Bundesgerichtshof Urteil, 28. Okt. 2015 - IV ZR 269/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer bei der Beklagten im Rahmen einer Privathaftpflichtversicherung gehaltenen Forderungsausfallversicherung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (im Folgenden: AHB), Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privat-Haftpflichtversicherung (PHV Standard-Plus, im Folgenden: BBR PHV) sowie Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Ausfalldeckung in der Privat-Haftpflichtversicherung (Basis-Plus-Deckung, im Folgenden : BBR AusfV) zugrunde. Letztere lauten auszugsweise: "Teil I 1. Was ist versichert? Versichert ist der Versicherungsnehmer für den Fall, daß ein von ihm wegen eines Haftpflichtschadens, der während der Wirksamkeit der Ausfalldeckung eingetreten ist, auf Schadenersatz in Anspruch genommener Dritter seiner Zahlungsverpflichtung ganz oder teilweise nicht nachkommen kann, weil die Durchsetzung der Forderung gegen ihn gescheitert ist. Der Umfang der versicherten Schadenersatzansprüche richtet sich nach dem Deckungsumfang der Privat-Haftpflichtversicherung dieses Versicherungsvertrages. Der Versicherungsschutz wird in der Weise geboten, daß das Bestehen einer Privat-Haftpflichtversicherung des Schädigers in dem Umfang fingiert wird, wie die Versicherung des Versicherungsnehmers im Rahmen dieses Versicherungsvertrages besteht. Versicherungsschutz besteht des weiteren auch, wenn
a) der Schädiger vorsätzlich gehandelt hat. … 4. Unter welchen weiteren Voraussetzungen wird geleistet ? Weitere Voraussetzungen für den Versicherungsschutz sind:
a) Der Versicherungsnehmer muß gegen den Dritten einen rechtskräftig gewordenen und vollstreckbaren Titel (Urteil, Vollstreckungsbescheid, gerichtlicher Vergleich) erwirkt haben. Gleichgestellt ist ein notarielles Schuldanerkenntnis mit Unterwerfungsklausel, aus der hervorgeht, daß sich der Dritte persönlich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft. …"
- 2
- In Nr. 7 der vereinbarten AHB heißt es auszugsweise: "7. Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: 7.1 Versicherungsansprüche aller Personen, 7.1.1 die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. …"
- 3
- In den BBR PHV ist unter anderem geregelt: "1. Versichert ist im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der nachstehenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes. 1.1 Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus 1.1.1 den Gefahren eines Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes ), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art 1.1.2 oder eines ungewöhnlichen und gefährlichen Tuns. …"
- 4
- Im Übrigen enthalten auch die BBR PHV unter Nr. 10 Bestimmungen zur Forderungsausfallversicherung, die den oben zitierten Klauseln der BBR AusfV entsprechen.
- 5
- Am 22. September 2010 wurde der Kläger auf dem Weg zur Arbeit von einer Person, der ihm hinter einer Hausecke aufgelauert hatte (im Folgenden: Schädiger), angegriffen und erheblich verletzt. Der Kläger leidet seither unter psychischen Folgen dieser Tat. Nachdem über das Vermögen des Schädigers das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, stellte der Insolvenzverwalter am 16. Februar 2011 die Schmerzensgeld- forderung des Klägers in Höhe von 15.000 € rechtskräftig zur Insolvenz- tabelle fest. Der Kläger erhielt bisher keine Zahlung aus der Insolvenzmasse.
- 6
- Er meint, die Beklagte müsse ihm 15.000 € Schmerzensgeld aus der Forderungsausfallversicherung ersetzen. Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, da der Angriff des Schädigers ein nach Nr. 1.1.2 BBR PHV nicht versichertes "ungewöhnliches und gefährliches Tun" gewesen sei. Zudem liege kein vollstreckbarer Titel gegen den Schädiger im Sinne von Nr. 10.1.4 BBR PHV bzw. Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV vor.
- 7
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr auf Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
- 9
- I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger die begehrte Leistung aus der Forderungsausfallversicherung zu. Infolge des vorsätzlichen Angriffs des Schädigers habe er Anspruch auf Schmerzensgeld , so dass ein Haftpflichtschaden während der Wirksamkeit der Ausfalldeckung entstanden sei. Für den Deckungsumfang sei die im Versicherungsvertrag vereinbarte Haftpflichtdeckung entscheidend, da nach Nr. 10.1.1 BBR PHV fingiert werde, zugunsten des Schädigers bestehe eine Privat-Haftpflichtversicherung im gleichen Umfang. Nr. 1.1.2 BBR PHV, wonach die Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus einem ungewöhnlichen und gefährlichen Tun nicht versichert ist, führe nicht dazu, dass der Versicherungsnehmer bei einer der Tat des Schädigers vergleichbaren Handlung nicht versichert wäre, denn das schadensstiftende Geschehen selbst stelle kein solches ungewöhnliches und gefährliches Tun dar. Der Ausschluss setze vielmehr ein auf längere Dauer angelegtes Verhalten voraus, welches einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen schaffe. Anderes ergebe sich auch nicht aus der Verwendung des Wortes "Tun". Vom Versicherungsschutz seien nur solche Bereiche ausgenommen , denen sich der Versicherungsnehmer über eine gewisse Dauer widme.
- 10
- Soweit der Schädiger vorsätzlich gehandelt habe, gehe die Klausel in Nr. 10.1.1 Satz 4 BBR PHV (entspricht Teil I Nr. 1 Satz 4 Buchst. a BBR AusfV) dem Leistungsausschluss in Nr. 7.1.1 AHB vor.
- 11
- Die Eintragung einer Schadensersatzforderung in die Insolvenztabelle wirke gemäß § 178 Abs. 3 InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern wie ein rechtskräftiges Urteil. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei kein Grund ersichtlich, weshalb dies für die Eintrittspflicht des Versicherers nicht ebenso ausreichen solle, wie die in Nr. 10.1.4 BBR PHV (entspricht Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV) exemplarisch im Klammerzusatz aufgezählten anderen Vollstreckungstitel (Urteil, Vollstreckungsbescheid und gerichtlicher Vergleich).
- 12
- II. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
- 13
- Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus der zwischen den Parteien bestehenden Forderungsausfallversicherung zu.
- 14
- 1. Gemäß Teil I Nr. 1 Satz 1 BBR AusfV (entspricht Nr. 10.1.1 Abs. 1 BBR PHV) besteht Versicherungsschutz für den Fall, dass ein vom Versicherungsnehmer wegen eines Haftpflichtschadens, der während der Wirksamkeit der Ausfalldeckung eingetreten ist, auf Schadenersatz in Anspruch genommener Dritter seiner Zahlungsverpflichtung ganz oder teilweise nicht nachkommen kann, weil die Durchsetzung der Forderung gegen ihn gescheitert ist.
- 15
- Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Unstreitig wurde der Kläger in versicherter Zeit von dem Schädiger verletzt, weshalb ihm ein Schmerzensgeldanspruch zusteht, den er infolge der Insolvenz des Schädigers bisher nicht durchsetzen konnte.
- 16
- 2. Bei dem vom Kläger erlittenen Schaden handelt es sich um einen versicherten Haftpflichtschaden.
- 17
- a) Teil I Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 BBR AusfV (entspricht Nr. 10.1.1 Abs. 2 und 3 BBR PHV) bestimmt, der Umfang der versicherten Schadenersatzansprüche richte sich in der Weise nach dem Deckungs- umfang der Privat-Haftpflichtversicherung des Versicherungsvertrages, dass das Bestehen einer Privat-Haftpflichtversicherung des Schädigers in dem Umfang fingiert werde, wie die Versicherung des Versicherungsnehmers im Rahmen des Versicherungsvertrages bestehe. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte eintrittspflichtig ist, weil - sieht man von der vorsätzlichen Schadenszufügung ab - auch der Kläger Deckungsschutz aus dem Versicherungsvertrag beanspruchen könnte, wenn er selbst eine schadenstiftende Handlung verübt hätte, wie sie ihm widerfahren ist.
- 18
- b) In Nr. 1.1 AHB verspricht die Beklagte Deckungsschutz im Rahmen des versicherten Risikos unter anderem für den Fall, dass (wie hier der Schädiger) der Versicherungsnehmer wegen eines in versicherter Zeit eingetretenen Schadenereignisses, das einen Personenschaden zur Folge hatte, von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
- 19
- Das versicherte Risiko wird dabei in Nr. 1 BBR PHV näher beschrieben. Danach ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes versichert. Nr. 1.1 BBR PHV nimmt zudem die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren eines Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art (Nr. 1.1.1 BBR PHV) oder eines ungewöhnlichen und gefährlichen Tuns (Nr. 1.1.2 BBR PHV) vom Versicherungsschutz aus.
- 20
- Entgegen der Auffassung der Revision führen diese Risikoeinschränkungen nicht dazu, dass der Kläger, hätte er die Schädigung begangen , keinen Versicherungsschutz beanspruchen könnte.
- 21
- aa) Die Revision meint, vorsätzliche Angriffe auf Dritte zählten schon nicht zu den versicherten Gefahren, die täglich auf den Versicherungsnehmer zukommen könnten. Der Versicherungsnehmer werde die "Zumutung", er laufe täglich Gefahr, schwere Straftaten zu begehen, entrüstet zurückweisen und den in Nr. 1 BBR PHV beschriebenen Bereich der Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson mithin nicht dahin verstehen, dass auch solche Straftaten darunter fielen.
- 22
- Dem kann nicht gefolgt werden. Vielmehr geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Schutzbereich der privaten Haftpflichtversicherung durch die in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen regelmäßig gebrauchte Formulierung "als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens" für sich genommen keine Einschränkung enthält, sondern weit abgesteckt ist und erst durch die begleitenden negativen Risikobeschreibungen eingeschränkt wird (Senatsurteile vom 25. Juni 1997 - IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142 unter I 2 b; vom 10. März 2004 - IV ZR 169/03, r+s 2004, 188 unter II 1; vom 9. November 2011 - IV ZR 115/10, r+s 2012, 21 Rn. 13). Daran hält der Senat fest, denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis der Klausel es ankommt, hat abgesehen von den aus den negativen Risikobeschreibungen ersichtlichen Begrenzungen des Versicherungsschutzes keine Anhaltspunkte dafür, dass bereits der Begriff der Gefahren des täglichen Lebens eine Begrenzung des Versicherungsschutzes enthalten soll, zumal ihm keine Maßstäbe dafür an die Hand gegeben werden, Gefahren des täglichen Lebens von anderen, nicht alltäglichen Gefahren zu unterscheiden. Er wird das Leistungsversprechen mithin als Allgefahrenversicherung verstehen, von der nur die in den Be- sonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen eigens genannten Gefahrbereiche ausgenommen sein sollen.
- 23
- bb) Der Versicherungsschutz entfällt auch nicht deshalb, weil die Beklagte, hätte der Kläger den schadenstiftenden Angriff verübt, infolge der Nichtversicherung der Gefahren eines ungewöhnlichen und gefährlichen Tuns (Nr. 1.1.2 BBR PHV) leistungsfrei wäre.
- 24
- Das ergibt die Auslegung von Nr. 1.1.2 BBR PHV.
- 25
- (1) Der Senat hat mit Urteil vom 9. November 2011 (IV ZR 115/10, r+s 2012, 21 Rn. 12 ff.) zu der Klausel eines anderen Haftpflichtversicherungsvertrages "Versichert ist … die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers (VN) als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens - mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes , Berufes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung, …" (A. I. BBR 08/01) entschieden und näher begründet, ihre Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit des Versicherers seien nicht bereits dann erfüllt, wenn sich die schädigende Handlung selbst als ungewöhnlich und gefährlich darstelle. Erforderlich sei, dass diese Handlung im Rahmen einer allgemeinen Betätigung des Versicherten geschehe, die ihrerseits "ungewöhnlich und gefährlich" sei. Aus dem Vergleich des Begriffs der "ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung" mit den übrigen im selben Satzeinschub (in A. I. BBR) enthaltenen Ausnahmen folge, dass mit der "Beschäftigung" nicht lediglich eine einzelne Handlung, sondern ein Gefahrenbereich gemeint sei, mithin eine allgemeine, in gewissen Zeitabständen wiederholte oder wiederkehrende Betätigung als Rahmen für die konkrete schadenstiftende Handlung vorausgesetzt werde. Mit einer ungewöhnlichen und gefährlichen "Beschäftigung" sei ein Verhalten angesprochen, das - ähnlich wie die Ausübung eines Berufes oder Amtes - über eine nicht nur kurze Zeit fortdauere, sondern auf eine längere Dauer angelegt sei und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bilde. "Beschäftigung" ziele im Übrigen auch dem Wortsinne nach auf etwas, wofür der Versicherungsnehmer nicht nur punktuell, sondern wiederholt Arbeits- oder Freizeit aufwende.
- 26
- (2) Anders als die Revision meint, lässt sich das im Ergebnis auf die hier in Rede stehende Formulierung eines ungewöhnlichen und gefährlichen "Tuns" übertragen mit der Folge, dass auch der in Nr. 1.1.2 BBR PHV geregelte Ausschluss nicht schon dann eingreift, wenn sich lediglich die schadenstiftende Handlung als ungewöhnlich und gefährlich erweist.
- 27
- Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass die im vorgenannten Senatsurteil vom 9. November 2011 auf den Klauselwortlaut ("Beschäftigung" ) gestützte, ergänzende Erwägung bei der hier verwendeten Formulierung ("Tun") nicht greift, denn der neutrale Begriff des "Tuns" bringt das Erfordernis der Dauerhaftigkeit für sich genommen nicht ausreichend zum Ausdruck, sondern ließe sich auch auf eine einmalige Handlung beziehen. Entscheidend bleibt aber der - dem Versicherungsnehmer erkennbare - systematische Zusammenhang, in den der Risikoausschluss in Nr. 1 BBR PHV gestellt ist. Aus der Gegenüberstellung des zunächst weit gefassten Risikos der Gefahren des täglichen Lebens mit den einschränkenden negativen Risikobeschreibungen, mag sie hier auch nicht in einem Satzeinschub, sondern in Untergliederungspunkten der Nr. 1 BBR PHV erfolgen, erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer doch, dass mit dem ungewöhnlichen und gefährlichen Tun im Sinne von Nr. 1.1.2 BBR PHV nicht eine einzelne Handlung, sondern - ebenso wie bei den übrigen negativen Risikobeschreibungen der voranstehenden Nr. 1.1.1 BBR PHV - ein auf längere Dauer angelegter, von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbarer Bereich besonderer Gefahrenlagen angesprochen ist.
- 28
- Bei einem anderen Klauselverständnis wäre der versprochene Versicherungsschutz weitgehend entwertet; käme es lediglich darauf an, ob die schadenstiftende Handlung selbst als ungewöhnlich und gefährlich einzustufen wäre, so ließe sich ihre Gefährlichkeit im Versicherungsfall regelmäßig dadurch belegen, dass sie zu einem Schaden geführt hat. Der Versicherungsschutz entfiele mithin schon dann, wenn die schädigende Handlung als ungewöhnlich einzustufen wäre. Der juristisch nicht vorgebildete durchschnittliche Versicherungsnehmer, dem die Bedingungen keine Anhaltspunkte dafür geben, was ein ungewöhnliches Tun ausmacht, müsste befürchten, den Versicherungsschutz in einer Vielzahl von Fällen zu verlieren. Er wird angesichts der im Grundsatz versprochenen Allgefahrendeckung nicht annehmen, dass er eine so weitgehende Einschränkung des Leistungsversprechens erfährt.
- 29
- c) Der für die Haftpflichtversicherung in Nr. 7.1.1 AHB geregelte Deckungsausschluss für vorsätzliche Herbeiführung des Schadens findet in der Forderungsausfallversicherung keine Anwendung, wie sich aus Teil I Nr. 1 Abs. 2 Buchst. a BBR AusfV (entspricht Nr. 10.1.1 Abs. 4 Buchst. a BBR PHV) ergibt.
- 30
- 3. Anders als die Revision meint, scheitert die Forderungsausfalldeckung nicht daran, dass der Schmerzensgeldanspruch des Klägers lediglich mittels Feststellung zur Insolvenztabelle (§ 178 InsO) tituliert ist.
- 31
- a) Allerdings setzt Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV (entspricht Nr. 10.1.4 Buchst. a BBR PHV) voraus, dass der Versicherungsnehmer gegen den Dritten einen rechtskräftig gewordenen und vollstreckbaren Titel erwirkt haben muss, der in einem Klammerzusatz "(Urteil, Vollstreckungsbescheid , gerichtlicher Vergleich)" näher erläutert ist. Den aufgezählten Vollstreckungstiteln ausdrücklich gleichgestellt ist lediglich ein notarielles Schuldanerkenntnis mitqualifizierter Unterwerfungsklausel.
- 32
- b) Die Auslegung der Klausel ergibt jedoch, dass auch die widerspruchslose Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle den vorgenannten Anforderungen genügt.
- 33
- aa) Das folgt allerdings noch nicht aus dem Wortlaut der Klausel, denn ihm kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer keinen ausreichend deutlichen Hinweis darauf entnehmen, dass die im Klammerzusatz zur Erläuterung des Begriffs "vollstreckbarer Titel" aufgezählten Vollstreckungstitel lediglich Regelbeispiele sein sollen. Vielmehr erweckt der Klauselwortlaut für sich genommen den Anschein einer abschließenden Aufzählung, weil er keine Zusätze, wie etwa "z.B." oder "u.a." enthält.
- 34
- bb) Dennoch wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Klausel nach ihrem Sinn und Zweck dahin verstehen, dass auch die Feststellung seines Schadensersatzanspruchs zur Insolvenztabelle nach § 178 Abs. 1 InsO dem Erfordernis der Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV bzw.
- 35
- (1) Der Versicherungsnehmer wird den Regelungen in Nr. 4 BBR AusfV und in Nr. 10.1.4 BBR PHV entnehmen, dass der Versicherer die Ausfalldeckung erst dann leisten will, wenn der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Möglichkeiten, den begehrten Schadensersatz direkt vom Schädiger zu erhalten, ausgeschöpft hat. Deshalb fordern Nr. 4 Buchst. b BBR AusfV und Nr. 10.1.4 Buchst. b BBR PHV gleichlautend, der Versicherungsnehmer müsse den Fehlschlag oder die Aussichtslosigkeit einer Zwangsvollstreckung gegen den Schädiger nachweisen. Daraus wird der Versicherungsnehmer folgern, es komme für die Ausfalldeckung entscheidend darauf an, dass er zunächst erfolglos versucht, seinen Schadensersatz im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, falls diese nicht von vorn herein aussichtslos erscheint. Das Erfordernis, einen vollstreckbaren Titel gegen den Schädiger zu erwirken, wird der Versicherungsnehmer als Voraussetzung dieser Zwangsvollstreckung verstehen. Ihm erschließt sich aber nicht, dass mit der Aufzählung im Klammerzusatz der Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV bzw. der Nr. 10.1.4 Buchst. a BBR PHV die Ausfalldeckung gerade im Fall der Insolvenz des Schädigers, bei der der Ausfall der Schadensersatzforderung besonders wahrscheinlich ist, ausgeschlossen werden soll.
- 36
- (2) Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schädigers eröffnet, kann der Geschädigte gegen ihn weder einen Haftpflichtprozess noch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (weiter)betreiben (vgl. §§ 86, 89 InsO, 240 ZPO). Auch einen Vergleich kann er nicht mit dem Schuldner abschließen, weil die Befugnis, über das Vermögen des Schuldners zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergeht (§ 80 Abs. 1 InsO). Stattdessen ist er darauf verwiesen, seine Schadensersatzforderung gemäß §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden, wobei der Eintrag für eine festgestellte Forderung nach Betrag und Rang wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern wirkt (§ 178 Abs. 3 InsO). Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens kann ein Gläubiger, dessen Forderung festgestellt ist, aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO), wenn die Forderung im Prüfungstermin vom Schuldner nicht bestritten worden ist.
- 37
- (3) Vor diesem Hintergrund wird der Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass er im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schädigers mit der Eintragung seiner Forderung in die Insolvenztabelle die von Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV bzw. der Nr. 10.1.4 Buchst. a BBR PHV geforderten Bemühungen, seinen Anspruch auf rechtlichem Wege durchzusetzen, erfüllt und insbesondere einen vollstreckbaren Titel erwirkt hat.
- 38
- Bei einem anderen Verständnis der Klausel käme der Aufzählung dreier Vollstreckungstitel im Klammerzusatz anstelle einer vermeintlich verbraucherfreundlichen Erläuterung des Begriffes "vollstreckbarer Titel" in Wahrheit die Funktion eines Ausschlusses der Ausfallversicherungsleistung in Fällen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu. Das Versicherteninteresse bei Risikoausschlussklauseln geht in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherte braucht nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. (Senatsurteile vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, r+s 2013, 382 Rn. 41; vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10, VersR 2012, 1253 Rn. 20). Dem könnte die hier in Rede stehende Aufzählung, die keinerlei Hinweis darauf gibt, dass mit ihr eine weit reichende Einschränkung des Leistungsversprechens verbunden sein soll bei einem abweichenden Verständnis, nicht genügen.
- 39
- (4) Der Versicherungsnehmer kann anhand des Bedingungstextes auch kein schützenswertes Interesse des Versicherers erkennen, der Eintragung in die Insolvenztabelle die Anerkennung als Vollstreckungstitel zu versagen. Auch die Revision zeigt ein solches Interesse des Versicherers nicht auf. Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Anerkennung der Insolvenztabelleneintragung als Vollstreckungstitel für die Forderungsausfallversicherung ein erhöhtes Risiko falscher Titulierung von Ansprüchen einhergeht. Zwar handelt es sich bei der Eintragung in die Insolvenztabelle um keine gerichtliche Entscheidung über den Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers, dies ist aber auch bei einem gerichtlichen Vergleich oder einem Schuldanerkenntnis des Schädigers nicht der Fall, die nach der Bedingungslage genügen sollen.
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 27.06.2013- 2 O 206/12 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 20.06.2014- 10 U 927/13 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.
(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.
(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.
(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.
(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.
(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.
(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.
(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.
(1) Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig sind, können sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn sie betreffen:
- 1.
die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse, - 2.
die abgesonderte Befriedigung oder - 3.
eine Masseverbindlichkeit.
(2) Erkennt der Verwalter den Anspruch sofort an, so kann der Gegner einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rechtsstreits nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.
(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.
(2) Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge sind während der Dauer des Verfahrens auch für Gläubiger unzulässig, die keine Insolvenzgläubiger sind. Dies gilt nicht für die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs oder einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung in den Teil der Bezüge, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist.
(3) Über Einwendungen, die auf Grund des Absatzes 1 oder 2 gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden, entscheidet das Insolvenzgericht. Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei.
(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.
(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.
(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.
(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.
(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.
(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.
(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.