe eines bestimmten Produkts nur zulässig, wenn dies zur Beschreibung des Auftragsgegenstandes unerlässlich ist. Es handelt sich also eine Ausschreibungshilfe in den seltenen Fällen, in denen eine verbale Umschreibung des Leistungsgegenstandes das Informationsinteresse der Wettbewerbsteilnehmer nicht hinreichend befriedigen kann. Dies ist hier nicht der Fall. Der Auftraggeber hat die zu verwendenden Rohre und deren Beschaffenheit durch Materialangabe und technische Normen hinreichend klar beschrieben. Die nicht nur überflüssige, sondern auch vergaberechtswidrige Angabe des Produkts eines namentlich bezeichneten Herstellers ändert nichts daran, dass Abweichungen von den vergaberechtskonform vorgegebenen technischen Spezifikationen an § 9 Nr. 7 VOB/A 2006 zu messen sind. Unabhängig davon konnte selbstverständlich jeder Bieter auch gleichartige Gusseisenrohre anderer Hersteller anbieten.
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b) „Nebenangebot“ XI
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aa) Das „Nebenangebot“ XI bezieht sich auf eine Teilleistung, die der Auftraggeber nicht unter Bezugnahme auf technischen Spezifikationen im Sinne des § 9 Nr. 6 Abs. 1 VOB/A 2006 definiert hat, sodass § 9 Nr. 7 VOB/A 2006 keine Anwendung findet. Es handelt sich vielmehr um eine Leistungsvariante, die den Regeln für „echte“ Nebenangebote unterliegt. Zu diesen Regeln gehört auch § 25a Nr. 3 VOB/A, wonach eine Berücksichtigung eine Übereinstimmung mit den publik gemachten Mindestanforderungen voraussetzt.
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Diese Mindestanforderungen lassen hier zwar die von der Antragstellerin alternativ vorgeschlagene Schichtenfolge mit einer HTG als solche zu, nicht aber eine Abweichung von der in der Leistungsbeschreibung vorgegebenen Dicke der darüberliegenden Asphalttragschicht (14 cm statt 22 cm). Das Nebenangebot XI kann deshalb nicht gewertet werden.
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Unerheblich ist, dass nach dem derzeitigen Kenntnisstand des Senats davon ausgegangen werden kann, dass der alternativ vorgeschlagene Schichtenaufbau den Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen (RStO), Tafel 1. Zeile 2.1 entspricht und damit den Regeln der Straßenbautechnik hinreichend Rechnung tragen würde. Vergaberechtlich steht es dem Auftraggeber frei, für Haupt- und/oder Nebenangebote Leistungen zu fordern, die über (Mindest-)Standards hinausgehen. Hier hat der Auftraggeber für Nebenangebote von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine alternative Standardleistung nach RStO, Tafel 1. Zeile 2.1 jedenfalls dann nicht ausreicht, wenn pechhaltiges Recyclingmaterial Verwendung finden soll.
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bb) Sollten die etwas unklaren Ausführungen im Schriftsatz der Antragstellerin vom 27. Januar 2011 so zu verstehen sein, dass vorgetragen werden soll, sie habe überhaupt keine HGT mit pechhaltigem Recyclingmaterial angeboten oder anbieten wollen, so wäre dies ebenfalls unerheblich. In dem Nebenangebot XI heißt es unter der Alternativordnungsziffer 00.30.0001a wörtlich: Hydraulisch gebundene pechhaltige Tragschicht liefern und entsprechend den gültigen Vorschriften einbauen .“
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Es ist Sache des Bieters, sein Nebenangebot so klar und deutlich abzufassen, dass der Auftraggeber allein aufgrund dieser Angaben die Erfüllung seiner Vorgaben nachprüfen kann.
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cc) Ob der Auftraggeber berechtigt wäre, Unklarheiten im Wege der Aufklärung (§ 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A 2006) zu beseitigen, kann ebenfalls dahinstehen. Er ist dazu nicht verpflichtet (OLG Dresden v. 10.07.2003 - WVerg 16/02 - VergabeR 2004, 92) und hat vorliegend – wie schon in den „ EG-Bewerbungsbedingungen “ angekündigt – von einer Aufklärung abgesehen.
IV.
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Der Auftraggeber wird gebeten, eine Auftragsvergabe dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.
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Die Antragstellerin wird gebeten, binnen 2 Wochen mitzuteilen, ob das Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden soll.
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Annotations
(1) Der Bund bleibt Eigentümer der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Das Eigentum ist unveräußerlich.
(2) Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen. Diese Gesellschaft steht im unveräußerlichen Eigentum des Bundes. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen. Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
(3) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften verwalten die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes.
(4) Auf Antrag eines Landes kann der Bund die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in Bundesverwaltung übernehmen.
(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.
(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.