Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 17. Dez. 2015 - 5 UF 184/15

published on 17/12/2015 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 17. Dez. 2015 - 5 UF 184/15
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Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Waldshut-Tiengen vom 05.10.2015 in Ziff. 1 des Tenors aufgehoben und der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beteiligten streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre gemeinsamen Kinder.
Antragsteller und Antragsgegnerin sind die Eltern der Kinder Gi. F., geb. 2001, und Gr. F., geb. 2003. Sie hatten 2002 geheiratet und trennten sich Anfang 2009. Die gemeinsamen Kinder lebten zunächst bei der Antragsgegnerin, zuletzt in A in Deutschland. Im Sommer 2011 wechselten die Kinder mit Zustimmung der Antragsgegnerin ihren Aufenthalt zum Antragsteller und werden seit dieser Zeit vom Antragsteller in der Schweiz betreut, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben.
Anfang 2014 wurde beim Amtsgericht - Familiengericht - Waldshut-Tiengen das Scheidungsverfahren anhängig (4 F 30/14). Im Rahmen dieses Verfahrens haben beide Eltern beantragt, ihnen jeweils das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder allein zu übertragen. Im Termin vom 29.07.2014 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts das Verfahren über die elterliche Sorge abgetrennt (I, 101). Durch Beschluss vom gleichen Tag wurde die Ehe geschieden. Die Scheidung ist rechtskräftig seit 02.12.2014.
Im vorliegenden Verfahren wurde nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Anhörung aller Beteiligten mit dem angefochtenen Beschluss vom 05.10.2015 (I, 523) das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Antragsteller übertragen und der Antrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Der Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 09.10.2015 zugestellt (I, 543).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin mit Anwaltsschriftsatz vom 26.10.2015, eingegangen beim Amtsgericht am gleichen Tag (II, 3).
Mit Verfügung vom 03.11.2015 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es im vorliegenden Verfahren an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte fehlen dürfte (II, 7). Die beteiligten Eltern haben dazu Stellung genommen (II, 31 und II, 33).
Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und in der Sache begründet.
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere ist das Oberlandesgericht für die Beschwerdeentscheidung international zuständig, da ein deutsches Familiengericht entschieden hat. Die entsprechenden Normen (§ 58 Abs. 1 FamFG mit § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. a GVG) gehören zum Verfahrensrecht, das sich nach deutschem Recht richtet (sog. Lex fori-Prinzip, vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Auflage 2016, IZPR Rn. 1 m.w.N.).
10 
2. Die Beschwerde ist in der Sache auch begründet. Es fehlt für eine Sachentscheidung an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., Rn. 94 m.w.N.). Die getroffene Sachentscheidung des Familiengerichts ist daher aufzuheben und der Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
11 
Der hier bereits im Jahre 2011 in der Schweiz begründete Aufenthalt der Kinder führt zu einer Anwendbarkeit des KSÜ.
12 
Art. 8 EuEheVO ist hier nicht anwendbar. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 61 lit. a EuEheVO besteht ein Vorrang der EuEheVO gegenüber dem KSÜ nur dann, wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat (vgl. Rauscher/Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Auflage 2015, Art. 61 Brüssel-IIa-VO Rn. 9 m.w.N.; zu den Einzelheiten vgl. Senat vom 12.11.2013 - 5 UF 140/11, juris Rn. 29 ff. m.w.N.). Hier haben die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt mit dem Willen beider Eltern im Jahre 2011 in der Schweiz begründet, die kein Mitgliedstaat der Europäischen Union (vgl. Art. 2 Nr. 3 EuEheVO) ist.
13 
Nach dem daher anwendbaren Art. 5 Abs. 1 KSÜ sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies ist hier die Schweiz. Eine möglicherweise bei Einleitung des Sorgerechtsverfahrens gegebene internationale Zuständigkeit in Deutschland gemäß Art. 10 Abs. 1 KSÜ wegen des anhängigen Scheidungsverfahrens soll nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 10 Abs. 2 KSÜ enden, sobald die stattgebende Entscheidung über den Antrag auf Scheidung endgültig geworden ist. Das KSÜ, das auch ansonsten eine perpetuatio fori nicht kennt (vgl. etwa die Regelung in Art. 5 Abs. 2 KSÜ), ordnet daher nach der im Jahre 2014 eingetretenen Rechtskraft der Scheidung wieder die allgemeine Zuständigkeit am Aufenthaltsort der Kinder gem. Art. 5 KSÜ an.
III.
14 
Von einer erneuten Anhörung der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wurde gemäß § 68 Abs. 3 FamFG abgesehen, weil hiervon keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind.
15 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG (vgl. §§ 150 Abs. 5 S. 2, 137 Abs. 5 S. 2, Abs. 3 FamFG). Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, von dem im Familienverfahren geltenden Grundsatz abzuweichen, dass die Gerichtskosten zwischen den beteiligten Eltern hälftig geteilt und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (vgl. dazu Senat vom 19.11.2015 - 5 WF 101/15).
16 
Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd
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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd
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published on 19/11/2015 00:00

Tenor 1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lörrach vom 24.06.2015 in Ziffer 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen die weiteren
published on 12/11/2013 00:00

Tenor Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren über eine Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Donaueschingen vom 24.05.2011 (2 F 34/11 SO) wird zurückgewiesen. Gründe
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(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird die Scheidung der Ehe ausgesprochen, sind die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen gegeneinander aufzuheben.

(2) Wird der Scheidungsantrag abgewiesen oder zurückgenommen, trägt der Antragsteller die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen. Werden Scheidungsanträge beider Ehegatten zurückgenommen oder abgewiesen oder ist das Verfahren in der Hauptsache erledigt, sind die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen gegeneinander aufzuheben.

(3) Sind in einer Folgesache, die nicht nach § 140 Abs. 1 abzutrennen ist, außer den Ehegatten weitere Beteiligte vorhanden, tragen diese ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

(4) Erscheint in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die Kostenverteilung insbesondere im Hinblick auf eine Versöhnung der Ehegatten oder auf das Ergebnis einer als Folgesache geführten Unterhaltssache oder Güterrechtssache als unbillig, kann das Gericht die Kosten nach billigem Ermessen anderweitig verteilen. Es kann dabei auch berücksichtigen, ob ein Beteiligter einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem Informationsgespräch nach § 135 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat. Haben die Beteiligten eine Vereinbarung über die Kosten getroffen, soll das Gericht sie ganz oder teilweise der Entscheidung zugrunde legen.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 gelten auch hinsichtlich der Folgesachen, über die infolge einer Abtrennung gesondert zu entscheiden ist. Werden Folgesachen als selbständige Familiensachen fortgeführt, sind die hierfür jeweils geltenden Kostenvorschriften anzuwenden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Wert ist durch den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist Verfahrenswert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.