Oberlandesgericht Köln Beschluss, 01. März 2016 - 9 W 6/16
Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 25.11.2015 —10 O 364/15 — in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 03.02.2016 wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
2Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Gem. § 114 ZPO ist Prozesskostenhilfe nur dann zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
31. Dem Antragsteller steht der begehrte Versicherungsschutz nicht zu. Gem. Ziff. 1.1. der Bedingungen der Privat-Haftpflichtversicherung ist versichert „die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes.“ Im Gegensatz zu früheren Fassungen der Klausel, die betriebliche und berufliche Gefahren ausdrücklich als Ausnahmetatbestände formulierten, gehört es nach der aktuellen Fassung zur primären Risikobeschreibung, dass sich Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson verwirklicht haben müssen. Dies hat Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast: Für die alte Fassung war herrschende Meinung, dass der Versicherer in Folge der negativen Risikobeschreibung zu beweisen hatte, dass der Schaden Folge einer beruflichen Tätigkeit war; nach der jetzigen, auch vorliegend vereinbarten Fassung muss hingegen der Versicherungsnehmer die anspruchsbegründende Voraussetzung darlegen und beweisen, dass ihn ein privates und kein Risiko des Berufes getroffen hat (Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, Lücke, Ziff. 1 BB PHV, Rz. 4 m.w.N.; Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, 2. Aufl. 2015, Schimikowski, BB PHV, Rz. 5; OLG Hamm, Urteil v. 02.10.2015, 20 U 139/14). Vorliegend hat den Antragsteller jedoch ein berufliches Risiko getroffen.
4Beruf i.S. der zitierten Klausel ist dabei eine auf Dauer angelegte, zumeist dem Erwerb des Lebensunterhalts dienende Tätigkeit, die im Gegensatz zu einer Freizeitbeschäftigung steht. Nur gelegentliche, nach Art und Umfang als Freizeitbeschäftigung anzusehende Nebentätigkeiten sind gedeckt (Prölss/Martin, a.a.O., Lücke, Rz. 6; OLG Hamm, Beschluss v. 03.08.2012, 20 W 18/11). Der Bezug eines Entgelts ist allein kein geeignetes Abgrenzungskriterium; allerdings können Art und Höhe des Entgelts für die Frage von Bedeutung sein, ob die Tätigkeit zur dauernden Aufgabe mit dem Zweck des Erwerbs des Lebensunterhalts geworden ist. Entscheidend ist die Bestimmung des Schwergewichts, das nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen ist (OLG Hamm, a.a.O.). Nach diesen Kriterien ist vorliegend eine berufliche Tätigkeit des Antragstellers anzunehmen. Bereits aufgrund unstreitiger Tatsachen stehen ein Umfang und eine Dauer des Betriebes fest, die nach der Verkehrsanschauung nicht mehr als gelegentliche Betätigung angesehen werden können. Die Plantage hat zudem auch dem Lebensunterhalt gedient. Die Antragsgegnerin hat gewichtige Anhaltspunkte vorgetragen, die der Annahme widersprechen, die Plantage diese allein dem Zweck des Eigenkonsums. Dem ist der Antragsteller nicht hinreichend entgegengetreten. Im Einzelnen:
5Aus den Akten der Staatsanwaltschaft Bonn, Az. 930 Js 239/15, ergibt sich, dass am Tag des Brandereignisses insgesamt 995,85 g Marihuana gefunden wurden, wobei verbrannte Mengen noch zusätzlich zu berücksichtigen wären. Diese Menge übersteigt deutlich die Mengen, die bei einem angegebenen Eigenkonsum von 4 g täglich zu erwarten wären. Soweit der Antragsteller vorträgt, er habe wider eigener Erwartung eine besonders gute Ernte erzielt, erscheint dieses Vorbringen bereits für sich betrachtet wenig glaubhaft und nicht ausreichend, um von einer privaten Tätigkeit auszugehen: Schon die vom Antragsteller eingeräumte Aufzucht bis zur Ernte bestätigt einen Betrieb von gewisser Dauer, und die geerntete Menge eine gewisse Professionalität des Antragstellers bei der Aufzucht. Auch kann eine gelegentliche Tätigkeit die Notwendigkeit einer Feinwaage nicht erklären. Eine solche ist ausweislich der Ermittlungsakte in dem Schreibtisch des Antragstellers gefunden worden. Ganz wesentliches Indiz für eine Gewinnerzielungsabsicht des Antragstellers und mithin für einen beruflichen Betrieb der Plantage ist schließlich der vor Ort gefundene Zettel, auf dem mehrere unterschiedliche Mengen und Zahlenangaben aufgeführt waren. Eine derart präzise Dokumentation des Ernteerfolges erscheint im Rahmen der Befriedigung nur des Eigenbedarfs außergewöhnlich und wenig glaubhaft. Darüber hinaus scheint es sich nicht nur um Gewichte, d.h. Erträge zu handeln: Ein Großteil der Notizen scheint Geldbeträge wiederzugeben.
6Der Brand ist jedenfalls auch im Zusammenhang mit dem Betrieb der Hanfplantage entstanden: Der Sachverständige M hat sehr deutlich herausgestellt, der Brand dürfte durch die laienhaft verlegten Elektroinstallationen eines der Heizgeräte verursacht worden sein. Es liegt auf der Hand, dass diese Heizgeräte dem Betrieb der Hanfplantage dienten, sich mithin im Brand aufgrund eines solchen Heizgeräts ein betriebliches Risiko im oben dargelegten Sinne realisiert hat. Allerdings ist dem Antragsteller zuzugeben, dass der Sachverständige M auch die Möglichkeit eines unsachgemäßen Umgangs mit Tabakresten als Brandursache nicht hat ausschließen können. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Brand auch durch Zigarettenglut verursacht worden wäre. Der entsprechende Vortrag des Antragstellers ist ungenügend, unglaubhaft und widersprüchlich. Der Antragsteller behauptet nicht konkret, Zigaretten in der Nähe des Brandherdes ausgedrückt zu haben, sondern hält dies nur für möglich. Augenfällig ist, dass der Vortrag erstmalig erfolgte, als die Antragsgegnerin die Möglichkeit einer entsprechenden Brandursache ausschloss. Letztlich steht dieser neue Vortrag aber, wie das Landgericht zu Recht ausführt, eindeutig in einem unüberbrückbaren Widerspruch zu den Ausführungen des Antragstellers im Schreiben vom 11.08.2015. Dort hat er wörtlich ausgeführt: „Am Tage des Brandes habe ich mich nicht in der Wohnung aufgehalten, bei meiner Rückkehr am Abend hatte die Feuerwehr mit den Löscharbeiten begonnen“. Ansätze, diesen Widerspruch zu erklären, fehlen.
72. Schließlich hat das Landgericht auch zu Recht angenommen, dass sich eine Gefahr aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung realisiert hat. Insoweit wird auf die Ausführungen des angegriffenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses Bezug genommen, denen sich der Senat vollumfänglich anschließt. Es bestehen keine Zweifel daran, dass eine ungewöhnliche Beschäftigung vorliegt. Der Begriff der Beschäftigung setzt ein Verhalten voraus, das auf längere Dauer angelegt ist und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bildet, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten (BGH, Urteil v. 28.10.2015, IV ZR 269/14; BGH, Urteil v. 09.11.2011, IV ZR 115/10). Dabei stellt nicht jedes strafbare Verhalten automatisch auch eine Beschäftigung dar, da es selten das Erfordernis der Dauer im dargelegten Sinn erfüllt. Vorliegend ist dies jedoch unproblematisch: Der Betrieb der Plantage erfolge über einen längeren Zeitraum von nicht unerheblicher Dauer.
8Diese Tätigkeit war auch ohne Weiteres gefährlich. Gefährlich ist eine Beschäftigung dann, wenn sich das Risiko für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden erhöht, für den der Versicherungsnehmer haften und der Versicherer eintreten müsste (Prölss/Marin, a.a.O., Lücke, Rz. 16). Insoweit ist nicht auf die Illegalität des Betriebs der Plantage, sondern den dauerhaften Betrieb von Heizgeräten und Leuchtmitteln abzustellen. Gerade durch den dauerhaften Betrieb von Heizgeräten und Leuchtmitteln wird mit der Gefahr eines Kurzschlusses die Gefahr eines haftpflichtversicherungsrelevanten Fremdschadens erhöht, wie er sich vorliegend gerade verwirklicht hat, zumal die Plantage und die Elektroinstallationen nicht ständig überwacht wurden.
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.