Oberlandesgericht Köln Beschluss, 10. Juni 2014 - 11 U 74/14
Gericht
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 10.4.2014 - 91 O 4/14 - durch Beschluss gemäß § 522 Abs.2 ZPO zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
1
Gründe:
2I.
3Die zulässige Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist, eine Entscheidung des Senats durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint, beabsichtigt der Senat, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
4Das angefochtene Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage. Das Landgericht hat der Klage zu Recht im Urkundenprozess nach §§ 592 ff. ZPO im zuerkannten Umfange durch Vorbehaltsurteil stattgegeben. Die Berufungsbegründung rechtfertigt eine Abänderung der Entscheidung nicht. Sie gibt lediglich zu folgenden Hinweisen Anlass:
51.
6Der Beklagte wendet sich mit der Berufung im Ansatz dagegen, dass das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertritt, im Urkundenprozess müssten lediglich in Bezug auf strittige anspruchsbegründende Tatsachen beigebracht werden. Dies entspreche zwar der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, werde mittlerweile aber durch obergerichtliche Entscheidungen (OLG Schleswig NJW 2014, 945 = NZBau 2013, 764 mit Anm. Dötsch; zust. Leidig/Jöbges NJW 2014, 892; OLG München ZIP 2012, 178 = BeckRS 2012, 29041) infrage gestellt.
7Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedürfen auch im Urkundenprozess unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen eines Beweises durch Urkunden nicht (BGHZ 62, 286 = NJW 1974, 1199). Die Statthaftigkeit dieser Klageart setzt begriffsnotwendig zwar die Vorlage zumindest einer Urkunde voraus (BGHZ 62, 286, 299). Damit werden im Urkundenprozess sich auf die Klageforderung beziehende Urkunden bei Nichtbestreiten nicht schlechthin entbehrlich. Der Kläger erhält jedoch die Möglichkeit, Lücken in der Beweiswürdigung durch unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen zu schließen. Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser seit Jahrzehnten gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, der er ebenfalls gefolgt ist (etwa Beschl. v. 14.11.2012 – 11 U 120/12 und vom 11.5.2014 - 11 W 16/14), abzuweichen (ebenso Dötsch a. a. O.). Diese schon durch das Reichsgericht begründete Judikatur hat der Bundesgerichthof in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1974 (BGHZ 62, 286) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Auffassung fortgeführt, nach der alle anspruchsbegründenden Tatsachen urkundlich belegt werden müssen. Zwar stößt dies bei Teilen des Schrifttums weiterhin auf Ablehnung oder Vorbehalte. Die Rechtsprechung hat sich ihr aber – soweit ersichtlich - einhellig angeschlossen (vgl. etwa die Nachweise bei OLG Schleswig und Leidig/Jöbges jew. a.a.O.; Musielak/Voit, ZPO, § 592 Rdn. 11; Kratz in: BeckOK ZPO, Stand 15.3.2014, § 592 Rn. 24). Anhaltspunkte für eine Abkehr des Bundesgerichtshofes von seiner Grundsatzscheidung sind nicht ersichtlich. Auch Entscheidungen aus jüngster Zeit hat er die dort entwickelten Grundsätze zugrundegelegt (BGHZ 173, 366, 369 = NJW 2008, 523; NJW 2009, 2886, 2887; unausgesprochen auch BGH NJW 2007, 1061). Die von der Berufung angeführte Entscheidung des OLG Schleswig enthält zudem keine neuen, gegen diese Rechtsprechung nicht bereits angeführten Argumente. Der Einwand, es sei schwierig abzugrenzen, wann eine bloße Lücke in der Beweisführung zu sehen ist, verfängt nicht (dazu zutreffend Dötsch a. a. O. und Kratz in: BeckOK ZPO, Stand 15.3.2014, § 592 Rn. 24). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im Übrigen auch, wenn man verlangt, dass sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen urkundlich belegt werden. Sie können sich etwa bei der Frage stellen, ob ein Vertrag schon durch urkundlich belegte Erklärungen oder aber erst durch ein späteres, jedoch unstreitiges konkludentes Verhalten zu Stande gekommen ist. Die von der Berufung angeführte weitere Entscheidung des OLG München lässt nicht erkennen, dass sie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung überhaupt abweicht. Sie verneint die Statthaftigkeit der Urkundenklage deshalb, weil der Kläger zum Beweis seiner Forderung überhaupt keine Urkunden vorgelegt hatte (ZIP 2012, 178, 179). Das steht jedoch in Einklang mit der Judikatur des Bundesgerichthofes, der – wie ausgeführt - zumindest die Vorlage einer Urkunde verlangt.
82.
9Auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann der Werkunternehmer seinen Werklohnanspruch im Urkundenprozess geltend machen, soweit die anspruchsbegründenden Voraussetzungen, nämlich die Beauftragung der Werkleistung, die Höhe des Werklohns und die Fälligkeit des Anspruches durch Urkunden belegt werden können oder zugestanden, unstreitig oder offenkundig sind (OLG Köln – 20. Zivilsenat – BauR 2008, 129 = NJOZ 2008, 384; Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3, Aufl., Kap. 20 Rn. 67; weitere Nachweise der Rechtsprechung bei Dötsch a.a.O.). Dabei kann er sich auch auf die geprüfte Schlussrechnung stützen, soweit diese unstreitig bleibt (Kniffka a.a.O.).
10Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht der Klage auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Schlussrechnung zu Recht in Höhe von 11.151,30 € stattgegeben. Die von der Klägerin behauptete Beauftragung sämtlicher mit der Schlussrechnung (Anl. K 3, Bl. 12 ff. d.A.) abgerechneten Bauleistungen hat die Beklagte lediglich hinsichtlich der Position 1.6 (4 Duschwannensets zu insgesamt 854,40 €) in Abrede gestellt. Diese Position hat das Landgericht von der durch die Architekten der Beklagte geprüften Schlussrechnungssumme in Absatz gebracht. Die von der Beklagten vorgenommenen weiteren Abzüge hat das Landgericht zutreffend aus rechtlichen Gründen für unbeachtlich erklärt, weil es sich teils um Subtraktionsfehler, teils um von der Beklagten zu beweisende Einwendungen handelt. Dagegen erhebt die Berufung keine erheblichen Einwände. Sie beschränkt sich auf den allgemeinen rechtlichen Einwand, im Urkundenprozess müssten alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden belegt werden, es gehe nicht an, dass im Bereich des Werkvertragsrechtes allein mithilfe einer geprüften Schlussrechnung eine Titulierung der Werklohnforderung erreicht werden könne, ohne dass alle weiteren Absprachen zwischen den Parteien zu berücksichtigen wären. In der Sache bestreitet die Beklagte die zugesprochenen Rechnungspositionen dagegen weiterhin nicht. Darauf, ob der Prüfvermerk auf der Schlussrechnung von der Beklagten selbst oder ihren Architekten stammt, kommt es nicht an. Als beweisgeeignete Urkunden kommen im Urkundenprozess alle Schriftstücke in Betracht, unabhängig davon, ob sie unterschrieben oder nicht unterschrieben sind. Unerheblich ist auch, ob die Partei selbst bei der Errichtung der Urkunde mitgewirkt hat (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 592 Rdn. 15 m.w.N.). Die vorgelegten Dokumente müssen nur geeignet sein, im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO den anspruchsbegründenden Sachverhalt zu beweisen (BGH WM 1983, 22; NJW 1985, 2953; WM 2006, 691, 692 = NJW-RR 2006, 760; Musielak/Voit § 592 Rdn. 12; Zöller/Greger a.a.O.). Danach genügt die von den – offenkundig – bevollmächtigten Architekten der Beklagten geprüfte und abgezeichnete Schlussrechnung, zumal – wie ausgeführt – unstreitige Tatsachen eines Beweises ohnehin nicht bedürfen. Die im Falle der Werklohnklage bei einer Urkundenklage oft problematische Abnahme der Werkleistung ist durch das Abnahmeprotokoll (Anl. K 2, Bl. 11 d.A.) urkundlich belegt, so dass auch die Fälligkeit der Klageforderung bewiesen ist.
113.
12Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf, noch ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung des OLG Schleswig steht im Widerspruch zur ganz herrschenden Ansicht der Rechtsprechung und hat in dieser bislang keine Gefolgschaft gefunden. Sie gibt keine Veranlassung zu einer erneuten grundsätzlichen Abgrenzung der Voraussetzungen des Urkundenprozesses. Die Entscheidung des OLG München beruht nicht einmal auf einem Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung.
13II.
14Der Kläger hat Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist. Die Frist kann nach § 244 Abs.2 ZPO nur verlängert werden, wenn der Gegner zustimmt oder erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden. Auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Zurücknahme des Rechtsmittels wird hingewiesen (Nr.1222 Kostenverzeichnis zu § 3 Abs.2 GKG).
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Stirbt in Anwaltsprozessen der Anwalt einer Partei oder wird er unfähig, die Vertretung der Partei fortzuführen, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein, bis der bestellte neue Anwalt seine Bestellung dem Gericht angezeigt und das Gericht die Anzeige dem Gegner von Amts wegen zugestellt hat.
(2) Wird diese Anzeige verzögert, so ist auf Antrag des Gegners die Partei selbst zur Verhandlung der Hauptsache zu laden oder zur Bestellung eines neuen Anwalts binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist aufzufordern. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist das Verfahren als aufgenommen anzusehen. Bis zur nachträglichen Anzeige der Bestellung eines neuen Anwalts erfolgen alle Zustellungen an die zur Anzeige verpflichtete Partei.